Sentinellymphknotenbiopsie beim Mammakarzinom

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Ruhr-Universität Bochum
PD Dr. med. Eva Fricke
Dienstort: Johannes Wesling Klinikum Minden
Institut für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin
Sentinellymphknotenbiopsie beim Mammakarzinom
Inaugural-Dissertation
zur
Erlangung des Doktorgrades der Medizin
einer
Hohen Medizinischen Fakultät
der Ruhr-Universität Bochum
vorgelegt von
Christoph Alexander Biedendieck
aus Berlin
2011
Dekan:
Prof. Dr. med. Klaus Überla
Referent:
PD Dr. med Eva Fricke
Korreferent: Prof. Dr. med Volkmar Nicolas
Tag der mündlichen Prüfung: 29.11.2011
Abstract
Biedendieck
Christoph Alexander
Sentinellymphknotenbiopsie bei Mammakarzinom
Problem:
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland. Der axilläre
Lymphknotenstatus stellt den stärksten prognostischen Faktor für den Verlauf der Krankheit dar. Ein stetig
wachsender Anteil an Frauen ohne axillären Lymphknotenbefall zum Diagnosezeitpunkt förderte die Entwicklung
eines weniger invasiven Verfahrens zum Staging der Axilla. Heute stellt die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) ein
etabliertes Verfahren dar, welches im Vergleich zur radikalen axillären Lymphadenektomie (ALND) bei gleicher
onkologischer Sicherheit im Falle einer tumorfreien Axilla die Radikalität des operativen Eingriffs begrenzen kann.
Zum aktuellen Zeitpunkt stellen unifokale T1-Tumoren die Standardindikation, T2-Tumoren sowie bifokale Tumoren
eine optionale Indikation zur Anwendung der SLNB dar. Um das Verfahren einer größeren Anzahl an Frauen
zugänglich zu machen, wird eine Ausweitung auf größere Tumoren und multifokale/multizentrische Tumoren
diskutiert. Es gelten verschiedene peritumorale und periareoläre Injektionsverfahren des Markierungsstoffes als
gleichwertige Verfahren. Die vorliegende Arbeit untersucht die Wertigkeit der SLNB nach Umstellung des
Standardinjektionsverfahren zugunsten einer periareolären, intradermalen Injektionstechnik am Klinikum Minden,
sowie die Bedeutung dieser Injektionstechnik bezüglicher einer möglichen Ausweitung auf die Indikationsgruppe der
größeren (T2-T4) und multifokal/multizentrischen Tumoren .
Methode:
Am Klinikum Minden erfolgte im Mai 2008 die Umstellung von einer peritumoralen
Injektionstechnik auf eine periareoläre, intradermale Injektion des Radionuklids als Standardverfahren bei der SLNB.
Ausgewertet wurden sämtliche 117 durchgeführten SLNB von Mai 2008 bis Mai 2009.
Ergebnis:
Die präoperativen Lymphszintigraphien wiesen in 100% den/die Sentinellymphknoten (SLN)
nach, in 98,3% gelang der Nachweis intraoperativ mittels Gammasonde. In sechs Fällen (5,1%) gelang die
Darstellung mittels Lymphszintigraphie erst im Rahmen von Spätaufnahmen, nachdem die Mamma erwärmt
und/oder massiert wurde, wobei in fünf Fällen der Primärtumor im oberen, äußeren Quadranten lokalisiert war.
Erfolgte intraoperativ die Darstellung mehrerer SLN, war aber nur einer dieser SLN metastatisch befallen, so waren
sämtliche Lymphknoten in der nachfolgenden axillären Lymphadenektomie tumorfrei. Die Rate der SLN-negativen
Tumoren nahm im Vergleich zu den SLN-positiven Tumoren mit steigender Tumorgröße ab. Duktale Carcinomata in
situ (DCIS) zeigten in sämtlichen Fällen einen negativen Lymphknotenstatus. Ein signifikanter Unterschied der
Detektionsraten innerhalb der einzelnen Indikationsgruppen zeigte sich im Patientinnenkollektiv nicht. Ebenso blieb
die Anzahl der detektierten Lymphknoten ohne signifikante Unterschiede in der Verteilung.
Diskussion:
Im Falle einer Lokalisation des Primärtumors im oberen, äußeren Quadranten können supportive
Maßnahmen wie Erwärmung und Massieren der Mamma die Darstellbarkeit des/der SLN in der präoperativen
Lymphszintigraphie verbessern.
Patientinnen mit mehr als einem intraoperativ detektierten SLN, bei denen aber nur einer dieser SLN metastatisch
befallen ist, stellen möglicherweise ein Kollektiv dar, bei welchem trotzt positivem SLN auf eine routinemäßige
Ausräumung des Axilla verzichtet werden kann.
Die Ergebnisse anderer Studien über den Einfluss der Tumorgröße auf den Lymphknotenstatus konnte ebenso
bestätigt werden, wie die sehr geringe Wahrscheinlichkeit axillärer Metastasen beim DCIS.
Eine vergleichende Betrachtung der Standardindikationsgruppe der T1-Tumoren sowie der Gruppe der größeren (T2T4) und der multifokal/multizentrischen Tumoren zeigte für die periareoläre Injektionstechnik gleichwertige
Ergebnisse bezüglich der prä- und intraoperativen Detektionsrate des/der SLN. Unter Einbezug der aus der Literatur
bekannten Vorteile der periareolären Injektionstechnik zeigen die vorliegenden Ergebnisse die gute Anwendbarkeit
der periareolären Injektionstechnik auch in den erweiterten Indikationsgruppen.
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
3
1
Einleitung
4
2
Zielsetzung
6
3
Grundlagen
7
4
5
3.1
Das Mammakarzinom
3.2
Das Konzept des Sentinellymphknotens (SLN)
7
Patientinnen und Methoden
12
19
4.1
Patientinnenkollektiv
19
4.2
Präoperative Lymphszintigraphie
20
4.3
Intraoperatives Vorgehen – die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB)
23
4.4
Pathologische Aufarbeitung der Sentinellymphknoten (SLN)
25
Ergebnisse
5.1
26
Präoperative Lymphszintigraphie
5.1.1
5.1.2
26
Detektion des/der Sentinellymphknoten(s) in der präoperativen
Lymphszintigraphie
26
Zeitpunkt der präoperativen Lymphszintigraphie
26
5.2
Intraoperative Detektion des/der Sentinellymphknoten(s)
27
5.3
Tumorstatus des/der Sentinellymphknoten(s)
28
5.3.1
Schnellschnittergebnisse
5.3.2
Anzahl der metastatisch befallenen Sentinellymphknoten und der
30
Nodalstatus
30
1
5.3.3
Anzahl der intraoperativ detektierten Sentinellymphknoten und der
Nodalstatus
5.4
Lymphknotenstatus und Prognosefaktoren
33
5.4.1
Lymphknotenstatus und Tumorgröße
34
5.4.2
Lymphknotenstatus und Tumordifferenzierungsgrad
38
5.4.3
Lymphknotenstatus und Hormonrezeptorstatus bzw. Her-2/neu-Status 39
5.4.4
Lymphknotenstatus und Tumortyp
5.5
6
32
Indikationsgruppen
43
44
5.5.1
Indikationsgruppen und präoperative Lymphszintigraphie
44
5.5.2
Indikationsgruppen und intraoperative Sentinellymphknotenbiopsie
45
Diskussion
47
6.1
Präoperative und intraoperative Detektionsrate
6.2
Anzahl der metastatisch befallenen Sentinellymphknoten und der
Nodalstatus
6.3
47
49
Vergleich der Anzahl der szintigraphisch und intraoperativ detektierten
Sentinellymphknoten
50
6.4
Gesamtanzahl an Sentinellymphknoten und der Nodalstatus
51
6.5
Nodalstatus und Prognosefaktoren
51
6.6
Die Indikationsgruppe der großen und multifokalen/multizentrischen
6.7
Karzinome
54
Die Bedeutung der Injektionstechnik
56
7
Zusammenfassung
58
8
Literaturverzeichnis
60
Anhang
2
Verzeichnis der verwendeten Abkürzungen
ALND
=
vollständige axilläre Lymphadenektomie (axillary lymph
node dissection)
DCIS
=
ductales carcinoma in situ
ER
=
Östrogenrezeptor (estrogen receptor)
IDC
=
invasiv duktales Karzinom (invasiv ductal carcinoma)
IHC
=
Immunhistochemie
ILC
=
invasiv lobuläres Karzinom (invasiv lobular carcinoma)
keV
=
kilo-Elektronenvolt
LCIS
=
lobuläres Carcinoma in situ
LN
=
Lymphknoten (lymph node)
MBq
=
Megabecquerel
OÄQ
=
oberer, äußerer Quadrant
p.i.
=
post injectionem
PR
=
Progesteronrezeptor (progesterone receptor)
SLN
=
Sentinellymphknoten (sentinel lymph node)
SLNB
=
Sentinellymphknotenbiopsie (sentinel lymph node biopsy)
Tc
=
Technetium
3
1
Einleitung
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland. In
den westlichen Industrieländern erkrankt derzeit etwa jede 8. bis 10. Frau im Laufe
ihres Lebens an Brustkrebs. Erfreulicherweise ist die Mortalitätsrate in Deutschland seit
Mitte der 90er Jahre durch eine kontinuierliche Verbesserung der Diagnostik mittels
Früherkennung und der adjuvanten systemischen Therapie rückläufig [60]. Weiterhin
zeigt sich eine Verbesserung der Lebensqualität betroffener Patientinnen. Neben
modernen onkoplastischen Operationstechniken, die eine Brustherhaltung auch bei
größeren Gewebsresektionen mit annehmbaren kosmetischen Ergebnissen und
wiederhergestellter
Körperintegrität
bei
maximaler
onkologischer
Sicherheit
ermöglichen, bedeutet die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) einen wesentlichen
Fortschritt zur Verminderung der Operationsradikalität in der Axilla mit deutlicher
Verbesserung der Kurz- und Langzeitmorbidität.
Der axilläre Lymphknotenstatus stellt nach wie vor den stärksten Prognosefaktor dar.
Ein axillärer Lymphknotenbefall signalisiert eine deutlich erhöhte Mortalität und ein
derart hohes Rezidivrisiko, dass eine adjuvante systemische Therapie gerechtfertigt ist
[3, 21].
Bis zur Einführung der Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) stellte die radikale axilläre
Lymphadenektomie (ALND) das operative Standardverfahren zur Therapie und zum
Staging des Mammakarzinoms dar.
Da aber dank moderner Screeningverfahren und besserer Aufklärung der Bevölkerung
die Mehrzahl der Patientinnen zum Zeitpunkt der Diagnose einen negativen
Lymphknotenstatus aufweist [62], bedeutet die ALND für diese Patientinnen einen
unnötig radikalen Eingriff.
Bei der SLNB handelt es sich um ein inzwischen gut etabliertes diagnostisches
Verfahren zur Darstellung von tumordrainierenden Lymphknoten, welches zunächst bei
einer Reihe anderer Tumorarten – so v.a. dem malignen Melanom – angewandt wurde
und dessen diagnostische Wertigkeit aus vorausgegangenen Untersuchungen bereits seit
längerer Zeit ersichtlich ist [13, 77]. Durch die Injektion von Markierungsstoffen ins
Brustgewebe (in der Regel ein radioaktiv markierter Tracer) kommt der/ kommen die
erste(n) Lymphkonten des lymphatischen Abstroms des Primärtumors zur Darstellung.
Nur diese(r) Lymphknoten wird/werden im Rahmen des operativen Eingriffs entfernt
4
und feingeweblich auf Metastasen untersucht. Dabei schließt ein negativer Nodalstatus
dieser ersten „Filterstation“ von potentiell lymphogen gestreuten Tumorzellen das
Vorliegen einer axillären Metastasierung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit aus, so
dass bei diesen Patientinnen auf die Ausräumung der Axilla mit der daraus
resultierenden Schulter-Arm-Morbidität verzichtet werden kann [9, 20, 85, 108, 116,
125].
Eine erfolgreiche Anwendung der Methode bedarf einer guten interdisziplinären
Zusammenarbeit von Radiologen, Nuklearmedizinern, Gynäkologen und Pathologen.
Eine standardisierte und qualitätsgesicherte Durchführung ist unerlässlich.
Die
Standardindikation
für
die
SLNB
stellt
aktuell
das
kleine
unifokale
Mammakarzinom bis 2 cm Größe (T1-Tumoren) mit klinisch negativem Nodalstatus
dar. Optional kann die SLNB nach aktuellem Konsensus in Deutschland auch bei
bifokalen Tumoren und Tumoren von einer Größe von 2-5 cm (T2-Tumoren)
durchgeführt werden [66].
Bestandteil
der
Indikationsgruppen.
aktuellen
Diskussion
Weiterhin
steht
ist
die
eine
weitere
optimale
Ausweitung
der
Injektionsmethode
des
Markierungsstoffes im Mittelpunkt des Interesses. Aktuell werden verschiedene
peritumorale sowie periareoläre und subareoläre Injektionstechniken als gleichwertig
betrachtet [66]. Dennoch kann die periareoläre Injektionstechnik diverse Vorteile
bieten, wie das einfachere Erlernen dieser Injektionstechnik, der geringere Aufwand bei
nicht palpablen Tumoren, sowie die geringere Schmerzhaftigkeit des Verfahrens [16,
56, 96].
5
2
Zielsetzung
Im Mai 2008 erfolgte am Institut für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin des
Klinikums Minden eine Umstellung der zuvor angewendeten peritumoralen Injektion
auf ein periareoläres, intradermales Injektionsverfahren des Radionuklids bei der
Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB).
Zielsetzung dieser Arbeit ist die Auswertung der ersten Ergebnisse nach dieser
Umstellung.
Besondere
Berücksichtigung
finden
neben
dem
Einfluss
der
tumorspezifischen Prognosefaktoren auf den Nodalstatus die Ergebnisse innerhalb der
Gruppe der großen und multifokalen/multizentrischen Karzinome.
6
3
Grundlagen
3.1
Das Mammakarzinom
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland und
für 26,8% aller Malignom-Neuerkrankungen bei Frauen verantwortlich. Das Risiko
einer Frau, irgendwann in ihrem Leben an Brustkrebs zu erkranken, liegt bei circa 12%.
Im Jahr 2005 starben nach Angaben des statistischen Bundesamtes 17455 Frauen an
Brustkrebs. Noch vor dem kolorektalen Karzinom und dem Bronchialkarzinom nahm
die
Brustkrebserkrankung
bei
Frauen
bezüglich
der
Sterblichkeit
an
Malignomerkrankungen mit 17,8% den ersten Platz ein [60].
Ätiologie
Als Ätiologie für das Mammakarzinom wird von einem multifaktoriellen Geschehen
ausgegangen. Die meisten Mammakarzinome (über 90%) entstehen spontan/sporadisch,
seltener (ca. 5%) sind familiäre Genveränderungen als Ursache des Karzinoms
anzusehen [55].
Beim sporadischen Auftreten sind epidemiologische Risikofaktoren bekannt, so zum
Beispiel hormonelle Faktoren, Parität, Lebensstil und eigene Vorerkrankungen [48].
Hereditäre Mammakarzinome unterscheiden sich durch ein früheres Erkrankungsalter,
eine höhere Prävalenz bilateraler Mammakarzinome, sowie die Häufung assoziierter
Krebserkrankungen [37]. Häufig liegt eine Mutation auf einem der beiden BreastCancer-Gene (BRCA1 und BRCA2) vor [2].
