V. Homologie mit Koeffizienten Wir werden in diesem Kapitel jedem topologischen Raum X singuläre Homologiegruppen H∗ (X; G) mit Koeffizienten in einer abelschen Gruppe G zuordnen. Dies verallgemeinert die singulären Homologiegruppen aus Kapitel IV, dh. H∗ (X; Z) = H∗ (X). Wir betrachten dazu formale Linearkombinationen singulärer Simplizes in X wobei wir nun aber Koeffizienten in G verwenden. Diese bilden einen Kettenkomplex C∗ (X; G), und wir definieren dann H∗ (X; G) als dessen Homologie. In einfachen Fällen gilt H∗ (X; G) = H∗ (X) ⊗ G, i.A. stimmt dies aber nicht. Das universelle Koeffiziententheorem, siehe Satz V.4.6 unten, ermöglicht jedoch die Berechnung von H∗ (X; G) wenn H∗ (X) bekannt ist. Singuläre Homologie mit Koeffizienten in G liefert einen Funktor mit Eigenschaften die völlig analog zu denen von H∗ (X) sind. Formal werden wir den singulären Kettenkomplex mit Koeffizienten in G durch C∗ (X; G) := C∗ (X)⊗G definieren. In Abschnitt V.1 stellen wir die benötigten Eigenschaften des Tensorprodukts abelscher Gruppen zusammen. Es stellt sich heraus, dass kurze exakte Sequenzen nach Tensorieren mit einer fixen abelschen Gruppe zu nicht exakten Sequenzen werden können, dh. Azyklizität eines Kettenkomplexes kann verloren gehen. In Abschnitt V.2 werden wir dieses Phänomen genauer untersuchen. Dies führt zum Torsionsprodukt abelscher Gruppen und schließlich zur algebraischen Version des universellen Koeffiziententheorems, siehe Satz V.3.3 unten. Dieses ermöglicht die Berechnung von H∗ (C ⊗ G) aus H∗ (C), für jeden freien Kettenkomplex C∗ und jede abelsche Gruppe G. Das oben erwähnte universelle Koeffiziententheorem für topologische Räume ist eine unmittelbare Konsequenz dieses algebraischen Resultats. Anschließend werden wir die Homologie eines Produktes X × Y untersuchen. Zunächst ist der singuläre Kettenkomplex des Produkts homotopieäquivalent zum Tensorprodukt der Kettenkomplexe der beiden Faktoren, die sogenannte Eilenberg–Zilber Äquivalenz liefert eine natürliche Kettenhomotopieäquivalenz C∗ (X × Y ) ≃ C∗ (X) ⊗ C∗ (Y ). Dies reduziert die Berechnung von H∗ (X × Y ) auf das algebraische Problem der Berechnung der Homologie eines Tensorprodukts von Kettenkomplexen. Letzteres wird vom Künneth Theorem beantwortet, das als Verallgemeinerung des universellen Koeffiziententheorems verstanden werden kann. In einfachen Fällen erhalten wir H∗ (X × Y ) = H∗ (X) ⊗ H∗ (Y ), i.A. ist die Situation jedoch komplizierter. All dies wird in den meisten Lehrbüchern über Homologietheorie behandelt, siehe etwa [2, 4, 12, 15, 18, 20]. Weiterführendes zur Homologischen Algebra findet sich in [6]. V.1. Tensorprodukt abelscher Gruppen. Unter einem Tensorprodukt zweier abelscher Gruppen A und B verstehen wir eine abelsche Gruppe A ⊗ B zusammen mit einer bilinearen Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗ B, (a, b) 7→ a ⊗ b, die folgende universelle Eigenschaft besitzt. Ist C eine weitere abelsche Gruppe und ϕ : A × B → C bilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus ϕ̃ : 185 186 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN A ⊗ B → C mit ϕ = ϕ̃ ◦ ⊗, dh. ϕ(a, b) = ϕ̃(a ⊗ b) für alle a ∈ A und b ∈ B. Das Tensorprodukt abelscher Gruppen ist durch diese universelle Eigenschaft ˜ eine bis auf kanonischen Isomorphismus eindeutig bestimmt. Genauer, ist A⊗B ˜ ˜ weiter abelsche Gruppe und ⊗ : A × B → A⊗B eine weitere bilineare Abbildung mit obiger universellen Eigenschaft, dann existiert genau ein Isomorphismus ϕ : ∼ = ˜ mit ϕ ◦ ⊗ = ⊗. ˜ 45 Wir sprechen daher von dem Tensorprodukt A⊗B − → A⊗B abelscher Gruppen. Die folgende Proposition stellt deren Existenz sicher. V.1.1. Proposition. Sind A und B zwei abelsche Gruppen, dann existiert eine abelsche Gruppe A ⊗ B und eine bilineare Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗ B mit folgender universellen Eigenschaft: Ist C eine weitere abelsche Gruppe und ist ϕ : A × B → C bilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ̃ : A ⊗ B → C mit ϕ = ϕ̃ ◦ ⊗. Beweis. Es bezeichne F die von der Menge A × B erzeugte freie abelsche Gruppe. Weiters bezeichne R ⊆ F die von Elementen der Form (a1 + a2 , b) − (a1 , b) − (a2 , b) und (a, b1 + b2 ) − (a, b1 ) − (a, b2 ) erzeugte Untergruppe, a, ai ∈ A, b, bi ∈ B. Betrachte nun die Quotientengruppe A ⊗ B := F/R und definiere eine Abbildung ⊗ A×B − → A ⊗ B = F/R, (a, b) 7→ a ⊗ b := [(a, b)]. Nach Definition von R ist dies eine bilineare Abbildung. Für die Verifikation der universellen Eigenschaft sei nun C eine weitere abelsche Gruppe und ϕ : A×B → C bilinear. Nach Konstruktion von F existiert genau ein Homomorphismus ϕ′ : F → C, sodass ϕ′ (a, b) = ϕ(a, b), für alle (a, b) ∈ A × B. Aus der Bilinerität von ϕ folgt ϕ′ |R = 0, also faktorisiert ϕ′ zu einem Homomorphimus ϕ̃ : A ⊗ B → C. Nach Konstruktion gilt ϕ(a, b) = ϕ̃(a⊗b). Da A⊗B von Elementen der Form a⊗b erzeugt wird, kann es höchstens einen solchen Homomorphismus ϕ̃ geben. Damit ist auch die Eindeutigkeitsaussage in der universellen Eigenschaft gezeigt. V.1.2. Bemerkung. Das Tensorprodukt A ⊗ B wird von {a ⊗ b : a ∈ A, b ∈ B} erzeugt, dh. jedes Element in A ⊗ B lässt sich in der Form n1 (a1 ⊗ b1 ) + · · · + nk (ak ⊗ bk ) schreiben, wobei ni ∈ Z, ai ∈ A und bi ∈ B. Dies folgt sofort aus der Beobachtung, dass auch die von {a ⊗ b : a ∈ A, b ∈ B} erzeugte Untergruppe in A ⊗ B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts hat. V.1.3. Bemerkung. Es gilt A ⊗ B = B ⊗ A, für je zwei abelsche Gruppen A ∼ = → B ⊗ A, und B. Etwas präziser, es gibt genau einen Isomorphismus ϕ : A ⊗ B − sodass ϕ(a⊗b) = b⊗a, für alle a ∈ A und b ∈ B. Dies folgt aus der Beobachtung, 45Aus der universellen Eigenschaft von A⊗ B folgt, dass ein Homomorphismus ϕ : A⊗ B → ˜ ˜ existiert. Ebenso folgt aus der universellen Eigenschaft von A⊗B, ˜ A⊗B mit ϕ ◦ ⊗ = ⊗ dass ein ˜ → A ⊗ B mit ψ ◦ ⊗ ˜ = ⊗ existiert. Aus der Eindeutigkeitsaussage Homomorphismus ψ : A⊗B in der universellen Eigenschaft erhalten wir ψ ◦ ϕ = idA⊗B sowie ϕ ◦ ψ = idA⊗B ˜ . Also ist ϕ ein Isomorphismus mit Inversem ψ. V.1. TENSORPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN flip 187 ⊗ dass B × A −→ A × B − → A ⊗ B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts B ⊗ A hat. V.1.4. Bemerkung. Es gilt (A ⊗ B) ⊗ C = A ⊗ (B ⊗ C), für je drei abelsche Gruppen A, B und C. Etwas präziser, es gibt genau einen Isomorphismus ϕ : ∼ = → A ⊗ (B ⊗ C), sodass ϕ((a ⊗ b) ⊗ c) = a ⊗ (b ⊗ c), für alle a ∈ A, (A ⊗ B) ⊗ C − b ∈ B und c ∈ C. Wir betrachten dazu die trilineare Abbildung A × B × C → (A ⊗ B) ⊗ C, (a, b, c) 7→ (a ⊗ b) ⊗ c. Aus der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts folgt, dass diese trilineare Abbildung folgende universelle Eigenschaft hat. Ist D eine weitere abelsche Gruppe und ist τ : A × B × C → D trilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus τ̃ : (A ⊗ B) ⊗ C → D mit τ̃ ((a ⊗ b) ⊗ c) = τ̃ (a, b, c). Da auch die trilineare Abbildung A × B × C → A ⊗ (B ⊗ C), (a, b, c) 7→ a ⊗ (b ⊗ c) diese universelle Eigenschaft besitzt, folgt nun die Existenz und Eindeutigkeit ∼ = → A ⊗ (B ⊗ C) wie oben. eines Isomorphismus ϕ : (A ⊗ B) ⊗ C − V.1.5. Bemerkung. Es gilt A⊗Z = A, für jede abelsche Gruppe A. Genauer, ∼ = → A ⊗ Z, ϕ(a) := a ⊗ 1 ist ein Isomorphismus, denn der Homomorphismus ϕ : A − die bilineare Abbildung A×Z → A, (a, n) 7→ na, definiert einen Homomorphismus ψ : A ⊗ Z → A mit ψ(a ⊗ n) = na woraus sofort ϕ ◦ ψ = idA⊗Z und ψ ◦ ϕ = idA folgt, vgl. Bemerkung V.1.2. V.1.6. Bemerkung. Es gilt A ⊗ Zm = A/mA. Genauer, der Homomorphismus ϕ̃ : A → A ⊗ Zm , ϕ̃(a) := a ⊗ 1, faktorisiert zu einem Isomorphismus ∼ = → A⊗Zm . Die bilineare Abbildung A×Zm → A/mA, (a, [k]) 7→ [ma], ϕ : A/mA − liefert einen Homomorphismus ψ : A ⊗ Zm → A/mA, der invers zu ϕ ist. Inbesondere haben wir Q ⊗ Zm = 0, R ⊗ Zm = 0, und Zn ⊗ Zm ∼ = Zggt(n,m) , wobei ggt(n, m) den gößten gemeinsamen Teiler von n und m bezeichnet. Die letzte Behauptung lässt sich wie folgt einsehen. Zunächst liefert die Komposition der kanonischen Projektionen Z → Zn → Zn /mZn einen surjektiven Homomorphismus dessen Kern mit der von n und m erzeugten Untergruppe hn, mi ⊆ Z übereinstimmt. Da diese Untergruppe von d := ggt(n, m) erzeugt wird gilt hn, mi = dZ, und wir erhalten Zn ⊗ Zm ∼ = Z/hn, mi = Z/dZ = Zd . = Zn /mZn ∼ V.1.7. Bemerkung. Sind ϕ1 : A1 → B1 und ϕ2 : A2 → B2 zwei Homomorphismen, dann existiert genau ein Homomorphismus ϕ1 ⊗ϕ2 : A1 ⊗A2 → B1 ⊗B2 , sodass (ϕ1 ⊗ ϕ2 )(a1 ⊗ a2 ) = ϕ1 (a1 ) ⊗ ϕ2 (a2 ), für alle a1 ∈ A1 und a2 ∈ A2 . Dies ⊗ folgt aus der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts A1 × A2 − → A1 ⊗ A2 ϕ1 ×ϕ2 ⊗ → B1 ⊗ B2 . Sind angewandt auf die bilineare Abbildung A1 × A2 −−−−→ B1 × B2 − 188 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN ψ1 : B1 → C1 und ψ2 : B2 → C2 zwei weitere Homomorphismen, dann gilt offensichtlich (ψ1 ⊗ ψ2 ) ◦ (ϕ1 ⊗ ϕ2 ) = (ψ1 ◦ ϕ1 ) ⊗ (ψ2 ◦ ϕ2 ), sowie idA1 ⊗ idA2 = idA1 ⊗A2 . Das Tensorprodukt definiert daher einen Funktor ⊗ : aGrp × aGrp → aGrp, vgl. Beispiel III.1.14. V.1.8. Bemerkung. Ist B eine fixe abelsche Gruppe, dann definiert das Tensorprodukt mit B einen Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp. Dabei wird einem Homomorphismus ϕ : A1 → A2 der Homomorphismus ϕ ⊗ idB : A1 ⊗ B → A2 ⊗ B zugeordnet. Aus Bemerkung V.1.7 folgt, dass dies tatsächlich funktoriell ist, dh. für jeden weiteren Homomorphismus ψ : A2 → A3 gilt (ψ ⊗ idB ) ◦ (ϕ ⊗ idB ) = (ψ ◦ ϕ) ⊗ idB : A1 ⊗ B → A3 ⊗ B. Ebenso erhalten wir für jede fixe abelsche Gruppe A einen Funktor A ⊗ − : aGrp → aGrp. V.1.9. Bemerkung. Der Tensorproduktfunktor ist additiv in folgendem Sinn. Sind ϕ1 , ϕ2 : A → A′ und ψ : B → B ′ Homomorphismen abelscher Gruppen, dann gilt (ϕ1 + ϕ2 ) ⊗ ψ = ϕ1 ⊗ ψ + ϕ2 ⊗ ψ : A ⊗ B → A′ ⊗ B ′ . Ebenso gilt ϕ ⊗ (ψ1 + ψ2 ) = ϕ ⊗ ψ1 + ϕ ⊗ ψ2 für Homomorphismen ϕ : A → A′ und ψ1 , ψ2 : B → B′. V.1.10. Bemerkung. Es gilt (A1 ⊕A2 ) ⊗B = (A1 ⊗B) ⊕(A1 ⊗B), für je drei abelsche Gruppen A1 , A2 und B. Die kanonischen Inklusionen ιi : Ai → A1 ⊕ A2 liefern Homomorphismen ιi ⊗ idB : Ai ⊗ B → (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B, i = 1, 2, siehe Bemerkung V.1.8, und diese bestimmen einen Homomorphismus ϕ : (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B) → (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B. Die bilineare Abbildung (A1 ⊕ A2 ) × B → (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B), ((a1 , a2 ), b) 7→ (a1 ⊗ b, a2 ⊗ b) induziert einen Homomorphismus ψ : (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B → (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B). Es lässt sich leicht verifizieren, dass ψ invers zu ϕ ist. Daher ist ϕ ein Isomorphismus, der einzige Isomorphismus für den ϕ(a1 ⊗ b, a2 ⊗ b) = (a1 , a2 ) ⊗ b gilt, ai ∈ Ai , b ∈ B. Eine einfache Verallgemeinerung dieses Arguments, zeigt L L (V.1) λ∈Λ Aλ ⊗ B = λ∈Λ (Aλ ⊗ B). für abelsche Gruppen B und Aλ , λ ∈ Λ. Der Funktor aus Bemerkung V.1.8 vetauscht daher mit Koprodukten. Inbesondere ist das Tensorprodukt freier abelscher Gruppen wieder frei abelsch, etwa gilt Zn ⊗ Zm ∼ = Znm . V.1.11. Bemerkung. Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen, siehe Satz IV.4.15, ist jede endlich erzeugte abelsche Gruppe zu einer Gruppe der Form Zn ⊕Zn1 ⊕· · ·⊕Znk isomorph. Mit obigen Bemerkungen können wir also das Tensorprodukt von endlich erzeugten abelscher Gruppen berechnen, siehe (V.1) sowie die Bemerkungen V.1.3, V.1.6 und V.1.5. V.1.12. Bemerkung. Es gilt Hom(A ⊗ B, C) = Hom(A, Hom(B, C)), für je drei abelsche Gruppen A, B und C. Dies folgt aus der universellen Eigenschaft, denn die abelsche Gruppe der bilinearen Abbildungen A × B → C kann V.1. TENSORPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN 189 in natürlicher Weise mit Hom(A, Hom(B, C)) identifiziert werden. Der Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp ist daher linjksadjungiert zum Funktor Hom(B, −) : aGrp → aGrp, vgl. die Beispiele III.3.5 und III.3.6. ϕ1 ϕ2 V.1.13. Proposition. Ist A1 −→ A2 −→ A3 → 0 eine exakte Sequenz abelscher Gruppen, und B eine weitere abelsche Gruppe, dann ist auch ϕ1 ⊗id ϕ2 ⊗id B B A1 ⊗ B −−−−→ A2 ⊗ B −−−−→ A3 ⊗ B → 0 eine exakte Sequenz.46 ϕ2 ⊗idB Beweis. Zunächst ist A2 ⊗B −−−−→ A3 ⊗B surjektiv, denn A3 ⊗B wird von Elementen der Form a3 ⊗ b erzeugt, siehe Bemerkung V.1.2, und diese Elemente liegen im Bild von ϕ2 ⊗ idB , denn ϕ2 und idB sind beide surjektiv. Weiters gilt offensichtlich img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊆ ker(ϕ2 ⊗ idB ), denn (ϕ2 ⊗ idB ) ◦ (ϕ1 ⊗ idB ) = (ϕ2 ◦ ϕ1 ) ⊗ idB = 0 ⊗ idB = 0, siehe Bemerkung V.1.8. Es bleibt daher noch img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊇ ker(ϕ2 ⊗ idB ) zu zeigen. Betrachte dazu die bilineare Abbildung ψ(a3 , b) := [ϕ−1 2 (a3 ) ⊗ b]. ψ : A3 × B → A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ), Beachte, dass dies wohldefiniert ist, denn img(ϕ1 ) ⊇ ker(ϕ2 ). Wir erhalten daher einen Homomorphismus ψ̃ : A3 ⊗ B → A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ), der offensichtlich ϕ2 ⊗id B linksinvers zu A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ) −−−−→ A3 ⊗ B ist. Damit ist letzterer injektiv, also img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊇ ker(ϕ2 ⊗ idB ). ι π V.1.14. Bemerkung. Ist 0 → A1 − → A2 − → A3 → 0 eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann wird die Sequenz ι⊗id π⊗id B B 0 → A1 ⊗ B −−−→ A2 ⊗ B −−−→ A3 ⊗ B → 0 i.A. bei A1 ⊗ B nicht exakt sein. Tensorieren wir etwa die kurze exakte Sequenz 2 0 1 0→Z− → Z → Z2 → 0 mit B = Z2 , so erhalten wir 0 → Z2 − → Z2 − → Z2 → 0, und dies ist keine exakte Sequenz. Wir werden dieses Phänomen im nächsten Abschitt systematisch studieren. ι π V.1.15. Bemerkung. Ist 0 → A1 − → A2 − → A3 → 0 eine splittende kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann ist auch ι⊗id π⊗id B B 0 → A1 ⊗ B −−−→ A2 ⊗ B −−−→ A3 ⊗ B → 0 (V.2) eine splittende kurze exakte Sequenz. Ist nämlich ρ : A2 → A1 ein Splitt der ersten Sequenz, ρ ◦ ι = idA1 , dann folgt (ρ ⊗ idB ) ◦ (ι ⊗ idB ) = idA1 ⊗B , also ist ι ⊗ idB injektiv und (V.2) daher exakt, siehe Proposition V.1.13. Aus obiger Realtion folgt nun auch, dass ρ ⊗ idB ein Splitt von (V.2) ist. V.1.16. Definition (Flache abelsche Gruppe). Eine ablesche Gruppe B heißt flach falls für jeden injektiven Homomorphismus ϕ : A1 → A2 auch ϕ ⊗ idB : A1 ⊗ B → A2 ⊗ B injektiv ist. 46Wir sagen daher der Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp ist rechtsexakt. 