www.evimed.ch Bariatrische Chirurgie scheint bei übergewichtigen Diabetikern der medikamentösen Therapie überlegen Frage: Kommt es 5 Jahre nach bariatrischer Chirurgie bei übergewichtigen Diabetikern häufiger zu einer metabolischen Remission als unter medikamentöser Behandlung alleine? Hintergrund: Bisherige Studien zeigten, dass Diabetiker nach bariatrischer Chirurgie eine bessere Blutzuckerkontrolle und weniger kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen. Diese Studie präsentiert Daten von übergewichtigen Diabetikern 5 Jahre nach bariatrischer Chirurgie oder medikamentöser Behandlung alleine. Einschlusskriterien: 20-60 Jahre alt HbA1c >7% BMI 27-43 Studiendesign und Methode: Randomisierte, unverblindete Studie Studienort: Cleveland, Vereinigte Staaten von Amerika (monozentrisch) Interventionen: Gruppe 1: Intensive medikamentöse Behandlung Gruppe 2: Magenbypass-Operation (Roux-en-Y) Gruppe 3: Magenteilresektion (Schlauchmagenoperation: «sleeve gastrectomy») Outcome: Anteil Patienten mit HbA1c <6% Blutzuckerkontrolle, Gewichtsreduktion, Blutdruck, Lipidstatus, Nierenfunktion, ophthalmologische Prognose, Medikamentengebrauch, unerwünschte Nebenwirkungen und Lebensqualität (anhand RAND 36-Item Umfrage) Resultat: 150 Patienten randomisiert, 134 über 5 Jahre beobachtet (89%) 66% Frauen, Durchschnittsalter 49 Jahre, mittlerer BMI 37, mittleres HbA1c 9.2%, mittlere Diabetesdauer 8.4 Jahre, 44% der Patienten erhielten zu Studienbeginn Insulin 2 von 38 Patienten in der medikamentösen Gruppe (5%), 14 von 49 Patienten in der Bypass-Gruppe (29%) und 11 von 47 Patienten in der Schlauchmagen-Gruppe erreichten den primären Outcome (23%) Die Gewichtsreduktion fiel nach Bypass-Operation (-23.2 kg) signifikant stärker aus als nach Schlauchmagen-Operation (-18.6 kg) oder konservativer Therapie (-5.3 kg). In den chirurgischen Gruppen kam es zu einem signifikant grösseren Abfall der medianen Nüchternglukose, des BMI, des Hüftumfangs, dem Gebrauch an oralen Antidiabetika, Insulin und kardiovaskulären Medikamenten www.evimed.ch 89% der operierten Patienten erhielten nach 5 Jahren kein Insulin und wiesen ein HbA1c von durchschnittlich 7% auf. 61% der Patienten unter medikamentöser Therapie erhielten nach 5 Jahren kein Insulin, das mittlere HbA1c lag bei 8.5% In den chirurgischen Gruppen kam es zu einem signifikanten Abfall der Triglyceride und einem entsprechenden Anstieg des HDL. Keine signifikanten Unterschiede konnten in den LDL-Spiegeln und in den Blutdruckwerten festgestellt werden (wobei nach einer Operation signifikant weniger Statine und Antihypertensiva verwendet wurden) Kein Unterschied zwischen den Gruppen im Auftreten von Retinopathie Die Lebensqualität (0-100) stieg in den chirurgischen Gruppen gegenüber der medikamentösen Gruppe stärker an (17 und 16 vs. 0.3 Punkte; signifikant) Unter medikamentöser Therapie verbesserte sich keine der Komponenten in der Befragung zur Lebensqualität. Die Komponenten Körperschmerzen und emotionales Wohlbefinden verschlechterten sich signifikant In beiden chirurgischen Gruppen kam es zu signifikanten Verbesserungen in den Komponenten Funktionalität, allgemeine Gesundheit und Energie bzw. Müdigkeit. In der Bypass-Gruppe kam es zu einer signifikanten Reduktion in der Komponente für emotionales Wohlbefinden Ein exzessiver Gewichtsanstieg wurde in 19% der medikamentösen Gruppe und bei keinem Patienten der chirurgischen Gruppen beobachtet Eine leichte Anämie (im Mittel 11.9 g/dL) war die häufigste Nebenwirkung in den chirurgischen Gruppen. Andere Nebenwirkungen waren selten Eine Diabetes-Dauer <8 Jahren und die Bypass-Operation waren die einzigen Merkmale, die ein Erreichen des primären Outcomes signifikant voraussagten Kommentar: 5 Jahre nach bariatrischer Chirurgie wiesen Diabetiker ein deutlich tieferes HbA1c, einen tieferen BMI, einen tieferen Medikamentengebrauch, günstigere Lipidwerte und – gemäss Fragebogen – eine bessere Lebensqualität auf als eine Vergleichsgruppe von nur medikamentös behandelten Patienten. Gemessen an diesen operationalisierbaren Parametern erscheint die chirurgische Therapie bereits ab einem BMI von >27 der medikamentösen klar überlegen. Eine kürzere Diabetesdauer (von unter 8 Jahren) war mit einem Therapieansprechen assoziiert, was die Bedeutung einer frühen Intervention unterstreicht. Obwohl die verzerrende Wirkung einer Operation auf einen subjektiven Fragebogen zur Lebensqualität schwer abzuschätzen ist, lässt das entsprechende Resultat bei konservativ behandelten Patienten aufhorchen: Sämtliche Komponenten der Lebensqualität blieben unter medikamentöser Therapie gleich oder verschlechterten sich. Für kleinere Unterschiede zwischen den chirurgischen Techniken ist diese Studie aufgrund zu tiefer Fallzahlen nicht aussagekräftig. Leider wird die selektive Verminderung des «emotionalen Wohlbefindens» in der Bypass-Gruppe von den Autoren nicht kommentiert. Literatur: Schauer et al. Bariatric Surgery versus Intensive Medical Therapy for Diabetes – 5-Year Outcomes. N Engl J Med 2107; 376: 641-51. Verfasser: Leander Muheim