Grauzone Sexuelle Gewalt - Katholisches Kinderkrankenhaus

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Institut für Qualifizierung und Qualitätssicherung
in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Grauzone Sexuelle Gewalt
Grenzen-Erfahrungen in
Institutionen
Thomas Kobsa
Erziehungsleiter
Abteilung für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
des Kindes- und Jugendalters
Mai 2013
Dieser Vortrag ist unseren Kindern gewidmet,
die ein Recht darauf haben
unbeschadet groß zu werden
Grauzone Sexuelle Gewalt
Grenzen-Erfahrungen in Institutionen
Vortrag Mai 2013
1. Einleitung
In unserem pädagogischen Alltag sind es u. a. zwei große Themen, die besonders unter die
Haut gehen: Gewalt und
Sexualität
Bei den uns anvertrauten Kindern und Jugendlichen wehen sie uns an:
in ihrer Familiengeschichte und in ihrer täglichen Kontaktgestaltung.
Aggressive Gewaltausbrüche hinterlassen nicht nur verwüstete Räume.
Bei uns hinterlassen sie Angst – ist noch mal gut gegangen. Sie sind unverletzt geblieben.
Angst, wie soll ich so weiterbetreuen?
Wenn Jugendliche uns Situationen um ihren sexuellen Missbrauch eröffnen, hinterlässt
dies auch Spuren. Die konkreten Situationen wollen wir uns gar nicht recht ausmalen.
Diese Bilder wollen wir gar nicht recht haben.
Manche unserer Jugendlichen haben sie und bieten sie uns an. Deren Bilder sind nicht weg.
Deren Bilder lassen sich nicht schließen wie ein Fachbuch. Deshalb sind sie hier.
Umso mehr stehen wir in Verantwortung, dass unsere Einrichtungen, unsere Teams, unser
Kontakt den Kindern und Jugendlichen ein „sicherer Raum“ ist. Verlässlich sicher.
Auf dieser Tagung wechselt die Perspektive und will den Mythos der stets guten Helfer in
Frage stellen:
Wo und wann sind wir es, die in ihrem Handeln übergriffig, tätlich, grenzverletzend
sind?
Nicht selten steht schnell die eigene Abwehr: bei uns kommt das nicht vor!
Wenn Kollegen anderer Einrichtungen über Zwischenfälle erzählen, verstecken wir uns
vielleicht noch hinter der abschätzigen Bewertung: das sind ja Zustände bei denen dort.
Spätestens, wenn Sie persönlich angesprochen sind, werden Sie für sich in Anspruch
nehmen:
Nein, ich bin keiner, der sexuell übergriffig wäre – mir würde das nicht passieren.
Und doch ist es – bei allem, was wir besonders nach den letzten zehn Jahren wissen:
Niemand von uns kann Grenzverletzungen in seinem Haus, in seinem Team, wohl
auch bei sich ausschließen!
Und selbst, wenn ich für mich und mein Handeln mir sicher scheine, wer mag für seine
Kolleginnen und Kollegen die Hand ins Feuer legen, dass Sie vor sexuellen Übergriffen
gefeit sind?
Wenn wir uns und Sie sich auf diese neue Perspektive einlassen, wird regelmäßig eine
Vielzahl von Tabus berührt, die in Zusammenhang mit Sexualität und Gewalt die Thematik
prägen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und uns Mut und Offenheit für die eigene
Infragestellung und Freude am persönlichen Austausch!
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Vortrag Mai 2013
2. Hinführung zum Thema
•
Kann ich als verantwortlicher Leiter einer pädagogischen Einrichtung sexuelle
Grenzverletzungen durch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausschließen? Und wie?
•
Welche Bedingungen brauchen Teams, um sich offen dem Thema stellen zu
können?
•
Wie vermittelt sich unseren Kindern/Jugendlichen und deren Eltern, dass wir uns
sensibel und planvoll diesem Thema widmen?
•
Sind wir vertrauenswürdig?
Der erste Entschluss ist fraglos der zur tabulosen Offenheit: Vor allem sich selbst
gegenüber, seinen Kollegen und gegenüber seinem Träger.
Erste Verlegenheit:
Obwohl das Thema der sexuellen Übergriffe wahrlich nicht neu ist, hat es bei uns im
WILHELMSTIFT das Jahr 2010 mit der Veröffentlichungswelle gebraucht, damit wir uns
offensiv diesem stellen. Glücklicherweise ohne Aufklärungsdruck. Der Austausch in der
Bundesarbeitsgemeinschaft BAG leitender Pflegekollegen und Pädagogen mit den
Erfahrungen der Schweizer Kollegen aus Bern war ein Impuls.
Gleichzeitig war es unser fester Entschluss, als psychiatrische Abteilung eines katholischen
Kinderkrankenhauses mit seinen so engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen
klaren Standpunkt zu beziehen, der sich deutlich von Ignorieren, Stillschweigen oder
Leugnen unterschied - flankiert von Geschäftsführung, Direktorium und kath. Träger, dem
Erzbistum Hamburg. Ergebnis war eine ausgearbeitete Selbstverpflichtung, deren
Eckpunkte ich später erläutere.
