Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien - 36 - Chemisches Grundpraktikum Beispiel 10 / 2010 Gasvolumetrie Aufgabenstellung Eine abgewogene Menge eines festen carbonathaltigen Stoffes wird mit einem Überschuss starker Säure versetzt. Die Menge an gebildetem gasförmigem Kohlenstoffdioxid wird durch Messung des Volumens bestimmt. Der Carbonatgehalt des eingesetzten Stoffes wird dann aus der Menge an gebildetem Kohlenstoffdioxid berechnet. Grundlagen Reaktionsgleichung der Gasfreisetzung; Ideales Gasgesetz, Gesetz der Partialdrücke, Sättigungsdampfdruck des Wassers; Gasdichte, Molvolumen; Dampfdruck, Temperatur; Löslichkeit von Gasen in Flüssigkeiten: Henry-Daltonsches Gesetz. (Siehe z.B. Charles E.Mortimer, Chemie - Das Basiswissen der Chemie, 9.Auflage, G.Thieme Verlag Stuttgart - New York 1996, Kapitel 10.1-10.6, 11.5, 13.5, 14.1). Wichtigste Größen, Formeln und Einheiten 1. Zersetzung von Carbonaten durch starke Säuren MgCO3(s) + 2 H+ (aq) → Mg2+(aq) + CO2(g) + H2O(l) Beispiel: (s) = Feststoff (solidus) (l) = Flüssigkeit (liquidus) (g) = Gas (aq) = Ion in wässriger Lösung 2. Zustandsgrößen des idealen Gases Tabelle 1. Zustandsgrößen des idealen Gases und Einheiten Zustandsgröße Bezeichnung SI-Einheit Umrechnung -5 Druck p Pascal (Pa) 1 Pa = 10 bar, 1 atm = 101325 Pa = 1,013 bar Volumen V (m³) 1 m³ = 10³ l Temperatur T Kelvin (K) T(in K) = 273,15 + Temperatur (in°C) 3. Zustandsgleichung des idealen Gases p .V = n .R .T n : Stoffmenge R : universelle Gaskonstane = 8,3145 J K-1 mol-1 4. Normbedingungen p0 = 101325 Pa T0 = 273,15 K Chemisches Grundpraktikum - 37 - Beispiel 10 / 2005 5. Gesetz der Partialdrücke pges = Σ pi pges : Gesamtdruck pi : Partialdruck der i-ten Komponente 6. Gasdichte ρ= m V m : Masse (kg) ρ : Dichte (kg.m-3) 7. Molvolumen des idealen Gases Vm = V R.T = n p Unter Normbedingungen gilt: Apparatur Vm = 0,022414 m³ mol-1 Chemisches Grundpraktikum - 38 - Beispiel 10 / 2005 Versuchsablauf Der Versuch soll dreimal mit verschiedenen Einwaagen durchgeführt werden. Wenn bei der ersten Bestimmung mit der in Punkt 3 genannten Menge weniger als 15 ml oder mehr als 30 ml CO2 freigesetzt werden, vergrößert oder verkleinert man die Einwaage bei den weiteren Versuchen so, dass die Gasfreisetzung etwa 15-30 ml beträgt. 1. Zunächst wird die Sperrflüssigkeit - destilliertes Wasser - eingefüllt. 2. Die Menge dieser Sperrflüssigkeit soll so gewählt werden, dass das Wasseniveau in der Bürette etwa bei Null steht und im Steigrohr noch genug Platz ist (ca. 30-40 ml), damit das Wasser während der Messung nicht übergeht. 3. 0,100 bis 0,150 g der zu untersuchenden Probe werden auf drei Kommastellen genau abgewogen und danach auf den Boden des Rundkolbens gebracht - die Wägung sollte auf eine glatte Aluminium-Folie erfolgen. 4. Man bedeckt die Probe mit ca. 5 ml destillierten Wassers. 5. In eine 3 bis 4 cm lange Kunststoffphiole füllt man 2,5 ml einer 2M HNO3, befestigt an der Phiole einen dünnen Faden, und hängt sie in der aus der Abbildung ersichtlichen Weise in den Kolben. 6. Der Faden wird durch Einsetzen des ein wenig befeuchteten Gummistopfens (mit eingeschobenem Glasrohr) eingeklemmt. 7. Dann verbindet man den Kolben unter den erwähnten Bedingungen in Punkt 2 mittels des kurzen Schlauchstückes mit dem in der Bürette steckenden doppelt gewinkelten Glasrohr. 8. Es ist darauf zu achten, dass sich im Verbindungsschlauch zwischen den Büretten keine Luftblasen befinden. 9. Nach einigen Minuten hat sich das Temperaturgleichgewicht eingestellt, und man kann die Apparatur auf Dichtheit überprüfen. Diese ist dann ausreichend, wenn das System einem Überoder Unterdruck standhält. Hebt oder (senkt) man langsam das Steigrohr und hält man es bei einem beliebigen Wasserniveauunterschied still, so darf die Wassersäule im Steigrohr nicht absinken (steigen). 10. Nun bringt man die Wasserniveaus in Steigrohr und Bürette auf gleichstand. Dieses Wasserniveau in Bürette markiert den Startpunkt der Messung, wird daher abgelesen und notiert. Dieser Zustand bleibt stabil, wenn das System dicht ist und sich im thermischen Gleichgewicht befindet. 