190 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN ι π V.1.17. Bemerkung. Ist 0 → A1 − → A2 − → A3 → 0 eine kurze exakte Sequenz und B eine flache abelsche Gruppe, dann ist auch ι⊗id π⊗id B B 0 → A1 ⊗ B −−−→ A2 ⊗ B −−−→ A3 ⊗ B → 0 eine kurze exakte Sequenz, siehe Proposition V.1.13. Die flachen abelschen Gruppen sind also genau jene abelschen Gruppen B für die der Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp exakt ist, dh. kurze exakte Sequenzen auf kurze exakte Sequenzen abbildet. V.1.18. Beispiel. Die abelsche Gruppe Z ist flach, siehe L Bemerkung V.1.5. Sind Bλ , λ ∈ Λ, flache abelsche Gruppen, dann ist auch λ∈Λ Bλ flach, siehe Bemerkung V.1.10. Insbesonder sind freie abelsche Gruppen flach. V.1.19. Bemerkung. Ist B flach, dann ist B torsionsfrei, dh. Btor = 0, siehe Abschnitt IV.4. Um dies einzusehen sei 0 6= m ∈ Z. Tensorieren wir den injektiven m Homomorphismus Z − → Z mit B, so erhalten wir wegen der Flachheit von B einen m⊗idB injektiven Homomorphismus Z ⊗ B −−−−→ Z ⊗ B. Bis auf den Isomorphismus m Z ⊗ B = B, siehe Bemerkung V.1.5, stimmt dieser mit B − → B überein. Da dies für jedes m 6= 0 injektiv ist, folgt Btor = 0. Wir werden weiter später sehen, dass eine abelsche Grupp genau dann flach ist, wenn sie torsionsfrei ist, siehe Proposition V.2.19 unten. V.1.20. Bemerkung. Ist A eine abellsche Gruppe und R ein kommutativer Ring mit Eins, dann ist A ⊗ R in kanonischer Weise eine R-Modul.47 Genauer, definieren wir die Multiplikation durch R × (A ⊗ R) → A ⊗ R, r(a ⊗ s) := a ⊗ (rs), r, s ∈ R, a ∈ A. Dies ist tatsächlich wohldefiert, denn (r, a, s) 7→ a ⊗ (rs) ist offensichtlich eine trilineare Abbildung R × A × R → A ⊗ R. Auch die Modulaxiome lassen sich sofort verifizieren. Für jeden Gruppenhomomorphismus ϕ : A → A′ ist ϕ ⊗ idR : A ⊗ R → A′ ⊗ R, siehe Bemerkung V.1.7, R-linear.48 Für jeden kommutativen 47Der Begriff des Moduls über einem Ring bildet eine naheliegende Verallgemeinerung des Konzepts eines Vektorraums über einem Körper. Genauer, unter einem R-Modul verstehen wir eine abelsche Gruppe M zusammen mit einer bilinearen Abbildung R × M → M , (r, m) 7→ r · m = rm, sodass r1 (r2 m) = (r1 r2 )m für alle r1 , r2 ∈ R und m ∈ M gilt. Besitzt R eine Eins so verlangen wir weiters 1m = m für m ∈ M . Wir werden uns in diesem Kapitel ausschließlich mit Moduln über einem kommutativen Ring mit Eins befassen, für nicht kommutative Ringe muss zwischen Links- und Rechtsmoduln unterschieden werden. Ein Z-Modul ist dasselbe wie eine abelsche Gruppe. 48Ein Homomorphismus abelscher Gruppen ψ : M → M ′ zwischen R-Moduln M und M ′ wird R-linear genannt, falls ψ(rm) = rψ(m) für alle r ∈ R und m ∈ M gilt. Dies verallgemeinert in offensichtlicher Weise den Begriff der linearen Abbildung zwischen Vektorräumen. Die Moduln über einem fixen Ring R zusammen mit den R-linearen Abbildungen bilden in natürlicher Weise eine Kategorie, die wir mit ModR bezeichnen werden. Für jeden Körper R = K gilt ModK = VspK . Weiters gilt ModZ = aGrp, denn jeder Homomorphismus abelscher Gruppen ist Z-linear. V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN 191 Ring mit Eins erhalten wir daher einen Funktor − ⊗ R : aGrp → ModR von der Kategorie der abelschen Gruppen in die Kategorie der R-Moduln. Insbesondere liefert jeder Körper K einen Funktor − ⊗ K : aGrp → VspK in die Kategorie der Vektorräume über K. V.2. Torsionsprodukt abelscher Gruppen. Wir werden in diesem Abschnitt die Nicht-Exaktheit des Tensorproduktfunktors genauer untersuchen, siehe Bemerkung V.1.14 oben. Dies führt zum Torsionsprodukt abelscher Gruppen und schließlich zum universellen Koeffizienten Theorem, siehe Satz V.3.3 unten. V.2.1. Definition. Unter einer freien Auflösung einer abelschen Gruppe A verstehen wir eine exakte Sequenz ϕ0 ϕ1 ϕ2 ϕ3 0 ← A ←− F0 ←− F1 ←− F2 ←− F3 ← · · · in der jedes Fi eine freie abelsche Gruppe ist. V.2.2. Bemerkung. Jede abelsche Gruppe A besitzt eine freie Auflösung der Form 0 ← A ← F0 ← F1 ← 0, siehe Korollar IV.4.13. An dieser Stelle geht ein, dass Z ein Hauptidealring ist. V.2.3. Lemma. Es seien A und A′ zwei abelsche Gruppen. Weiters seien ϕ0 ϕ1 0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · · ϕ′ ϕ′ 1 0 F1′ ← · · · 0 ← A′ ←− F0′ ←− und zwei freie Auflösungen von A bzw. A′ . Dann gilt: (i) Jeder Homomorphismus α : A → A′ lässt sich zu einer Kettenabbildung ausdehnen, dh. es existieren Homomorphismen αi : Fi → Fi′ die das folgende Diagramm kommutativ machen: 0o Ao ϕ0 F0 o 0o A′ o F1 o α0 α ϕ1 ϕ′0 F0′ o ϕ2 F2 o α1 ϕ′1 F1′ o ··· α2 ϕ′2 F2′ o ··· (ii) Je zwei Ausdehnungen von α : A → A′ wie in (i) sind kettenhomotop. Beweis. Ad (i): Wir gehen induktiv vor und nehmen an α0 , . . . , αk sind schon konstruiert. Es sei bi eine Basis von Fk+1 . Wegen ϕ′k αk ϕk+1 = αk−1 ϕk ϕk+1 = 0 ′ mit ϕ′k+1 (b′i ) = gilt img(αk ϕk+1) ⊆ ker ϕ′k = img ϕ′k+1. Daher finden wir b′i ∈ Fk+1 ′ αk (ϕk+1(bi )). Definiere nun einen Homomorphismus αk+1 : Fk+1 → Fk+1 auf ′ ′ ′ ′ Basiselementen durch αk+1 (bi ) := bi . Dann folgt ϕk+1(αk+1 (bi )) = ϕk+1 (bi ) = αk (ϕk+1(bi )), und daher ϕ′k+1 ◦ αk+1 = αk ◦ ϕk+1 . Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und (i) bewiesen. Nun zu (ii): Seien also αi , βi : Fi → Fi′ zwei Ausdehnungen von α : A → A′ wie in (i). Es sind Homomorphismen hi : Fi−1 → Fi′ zu konstruieren, für die 192 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN βi −αi = hi−1 ϕi +ϕ′i+1hi gilt. Wir gehen induktiv vor und nehmen an h0 , . . . , hk−1 wären schon konstruiert, für h−1 : A → F0′ verwenden wir h−1 := 0. ϕk−1 ϕk+1 ϕk Fk−2 oO Fk−1 No Fk+1 Fk oN OOO NN NNN h OOhOk−2 Nh N kN β α OOO βk−1 αk−1 NNNk−1 βk−2 αk−2 NNN βk αk N Nk−1 k−1 O O ′ O' N ′ & N ϕ′k−1 ϕ ϕk & ′ k+1 ′ ′ ′ o o Fk−2 Fk−1 Fk+1 Fk o Nach Induktionsvoraussetung gilt βk−1 − αk−1 = hk−2 ϕk−1 + ϕ′k hk−1 woraus wir sofort ϕ′k βk − αk − hk−1 ϕk = βk−1 − αk−1 − ϕ′k hk−1 ϕk = hk−2 ϕk−1ϕk = 0 erhalten. Wir schließen img βk −αk −hk−1 ϕk ⊆ ker ϕ′k = img ϕ′k+1 . Ist nun bi eine Basis von Fk , so existieren also b′i ∈ Fk+1 mit ϕ′k+1 (b′i ) = (βk − αk − hk−1 ϕk )(bi ). ′ Wir definieren einen Homomorphismus hk : Fk → Fk+1 auf Basiselementen durch ′ ′ hk (bi ) := bi . Es folgt dann ϕk+1 (hk (bi )) = (βk − αk − hk−1 ϕk )(bi ) und daher die gewünschte Relation ϕ′k+1 ◦hk = βk −αk −hk−1 ϕk . Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und (ii) bewiesen. ϕ0 ϕ1 Es sei nun F : 0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · · eine freie Auflösung von A. Durch Tensorieren mit einer abelschen Gruppe B erhalten wir einen Kettenkomplex ϕ1 ⊗id ϕ2 ⊗id B B 0 ← F0 ⊗ B ←−−−− F1 ⊗ B ←−−−− F2 ⊗ B ← · · · denn (ϕk ⊗ idB ) ◦ (ϕk+1 ⊗ idB ) = (ϕk ◦ ϕk+1 ) ⊗ idB = 0. Wir bezeichnen diesen Kettenkomplex mit F ⊗ B und seine Homologie mit H∗ (F ⊗ B), dh. Hk (F ⊗ B) := ker(ϕk ⊗ idB )/ img(ϕk+1 ⊗ idB ). ϕ′ ϕ′ 1 0 F1′ ← · · · Sei nun α : A → A′ ein Homomorphismus und F ′ : 0 ← A′ ←− F0′ ←− ′ ′ eine freie Auflösung von A . Weiters sei αk : Fk → Fk eine Ausdehnung von α wie in Lemma V.2.3(i). Tensorieren mit B liefert eine Kettenabbildung 0o F0 ⊗ B o ϕ1 ⊗idB F1 ⊗ B o α0 ⊗idB 0o F0′ ⊗ B o ϕ2 ⊗idB F2 ⊗ B o α1 ⊗idB ϕ′1 ⊗idB F1′ ⊗ B o ··· α2 ⊗idB ϕ′2 ⊗idB F2′ ⊗ B o ··· und diese induziert einen Homomorphismus der Homologiegruppen den wir mit α∗ : H∗ (F ⊗ B) → H∗ (F ′ ⊗ B) bezeichnen. Nach Lemma V.2.3(ii) ist dieser Homomorphismus unabhängig von der Wahl der Ausdehnung. Ist α′ : A′ → A′′ ein weiterer Homomorphismus und F ′′ eine freie Auflösung von A′′ dann gilt offensichtlich (α′ ◦ α)∗ = α∗′ ◦ α∗ : H∗ (F ⊗ B) → H∗ (F ′′ ⊗ B) (V.3) sowie (idA )∗ = idH∗ (F⊗B) . Wenden wir dies auf idA : A → A an so erhalten wir V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN 193 V.2.4. Lemma. Sind F und F ′ zwei freie Auflösungen einer abelschen Gruppe A, und ist B eine weitere abelsche Gruppe, dann existiert ein kanonischer Isomorphismus H∗ (F ⊗ B) = H∗ (F ′ ⊗ B). Die Homologie H∗ (F ⊗ B) ist daher, bis auf kanonischen Isomorphismus, unabhängig von der Wahl der freien Auflösung. Für zwei abelsche Gruppen A und B definieren wir daher Torn (A, B) := Hn (F ⊗ B), wobei F eine freie Auflösung von A ist, siehe Bemerkung V.2.2. V.2.5. Bemerkung. Für eine fixe abelsche Gruppe B erhalten wir Funktoren Torn (−, B) : aGrp → aGrp, siehe (V.3). V.2.6. Bemerkung. Für eine fixe abelsche Gruppe A erhalten wir aber auch Funktoren Torn (A, −) : aGrp → aGrp. Ist nämlich β : B → B ′ ein Homomorphismus und F eine freie Auflösung von A, so erhalten wir durch Tensorieren mit β eine Kettenabbildung idF ⊗β : F ⊗ B → F ⊗ B ′ , und diese induziert Homomorphismen β∗ : Hn (F ⊗ B) → Hn (F ⊗ B ′ ). Eine einfache Überlegung zeigt, dass dies tatsächlich funktoriell ist, dh. für jeden weiteren Homomorphismus β ′ : B ′ → B ′′ gilt (β ′ ◦ β)∗ = β∗′ ◦ β∗ : Torn (A, B) → Torn (A, B ′′ ) sowie (idB )∗ = idTorn (A,B) . Ist α : A → A′ ein Homomorphismus, dann gilt sogar α∗ ◦β∗ = β∗ ◦α∗ : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ), siehe Bemerkung V.2.5. Wir können daher Torn : aGrp × aGrp → aGrp als Funktor auffassen, und schreiben auch Torn (α, β) : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ) für den induzierten Homomorphismus. V.2.7. Bemerkung. Der Funktor Torn ist additiv, dh. sind α, α′ : A → A′ und β : B → B ′ Homomorphismen abelscher Gruppen, dann gilt Torn (α + α′ , β) = Torn (α, β) + Torn (α′ , β) : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ). Dies folgt aus Bemerkung V.1.9 und der Beobachtung, dass die Summe zweier Ausdehnungen von α und α′ wie in Lemma V.2.3(i) offensichtlich eine Ausdehnung von α + α′ ist, siehe aber auch Proposition IV.1.2. Ebenso haben wir auch Torn (α, β + β ′ ) = Torn (α, β) + Torn (α, β ′ ) für Homomorphismen α : A → A′ und β, β ′ : B → B ′ . V.2.8. Bemerkung. Es gilt Tor0 (A, B) = A ⊗ B, siehe Proposition V.1.13. Weiters haben wir Torn (A, B) = 0, für n ≥ 2, siehe Bemerkung V.2.2. Es ist daher nur Tor1 (A, B) interessant.49 V.2.9. Definition (Torsionsprodukt). Sind A und B abelsche Gruppen, dann wird Tor(A, B) := Tor1 (A, B) das Torsionsprodukt von A und B genannt. Dies ist ein additiver Funktor Tor : aGrp × aGrp → aGrp. 49Obige Überlegungen lassen sich in offensichtlicherweise auf Moduln über einem kommutativen Ring R verallgemeinern. Ist R kein Hauptidealring, dann ist Torn i.A. auch für n ≥ 2 nicht-trivial. 