Zweite Verlegenheit:
Obwohl fachlich viel gewusst wird und viel bekannt ist, sah es bei uns 2010 mit
spezifischem Fachwissen zu förderlichen oder hinderlichen Strukturen in Institutionen eher
spärlich aus: eine Klinik kennt sich mit Traumatisierungen aus, mit therapeutischen
Konzepten, mit systemischer Familienarbeit. Eine Klinik kennt den Umgang mit
Verdachtsfällen von sexueller Gewalt, die außerhalb der Einrichtung z. B. in der Familie
stattgefunden haben, die aber in der Einrichtung bekannt geworden sind … u. v. m.
Wurde vor zehn Jahren in erster Linie die Täter-Opfer-Dynamik besprochen, müssen wir nun
dringend erweitern: Heute geht es um Täter-Opfer-Institutions-Dynamiken (vgl.
Bundschuh, Claudia, 2010).
Diese Frage nach den Bedingungsgefügen musste schnell mit Wissen beantwortet werden.
Eckpunkte stelle ich im Folgenden vor.
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Dritte Verlegenheit:
Bei viel guter und mehrfach auf die Probe gestellter Erfahrung im hausübergreifenden
Management von Notfallsituationen hatten wir 2010 überhaupt kein überlegtes Konzept zur
abgestimmten Intervention im ausgesprochenen Verdachtsfall. Kein auf Fachwissen
begründetes Handeln.
Und selbst drei Jahre später müssen wir einräumen, dass nicht allen Kolleginnen und
Kollegen in Leitung und Teams die abgestimmten Schritte der Öffnung und des Handelns
gegenwärtig sind.
Öffentliche Hinweise im Eingangsbereich der Abteilung oder Stichworte im Internet zu
unseren Überlegungen zum Schutz vor sexuellen Übergriffen finden sich noch nicht.
Grundlegende Frage an Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist also:
Hat Ihre Einrichtung – haben Sie in Ihrem Team ein institutionelles Schutzkonzept, das
erstens auf der Ebene der Prävention Orientierung und Klarheit gibt über
angemessene Stufen von Nähe- und Distanzgestaltung?
Und zweitens auf der Ebene der Intervention ausformulierte, transparente Notfallpläne
enthalten, wie in Verdachtsmomenten oder Vorwurfsfällen reagiert werden will?
Was zu dem Thema passiert konkret auf Ihrer Station, in Ihrem Team?
Zwei Perspektiven werden in meinem Vortrag zu kurz kommen:
a. sexuelle Übergriffe unter den Kindern bzw. zwischen Kindern und Jugendlichen einer
Institution.
b. die sexuelle Gewalt in den Medien, denen Kinder und Jugendliche an allen Ecken
ausgesetzt sind.
Mir ist in meinen Ausführungen bewusst, dass sich die institutionellen Bedingungen in
Jugendhilfe und Kinder- und Jugendpsychiatrie in mehrerlei Hinsicht unterscheiden:
Hierarchieformen, Teamkonstellation, konkrete Dienstbesetzungen und Schichtzeiten etc.
Dies denken wir gerne im Hintergrund mit.
Die grundlegenden Gedankengänge im Folgenden betreffen jedoch beide Arbeitsfelder.
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3. Bausteine eines institutionellen Schutzkonzeptes
Welches sind nun die relevanten Bausteine eines abgestimmten Schutzkonzeptes, die
zurzeit die Fachdiskussion bestimmen?
Meine Ausführungen beziehen sich im Kern auf:
1. den Abschlussbericht des „Runden Tisches“ zu sexuellem Kindesmissbrauch mit
seinen Leitlinien und Empfehlungen
2. die Abfrage des „Unabhängigen Beauftragen für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs“, Herrn Rörig, zum Umsetzungsgrad der Empfehlungen des
Runden Tisches in den einzelnen Institutionen
3. ausgewählte Fachlektüre (differenzierte Quellenangaben im Anhang)
allen vorweg von
Ursula Enders – Grenzen achten
Jörg M. Fegert – Sexueller Missbrauch durch Professionelle in Institutionen
Mechthild Wolff
Werner Tschan – Missbrauchtes Vertrauen
4. den Fachaustausch der Bundesarbeitsgemeinschaft leitender Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter im Pflege- und Erziehungsdienst BAG gemeinsam mit der BAG der
Ärzte
Eine gute Übersicht über Bausteine, die ein Haus vorhalten soll, entwirft die Abfrage des
Unabhängigen Beauftragten zum Umsetzungsgrad in den einzelnen Institutionen:
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Risikoanalyse
Präventionskonzepte
Interventionskonzepte
Beteiligung und Partizipation
Unterstützungs- und Fortbildungsbedarf
Kampagne X – kein Raum für Missbrauch
Zu 1. Abfrage Risikoanalyse
Sie fragt nach Struktur- und Arbeitswelt-spezifischen Risiken (bestimmte Zielgruppe,
besonderes Vertrauensverhältnis, die Grenzverletzungen begünstigen oder erst
ermöglichen)
Welche Themen bringen die Kinder in Ihrer Institution mit in die Betreuungssituation
ein?
Nähe – Distanz
Macht – Machtmissbrauch
Setzen und Einhalten von Grenzen
Sie alle kennen Kinder mit einem ausgeprägten Sensorium für mangelnde Grenzsetzungsbemühungen. Sie fordern die Mitarbeiter zur Grenzsetzung – im negativen Fall zur
Grenzverletzung heraus.