11. Ablesungen des Wasserniveaus in der Bürette werden an deren Volumsskala und grundsätzlich stets bei Gleichstand der Niveaus in Bürette und Steigrohr vorgenommen, nur unter diesen Bedingungen ist der Gesamtdruck im Kolben bekannt und gleich dem äußeren Druck. 12. Dann wird der Kolben so gekippt, dass die Säure aus der Phiole ausrinnt und die Freisetzung des Kohlendioxids aus der carbonathaltigen Probe eingeleitet wird. Beim Kippen und späteren Umschwenken des Kolbens ist ein Erwärmen durch die Hand zu vermeiden. 13. Während der Freisetzung soll das Steigrohr möglichst so gehalten werden, dass keine größeren Unter- oder Überdrucke in der Apparatur entstehen. 14. Es muss nun verhindert werden, dass die Flüssigkeit im Kolben eine Übersättigung an Kohlendioxid aufweist. Man kann dies durch Umschwenken des Kolbens weitgehend beseitigen. Hierbei - 39 - Chemisches Grundpraktikum Beispiel 10 / 2005 wirkt die im Kolben hängende Phiole als eine Art Rührer und erleichtert so die Gleichgewichtseinstellung. 15. Nachdem die Phiole entleert wurde, wartet man zunächst etwa 20 Sekunden, schwenkt dann um, bis keine merkliche Zunahme des Volumens festzustellen ist, und liest das Volumen in der beschriebenen Weise ab. 16. Dann wird wieder etwa eine Minute umgeschwenkt und das Volumen neuerlich bei Gleichstand der Niveaus im Bürette und Steigrohr abgelesen. 17. Man setzt das Umschwenken und Ablesen in dieser Weise fort, bis der maximale Ablesewert erreicht ist. Eine Abnahme des Volumens setzt ein, wenn die Auflösung des freigesetzten Kohlenstoffdioxids in der Sperrflüssigkeit der Bürette merklich wird. 18. Für die Auswertung des Versuches wird der maximale Ablesewert nach der Freisetzung des Kohlenstoffdioxids genommen. Die Änderung des Gasvolumens im System durch das freigesetzte Kohlenstoffdioxid wird als ∆V bezeichnet. 19. Zusätzlich sind Raumtemperatur und Luftdruck zu bestimmen. Berechnung Bei richtiger Ablesung befinden sich die im System vorhandenen Gase (CO2, N2, O2) unter dem Druck p = p Lu − p H 2O p Lu entspricht den Luftdruck und pH 2O ist der Sättigunsdampfdruck des Wassers. pLu erhält man aus der Barometerablesung, p H 2 O aus Tabelle 2 (Die Werte für dazwischenliegende Temperaturen müssen durch Interpolation ermittelt werden). Dann folgt aus dem allgemeinen Gasgesetz und dem Partialdruckgesetz: n Gas = wobei ∆ V .( p Lu − p H 2 O ) R .T nGas = n(CO2) angenommen wird. Der Massenanteil des Carbonats (Carbonation CO32-) in der untersuchten Probe wird dann in folgender Weise errechnet: w (CO 3 ) = n (CO 2 ).M(CO 3 ) m wobei m die Einwaage (in g) und M(CO3) die Molmasse des Carbonations (M(CO3) = 60,00 g mol-1) bezeichnen. - 40 - Chemisches Grundpraktikum Beispiel 10 / 2005 Tabelle 2. Sättigungsdampfdrücke von Wasser Temperatur (°C) 0 5 10 15 20 25 30 35 Dampfdruck (Pa) 611 872 1228 1705 2338 3167 4243 5623 Protokoll A. Kurze Beschreibung der wichtigsten Punkte des Beispiels und eine Zeichnung der Apparatur B. In der folgenden Tabelle sind noch anzugeben: 1. Temperatur t (°C) und Luftdruck pLu (Pa). 2. Die einzelnen Messwerte und Ergebnisse aller drei durchgeführten Versuche : mi , (∆V)i , ni , w . 3. Der Mittelwert w des CO32--Massenanteils aus drei Einzelergebnissen w1, w2 , w3 . 4. Die Variationsbreite (VB), gleich der Differenz des größten und kleinsten Ergebnisses (wmax -wmin) zur Abschätzung der Streuung der Ergebnisse. Temperatur (°C) : Luftdruck (Pa): Versuchsnummer: Salzeinwaage m (g) Änderung des Volumens ∆V (ml) n(CO2) w(CO3) 1 m1 (∆V)1 n1 w1 2 m2 (∆V)2 n2 w2 3 m3 (∆V)3 n3 w3 Mittelwert aus allen drei berechneten CO32--Massenanteilen w : w1 + w2 + w3 3 Variationsbreite (VB) : wmax - wmin Ist VB ≤ 0,05, so kann man die Ergebnisse der einzelnen Versuche w1 , w2 , w3 als brauchbar annehmen. In diesem Fall wird der Mittelwert w (aus allen 3 Werten) als Endergebnis angegeben. Weist jedoch VB einen Wert größer als 0,05, so wird der Wert mit dem größten Abstand zum Mittelwert vernachlässigt und das Experiment wiederholt. Das Endergebnis muss aber dem Mittelwert aus drei relevanten Einzelergebnisse (VB ≤ 0,05) entsprechen. Eine geringe Streuung (Variationsbreite) muss nicht automatisch ein richtiges Ergebnis bedeuten (mögliche systematische Fehler).