Pathologisches Erscheinungsbild
Unter
dem
Begriff
Mammakarzinom
wird
eine
Vielzahl
von
histologisch
unterschiedlichen Tumoren zusammengefasst, die sich im Erscheinungsbild und in ihrer
malignen Potenz wesentlich unterscheiden. Die Nomenklatur orientiert sich an der
WHO-Klassifikation der Tumoren der Mamma [111].
Das pathologische Erscheinungsbild der Mammakarzinome wird im Wesentlichen nach
dem Entstehungsort des Tumors differenziert. Diesbezüglich werden das duktale
Karzinom mit Ausgang von den Milchgängen und das lobuläre Karzinom mit Ausgang
von den Drüsenläppchen unterschieden. Unter den invasiven Karzinomen stellt das
invasiv duktale Karzinom (IDC) mit Ausgang vom Epithel der terminalen
7
Gangsegmente den häufigsten Tumortyp dar [48]. Weitere wichtige Vertreter der
invasiven Karzinome sind das invasiv lobuläre Karzinom (ILC), das tubuläre Karzinom,
das muzinöse Karzinom, sowie das medulläre Karzinom.
Neben den invasiven Karzinomen wird in der aktuellen WHO-Klassifikation das
duktale Carcinoma in situ (DCIS) als neoplastische intraduktale Läsion definiert,
welche insbesondere durch die steigende Entdeckungsrate aufgrund moderner
diagnostischer Verfahren und Screeningprogramme an Bedeutung gewinnt [111].
Bei allen invasiven Karzinomen ist ein Grading durchzuführen, welches in der Regel
bereits im Rahmen einer präoperativen Diagnostik am Stanz- oder Vakuumpräparat
erfolgen sollte [60]. Die endgültige Zuordnung des histologischen Grading sollte dann
am Operationspräparat erfolgen. Es erfolgt eine Einteilung des Malignitätsgrades in
gering, mäßig oder hoch (G1-G3) [111].
Lokalisation, Ausbreitung und Metastasierung
Etwa die Hälfte der Mammakarzinome findet sich im oberen, äußeren Quadranten, am
seltensten im unteren, inneren Quadranten, während die übrigen Quadranten und der
zentrale Anteil in etwa gleichen Anteilen betroffen sind [48].
Multifokalität bezeichnet das Auftreten von getrennten Karzinomherden in einem
Quadranten bzw. bei einem Abstand von weniger als 4 cm zwischen den Herden.
Multizentrizität hingegen bezeichnet das Auftreten von getrennten Karzinomherden in
mehr als einem Quadranten bzw. bei einem Abstand von mindestens 4 cm [60]. Eine
einheitliche Definition dieser Begriffe hat sich jedoch nicht endgültig durchgesetzt. Die
vorangehend genannte Einteilung wird in der aktuellen interdisziplinären S3-Leitlinie
für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms empfohlen [60].
Vom Sitz der Primärmanifestation ausgehend kann es zur lokalen, regionalen oder
fernen Metastasierung kommen. Bezüglich der lokalen Ausbreitung besteht die
Möglichkeit der direkten Infiltration in das Nachbarparenchym oder der Ausbreitung
entlang der Milchgänge. Unter regionaler Ausbreitung wird die Metastasierung in die
axillären, supraklavikulären, infraklavikulären und die innerhalb der Mamma gelegenen
Lymphknoten verstanden. Die axillären Lymphknoten stellten die wichtigste Station der
Metastasierung des Mammakarzinoms dar und sind prognostisch von hervorragender
Bedeutung [24]. Die Lokalisation von Fernmetastasen betrifft vor allem Knochen,
Leber und Lunge [11]. Liegen Fernmetastasen vor, ist nach heutigem Kenntnisstand
eine Langzeitheilung nur in wenigen Ausnahmefällen zu erreichen [60].
8
Prognostische und prädiktive Faktoren
Prognosefaktoren geben zum Diagnosezeitpunkt Informationen über den erwarteten
Krankheitsverlauf (Rezidivfreiheit und das Gesamtüberleben), die unabhängig von der
Therapie sind. Sie reflektieren die Fähigkeit des Tumors zur Proliferation, Invasion und
Metastasierung
[24].
Prädiktive
Faktoren
sagen
die
Wahrscheinlichkeit
des
Ansprechens eines Tumors auf eine bestimmte Therapie voraus. Eine klinische
Relevanz besteht dann, wenn durch die Kenntnis eine Therapieentscheidung ermöglicht
wird, die zur Verbesserung des Gesamtüberlebens, des rezidivfreien Überlebens oder
der Lebensqualität führt [35, 44, 47].
Die internationale Konsensempfehlung von St. Gallen aus dem Jahr 2007 fordert als
Grundlage für die risikoadaptierte Therapieentscheidung: Nodalstatus, Tumorgröße,
Grading, Alter der Patientin, Gefäßeinbruch, Hormonrezeptorstatus sowie Her2/neuStatus [40].
Nodalstatus
Der axilläre Lymphknotenstatus ist der stärkste Prognosefaktor. Ein axillärer
Lymphknotenbefall signalisiert eine 4- bis 8-fach erhöhte Mortalität und ein derart
hohes Rezidivrisiko, dass eine adjuvante systemische Therapie gerechtfertigt erscheint
[3, 21]. In Abhängigkeit des Nodalstatus reicht die Fünfjahresüberlebensrate von 92%
(nodalnegative) über 81% (1-3 positive Lymphknoten) bis 57% (4 und mehr positive
Lymphknoten) [14].
Tumorgröße
Es besteht eine klare Korrelation zwischen Tumorgröße und der Prognose [89, 98]. Die
Abhängigkeit des Fünfjahresüberlebens zur Tumorgröße beträgt bei Durchmessern
unter 10 mm 99%, bei 10-30 mm 89% und bei 30-50 mm 86% [14].
Grading
Das international am weitesten akzeptierte und von der WHO empfohlene GradingSystem ist das nach Elston und Ellis [28, 111]. Die prognostische Relevanz erreicht
nahezu die des Nodalstatus oder der Tumorgröße [27, 90].
Lymph- und Blutgefäßeinbrüche
9
Lymph- und Blutgefäßinvasion sind Indikatoren für Lokalrezidive und Fernrezidive
[32, 98]. Obwohl in Studien eine Rezidivrisikoerhöhung um das 1,5- bis 2fache belegt
ist, wird der Einsatz nur in bestimmten Situationen (z. B. in der Abgrenzung der
Patientinnengruppe mit niedrigem von der mit intermediärem Risiko) empfohlen [40].
Alter
Jüngeres Alter stellt einen negativen prognostischen Marker dar, so dass alle
Patientinnen unter 35 Jahren adjuvant behandelt werden sollen [61].
Hormonrezeptorstatus
Als positiver Hormonrezeptorstatus wird üblicherweise das Vorhandensein von
Östrogen- und Progesteronrezeptoren der Tumorzellen bezeichnet. Ein negativer
Hormonrezeptorstatus erhöht das Rezidivrisiko und die tumorspezifische Mortalität
gering [74]. Die prognostische Kraft dieses Faktors scheint zudem mit längerer
Beobachtung geringer zu werden [24, 49]. Der eher schwache Prognosefaktor ist jedoch
ein starker prädiktiver Faktor für die adjuvante, endokrine Therapie [43]. Dabei ist zu
beachten, dass die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens einer endokrinen Therapie von
der unter Umständen unterschiedlichen Expression beider Hormonrezeptoren abhängen
kann [40].
Her-2/neu-Status
Eine Amplifikation des Her-2/neu-Gens und die damit verbundene Überexpression des
Her-2/neu-Proteins wird bei 20% bis 30% aller Mammatumoren nachgewiesen und ist
mit einer ungünstigen Prognose im Sinne eines erhöhtes Rezidiv- und Todesrisikos bei
nodalnegativen Patientinnen assoziiert [45, 97, 127]. Als prädiktiver Faktor dient der
Her-2/neu-Status bei der Indikationsstellung zur adjuvanten Trastuzumab-Therapie,
welche auf der Applikation eines gegen das Her-2/neu-Protein gerichteten
monoklonalen Antikörpers beruht.
Grundlagen der Therapie des lokoregionären Mammakarzinoms
Die Basis für die Therapie aller nicht fortgeschrittenen Mammakarzinome ist das Ziel,
den Tumor mit einem tumorfreien Resektionsrand zu entfernen [10, 93]. Hierbei sollte
der mikroskopisch gemessene Sicherheitsabstand zwischen Tumor und Resektionsrand
1 mm oder mehr für das invasive, und 5 mm oder mehr für das DCIS betragen [81]. Die
komplette Entfernung des Tumors minimiert das Lokalrezidivrisiko [19]. Prinzipiell ist
10
dieses über eine brusterhaltendende Therapie oder über eine Mastektomie möglich.
Indikationen zur brustherhaltenden Therapie sind unter Berücksichtigung der
angestrebten R0-Resektion das lokal begrenzte nicht invasive Karzinom, invasive
Karzinome mit günstiger Relation von Tumorgröße und Brustvolumen, sowie invasive
Karzinome mit intraduktaler Begleitkomponente, solange die Resektionsränder im
Gesunden verlaufen. Von einer brusterhaltenden Therapie sollte Abstand genommen
werden bei Vorliegen eines multizentrischen Karzinoms, bei inflammatorischen
Mammakarzinomen, sowie bei einem ungünstigen Tumor-Brust-Größenverhältnis [60].
Unter diesen Berücksichtigungen ist eine brusterhaltende Therapie mit nachfolgender
Bestrahlung bezüglich des Überlebens der alleinigen Mastektomie gleichwertig [33,
114].
Die Bestimmung des histologischen Nodalstatus ist Bestandteil der operativen Therapie
und sollte leitliniengerecht mit Hilfe der SLNB erfolgen [60, 66]. Während die SLNB
hinsichtlich der lokalen Kontrolle der ALND gleichwertig ist [85, 116], zeigt sich die
Morbidität im Schulter-Arm-Bereich signifikant reduziert [34]. Bei Patientinnen mit
positivem Sentinellymphknoten oder Patientinnen, die keine SLNB erhalten können, ist
die operative Ausräumung der axillären Lymphkonten (ALND) weiterhin indiziert.
Grund dafür ist die Bedeutung des quantitativen Nodalstatus für die adjuvante
Therapieentscheidung sowie die etwas bessere lokale Kontrolle der Axilladissektion im
Vergleich zur Radiotherapie [38, 69, 117].
Die Entscheidung über Notwendigkeit und Art der adjuvanten Therapie basiert auf den
bereits
beschriebenen
prognostischen
und
prädiktiven
Faktoren
sowie
dem
Menopausalstatus gemäß der internationalen Konsensusempfehlung von St. Gallen [3840]. Nach dieser Empfehlung erfolgt eine Einstufung der Patientinnen in eine Gruppe
mit niedrigem, intermediärem bzw. hohem Risiko.
Der axilläre Lymphknotenstatus hat diesbezüglich eine übergeordnete Rolle. Ein
axillärer Lymphknotenbefall schließt eine Zuordnung in die Gruppe mit niedrigem
Risiko aus. Sind mehr als 4 Lymphknoten betroffen, erfolgt per se eine Einstufung in
die
Gruppe
mit
hohem
Risiko.
Eine
weitere
große
Bedeutung
für
die
Therapieentscheidung wird dem Hormonrezeptorstatus zugemessen. Per Definition
erfolgt
der
Einschluss
in
die
Gruppe
mit
niedrigem
Risiko
nur
bei
hormonrezeptorpositiven Karzinomen.
Bei Frauen mit niedrigem Risiko kann auf eine adjuvante Chemotherapie verzichtet
werden, eine adjuvante endokrine Therapie sollte dennoch erfolgen [40].
11
Bei Frauen mit hohem Risiko hingegen ist immer eine adjuvante Chemotherapie
indiziert [40]. Nach aktuellen Empfehlungen scheinen Therapieschemata mit 5Fluorouracil, Epirubicin und Cyclophosphamid, sowie Docetaxel, Doxorubicin und
Cyclophosphamid die effektivsten zu sein [95].
Die
Gruppe
mit
intermediärem
Risiko
schließt
Patientinnen
mit
hormonrezeptorpositivem Karzinom, für welche eine alleinige endokrine Therapie
adäquat scheint, ebenso wie Patientinnen mit hormonrezeptornegativen Karzinomen
ein, für welche eine alleinige Chemotherapie indiziert ist. Innerhalb dieser Gruppe wird
bei ungünstigen Faktoren wie Gefäßinvasion sowie negativem HER-2/neu-Status eine
kombinierte endokrine Therapie und Chemotherapie empfohlen [40].
Patientinnen mit HER-2/neu-positiven Karzinomen sollen eine Behandlung mit
Trastuzumab über ein Jahr erhalten [53, 88, 107].
3.2
Das Konzept des Sentinellymphknotens (SLN)
Grundlagen und historische Entwicklung
Wie bereits beschrieben, ist das Ausmaß der axillären Metastasierung ein
übergeordneter Prognosefaktor und stellt gleichzeitig einen hohen prädiktiven Faktor
für die Entscheidung adjuvanter Therapieschemata dar.
Mehrere Arbeitsgruppen haben versucht, Scores zu erstellen, um den Status der
axillären Risikogruppen vorherzusagen. Dabei gelang es zwar, Patientengruppen mit
sehr hohem Risiko einer axillären Lymphknotenmetastasierung zu definieren, es gelang
jedoch nicht, eine Gruppe zu definieren, bei der mit ausreichender Genauigkeit ein
negativer axillärer Lymphknotenstatus vorherzusagen ist, um auf ein chirurgisches
Staging der Axilla zu verzichten [5, 106, 119].
Den traditionellen Goldstandard stellt das Staging mittels radikaler Ausräumung der
axillären Lymphknoten (ALND) dar. Die postoperative Morbidität dieser Patientinnen
wird allerdings nahezu ausschließlich durch die Axillaausräumung bedingt. Die
Ausräumung der axillären Lymphknoten ist für die Patientin aufgrund der dort auf
engem Raum verlaufenen Nerven und Gefäße häufig mit Komplikationen verbunden.
So wird die Häufigkeit der Neuropathie der interkostobrachialen Nerven mit bis zu 78%
angegeben [68]. Persistierende Schmerzen sind in bis zu 30% [121] und
Bewegungseinschränkung in bis zu 8% beschrieben [121]. Die schwerwiegendste
12
Komplikation
ist
jedoch
das
Lymphödem
des
Armes
mit
nachhaltiger
Krankheitsbelastung [4]. Das Auftreten wird mit bis zu 35% beschrieben [91].
Im Rahmen von modernen Screeningverfahren und besserer Aufklärung der
Bevölkerung hat die Mehrzahl der Patientinnen zum Zeitpunkt der Diagnose schon seit
einiger Zeit allerdings einen negativen Lymphknotenstatus [62]. Diese Patientinnen
müssten ohne therapeutischen Nutzen die Komplikationen der ALND zur Diagnostik
des Lymphknotenstatus in Kauf nehmen.