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Wie präsent ist Ihnen die Vorstellung, dass Sie mit Blick auf Grenzverletzungen einer
„gefahrgeneigten Tätigkeit“ nachgehen, wie Herr Fegert sagt?
Im kinder- und jugendpsychiatrischen Alltag lassen sich vor diesem Hintergrund typische
Muster der Beziehungsgestaltung benennen:
•
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•
Einfühlen und Verstehen als Momente der Nähe
Kinder und Jugendliche mit großen Wünschen nach ausschließlicher
Beziehung:
Manche Kinder und Jugendliche mit schweren Versagungen in der Kindheit haben oft
übergroße Wünsche nach ausschließlicher Beziehung. Den angebotenen Kontakt
scheinen sie aufzusaugen und nicht selten im Gegenüber verschmelzen zu wollen.
Sie hinterlassen bei dem Betreuer das exklusive Gefühl, einzigartig verständnisvoll,
bedeutsam und manchmal der langersehnte Retter zu sein.
Kinder und Jugendliche mit der tatsächlichen Erfahrung von erlebter
Grenzverletzung
Neben Ruhe, Zurückgezogenheit oder Suizidalität wird in anderen Fällen der Kontakt
oder das Klima auf Station deutlich sexualisiert. Oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
finden sich in Alltagsanforderungen plötzlich in der Rolle von mutmaßlichen
übergriffigen Tätern und Vergewaltigern wieder.
Die Risikoanalyse fragt also nach den Besonderheiten Ihres Arbeitsfeldes.
Teilt Ihr Träger Ihre Einschätzung?
Zu 2. Abfrage der Präventionskonzepte
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•
•
•
Welche präventiven Maßnahmen gibt es in Ihrem Haus? Gibt es ein umfassendes
Präventionskonzept?
Gibt es niedergeschriebene Verhaltensregeln zum orientierenden Umgang mit
Nähe und Distanz? Einen Ethikkodex?
Gibt es verbindliche Selbstverpflichtungserklärungen der Mitarbeiter/innen?
Gibt es benannte Ansprechpersonen innerhalb und außerhalb des Hauses?
Kinderschutzbeauftragte, Patientenfürsprecher, Ombudsmann?
Sind diese Außenstehenden ersichtlich?
Wie haben Sie Kinder, Jugendliche, Eltern und Sorgeberechtigte ins Thema
einbezogen?
Welche Fortbildungen zum Thema gibt es in Ihrer Einrichtung und wie groß ist die
Durchdringung?
Zu 3. Abfrage zum Interventionskonzept
•
•
Gibt es in Ihrer Einrichtung einen abgestuften Handlungsplan (Notfallplan), der
zielgerichtetes Eingreifen regelt, wenn eine konkrete Problemsituation vorliegt?
Zu welchen Aspekten enthält er Orientierungshilfen bzw. soll welche zukünftig
enthalten?
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- Sofortmaßnahmen
- Vorgehen bei Verdachtsfällen
- Einschalten von Dritten
- Einschalten der Strafverfolgungsbehörde
- Datenschutz, Geheimhaltung, Informationsweitergabe
- Umgang mit den Betroffenen, Schutz, Hilfestellung, Begleitung
- Dokumentation
- Rehabilitation von unschuldig Verdächtigten
- Umgang mit der Presse
- Langfristiges Aufarbeiten von (Verdachts-)Fällen
•
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•
Welche Empfehlungen liegen Ihrem Verfahren zur Einschaltung der
Strafverfolgungsbehörden zugrunde (eigenes Verfahren, vom Träger übernommen,
folgt es den Empfehlungen des Runden Tisches)
Wie werden in Ihrem Plan die Beschäftigten über das Einschalten der
Strafverfolgungsbehörden informiert?
Wie werden Kinder und Jugendliche über Ihren Handlungsplan bei vermutetem
sexuellem Missbrauch informiert?
Zu 4. Abfrage Beteiligung und Partizipation
Dies ist sicher ein Bereich, in dem Jugendhilfe traditionell besser aufgestellt ist und mehr
Praxis zeigt als die klinische Struktur.
• Welche Personengruppen Ihrer Institution waren an der Entwicklung Ihres
Präventions- und Interventionskonzeptes beteiligt?
• Gibt es Angebote, die Eltern, Kinder und Jugendliche im Entscheidungsprozess
einbinden bzw. ihnen Gehör verschaffen?
Zu 5. Abfrage Unterstützungsbedarf
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Benötigen Sie in Ihrer Klinik/Fachabteilung weitere Unterstützung zum
Themenkomplex sexualisierte Gewalt?
