Erklärung des Komitees des Internationalen Kirchenkonvents (Rheinland Westfalen) IKK zur aktuellen Situation der Flüchtlinge in Deutschland „Du sollst den Fremdling nicht bedrängen und bedrücken, denn ihr seid selbst Fremdlinge gewesen in Ägyptenland.“ 2. Mose 22,20 Christus spricht. „Ich war ein Fremder und ihr habt mich aufgenommen.“ Matthäus 25,35 Im Internationalen Kirchenkonvent (Rheinland Westfalen) IKK haben sich 130 Gemeinden anderer Sprache und Herkunft im Rheinland und in Westfalen zu einem Netzwerk von Gemeinden aus reformatorischer Tradition zusammengeschlossen und miteinander und mit der Evangelischen Kirche von Westfalen und der Evangelischen Kirche im Rheinland ökumenische Zusammenarbeit vereinbart. Da die meisten ihrer Mitglieder nicht aus Deutschland stammen, teilen die IKK-Gemeinden die Erfahrung der Fremdheit und der Aufnahme und zugleich die Verantwortung gegenüber Menschen, die nach Deutschland kommen. Durch ihre Erfahrung und die Vielfalt ihrer Sprachen haben die Gemeinden des IKK eine besondere Gabe und zugleich eine besondere Verantwortung für die Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland. Nicht wenige Mitglieder von IKK-Gemeinden haben bei ihrer Ankunft Hilfe und Anerkennung erfahren und sind dafür dankbar. Das Komitee dankt allen Mitgliedern ihrer Gemeinden und allen anderen Menschen in Deutschland für das vielfältige und tatkräftige Engagement für Flüchtlinge. Das Votum des Komitees des IKK zur aktuellen Situation der Flüchtlinge soll ein Beitrag zur gegenwärtigen Diskussion in Deutschland, ein Wort an seine Mitgliedsgemeinden, an die Landeskirchen und ihre Gemeinden sowie eine Ermutigung für die ankommenden Flüchtlinge sein. Es richtet sich daher mit sechs Thesen an die kirchliche und gesellschaftliche Öffentlichkeit sowie an die Mitgliedsgemeinden. Im Anhang wird ein Willkommensbrief an die Flüchtlinge selbst zur Gestaltung durch die einzelnen Gemeinden des IKK und Übersetzung in die verschiedenen Sprachen der Flüchtlinge empfohlen. Seite 2 Das Komitee versteht diese Erklärung als Zeugnis der Guten Nachricht Gottes an alle Menschen und zugleich als Zeichen der Verantwortung, die sich aus ihr ergibt. Sie schließt sich u.a. der Erklärung der Leitenden Geistlichen der evangelischen Landeskirchen Deutschlands vom 15.09.15, den Stellungnahmen der Synoden vieler Landeskirchen, der Resolution zur Fremdenfreundlichkeit der Ratstagung des Bundes evangelisch-freikirchlicher Gemeinden in Deutschland BEFG vom 16.05.15 und der Resolution des Rates der Gemeinschaft evangelischer Kirchen in Europa GEKE vom 11.10.15 an. 1. Christus spricht: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben sollen.“ (Johannes 10,11) Gott ist ein Gott des Lebens, der allen Menschen Sicherheit, Freiheit und Wohlstand verheißt. An vielen Orten der Erde herrschen dagegen Gewalt, Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Viele Menschen werden wegen ihres Glaubens, ihrer Volkszugehörigkeit oder wegen ihrer politischen Meinung verfolgt oder durch Armut und Perspektivlosigkeit zur Flucht aus ihrer Heimat gedrängt. Beides verstößt gegen ihre Würde und gegen Gottes Gebot. 2. „So ist es auch nicht der Wille eures Vaters im Himmel, dass auch nur eines von diesen Kleinen verloren werde.“ (Matthäus 18,14) Weil jeder Mensch ein von Gott geliebtes Geschöpf ist, hat jeder Mensch das Recht auf Sicherheit, Freiheit und Wohlergehen. Flüchtlinge setzen auf der Suche danach ihr Leben aufs Spiel. Jedem/r Einzelnen gelten Zuwendung und Hilfe und das Recht, dass die Beweggründe für ihre/ seine Flucht individuell geprüft werden. Darüber hinaus müssen sichere Zugangswege geschaffen werden, auf denen Menschen legal nach Deutschland kommen können. Ein Einwanderungsgesetz ist überfällig. 3. So spricht Gott: "Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen". (5. Mose 30,19) Die Flucht nach Deutschland und in andere Länder ist auch die Folge verfehlter politischer und ökonomischer Entwicklungen. Ungerechte wirtschaftliche Strukturen, übereilte und fragwürdige militärische Maßnahmen sowie die negativen Folgen der Klimaveränderung haben die Herkunftsländer der Flüchtlinge nachhaltig destabilisiert. Der anhaltende Export deutscher Waffen in Krisengebiete verschärft die Situation. Die Bekämpfung der Fluchtursachen bedeutet eine Umkehr von einer gescheiterten, verfehlten Wirtschafts-, Entwicklungs- und Außenpolitik der reichen Staaten. 4. „Suchet der Stadt Bestes!