Predigt Karfreitag 2. April 10 2.Kor 5,17-20 Andreaskirche Schildgen Eben in der Lesung sind wir mitgegangen vor die Tore Jerusalems, auf den Todeshügel. Er wurde uns vor Augen gestellt, der König der Juden, gekrönt mit einer Dornenkrone, gequält, bespuckt, geschlagen, gedemütigt bis zum Letzten. Er hängt da – von allen verraten, verlassen und verkauft. Nicht genug damit, dass sie ihm körperliche Schmerzen zufügten. Er wird verhöhnt und verspottet. Die Bosheit der Menschen tobt sich an ihm aus. Man ist sich seiner Sache sicher: verurteilt im Namen Gottes. Er ist ein Verbrecher, ein Verführer des Volkes, ein Betrüger schlechthin: Gottes Sohn – pah! Das schreien sie zu ihm hinauf. Diese Stimmen sind heute noch genauso laut: Du willst Gottes Sohn sein? Zeig es uns. Steig herab – so wollen wir an dich glauben. Keiner kommt ihm zu Hilfe; kein Elia, keine himmlischen Heerscharen, kein Gott. Der Himmel wird finster. Allein und einsam schreit er noch einmal: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Aber auch: es ist vollbracht! Von ihm heißt es: Gott war in Christus... Dieser zerschundene und zerschlagene Mensch – das ist unser Gott. Da fragen nicht nur Kinder: warum? Prediger/innen haben sich zu allen Zeiten abgemüht, diese Frage halbwegs zu beantworten. In unserer Kirche steht diese Frage seit einigen Monaten auch mal wieder ganz oben auf der Diskussionsliste. Man kann es in Diskussionen drehen und wenden, wie man will: alle Antworten bleiben Stückwerk. Warum musste Jesus sterben? Um Genugtuung für unsere Sünden zu bewirken? Um stellvertretend für uns den Zorn Gottes auszuhalten? Um uns zu rechtfertigen? Um uns zu erlösen? Braucht Gott ein Opfer, um uns lieben zu können? LG: sind das alles nur Worte und sind die Diskussionen nur ein Streit um die richtigen Lehrsätze, dann lässt uns das kalt. Umschreiben die Worte und die Erzählungen der Evangelien aber die Liebe Gottes, dann sind wir nicht weit von der Wahrheit entfernt. Liebe lässt sich ja gerade nicht ergründen, geschweige denn begründen. Liebe können wir nur erfahren und staunend still werden. Dieses Staunen hat wohl keiner so in Worte gefasst, wie der Apostel des Kreuzes. Wir hören noch einmal den Text aus dem 1. Korintherbrief: 1. Versöhnung predigen Das mache ich meinem Vorgänger im Amt nach. Ich tue, wozu ich berufen bin: Versöhnung predigen. Das Eigentümliche an dieser Versöhnung: sie kann offenbar nur gepredigt werden. Sie kann nur bezeugt werden. Ich kann sie durch keine Methode oder irgendeine Aktion herstellen. Ich kann sie auch nicht vormachen oder vorleben. Ich kann nur auf den Versöhner zeigen, von mir weg auf IHN und an seiner Statt bitten: lasset euch versöhnen mit Gott. Der Ton der ‚Predigt’ hat etwas flehendes; P spricht fast wie ein Liebhaber mit seiner Geliebten. Die Art und Weise, wie das NT von dieser Versöhnung am Kreuz spricht, ist sonst kaum zu ertragen. Der Prozess und die Hinrichtung werden nicht à la Hollywood geschönt und für Publikum aufbereitet. Paulus: Skandal, Torheit. • zum einen humanistisch – ästhetisch: ein Kind hält sich die Augen und die Ohren zu. Es für uns alle unerträglich, wenn ein Mensch gequält wird und unschuldig leiden muss • zum anderen: es ist unerträglich, weil mir in der Kreuzigungsszene mein menschliches Wesen gezeigt wird. So bin ich. Wer erträgt das schon, die eigene Gottesferne vorgehalten zu bekommen? Das Kreuz zeigt, was aus uns Menschen ohne Gott wird – die Täter: unversöhnlich, hasserfüllt auf der einen Seite; die Opfer: leidend, stumm und einsam auf der anderen Seite. Das ist nicht erbaulich, im gekreuzigten Christus die eigenen Abgründe zu sehen. Hier zerbrechen alle Ideale. So ist das mit uns Menschen. Das brutale Gesetz dieser Welt lautet: dein Tod – mein Leben. Wenn ich hochkomme, bleibt ein anderer unten. Wenn ich reich werde, bleiben andere arm. Diesem Gesetz sind wir offenbar hilflos ausgeliefert. So geht das immer unter uns Menschen. Das Evangelium des Karfreitag setzt daneben / dagegen: die Hilflosigkeit des Menschen Jesus am Kreuz. Er hängt da, ganz unten, ganz hilflos – von ihm heißt es: Gott war in JC und versöhnte die Welt mit sich selbst. Hier heißt es umgekehrt: dein Tod – mein Leben. Ich, JC sterbe, damit du, Mensch leben kannst. So wird unser Text zur Lesehilfe für die Passionsgeschichte der Evangelien. Dabei ist es wichtig, wie wir sehen und hören. Das JohEv hat eine Hinschau – Theologie: wer mich sieht, sieht den Vater. Gemeint ist Christus am Kreuz. Johannes greift zurück auf die alte Geschichte des Volkes Israel (4. Mose 21,9 – eherne Schlange wird aufgerichtet; wer auf sie schaut, bleibt am Leben) Joh 3,14-16 So ist das Kreuz keine Strafe oder Sühne, sondern das Karfreitag 2.Kor 5,17-20 Zeichen der Liebe Gottes. Gott identifiziert sich nicht mit dem mörderischen Tun der Menschen. Er ist in dem Hingerichteten. Mit ihm identifiziert sich Gott. In diesem Sinn macht Gott sich in seinem Sohn selbst zum Opfer und trägt – im Sinn von ertragen – unsere Schuld, unsere Ablehnung seiner Liebe. Er hält seine Liebe zu uns durch bis zur äußersten Ablehnung. Das lässt Gott uns predigen. 