194 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN i V.2.10. Bemerkung. Ist 0 → R − → F → A → 0 exakt und F frei abelsch, dann gilt i⊗idB Tor(A, B) = ker R ⊗ B −−−→ F ⊗B . Dies folgt sofort aus der Definition des Torsionsproduktes und der (nicht-trivialen) Tatsache, dass auch R eine freie abelsche Gruppe sein muss, siehe Satz IV.4.12. V.2.11. Beispiel. Ist B flach, so gilt Tor(A, B) = 0, siehe Bemerkung V.1.17 und Bemerkung V.2.2. Insbesondere ist Tor(A, F ) = 0, für jede freie abelsche Gruppe F , siehe Bemerkung V.1.18. V.2.12. Beispiel. Ist F frei abelsch, dann gilt Tor(F, B) = 0. In diesem Fall idF haben wir nämlich eine freie Auflösung 0 ← F ←−− F ← 0. n V.2.13. Beispiel. Es gilt Tor(Zn , B) = ker(B − → B) = {b ∈ B : nb = 0}. n Betrachte dazu die freie Auflösung 0 ← Zn ← Z ← − Z ← 0 von Zn . Tensorieren wir diese mit B und verwenden Bemerkung V.1.5 so erhalten wir sofort obige Behauptung, siehe auch Bemerkung V.2.10. Insbesondere erhalten wir Btor = 0 ⇔ Tor(Zp , B) = 0 für alle Primzahlen p. (V.4) n Für B = Zm folgt Tor(Zn , Zm ) = ker(Zm − → Zm ) und daher Tor(Zn , Zm ) ∼ = Zggt(n,m) . (V.5) a Sei dazu d := ggt(n, m) und a ∈ Z mit ad = m. Dann ist Zd − → Zm , [k] 7→ [ak], ein a n injektiver Homomorphismus, es genügt daher img Zd − → Zm = ker Zm − → Zm zu zeigen. Da m = ad Teiler von na ist, erhalten wir zunächst die Inklusion a n img Zd − → Zm ⊆ ker Zm − → Zm . Für die umgekehrte Inklusion betrachten wir n nun l ∈ Z mit [l] ∈ ker(Zm − → Zm ), es gilt daher m | nl. Weiters sei b ∈ Z mit bd = n. Dann folgt ad | bdl, also a | bl, und daher a | l, denn ggt(a, b) = 1. Es a existiert daher k ∈ Z, sodass ak = l, also [l] ∈ img Zd − → Zm , womit auch die a n umgekehrte Inklusion img Zd − → Zm ⊇ ker Zm − → Zm gezeigt wäre. V.2.14. Bemerkung. Es gilt Tor(A ⊕ A′ , B) = Tor(A, B) ⊕ Tor(A′ , B). ϕ0 ϕ1 Betrachte dazu freie Auflösungen 0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · · von A und ϕ′ ϕ′ 1 0 F1′ ← · · · von A′ . Verwenden wir nun die freie Auflösung 0 ← A′ ←− F0′ ←− ϕ0 ⊕ϕ′ ϕ1 ⊕ϕ′ 1 0 F1 ⊕ F1′ ← · · · 0 ← A ⊕ A′ ←−−−− F0 ⊕ F0′ ←−−−− von A ⊕ A′ zur Berechnung von Tor(A ⊕ A′ , B) so folgt sofort Tor(A ⊕ A′ , B) = Tor(A, B) ⊕ Tor(A′ , B), siehe Bemerkung V.1.10 sowie (IV.1). Völlig analog erhalten wir für beliebige Indexmengen Λ L L Tor A , B = λ∈Λ Tor(Aλ , B). (V.6) λ λ∈Λ V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN 195 p i V.2.15. Proposition. Ist 0 → B1 − → B2 − → B3 → 0 eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann existiert eine exakte Sequenz i p∗ δ δ id ⊗i ∗ 0 → Tor(A, B1 ) − → Tor(A, B3 ) − → → Tor(A, B2 ) − id ⊗p − → A ⊗ B1 −−A−→ A ⊗ B2 −−A−− → A ⊗ B3 → 0. Diese Sequenz ist natürlich in A und auch natürlich in der kurzen exakten Sequenz 0 → B1 → B2 → B3 → 0. ϕ1 ϕ1 ϕ2 Beweis. Ist F : 0 ← A ←− F0 ←− F1 ←− F2 ← · · · eine freie Auslösung von A, dann können wir 0 0 F ⊗ B1 0o F0 ⊗ B1 o F ⊗ B2 0o F0 ⊗ B2 o F ⊗ B3 F1 ⊗ B1 o 0o F0 ⊗ B3 o F1 ⊗ B2 o ϕ1 ⊗idB3 F1 ⊗ B3 o idF2 ⊗i ϕ2 ⊗idB2 ··· F2 ⊗ B2 o idF2 ⊗p ϕ2 ⊗idB3 0 ··· F2 ⊗ B1 o idF1 ⊗p 0 ϕ2 ⊗idB1 idF1 ⊗i ϕ1 ⊗idB2 idF0 ⊗p idF ⊗p 0 ϕ1 ⊗idB1 idF0 ⊗i idF ⊗i 0 ··· F2 ⊗ B3 o 0 0 als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen aufassen. Beachte, dass die Spalten wegen Bemerkung V.1.17 tatsächlich exakt sind. Nach Satz IV.3.1 induziert diese eine lange exakte Sequenz: δ i p∗ δ ∗ · · · → Hn+1 (F ⊗ B3 ) − → Hn (F ⊗ B1 ) − → Hn (F ⊗ B2 ) − → Hn (F ⊗ B3 ) − → ··· Nach Definition von Torn erhalten wir also die lange exakte Seqeunz: δ i p∗ ∗ · · · → Torn+1 (A, B3 ) − → Torn (A, B1 ) − → Torn (A, B2 ) − → Torn (A, B3 ) → · · · Wegen Bemerkung V.2.8 ist dies die gesuchte exakte Sequenz. V.2.16. Proposition. Es gilt Tor(A, B) = Tor(B, A) für je zwei abelsche Gruppen A und B. i Beweis. Es sei 0 → F1 − → F0 → B → 0 eine frei Auflösung von B, siehe Bemerkung V.2.2. Mittels Bemerkung V.2.10 erhalten wir i⊗idA Tor(B, A) = ker F1 ⊗ A −−−→ F0 ⊗ A . 196 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Weiters ist Tor(A, F0 ) = 0, siehe Beispiel V.2.11, also liefert Porposition V.2.15 id ⊗i δ eine exakte Sequenz 0 → Tor(A, B) − → A ⊗ F1 −−A−→ A ⊗ F0 , dh. id ⊗i Tor(A, B) = ker A ⊗ F1 −−A−→ A ⊗ F0 . Aus Bemerkung V.1.3 folgt nun sofort Tor(A, B) = Tor(B, A). V.2.17. Bemerkung. Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen, siehe Satz IV.4.15, ist jede endlich erzeugte abelsche Gruppe zu einer Gruppe der Form Zn ⊕Zn1 ⊕· · ·⊕Znk isomorph. Mit obigen Bemerkungen können wir also das Torsionsprodukt endlich erzeugter abelscher Gruppen berechnen, siehe (V.5) und (V.6) sowie Bemerkung V.2.12 und Proposition V.2.16. V.2.18. Proposition. Es gilt Tor(A, B) = Tor(Ator , Btor ), für je zwei abelsche Gruppen A und B. Beweis. Es genügt Tor(A, B) = Tor(A, Btor ) zu zeigen, denn mittels Proposition V.2.16 erhalten wir daraus Tor(A, B) = Tor(A, Btor ) = Tor(Btor , A) = Tor(Btor , Ator ) = Tor(Ator , Btor ). Die kurze exakte Sequenz 0 → Btor → B → B/Btor → 0 induziert eine exakte Sequenz 0 → Tor(A, Btor ) → Tor(A, B) → Tor(A, B/Btor ), siehe Proposition V.2.15, es genügt daher Tor(A, B/Btor ) = 0 zu zeigen. Da B/Btor torsionsfrei ist, dürfen wir also o.B.d.A. Btor = 0 annehmen und haben Tor(A, B) = 0 zu zeigen. Sei nun 0 → F1 → F0 → A → 0 eine freie i⊗idB Auflösung von A. Es ist zu zeigen, dass F1 ⊗ B −−−→ F0 ⊗ B injektiv ist, siehe Bemerkung V.2.10. Ist x im Kern dieses i⊗idB Homormorphismus, dann existiert eine end/F ⊗B F1 ⊗ B 0 O O lich erzeugte Untergruppe B0 von B, sodass x ∈ img(F1 ⊗ B0 → F1 ⊗ B). Weiters ist i⊗idB0 F0 ⊗ B0 → F0 ⊗ B injektiv, denn F0 ist / F ⊗B F1 ⊗ B0 0 0 flach, siehe Bemerkung V.1.18. Ebenso ist i⊗idB 0 F0 ⊗ B0 injektiv, denn als endlich erzeugte torsionsfreie abelsche F1 ⊗ B0 −−−−→ Gruppe muss B0 frei abelsch sein, siehe Korollar IV.4.17. Mit der Kommutativität des nebenstehenden Diagramms folgt nun x = 0. V.2.19. Proposition. Für eine abelsche Gruppe A sind äquivalent: (i) A ist flach. (ii) Ator = 0. (iii) Tor(A, B) = 0 = Tor(B, A), für jede abelsche Gruppe B. (iv) Tor(A, Zp ) = 0, für jede Primzahl p. Beweis. Die Implikation (i)⇒(ii) folgt aus Bemerkung V.1.19. Die Implikation (ii)⇒(iii) folgt aus Proposition V.2.18. Die Implikation (iii)⇒(i) folgt aus Proposition V.2.15. Schließlich folgt die Äquivalenz (ii)⇔(iv) aus (V.4) und Proposition V.2.18. V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN 197 V.2.20. Beispiel. Aus Proposition V.2.19 folgt, dass die abelsche Gruppe Q flach ist, denn offensichtlich gilt Qtor = 0. Insbesondere erhalten wir Tor(A, Q) = 0 = Tor(Q, A) für jede abelsche Gruppe A. Etwas allgemeiner, die einem Körper mit Charakteristik 0 zugrundeliegende abelsche Gruppe ist stets flach. V.2.21. Proposition. Ist A eine abelsche Gruppe, sodass A ⊗ Q = 0 und Tor(A, Zp ) = 0 für jede Primzahl p, dann gilt schon A = 0.50 Beweis. Beachte zunächst, dass A flach ist, siehe Proposition V.2.19. Tensorieren wir die kurze exakte Sequenz 0 → Z → Q → Q/Z → 0 mit A, erhalten wir also eine kurze exakte Sequenz 0 → A → A ⊗ Q → A ⊗ Q/Z → 0. Nach Voraussetzung ist A ⊗ Q = 0, also folgt A=0. V.2.22. Bemerkung. Wir haben in Abschnitt IV.4 den Rang einer abelschen Gruppe als die Kardinalität einer maximal linear unabhängigen Teilmenge definiert, und in Satz IV.4.1 gezeigt, dass dies wohldefiniert ist. Mit Hilfe obiger Beobachtungen lässt sich der Beweis dieses Satzes wesentlich transparenter präsentieren. Ist S eine maximal linear unabhängige Teilmenge einer abelschen Gruppe A, dann haben wir eine kurze exakte Sequenz 0 → Z[S] → A → A/hSi → 0, wobei hSi die von S erzeugte Untergruppe von A bezeichnet. Aufgrund der Flachheit von Q, siehe Beispiel V.2.20, ist auch 0 → (Z[S]) ⊗ Q → A ⊗ Q → (A/hSi) ⊗ Q → 0, exakt, siehe Bemerkung V.1.17. Beachte, dass dies eine kurze exakte Sequenz von Q-Vektorräumen ist, siehe Bemerkung V.1.20. Wegen der Maximalität von S gilt A/hSi = (A/hSi)tor , und daher (A/hSi)⊗Q = 0.51 Weiters ist Z[S]⊗Q ∼ = Q[S] := L s∈S Q, siehe Bemerkung V.1.20. Wir erhalten daher einen Isomorphismus von Q-Vektorräumen Q[S] ∼ = A ⊗ Q und damit ♯S = dimQ (A ⊗ Q). Da die rechte Seite dieser Gleichung nicht von S abhängt, schließen wir, dass je zwei maximal linear unabhängige Teilmengen von A die gleiche Kardinalität haben.52 Weiters erhalten wir rank(A) = dimQ (A⊗Q), vgl. Bemerkung IV.4.2. Dasselbe Argument zeigt rank(A) = dimK (A ⊗ K) (V.7) für jeden Körper K mit Charakteristik 0, siehe Beispiel V.2.20. Auch der Beweis von Proposition IV.4.4 wird nun viel transparenter. Ist 0 → A → B → C → 0 eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann folgt aus der Flachheit von 50Es gibt sehr wohl nicht-triviale abelsche Gruppen A mit A ⊗ Q = 0 und A ⊗ Zn = 0 für jedes n, etwa A := Q/Z. 51Allgemein folgt aus B = B tor sofort B ⊗ Q = 0, denn zu jedem b ∈ B existiert 0 6= m ∈ Z q q ) = mb ⊗ m = 0, für jedes q ∈ Q. mit mb = 0 und daher gilt b ⊗ q = b ⊗ (m m 52Wir führen daher die Wohldefiniertheit des Ranges einer abelschen Gruppe auf die Wohldefiniertheit der Dimension eines Vektorraums zurück, dh. wir verwenden an dieser Stelle, dass je zwei Basen eines Vektorraums gleiche Kardinalität haben. 198 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Q, dass 0 → A ⊗ Q → B ⊗ Q → C ⊗ Q → 0 eine kurze exakte Sequenz von Vektorräumen über Q ist. Mittels linearer Algebra schließen wir dimQ (A ⊗ Q) + dimQ (C ⊗ Q) = dimQ (B ⊗ Q), und damit rank(A) + rank(C) = rank(B). V.2.23. Bemerkung. Für einen kommutativen Ring mit Eins R und eine abelsche Gruppe A, ist Tor(A, R) in kanonischer Weise ein R-Modul. Dabei definieren wir die Skalarmultiplikation mit r ∈ R durch den von dem Gruppenhor momorphismus R − → R induzierten Homomorphismus Tor(idA , r) : Tor(A, R) → Tor(A, R). Aus der Funktorialität und Additivität von Tor folgt sofort, dass die Modulaxiome gelten. Der von einem Homomorphismus ϕ : A → A′ induzierte Homomorphismus ϕ∗ : Tor(A, R) → Tor(A′ , R) ist offensichtlich R-linear, wir erhalten daher einen Funktor Tor(−, R) : aGrp → ModR . Insbesondere ist Tor(A, K) ein K-Vektorraum, für jeden Körper K, und wir erhalten einen Funktor Tor(−, K) : aGrp → VspK . V.2.24. Proposition. Ist A eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und K ein Körper, dann ist A ⊗ K ein endlich dimensionaler K-Vektorraum und dimK (A ⊗ K) = rank(A) + dimK (Tor(A, K)). Beweis. Beachte zunächst, dass die Aussage dieser Proposition mit der direkten Summe abelscher Gruppen verträglich ist. Genauer, ist die Proposition für zwei Gruppen A und A′ wahr, dann bleibt sie auch für A ⊕ A′ wahr, denn dimK ((A ⊕ A′ ) ⊗ K) = dimK (A ⊗ K) ⊕ (A′ ⊗ K) = dimK (A ⊗ K) + dimK (A ⊗ K), rank(A ⊕ A′ ) =rank(A) + rank(A′ ) und dimK (Tor(A ⊕ A′ , K)) = dimK Tor(A, K) ⊕ Tor(A′ , K) = dimK (Tor(A, K)) + dimK (Tor(A′ , K)). Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen, siehe Satz IV.4.15, genügt es daher die Spezialfälle A = Z und A = Zn zu behandeln. Der erste Fall n ist trivial, sei also o.B.d.A. A = Zn . Die freie Auflösung 0 → Z − → Z → Zn → 0 liefert eine exakte Sequenz von K-Vektorräumen n 0 → Tor(Zn , K) → K − → K → Zn ⊗ K → 0. Mittels linearer Algebra schließen wir dimK (Tor(Zn , K)) = dimK (Zn ⊗ K). Da rank(Zn ) = 0 ist der Beweis nun vollständig. V.3. Das universelle Koeffiziententheorem. Ist (C∗ , ∂) ein Kettenkomplex und ist A eine abelsche Gruppe dann ist auch ∂q ⊗idA ∂q+1 ⊗idA · · · ← Cq−1 ⊗ A ←−−−− Cq ⊗ A ←−−−−− Cq+1 ⊗ A ← · · · ein Kettenkomlex, denn (∂ ⊗ idA )q ◦ (∂ ⊗ idA )q+1 = (∂q ⊗ idA ) ◦ (∂q+1 ⊗ idA ) = (∂q ◦ ∂q+1 ) ⊗ idA = 0 ⊗ idA = 0, siehe Bemerkung V.1.8. Wir bezeichnen diesen Kettenkomplex mit C ⊗ A, dh. (C ⊗ A)q := Cq ⊗ A, q ∈ Z. Für jede Kettenabbildung ϕ : C → C ′ ist auch ϕ ⊗ idA : C ⊗ A → C ′ ⊗ A eine Kettenabbildung, denn (∂ ′ ⊗idA )q ◦(ϕ⊗idA )q = (∂q′ ◦ϕq )⊗idA = (ϕq−1 ◦∂q )⊗idA = (ϕq−1 ⊗idA )◦(∂q ⊗idA ). Diese Konstruktion liefert offensichtlich einen Funktor − ⊗ A : Comp → Comp, V.3. DAS UNIVERSELLE KOEFFIZIENTENTHEOREM 199 wobei Comp die Kategorie der Kettenkomplexe und Kettenabbildungen bezeichnet. Ist α : A → A′ ein Homomorphismus abelscher Gruppen, dann ist auch idC ⊗α : C ⊗ A → C ⊗ A′ eine Kettenabbildung, wir können obige Konstruktion daher auch als Funktor ⊗ : Comp × aGrp → Comp betrachten. V.3.1. Bemerkung. Sind ϕ : C → C ′ und ψ : C → C ′ zwei homotope Kettenabbildungen, siehe Abschnitt IV.2, dann sind auch ϕ⊗idA : C⊗A → C ′ ⊗A und ψ ⊗ idA : C ⊗ A → C ′ ⊗ A kettenhomotop. Ist nämlich h : C∗ → C∗+1 eine Kettenhomotopie von ϕ nach ψ, dh. gilt ψ − ϕ = ∂ ′ ◦ h + h ◦ ∂, dann ist h ⊗ idA eine Kettenhomotopie von ϕ ⊗ idA nach ψ ⊗ idA , denn ψ ◦ idA −ϕ ⊗ idA = (ψ − ϕ) ⊗ idA = (∂ ′ ◦ h + h ◦ ∂) ⊗ id A = (∂ ′ ⊗ idA ) ◦ (h ⊗ idA ) + (h ⊗ idA ) ◦ (∂ ⊗ idA ), siehe Bemerkung V.2.7. Sind C und C ′ kettenhomotopieäquivalent, dann sind daher auch C ⊗ A und C ′ ⊗ A kettenhomotopieäquivalent. V.3.2. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einem Kettenkomplex über R verstehen wir einen Kettenkomplex (C∗ , ∂) wobei jedes Cq mit einer R-Modulstruktur ausgestattet ist für die ∂q : Cq → Cq−1 ein R-Modul Homomorphismus ist. Die Kettenkomplexe über einem fixen Ring R zusammen mit den R-linearen Kettenabbildungen bilden eine Kategorie die wir mit CompR bezeichnen. Für R = Z erhalten wir die gewöhnlichen Kettenkomplexe zurück, CompZ = Comp. Die Homologie eines Kettenkomplexes über R ist in natürlicher Weise ein graduierter R-Modul, dh. jede Homologiegruppe Hq (C) erbt eine R-Modulstruktur und die von R-linearen Kettenabbildungen induzierten Homomorphismen sind wieder R-linear. Für fixes R erhalten wir also einen HomologieR funktor H∗ (−) : CompR → ModR ∗ , wobei Mod∗ die Kategorie der graduierten R-Moduln bezeichnet. V.3.3. Satz (Universelles Koeffiziententheorem). Ist C ein freier Kettenkomplex und ist A eine abelsche Gruppe dann existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz 0 → Hn (C) ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Tor(Hn−1 (C), A) → 0, (V.8) dh. für jede Kettenabbildung zwischen freien Kettenkomplexen ϕ : C → C ′ und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen α : A → A′ kommutiert das Diagramm / 0 Hn (C) ⊗ A / Hn (C ⊗ A) ϕ∗ ⊗α 0 / Hn (C ′ ) ⊗ A′ / Tor(Hn−1 (C), A) / (ϕ⊗α)∗ Hn (C ′ ⊗ A′ ) / 0 / Tor(ϕ∗ ,α) Tor(Hn−1 (C ′ ), A′ ) / 0 Darüberhinaus, splittet die kurze exakte Sequenz (V.8), und es gilt daher (V.9) Hn (C ⊗ A) ∼ = (Hn (C) ⊗ A) ⊕ Tor(Hn−1 (C), A). Dieser Splitt kann nicht natürlich in C gewählt werden. Ist R = A ein kommutativer Ring mit Eins, dann ist (V.8) eine splittende kurze exakte Sequenz von 200 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN R-Moduln, der Splitt kann R-linear gewählt werden, und es existiert daher ein Isomorphismus von R-Moduln wie in (V.9). Beweis. Bezeichnen Zn := ker(∂n ) und Bn−1 := img(∂n−1 ), dann ist ∂ n 0 → Zn → Cn −→ Bn−1 → 0 (V.10) eine kurze exakte Sequenz. Als Untergruppe der freien abelschen Gruppe Cn−1 ist auch Bn−1 eine freie ablesche Gruppe, siehe Satz IV.4.12. Nach Proposition IV.4.9 splittet daher die kurze exakte Sequenz (V.10). Also ist auch ∂n ⊗id A 0 → Zn ⊗ A → Cn ⊗ A −−−−→ Bn−1 ⊗ A → 0 (V.11) eine splittende kurze exakte Sequenz, siehe Bemerkung V.1.15. Wir können dies als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen auffassen: .. . .. . ∂n+1 ⊗idA 0 / 0 Zn ⊗ A / 0 / Zn−1 ⊗ A 0 Cn ⊗ A / Bn−1 ⊗ A ∂n ⊗idA 0 .. . / Cn−1 ⊗ A / Bn−2 ⊗ A / 0 0 .. . 