“ (Jeremia 29,7) Der Zustrom von Flüchtlingen aus verschiedenen Teilen der Erde stellt eine große Herausforderung für Deutschland dar und wird die Gesellschaft tiefgreifend verändern. Nur durch das Engagement aller gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen können die Aufnahme der Flüchtlinge und ihre Integration gelingen. Die Gemeinden des IKK verpflichten sich, zur Aufnahme und zur Gestaltung des friedlichen Zusammenlebens von Neuankömmlingen und länger im Land Lebenden beizutragen. Dazu sind Geduld und ein langer Atem notwendig. Seite 3 5. „Gott will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ 1. Timotheus 2,4 Fremde aufzunehmen und Bedürftigen unabhängig von ihrem Bekenntnis oder ihrer Herkunft zu helfen ist christliche Pflicht. Die Aufnahme von Flüchtlingen ist zugleich Zeugnis des Evangeliums durch die Tat. Die Mitgliedsgemeinden des IKK verstehen sich durch sie hineingenommen in die Sendung Gottes zur Welt. Ergänzt wird das Zeugnis der Tat durch die Verkündigung der Liebe Gottes in Jesus Christus. Respekt, Einfühlungsvermögen und Dialog mit den Menschen, die nach Deutschland fliehen, sind unerlässliche Bestandteile und Zeichen der Glaubwürdigkeit dieser Sendung. Das gilt besonders Menschen gegenüber, die vor Gewalt, Bevormundung und religiöser Intoleranz geflohen sind. 6. „Und siehe, eine große Schar, die niemand zählen konnte, aus allen Nationen und Stimmen und Völkern und Sprachen, die standen vor dem Thron.“ (Offenbarung 7,9) Die Gemeinden des IKK wollen Flüchtlingen helfen, eine neue Heimat zu finden. Sie heißen sie daher willkommen und öffnen ihre Gemeindearbeit für sie. Zugleich suchen sie die Zusammenarbeit mit Gemeinden, Werken und Einrichtungen der Landeskirchen, um die Integration von Flüchtlingen in Kirche und Gesellschaft zu fördern. Der Zustrom der Flüchtlinge nach Deutschland verändert auch unsere Suche nach der Einheit und Zukunft der Kirche Jesu Christi in Deutschland. Wir erkennen in ihm den Ruf Gottes, noch stärker als bisher zusammenzuarbeiten und gemeinsam das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Köln, den 8. Dezember 2015 Das Komitee des Internationalen Kirchenkonvents (Rheinland Westfalen) IKK: Christine Busch (Evangelische Kirche im Rheinland), Düsseldorf Anna-Liisa Diestelhorst (Finnisch-lutherische Gemeinde Ruhrgebiet), Bielefeld Beate Heßler (Evangelische Kirche von Westfalen), Dortmund Marc Kadima (Gemeinde Parole du Soir), Duisburg Jae-Woan Kim (Koreanisch-evangelische Gemeinden ZuKeRo), Düsseldorf Jae-Oh Lee (Koreanisch evangelisch-reformierte Gemeinde), Dortmund Dr. George Melel (Indische Gemeinde), Krefeld Yao Moto (Apostles‘ Revelation Society), Duisburg Jacob Okine (Parish World Evangelical Ministry), Gütersloh Matthew Owusu (International Presbyterian Church), Düsseldorf Pieter Roggeband (Nederlandse Kerk in Duitsland), Essen Markus Schaefer (Geschäftsführer des IKK), Düsseldorf Seite 4 Anhang Die folgende Botschaft an Flüchtlinge ist nicht Bestandteil der Erklärung des IKK, sondern ein Entwurf, den die Mitgliedsgemeinden des IKK je nach ihrer Situation abwandeln und in die Sprachen der Flüchtlinge übersetzen können. Herzlich willkommen! Sie mussten aus Ihrer Heimat fliehen. Sie haben schlimme Erfahrungen in Ihrem Herkunftsland und auf dem Weg nach Deutschland machen müssen. Wir wünschen Ihnen, dass Sie hier in Deutschland Sicherheit, Freiheit und Zukunft finden. Wir gehören zur christlichen …. Gemeinde in … . Viele von uns sind selbst vor einiger Zeit aus der Heimat fortgegangen, um in Deutschland Arbeit, Ausbildung, Wohlstand und neue Lebensperspektiven zu finden. Nicht wenige von uns haben ähnliche Erfahrungen gemacht wie Sie. Als Christinnen und Christen sind wir der Überzeugung, dass Gott, der Schöpfer und Hüter allen Lebens, Gewalt, Unterdrückung, Folter, Unrecht und Fremdenfeindlichkeit nicht will. Es ist Sein Gebot, dem Bedürftigen zu helfen, den Fremdling aufzunehmen und sich gegen Unrecht und Unterdrückung einzusetzen. Wir versuchen, Seinem Gebot aus Dankbarkeit zu folgen, weil Er selbst unser Schicksal, unsere Not, unsere Schuld, unseren Tod geteilt hat in Seinem Sohn Jesus Christus. Er ist einer von uns geworden, deshalb erkennen wir sein Gesicht im Angesicht unseres Nächsten. Wir bieten Ihnen an zu teilen, was wir haben: Unsere Zeit - wenn Sie erzählen wollen, was Sie erlebt haben und was Sie bedrückt. Unsere Erfahrungen – es ist nicht leicht, die Abläufe und Gebräuche in Deutschland zu verstehen. Unsere Gemeinschaft – wir treffen uns regelmäßig um … in ….. Unsere Freude – wir sind überzeugt, dass Gott uns zusammen in eine heilsame Zukunft führen wird. Kontaktperson: ….