2. Gottes Versöhnung 14+15+17 Paulus bindet mein Leben und seinen Tod zusammen. So geschieht Versöhnung. Gott macht das. Der Karfreitag Jesu ist mein Tod. Jesus stirbt nicht per Zufall. Sein Tod ist das Ende eines langen Weges, den Gott gegangen ist, um uns mit Liebe für sich zu gewinnen. Alle Rede vom Kreuz muss aus der Perspektive der Auferstehung geschehen. Ohne Ostern ist Karfreitag sinnlos. Nur zusammen ergibt das einen Sinn. Eine neue Schöpfung ist angesagt 17! Keine Angst mehr vor Gott, vor Strafe, vor Anklägern. Er hat alle Unversöhnlichkeit für uns getragen. Neue Schöpfung, eine versöhnte Existenz ist möglich, weil er mein altes Leben, meine Trennung vom Leben auf sich nimmt. 21 Die Ausleger sprechen hier von Versöhnung als Tausch. Er nimmt unsere Lasten auf sich und wir bekommen seine Freiheit dafür. Jesus ist nicht für Gott gestorben. Gott braucht kein unschuldiges Opfer, um uns Menschen gnädig sein zu können. Wir brauchen den auferweckten Gekreuzigten, um für Gott gewonnen zu werden. So sehr hat Gott seine Welt, dich und mich geliebt, dass er aus Liebe zu uns sich selbst hingab. Er leidet mit uns. Er leidet an uns und unserem Misstrauen. Wortspiel: Gott mag uns leiden; wir sind seine Passion. Leidenschaft und Leiden zugleich. Wir Menschen tun so, als ob es Gott nicht gäbe. Wir verdrehen seine Worte und machen daraus Bedingungen für seine Liebe. Wir erfinden Machtsysteme, um andere mit Gottes guten Geboten zu beherrschen und niederzudrücken. Seine Liebe hat er an keine Bedingung geknüpft. Sie gilt dem Zöllner wie dem Pharisäer, sie gilt der ‚Sünderin’ wie der frommen Maria. Das war und ist für uns Menschen unerträglich. Darum musste er weg. Von Ostern her fällt Licht auf das Kreuz. Paulus hat das selber so erfahren. Er hat mit guten Gründen die Gemeinde der ersten Christen auszurotten versucht. Auf dem Weg nach Damaskus (vgl. Apg 9) wurde er von dem auferstandenen Christus mit Liebe überwunden. (erzählen: er wird wie tot; er wird konfrontiert mit seiner Vergangenheit und seiner Schuld; er wird 3 Tage blind, begegnet einem Christen, steht auf, lässt sich taufen und wird ein Botschafter der Versöhnung) 3. Karfreitag als Feiertag Paulus spricht von Gott, der sich selbst in die Hände der Menschen gibt und so Versöhnung herstellt. Dieser Tag wird zu einem Festtag, indem ich das an mir geschehen lasse und mich als Teil der Welt sehe, die Gott in JC mit sich versöhnt hat. Seine Worte am Kreuz: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun – stellen wir uns nur einen Augenblick vor: Gott erhört das Gebet Jesu; dann haben wir alle eine Chance! Dem Verbrecher neben ihm am Kreuz sagt er: heute noch wirst du mit mir im Paradies sein! Paulus (6,2): Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, jetzt ist der Tag des Heils! Liebe Gemeinde: stellen wir uns jetzt unter das Kreuz; schauen wir ihn uns jetzt an und hören: 18b + 20 Paulus kann nicht anders als diese Erfahrung weiter zu sagen. 5x Versöhnung 5x JC 5x Gott und 6x wir! So nimmt er uns in das Geschehen hinein. Wie das aussehen kann, schreibt Paulus seiner Gemeinde in Kor. Sie hatte sich von ihm abgesetzt. Sie wollten mehr und wollten mit ihren Erfahrungen höher hinaus über das, was er ihnen gepredigt hatte. Paulus rechtfertigt sich nicht. Er gibt zu: ja, so erbärmlich ist das mit mir. Er redet ganz offen über seine Schwächen und Schlagseiten. Ich bin einer, aus dem Gott etwas gemacht hat. Ich habe mich ihm zur Verfügung gestellt und habe zugelassen, dass er seine Hilflosigkeit am Kreuz mit meiner Hilflosigkeit verbindet. Nun bin ich reich in ihm. Ich, HK, kann mich in meinem Leben und in meinem Amt als Prediger nicht anders, als mich dem Apostel anzuschließen. Ich wünsche mir, dass jede/r hier das eigene Christsein im Alltag so versteht und so lebt: als Dienst, der die Versöhnung predigt - verbal und nonverbal. Missionarisch Volkskirche sein: das ist Sinn und Aufgabe der Kirche und jedes Christenmenschen: die Bitte Christi soll aus dem Leben seiner Botinnen und Boten in die Welt gehen: lasset euch versöhnen mit Gott! Hermann Kotthaus, z.Zt. Pfarrer in Schildgen Andreaskirche Schildgen 2.April 2010 2