Informationsmaterial
Fortbildungen, Prävention/Intervention
Zu rechtlichen Fragestellungen
Fortbildung/Information „sexualisierte Gewalt zwischen Kindern, Kindern und
Jugendlichen“
Sexualisierte Gewalt in den Medien
Kontaktinformationen
Vorlagen Handlungspläne
Gesprächsleitfaden Erstgespräche
Zu 6. Kennen Sie die Kampagne X – Kein Raum für Missbrauch.de
• Mit eben jener Fülle an Handreichungen, Infomaterialien, Kontaktangeboten,
Literaturlisten
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Im Folgenden werde ich aus den Bausteinen „Präventionskonzepte“ zwei Beispiele vertiefen
a. Beispiel Ethikkodex, Leitlinie zum grenzwahrenden Umgang zwischen Nähe und
Distanz
b. Klare Grenze: Die Selbstverpflichtung
4. Vertiefung ETHIK-KODEX
Leitlinien zum konkreten grenzwahrenden Umgang
Konzept Nähe und Distanz
Gibt es in Ihren Einrichtungen institutionelle Absprachen und Dienstanweisungen zur
Sicherung eines grenzachtenden Umgangs?
Kein Kontakt im Umgang mit Kindern und Jugendlichen kann den affektiven Bereich
ausklammern. Sexuelle oder vorsichtig erotische Tönungen kommen im Alltag immer wieder
vor – mal am Rande, mal deutlicher. Sie gehören zu den entwicklungspsychologischen
Themen von Kindern und Jugendlichen.
Im Kern geht es also nicht um „ob“ oder „ob nicht“, sondern um das alltägliche
Ausbalancieren von Nähe und Distanz in unserer Begleitung der jungen Menschen.
Zum konkreten Umgang mit Nähe und Distanz im pädagogischen Arbeitsfeld gibt es
unterschiedliche Ausarbeitungen:
Ein Beispiel ist der „Entwicklungswerkstatt-Ethikkodex“ der Bremischen Evangelischen
Kirche für ihre Tageseinrichtung.
Anderes Beispiel ist die Erarbeitung von Leitlinien einer Einrichtung, in der es zu einem
Übergriff durch einen Professionellen gekommen war. Nachzulesen bei Herrn Fegert,
Sexueller Missbrauch, Seite 315.
Die Leitlinien folgen alle einem ähnlichen Schema:
Ausgehend von Schlüsselsituationen des Arbeitsalltags lassen sich für Ihre Institution
passende Richtwerte formulieren, die dem Handeln grundsätzlich Orientierung geben:
In unserem Konzept zum Umgang mit Nähe und Distanz im WILHELMSTIFT finden sich
im allgemeinen Teil generelle Verhaltensregeln wie
• Unklare und widersprüchliche Situationen werden offen im Behandlungsteam
angesprochen, vor allem bei Unsicherheiten oder in kritischen Situationen
(Jugendlicher verliebt sich in Mitarbeiterin)
• Heikles Verhalten von Kolleginnen und Kollegen wird direkt angesprochen.
„Gerüchteküchen“ werden nicht unterstützt.
Im Weiteren gefolgt von Handlungsstrategien in konkreten Situationen
• Zuwendung/Trösten
• Zimmer betreten, wecken, zu Bett bringen
• Pflege und Massage (Körperliche Intimität entspricht einer familiären Umgangsweise
und missachtet eine für den Alltag in Institutionen gebotene fachliche Distanz z. B.
den nackten Rücken kraulen)
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Persönliches Ausfragen der Mitarbeiter
Inadäquate Äußerungen, anzügliche Witze
Respektvolle Ansprache und „Sie“-zen der Patienten ab 16 Jahren
Turnen, Baden, sonstige Aktivitäten
Körperliche Untersuchungen/Durchsuchen
Angemessene, körperliche Kleidung
SMS, soziale Netzwerke
Am Beispiel „angemessene körperliche Kleidung“ zeigt sich die Bedeutung des
Aushandelns, es zeigen sich Grenzen der willkürlichen, privaten Meinung und es wird
deutlich, wie eine orientierungsgebende, dienstliche Entscheidung Klarheit bringt:
Fachliches Ziel ist: Wir dürfen nicht durch eine allzu sexuell getönte Kleidung zu einer
Sexualisierung der Arbeits- und Betreuungsatmosphäre beitragen.
Zu eng, zu durchsichtig, zu ausgeschnitten, zu kurz, zu bauchfrei geht nicht!
Zu weit geschnittene Sporthosen, die das Genital sichtbar lassen, allzu eng geschnittene
Hosen, die Penis oder Hoden des Pädagogen abzeichnen, gehen nicht!
Es scheint unmöglich, eine klare Regelung in Rock-cm oder Hosenlängen zu formulieren.
Angemessen erscheint Kleidung dann, wenn ich im Kontakt nicht von zuviel an nackter Haut,
von zuviel an Körperlichkeit, von zuviel an sexuellen Reizen abgelenkt bin – nicht erst
innehalten muss, um mich im zweiten wieder auf das zu konzentrieren, was ich eigentlich
wollte.
Klarheit heißt: Wir tragen keine Kleidung, die als sexuell aufreizend empfunden werden
kann und tragen gleichzeitig Sorge dafür, dass auch die uns anvertrauten Kinder
angemessen gekleidet sind.
Vertraute Kolleginnen kommentieren dies bei Kolleginnen oder Patientinnen, ggf. weist die
Teamleitung die Kollegin, den Kollegen darauf hin.
Eindrücklich weist Herr Fegert auf die Dynamik in Team- oder Diskussionsforen hin, in denen
Praktiker eher die Schwierigkeiten der Grenzziehungen betonen, gar eine klare
Grenzsetzung unmöglich sehen. Er sieht darin „das“ handlungslähmende Dilemma.