0 0 ∂n−1 ⊗idA 0 / .. . .. . Der Einhängungshomomorphismus der entsprechenden langen exakten Sequenz, siehe Satz IV.3.1, stimmt offensichtlich mit in ⊗ idA : Bn ⊗ A → Zn ⊗ A überein, wobei in : Bn → Zn die kanonische Inklusion bezeichnet. Wir erhalten daher eine exakte Sequenz: in−1 ⊗idA in ⊗id A Bn ⊗ A −−−−→ Zn ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Bn−1 ⊗ A −−−−−→ Zn−1 ⊗ A (V.12) Nach Bemerkung V.2.10 liefert die kurze exakte Sequenz i n 0 → Bn − → Zn → Hn (C) → 0 eine exakte Sequenz in ⊗id A Zn ⊗ A → Hn (C) ⊗ A → 0. 0 → Tor(Hn (C), A) → Bn ⊗ A −−−−→ Wir schließen daraus ker(in ⊗ idA ) = Tor(Hn (C), A) und coker(in ⊗ idA ) = Hn (C) ⊗ A. Kombinieren wir dies mit (V.12) so erhalten wir die gewünschte kurze exakte Sequenz 0 → Hn (C) ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Tor(Hn−1 (C), A) → 0. (V.13) V.3. DAS UNIVERSELLE KOEFFIZIENTENTHEOREM 201 Die Natürlichkeit dieser Sequenz ist offensichtlich, jeder Schritt in ihrer Konstruktion war natürlich. Ist ρn : Cn → Zn ein Splitt von (V.10), so können wir diese ρ als Kettenabbildung (C∗ , ∂) − → H∗ (C), ∂ = 0 auffassen. Tensorieren mit A lie ρ⊗idA fert eine Kettenabbildung C ⊗ A −−−→ H∗ (C) ⊗ A, ∂ = 0 , und diese induziert Homomorphismen in der Homologie, Hn (C ⊗ A) → Hn (C) ⊗ A. Eine einfache Überlegung zeigt, dass dies tatsächlich ein Splitt von (V.13) ist. V.3.4. Korollar. Für einen freien Kettenkomplex C sind äquivalent: (i) H∗ (C) = 0. (ii) H∗ (C ⊗ A) = 0, für jede abelsche Gruppe A. (iii) H∗ (C ⊗ Q) = 0 und H∗ (C ⊗ Zp ) = 0, für jede Primzahl p. Beweis. Die Implikation (i)⇒(ii) folgt sofort aus Satz V.3.3 oben. Die Implikation (ii)⇒(iii) trivial. Es bleibt daher noch (iii)⇒(i) zu zeigen. Aus H∗ (C ⊗Q) = 0 und Satz V.3.3 erhalten wir Hn (C) ⊗ Q = 0, für jedes n. Wegen H∗ (C ⊗ Zp ) = 0 folgt mittels Satz V.3.3 auch Tor(Hn (C), Zp ) = 0, für jedes n und alle Primzahlen p. Nach Proposition V.2.21 muss daher Hn (C) = 0 gelten, für jedes n. V.3.5. Korollar. Für eine Kettenabbildung ϕ : C → C ′ zwischen freien Kettenkomplexen C und C ′ sind äquivalent: (i) ϕ∗ : H∗ (C) → H∗ (C ′ ) ist ein Isomorphismus. (ii) ϕ∗ : H∗ (C ⊗ A) → H∗ (C ′ ⊗ A) ist ein Isomorphismus, für jedes A. (iii) ϕ∗ : H∗ (C ⊗ Q) → H∗ (C ′ ⊗ Q) und ϕ∗ : H∗ (C ⊗ Zp ) → H∗ (C ′ ⊗ Zp ) sind Isomorphismen, für jede Primzahl p. Beweis. Betrachte den Abbildungskegel Cϕ aus Beispiel IV.2.7. Nach Proposition IV.3.9 ist (i) zu H∗ (Cϕ ) = 0 äquivalent. Ein Blick auf die Definition des Abbildungskegels zeigt Cϕ⊗idA = Cϕ ⊗ A. Daher ist (ii) zu H∗ (Cϕ ⊗ A) = 0 für jede abelsche Gruppe A, äquivalent. Ebenso ist (iii) zu H∗ (Cϕ ⊗ Q) = 0 und H∗ (Cϕ ⊗ Zp ) = 0 für jede Primzahl p, äquivalent. Das Korollar folgt daher unmittelbar aus Korollar V.3.4, denn auch Cϕ ist ein freier Kettenkomplex. V.3.6. Bemerkung. Es sei C ein freier Kettenkomplex. Für flache abelsche Gruppen A verschwindet der Torsionsterm in Satz V.3.3 und wir erhalten daher einen natürlichen Isomorphismus Hn (C)⊗A = Hn (C ⊗A). Insbesondere erhalten wir für jeden Körper K mit Charakteristik 0 Hq (C) ⊗ K = Hq (C ⊗ K), (V.14) siehe Beispiel V.2.20, und damit auch, siehe (V.7) und Definition IV.4.18, bq (C) = dimK (Hq (C ⊗ K)). (V.15) Hat C endlich erzeugte Homologie, dann ist H∗ (C ⊗ K) also endlich dimensional, und es gilt X χ(C) = (−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)). q 202 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Hat K positive Charakteristik, dann verlieren (V.14) und (V.15) i.A. ihre Gültigkeit, vgl. Proposition V.2.24, die Formel für die Euler Charakteristik bleibt jedoch richtig. V.3.7. Korollar. Es sei C ein freier Kettenkomplex mit endlich erzeugter Homologie und K ein Körper beliebiger Charakteristik. Dann ist H∗ (C ⊗ K) endlich dimensional und es gilt X χ(C) = (−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)). q Beweis. Aus Satz V.3.3 erhalten wir dimK (Hq (C ⊗ K)) = dimK Hq (C) ⊗ K) + dimK Tor(Hq−1 (C), K) . Nach Proposition V.2.24 gilt dimK Hq (C) ⊗ K) = bq (C) + dimK Tor(Hq (C), K) . Kombination dieser beiden Gleichungen ergibt dimK (Hq (C ⊗ K)) = bq (C) + dimK Tor(Hq (C), K) + dimK Tor(Hq−1 (C), K) . P P Es folgt daher q (−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)) = q (−1)q bq (C) = χ(C). V.4. Singuläre Homologie mit Koeffizienten. Sei nun G eine abelsche Gruppe. Für jeden topologischen Raum X definieren wir den singulären Kettenkomplex von X mit Koeffizienten in G durch C∗ (X; G) := C∗ (X) ⊗ G. Jede stetige Abbildung f : X → Y induziert eine Kettenabbildung f♯ ⊗ idG : C∗ (X; G) → C∗ (Y ; G). Für jede weitere stetige Abbildung g : Y → Z gilt offensichtlich (g ◦ f )♯ ⊗ idG = (g♯ ⊗ idG ) ◦ (f♯ ⊗ idG ) : C∗ (X; G) → C∗ (Z; G) sowie (idX )♯ ⊗ idG = idC∗ (X;G) . Für fixes G erhalten wir daher einen Funktor C∗ (−; G) von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der Kettenkomplexe. Unter der q-ten Homologiegruppe von X mit Koeffizienten in G verstehen wir Hq (X; G) := Hq (C∗ (X; G)). Die Kettenabbildung f♯ ⊗ idG : C∗ (X; G) → C∗ (Y ; G) induziert einen Homomorphismus f∗ : H∗ (X; G) → H∗ (Y ; G) und es gilt (g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ : H∗ (X; G) → H∗ (Z; G) sowie (idX )∗ = idH∗ (X;G) für jede weitere stetige Abbildung g : Y → Z. Wir erhalten daher einen Funktor H∗ (−; G) : Top → aGrp∗ von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der graduierten abelschen Gruppen. Dieser Funktor wird der singuläre Homologiefunktor mit Koeffizienten in G genannt. Dies lässt sich in offensichtlicher Weise auf Paare topologischer Räume ausdehnen. Wir definieren den singulären Kettenkomplex eines Paares (X, A) mit Koeffizienten in G durch C∗ (X, A; G) := C∗ (X, A) ⊗ G. Da die kurze exakte Sequenz 0 → Cq (A) → Cq (X) → Cq (X, A) → 0 splittet, ist auch 0 → Cq (A) ⊗ G → Cq (X) ⊗ G → Cq (X, A) ⊗ G → 0 V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 203 eine (splittende) kurze exakte Sequenz, siehe Bemerkung V.1.15. Wir können daher C∗ (A; G) als Teilkomplex von C∗ (X; G) auffassen und erhalten die Darstellung C∗ (X, A; G) = C∗ (X; G)/C∗ (A; G). Unter der q-ten relativen Homologiegruppe von (X, A) mit Koeffizienten in G verstehen wir Hq (X, A; G) := Hq (C∗ (X, A; G)). Jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) induziert einen Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G). Gelegentlich schreiben wir auch H∗ (f ; G) : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G). Für jede weiter Abbildung von Paaren g : (Y, B) → (Z, C) gilt (g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ , sowie (id(X,A) )∗ = idH∗ (X,A;G) . Wir halten diese Beobachtungen in folgender Proposition fest. V.4.1. Proposition. Singuläre Homologie mit Koeffizienten in einer abelschen Gruppe G definiert einen kovarianten Funktor H∗ (−; G) : Top2 → aGrp∗ von der Kategorie der Paare topologischer Räume in die Kategorie der graduierten abelschen Gruppen. Dabei wird einer Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) der Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) zugeordnet. V.4.2. Bemerkung. Für jedes Paar (X, A) gilt C∗ (X, A; Z) = C∗ (X, A) und daher H∗ (X, A; Z) = H∗ (X, A). Die Funktoren H∗ (−; G) aus Proposition V.4.1 können daher als Verallgemeinerungen des Funktors H∗ (−) aus Kapitel IV verstanden werden. V.4.3. Bemerkung. Für jeden topologischen Raum X und jede abelsche Gruppe G gilt C∗ (X, ∅; G) = C∗ (X; G) und daher H∗ (X, ∅; G) = H∗ (X; G). V.4.4. Bemerkung. Jeder Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′ induziert eine Kettenabbildung idC∗ (X,A) ⊗ϕ : C∗ (X, A; G) → C∗ (X, A; G′ ). Für jeden weiteren Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ′ : G′ → G′′ gilt offensichtlich idC∗ (X,A) ⊗(ϕ′ ◦ ϕ) = (idC∗ (X,A) ⊗ϕ′ ) ◦ (idC∗ (X,A) ⊗ϕ) sowie idC∗ (X,A) ⊗ idG = idC∗ (X,A;G) . Die Kettenabbildung idC∗ (X,A) ⊗ϕ : C∗ (X, A; G) → C∗ (X, A; G′ ) induziert einen Homomorphismus ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (X, A; G′ ) für den wir gelegentlich auch Hq (X, A; ϕ) : Hq (X, A; G) → Hq (X, A; G′ ) schreiben. Aus obigen Betrachtungen folgt sofort (ϕ′ ◦ϕ)∗ = ϕ′∗ ◦ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (X, A; G′′ ) sowie (idG )∗ = idH∗ (X,A;G) . Für ein fixes Paar (X, A) erhalten wir daher einen Funktor H∗ (X, A; −) : aGrp → aGrp∗ von der Kategorie der abelschen Gruppen in die Kategorie der graduierten abelschen ϕ∗ / H∗ (X, A; G′ ) Gruppen. Für jede Abbildung von Paaren H∗ (X, A; G) f : (X, A) → (Y, B) gilt darüber hinaus f∗ f∗ f∗ ◦ ϕ∗ = ϕ∗ ◦ f∗ , dh. nebenstehendes Dia ϕ∗ gramm kommutiert. Dies bedeutet gerade, / H∗ (Y, B; G′ ) H∗ (Y, B; G) dass der Homologiefunktor als Bifunktor aufgefasst werden kann, H∗ (−; −) : Top2 ×aGrp → aGrp∗ . Wir schreiben in diesem Zusammenhang auch H∗ (f, ϕ) := ϕ∗ ◦ f∗ = f∗ ◦ ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → (Y, B; G′ ). V.4.5. Bemerkung. Ist R ein kommutativer Ring, dann ist C∗ (X, A; R) ein Kettenkomplex von R-Moduln, dh. das Differential in C∗ (X, A; R) ist R-linear. 204 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Auch ist die von einer Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) induzierte Kettenabbildung R-linear. Es sind dann auch die Homologiegruppen H∗ (X, A; R) Moduln über R, und der von einer Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) induzierte Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; R) → H∗ (Y, B; R) ist R-linear. Für einen fixen kommutativen Ring R können wir den Homologiefunktor daher als Funktor H∗ (−; R) : Top2 → ModR ∗ von der Kategorie der Paare topologischer Räume in die Kategorie der graduierten R-Moduln auffassen. Insbesondere erhalten wir für jeden Körper K einen Funktor H∗ (−; K) : Top2 → VspK ∗ von der Kategorie der Paare topologischer Räume in die Kategorie graduierter KVektorräume. Vor allem die Körper Q und Zp , p eine Primzahl, spielen in der algebraischen Topologie eine wichtige Rolle, vgl. die Korollare V.4.7 und V.4.8 unten. Aber auch die Körper R und C sind oft anzutreffen, vor Allem ihm Zusammenhang mit Analysis auf glatten Mannigfaltigkeiten. V.4.6. Satz (Universelles Koeffiziententheorem). Ist (X, A) ein Paar von Räumen und G eine abelsche Gruppe dann existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz 0 → Hn (X, A) ⊗ G → Hn (X, A; G) → Tor Hn−1 (X, A), G → 0, (V.16) dh. für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′ kommutiert das folgende Diagramm: / Hn (X, A) ⊗ G / Hn (X, A; G) / Tor Hn−1 (X, A); G /0 0 f∗ ⊗ϕ 0 / Hn (Y, B) ⊗ G′ / Hn (f,ϕ) Hn (Y, B; G′ ) Tor(f∗ ,ϕ) / Tor Hn−1 (Y, B); G′ / 0 Darüberhinaus splittet die kurze exakte Sequenz (V.16) und es gilt daher (V.17) Hn (X, A; G) ∼ = Hn (X, A) ⊗ G ⊕ Tor Hn−1 (X, A), G . Dieser Splitt kann nicht natürlich in (X, A) gewählt werden. Ist G = R ein kommutativer Ring, dann ist (V.16) eine splittende kurze exakte Sequenz von R-Moduln, dh. der Splitt kann R-linear gewählt werden und es gibt daher einen Isomorphismus von R-Moduln wie in (V.17). Beweis. Dies folgt aus Satz V.3.3 angewandt auf den singuläre Kettenkomplex C∗ (X, A). Beachte, dass dies ein freier Kettenkomplex ist. V.4.7. Korollar. Für ein Paar von Räumen (X, A) sind äquivalent: (i) H∗ (X, A) = 0. (ii) H∗ (X, A; G) = 0, für jede abelsche Gruppe G. (iii) H∗ (X, A; Q) = 0 und H∗ (X, A; Zp ) = 0, für jede Primzahl p. Beweis. Dies folgt aus Korollar V.3.4, denn C∗ (X, A) ist ein freier Kettenkomplex. V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 205 V.4.8. Korollar. Für eine Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) sind äquivalent: (i) f∗ : H∗ (X, A) → H∗ (Y, B) ist ein Isomorphismus. (ii) f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) ist ein Isomorphismus, für jedes G. (iii) f∗ : H∗ (X, A; Q) → H∗ (Y, B; Q) und f∗ : H∗ (X, A; Zp ) → H∗ (Y, B; Zp ) sind Isomorphismen, für jede Primzahl p. Beweis. Dies folgt aus Korollar V.3.5, denn C∗ (X, A) ist frei. V.4.9. Bemerkung. Für flache abelsche Gruppen G verschwindet der Torsionsterm in Satz V.4.6 und wir erhalten daher einen natürlichen Isomorphismus H∗ (X, A) ⊗ G = H∗ (X, A; G). Insbesondere haben wir für jeden Körper K mit Charakteristik 0 einen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume H∗ (X, A; K) = H∗ (X, A) ⊗ K, (V.18) und damit auch, siehe (V.7), bq (X, A) = dimK (Hq (X, A; K)). (V.19) Hat (X, A) endlich erzeugte Homologie, dann ist H∗ (X, A; K) also endlich dimensional, und es gilt X χ(X, A) = (−1)q dimK (Hq (X, A; K)). (V.20) q Hat K positive Charakteristik, dann verlieren (V.18) und (V.19) i.A. ihre Gültigkeit, die Formel für die Euler Charakteristik bleibt jedoch richtig, siehe Korollar V.3.7. V.4.10. Bemerkung. Aus Satz V.4.6 erhalten wir sofort H0 (X, A; G) = H0 (X, A) ⊗ G sowie H1 (X, A; G) = H1 (X, A) ⊗ G, denn H0 (X, A) ist stets frei abelsch. V.4.11. Beispiel. Ist X kontrahierbar, dann gilt ( G falls q = 0 Hq (X; G) = Hq (X) ⊗ G ∼ = 0 falls q = 6 0. für jede abelsche Gruppe G. Wir definieren die reduzierte Homologie mit Koeffizienten in G durch H̃q (X; G) := ker c∗ : Hq (X; G) → Hq ({∗}; G) wobei c : X → {∗} die konstante Abbildung in den einpunktigen Raum bezeichnet. Mit Beispiel V.4.11 folgt H̃q (X; G) = Hq (X; G) falls q 6= 0, und H0 (X; G) = H̃0 (X; G) ⊕ G für X 6= ∅. Ist X kontrahierbar dann gilt daher H̃∗ (X; G) = 0 für jede abelsche Gruppe G. 206 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.4.12. Beispiel. Für jede abelsche Gruppe G gilt ( G falls q = n H̃q (S n ; G) = H̃q (S n ) ⊗ G ∼ = 0 falls q = 6 n Dies folgt aus Satz IV.9.5 und Satz V.4.6. Für stetiges f : S n → S n ist der induzierte Homomorphismus f∗ : H̃n (S n ; G) → H̃n (S n ; G) durch Multiplikation mit dem Abbildungsgrad gegeben. Dies folgt aus der Natürlichkeitsaussage in Satz V.4.6. Weiters gilt ( G falls q = 0 oder q = n n n Hq (S ; G) = Hq (S ) ⊗ G ∼ = 0 sonst wobei dies im Fall n = 0 als H0 (S 0 ; G) = G ⊕ G zu lesen ist. V.4.13. Beispiel. Für n ≥ 0 und jede abelsche Gruppe G gilt ( G falls q = 0, 2, 4, . . . , 2n Hq (CPn ; G) = Hq (CPn ) ⊗ G ∼ = 0 sonst und die kanonische Inklusion CPn−1 → CPn , n ≥ 1, induziert einen Isomorphis∼ = → Hq (CPn ; G) für alle q 6= 2n. Dies folgt aus Beispiel IV.9.15 mus Hq (CPn−1 ; G) − und Satz V.4.6. Ebenso gilt, siehe Beispiel IV.9.16, ( G falls q = 0, 4, 8, . . . , 4n Hq (HPn ; G) = Hq (HPn ) ⊗ G ∼ = 0 sonst und die kanonische Inklusion HPn−1 → HPn , n ≥ 1, induziert einen Isomorphis∼ = → Hq (HPn ; G), für alle q 6= 4n. Aus Proposition V.4.14 unten mus Hq (HPn−1 ; G) − und Satz V.4.6 erhalten wir ( Z2 falls 0 ≤ q ≤ n Hq (RPn ; Z2 ) ∼ = 0 sonst denn Z ⊗ Z2 ∼ = Z2 ⊗ Z2 ∼ = Tor(Z2 , Z2 ) ∼ = Z2 und Tor(Z, Z2 ) = 0, vgl. die Bemerkungen V.1.6, V.2.12 und V.1.5 sowie (V.5). Die kanonische Inklusion ι : ∼ = RPn−1 → RPn , n ≥ 1, induziert Isomorphismen Hq (RPn−1 ; Z2 ) − → Hq (RPn ; Z2 ) für alle q 6= n, denn wegen der Natürlichkeit der kurzen exakten Sequenz in Satz V.4.6 haben wir ein kommutatives Diagramm 0 / Hq (RPn−1 ) ⊗ Z2 / Hq (RPn−1 ; Z2 ) ι∗ ⊗idZ2 0 / Hq (RPn ) ⊗ Z2 / Tor Hq−1 (RPn−1 ), Z2 ι∗ / Hq (RPn ; Z2 ) Tor(ι∗ ,idZ2 ) / Tor Hq−1 (RPn ), Z2 /0 /0 indem, für q < n, die beiden äußeren vertikalen Pfeile Isomorphsimen sind, vgl. Proposition V.4.14. Die kanonische Projektion S n → RPn induziert triviale Homomorphismen Hq (S n ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ) für alle q 6= 0. Auch dies folgt mithilfe V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 207 der Natütlichkeitsaussage in Satz V.4.6 aus der letzten Behauptung in Proposition V.4.14 unten. V.4.14. Proposition. Für n ≥ 0 gilt Z falls q = 0 Z falls 0 < q < n und q ungerade 2 ∼ Hq (RPn ) = Z falls q = n ungerade 0 sonst Der von der kanonische Inklusion RPn−1 → RPn , n ≥ 1, induzierte Homomorphismus Hq (RPn−1 ) → Hq (RPn ) ist ein Isomorphismus falls q 6= n, n − 1, und eine Surjektion falls q = n − 1. Für ungerades n bildet der von der kanonischen Projektion S n → RPn induzierte Homomorphismus Hn (S n ) → Hn (RPn ) einen Erzeuger von Hn (S n ) ∼ = Z ab. = Z auf das Doppelte eines Erzeugers in Hn (RPn ) ∼ Beweis. Wir beweisen die gesamte Aussage der Proposition mittels Induktion nach n. Der Induktionsbeginn n = 0 ist trivial, denn RP0 ∼ = {∗}. Für den Induktionsschritt sei nun n ≥ 1. Wir erinnern uns, dass RPn aus RPn−1 durch Ankleben einer n-Zelle entsteht, dh. RPn ∼ = RPn−1 ∪p D n , wobei p : n−1 n−1 S → RP die kanonische Projektion bezeichnet, siehe Abschnitt I.5. Nach Beispiel IV.9.14 induziert die kanonische Inklusion ι : RPn−1 → RPn Isomorphis∼ = → H̃q (RPn ) für q 6= n, n − 1, und wir erhalten eine exakte men ι∗ : H̃q (RPn−1 ) − Sequenz δ p∗ ι ∗ 0 → H̃n (RPn ) − → H̃n−1 (S n−1 ) − → H̃n−1 (RPn−1 ) − → H̃n−1 (RPn ) → 0 (V.21) denn nach Induktionsvoraussetzung gilt H̃n (RPn−1 ) = 0.53 Daher ist auch ι∗ : H̃n−1 (RPn−1 ) → H̃n−1 (RPn ) surjektiv. Für gerades n gilt nach Induktionsvoraussetzung H̃n−1 (RPn−1 ) ∼ = Z, und p∗ : H̃n−1 (S n−1 ) → H̃n−1 (RPn−1 ) bildet einen Erzeuger von H̃n−1 (S n−1 ) auf das Doppelte eines Erzeugers von H̃n−1 (RPn−1 ) ab. Aus der Exaktheit von (V.21) folgt daher H̃n (RPn ) = 0 und H̃n−1 (RPn−1 ) ∼ = Z2 , womit der Induktionsschritt für gerades n gezeigt wäre. Sei nun n ungerade. Nach Induktiosvoraussetzung gilt H̃n−1 (RPn−1 ) = 0, aus der Exaktheit von (V.21) folgt daher H̃n (RPn ) ∼ = Z und = H̃n−1 (S n−1 ) ∼ n H̃n−1 (RP ) = 0. Es bleibt also bloß noch zu zeigen, dass der von der kanonischen Projektion induzierte Homomorphis/ H̃ (S n /S −1 ) mus H̃n (S n ) → H̃n (RPn ) einen Erzeuger von H̃n (S n ) n n ∼ H̃n (S ) = Z auf das Doppelte eines Erzeugers von H̃n (RPn ) ∼ = Z abbildet. Diese Pro ∼ = / n n jektion induziert nebenstehendes kommutaH̃n (RP ) H̃n (RP /RPn−1 ) tives Diagramm. Nach Korollar IV.9.3 ist der 53Um lästige Fallunterscheidungen zu vermeiden arbeiten wir durchgehend mit reduzierter Homologie, der Übergang zur absoluten Homologie ist dann trivial. 208 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus, denn es gilt H̃n (RPn−1 ) = 0 = H̃n−1 (RPn−1 ). Nach Lemma V.4.15 unten, und weil (−1)n+1 = 1, bildet die Komposition des oberen mit dem rechten Pfeil einen Erzeuger von H̃n (S n ) auf das Doppelte eines Erzeugers von H̃n (RPn /RPn−1 ) ab. Damit ist der Beweis der Proposition vollständig. V.4.15. Lemma. Es sei n ≥ 1 und es bezeichne A : S n /S n−1 → S n /S n−1 die von der Antipodalabbildung induzierte Abbildung. Weiters sei x ∈ Hn (S n /S n−1 ) n das Bild eines Erzeugers von Hn (D+ /S n−1 ) ∼ = Z unter dem von der Inklusion n n n der oberen Hemisphäre D+ ⊆ S induzierten Homomorphismus Hn (D+ /S n−1 ) → Hn (S n /S n−1 ). Dann gilt: (i) {x, A∗ x} bildet eine Basis von Hn (S n /S n−1) ∼ = Z2 . n (ii) Der von der kanonischen Projektion S → S n /S n−1 induzierte Homomorphismus Hn (S n ) → Hn (S n /S n−1) bildet einen Erzeuger der Gruppe Hn (S n ) ∼ = Z auf ± x + (−1)n+1 A∗ x ab. (iii) Der von der kanonischen Projektion S n → RPn induzierte Homomorphismus Hn (S n /S n−1 ) → Hn (RPn /RPn−1 ) bildet x und A∗ x auf denselben Erzeuger von Hn (RPn /RPn−1 ) ∼ = Z ab. n Beweis. Die Inklusionen der beiden Hemisphären D± ⊆ S n induzieren einen n n Homöomorphismus D+ /S n−1 ∨ D− /S n−1 ∼ = S n /S n−1 , und dieser induziert einen Isomorphismus ∼ = n n → Hn (S n /S n−1), Hn (D+ /S n−1 ) ⊕ Hn (D− /S n−1 ) − (V.22) siehe Beispiel IV.9.11. Da obiger Homöomorphismus mit der Antipodalabbildung kommutiert folgt sofort die Behauptung (i). Für die zweite Behauptung beobachn n ten wir, dass die Kompositionen S n /S n−1 → S n /D∓ = D± /S n−1 einen Isomorphismus ∼ = n n Hn (S n /S n−1 ) − → Hn (D+ /S n−1) ⊕ Hn (D− /S n−1), π induzieren, der invers zu (V.22) ist. Da die Kompositionen S n − → S n /S n−1 → n n n n−1 S /D∓ = D± /S Homotopieäquivalenzen sind, bilden sie einen Erzeuger z ∈ n n /S n−1 ) ab. Aus obigen Überlegungen Hn (S ) auf einen Erzeuger von Hn (D± schließen wir nun π∗ z = ±x ± A∗ x ∈ Hn (S n /S n−1 ). Da π mit der Antipodalabbiln+1 dung kommutiert erhalten wir aus Satz IV.12.11(vi) weiters A A∗ z. ∗ π∗ z = (−1) 2 n+1 Zusammen mit A = id folgt nun π∗ z = ± x + (−1) A∗ x . Damit ist auch Bep n hauptung (ii) gezeigt. Da die Komposition D+ /S n−1 → S n /S n−1 − → RPn /RPn−1 ein Homöomorphismus ist, siehe Abschnitt I.5, ist p∗ x tatsächlich ein Erzeuger von Hn (RPn /RPn−1 ). Wegen p ◦ A = p wird A∗ x auf denselben Erzeuger abgebildet. Damit ist auch (iii) gezeigt. Wir wollen nun die wichtigsten Eigenschaften des Homologiefunktors aus Kapitel IV auf den Fall beliebiger Koeffizientengruppen verallgemeinern. Wir beschränken uns auf jene Resultate die wir später verwenden werden. V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 209 V.4.16. Proposition (Additivität). Sind (Xλ , Aλ ), λ ∈ Λ, F Paare von F Räume, ′, ′ dann induzieren die kanonischen Inklusionen (Xλ , Aλ ) → X A λ λ λ∈Λ λ∈Λ für jede abelsche Gruppe G einen Isomorphismus L F F ∼ λ∈Λ H∗ (Xλ , Aλ ; G) = H∗ λ′ ∈Λ Xλ , λ′ ∈Λ Aλ ; G . F L Beweis. Offensichtlich gilt C∗ λ∈Λ Xλ = λ∈Λ C∗ (Xλ ) und daher auch F L C∗ λ∈Λ Aλ = λ∈ΛC∗ (Aλ ), vgl. den Beweis von Proposition IV.5.15. Es folgt F F L C∗ λ∈Λ Xλ , λ∈Λ Aλ = λ∈Λ C∗ (Xλ , Aλ ) und daher, siehe Bemerkung V.1.9, F F L C∗ λ∈Λ Xλ , λ∈Λ Aλ ; ⊗ G = λ∈Λ C∗ (Xλ , Aλ ) ⊗ G . Mittels Proposition IV.1.4 folgt nun die Behauptung. V.4.17. Proposition (Homotopieinvarianz). Je zwei homotope Abbildungen von Paaren f ≃ g : (X, A) → (Y, B) induzieren denselben Homomorphismus in der Homologie f∗ = g∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) für jede abelsche Gruppe G. Beweis. Nach Satz IV.7.4 gilt f♯ ≃ g♯ : C∗ (X, A) → C∗ (Y, B). Mittels Bemerkung V.3.1 erhalten wir f♯ ⊗ idG ≃ g♯ ⊗ idG : C∗ (X, A; G) → C∗ (Y, B; G), woraus sofort f∗ = g∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) folgt. V.4.18. Proposition (Excision). Es sei (X, A) ein Paar von Räumen und Z ⊆ A eine Teilmenge, sodass Z̄ ⊆ Å. Dann induziert die kanonische Inklusion ∼ = (X \Z, A\Z) → (X, A) einen Isomorphismus H∗ (X \Z, A\Z; G) − → H∗ (X, A; G), für jede abelsche Gruppe G. Beweis. Nach Satz IV.9.1 induziert die Inklusion ι : (X \ Z, A \ Z) → (X, A) eine Kettenhomotopieäquivalenz ι♯ : C∗ (X \ Z, A \ Z) ≃ C∗ (X, A). Tensorieren mit G liefert eine Kettenhomotopieäquivalenz ι♯ ⊗ idG : C∗ (X \ Z, A \ Z; G) ≃ C∗ (X, A; G), siehe Bemerkung V.3.1. Daher induziert ι♯ ⊗idG einen Isomorphimus in der Homologie. Einen alternativen Beweis erhalten wir durch Kombination von Satz IV.9.1 mit Korollar V.4.8. V.4.19. Proposition. Es sei A ⊆ X eine nicht-leere abgeschlossene Teilmenge. Weiters existiere eine Umgebung U von A, sodass A Deformationsretrakt von U ist. Dann induziert die Projektion p : (X, A) → (X/A, A/A) einen Isomorphismus H∗ (X, A; G) ∼ = H∗ (X/A, A/A; G) für jede abelsche Gruppe G. Beweis. Dies folgt aus Korollar IV.9.2 und Korollar V.4.8. V.4.20. Proposition (Lange exakte Sequenz eines Tripels). Es sei G eine abelsche Gruppe. Jedes Tripel von Räumen (X, A, B) induziert eine lange exakte Sequenz von Homologiegruppen: δq+1 j∗ ι ∗ · · · → Hq+1 (X, A; G) −−→ Hq (A, B; G) − → → Hq (X, B; G) − j∗ δq → Hq−1 (A, B; G) → · · · − → Hq (X, A; G) − 210 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Dabei bezeichnen ι : (A, B) → (X, B) und j : (X, B) → (X, A) die kanonischen Inklusionen. Diese Sequenz ist natürlich, dh. das Diagramm / Hq+1 (X1 , A1 ; G1 ) δq+1 / / Hq+1 (X2 , A2 ; G2 ) / δq+1 / / / Hq (f,ϕ) / δq Hq (X1 , A1 ; G1 ) Hq (f,ϕ) ι∗ Hq (A2 , B2 ; G2 ) j∗ Hq (X1 , B1 ; G1 ) Hq (f |A1 ,ϕ) Hq+1 (f,ϕ) ι∗ Hq (A1 , B1 ; G1 ) j∗ Hq (X2 , B2 ; G2 ) / δq Hq (X2 , A2 ; G2 ) / kommutiert für jede Abbildung von Tripel f : (X1 , A1 , B1 ) → (X2 , A2 , B2 ) und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G1 → G2 . Beweis. Da C∗ (X, A) ein freier Kettenkomplex ist, splittet die kurze exakte Sequenz j♯ ι♯ → Cq (X, A) → 0. → Cq (X, B) − 0 → Cq (A, B) − Durch tensorieren mit G erhalten wir daher eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen, siehe Bemerkung V.1.15, ι♯ ⊗idG j♯ ⊗idG 0 → C∗ (A, B; G) −−−−→ C∗ (X, B; G) −−−−→ C∗ (X, A; G) → 0. Klarerweise ist diese Sequenz natürlich, dh. das Diagramm 0 C∗ (A1 , B1 ; G1 ) / ι♯ ⊗idG1 / C∗ (X1 , B1 ; G1 ) 0 / C∗ (A2 , B2 ; G2 ) / C∗ (X1 , A1 ; G1 ) f♯ ⊗ϕ (f |A )♯ ⊗ϕ j♯ ⊗idG1 ι♯ ⊗idG2 / / 0 / 0 f♯ ⊗ϕ j♯ ⊗idG2 C∗ (X2 , B2 ; G2 ) / C∗ (X2 , A2 ; G2 ) kommutiert. Die Proposition folgt daher aus Satz IV.3.1. V.4.21. Proposition (Lange exakte Sequenz eines Paares). Es sei G eine abelsche Gruppe. Jedes Paar von Räumen (X, A) induziert eine lange exakte Sequenz von Homologiegruppen δq+1 δq ι ∗ · · · → Hq+1 (X, A; G) −−→ Hq (A; G) − → Hq (X; G) → Hq (X, A; G) − → ··· wobei ι : A → X die kanonische Inklusion bezeichnet. Diese Sequenz ist natürlich, dh. das Diagramm / ··· Hq+1 (X, A; G) δq+1 / Hq (A; G) Hq+1 (f,ϕ) ··· / Hq+1 (Y, B; G′ ) δq+1 ι∗ / / Hq (f |A ,ϕ) Hq (B; G′ ) ι∗ / Hq (X; G) Hq (X, A; G) / Hq (f,ϕ) Hq (Y ; G′ ) δq / ··· / Hq (f,ϕ) Hq (Y, B; G′ ) δq / ··· kommutiert für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′ . Beweis. Dies folgt sofort aus Proposition V.4.20 angewandt auf das Tripel (X, A, ∅), siehe auch Bemerkung V.4.3. V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 211 V.4.22. Bemerkung. Auch Bemerkung IV.6.15 bleibt sinngemäß richtig. Ist (X, A, B) ein Tripel von Räumen, dann stimmt der Einhängungshomomorphismus δ (X,A,B) : Hq (X, A; G) → Hq−1 (A, B; G) in Proposition V.4.20 mit der Komposition δ(X,A) i ∗ Hq (X, A; G) −−−→ Hq−1 (A; G) = Hq−1 (A, ∅; G) − → Hq−1 (A, B; G) überein. Dabei bezeichnet i : (A, ∅) → (A, B) die kanonische Inklusion und δ (X,A) den Einhängungshomomorphismus aus Proposition V.4.21. V.4.23. Proposition (Mayer–Vietoris Sequenz). Es seien G eine abelsche Gruppe, X ein topologischer Raum und U, V ⊆ X zwei Teilmengen, sodass X = Ů ∪ V̊ . Dann existiert eine natürliche lange exakte Seqeunz (j U ,−j V ) ιU +ιV ∗ ∗ · · · → Hq (U ∩ V ; G) −−∗−−− → Hq (U; G) ⊕ Hq (V ; G) −∗−−→ ιU +ιV δq ∗ −∗−−→ Hq (X; G) − → Hq−1 (U ∩ V ; G) → · · · Dabei bezeichnen ιU : U → X, ιV : V → X, j U : U ∩ V → U und j V : U ∩ V → V die kanonischen Inklusionen. Beweis. Betrachte U := {U, V }. Wir erinnern uns an die kurze exakte Sequenz, siehe (IV.42), V ιU ♯ +ι♯ (j♯U ,−j♯V ) 0 → C∗ (U ∩ V ) −−−−−→ C∗ (U) ⊕ C∗ (V ) −−−→ C∗U (X) → 0. Da dies Sequenz splittet erhalten wir durch Tensorieren mit G eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen V ιU ♯ +ι♯ (j♯U ,−j♯V ) 0 → C∗ (U ∩ V ; G) −−−−−→ C∗ (U; G) ⊕ C∗ (V ; G) −−−→ C∗U (X) ⊗ G → 0. Nach Satz IV.8.9 ist die Inklusion C∗U (X) → C∗ (X) eine Kettenhomotopieäquivalenz. Daher ist auch C∗U (X) ⊗ G → C∗ (X) ⊗ G = C∗ (X; G) eine Kettenhomotopieäquivalenz, siehe Bemerkung V.3.1, und induziert also einen Isomorphismus in der Homologie. Aus Satz IV.3.1 erhalten wir nun die gewünschte lange exakte Mayer–Vietoris Sequenz. V.4.24. Bemerkung. Ist G = R ein kommutativer Ring, dann sind die langen exakten Sequenzen in den Propositionen V.4.20, V.4.21 und V.4.23 Sequenzen von R-Moduln, dh. alle Homomorphismen sind R-linear. Beachte, dass der Einhängungshomomorphismus einer kurzen exakten Sequenz von Kettenkomplexen über R offensichtlich R-linear ist, vgl. Satz IV.3.1. i p V.4.25. Proposition (Bockstein-Homomorphismus). Sei 0 → G1 − → G2 − → G3 → 0 eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen und (X, A) ein Paar von Räumen. Dann existiert eine lange exakte Sequenz i p∗ βq ∗ · · · → Hq (X, A; G1 ) − → Hq (X, A; G2 ) −→ Hq (X, A; G3 ) −→ Hq−1 (X, A; G1 ) → · · · 212 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Diese Sequenz ist natürlich, dh. für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) und jedes kommutativer Diagram / 0 i G1 / G3 / ϕ2 ϕ1 0 p G2 / i′ G′1 0 ϕ3 p′ G′2 / / G′3 / / 0 mit exakten Zeilen kommutiert auch das folgende Diagramm: Hq (X, A; G1 ) i∗ Hq (X, A; G2 ) / Hq (f,ϕ1 ) Hq (Y, B; G′1) p∗ Hq (X, A; G3 ) / Hq (f,ϕ2 ) i′∗ / Hq (Y, B; G′2 ) βq Hq−1 (X, A; G1 ) / Hq (f,ϕ3 ) p′∗ Hq (Y, B; G′3 ) / Hq−1 (f,ϕ1 ) βq′ / Hq−1 (Y, B; G′1 ) Der Homomorphismus β : H∗ (X, A; G3 ) → H∗−1 (X, A; G1 ) wird der von der p i kurzen exakten Sequenz 0 → G1 − → G2 − → G3 → 0 induzierte Bockstein-Homomorphismus genannt. i p Beweis. Tensorieren der kurzen exakten Sequenz 0 → G1 − → G2 − → G3 → 0 mit C∗ (X, A) liefert eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen idC∗ (X,A) ⊗i idC∗ (X,A) ⊗p 0 → C∗ (X, A) ⊗ G1 −−−−−−−→ C∗ (X, A) ⊗ G2 −−−−−−−→ C∗ (X, A) ⊗ G3 → 0, denn C∗ (X, A) ist ein freier Kettenkomplex, und diese induziert die gewünschte lange exakte Sequenz, siehe Satz IV.3.1. Die Natürlichkeit folgt sofort aus der Kommutativität des Diagramms 0 C∗ (X, A) ⊗ G1 / id ⊗i f♯ ⊗ϕ1 0 / C∗ (Y, B) ⊗ G′1 id ⊗p C∗ (X, A) ⊗ G2 / / C∗ (X, A) ⊗ G3 f♯ ⊗ϕ2 id ⊗i′ / C∗ (Y, B) ⊗ / 0 f♯ ⊗ϕ3 id ⊗p′ / G′2 C∗ (Y, B) ⊗ G′3 und der Natürlichkeitsaussage in Satz IV.3.1. / 0 V.4.26. Beispiel (Bockstein-Homomorphismus). Betrachte fogendes kommutatives Diagramm mit exakten Zeilen: / 0 Z m / Z ρ / Zm / 0 Zm / 0 ρ 0 / Zm m / Zm2 / Aus der ersten Zeile erhalten wir Bockstein-Homomorphismen β̃ : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Z) V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN 213 für jedes Paar von Räumen (X, A), und die zweite Zeile liefert Bockstein-Homomorphismen β : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Zm ). Nach Proposition V.4.25 gilt β = ρ∗ ◦ β̃ : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Zm ), und damit auch β 2 = β ◦ β = 0, denn β̃ ◦ ρ∗ = 0. Für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) gilt f∗ ◦ β̃ = β̃ ◦ f∗ sowie f∗ ◦ β = β ◦ f∗ , dh. die beiden Diagramme H∗ (X, A; Zm ) β̃ H∗−1 (X, A; Z) / f∗ f∗ H∗ (X, A; Zm ) H∗ (Y, B; Zm ) β̃ / β H∗−1 (X, A; Zm ) / f∗ f∗ H∗−1 (Y, B; Z) H∗ (Y, B; Zm ) β / H∗−1 (Y, B; Zm ) sind kommutativ. Ist etwa β : Hq (X, A; Zm ) → Hq−1 (X, A; Zm ) nicht-trivial, so erhalten wir nicht-triviale Relationen zwischen den von f induzierten Homomorphsimen f∗ : Hq (X, A; Zm ) → Hq (Y, B; Zm ) und f∗ : Hq−1 (X, A; Zm ) → Hq−1 (Y, B; Zm ). 2 V.4.27. Beispiel. Der von der kurzen exakten Sequenz 0 → Z2 − → Z4 → Z2 → 0 induzierte Bockstein-Homomorphismus, siehe Beispiel V.4.26 mit m = 2, β : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq−1 (RPn ; Z2 ) ist ein Isomorphismus für gerades q mit 2 ≤ q ≤ n, andernfalls ist β = 0. Für den von einer stetigen Abbildung f : RPn → RPn induzierten Homomorphismus f∗ : H∗ (RPn ; Z2 ) → H∗ (RPn ; Z2 ) sind die Relationen β ◦ f∗ = f∗ ◦ β daher nicht trivial. Insbesondere sehen wir, dass nicht jeder Homomorphismus graduierter Z2 -Vektorräume H∗ (RPn ; Z2 ) → H∗ (RPn ; Z2 ) von einer stetigen Abbildung induziert wird.54 Nun aber zum Beweis obiger Behauptung. Wir verwenden die Notation aus Beispiel V.4.26 mit m = 2. Aus Proposition V.4.25 erhalten wir ein kommutatives Diagramm Hq (RPn ; Z2 ) β̃ / Hq−1 (RPn ; Z) 2 / Hq−1 (RPn ; Z) ρ∗ Hq (RPn ; Z2 ) β / Hq−1 (RPn ; Z2 ) mit exakter erster Zeile. Sei nun q gerade mit 2 ≤ q ≤ n. Nach Proposition V.4.14 2 → gilt dann Hq−1 (RPn ; Z) ∼ = Z2 , also muss der Homomorphismus Hq−1 (RPn ; Z) − Hq−1 (RPn ; Z) verschwinden. Wir schließen daher, dass β̃ im obigen Diagramm 54Wir werden später noch wesentlich stärkere Relationen zwischen den induzierten Homomorphsimen fq : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ) herleiten, und dies führt dann sofort zu einem Beweis des allgemeinen Borsuk–Ulam Theorems, vgl. Satz I.4.10 und Bemerkung I.4.11. 214 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN surjektiv ist. Aus Satz V.4.6 erhalten wir nebenstehendes kommutatives Diagramm, indem der untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus ist, denn Hq−1 (RPn ; Z) Hq−1 (RPn ) ⊗ Z n es gilt Tor(Hq−2 (RP ), Z2 ) = 0, siehe ρ∗ 1⊗ρ∗ Proposition V.4.14. Da der linke ver ∼ = / tikale Pfeil offensichtlich surjektiv ist, Hq−1 (RPn ) ⊗ Z2 Hq−1 (RPn ; Z2 ) muss also auch der rechte vertikale Homomorphismus surjektiv sein. Wir schließen, dass β = β̃ ◦ ρ∗ surjektiv ist, für gerades q mit 2 ≤ q ≤ n. Zusammen mit β ◦ β = 0, siehe Beispiel V.4.26, und den Berechnungen in Beispiel V.4.13 folgt nun die Behauptung. V.5. Künneth Formel. Wir werden im nächsten Abschnitt eine natürliche Kettenhomotopieäquivalenz C(X × Y ) ≃ C(X) ⊗ C(Y ) konstruieren und so die Berechnung der Homologie von X × Y auf die Berechnung der Homologie eines Tensorproduktes freier Kettenkomplexe zurückführen. Das Künneth– Theorem welches wir in diesem Abschnitt herleiten wollen, siehe Satz V.5.8 unten, beantwortet dieses algebraische Problem. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einem Tensorprodukt von zwei R-Moduln A und B verstehen wir einen R-Modul A ⊗R B zusammen mit einer R-bilinearen Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗R B, (a, b) 7→ a ⊗ b, die folgende universelle Eigenschaft besitzt. Ist C ein weiterer R-Modul und ϕ : A × B → C eine R-bilineare Abbildung, dann existiert genau eine R-lineare Abbildung ϕ̃ : A ⊗R B → C, sodass ϕ̃ ◦ ⊗ = ϕ. Durch diese universelle Eigenschaft ist A ⊗R B zusammen mit der bilinearen Abbildung ⊗ bis auf kanonischen Isomorphismus eindeutig bestimmt, wir sprechen daher von dem Tensorprodukt von A mit B. Um die Existenz von Tensorprodukten einzusehen, bezeichne F die von der Menge A × B erzeugte freie abelsche Gruppe, und es bezeichne P ⊆ F die Untergruppe die von Elementen der Form (a1 + a2 , b) − (a1 , b) − (a2 , b), (a, b1 + b2 ) − (a, b1 ) − (a, b2 ), (ra, b) − (a, rb) erzeugt wird, a, ai ∈ A, b, bi ∈ B, r ∈ R. Definiere nun A ⊗R B := F/P , und a ⊗ b := [(a, b)]. Beachte, dass r · [(a, b)] := [(ra, b)] = [(a, rb)] wegen der Kommutativität von R eine R-Modulstruktur auf A⊗R B definiert. Offensichtlich ist dann ⊗ : A × B → A ⊗R B eine R-bilineare Abbildung. Ist nun ϕ : A × B → C eine R-bilineare Abbildung, dann faktorisiert der durch (a, b) 7→ ϕ(a, b) definierte Homomorphismus F → C zu einer R-linearen Abbildung ϕ̃ : A ⊗R B = F/P → C, für die nun ϕ̃ ◦ ⊗ = ϕ gilt. Es kann auch nur ein solches ϕ̃ geben, denn A ⊗R B wird von Elementen der Form a ⊗ b erzeugt. Also hat das eben konstruierte ⊗ : A × B → A ⊗R B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts. Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei R-Modulhomomorphismen, dann induzieren diese einen R-Modulhomomorphismus ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ , denn A × B → A′ ⊗R B, (a, b) 7→ ϕ(a) ⊗ ψ(b) ist offensichtlich R-bilinear. Diese Konstruktion ist funktoriell, dh. für zwei weitere R-Modulhomomorphismen ϕ′ : V.5. KÜNNETH FORMEL 215 A′ → A′′ und ψ ′ : B ′ → B ′′ gilt (ϕ′ ⊗ ψ ′ ) ◦ (ϕ ⊗ ψ) = (ϕ′ ◦ ϕ) ⊗ (ψ ′ ◦ ψ). Das Tensorprodukt von R-Moduln liefert daher einen Funktor ModR × ModR → ModR . Für den Ring R = Z erhalten wir das Tensorprodukt abelscher Gruppen, vgl. Abschnitt V.1, denn ein Z-Modul ist dasselbe wie eine abelsche Gruppe. Für einen Körper K = R erhalten wir das übliche Tensorprodukt von Vektorräumen über K. V.5.1. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Für jeden R-Modul A induziert die R-bilineare Abbildung A × R → A, (a, r) 7→ ra, einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln A ⊗R R = A (V.23) mit Inversem a 7→ a⊗1R . Für je zwei R-Moduln A und B induziert die R-bilineare Abbildung A × B → B ⊗R A, (a, b) 7→ b ⊗ a, einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln A ⊗R B = B ⊗R A. (V.24) Ebenso haben wir für je drei R-Moduln A, B und C, einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln (A ⊗R B) ⊗R C = A ⊗R (B ⊗R C), (V.25) vgl. Bemerkung V.1.4. Wie auch für abelsche Gruppen haben wir einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln L L λ ⊗R B = λ∈Λ (Aλ ⊗R B) (V.26) λ∈Λ A für R-Moduln Aλ . V.5.2. Bemerkung. Es seien A und B abelsche Gruppen und R ein kommutativer Ring mit Eins. Dann haben wir einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln, vgl. Bemerkung V.1.20, (A ⊗ R) ⊗R (B ⊗ R) = (A ⊗ B) ⊗ R. Dieser wird von der mulilinearen Abbildung A × R × B × R → (A ⊗ B) ⊗ R, (a, r, b, s) 7→ (a ⊗ b) ⊗ (rs) induziert. Der Inverse wird von der multilinearen Abbildung A × B × R → (A ⊗ R) ⊗R (B ⊗ R), (a, b, r) 7→ (a ⊗ r) ⊗ (b ⊗ 1R ) = (a ⊗ 1R ) ⊗ (b ⊗ r) induziert. Sind A und B zwei graduierte R-Moduln, dann definieren wir ihr Tensorprodukt A ⊗R B als den graduierten R-Modul L (A ⊗R B)n := p+q=n Ap ⊗R Bq . Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen graduierter R-Moduln, so erhalten wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ indem wir L (ϕ ⊗ ψ)n : (A ⊗R B)n → (A′ ⊗R B ′ )n , (ϕ ⊗ ψ)n := p+q=n (ϕp ⊗ ψq ) 216 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN setzen. Das Tensorprodukt graduierter R-Moduln liefert daher einen Funktor R R ⊗ : ModR ∗ × Mod∗ → Mod∗ . V.5.3. Bemerkung. Fassen wir R als einen im Grad 0 konzentrierten graduierten R-Modul auf, so erhalten wir aus (V.23) einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln A ⊗R R = A (V.27) für jeden graduierten R-Modul A. Aus (V.25) erhalten wir einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln (A ⊗R B) ⊗R C = A ⊗R (B ⊗R C), (V.28) für je drei graduierte R-Moduln A, B und C. Aus (V.26) erhalten wir einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln, L L λ A ⊗R B = λ∈Λ (Aλ ⊗R B) (V.29) λ∈Λ L λ für graduierte R-Moduln Aλ , λ ∈ Λ, und B. bezeichnet λ∈Λ A die L Dabei L λ λ direkte Summe graduierter R-Moduln, dh. ( λ∈Λ A )n := λ∈Λ An . Für zwei graduierte R-Moduln A und B definieren wir einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln auf Elementen a ⊗ b ∈ Ap ⊗R Bq , durch ∼ = → B ⊗R A, τ A,B : A ⊗R B − τ A,B (a ⊗ b) := (−1)pq b ⊗ a (V.30) Dies würde auch ohne Vorzeichen funktionieren, vgl. (V.24), das Vorzeichen wird notwendig wenn wir Tensorprodukte von Kettenkomplexen über R betrachten, siehe unten. Sind C und D zwei Kettenkomplexe über R, dann machen wir den graduierten R-Modul C ⊗R D zu einem Kettenkomplex über R indem wir ein Differential ∂nC⊗R D : (C ⊗R D)n → (C ⊗R D)n−1 auf Elementen c ⊗ d ∈ Cp ⊗R Dq mit p + q = n, durch ∂nC⊗R D (c ⊗ d) := (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) (V.31) definieren. Dies ist tatsächlich ein Differential, denn C⊗R D C⊗R D C⊗R D ∂n−1 ∂n (c ⊗ d) = ∂n−1 (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) C = (∂p−1 ∂pC c) ⊗ d + (−1)p−1 (∂pC c) ⊗ (∂qD d) + (−1)p (∂pC c) ⊗ (∂qD d) D + (−1)p (−1)p c ⊗ (∂q−1 ∂qD d) = 0. Beachte, dass hierfür das Vorzeichen in (V.31) wesentlich ist. Sind ϕ : C → C ′ und ψ : D → D ′ zwei