Ziel war es somit, nach einer Methode zu suchen, die die gleiche Aussagekraft
bezüglich eines Befalls der axillären Lymphkoten mit einer reduzierten Schulter-ArmMorbidität verbindet. Daher wurde das bei anderen malignen Erkrankungen bereits seit
längerem angewandte Konzept der Detektion von Sentinel(Wächter)-Lymphknoten
(SLN)
und
deren
Exstirpation
und
pathologische
Untersuchung
auf
das
Mammakarzinom übertragen. Vorgestellt wurde dieses Konzept der sogenannten
Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) für das Peniskarzinom bereits 1977 [13]. Es
gelang zu zeigen, dass durch bildgebende Darstellung der Lymphabflusswege der oder
die regionären Lymphknoten identifiziert werden können, bei denen es sich um den
wahrscheinlichsten Ort der Metastasierung handelt. 1992 wurde die Methode von
Morton et al. auf das maligne Melanom übertragen und konnte auch bei dieser
Erkrankung seine Validität unter Beweis stellen [77]. Erste systematische Anwendung
beim Mammakarzinom fand das Verfahren in den frühen 90er Jahren [59]. Es folgten
mehrere Studien, in denen bei Patientinnen zusätzlich zur Sentinellymphknotenbiopsie
(SLNB) eine systematische Ausräumung der Axilla (ALND) durchgeführt wurde. Eine
Metaanalyse von 20 Studien mit insgesamt 2503 ausgewerteten Patientinnen konnte
zeigen, dass Sentinellymphknoten in über 90% identifiziert werden konnten. Der
Nodalstatus konnte in 98% der Fälle korrekt vorhergesagt werden [20]. Die als Folge
der geringeren Invasivität des Eingriffs erwarteten geringeren Morbiditäten im
Vergleich zur konventionellen Axilladissektion konnten im Bereich der postoperativen
Lymphödembildung, Armschmerzen, Serombildung und Infektion gezeigt werden [9].
Nachdem die Sicherheit der Methode durch Untersuchungen, bei denen im Anschluss
an die SLNB eine ALND durchgeführt worden war, belegt worden war, gingen mehrere
Arbeitsgruppen
daran,
bei
tumorfreien
Sentinellymphknoten
keine
ALND
anzuschließen, sondern die Patientinnen engmaschigen Nachkontrollen zu unterziehen.
Die SLNB stellte sich dabei als Verfahren mit sicherer lokaler Kontrolle heraus, die
Rate von axillären Rezidiven lag unter 1% [85, 108, 116, 125]. Als weltweit erste
Fachgesellschaft hat die deutsche Gesellschaft für Senologie im Jahre 2003 einen
13
interdisziplinären Konsensus zur Anwendung der Sentinellymphknotenbiopsie beim
Mammakarzinom erarbeitet und publiziert [64]. Unter der Vorraussetzung einer
geeigneten Patientinnenselektion sowie einer standardisierten und qualitätsgesicherten
Durchführung wird die SLNB als geeignete Alternative für das axilläre Staging beim
Mammakarzinom angeführt. Die übergeordnete Zielsetzung ist die Reduktion der
operationsbedingten Morbidität im Schulter-Arm-Bereich ohne Verminderung der
Staginggenauigkeit. Heute ist die SLNB fester Bestandteil internationaler Leitlinien [70,
104].
Neuere Studien untersuchen nun auch die Anwendbarkeit der SLNB bei anderem
gynäkologischen Tumoren wie etwa dem Vulvakarzinom und den endometrialen
Karzinomen [94].
Definition, Indikation und Durchführung
Der/die
Sentinellymphknoten
ist/sind
der/die
erste(n)
Lymphknoten
im
Lymphabflussgebiet eines Mammakarzinoms mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für
einen metastatischen Befall. Sie werden lymphographisch durch Radionuklide und/oder
Farbstoff markiert. Alle Lymphknoten, die das Radionuklid und/oder den Farbstoff
aufnehmen, oder bei denen eine zuführende Lymphbahn identifiziert werden kann,
werden
als
Sentinellymphknoten
(SLN)
bezeichnet
[66].
Als
Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB) wir die selektive operative Entfernung von SLN
bezeichnet. Da mehrere Lymphkonten im direkten Abflussgebiet des Primärtumors
liegen können, ist die SLNB nicht notgedrungen auf einen Lymphknoten begrenzt.
Intraoperativ finden sich in 15% der Fälle mehr als drei SLN [87]. Nicht endgültig
geklärt ist, ob in diesen Fällen eine vollständige Entfernung sinnvoll ist. Es besteht die
Gefahr, durch die Entfernung einer zu großen Anzahl an SLN, eine der ALND ähnliche
Schulter-Arm-Morbidität zu erwirken [73].
Zwar findet sich im aktuellsten deutschen Konsensuspapier noch die Empfehlung, alle
„aktiven“ Lymphknoten (bezogen auf die Aktivität bei Anwendung eines Radionuklids)
als SLN zu deklarieren und zu entfernen, verschiedene Studien zeigten allerdings, dass
durch die Biopsie lediglich der ersten drei SLN nodalpositive Patientinnen sicher
identifiziert werden können [54, 124]. Daher empfehlen manche Autoren zum Beispiel
bei der Darstellung von mehr als drei SLN nur diejenigen Lymphknoten zu entfernen,
welche eine Lymphknoten- zu Hintergrundaktivität von mindestens 3:1 aufweisen [66].
Das Verfahren diesbezüglich ist im aktuellen Konsensus aber nicht einheitlich geregelt
[66]. Das in der hiesigen Klinik angewendete Verfahren wird nachfolgend noch erörtert.
14
Die sichere Indikation stellt laut Konsensus durch die Deutsche Gesellschaft für
Senologie das unifokale, histologisch gesicherte Mammakarzinom mit einem
Durchmesser bis 2 cm mit klinisch unauffälliger Axilla dar [66]. Als mögliche
Indikation sieht das Konsensuspapier T2-Tumoren sowie bifokale Tumoren vor [66].
Generell ist die Indikation zur SLNB unabhängig von der Lokalisation des
Primärtumors innerhalb der Brust und dem geplanten operativen Vorgehen zu stellen.
Auch konnte die gute Anwendbarkeit bei alten Patientinnen gezeigt werden [112].
In Bezug auf die Injektionstechnik bestehen verschiedene Optionen, die nach
derzeitigem Kenntnistand im Hinblick auf die Darstellung der axillären Lymphknoten
als gleichwertig anzusehen sind [72, 86, 92]. Es kann peritumoral, sowie sub- oder
intradermal
periareolär
oder
subareolär
injiziert
werden.
Bezüglich
der
Operationstechnik wird im Allgemeinen zunächst die SLNB durchgeführt, um während
der intraoperativen, pathologischen Aufbereitung des/der SLN den Tumor entfernen zu
können. Nach transkutanem Aufsuchen des Aktivitätsmaximums des radioaktiv
markierten SLN mittels Handsonde, erfolgt unter wiederholtem Einsatz der Handsonde
eine möglichst atraumatische Präparation des/der SLN. Nach Entnahme erfolgt eine ExVivo-Kontrolle und eine Untersuchung der Axilla auf Restaktivität. Die intraoperative
Untersuchung des SLN erlaubt im positiven Falle (metastatischer Befall) die einzeitige
Operation der Axilla mittels ALND. Im negativen Falle wird der Eingriff in der Axilla
zunächst auf die SLNB beschränkt, um das gewonnene Material postoperativ weiter zu
untersuchen und im Falle eines dann doch nachgewiesenen Befalls der Lymphknoten
eine zweizeitige Axilladissektion zu planen.
Einen Sonderfall stellen extraaxilläre Lymphknoten dar. Diese Lymphknoten sollten
nicht routinemäßig entfernt werden. Es gibt keinen Hinweis auf eine bessere lokale
Kontrolle oder ein besseres Gesamtüberleben [66]. Es kann allerdings die Einbeziehung
möglicher extraaxillärer SLN in den Zielbereich einer postoperativen Radiatio diskutiert
werden [66].
Bedeutung der Injektionstechnik
Auch wenn heute die peritumorale, sowie sub- oder intradermale, periareoläre oder
subareoläre Injektion als gleichwertige Verfahren gelten [64], stellte lange Zeit die
peritumorale Injektionstechnik die standardisierte Injektionstechnik dar. Grundlegende
Untersuchungen der funktionellen Anatomie der Brustdrüse postulierten einen
lymphatischen Abstrom des gesamten Gewebes über die gleichen axillären
15
Lymphknoten [12, 126]. Auf dieser Grundlage wurden alternative Injektionsverfahren
im Gebiet der Brustwarze entwickelt. Es besteht die Möglichkeit der intra- oder
subdermalen,
quadrantenbezogenen,
periareolären
bzw.
der
subareolären
Injektionstechnik. Zahlreiche Studien belegten eine Gleichwertigkeit dieser neueren
Injektionsverfahren in Bezug auf die falsch-negativ-Rate (positive Non-SLN bei
negativen SLN bezogen auf die nodalpositiven Axillen), sowie die intraoperative
Detektionsrate [16, 72, 86, 92]. Rodier et al. zeigten sogar eine signifikant höhere
Detektionsrate in der präoperativen Lymphszintigraphie bei Verwendung einer
periareolären Injektionstechnik in einer größeren Studie mit 449 Patientinnen [96].
Die Autoren unterschiedlicher Arbeiten weisen auf die Vorteile der areolarbezogenen
Injektionstechniken hin. Neben einem leichteren Erlernen der Methode für den
Anwender kann bei nicht palpablen Tumoren auf eine aufwendige sonographische
Darstellung oder Nadelmarkierung des Tumors verzichtet werden. Ebenso wird auf die
erhöhte Schmerzhaftigkeit bei peritumoraler Injektion in tiefere Gewebsschichten
hingewiesen. Weiterhin entfällt bei areolabezogener Injektion der Nachteil einer
„Überstrahlung“ von axillären Lymphknoten durch ins Gewebe diffundierendes
Radiokolloid gerade im Bereich von axillanah lokalisierten Tumoren [16, 56, 96].
Indikationsausweitung auf große und multifokale Tumoren
Die SLNB ist fester Bestandteil nationaler und internationaler Leitlinien und hat in
Deutschland für T1-Tumoren mit klinisch unauffälliger Axilla nach Konsensus der
Deutschen Gesellschaft für Senologie die ALND als operativen Standard abgelöst. Die
geringe Morbidität des Eingriffs impliziert eine Indikationserweiterung, um möglichst
vielen Patientinnen die Axilladissektion zu ersparen. Dieser Vorteil muss jedoch
sorgfältig gegen den eventuellen Nachteil der Abnahme der Sensitivität abgewogen
werden, die als Folge der Aufweichung der bisher strengen Einschlusskriterien eintreten
könnte. Eine Vielzahl von Studien befasste und befasst sich zum einen mit der
Ausweitung der Indikation auf größere Tumoren, zum anderen mit der Ausweitung der
Indikation auf multizentrische bzw. multifokale Tumoren.
SLNB und Tumorgröße
Im Deutschen Konsensuspapier wurden zunächst T1-Tumoren als gesicherte Indikation
für die SLNB eingestuft. Dabei begründete sich die unterschiedliche Gewichtung der
T1- und T2-Tumoren mit dem unterschiedlichen Evidenzgrad bezüglich der lokalen
Tumorkontrollen für beide Kollektive. In der einzig verfügbaren randomisierten Studie
16
waren
lediglich
Tumoren
bis
2
cm
Größe
eingeschlossen
[115].
Große
Multicenterstudien, in denen eine nachfolgende ALND durchgeführt worden war,
zeigten jedoch gleichwertige Ergebnisse für T1- und T2-Tumoren [65]. Im aktuellen
interdisziplinären Konsensus der deutschen Gesellschaft für Senologie stellen daher
auch T2-Tumoren eine mögliche Indikation nach individueller Abwägung dar [66].
Neuere Studien, in denen die lokale Sicherheit einer alleinigen SLNB bei T2-Tumoren
untersucht wurde, konnten keinen Einfluss der Tumorgröße auf die axillären Rezidive
nachweisen [8, 76]. Auch zeigte sich die Detektionsrate der SLN als gleichwertig [58,
99], ebenso wie die Rate an falsch negativen SLN [6, 58, 82, 103]. Aufgrund dieser
umfangreichen klinischen Erfahrung hat die „American Society for Oncology“ (ASCO)
in ihrem Konsensus von 2005 die SLNB sowohl bei T1- als auch bei T2-Tumoren
empfohlen [70]. Eine Anwendung des Verfahrens bei Tumoren mit mehr als 5 cm
Durchmesser (also T3- und T4-Tumoren) wird aufgrund der mangelnden Datenlage
allerdings auch in diesem Konsensus nicht empfohlen [70].
Dennoch zeigen neuere Studien, insbesondere die britische ALMANAC-Studie, welche
zusätzlich T3-Tumoren einschloss, vielversprechende Ergebnisse. Bei einer mittleren
Nachkontrollzeit von 12 Monaten zeigte sich keine erhöhte Rate von axillären
Rezidiven in der SLNB-Gruppe [71]. Wong et al. ermittelten eine gleichwertige falschnegativ-Rate und Detektionsrate bei T3-Tumoren [123].
SLNB und multizentrische/multifokale Karzinome
Aus Studien zum funktionellen Lymphabfluss aus der Brust ist bekannt, dass die
gesamte Brust einschließlich der darüber liegenden Haut über den oder die gleichen
axillären Lymphknoten drainiert wird [12, 125]. Lediglich die thoraxwandnahen
Regionen können einen zusätzlichen Lymphabfluss über die mediastinale Region
aufweisen [78]. Nach den Ergebnissen dieser Arbeiten stellte sich die Erwartung, dass
auch bei multifokalen und multizentrischen Karzinomen die SLNB den Nodalstatus
korrekt erfassen würde. Aus der britischen ALMANAC-Studie liegen ebenfalls Daten
von multifokalen Tumoren vor. In dieser Studie zeigten 75 von 634 Tumoren in der
endgültigen Histologie Multifokalität, obwohl multifokale Tumoren in der Bildgebung
ursprünglich als Ausschlusskriterien für eine SLNB galten. Die Rate an falschnegativen SLN war bei den multifokalen Tumoren nicht signifikant höher als bei den
unifokalen Tumoren [41]. In einer weiteren veröffentlichten Multicenterstudie aus
Österreich wurde bei 142 Patientinnen mit einem multizentrischen Karzinom eine
SLNB mit anschließender Axilladissektion durchgeführt [57]. Auch hier konnte, ebenso
17
wie in weiteren Studien [26, 31, 102], eine akzeptabel niedrige falsch-negativ-Rate bei
multizentrischen Karzinomen erzielt werden. Bezüglich der Detektionsrate konnten
Kumar et al. gleichwertige Ergebnisse für unifokale, multifokale und multizentrische
Karzinome zeigen [67]. Die Arbeitsgruppe vom „European Institute of Oncology“
führte bei 42 Frauen mit multizentrischen Karzinom eine alleinige SLNB durch und
verzichtete bei tumorfreien SLN auf eine Axilladissektion. Nach 24 Monaten Follow-up
wurde noch kein axilläres Rezidiv beobachtet [36]. Somit scheint die Zuverlässigkeit
der SLNB bei multifokalen und multizentrischen Tumoren akzeptabel, wobei die
Deutsche Gesellschaft für Senologie in ihrem Konsensuspapier lediglich bifokale
Tumoren als mögliche Indikation nach individueller Abwägung sieht. In den
Empfehlungen der „American Society of Oncology“ wird die SLNB bei
multizentrischen Karzinomen als eine „akzeptierte Indikation mit eingeschränkter
Evidenz“ eingestuft [70].
18
4
Patientinnen und Methoden
4.1
Patientinnenkollektiv
Im Zeitraum von Mai 2008 bis Mai 2009 wurden in der Frauenklinik des Klinikums
Minden 117 Patientinnen mit Mammakarzinom betreut, die im Rahmen ihrer
Behandlung im Institut für diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin eine
präoperative
Berücksichtigt
Lymphszintigraphie
wurde
hierbei
zur
Lokalisation
der
Zeitraum
des/der
seit
SLN(s)
der
erhielten.
Umstellung
der
Standardinjektionstechnik von einer peritumoralen auf eine intradermale, periareoläre
Injektion des Radionuklids. Das Durchschnittsalter der Patientinnen betrug 62,1 Jahre
(jüngste Patientin 33 Jahre, älteste Patientin 91 Jahre).
Aufgeteilt auf die verschiedenen histologischen Subtypen ergab sich postoperativ
folgende Verteilung:
Unter
85 Patientinnen (72,6%)
invasiv duktales Karzinom
17 Patientinnen (14,5%)
invasiv lobuläres Karzinom
9 Patientinnen (7,7%)
duktales Carinoma in situ
6 Patientinnen (5,1%)
sonstige Neoplasien
Berücksichtigung
der
Tumorgröße
ergab
sich
postoperativ
nach
histopathologischer Aufarbeitung im Patientinnenkollektiv folgende Verteilung:
pTis
Carinoma in situ
6 Tumoren
(5,1%)
pTmic
0,1 cm
3 Tumoren
(2,6%)
pT1a
0,5 cm
0 Tumoren
(0,0%)
PT1b
1 cm
9 Tumoren
(7,7%)
pT1c
2 cm
44 Tumoren (37,6%)
pT2
>2 cm, 5 cm
48 Tumoren (41,0%)
pT3
>5 cm
3 Tumoren
(2,6%)
pT4
mit Infiltration von Haut/Brustwand 4 Tumoren
(3,4%)
Das Vorliegen von T3- und T4-Tumoren, für welche die SLNB eigentlich keine
Indikation darstellt, erklärt sich durch ein präoperativ niedriger eingeschätztes Stadium
19
aufgrund des klinischen Befundes. Erst in der definitiven pathologischen Beurteilung
zeigte sich dann ein ausgedehnteres Tumorwachstum.
In 54 Fällen (46,2%) war die linke Mamma und in 63 Fällen (53,8%) die rechte Mamma
betroffen.
99 Tumoren (84,2%) zeigten ein unifokales Wachstum, während 12 Tumoren (10,2%)
ein multifokales und 5 Tumoren (5,1%) ein multizentrisches Wachstum zeigten. Das
Auftreten der multizentrischen Tumoren erklärt sich auch hier durch ein präoperativ
anders eingeschätztes Wachstum. Erst in der endgültigen pathologischen Aufarbeitung
hatte sich ein multizentrisches Wachstum gezeigt.
Die Lokalisation der unifokalen Tumoren innerhalb der Mamma zeigte sich
folgendermaßen:
4.2
oberer, äußerer Quadrant
45 Tumoren (38,5%)
unterer, äußerer Quadrant
9 Tumoren
oberer, innerer Quadrant
17 Tumoren (17,2%)
unterer, innerer Quadrant
7 Tumoren
(7,1%)
zentraler Anteil
9 Tumoren
(9,1%)
quadrantenübergreifendes Wachstum
12 Tumoren (12,1%)
(9,1%)
Präoperative Lymphszintigraphie
Nach ausgiebiger Hautdesinfektion erfolgte die intradermale, periareoläre Injektion von
99m
Tc-Nanokolloid (NANOCIS®, CIS bio GmbH). Injiziert wurden 4 mal 0,2 ml
Radiopharmakon am Übergang von Areole zur normalen Cutis bei 3, 6, 9 und 12 Uhr.
Eventuell überschüssige Flüssigkeitstropfen (Blut oder Injektionsflüssigkeit) auf der
Haut wurden entfernt.
20
Abbildung 1 – Die periareoläre, intradermale Injektion des Radiopharmakons
Bezüglich des zeitlichen Ablaufs wurden zwei unterschiedliche Protokolle angewendet.
Entweder ein eintägiges Protokoll, an dem Lymphszintigraphie und Operation am
selben Tag lagen, oder ein zweitägiges Protokoll, bei welchem am ersten Tag die
Lymphszintigraphie erfolgte und die geplante Operation einen Tag später. Es erhielten
13 Patientinnen (11,1%) ein eintägiges und 104 Patientinnen (88,9%) ein zweitägiges
Protokoll. Die Aktivität betrug beim Eintagesprotokoll im Mittel 79,8 MBq (minimal 52
MBq und maximal 134 MBq), bei zweitägigem Protokoll im Mittel 189 MBq (minimal
102 MBq und maximal 264 MBq).
Es wurden statische Aufnahmen der Mamma 60 bis 180 Minuten post injectionem (im
Mittel 94 Minuten p.i.) zum einen mit und ohne Bleiabdeckung der Injektionsstelle
durchgeführt. Verwendet wurde eine Zweikopf-Gammakamera. Zur anatomischen
Orientierung erfolgt die Abbildung der Körperkontur entweder mittels Co-57Flächenphantom oder durch Umfahren der Körperkontur mit einer aktivitätsgefüllten
Spritze. Die statischen Aufnahmen wurden in ventraler und seitlicher Ebene mit einer
Matrix
von
128
x
128
angefertigt.
Im
Anschluss
wurde(n)
der
(die)
Sentinellymphknoten in Op-Lagerung der Patientin markiert. Die Lokalisation des (der)
Lymphknoten(s) wurde unter Zuhilfenahme einer im Konus aktivitätsgefüllten Spritze,
die unter Kamerakontrolle zu den Speicherherden geführt wurde, mit einem
wasserfesten Farbstift von ventral eingezeichnet, um das Auffinden während der
Operation zu erleichtern.
In sechs Fällen (5,1%) gelang zunächst keine Darstellung von anreichernden
Lymphknoten. In diesen Fällen erfolgte die Anfertigung von Spätaufnahmen in einem
21
Zeitraum von 180 bis 240 Minuten p.i. (im Mittel 205 Minuten p.i.). Die Patientin
erhielt die Anweisung, die Brust zwischenzeitlich zu wärmen und/oder zu massieren.
Tracerauswahl
Verwendet
wurde
als
Radionuklid
der
Wahl
zur
präoperativen
Lymphknotenszintigraphie 99mTechnetium mit einer -Strahlung von 140 keV [46].
Die verwendeten radioaktiv markierten Partikel sollen den physiologischen Abfluss der
Lymphe funktionell darstellen und zuverlässig die Lymphknotenstationen markieren
[122]. Da die Lymphkapillaren eine nicht kontinuierliche, mit Poren ausgestattete Wand
ohne Basalmembran aufweisen, können Partikel geeigneter Größe rasch aus dem
Interstitialraum in die Lymphkapillaren zum Abtransport aufgenommen werden. In den
zwischengeschalteten Lymphknoten erfolgt dann zum einen eine Phagozytose der
Partikel durch das retikuloendotheliale System des Lymphknotens, zum anderen eine
mechanische
Zurückhaltung,
wodurch
sich
die
Anreicherung
im
ersten
zwischengeschalteten Lymphknoten erklärt.
Als die optimalen Partikel haben sich
99m
Tc-markierte Kolloide mit einer Partikelgröße
zwischen 20 und 100 nm herausgestellt [46]. Als geeignetes Radiopharmakon kommt in
den vorliegenden Untersuchungen NANOCIS® der Firma CIS bio GmbH zum Einsatz.
Die mittleren Partikelvolumina dieser verwendeten kolloidalen
99m
Tc-Rheniumsulfid-
Injektionslösung betragen zu 80% 100 nm und erfüllen somit die gewünschten
Anforderungen.
Der
Einsatz
von
NANOCIS®
wurde
in
verschiedenen
tierexperimentellen und klinischen Studien validiert [52, 122].
Beurteilungskriterien für das Vorliegen eines Sentinellymphknotens
Der (die) Sentinellymphknoten ist (sind) der (die) erste(n) Lymphknoten im
Lymphabfluss eines Mammakarzinoms mit der höchsten Wahrscheinlichkeit für das
Auftreten
eines
metastatischen
Befalls.
Sie
werden
lymphographisch
durch
Radionuklide und/oder Farbstoff markiert (lymphatic mapping). Alle Lymphknoten, bei
denen entweder eine zuführende Lymphbahn identifiziert werden kann, oder die den
Farbstoff, das Radionuklid oder beide aufnehmen, werden als Sentinellymphknoten
betrachtet [66].
22
4.3
Intraoperatives Vorgehen – die Sentinellymphknotenbiopsie (SLNB)
Intraoperativ bestand die Möglichkeit, zuerst den Primärtumor oder den (die)
Sentinellymphknoten zu resezieren. In den meisten Fällen wurde die primäre Entnahme
des
Sentinellymphknotens
histopathologischen
bevorzugt,
Beurteilung
des/der
da
während
Lymphknoten(s)
der
die
intraoperativen,
Entfernung
des
Primärtumors erfolgen konnte. Zur Detektion des SLN wurde intraoperativ eine
Gammasonde mit Kollimator verwendet, um Störungen durch Streustrahlung im
Gewebsbett zu reduzieren. Es erfolgt auf Höhe der von ventral eingezeichneten
Markierung von transkutan die Festlegung des maximalen Aktivitätssignals in der
Axilla. Nach kleiner Hautinszision erfolgte die weitere Präparation unblutig und
atraumatisch zielgerichtet unter wiederkehrender Zuhilfenahme der Gammasonde.
Schließlich wurde der radionuklidspeichernde Lymphknoten entfernt und einer ex vivo
Kontrolle auf das tatsächliche Vorliegen einer Nuklidspeicherung unterzogen.
Abbildung 2 – intraoperative Darstellung des/der SLN mittels Gammasonde
Kam es zur Nuklidspeicherung mehrerer (eng benachbarter) Lymphkonten, erfolgte in
der Regel eine en-bloc-Resektion. Nach der Lymphknotenentnahme wurde der Situs auf
Restaktivität durchsucht, sowie durch den Operateur ausgetastet. Als Diskrimination
zwischen einem eventuell vorhandenen weiteren Sentinellymphknoten und nicht
signifikanter Restaktivität diente den hiesigen Operateuren als Entscheidungskriterium
23
ein Wert von 20% der Aktivität des zuvor präparierten SLN. War die Restaktivität
höher, wurde(n) der (die) weitere(n) Knoten herauspräpariert und als SLN betracht.
Das gewonnene Material wurde intraoperativ einer histopathologischen Untersuchung
mittels Gefrierschnitt im Institut für Pathologie, Zytologie & Molekularpathologie des
Klinikums Minden untersucht und zwischenzeitlich in der Regel die Entfernung des
Tumor mittels Ablatio mammae oder brustherhaltender Operationstechnik durchgeführt.
Im Falle eines Nachweises von Metastasen in einem SLN konnte dann die Axilla einer
einzeitigen Ausräumung mit therapeutischen und diagnostischen Nutzen zugeführt
werden. Unabhängig erfolgten eine Einbettung der entnommenen SLN und eine weitere
histopathologische Untersuchung. Gelang hierbei der Nachweis einer Metastasierung in
einem SLN, wurde die Ausräumung der Axilla in einer zweiten Sitzung durchgeführt.
Zeigte sich bei der Aufarbeitung des Primärtumors eine nicht erfolgte R0-Resektion,
wurde der Tumor in einer zweiten Sitzung nachreseziert. In 24 Fällen (20,5%) gelang
die primäre R0-Resektion nicht.
Szintillationsmesssonde
Zur exakten intraoperativen Lokalisation von zuvor radioaktiv markierten Lymphknoten
dienen Hand-Messsysteme.
Neben der Messsonde bestehen diese Systeme aus einem batteriebetriebenen Messgerät
zur Bedienung der Sonde und zur Anzeige der gemessenen Impulsrate.
An die intraoperativ verwendeten Messsysteme werden verschiedene Anforderungen
gestellt.
So soll die Ortsselektivität der Sonde zu einer ausreichenden Abgrenzung und
räumlichen Zuordnung der markierten Lymphknoten führen, weshalb der Einsatz
spezieller Kollimatoren zur Reduzierung der Streustrahlung im Gewebebett empfohlen
wird. Durch Energiediskriminierung und Wahl eines geeigneten Messbereichs soll das
Messsignal - soweit möglich - nicht durch gestreute Photonen beeinflusst werden.
Weiterhin soll das Messgerät eine gute Handhabung während der Operation
gewährleisten und die Messergebnisse simultan zur Untersuchung deutlich akustisch
und optisch vermitteln [46].
Als Szintillationsmesssonde wird in der Frauenklinik des Klinikums Minden zur
intraoperativen Lokalisation der SLN eine Sonde des Modells „Gamma Finder“ der
Firma World of Medicine AG verwendet, welche die oben genannten Qualitätskriterien
erfüllt.
24
4.4
Pathologische Aufarbeitung der Sentinellymphknoten (SLN)
Die Minimalanforderung an die pathologische Untersuchung der Sentinellymphknoten
ist die Entdeckung von Makrometastasen (Metastasen ab 2 mm) [60, 66]. Mit dem
Nachweis all dieser Metastasen über 2 mm wird die Falsch-Negativ-Rate der
pathologischen Aufarbeitung auf 2% reduziert [30]. Eine systematische Suche nach
Mikrometastasen (Metastasen unter 2 mm) wird angesichts des hohen Aufwands und
des geringen Nutzens hinsichtlich der Senkung der Falsch-Negativ-Rate nicht
empfohlen [66]. Allerdings werden zufällig entdeckte Mikrometastasen im Hinblick auf
lokale und systemische Therapieentscheidungen bezüglich ihrer Bedeutung wie
Makrometastasen gewertet [66]. In neueren Studien mehren sich die Hinweise, dass die
ALND bei Nachweis von Mikrometastasen nicht notwendig ist [83], so dass abzuwarten
bleibt, ob sich diese Empfehlung in nächster Zeit ändern wird.
Bei der intraoperativen Beurteilung haben sich Gefrierschnitt und Imprintzytologie als
gleichwertige Verfahren herausgestellt [22]. Im positiven Fall erlaubt die intraoperative
Untersuchung die einzeitige Operation (ALND). Im negativen Falle ist diese nicht
aussagekräftig und der Eingriff wird beendet und die Paraffineinbettung abgewartet, um
im Falle einer initial falsch negativen Bestimmung eine zweizeitiges Vorgehen
anzustreben.
Im
Rahmen
der
endgültigen
histopathologischen
Aufarbeitung
werden
die
Lymphknoten vollständig eingebettet und die histologischen Schnitte gleichmäßig
verteilt. Dazu werden maximal 3 mm dicke Scheiben bei der makroskopischen
Untersuchung und histologische Stufenschnitte angefertigt. Die Scheiben werden bei
negativem makroskopischen Befund in 500-m-Intervallen (maximal 6 Stufen)
gleichmäßig histologisch untersucht [66]. Dieses Vorgehen erbringt eine theoretische
Detektionswahrscheinlichkeit für Makrometastasen von 100% [23].
25
5
Ergebnisse
5.1
Präoperative Lymphszintigraphie
5.1.1 Detektion
des/der
Sentinellymphknoten(s)
in
der
präoperativen
Lymphszintigraphie
Bei
allen
117
untersuchten
Patientinnen
erfolgte
die
Markierung
des
Sentinellymphknotens durch das beschriebene periareoläre Injektionsverfahren unter
Verwendung des Radiopharmakons NANOCIS®.
In der präoperativen Lymphszintigraphie konnte bei allen 117 Patientinnen nach
maximal 240 Minuten mindestens ein Sentinellymphknoten detektiert werden, so dass
die Detektionsrate des (der) Sentinellymphknoten(s) bei 100% lag.