Weitere Klarheit bringt im Sinne eines fachlich angemessenen Umgangs mit
grenzverletzendem Verhalten eine Differenzierung in
a. Grenzverletzungen, die unabsichtlich verübt werden und/oder aus fachlichen bzw.
persönlichen Unzulänglichkeiten oder aus einer „Kultur der Grenzverletzungen“
resultieren (vgl. Enders, Grenzen achten S. 31 ff.),
d. h. die Grenzverletzungen Einzelner werden nicht als solche besondere
wahrgenommen, geschweige denn geächtet.
b. Sexuelle Übergriffe
• die Ausdruck eines unzureichenden Respekts gegenüber Mädchen und Jungen
• oder Ausdruck grundlegender fachlicher Mängel
• oder gezielte Vorbereitung eines sexuellen Missbrauchs sind
c. Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt
Gute Checklisten hierfür finden sich bei www.zartbitter.de
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Zurück zu a.): zu Grenzverletzungen, die beim Aushandeln von Nähe und Distanz
geschehen, die unabsichtlich verübt werden.
Sie kommen immer auch vor, auch in Einrichtungen, in denen die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter einen sehr respektvollen Umgang pflegen.
Zwei Gedanken:
• Ob Verhaltensweisen Grenzverletzungen darstellen oder nicht, hängt nicht nur von
den jeweiligen Handlungen oder Formulierungen ab, sondern vor allem davon, wie
Mädchen oder Jungen diese erleben.
Vorderstes Ziel ist hier, in den Institutionen eine Atmosphäre zu schaffen, in der
Mädchen und Jungen als verletzend erlebte Erfahrungen an- und aussprechen
können.
• Zweiter Gedanke: Zufällige und unbeabsichtigte Grenzverletzungen kann man
korrigieren! Wenn Sie sich aufgrund der Reaktion des Betroffenen oder durch
Hinweise von Dritten Ihrer unbeabsichtigten Grenzverletzung bewusst werden, ist
dies korrigierbar. Der feste Wille, das Verhalten in Zukunft achtsam zu vermeiden,
macht die Bitte um Entschuldigung glaubwürdig.
Grenzverletzungen können in den meisten Fällen durch fachliche Anleitung, Fortbildung,
Supervision, Dienstanweisungen und grenzachtende institutionelle Regeln abgestellt
werden.
Anders dagegen bei sexuellem Missbrauch: Hier ist sich der- oder diejenige der
Grenzüberschreitung bewusst!
Sexuelle Übergriffe unterscheiden sich von Grenzverletzungen in Massivität und
Häufigkeit. Sie geschehen eben nicht zufällig, sondern sind Ausdruck grundlegender
fachlicher und/oder persönlicher Defizite.
Sicherlich sind nicht alle übergriffigen Handlungen im Detail geplant, doch entwickeln sich
übergriffige Verhaltensmuster in Institutionen nur, wenn erwachsene Betreuungspersonen
sich über allgemein gültige Normen, institutionelle Regeln, die Kritik von Dritten und den
Widerstand der Opfer hinwegsetzen.
Sexuelle Übergriffe durch professionelle Betreuungspersonen sind stets auch ein
Missbrauch an Vertrauen und Macht.
Es ist keinesfalls angemessen, sexuelle Übergriffe auf eine Nähe-Distanz-Problematik
zu reduzieren.
(vgl. Enders, Grenzen achten, S. 42)
Werner Tschan formuliert:
„Missbrauch ist strategisches Handeln und beginnt im Kopf des Täters!“
(Tschan, Missbrauchtes Vertrauens, S. 220)
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5. Klare Grenze: Die Selbstverpflichtung
Wo stehen wir gerade in unserer Betrachtung?
Wir bewegen uns noch bei präventiven Bausteinen. Die Eckpunkte der Nähe-DistanzGestaltung werden in Bezug auf Auftrag und Ausrichtung der Institution ausgehandelt, aber
festgeschrieben. Sie geben den Mitarbeitern Ausrichtung und Maß für Haltung und Handlung
vor.
Im täglichen Ausbalancieren mag es zu unabsichtlichen Grenzüberschreitungen kommen,
die heilbar sind, wenn sie einvernehmlich entschuldigt werden können.
Die Selbstverpflichtung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht einen Schritt weiter
und beleuchtet den Graubereich von Grenzverletzungen bei sich anbahnenden
sexuellen Übergriffen.
Zur Erinnerung: „Missbrauch ist strategisches Handeln und beginnt im Kopf des Täters.“
Im tiefen Sinne des „Slippery slope“, des „rutschigen Abhangs“, wird eine Vorphase des
sexuellen Missbrauchs gefasst, die durch zunehmende, sich steigernde Grenzüberschreitungen geprägt ist. Slippery slope: Sie bewegen sich auf rutschigem, nassen Abgrund
und sind dabei, Ihren Halt zu verlieren: Von sich steigernden Phantasien bis zum
vollzogenen körperlichen Übergriff.
In der Selbstverpflichtung des WILHELMSTIFTs sollen sich die Mitarbeiter prüfen:
Von
• ich beschäftige mich in Gedanken intensiv mit einem Patienten und habe das Gefühl,
ihm besonders nahe zu stehen
• ich beginne zu genießen, wenn Patienten ihre Wirkung auf mich ausprobieren
• ich überschreite den physischen Grenzbereich der Patienten. Ich berühre sie/ihn
scheinbar versehentlich mit erotischem Interesse. Körperliche Berührungen häufen
sich.
• ich habe den Wunsch nach „privaten Verabredungen“
Bis
• ich diskutiere sexuelle Vorlieben der Patienten etc.
• ich gebe ihm zu erkennen, dass ich an einem erweiterten Kontakt interessiert bin
Erster Ansatz ist noch die eigene Reflektion, die vorweggenommene Außenbetrachtung:
Dreh- und Angelpunkt ist die Frage:
Hält mein Handeln der Öffnung, der kritischen Betrachtung und Besprechung meiner
Kollegen und meiner Vorgesetzten stand?
Gleichzeitig verpflichten wir uns zweitens, Kollegen darauf anzusprechen, die Gefahr
laufen, sich in ihrem Verhalten offensichtlich zu verstricken, noch bevor deren Handeln
grenzverletzende Züge annimmt.
Wir verstehen kollegiale Ansprache und Hilfe als normales Regulativ.
Drittens wird die Abstinenz privater Kontakte hervorgehoben:
Privaten Kontakten von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern zu Patienten erteilen wir eine klare
Absage. Sie verbieten sich. Sie sind weder im Dienst noch in der Freizeit, weder während
der Behandlung noch nach der Entlassung der Kinder und Jugendlichen aus der Klinik
statthaft.
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Diese Gedanken münden in folgende Selbstverpflichtung:
7. Selbstverpflichtung
Wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im WILHELMSTIFT verpflichten uns, unser Handeln nach allen ethischen
Grundsätzen zum Schutze unserer anvertrauten Kinder und Jugendlichen auszurichten.
Sexuelle Grenzverletzungen gegenüber Kindern und Jugendlichen durch Betreuungspersonen, Lehrpersonen
oder Mitarbeitende der Klinik stellen straf- und zivilrechtlich relevante Tatbestände dar. Die Klinikleitung wird bei
entsprechenden Vorfällen Anzeige erstatten. Arbeitsrechtlich gilt sexuelle Ausbeutung von Schutzbefohlenen als
Grund für eine fristlose Kündigung.
•
•
•
Ich verpflichte mich, die oben dargelegten ethischen Grundsätze des Hauses einzuhalten.
Ich werde den Patienten einen respektvollen, reflektierten und fachlich fundierten Kontakt anbieten.
Ich verpflichte mich, bei Kenntnis oder Verdacht auf sexuelle Grenzverletzungen meine Vorgesetzten zu
informieren.
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________
___________________
Name
Vorname
Datum
Unterschrift
Sie wird ab 2010 für alle neuen Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern vor Einstellung mit dem
Dienstvertrag verschickt, ist auch Bestandteil des Einführungsgesprächs und wird
unterschrieben in der Personalakte hinterlegt. Sie ist neben dem erweiterten
Führungszeugnis feste Bedingung vor Dienstantritt.
Gleiches gilt für Bundesfreiwilligendienstler, Praktikanten aller pädagogischen
Fachzweige sowie Absolventinnen unserer Ausbildung „Gesundheits- und
Kinderkrankenpflege“. Dort ist die vorbereitende Unterrichtseinheit zum Konzept „Nähe
und Distanz“ mit ihrer Selbstverpflichtung fest ins Curriculum geschrieben.
Natürlich verhindern diese Instrumentarien nicht das Problem. Wohl sind sie jedoch
Ausdruck unseres Bewusstseins, dass Risiken bestehen, und Ausdruck unserer
Bemühungen, das Thema offensiv anzugehen.
In den drei Jahren dieser Praxis haben wir mit der offensiven Darstellung des Themas und
unserer Bemühung nicht einmal schlechte Erfahrungen gemacht oder zu sehr verstört.
Wohl aber haben wir auf die unterschriebenen Selbstverpflichtungen disziplinierend Bezug
nehmen müssen,
• wenn z. B. von Auszubildenden facebook-Freundschaftsanfragen positiv
beantwortet und private Mobil-Nummern für private Verabredungen mit den
Patientinnen ausgetauscht wurden.
• wenn von einem Zivildienstleistenden der private Kontakt zu einer Patientin naiv
wie ungeniert aufgebaut und als „Privatsache“ gepflegt wurde. Selbst eine kritische
ultimative Ansprache verhalf ihm nicht zur Einsicht. Er wollte sich allenfalls die letzten
Wochen seines Einsatzes zurückhalten. Das Bundesamt wurde gleichzeitig mit den
sorgeberechtigten Eltern des Mädchens über unsere Haltung und den Stand
informiert.
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schmerzlich zum Tragen kamen die Instrumentarien, wenn ein nicht unerfahrener
Kollege im Verlauf einer anhaltenden persönlichen Krise sein Glück bei einer
kürzlich entlassenen Patientin suchte. Hier wird sich jede Einrichtung klar
positionieren.
Bleibt die Frage, in welchem Rhythmus auch alt eingesessene Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter sich das Thema über die Selbstverpflichtung vergegenwärtigen müssen. Ggf.
analog der erweiterten Führungszeugnisse, die bei uns alle 5 Jahre abverlangt werden.