Die Anzahl der detektierten Sentinellymphknoten lag zwischen einem und vier
Lymphknoten. Durchschnittlich wurden 1,44 Sentinellymphknoten detektiert.
Tabelle 1 – Anzahl der detektierten SLN in der präoperativen Lymphszintigraphie
Anzahl der SLN
absolut
Prozent
1
75
64,1%
2
33
28,2%
3
8
6,8%
4
1
0,9%
Gesamt
117
100%
5.1.2 Zeitpunkt der präoperativen Lymphszintigraphie
26
Die Routineaufnahmen erfolgten 60 bis 180 Minuten (im Mittel 94 Minuten) nach
Injektion des Radiopharmakons. In 111 Fällen (94,9%) stellte sich nach diesem
Zeitraum mindestens ein Sentinellymphknoten dar. In sechs Fällen (5,1%) stellte sich
nach diesem Zeitraum kein Sentinellymphknoten dar, so dass diese Patientinnen
angehalten wurden, die betroffene Mama zu erwärmen und/oder zu massieren. In diesen
Fällen erfolgten dann Spätaufnahmen in einem Zeitraum von 181 bis 240 Minuten (im
Mittel 205 Minuten) post injectionem. Danach gelang in den verbliebenen sechs Fällen
die Darstellung von mindestens einem Sentinellymphknoten.
Der Primärtumor war in fünf dieser sechs Fälle im oberen, äußeren Quadranten und in
einem Fall im zentralen Anteil der Mamma lokalisiert.
In zwei Fällen handelte es sich bei dem Primärtumor um einen pT1-Tumor, in zwei
Fällen um einen pT2-Tumor und in zwei Fällen um multizentrisch/multifokal
wachsende Tumoren.
5.2
Intraoperative Detektion des/der Sentinellymphknoten(s)
Mittels Gammasonde gelang intraoperativ in 115 Fällen das Auffinden des
Sentinellymphknotens, welches einer Detektionsrate von 98,3 % entspricht.
Die Anzahl der intraoperativ dargestellten und entfernten Lymphknoten lag zwischen
einem und sieben Lymphknoten. Durchschnittlich wurden 1,83 Lymphknoten entfernt.
27
Tabelle 2 – Anzahl der intraoperativ mittels Gammasonde detektierten SLN
Anzahl der SLN
absolut
Prozent
0
2
1,7%
1
62
53,0%
2
30
25,6%
3
9
7,7%
4
9
7,7%
5
2
1,7%
6
2
1,7%
7
1
0,9%
Gesamt
117
100%
In beiden Fällen, in denen die Darstellung des/der Sentinellymphknoten(s) nicht gelang,
erfolgte
eine
primäre
Ausräumung
der
Axilla
(ALND),
ohne
dass
sich
Lymphknotenmetastasen zeigten.
In beiden Fällen hatte sich in der präoperativen Lymphszintigraphie je ein
Sentinellymphknoten dargestellt.
In beiden Fällen lag der Primärtumor im oberen, äußeren Quadranten und es war ein
zweitägiges Protokoll (Injektion und präoperative Lymphszintigraphie an Tag 1,
Operation an Tag 2) gewählt worden.
Die Aktivität des injizierten Radiopharmakons betrug 163 MBq bzw. 176MBq, wobei
im Mittel bei zweitägigen Protokollen 189 MBq injiziert wurden.
5.3
Tumorstatus des/der Sentinellymphknoten(s)
In 81 Fällen (70,4%) war der (waren die) Sentinellymphknoten tumorfrei, in 34 Fällen
(29,6%) zeigte sich in der endgültigen Histologie mindestens ein befallener SLN.
28
Tabelle 3 – Anzahl der Fälle mit metastatisch befallenem(n) Sentinellymphknoten
absolut
Prozent
Sentinellymphknoten befallen
34
29,4%
Sentinellymphknoten nicht befallen
81
70,6%
Gesamt
115
100%
In 27 Fällen (79,4%) zeigte sich lediglich ein befallener Sentinellymphknoten, während
in vier Fällen (11,8%) zwei Sentinellymphknoten und in drei Fällen (8,8%) drei
Sentinellymphknoten befallen waren. Durchschnittlich fanden sich 1,29 befallene
Sentinellymphknoten.
Tabelle 4 - Anzahl der Sentinellymphknoten mit metastatischem Befall
33
Anzahl der SLN-Metastasen
absolut
Prozent
1
27
79,4%
2
4
11,8%
3
3
8,8%
Gesamt
34
100%
Patientinnen
(28,7%)
mit
positivem
Sentinellymphknoten
konnten
einer
vollständigen axillären Lymphadenektomie (ALND) zugeführt werden, während eine
Patientin diesen Eingriff schon im Vorfeld der Operation abgelehnt hatte.
In 18 Fällen (54,5%) fand sich in der erweiterten axillären Lymphadenektomie kein
weiterer metastatisch befallener Lymphknoten, so dass der (die) entnommene(n)
Sentinellymphknoten
den
(die)
einzig
metastatisch
befallenen
Lymphknoten
darstellte(n).
In 15 Fällen (45,5%) fanden sich weitere metastatisch befallene Lymphknoten. Im
Mittel zeigten sich weitere 9,4 befallene Lymphknoten. Die Spanne betrug ein bis 22
weitere befallene Lymphknoten.
29
Tabelle 5 – Befall weiterer LN in der ALND bei metastatisch befallenen(m) SLN
Anzahl
Prozent
weitere Lymphknoten befallen
15
45,5%
keine weiteren Lymphknoten befallen
18
54,5%
Gesamt
33
100%
5.3.1 Schnellschnittergebnisse
In 20 Fällen (60,6%) erfolgte die erweiterte axilläre Lymphadenektomie aufgrund eines
nachgewiesenen
metastatischen
Befalls
der/des
Sentinellymphknoten(s)
im
Schnellschnitt.
In 13 Fällen (39,4%) zeigte sich ein metastatischer Befall erst in der endgültigen
Histologie, so dass eine vollständige axilläre Lymphadenektomie erst in einer zweiten
Sitzung erfolgte.
Die Rate der falsch negativen Schnellschnittergebnisse lag somit bei 39,4%.
5.3.2 Anzahl
der metastatisch
befallenen
Sentinellymphknoten
und der
Nodalstatus
Bei insgesamt 115 Patientinnen (98,3%) wurde intraoperativ mindestens ein
Sentinellymphknoten detektiert, lediglich in 2 Fällen (1,7%) gelang die Detektion nicht.
In 62 Fällen (52,9%) wurde nur ein und in 53 Fällen (46,1%) mehr als ein
Sentinellymphknoten detektiert.
30
Tabelle 6 – Aufteilung des Patientinnenkollektivs nach der Anzahl der intraoperativ
detektierten Sentinellymphknoten
Detektion von einem
Anzahl
Prozent
62
53,9%
53
46,1%
115
100%
Sentinellymphknoten
Detektion von mehr als
einem Sentinellymphknoten
Gesamt
Von den 34 Fällen mit metastatischem Befall des (der) Sentinellymphknoten(s) zeigte
sich in 27 Fällen (79,4%) nur ein Sentinellymphknoten betroffen, während in sieben
Fällen (20,6%) mehr als ein Sentinellymphknoten befallen war.
Tabelle 7 – Anzahl der metastatisch befallenen Sentinellymphknoten
Anzahl
Prozent
ein SLN befallen
27
79,4%
mehr als ein SLN befallen
7
20,6%
Gesamt
34
100%
Im Kollektiv der Patientinnen, bei denen intraoperativ die Detektion von mehr als einem
Sentinellymphknoten gelang (n=53; 46,1%), zeigten sich in 7 Fällen (13,2%) auch
mehrere dieser Sentinellymphknoten metastatisch befallen. In allen Fällen wiesen diese
Patientinnen dann auch in der nachfolgenden ALND weiterer Lymphknotenmetastasen
auf. Zeigte sich umgekehrt im gleichen Kollektiv nur ein Sentinellymphknoten
metastatisch befallen, so waren sämtliche Lymphknoten in der nachfolgenden
Lymphadenektomie tumorfrei. Dieser Unterschied zeigt sich statistisch hoch signifikant
(p<0,01).
31
Tabelle 8 – Ergebnisse der ALND bei Patientinnen mit metastatischem SLN-Befall bei
Detektion von mehr als einem SLN
ALND ohne weitere
befallene LN
(%; n)
ALND mit weiteren
befallenen LN
(%; n)
total
mehr als ein metasta-
0%
100%
100%
tisch befallener SLN
0
7
7
nur ein metastatisch
100%
0%
100%
befallener SLN
10
0
10
Gesamtkollektiv
56,3%
43,8%
100%
10
7
17
(%; n)
5.3.3 Anzahl der intraoperativ detektierten Sentinellymphknoten und der
Nodalstatus
Es erfolgte eine Einteilung der Patientinnen in drei Gruppen: eine Gruppe beinhaltete
diejenigen Patientinnen mit negativem Nodalstatus, ein weitere diejenigen, bei denen
einzig der/die Sentinellymphknoten befallen waren und eine dritte Gruppe, bei welcher
sich auch in der axillären Lymphadenektomie weitere Metastasen gezeigt hatten. Diese
Gruppen wurden mit der Anzahl der detektierten SLN in Zusammenhang gesetzt.
32
Tabelle 9 – Nodalstatus und Anzahl der intraoperativ detektierten Sentinellymphknoten
negativer
Nodalstatus
Befall nur
des/der SLN
Weiter befallene total
axilläre LN
72,6%
14,5%
12,9%
100%
45
9
8
62
mehr als 1 SLN 67,9%
18,8%
13,2%
100%
detektiert
36
10
7
53
Gesamt
70,4%
16,5%
13,0%
100%
81
19
15
115
1 SLN detektiert
Statistisch signifikante Unterschiede der Verteilungen innerhalb der Gruppen zeigten
sich nicht (p>0,05), so dass im ausgewerteten Patientinnenkollektiv die Anzahl der
detektierten
Lymphknoten
keinen
Zusammenhang
mit
dem
endgültigen
Lymphknotenstatus zeigte.
5.4
Lymphknotenstatus und Prognosefaktoren
Bezüglich der prognostischen Bedeutung des Lymphknotenstatus auf den Verlauf der
Erkrankung beim Mammakarzinom wurde im früheren Teil der Arbeit eingegangen. Im
folgenden Teil der Ergebnisauswertung soll nun eine Betrachtung der sonstigen
erhobenen Prognosefaktoren bzw. prädiktiven Faktoren und deren Auswirkung auf den
Lymphknotenstatus erfolgen.
Aus diesem Grund erfolgte zur weiteren Auswertung eine Einteilung der Patientinnen in
Gruppen anhand des Lymphknotenstatus.
Die Gesamtanzahl der auszuwertenden Patientinnen in diesem Teil reduziert sich auf
114. Von den 117 Patientinnen war in zwei Fällen die Detektion des
Sentinellymphknoten nicht gelungen. Ein weiterer Fall wurde ausgeschlossen, weil eine
Patientin bei metastatischem Befall eines Sentinellymphknotens die erweiterte axilläre
Lymphadenektomie abgelehnt hatte und somit eine vollständige Bestimmung des
Lymphknotenstatus nicht möglich war.
33
Von den verbleibenden 114 Fällen hatten 33 Patientinnen (28,9%) einen oder mehrere
tumorbefallene Sentinellymphknoten. In 81 Fällen (71,1%) war der/waren die
Sentinellymphknoten tumorfrei (Gruppe 1), in diesen Fällen wurden keine weitere
Lymphknoten untersucht.
Die 33 Patientinnen mit tumorbefallenen Sentinellymphknoten konnten einer
erweiterten axillären Lymphadenektomie zugeführt werden. In 18 Fällen (15,8%) zeigte
sich kein weiterer Lymphknotenbefall (Gruppe 2), so dass der/die Sentinellymphknoten
den/die einzig metastatisch befallenen Lymphknoten darstellte(n). In 15 Fällen (13,2%)
fanden sich in der erweiterten axillären Lymphadenektomie weitere befallene
Lymphknoten (Gruppe 3).
Tabelle 10 – Gruppeneinteilung anhand des Lymphknotenstatus.
Gruppe 1
SLNB tumorfrei
Gruppe 2
SLNB mit einem oder
mehreren tumorbefallenen
LN, ALND dann tumorfrei
Gruppe 3
SLNB mit einem oder
mehreren tumorbefallenen
LN, in ALND dann weitere
Lymphknotenmetastasen
5.4.1 Lymphknotenstatus und Tumorgröße
Im ersten Schritt erfolgte eine Analyse des Lymphknotenstatus je nach vorliegender
Tumorgröße. Die Einteilung erfolgte anhand der TNM-Klassifikation wie zuvor
beschrieben. Ausgeschlossen wurden zunächst multizentrische und multifokale
Tumoren, wodurch sich die Gesamtanzahl der untersuchten Fälle auf 97 reduzierte. Die
pT1-Tumoren wurden dabei als Gruppe zusammengefasst, so dass sich fünf Gruppen
ergaben.
34
Tabelle 11 -Verteilung der Tumorgröße in den Auswertungsgruppen
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
100%
0%
0%
100%
5
0
0
5
87,0%
8,7%
4,3%
100%
40
4
2
46
65,9%
17,1%
17,1%
100%
27
7
7
41
66,7%
0%
33%
100%
2
0
1
3
50%
50%
0%
100%
1
1
0
2
Gesamt-
77,6%
12,2%
12,2%
100%
kollektiv
76
12
10
98
Ptis
PT1
PT2
PT3
PT4
Die Rate der SLN-negativen Tumoren (Gruppe 1) nimmt im Vergleich zu allen SLNpositiven-Tumoren (Gruppe 2 und 3) mit steigender Tumorgröße hoch signifikant ab
(p<0,01). Umgekehrt nimmt die Rate an SLN-positiven-Tumoren (Gruppe 2 und 3) mit
steigender Tumorgröße zu. Handelte es sich bei dem Primärtumor mindestens um einen
T2-Tumor, zeigte sich in 72,3% der Fälle ein metastatischer SLN-Befall. Ein
Unterschied zwischen den Gruppen 2 und 3 fand sich nicht.
35
100,00%
90,00%
80,00%
Prozente
70,00%
60,00%
50,00%
40,00%
30,00%
20,00%
10,00%
pTis
pT1
1
pT2
pT3
2
3
pT4
Auswertungsgruppen
Abbildung 3 – Prozentuale Verteilung der Tumorgröße in den Auswertungsgruppen
Im nächsten Schritt erfolgte eine Untersuchung des Lymphknotenstatus in Abhängigkeit
von multifokalem oder multizentrischem Wachstum des Primärtumors. Insgesamt zeigte
sich in 17 Fallen (14,9%) ein multizentrisches bzw. multifokales Wachstum.
Tabelle 12 - Verteilung der multifokalen/multizentrischen und unifokalen Tumoren in
den Auswertungsgruppen
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
35,3%
29,4%
100%
6
6
5
17
77,3%
12,4%
10,3%
100%
75
12
10
79
71,1%
15,8%
13,2%
100%
81
18
15
114
multifokale/multizentrische Tumoren 35,3%
unifokale Tumoren
Gesamtkollektiv
Die Rate an Tumoren ohne metastatischem Befall des/der SLN (Gruppe 1) ist in der
Gruppe der unifokalen Tumoren signifikant höher als bei multifokalen/multizentrischen
Tumoren (p<0,05). Umgekehrt ist die Rate der Tumoren mit metastatischem Befall
36
des/der SLN (Gruppe 2 und 3) in der Gruppe der multifokalen/multizentrischen
Tumoren signifikant höher (p<0.05). Ein Unterschied in den Gruppen 2 und 3 findet
sich nicht.
80,00
70,00
Prozente
60,00
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
multifokal/multizentrisch
1
unifokal
2
3
Auswertungsgruppen
Abbildung 4 – Prozentuale Verteilung der multifokalen/multizentrischen und unifokalen
Tumoren in den Auswertungsgruppen
In einem dritten Schritt erfolgte eine Aufteilung in multifokale (n=12, 10,5%) und
multizentrische Tumoren (n=5, 5,3%), wobei die Gesamtanzahl multizentrischer
Tumoren am Gesamtkollektiv sehr klein war. Ein statistisch signifikanter Unterschied
innerhalb der Gruppen zeigt sich nicht (p>0,05).
37
Tabelle 13 – Verteilung von multifokal und multizentrisch wachsenden Tumoren in den
Auswertungsgruppen
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
33,3%
41,6%
25%
100%
4
5
3
12
multizentrisches
40%
40%
40%
100%
Wachstum
2
1
2
5
Gesamtkollektiv
35,3%
35,3%
29,4%
100%
2
2
1
17
multifokales Wachstum
5.4.2 Lymphknotenstatus und Tumordifferenzierungsgrad
In
einem
weiteren
Schritt
wurde
der
Lymphknotenstatus
je
nach
Tumordifferenzierungsgrad analysiert.
Tabelle 14 - Verteilung des Tumordifferenzierungsgrades in den Auswertungsgruppen
G1
G2
G3
Gesamtkollektiv
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
total
(%; n)
(%; n)
(%; n)
(%; n)
78,9%
10,5%
10,5%
100%
15
2
2
19
69,9%
17,8%
12,3%
100%
51
13
9
73
68,2%
13,6%
18,2%
100%
15
3
4
11
71,1%
15,8%
13,2%
100%
81
18
15
114
38
Die
Rate
an
SLN-negativen
Fällen
scheint
mit
Abnahme
des
Tumorzelldifferenzierungsgrades im Vergleich mit den SLN-positiven Fällen zwar
abzunehmen, dieser Trend zeigte sich aber nicht statistisch signifikant (p>0,05). Ebenso
scheint die Rate der Patientinnen mit weiteren Metastasen in der axillären
Lymphadenektomie in Abhängigkeit des Tumordifferenzierungsgrades zu steigen,
allerdings zeigte sich auch dieser Trend nicht statistisch signifikant (p>0,05).
In der vorliegenden Untersuchung lässt sich somit kein statistisch signifikanter
Zusammenhang des Faktors „Tumordifferenzierungsgrad“ und dem Lymphknotenstatus
erkennen.
80,00
70,00
Prozente
60,00
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
G3
G2
1
2
G1
3
Auswertungsgruppen
Abbildung 5 – Prozentuale Verteilung des Tumordifferenzierungsgrades in den
Auswertungsgruppen
5.4.3 Lymphknotenstatus und Hormonrezeptorstatus bzw. Her-2/neu-Status
In
106
Fällen
(90,5%)
lag
eine
Bestimmung
des
Östrogen-
und
Progesteronrezeptorstatus und des Her-2/neu-Status vor.
Die Verteilung der Gruppen (Gruppe 1: n=73/68,9%; Gruppe 2: n=18/17,0%; Gruppe 3:
n=15/14,2%) änderte sich durch den Wegfall der Fälle ohne entsprechende Bestimmung
nicht signifikant im Vergleich zum Gesamtkollektiv.
39
In einem ersten Schritt erfolgte eine Untersuchung der Auswertungsgruppen in
Abhängigkeit der Östrogenrezeptor-Scores bzw. der Progesteronrezeptor-Scores. Als
Grundlage wurde der erhobene immunreaktive Score (IRS) nach Remmele und Stegner
verwendet. Dieser wurde für die Einteilung in einen positiven und negativen
Hormonrezeptorstatus herangezogen, wie er als Grundlage für eine weitere
antihormonelle Therapie dient. Als Cut-Off-Wert wurde hier gemäß Konsens jeweils
ein Wert von ≥ 4 gewählt [39].
Tabelle 15 – Verteilung von negativem und positivem Östrogenrezeptorstatus in den
Auswertungsgruppen
negativer Östrogenrezeptorstatus
positiver Östrogenrezeptorstatus
Gesamtkollektiv
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
72%
16%
12%
100%
18
4
3
25
67,9%
17,2%
14,8%
100%
55
14
12
81
68,9%
17%
14,2%
100%
73
18
15
106
90,00
80,00
70,00
Prozente
60,00
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
Östrogenrezeptor negativ
1
Östrogenrezeptor positiv
2
3
Auswertungsgruppen
Abbildung 6 – Prozentuale Verteilung von negativem und positivem
Östrogenrezeptorstatus in den Auswertungsgruppen
40
Tabelle 16 – Verteilung von negativem und positivem Progesteronrezeptorstatus in den
Auswertungsgruppen
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
Negativer
71,1%
18,4%
10,5%
100%
Progesteronrezeptorstatus
27
7
4
38
Positiver
67,7%
16,2%
16,2%
100%
Progesteronrezeptorstatus
46
11
11
68
Gesamtkollektiv
68,9%
17%
14,2%
100%
73
18
15
106
70,00
60,00
Prozente
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
Progesteronrezeptor negativ
1
2
Auswertungsgruppen
3 Progesteronrezeptor positiv
Abbildung 7 - Prozentuale Verteilung von negativem und positivem
Progesteronrezeptorstatus in den Auswertungsgruppen
Des Weiteren erfolgte die Analyse zwischen dem Lymphknotenstatus und dem
immunhistochemisch nachgewiesenen Her-2/neu-Status nach IHC-Score. Aus diesem
Grund wurden die Patientinnen in zwei Gruppen eingeteilt. Als Grundlage diente die
Therapieentscheidung
für
eine
mögliche
weitere
Trastuzumab-Therapie.
Die
Bewertungskriterien für einen positiven Her-2/neu-Status waren ein IHC-Score von 3+,
die für einen negativen Her-2/neu-Status ein IHC-Score von 0 oder 1+, während
zweifelhafte Fälle mit einem IHC-Score von 2+ nicht berücksichtigt wurden [60].
41
Tabelle 17 - Verteilung von negativem und positivem Her-2/neu-Status in den
Auswertungsgruppen
positiver Her-2/neu-Status
negativer Her-2/neu-Status
Gesamtkollektiv
Gruppe 1
(%; n)
Gruppe 2
(%; n)
Gruppe 3
(%; n)
total
(%; n)
72,2%
13,9%
13,9%
100%
11
2
2
15
73,3%
13,3%
13,3%
100%
52
10
10
72
72,4%
13,8%
13,8%
100%
63
12
12
87
70,00
60,00
Prozente
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
Her-2-neu-Rezeptorstatus negativ
1
2
Auswertungsgruppe
3
Her-2-neu-Rezeptorstatus
positiv
Abbildung 8 – Prozentuale Verteilung von negativem und positivem Her-2/neu-Status
in den Auswertungsgruppen
Die Analyse des Östrogenrezeptor- und Progesteronrezeptorstatus, sowie des HER2/neu-Status zeigte keine Assoziation zwischen dem Auftreten von SLN-positiven
versus SLN-negativen Fällen und dem Hormonrezeptor bzw. Her-2/neu-Status
(p>0,05). Ein signifikanter Unterschied zwischen der Gruppe mit lediglich positiven
42
Sentinellymphknoten (Gruppe 2) und der Gruppe mit weiteren Metastasen in der
axillären Lymphadenektomie (Gruppe 3) zeigte sich ebenfalls nicht (p>0,05).
5.4.4 Lymphknotenstatus und Tumortyp
Im Folgenden wurde der Lymphkotenstatus je nach Histologie analysiert. Bei den
untersuchten Tumoren handelte es sich um duktale in situ Karzinome (n=9, 7,9%),
invasiv lobuläre (n=16, 14,0%) und invasiv duktale Karzinome (n=83, 72,8%).
Aufgrund der geringen Anzahl von jeweils anderen (muzinöse Karzinome, invasiv
papilläre Karzinome, inflammatorische Karzinome) Tumortypen (n=6, 5,3%), wurden
diese in eine Gruppe mit sonstigen Karzinomen zusammengefasst.
Tabelle 18 – Verteilung der Tumortypen in den Auswertungsgruppen
DCIS
ILC
IDC
sonstige
Gesamtkollektiv
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
total
(%; n)
(%; n)
(%; n)
(%; n)
100%
0%
0%
100%
9
0
0
9
56,3%
12,5%
31,3%
100%
9
2
5
16
71,1%
18,1%
10,8%
100%
59
15
9
83
66,7%
16,7%
16,7%
100%
4
1
1
6
71,1%
15,8%
13,2%
100%
81
18
15
114
43
Abbildung 9 – Prozentuale Verteilung der Tumortypen in den Auswertungsgruppen
Hierbei zeigte sich, dass das duktale Carcinoma in situ in sämtlichen Fällen einen
negativen Lymphknotenstatus aufwies (p<0,01). Weitere statistisch signifikante
Unterschiede zeigten sich nicht.
5.5
Indikationsgruppen
Im folgenden Teil erfolgte eine Einteilung der Patientinnen in drei Gruppen. Die erste
Gruppe stellt die nach Konsensus anerkannte Standardindikationsgruppe für die
Anwendung der Sentinellymphknotenbiopsie dar, nämlich die der unifokalen T1Tumoren. Die zweite Gruppe beinhaltete die Gruppe der großen Tumoren (T2-Tumoren
und größer) und die dritte Gruppe die multifokalen und multizentrischen Tumoren.
5.5.1 Indikationsgruppen und präoperative Lymphszintigraphie
Zunächst erfolgte die Betrachtung der präoperativen Lymphszintigraphie.
44
Tabelle 19 – Detektionsrate und Anzahl der detektierten SLN in der präoperativen
Lymphszintigraphie
Total
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Patientenzahl
117 (100%)
52 (44,4%)
47 (40,2%)
18 (15,4%)
Detektionsrate
100%
100%
100%
100%
1
75 (100%)
33 (44%)
30 (40%)
12 (16%)
2
33 (100%)
15 (45,5%)
14 (42,4%)
4 (12,1%)
3
8 (100%)
3 (37,5%)
3 (37,5%)
2 (25%)
4
1 (100%)
1 (100%)
0 (0%)
0 (0%)
Mittelwert
1,44
1,46
1,43
1,44
detektierte SLN
Wie bereits einleitend erwähnt, konnte in 100% der Fälle in der präoperativen
Lymphszintigraphie mindestens ein Sentinellymphknoten detektiert werden, so dass
innerhalb der Indikationsgruppen keine signifikanter Unterschied der Detektionsraten
besteht.
In allen drei Gruppen war in zwei Fällen die Anfertigung von Spätaufnahmen
notwendig,
so
dass
sich
hier
auch
keine
signifikanten
Unterschiede
der
Indikationsgruppen zeigten (p>0,05).
5.5.2 Indikationsgruppen und intraoperative Sentinellymphknotenbiopsie
Im Anschluss erfolgte die Betrachtung der intraoperativen Darstellung der
Sentinellymphknoten mittels Gammasonde.
45
Tabelle 20 – intraoperative Detektionsrate und Anzahl der detektierten SLN in der
Sentinellymphknotenbiopsie
Total
Gruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
Patientenzahl
117 (100%)
52 (44,4%)
47 (40,2%)
18 (15,4%)
Detektionsrate
98,3%
98,1%
100%
94%
0
2 (100%)
1 (50%)
0 (0%)
1 (50%)
1
62 (100%)
26 (41,9%)
27 (43,5%)
9 (14,5%)
2
30 (100%)
13 (43,3%)
13 (43,3%)
4 (13,3%)
3
9 (100%)
6 (66,7%)
2 (22,2%)
1 (11,1%)
4
9 (100%)
3 (33,3%)
4 (44,4%)
2 (22,2%)
5
2 (100%)
1 (50%)
1 (50%)
0 (0%)
6
2 (100%)
1 (50%)
0 (0%)
1 (50%)
7
1 (100%)
1 (100%)
0 (0%)
0 (0%)
Mittelwert
1,83
1,79
1,74
2,00
detektierte SLN
Insgesamt gelang nur in zwei Fällen (1,7%) die Darstellung von Sentinellymphknoten
nicht. In einem Fall handelte es sich um einen T1-Tumor, in einem anderen Fall um
einen multifokalen Tumor. Ein signifikanter Unterschied der Detektionsraten innerhalb
der einzelnen Indikationsgruppen zeigte sich im Patientinnenkollektiv somit nicht.
Ebenso blieb die Anzahl der detektierten Lymphknoten ohne signifikante Unterschiede
in der Verteilung (p>0,05).
46
6
Diskussion
Nach wie vor stellt der axilläre Lymphknotenstatus beim primären Mammakarzinom
den wichtigsten Prognosefaktor dar [14]. Bis zur Einführung und Etablierung der
Sentinellymphknotenbiopsie
(SLNB)
stellte
die
vollständige
axilläre
Lymphadenektomie (ALND) den operativen Standard dar. Aufgrund der hohen
Morbidität dieser Operation wurde nach einer weniger invasiven Methode gesucht, um
den Nodalstatus zu bestimmen, ohne dabei die onkologische Sicherheit zu reduzieren.
Nach zahlreichen Studien wurde die SLNB 2003 in der Konferenz von St. Gallen als
akzeptierte Methode beim primären Mammakarzinom eingestuft. Das Vorgehen wird
heute von internationalen Fachgesellschaften empfohlen [64, 70, 104].
Während in vielen Studien zunächst ein peritumorales Injektionsverfahren des zur
Markierung der SLN verwendeten Farbstoffs oder Radionuklids gewählt wurde [7, 23,
71], wertet der interdisziplinär abgestimmte Konsensus der Deutschen Gesellschaft für
Senologie die peritumorale, intra- oder subdermale periareoläre und subareoläre
Injektionstechnik heute als gleichwertig [64].
Bis Mai 2008 wurde in Minden im Institut für Diagnostische Radiologie und
Nuklearmedizin
für
die
Sentinellymphknotenbiopsie
eine
peritumorale
Injektionstechnik des Radionuklids angewandt, danach erfolgte eine Umstellung auf
eine periareoläre, intradermale Technik.
Im Zeitraum Mai 2008 bis Mai 2009 wurde bei 117 Patientinnen mit primärem
Mammakarzinom eine SLNB mit dieser Injektionstechnik durchgeführt.
6.1
Präoperative und intraoperative Detektionsrate
In sämtlichen 117 Fällen gelang in der präoperativen Lymphknotenszintigraphie
letztendlich die Darstellung von mindestens einem Sentinellymphknoten, so dass die
Detektionsrate bei 100% lag. Durchschnittlich kamen 1,44 SLN zur Darstellung.
Teilweise waren hierzu supportive Maßnahmen notwendig, welche im Verlauf noch
diskutiert werden.
In früheren Studien wurden bei gleicher Injektionstechnik mit Detektionsraten von
85,2% bis 100% übereinstimmende Ergebnisse ermittelt [17, 26, 50, 96]. Hierbei erwies
47
sich in Studien, welche Injektionstechniken verglichen, bei periareolärer Injektion die
Detektionsrate als mindestens gleichwertig oder höher [16, 50].