Jenseits der vorgestellten Einzelfälle steht jetzt die Frage an, wie zielgerichtet und
vorbereitet sich Klinikhandeln im Notfall vollzieht?
6. Interventionskonzepte – Ausformulierter Notfallplan
Gibt es in Ihrer Einrichtung einen abgestimmten Handlungsplan, der Ihr zielgerichtetes
Eingreifen regelt, wenn eine konkrete Problemsituation vorliegt?
Ohne die Leitlinien des Runden Tisches, die eingangs vorgestellt wurden, und die
Handlungsstrategien von Zartbitter e. V. in allen Punkten hier zu wiederholen, erscheint es
leicht nachvollziehbar, dass transparente Verfahrensregelungen, die vorab festgelegt
und dargestellt wurden, allen Verantwortlichen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
Sicherheit im Umgang mit Vermutungs- oder konkreten Verdachtsfällen geben.
Wer meldet wem was nach oben?
Wer wird in jedem Fall verlässlich bis Pflegedirektor und Geschäftsführer informiert?
Sind die Zuständigkeiten klar, wer die externe Beratungs- oder Clearingstelle informiert?
Unser kirchlicher Träger setzt im Rahmen seiner Präventionsordnung auf ein externes
Voruntersuchungsverfahren, das im Verdachtsfall eng mit den Strafverfolgungsbehörden
kooperiert. Kein Vertuschen. Kein Verheimlichen. Sondern Verantwortung tragen.
Einschub: Beschwerdeverfahren - Meldewesen
Es ist unstrittig, dass eine Einrichtung mit transparentem Beschwerdeverfahren und
Ansprechpartnern besser aufgestellt ist als ohne. Interne und externe Anlaufstellen sind
Mitarbeitern, Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern benannt und zugänglich.
Gleichzeitig bleibt es für die meisten Einrichtungsleiter und Mitarbeiterinnen ein Irrtum, sie
seien gerade den Menschen eine Vertrauensperson, deren persönliche Grenzen eben
innerhalb dieser Einrichtung verletzt wurden. Es werden sich ähnliche Schwierigkeiten
ergeben, die es bei Missbrauch durch nahestehende Personen so schwer machen, sich den
Eltern anzuvertrauen.
Zentrale Merkmale scheinen also
a. die von den Kindern und Jugendlichen wahrgenommene Bereitschaft der
Fachkräfte bei Grenzüberschreitung einzuschreiten
b. die Verfügbarkeit der Fachkräfte als Vertrauenspersonen
c. die große, unterschätzte Bedeutung informierter Gleichaltriger als faktische erste
Ansprechpersonen für betroffene Jugendliche
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Grenzen-Erfahrungen in Institutionen
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Einschub: Wahrnehmungsblockaden in den Teams
gegenüber Missbrauch in den eigenen Reihen sind vielschichtig
• je näher man einem Täter/Täterin steht, umso schwerer fällt es die von ihm/ihr
verübten Verbrechen wahrzunehmen.
• Wahrnehmungsblockaden folgen dem Bedürfnis, den guten Kollegen, den guten
Vorgesetzten vertrauen zu können. Je idealisierter, desto schwieriger eine klare
Wahrnehmung.
• Wahrnehmungsblockaden resultieren ggf. aus der Angst einen Kollegen falsch zu
beschuldigen. Wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, muss ich weiter mit ihm/ihr
zusammenarbeiten.
• Wahrnehmungsblockenden ggf. aus der Angst vor Konflikten nach der
Aufdeckung des Missbrauchs.
„Der Mythos der beschützenden Institution steht in Frage und mobilisiert Abwehr.“
Fegert, Sexueller Missbrauch S. 234
In der Praxis haben wir es häufig eher mit vagen Vermutungen von Übergrifflichkeiten zu tun
– mit dem sogenannten „unguten Gefühl“ – das jedoch nicht ausreichend gut belegt ist,
um eine Intervention auszulösen.
Auch an dieser Stelle ist der eingangs beschriebene Mut zur Offenheit gefragt:
Wir erwarten von unseren Kindern, dass sie den Mut finden, sich uns mit ggf.
überwältigenden Gefühlen anvertrauen und Worte aus der Sprachlosigkeit finden.
Gleichzeitig sind wir schwer bis nicht in der Lage, im Team persönliche Eindrücke
auszusprechen, die uns unstimmig erscheinen.
Nicht verleumden, sondern Fehlverhalten sachlich benennen: „Mir ist aufgefallen, dass…“
„Ich finde es nicht in Ordnung, nicht fachlich, nicht verantwortlich…, kann es nicht
akzeptieren, dass …“
Eine offene Fehlerkorrektur, die fehlerhaftes Handeln benennt und nicht die fehlerhafte
Person diskreditiert, ermutigt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch entsprechende
Beobachtungen oder Vermutungen zu kommunizieren.
Ein Klima der geübten Infragestellung fördert sicher ein Klima der Aufklärung im
Problemfall.
Zusätzlich bringen formalisierte Verfahren Distanzierung und notwendige Entemotionalisierung.