Bei der Interpretation der hier ermittelten Detektionsrate muss berücksichtigt werden,
dass bei einigen Patientinnen im Rahmen des Routineablaufs zunächst keine Detektion
eines SLN gelang. Routinemäßig erfolgten die Aufnahme mittels Gammakamera 60 bis
180 Minuten nach Injektion des Radiopharmakons. In sechs Fällen (5,1%) gelang nach
diesem Zeitraum keine Darstellung eines Aktivitätsmaximums. Eine Abweichung in der
Aktivitätsmenge des verabreichten Radiopharmakons zeigte sich nicht. Diese
Patientinnen wurden aufgefordert, die betroffene Mamma zu massieren und/oder zu
erwärmen. Danach erfolgten erneute Aufnahmen. Nach spätestens 240 Minuten gelang
in den verbliebenen Fällen die Darstellung von mindestens einem Aktivitätsmaximum.
Der Primärtumor war in fünf dieser sechs Fälle im oberen, äußeren Quadranten
lokalisiert. Dieses entspricht einem Anteil von 11,1% aller im oberen, äußeren
Quadranten lokalisierter Tumoren.
Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung legen somit nahe, dass im Falle einer
Lokalisation des Primärtumors im oberen, äußeren Quadranten eine generelle
Empfehlung zu supportiven Maßnahmen und/oder späteren Aufnahmen auszusprechen
ist.
In der Literatur früherer Studien fand der Aufnahmezeitpunkt in der Regel keine
Erwähnung, ebenso wird im Konsensus keine eindeutige Empfehlung bezüglich des
Aufnahmezeitpunktes der Lymphszintigraphie erwähnt [46, 64].
Um im Rahmen standardisierter Untersuchungsabläufe optimale Detektionsraten in der
präoperativen Lymphszintigraphie zu erzielen, sollte in weiteren Studien auch eine
Analyse der Detektionsrate in Abhängigkeit des Aufnahmezeitpunktes und der
Lokalisation des Primärtumors erfolgen.
Abschließend bleibt zu erwähnen, dass eine präoperative Lymphszintigraphie im
Konsensus nicht als verbindlich gewertet wird, die Durchführung wird allerdings von
vielen Autoren empfohlen [66]. Die Operateure der hiesigen Frauenklinik beschrieben
die
präoperativ
durchgeführte
Lymphszintigraphie
mit
Farbstiftmarkierungen als hilfreich für das Auffinden des/der SLN.
48
Aufbringung
von
Intraoperativ gelang bei 115 der 117 Patientinnen der Nachweis von mindestens einem
SLN, woraus sich eine Detektionsrate von 98,3% ergab. In der Literatur finden sich
Detektionsraten von 95,6% bis 98,5% [16, 50], so dass die vorliegende Auswertung
auch in diesem Fall ähnliche Ergebnisse wie bereits frühere Studien lieferte. Weiterhin
liegt die Detektionsrate in der hiesigen Frauenklinik deutlich über der geforderten Rate
von 90% durch die Deutsche Gesellschaft für Senologie und genügt somit den
Anforderungen einer qualitätsgesicherten Anwendung in der klinischen Routine [64].
Eine auffällige Abweichung der beiden Fälle ohne SLN-Nachweis bezüglich der
Aktivität des injizierten Radiopharmakons zeigte sich nicht.
Die Erfahrung der Operateure ist ein wichtiger Faktor bei der Bewertung der
Detektionsraten. Mehrere Studien berichteten von einer steigenden Detektionsrate bei
zunehmender Erfahrung des Operateurs [75, 110]. Bei der Interpretation der Ergebnisse
muss beachtet werden, dass in der vorliegenden Untersuchung der operative Eingriff
stets von erfahrenen Operateuren (d.h. Chef- bzw. Oberärzte) durchgeführt wurde.
6.2
Anzahl
der
metastatisch
befallenen
Sentinellymphknoten
und
der
Nodalstatus
Weitere diskussionswürdige Ergebnisse liefert eine Betrachtung derjenigen 53
Patientinnen, bei welchen intraoperativ mehr als ein Sentinellymphknoten entfernt
wurde. Der Anteil dieser Patientinnen betrug 46,1%. Zum Vergleich liegt eine Studie
von Holl et al vor, in welcher bei gleicher Injektionstechnik bei 51,5% der Fälle
mehrere SLN detektiert wurden [50]. Es finden sich in vergleichenden Studien
Hinweise, dass bei der periareolären Injektionstechnik generell eine höheren Anzahl
von SLN zur Darstellung kommt [50, 96].
In dieser Untersuchung zeigte sich nach Entfernung mehrerer SLN bei sieben
Patientinnen (13,2%) mehr als ein SLN metastatisch befallen, so dass eine Ausräumung
der Axilla erfolgte. In allen sieben Fällen zeigten sich hier weitere metastatisch
befallene Lymphknoten, so dass die vorliegende Untersuchung die Ergebnisse früherer
Studien
untermauert,
dass
bei
Nachweis
mehrerer
metastatischer
befallener
Sentinellymphknoten die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen weiterer Lymphknoten
in der nachfolgenden Ausräumung der Axilla hoch ist. Unter anderem hatten Fan et al.
49
und Wada et al. die Bedeutung positiver SLN als prädiktiven Wert für weitere
Lymphknotenmetastasen untersucht [29, 120].
Andererseits wiesen 10 Patientinnen (18,8%) nur einen befallenen SLN auf. Auch all
diese Patientinnen wurden einer Ausräumung der Axilla zugeführt. Bei keiner dieser
Patientinnen wurden weitere Lymphknotenmetastasen gefunden.
Bestandteil von Studien ist der Versuch mit hoher Sicherheit diejenigen Patientinnen
vorauszusagen, welche bei Nachweis von metastatisch befallenen SLN durch die
alleinige Entfernung der SLN bereits ausreichend therapiert und gestagt wurden, da es
sich bei den SLN um die einzigen metastatisch befallenen Lymphknoten handelt, so
dass eine ALND nicht notwendig wäre, bzw. eine Übertherapie mit entsprechender
Schulter-Arm-Morbidität bedeuten würde [29, 84, 120].
In der vorliegenden Untersuchung gelang der Nachweis eines solchen Kollektivs an
Patientinnen. War bei Entfernung mehrerer SLN nur ein Lymphknoten metastatisch
befallen,
gelang
bereits
mittels
SLNB
eine
Entfernung
sämtlicher
Lymphknotenmetastasen. In diesen Fällen stellte die ALND bereits eine Übertherapie
dar, welche mit dem Verfahren der SLNB eigentlich vermieden werden sollte.
6.3
Vergleich der Anzahl der szintigraphisch und intraoperativ detektierten
Sentinellymphknoten
Auffällig ist die Diskrepanz zwischen der Anzahl der in der präoperativen
Lymphszintigraphie detektierten SLN und der intraoperativ detektierten Lymphknoten.
Nur in 57% der Fälle stimmte die präoperativ ermittelte Anzahl mit der intraoperativen
Anzahl überein. Mit 1,44 lag die durchschnittliche Anzahl der präoperativ detektierten
SLN unter der durchschnittlichen Anzahl der intraoperativ detektierten SLN (1,83).
Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass in der vorliegenden Untersuchung die Anzahl
der intraoperativ detektierten Lymphkonten letztendlich über die Ergebnisse der
feingeweblichen Untersuchung festgelegt wurde. Somit ist eine Überstrahlung eng
benachbart liegender Lymphknoten in der präoperativen Lymphszintigraphie durchaus
möglich. Ähnliche Gegebenheiten waren auch in der intraoperativen Präparation der
50
Lymphknoten zu finden. In mehreren Fällen wurde laut schriftlichen Op-Protokoll nur
eine morphologische Struktur mittels Gammasonde dargestellt und freipräpariert. In der
feingeweblichen
Untersuchung
zeigten
sich
dann
aber
in
diesem
einen
Aktivitätsmaximum mehrere eng benachbarte Lymphknoten, welches die Diskrepanz
zwischen den Ergebnissen der Lymphszintigraphie und der Anzahl der intraoperativ
gefundenen SLN erklärt.
6.4
Gesamtanzahl an Sentinellymphknoten und der Nodalstatus
Ob neben dem zuvor diskutierten Einfluss der Anzahl an metastatisch befallenen SLN
auf den Lymphknotenstatus auch die generelle Anzahl der detektierten SLN von
Bedeutung ist, wurde in einem weiteren Schritt untersucht. Die Fälle wurden in zwei
Gruppen aufgeteilt. Eine Gruppe beinhaltete die Fälle mit Nachweis von nur einem
SLN, die anderer Gruppe die Fälle mit Nachweis mehrerer SLN. Beide Gruppen
unterschieden sich nicht bezüglich ihres endgültigen Nodalstatus. Eine frühere
Beobachtung durch Kühn [63], dass es möglicherweise durch pathophysiologische
Veränderungen im Lymphabfluss (z.B. durch Obstruktion) im Falle von Metastasen, bei
nodalpositiven Frauen zur Darstellung einer höheren Anzahl von SLN kommt, ließ sich
in dieser Untersuchung nicht bestätigen.
6.5
Nodalstatus und Prognosefaktoren
Neben der Etablierung der SLNB als der routinemäßig durchgeführten ALND
gleichwertiges diagnostisches und therapeutisches Verfahren, suchten diverse Studien
nach prognostischen Markern für den metastatischen Befall von Lymphknoten. Ziel war
diagnostische und therapeutische Prozeduren zugunsten eines Maximums an
Lebensqualität zu minimieren, ohne die onkologische Sicherheit zu reduzieren [100,
118]. Es sollte versucht werden, diejenigen Patientinnen aufzudecken, bei welchen
aufgrund der geringen Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen metastatisch befallener
Lymphknoten zugunsten einer engmaschigen klinischen Untersuchung auf eine
Freilegung von Lymphkonten verzichtet werden kann. Viale et. al. konnten in einer
51
großen Studie mit 4351 Patienten zeigen, dass anhand einer Kombination mehrerer
Tumorparameter Patientinnen identifiziert werde konnten, welche per se eine geringe
Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von Lymphknotenmetastasen haben [119].
Dennoch gelang auch in dieser Studie kein Absenken des vorhersagbaren Risikos unter
10%, so dass die Autoren zu dem Schluss kamen, dass auf eine SLNB nicht verzichtet
werden sollte. Ähnliche Ergebnisse lieferten auch weitere Untersuchungen [5, 106].
Andere Autoren versuchten, diejenigen Patientinnen anhand von Prognosefaktoren zu
identifizieren, welche durch die alleinige SLNB bereits ausreichend gestagt und
therapiert wurden, da in einer ALND keine weitere LN-Metastasen zu erwarten sind
[100].
Um eine Auswirkung der erhobenen Tumorparameter Größe des Primärtumors, Universus
Mulitifokalität/Multizentrizität,
Tumordifferenzierungsgrad
und
Hormonrezeptorstatus/Her-2/neu-Status auf den Lymphknotenstatus zu untersuchen,
erfolgte eine Gliederung in drei Auswertungsgruppen. Eine Gruppe beinhaltete zunächst
alle Patientinnen ohne metastatischen Lymphknotenbefall. Die Patientinnen mit
metastatischem Befall der Sentinellymphknoten wurden in zwei weitere Gruppen
unterteilt. Die eine Gruppe beinhaltete diejenigen Patientinnen, welche zwar positive
SLN aufwiesen, in der ALND aber keine weiteren positiven Lymphknoten zeigten. In
die andere Gruppe wurden Patientinnen eingeschlossen, welche weitere LN-Metastasen
in der ALND aufwiesen. Ziel dieser weiteren Unterteilung war eine Differenzierung
zwischen denjenigen Patientinnen, bei welchen bereits durch die SLNB alle
Lymphknotenmetastasen entfernt wurden und denjenigen, welche aufgrund weiterer
Metastasen von einer ALND profitierten. Für die ersteren Patientinnen würde die SLNB
bereits eine ausreichendes Staging- und Therapieverfahren darstellen und die ALND
somit bereits eine Übertherapie.
Hinsichtlich der Risikofaktoren zum Nachweis metastatisch befallener Lymphknoten
finden sich als konstante Angabe in diversen Studien allen voran die Größe des
Primärtumors [18, 51, 58, 80, 84, 100, 113, 120]. Auch in der vorliegenden
Untersuchung konnte dieser Zusammenhang bestätigt werden. Kleinere Tumoren
wiesen signifikant weniger SLN-positive Fälle auf. Zwischen der Gruppe mit lediglich
positiven SLN und weiteren befallenen Lymphknoten in der ALND fand sich in dieser
Untersuchung kein signifikanter Unterschied.
52
Neben dem konstanten Faktor der Tumorgröße zeigten vereinzelte Studien immer
wieder weitere Zusammenhänge zwischen den besagten Tumorparametern und dem
Vorliegen befallener Lymphknoten. In der vorliegenden Untersuchung konnte ein
weiterer signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden: bei unifokalen Tumoren
zeigte sich bei einer geringeren Anzahl an Fällen eine Befall von Lymphknoten als bei
multifokalen/multizentrischen Tumoren. Über ähnliche Ergebnisse berichteten bei
gleicher Injektionstechnik auch Viale et al. [118]. Ein signifikanter Unterschied
zwischen den Gruppen mit lediglich befallenen SLN und denen mit weiteren LNMetastasen in der ALND zeigte sich anhand der vorliegenden Daten nicht.
Eine Abhängigkeit des Lymphknotenstatus vom Tumordifferenzierungsgrad, wie z.B.
von Veronesi [113] beschrieben, fand sich in der vorliegenden Untersuchung nicht.
Ebenso
wurde
keine
Assoziation
zwischen
Hormonrezeptorstatus
und
dem
Lymphknotenstatus nachgewiesen. Im Gegensatz dazu hatte sich in einzelnen Studien
eine Assoziation zwischen dem Progesteronrezeptorstatus [118] und der Expression des
Her-2/neu-Status [79, 118] gezeigt.
Weiterhin erfolgte eine Auswertung nach histologischer Klassifikation. Dabei zeigte
sich
innerhalb
der
Auswertungsgruppen
kein
Unterschied
bezüglich
des
Lymphknotenstatus bei den häufigen Tumortypen des invasiv duktalen und invasiv
lobulären Karzinoms. Über derartige Ergebnisse berichteten hingegen Viale et al.. In
der entsprechenden Studie [119] zeigte sich bei invasiv duktalen Karzinomen ein
signifikant höheres Risiko für das Vorliegen von SLN-Metastasen.
Auffälligkeiten zeigte hingegen die Subgruppe der duktalen in situ Karzinome (DCIS).
Hier zeigte sich in keinem der Fälle (n=9) ein metastatischer Befall der Lymphknoten.
Die Gruppe der DCIS stellt eine Sondergruppe der malignen Läsionen der Mamma
bezüglich der SLNB dar. Es herrscht bis heute unter verschiedenen Autoren keine
Einigkeit bezüglich des Vorgehens; während einige Autoren die Anwendung der SLNB
generell ablehnen, sprechen sich andere uneingeschränkt oder unter bestimmten
Vorraussetzungen für die Anwendung aus [105]. Im Konsensus wird das ausgedehnte
DCIS als optionale Indikation gewertet [64].
Unter der Voraussetzung, dass kein Verdacht auf das Vorliegen einer invasiven
Komponente besteht, sprechen sich die Autoren mehrerer Studien gegen die Entfernung
53
von Lymphknoten beim DCIS aus. Eine neuere Studie beziffert den Anteil der DCIS,
welche dieses Kriterium erfüllt und trotzdem Lymphknotenmetastasen aufweist, auf
0,39% [109] und kommt somit zu dem Schluss, dass diese niedrige Quote eine SLNB
nicht rechtfertigt.