Die Teams sind verantwortlich für informierte und sensibilisierte Wachsamkeit. Im Zweifelsfall
melden Sie an Teamkollegen, Teamleitung oder Vorgesetzte. Für nachfolgende Maßnahmen
sind die Leitungskräfte verantwortlich. Sie verdeutlichen im besten Fall mit ihrem ruhigen
Handeln einen verantwortungsvollen Umgang mit diesen schwierigen Themen.
Lohnende konkrete Ausarbeitungen aus jahrelanger Beratungspraxis zu wesentlichen
Bestandteilen von Notfallplänen finden Sie besonders bei
Ursula Enders „Grenzen achten“, 2012, S. 243 ff
„Was tun bei der Vermutung eines Missbrauchs“
Hilfen für alle Ebenen der Institution bis Angebote für Mädchen und Jungen.
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7. Studie zu den Folgen sexuellen Missbrauchs bei Kindern und
Jugendlichen der KJPP der Uniklinik Ulm
Die Flyer der Kollegen lege ich mit freundlichen Grüßen und herzlichem Dank der Uni
Ulm aus.
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8. Fazit
Völligen, verlässlichen Schutz für unsere Kinder und Jugendlichen werden wir auch bei
unseren besten Bemühungen in den Einrichtungen nicht sicherstellen können.
Unser Mut zur selbstkritischen Betrachtung,
unser Entschluss, schwierige Themen aus- und anzusprechen,
unser Wissen um Täterstrategien,
unser offener Umgang mit Fehlern
und unsere Entschlossenheit zum Handeln
sind jedoch gute Grundlagen, die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu schützen.
Und uns damit unseren Kindern, Jugendlichen, ihren Eltern und Sorgeberechtigten als
vertrauenswürdig zu erweisen.
Schließen darf ich mit einem Zitat aus dem Abschlussbericht des Runden Tisches
Die/wir Leitungskräfte tragen Verantwortung in besonderer Weise:
Neben unserer Verantwortung sich Wissen anzueignen und dies ins Haus zu tragen
„haben wir die Position und den Einfluss, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen,
strukturell zu verankern und im Alltag – auch mit ihrem eigenen Beispiel –
umzusetzen. Wir können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Fortbildungen animieren
und eine Fehlerkultur fördern. Kurz: Das Klima in unseren Einrichtungen so gestalten,
dass Themen wie Missbrauch oder Misshandlung nicht mehr tabuisiert werden.“
Verantwortung von jedem einzelnen von uns:
„Heute kann niemand, der Verantwortung für Kinder und Jugendliche trägt, diese
Problematik ignorieren oder behaupten, sie oder er wisse nicht, was zu tun sei. Wir
sind alle verantwortlich dafür, dass die nächsten Schritte folgen“.
Abschlussbericht Runder Tisch, S.49
Mein Dank gilt besonders allen meinen Kolleginnen und Kollegen im WILHELMSTIFT
für die gute, offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit!
Vielen Dank!
Thomas Kobsa
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9. Quellenangaben
•
Abschlussbericht Runder Tisch
Sexueller Kindesmissbrauch
in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen
und im familiären Bereich
30. Nov 2011
Bundesministerien für Justiz, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie für
Bildung und Forschung
Der Bericht steht im download zur Verfügung oder lässt sich kostenlos beziehen über
den Publikationsversand des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend:
ŚƚƚƉ͗ͬͬǁǁǁ͘ďŵĨƐĨũ͘ĚĞͬD&^&:ͬ^ĞƌǀŝĐĞͬƉƵďůŝŬĂƚŝŽŶĞŶ͕ĚŝĚсϭϵϱϵϳϬ͘Śƚŵů
•
Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Missbrauchs
Herrn Johannes Wilhelm Rörig
[email protected]
www.beauftragter-missbrauch.de
www.kein-raum-fuer-missbrauch.de
hier verwendet die
Abfrage zum Umsetzungsstand der Empfehlungen des Runden Tisches
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Grenzen-Erfahrungen in Institutionen
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•
Ursula Enders (Hg.)
„Grenzen achten“
Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen
Handbuch für die Praxis
2012, Verlag Kieperheuer & Witsch, Köl
•
Jörg M. Fegert
Mechthild Wolff (Hrsg.)
„Sexueller Missbrauch durch Professionelle in Institutionen“
Prävention und Intervention - ein Werkbuch
2006, 2. Auflage, Juventa Verlag Weinheim
•
Werner Tschan
„Missbrauchtes Vertrauen“
Sexuelle Grenzverletzungen in professionellen Beziehungen
Ursachen und Folgen
2005, 2. Auflage, Karger Verlag Basel
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Grauzone Sexuelle Gewalt
Grenzen-Erfahrungen in Institutionen
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•
Margret Dörr, Burkhard Müller
„Nähe und Distanz“
Ein Spannungsfeld pädagogischer Professionalität
2012, 3. Auflage, Beltz Juventa, Weinheim & Basel
•
proJugend
Fachzeitschrift der Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V.
„Sexuelle Gewalt verhindern“
Prävention auf struktureller und pädagogischer Ebene
Heft 1 / 2013
•
WILHELMSTIFT
Thomas Kobsa, Kolleginnen und Kollegen
„Konzept zum Umgang mit Nähe und Distanz“
Maßnahmen zur Prävention von Grenzverletzungen und sexuellen Übergriffen
2010/ 2012
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