Die klinische Herausforderung stellt somit jene Gruppe mit der präoperativen Diagnose
eines DCIS mittels Biopsie dar, welche dann im endgültigen Präparat aber eine invasive
Komponente aufweist [101]. Eine Metaanalyse von 22 Studien [1] zeigte, dass unter
Berücksichtigung lediglich der präoperativen gestellten Diagnose eines DCIS eine
Inzidenz von LN-Metastasen von 7,4 % ermittelt wurde. Durch Ausschluss all
derjenigen Karzinome, welche im endgültigen Präparat eine invasive Komponente
zeigten, konnte die Rate auf 3,7 % reduziert werden.
Auch die vorliegenden Ergebnisse unterstreichen die niedrige Rate positiver
Lymphknoten beim DCIS. Abzuwarten bleibt, wie die Bedeutung der SLNB beim DCIS
in Zukunft gewertet wird.
Schlussfolgernd lässt sich bezüglich der Prognosefaktoren sagen:
Ebenso wie in vorausgegangenen Studien konnten mit der Tumorgröße und der
Multifokalität/Multizentrizität zwar allgemeine Tumorparameter ermittelt werden,
welche eine häufigere Assoziation mit positiven (Sentinel)lymphknoten zeigten,
allerdings zeigte sich auch in dieser Untersuchung kein Hinweis dafür, dass ein
einzelner Faktor oder eine Kombination mehrerer Faktoren mit ausreichender Sicherheit
eine Lymphknotenmetastasierung ausschließen könnte, so dass der Verzicht auf eine
Lymphknotenuntersuchung gerechtfertigt scheint.
Eine Sonderstellung nimmt das duktale Carcinoma in situ (DCIS) ein: die erwartete
niedrige Rate an Tumoren mit Lymphknotenmetastasen konnte auch in dieser
Untersuchung bestätigt werden.
6.6
Die Indikationsgruppe der großen und multifokalen/multizentrischen
Karzinome
Im folgenden Teil sollen nun die Ergebnisse innerhalb und außerhalb der
Standardindikationsgruppe diskutiert werden. Nach aktuellem Konsensus stellt das
54
unifokale Mammakarzinom bis 2 cm die Standardindikation für die routinemäßige
Anwendung der SLNB dar [64]. Als optionale Indikation werden Tumoren mit einer
maximalen Größe von 2-5 cm (T2-Tumoren), sowie bifokale Läsionen gewertet. Immer
mehr Studien liegen vor, welche die klinische Wertigkeit der SLNB bei großen [6, 58,
76, 82, 103, 123] und multifokalen/multizentrischen Tumoren [25, 31, 41, 50, 57, 67,
102] unterstützen. Diese Studien zeigten bezüglich der Detektionsrate und der falschnegative-Rate ein gleichwertiges Abschneiden dieser Indikationsgruppen im Vergleich
zur Standardindikation. Es bleibt somit abzuwarten, ob in Zukunft eine Ausweitung der
Standardindikationsgruppe erfolgen wird.
Zu beachten ist, dass die Bezeichnung multifokale und multizentrischen Tumoren in der
Literatur nicht einheitlich genutzt wird. In der vorliegenden Untersuchung erfolgte die
Einteilung nach den Kriterien der S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und
Nachsorge des Mammakarzinoms [60]. Multifokalität bezeichnet somit das Auftreten
von getrennten Karzinomherden in einem Quadranten bzw. bei einem Abstand von
weniger als 4 cm zwischen den Herden. Multizentrizität hingegen bezeichnet das
Auftreten von getrennten Karzinomherden in mehr als einem Quadranten bzw. bei
einem Abstand von mindestens 4 cm. In der Leitlinie der „American Society of Clinical
Oncology“ zur Anwendung der SLNB hingegen wird zwischen multifokalem und
multizentrischem Wachstum nicht unterschieden. Als multizentrische Tumoren werden
zwei Tumorherde mit einem Abstand von mindestens 2 bis 5 cm bezeichnet [70].
Für die Auswertung erfolgte somit eine Einteilung sämtlicher Fälle in drei Gruppen,
nämlich T1-Tumoren, T2-T4 Tumoren und multifokale/multizentrische Tumoren. Die
Begründung,
warum
auch
Patientinnen
mit
T3-Tumoren,
T4-Tumoren
und
multizentrischen Tumoren, welche zum aktuellen Zeitpunkt keine Indikationsgruppe
darstellen, in der vorliegenden Untersuchung einer SLNB unterzogen wurden, erklärt
sich durch ein präoperativ niedriger eingeschätztes Tumorstadium. Erst im endgültigen
Präparat hatte sich dann das entsprechend fortgeschrittenere Tumorsstadium gezeigt.
Weder in der Detektionsrate der präoperativen Lymphszintigraphie noch in der
intraoperativen Detektionsrate oder in der Anzahl der jeweils detektierten SLN zeigten
sich signifikante Unterschiede innerhalb der Gruppen, so dass sich in dieser
Untersuchung bezüglich dieser Parameter eine gleichwertige Anwendbarkeit des
Verfahrens der SLNB innerhalb der Auswertungsgruppen zeigte.
55
Die falsch-negative-Rate (negative(r) SLN bei positivem(n) Non-SLN) lässt sich
letztendlich nur durch die Anzahl der axillären Rezidive in der Nachsorge bestimmen,
so dass diesbezüglich zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Aussage möglich ist. Andere
Studien griffen zur orientierenden Näherung dieser Rate auf positive Non-SLN zurück,
welche histologisch in dem bei der Präparation anfallenden inaktivem Restgewebe
gefunden wurden [50]. Eine Auswertung der Pathologieberichte zeigte in der
vorliegenden Untersuchung keinen Nachweis derartiger befallener Lymphknoten.
6.7
Die Bedeutung der Injektionstechnik
Abschließend soll die besondere Bedeutung der in der vorliegenden Untersuchung
angewandten
periareolären
Injektionstechnik
diskutiert
werden.
Grundlegende
Untersuchungen der funktionellen lymphatischen Anatomie der Brustdrüse zeigten
einen lymphatischen Abstrom des gesamten Gewebes über die gleichen axillären
Lymphknoten [12, 126].
Wie bereits in früheren Teilen der Arbeit beschrieben, erfolgten auf dieser Grundlage
zunächst vergleichende Studien der unterschiedlichen Injektionstechniken für kleine
unifokale Tumoren [16, 72, 86, 92], aufgrund welcher die Injektionsverfahren im
aktuellen Konsensus der Deutschen Gesellschaft für Senologie [64] als gleichwertig
angesehen werden.
Im Institut für Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin des Klinikums Minden
erfolgte im Mai 2008 die Umstellung von einem peritumoralen auf eine intradermales,
periareoläres Injektionsverfahren.
Neben der im einleitenden Teil erwähnten gleichwertigen Ergebnisse bezüglich der
Detektionsrate und der Rate falsch negativer SLN, bietet dieses Verfahren spezifische
Vorteile wie ein leichteres Erlernen der Methodik, dem Verzicht auf eine zusätzliche
Bildgebung bei nichtpalpablen Läsionen sowie die geringere Schmerzhaftigkeit des
intradermalen Injektionsverfahrens [16]. Neben diesen allgemeinen Vorteilen, bietet das
periareoläre Injektionsverfahren aber auch spezifische Vorteile bei größeren und
multifokalen/multizentrischen Tumoren.
56
Insbesondere bei großen Tumoren kann bei peritumoraler Injektion das Auffinden
des/der SLN durch die „Überstrahlung“ der axillären Lymphknoten durch ins Gewebe
diffundierendes Radiokolloid erschwert sein [16, 56, 96]. Dieser Faktor stellt vor allem
bei ungünstiger Lage im oberen, äußeren Faktor ein Problem dar, und besteht bei
periareolärer Injektionstechnik nicht [15, 56].
Bei multifokalen/multizentrischen Tumoren ist die peritumorale Injektion aufgrund der
höheren Anzahl an aufzusuchenden Injektionsstellen insbesondere bei nicht palpablen
Läsionen, welche eine bildgebende Unterstützung benötigen, unverhältnismäßig
aufwendiger [42]. Auch bedeutet ein periareoläres Injektionsverfahren aufgrund der
geringeren Anzahl Einstiche in oberflächiges Gewebe weniger Schmerzen für die
Patientin und kann so möglicherweise die Akzeptanz des Verfahrens positiv
beeinflussen.
Neben diesem allgemeinen Vorteil konnten vereinzelte Studien für diese Gruppe der
multifokalen/multizentrischen Tumoren bei periareolärer Injektionstechnik verbesserte
Detektionsraten in der präoperativen Lymphszintigraphie [96] und eine signifikant
niedrigere falsch-negativ Rate [50] im Vergleich zur peritumoralen Injektion zeigen.
Einen möglichen Nachteil stellt die schlechtere Darstellung parasternaler Lymphknoten
dar. Zwar wird die Entfernung dieser Lymphknoten nicht empfohlen, nimmt aber ggf.
Einfluss auf das Planungsfeld eine adjuvanten Strahlentherapie [66].
Eine Umstellung des Injektionsverfahren auf die periareoläre Injektionstechnik, wie sie
im Klinikum Minden erfolgte, verspricht also sowohl unter Einbezug der Ergebnisse
früherer Studien als auch der vorliegenden Ergebnisse eine gute Vorraussetzung für die
Anwendbarkeit auch bei großen und multifokalen/mulitzentrischen Tumoren.
Um diese Ergebnisse zu untermauern, sollte noch ein Vergleich mit Ergebnissen zu
Zeiten der peritumoralen Injektion erfolgen.
57
7
Zusammenfassung
Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frau in Deutschland. Der
axilläre Lymphknotenstatus stellt den stärksten prognostischen Faktor für den Verlauf
der Krankheit dar. Ein axillärer Lymphknotenbefall signalisiert eine deutlich erhöhte
Mortalität und ein derart hohes Rezidivrisiko, dass eine adjuvante systemische Therapie
gerechtfertigt ist. Lange Zeit stellte die ALND das operative Standardverfahren zur
Therapie und Staging des Mammakarzinoms dar.
Ein stetig wachsender Anteil an Frauen ohne axillären Lymphknotenbefall zum
Diagnosezeitpunkt förderte die Entwicklung eines weniger invasiven Verfahrens zum
Staging der Axilla. Heute stellt die SLNB ein etabliertes Verfahren dar, welches bei
gleicher onkologischer Sicherheit im Falle einer tumorfreien Axilla die Radikalität des
operativen Eingriffs begrenzen kann. Die daraus resultierende geringere Schulter-ArmMorbidität bedeutet einen Zuwachs an Lebensqualität für betroffene Patientinnen.
Während zum aktuellen Zeitpunkt unifokale T1-Tumoren die Standardindikation, und
T2-Tumoren sowie bifokale Tumoren eine optionale Indikation zur Anwendung der
SLNB darstellen, wird eine Ausweitung auf größere Tumoren, sowie multifokale und
multizentrische
Tumoren
diskutiert.
Obwohl
verschiedene
peritumorale
und
periareoläre Injektionsverfahren des Markierungsstoffes als gleichwertige Verfahren
gelten, bietet ein periareoläres, intradermales Verfahren nicht zuletzt vor dem
Hintergrund einer möglichen Indikationsausweitung auf zuvor beschriebene Gruppen
spezifische Vorteile.
Am Klinikum Minden erfolgte im Mai 2008 eine Umstellung der peritumoralen
Injektion auf eine periareoläre, intradermale Injektion des verwendeten Radionuklids.
Ausgewertet wurden sämtliche 117 durchgeführten SLNB von Mai 2008 bis Mai 2009.
Die präoperativen Lymphszintigraphien wiesen in 100% den/die SLN nach, in 98,3%
gelang der Nachweis intraoperativ mittels Gammasonde. Die entsprechenden
Nachweisraten stimmten mit den in der Literatur angegebenen Werten überein.
Lag der Primärtumor im oberen, äußeren Quadranten der Mamma, gelang der Nachweis
in der präoperativen Lymphszintigraphie teilweise erst nach supportiven Maßnahmen
und Spätaufnahmen, so dass für Tumoren mit dieser Lokalisation entsprechende
Empfehlungen ausgesprochen werden sollten.
War im Falle der intraoperativen Detektion von mehr als einem SLN nur einer dieser
LN metastatisch befallen, zeigten sich in der nachfolgenden ALND in keinem Fall
weitere Metastasen, so dass diese Patientinnen möglicherweise ein Kollektiv darstellen,
58
in welchem auf die nachgeschaltete ALND zugunsten einer Reduzierung der SchulterArm-Morbidität verzichtet werden kann. Ein Einfluss der Gesamtanzahl der
intraoperativen detektierten LN auf den Lymphknotenstatus, wie vereinzelt in der
Literatur beschreiben, zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung nicht.
Bezüglich der erhobenen Prognosefaktoren konnte der aus einer Vielzahl an Studien
bekannte Einfluss der Tumorgröße auf den Lymphknotenstatus nachgewiesen werden.
Neben zunehmender Größe des Primärtumors war auch Multifokalität bzw.
Multizentrizität mit einem signifikant häufigeren Auftreten von LN-Metastasen
verbunden. Sämtliche DCIS blieben ohne Nachweis von LN-Metastasen, so dass die
Empfehlung der Autoren anderer Studien, auf die Entfernung von LN bei dieser
Tumorentität unter bestimmten Vorraussetzungen zu verzichten, durch die vorliegenden
Ergebnisse bestärkt werden kann. Eine weitere grundlegende Assoziation zwischen dem
Auftreten von LN-Metastasen und den erhobenen Tumorparametern zeigte sich nicht.
Eine vergleichende Betrachtung der Standardindikationsgruppe der T1-Tumoren, sowie
der Gruppe der größeren (T2-T4) und der multifokal/multizentrischen Tumoren, zeigte
für die periareoläre Injektionstechnik gleichwertige Ergebnisse bezüglich der prä- und
intraoperativen Detektionsrate des/der SLN. Unter Einbezug der aus der Literatur
bekannten Vorteile der periareolären Injektionstechnik konnten die vorliegenden
Ergebnisse
die
gute
Anwendbarkeit
der
periareolären
Radionuklids auch in den erweiterten Indikationsgruppen zeigen.
59
Injektionstechnik
des
8
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Danksagung
Danken möchte ich vor allem Frau PD Dr. med. Eva Fricke für die Unterstützung bei
der Verfassung der Arbeit.
Mein Dank gilt Herrn Prof. Dr. W.-D. Reinbold, Leiter des Instituts für Diagnostische
Radiologie und Nuklearmedizin des Klinikums Minden, für die Überlassung des
Themas.
Darüber hinaus danken möchte ich auch meinen Eltern für die Unterstützung meines
gesamten bisherigen Lebens.
Lebenslauf
Persönliche Daten
Name:
Christoph Alexander Biedendieck
Geburtsdatum:
10.05.1979
Geburtsort:
Berlin
Schulausbildung
1985 – 1998
Grundschule Elverdissen und Ravensberger Gymnasium in
Herford
08/1995-08/1996
Ellesmere College, Leeston, Neuseeland
Zivildienst
07/1998-07/1999
Ausbildung und Beschäftigung als Rettungssanitäter in
Rettungsdienst und Krankentransport bei der Feuerwehr der Stadt
Herford
Studium
10/1999-05/2006
Medizinstudium an der Universität Lübeck
beruflicher Werdegang
seit 09/2006
Assistenzarzt in Weiterbildung am Zentrum für Innere Medizin
im Diakoniekrankenhaus Friederikenstift Hannover
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