Kettenabbildungen zwischen Kettenkomplexen über R, dann ist der Homomorphismus graduierter R-Moduln V.5. KÜNNETH FORMEL 217 ϕ⊗ψ : C ⊗R D → C ′ ⊗R D ′ wieder eine Kettenabbildung, denn für c⊗d ∈ Cp ⊗Dq mit p + q = n gilt: ∂nC⊗R D ◦ (ϕ ⊗ ψ) (c ⊗ d) = ∂nC⊗R D (ϕc ⊗ ψd) = (∂pC ϕc) ⊗ ψd + (−1)p ϕc ⊗ (∂qD ψd) = (ϕ∂pC c) ⊗ ψd + (−1)p ϕc ⊗ (ψ∂qD d) = (ϕ ⊗ ψ) (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) = (ϕ ⊗ ψ) ◦ ∂nC⊗R D (c ⊗ d) Das Tensorprodukt von Kettenkomplexen über R liefert daher einen Funktor ⊗ : CompR × CompR → CompR . V.5.4. Bemerkung. Fassen wir R als einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex (mit trivialen Differential) auf, dann liefert (V.27) einen kanonischen Isomorphismus von Kettenkomplexen über R, C ⊗R R = C. (V.32) Für drei Kettenkomplexe C, D, E über R definiert (V.28) einen kanonischen Isomorphismus von Kettenkomplexen über R, (C ⊗R D) ⊗R E = C ⊗R (D ⊗R E), (V.33) denn für c ⊗ d ⊗ e ∈ Cp ⊗R Dq ⊗R Er mit p + q + r = n gilt C⊗R D ∂n(C⊗R D)⊗R E (c ⊗ d ⊗ e) = ∂p+q (c ⊗ d) ⊗ e + (−1)p+q (c ⊗ d) ⊗ (∂rE e) = (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) ⊗ e + (−1)p+q c ⊗ d ⊗ (∂rE e) = (∂pC c) ⊗ (d ⊗ e) + (−1)p c ⊗ (∂qD )d ⊗ e + (−1)q d ⊗ (∂ E e) = (∂pC c) ⊗ (d ⊗ e) + (−1)p c ⊗ ∂qD⊗R E (d ⊗ e) = ∂nC⊗R (D⊗R E) (c ⊗ d ⊗ e) Für Kettenkomplexe C λ , λ ∈ Λ, und D liefert (V.29) einen kanonischen Isomorphismus von Kettenkomplexen über R, L L λ ⊗R D = λ∈Λ (C λ ⊗R D). (V.34) λ∈Λ C L Dabei bezeichnet λ∈Λ C λ die direkte Summe von Kettenkomplexen über R, dh. L L L L λ λ Cλ ∂n λ := λ ∂nC : λ Cnλ → λ Cn−1 . Wie in Proposition IV.1.4 erhalten wir auch einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln L L λ H = λ∈Λ H(C λ ). (V.35) λ∈Λ C Für zwei Kettenkomplexe C und D über R definiert (V.30) einen kanonischen Isomorphismus von Kettenkomplexen über R, ∼ = → D ⊗R C. τ C,D : C ⊗R D − 218 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Beachte, dass hier das Vorzeichen in der Definition von τ C,D , siehe (V.30), wesentlich eingeht, denn für c ⊗ d ∈ Cp ⊗R Dq mit p + q = n, gilt: ∂nD⊗R C ◦ τ C,D (c ⊗ d) = ∂nD⊗R C (−1)pq d ⊗ c = (−1)pq (∂qD d) ⊗ c + (−1)q d ⊗ (∂pC c) = (−1)(p−1)q d ⊗ (∂pC c) + (−1)p (−1)p(q−1) (∂qD d) ⊗ c = τ C,D (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) = τ C,D ◦ ∂nC⊗R D (c ⊗ d) V.5.5. Bemerkung. Das Tensorprodukt von Kettenkomplexen über R ist auch mit Kettenhomotopie55 verträglich. Sind ϕ ≃ ϕ̃ : C → C ′ und ψ ≃ ψ̃ : D → D ′ homotope Kettenabbildungen zwischen Kettenkomplexen über R, dann gilt ′ auch ϕ ⊗ ψ ≃ ϕ̃ ⊗ ψ̃ : C ⊗R D → C ′ ⊗R D ′ . Sind nämlich g : C∗ → C∗+1 und ′ h : D∗ → D∗+1 zwei R-lineare Homotopien mit ′ ϕ̃ − ϕ = g ◦ ∂ C + ∂ C ◦ g, und ′ ψ̃ − ψ = h ◦ ∂ D + ∂ D ◦ h, dann ist k : (C ⊗R D)∗ → (C ′ ⊗R D ′ )∗+1 definiert durch k|Cp ⊗R Dq := gp ⊗ ψq + (−1)p ϕ̃p ⊗ hq eine R-lineare Homotopie mit ′ ′ ϕ̃ ⊗ ψ̃ − ϕ ⊗ ψ = k ◦ ∂ C⊗R D + ∂ C ⊗R D ◦ k. Insbesondere folgt aus C ≃ C ′ und D ≃ D ′ sofort C ⊗R D ≃ C ′ ⊗R D ′ . Für zwei Kettenkomplexe C und D über R definieren wir λC,D p,q : Hp (C) × Hq (D) → Hp+q (C ⊗R D), λC,D [c], [d] := [c ⊗ d]. Beachte, dass dies aufgrund von (V.31) tatsächlich wohldefiniert ist. Offensichtlich ist diese Abbildung R-bilinear und kann daher auch als R-lineare Abbildung λC,D p,q : Hp (C) ⊗R Hq (D) → Hp+q (C ⊗R D) aufgefasst werden. Wir erhalten somit einen kanonischen Homomorphismus graduierter R-Moduln λC,D : H(C) ⊗R H(D) → H(C ⊗R D). (V.36) In der folgenden Proposition stellen wir einige einfache Eigenschaften dieses Homomorpshimus zusammen, die wir später verwenden werden. V.5.6. Proposition. Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, dann gilt: 55Unter einer Kettenhomotopie zwischen Kettenkomplexen über R verstehen wir eine Rlineare Kettenhomotopie. V.5. KÜNNETH FORMEL 219 (i) Für je zwei Kettenabbildungen ϕ : C → C ′ und ψ : D → D ′ zwischen Kettenkomplexen über R kommutiert das folgende Diagramm: λC,D H(C) ⊗R H(D) H(C ⊗R D) / ϕ∗ ⊗ψ∗ (ϕ⊗ψ)∗ ′ ′ λC ,D H(C ′ ) ⊗R H(D ′ ) H(C ′ ⊗R D ′ ) / (ii) Für je zwei Kettenkomplexe C und D über R kommutiert das folgende Diagramm: λC,D H(C) ⊗R H(D) H(C ⊗R D) / ∼ = τ∗C,D ∼ = τ H(C),H(D) H(D) ⊗R H(C) λD,C H(D ⊗R C) / (iii) Für je drei Kettenkomplexe C, D und E über R ist das folgende Diagramm kommutativ: H(C) ⊗R H(D) ⊗R H(E) λC,D ⊗idH(E) H(C ⊗R D) ⊗R H(E) / idH(C) ⊗λD,E λC⊗R D,E λC,D⊗R E H(C) ⊗R H(D ⊗R E) / H(C ⊗R D ⊗R E) (iv) Fassen wir R als einen in Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex auf, dann gilt H(R) = R, C ⊗R R = C und folgendes Diagramm kommutiert: H(C) ⊗R H(R) λC,R / H(C ⊗R R) H(C) ⊗R R H(C) (v) Für Kettenkomplexe C α , α ∈ A, und D über R kommutiert das folgende Diagramm: L α L α L α λ C ,D /H ( H ⊗R H(D) α C ) ⊗R D αC siehe (V.34) siehe (V.35) L L α α H(C ) ⊗R H(D) α H siehe (V.29) H(C α ) ⊗R H(D) L α λC ,D / L L α α α (C ⊗R D) siehe (V.35) H(C α ⊗R D) Beweis. Alle diese Aussagen sind trivial, λ wird ja im Wesentlichen von der identischen Abbildung induziert. 220 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.5.7. Satz (Künneth Theorem). Es seien C und D zwei Kettenkomplexe über einem Körper K. Dann ist ∼ = λC,D : H(C) ⊗K H(D) − → H(C ⊗K D) ein natürlicher Isomorphismus, es gilt daher M Hp (C) ⊗K Hq (D). Hn (C ⊗K D) ∼ = p+q=n Sind A und B zwei graduierte abelsche Gruppen, dann definieren wir eine graduierte abelsche Gruppe Tor(A, B) durch M Tor(A, B)n := Tor(Ap , Bq ). p+q=n Dies liefert in naheliegender Weise einen Funktor Tor : aGrp∗ ×aGrp∗ → aGrp∗ der den Funktor aus Abschnitt V.2 erweitert. V.5.8. Satz (Künneth Theorem). Es seien C und D zwei Kettenkomplexe56 von denen mindestens einer frei ist. Dann existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen λC,D 0 → H(C) ⊗ H(D) n −−−→ Hn (C ⊗ D) → Tor(H(C), H(D))n−1 → 0 dh. für zwei Kettenabbildungen ϕ : C → C ′ und D → D ′ kommutiert das Diagramm / H(C) ⊗ H(D) 0 ϕ∗ ⊗ψ∗ / H(C ′ ) ⊗ H(D ′ ) 0 λC,D n / Hn (C ⊗ D) / Tor(H(C), H(D))n−1 (ϕ⊗ψ)∗ C ′ ,D ′ λ n / Hn (C ′ ⊗ D ′ ) /0 Tor(ϕ∗ ,ψ∗ ) / Tor(H(C ′ ), H(D ′ ))n−1 /0 Sind C und D beide frei, dann splittet diese Sequenz und es gilt daher Hn (C ⊗ D) ∼ = H(C) ⊗ H(D) n ⊕ Tor(H(C), H(D))n−1 M M = Hp (C) ⊗ Hq (D) ⊕ Tor(Hp (C), Hq (D)). p+q=n p+q=n−1 Dieser Split kann jedoch nicht natürlich gewählt werden. V.5.9. Bemerkung. Die beiden Sätze V.5.7 und V.5.8 können als Spezialfälle eines allgemeineren Künneth–Theorems aufgefasst werden. Dieses berechnet den graduierten R-Modul H(C ⊗R D) für freie Kettenkomplexe C und D über einem Hauptidealring R. Das Resultat sieht wie Satz V.5.8 aus, nur treten jetzt Tensorprodukt über R und eine Verallgemeinerung des Tor-Funktors für R-Moduln auf. Genaueres findet sich etwa in [6]. 56dh. R=Z V.5. KÜNNETH FORMEL 221 V.5.10. Bemerkung. Ist G eine abelsche Gruppe und fassen wir diese als einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex D := G auf, dann gilt H(D) = G, und Satz V.5.8 reduziert sich auf das universelle Koeffiziententheorem V.3.3. Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts werden wir die beiden Sätze oben beweisen. Unter einem freien R-Modul verstehen wir einen R-Modul der zu einer L direkten Summe α∈A R isomorph ist. Ein freier Z-Modul ist daher dasselbe wie eine freie abelsche Gruppe. Jeder Vektorraum über K besitzt eine Basis und ist daher ein freier K-Modul. Unter einem freien Kettenkomplex über R verstehen wir einen Kettenkomplex C über R indem jedes Cq ein freier R-Modul ist. Jeder Kettenkomplex über einem Körper K ist frei. V.5.11. Lemma. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und es sei C ein freier Kettenkomplex über R mit ∂ C = 0, dh. H(C) = C. Dann ist ∼ = → H(C ⊗R D) λC,D : H(C) ⊗R H(D) − ein Isomorphismus von R-Moduln, für jeden weiteren Kettenkomplex D über R. Beweis. Wir betrachten zunächst C = R, dh. wir fassen R als einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex auf. In diesem Fall folgt die Behauptung sofort aus Proposition V.5.6(iv). Etwas allgemeiner sei nun k ∈ Z fix, und C von der Form Ck = R und Cq = 0 für q 6= k. Da sich dies von dem zuvor betrachteten Kettenkomplex bloß um eine Verschiebung der Graduierung unterscheidet, bleibt die Behauptung des Lemmas offensichtlich auch für diesen Kettenkomplex richtig. Jeder freie C über R mit ∂ C = 0 ist zu einem Kettenkomplex der L Kettenkomplex α Form isomorph, wobei jeder der Kettenkomplexe C α von der oben α∈A C betrachteten Gestalt ist, dh. es existieren kα ∈ Z, sodass Ckαα = R und Cqα = 0 für alle q 6= kα . Das Lemma folgt daher aus Proposition V.5.6(v). Sei nun C ein freier Kettenkomplex über R. Wir definieren einen Kettenkomplex C + durch Verschiebung der Graduierung, dh. C∗+ := C∗−1 . Dann können wir j ∂C 0 → ZC − → C −→ BC + → 0 (V.37) als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen über R auffassen. Dabei bezeichnen ZC die Zyklen von C und BC + die Ränder von C + mit den trivialen Diffe+ rentialen ∂ ZC = 0 und ∂ BC = 0. Ist nun R = K ein Körper oder R = Z dann ist auch BC + ⊆ C + frei, und die Sequenz (V.37) splittet daher.57 Also ist auch j⊗idD ∂ C ⊗id D 0 → ZC ⊗R D −−−→ C ⊗R D −−−−→ BC + ⊗R D → 0 57Dieses Argument bleibt für Hauptidealringe R richtig, denn in diesem Fall ist jeder Teilmodul eines freien R-Moduls wieder frei. 222 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN eine splittende kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen über R. Diese induziert eine lange exakte Sequenz von R-Moduln δ (∂ C ⊗idD )∗ (j⊗idD )∗ Hn+1 BC + ⊗R D − → Hn (ZC ⊗R D) −−−−−→ Hn (C ⊗R D) −−−−−−→ (∂ C ⊗idD )∗ δ −−−−−−→ Hn (BC + ⊗R D) − → Hn−1 (ZC ⊗R D) Eine einfache Überlegung zeigt, dass das folgende Diagramm kommutiert: δ / Hn (ZC ⊗R D) Hn+1 BC + ⊗R D O O ∼ = λZC,D ∼ = λBC + ,D H(BC + ) ⊗R H(D) BC ⊗R H(D) n+1 i⊗idH(D) n H(ZC) ⊗R H(D) / ZC ⊗R H(D) n (V.38) n wobei i : BC → ZC die kanonische Inklusion bezeichnet. Nach Lemma V.5.11 sind die vertikalen λ-Pfeile alle Isomorphismen. Aus der langen exakten Sequenz oben erhalten wir somit eine natürliche exakte Sequenz i⊗idH(D) 0 → coker BC ⊗R H(D) n −−−−−→ (ZC ⊗R H(D) n → Hn (C ⊗R D) → i⊗idH(D) → ker BC ⊗R H(D) n−1 −−−−−→ ZC ⊗R H(D) n−1 → 0. (V.39) Zur Berechnung der beiden Randterme in (V.39) betrachten wir nun die kurze exakte Sequenz graduierter R-Moduln i 0 → BC − → ZC → H(C) → 0. (V.40) Ist R = K ein Körper, dann ist H(C) frei, die Sequenz (V.40) splittet daher, und wir erhalten durch Tensorieren mit H(D) eine kurze exakte Sequenz graduierter K-Vektorräume i⊗idH(D) 0 → BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) → H(C) ⊗K H(D) → 0. Wir erhalten somit natürliche Isomorphismen: i⊗idH(D) ker BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) = 0 i⊗idH(D) coker BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) = H(C) ⊗K H(D) Die kurze exakte Sequenz (V.39) liefert für R = K daher den gesuchten Isomorphismus: H(C) ⊗K H(D) n = Hn (C ⊗K D). V.5. KÜNNETH FORMEL 223 Eine einfache Überlegung zeigt, dass dieser tatsächlich mit λC,D übereinstimmt, siehe (V.38). Damit ist Satz V.5.7 gezeigt, die Natürlichkeitsaussage haben wir schon in Proposition V.5.6(i) festgehalten. Sei nun R = Z. Wir betrachten wieder die kurze exakte Sequenz i 0 → Bp (C) − → Zp (C) → Hp (C) → 0. Da C frei ist, sind auch Bp (C) und Zp (C) frei, dies ist also eine freie Auflösung von Hp (C). Für jedes q erhalten wir somit eine natürliche exakte Sequenz:58 i⊗idHq (D) 0 → Tor(Hp (C), Hq (D)) → Bp (C) ⊗ Hq (D) −−−−−−→ i⊗idHq (D) −−−−−−→ Zp (C) ⊗ Hq (D) → Hp (C) ⊗ Hq (D) → 0. Summieren über alle p und q liefert eine natürliche exakte Sequenz graduierter abelscher Gruppen i⊗idH(D) 0 → Tor(H(C), H(D)) → BC ⊗ H(D) −−−−−−→ ZC ⊗ H(D) → H(C) ⊗ H(D) → 0. und daher natürliche Isomorphismen i⊗idH(D) ker BC ⊗ H(D) −−−−−→ ZC ⊗ H(D) = Tor(H(C), H(D)) i⊗idH(D) coker BC ⊗ H(D) −−−−−→ ZC ⊗ H(D) = H(C) ⊗ H(D) Zusammen mit der kurzen exakten Sequenz (V.39) erhalten wir nun die gesuchte kurze exakte Sequenz 0 → H(C) ⊗ H(D) n → Hn (C ⊗ D) → Tor(H(C), H(D))n−1 → 0. (V.41) Wieder ist es leicht einzusehen, dass der injektive Homomorphismus mit λC,D übereinstimmt. Auch die Natürlichkeitsaussage ist trivial, wir haben ja bloß natürliche Kostruktionen verwendet. Um den Beweis von Satz V.5.8 abzuschließen genügt es nun einen Splitt dieser Sequenz zu konstruieren. Seien dazu C und D beide frei. Wähle einen Splitt r : C → ZC der kurzen exakten Sequenz 0 → ZC → C → BC + → 0 und einen Splitt ρ : D → ZD der kurzen exakten Sequenz 0 → ZD → D → BD + → 0. Fassen wir dies als Kettenabbildungen r̄ : C, ∂ C → H(C), ∂ = 0 und ρ̄ : D, ∂ D → H(D), ∂ = 0 auf, so erhalten wir eine Kettenabbildung r̄ ⊗ ρ̄ : C ⊗ D, ∂ C⊗D → H(C) ⊗ H(D), ∂ = 0 und diese induziert einen Homomorphismus abelscher Gruppen (r̄ ⊗ ρ̄)∗ : Hn (C ⊗ D) → H(C) ⊗ H(D) n . 58Auch dieser Schritt lässt sich über jedem Hauptidealring R durchführen, in diesem Fall tritt nun aber die naheliegende Verallgemeinerung des Tor-Funktors für R-Moduln auf. 224 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Eine einfache Überlegung zeigt, dass dies ein Splitt der Sequenz (V.41) ist. Damit ist auch der Beweis von Satz V.5.8 vollständig. V.6. Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Wir werden in diesem Abschnitt eine natürliche Kettenhomotopieäquivalenz C(X × Y ) ≃ C(X) ⊗ C(Y ) konstruieren, siehe Satz V.6.2 unten, und diese dann mit dem universellen Koeffiziententheorem aus Abschnitt V.5 kombinieren um H(X × Y ) zu berechnen, siehe Korollar V.6.7 bzw. Korollar V.6.8 unten. Es ist möglich für diese Kettenhomotopieäquivalenz explizite Formeln anzugeben, vgl. Bemerkung V.6.4 unten, diese sind aber nicht besonders hilfreich. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass eine solche natürliche Kettenhomotopieäquivalenz bis auf Kettenhomotopie eindeutig ist. Insbesondere ist der davon induzierte Isomorphismus H(X × Y ) = H(C(X) ⊗ C(Y )) unabhängig von der Wahl einer solchen natürlichen Kettenhomotopieäquivalenz. V.6.1. Definition (Eilenberg–Zilber Äquivalenz). Unter einer Eilenberg–Zilber Äquivalenz verstehen wir normierte natürliche Kettenabbildungen P : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y ) bzw. Q : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ). Dh. P bzw. Q sind für je zwei topologische Räume X und Y definiert, und für stetige Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ kommutieren die Diagramme P X,Y C(X) ⊗ C(Y ) / C(X × Y ) f♯ ⊗g♯ (f ×g)♯ ′ P C(X ′ ) ⊗ C(Y ) X ′ ,Y ′ / C(X × Y ) bzw. C(X) ⊗ C(Y ) / f♯ ⊗g♯ (f ×g)♯ C(X ′ ⊗ Y ′ ) QX,Y X ′ Q C(X ′ × Y ) ′ ,Y ′ / C(X ′ ) ⊗ C(Y ′ ) Weiters sollen die Normierungsbedingungen P (x ⊗ y) = (x, y) bzw. Q(x, y) = x ⊗ y für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y gelten. Für jeden topologischen Raum definieren wir die sogenannte Augmentation εX : C0 (X) → Z auf Erzeugern x : ∆0 → X durch εX (x) := 1. Dies ist offensichtlich natürlich, dh. für jede stetige Abbildung f : X → Y gilt εY ◦ f♯ = εX . Da εX ◦ ∂1X = 0, können wir die Augmentation auch als Kettenabbildung εX : C(X) → Z betrachten, wobei wir nun Z als einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex mit trivialem Differential auffassen. Es ist dann ker(εX ) ein Teilkomplex von C(X) und H(ker εX ) = H̃(X). V.6.2. Satz (Eilenberg–Zilber Äquivalenz). Es existieren Eilenberg–Zilber Äquivalenzen P und Q wie oben. Für je zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen P und Q existieren natürliche Kettenhomotopien P X,Y ◦ QX,Y ≃ idC(X×Y ) und QX,Y ◦ P X,Y ≃ idC(X)⊗C(Y ) . V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 225 Insbesondere ist jede Eilenberg–Zilber Äquivalenz eine Kettenhomotopieäquivalenz. Weiters sind je zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen (vom selben Typ) kettenhomotopieäquivalent. Sind P und Q Eilenberg–Zilber Äquivalenzen, dann kommutieren die folgenden Diagramme bis auf natürliche Kettenhomotopie: P X,Y C(X) ⊗ C(Y ) P Y,X C(Y ) ⊗ C(X) C(X) ⊗ C(Y ) / T♯X,Y τ C(X),C(Y ) QX,Y C(X × Y ) / / C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) τ C(X),C(Y ) QY,X C(Y × X) P X,Y ⊗idC(Z) / P X,Y ×Z / QX×Y,Z / C(X × Y × Z) C(X × Y ) ⊗ C(Z) QX,Y ⊗idC(Z) QX,Y ×Z idC(X) C(X) ⊗ C(Y × Z) C(X) ⊗ C({∗}) P X,{∗} (V.43) P X×Y,Z C(X) ⊗ C(Y × Z) C(X × Y × Z) C(Y ) ⊗ C(X) / C(X × Y ) ⊗ C(Z) idC(X) ⊗P Y,Z / ⊗QY,Z C(X × {∗}) / C(X) ⊗ Z C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) QX,{∗} / C(X) ⊗ C({∗}) idC(X) ⊗ε{∗} C(X) (V.44) idC(X) ⊗ε{∗} (V.42) (V.45) C(X) ⊗ Z Dabei bezeichnet T X,Y die Abbildung T X,Y : X ×Y → Y ×X, T X,Y (x, y) := (y, x). Beweis. Wir führen den Beweis mittels der Methode der azyklischen Modelle. Da ∆p × ∆q kontrahierbar ist, gilt: ( Z falls k = 0 Hk C(∆p × ∆q ) = Hk (∆p × ∆q ) = (V.46) 0 sonst Aus der Kontrahierbarkeit von ∆p und Satz V.5.8 erhalten wir weiters: ( Z falls k = 0 Hk C(∆p ) ⊗ C(∆q ) = 0 sonst (V.47) Wir zeigen zunächst die Existenz von P , es sind daher Homomorphismen PnX,Y : C(X) ⊗ C(Y ) n → Cn (X × Y ) (V.48) 226 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN zu konstruieren, sodass P0X,Y (x ⊗ y) = (x, y) (V.49) X,Y ∂nC(X×Y ) ◦ PnX,Y = Pn−1 ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) X ′ ,Y ′ (f × g)♯ ◦ PnX,Y = Pn (V.50) ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (V.51) für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y und alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ . Wir konstruieren PnX,Y mittels Induktion nach n. Für den Induktionsbeginn bemerken wir, dass P0X,Y durch (V.49) völlig festgelegt ist und offensichtlich (V.51) mit n = 0 erfüllt. Für den IndukX,Y tionsschritt nehmen wir nun an, dass P0X,Y , . . . , Pn−1 mit obigen Eigenschaften (V.49) bis (V.51) bereits konstruiert sind, n ≥ 1. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.50) erhalten wir C(X×Y ) ∂n−1 C(X)⊗C(Y ) X,Y X,Y ◦ ∂n−1 ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = Pn−2 ◦ Pn−1 ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = 0. Für p+q = n ist id∆p ⊗ id∆q ∈ (C(∆p )⊗C(∆q ))n . Da Hn−1 (C(∆p )⊗C(∆q )) = 0, siehe (V.46), erhalten wir aus obiger Gleichung mit X = ∆p und Y = ∆q also bp,q ∈ Cn (∆p × ∆q ) mit p q p q ∆p ,∆q (V.52) ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q ). ∂nC(∆ ×∆ ) (bp,q ) = Pn−1 Die letzte Behauptung bleibt auch für n = 1 richtig, denn C(X)⊗C(Y ) εX×Y ◦ P0X,Y ◦ ∂1 C(X)⊗C(Y ) = (εX ⊗ εY ) ◦ ∂1 =0 L p q und H0 (ker(ε∆ ×∆ )) = H̃0 (∆p ×∆q ) = 0. Da (C(X)⊗C(Y ))n = p+q=n Cp (X)⊗ Cq (Y ) können wir nun Homomorphismen PnX,Y wie in (V.48) auf singulären Simplizes σ : ∆p → X und τ : ∆q → Y durch PnX,Y (σ ⊗ τ ) := (σ × τ )♯ (bp,q ) definieren. Dieses PnX,Y ist natürlich, dh. erfüllt (V.51), denn: (f × g)♯ ◦ PnX,Y (σ ⊗ τ ) = (f × g)♯ ◦ (σ × τ )♯ (bp,q ) = (f × g) ◦ (σ × τ ) ♯ (bp,q ) = (f ◦ σ) × (g ◦ τ ) ♯ (bp,q ) ′ ′ = PnX ,Y (f ◦ σ) ⊗ (g ◦ τ ) ′ ′ = PnX ,Y f♯ (σ) ⊗ g♯ (τ ) ′ ′ = PnX ,Y ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (σ ⊗ τ ) (V.53) V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 227 Der Homomorphsimus PnX,Y genügt aber auch der Kettenrelation (V.50), denn: ∂nC(X×Y ) ◦ PnX,Y (σ ⊗ τ ) = ∂nC(X×Y ) ◦ (σ × τ )♯ (bp,q ) p q = (σ × τ )♯ ◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (bp,q ) p q ∆p ,∆q ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q ) = (σ × τ )♯ ◦ Pn−1 p q X,Y ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q ) = Pn−1 X,Y ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (id∆p ⊗ id∆q ) = Pn−1 X,Y ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) (σ ⊗ τ ) = Pn−1 Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.53) verwendet, im dritten ist (V.52) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir die Natürlichkeit von Pn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.51), verwendet. Damit ist der Beweis des Induktionsschrittes vollständig und die Existenz einer Eilenberg–Zilber Äquivalenz P gezeigt. Wir widmen uns nun der Existenz von Q, es sind daher Homomorphismen QX,Y : Cn (X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) n (V.54) n zu konstruieren, sodass (x, y) = x ⊗ y QX,Y 0 ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ QX,Y n = QX,Y n−1 (V.55) (V.56) ◦ (f × g)♯ (V.57) ◦ X ′ ,Y ′ (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ QX,Y = Qn n ∂nC(X×Y ) für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y und alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ . Wir konstruieren QX,Y wieder n mittels Induktions nach n. Für den Induktionsbeginn bemerken wir, dass QX,Y 0 durch (V.55) völlig festgelegt ist und offensichtlich (V.57) mit n = 0 erfüllt. Für den Induktionsschritt nehmen wir nun an, dass QX,Y , . . . , QX,Y 0 n−1 mit obigen Eigenschaften (V.55) bis (V.57) bereits konstruiert sind, n ≥ 1. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.56) erhalten wir C(X)⊗C(Y ) ∂n−1 C(X×Y ) C(X×Y ) ◦ QX,Y = QX,Y n−1 ◦ ∂n n−2 ◦ ∂n−1 ◦ ∂nC(X×Y ) = 0. Betrachte nun die Diagonalabbildung Dn : ∆n → ∆n × ∆n , Dn (t) := (t, t), als singulären Simplex Dn ∈ Cn (∆n × ∆n ). Da Hn−1 (C(∆n ) ⊗ C(∆n )) = 0, siehe (V.47), erhalten wir aus obiger Gleichung mit X = Y = ∆n also bn ∈ (C(∆n ) ⊗ C(∆n ))n mit n ,∆n n n n n ◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (Dn ). ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (bn ) = Q∆ (V.58) n−1 Dies bleibt auch für n = 1 richtig, denn C(X×Y ) (εX ⊗ εY ) ◦ QX,Y ◦ ∂1 0 C(X×Y ) = εX×Y ◦ ∂1 =0 228 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN n n und H0 (ker(ε∆ ⊗ ε∆ )) = 0. Definiere nun einen Homomorphismus QX,Y wie in n n (V.54) auf singulären Simiplizes σ : ∆ → X × Y durch n QX,Y (V.59) n (σ) := (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ (b ), wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen bezeichnen. Dieses QX,Y ist natürlich, dh. erfüllt (V.57), denn: n n (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ QX,Y (σ) = (f ⊗ g ) ◦ (π ◦ σ) ⊗ (π ◦ σ) (b ) ♯ ♯ 1 ♯ 2 ♯ n = f♯ ◦ (π1 ◦ σ)♯ ⊗ g♯ ◦ (π2 ◦ σ)♯ (bn ) = (f ◦ π1 ◦ σ)♯ ⊗ (g ◦ π2 ◦ σ)♯ (bn ) = (π1 ◦ (f × g) ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ (f × g) ◦ σ)♯ (bn ) ′ ,Y ′ = QX (f × g) ◦ σ n ′ ,Y ′ = QX ◦ (f × g)♯ (σ) n Der Homomorphsimus QX,Y genügt aber auch der Kettenrelation (V.56), denn: n n C(X)⊗C(Y ) X,Y C(X)⊗C(Y ) ∂n ◦ Qn (σ) = ∂n ◦ (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ (b ) n n = (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (bn ) ∆n ,∆n C(∆n ×∆n ) = (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ◦ Qn−1 ◦ ∂n (Dn ) n n C(∆ ×∆ ) (Dn ) = QX,Y n−1 ◦ (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ ◦ ∂n C(X×Y ) = QX,Y ◦ (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ (Dn ) n−1 ◦ ∂n C(X×Y ) = QX,Y (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ◦ Dn n−1 ◦ ∂n C(X×Y ) = QX,Y (σ) n−1 ◦ ∂n Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.59) verwendet, im dritten ist (V.58) eingegangen, und im vierten haben wir die Natürlichkeit von Qn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.57), verwendet. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und die Existenz einer Eilenberg–Zilber Äquivalenz Q bewiesen. Betrachten wir nun zwei fixe Eilberg–Zilber Äquivalenzen P und Q wie oben. Wir wollen zunächst P X,Y ◦ QX,Y ≃ idC(X×Y ) zeigen. Beachte, dass ϕX,Y := P X,Y ◦ QX,Y − idC(X×Y ) : C(X × Y ) → C(X × Y ) eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf C0 (X × Y ) verschwindet. Wir konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen hX,Y : Cn (X × Y ) → Cn+1(X × Y ) n (V.60) V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 229 sodass C(X×Y ) ϕX,Y = ∂n+1 n X ′ ,Y ′ (f × g)♯ ◦ hX,Y = hn n C(X×Y ) ◦ hX,Y + hX,Y n n−1 ◦ ∂n ◦ (f × g)♯ (V.61) (V.62) für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ . Für den Induktionsbeginn genügt es zu beobachten, dass hX,Y := 0 alle gewünschten Eigenschaften 0 X,Y hat. Induktiv nehmen wir nun an h0 , . . . , hX,Y n−1 , n ≥ 1, sind schon konstruiert und genügen den Relationen (V.61) und (V.62) oben. Aus der Induktionsvoraussetzung, siehe (V.61), erhalten wir C(X×Y ) ∂nC(X×Y ) ◦ ϕX,Y − hX,Y n n−1 ◦ ∂n C(X×Y ) C(X×Y ) = ϕX,Y ◦ hX,Y n−1 − ∂n n−1 ◦ ∂n C(X×Y ) = hX,Y n−2 ◦ ∂n−1 ◦ ∂nC(X×Y ) = 0. Wir betrachten wieder Dn ∈ Cn (∆n ×∆n ). Da Hn (C(∆n ×∆n )) = 0, siehe (V.46), erhalten wir aus obiger Relation mit X = Y = ∆n also an+1 ∈ Cn+1 (∆n × ∆n ) mit n ,∆n n ,∆n n n C(∆n ×∆n ) ∂n+1 (an+1 ) = ϕ∆ (V.63) ◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (Dn ). − h∆ n−1 n Wir definieren nun einen Homomorphismus hX,Y wie in (V.60) auf singulären n Simplizes σ : ∆n → X × Y durch hX,Y n (σ) := (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ (an+1 ) (V.64) wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen bezeichnen, und daher (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) : ∆n × ∆n → X × Y . Dieses hX,Y ist n natürlich, dh. erfüllt (V.62), denn: (f × g)♯ ◦ hX,Y (σ) = (f × g)♯ ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (an+1 ) n = (f × g) ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ)) ♯ (an+1 ) = (f ◦ π1 ◦ σ) × (g ◦ π2 ◦ σ) ♯ (an+1 ) = (π1 ◦ (f × g) ◦ σ) × (π2 ◦ (f × g) ◦ σ) ♯ (an+1 ) ′ ,Y ′ = hX (f × g) ◦ σ n ′ ,Y ′ = hX ◦ (f × g)♯ (σ) n 230 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Der Homomorphismus hX,Y erfüllt aber auch die Homotopierelation (V.61), denn: n C(X×Y ) C(X×Y ) ∂n+1 ◦ hX,Y (σ) = ∂n+1 ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (an+1 ) n C(∆n ×∆n ) = ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ∂n+1 (an+1 ) ∆n ,∆n ∆n ,∆n C(∆n ×∆n ) = ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ϕn (Dn ) − hn−1 ◦ ∂n C(X×Y ) = ϕX,Y ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn ) − hX,Y n−1 ◦ ∂n n C(X×Y ) = ϕX,Y − hX,Y (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ)) ◦ Dn n n−1 ◦ ∂n C(X×Y ) = ϕX,Y − hX,Y (σ) n−1 ◦ ∂n n Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.64) verwendet, im dritten ist (V.63) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir die Natürlichkeit von ϕn und hn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.62), angewandt. Damit ist der Induktionsschritt vollständig, und hX,Y daher die gesuchte Homotopie. Wir wollen nun auch QX,Y ◦ P X,Y ≃ idC(X)⊗C(Y ) zeigen. Beachte, dass ψ X,Y := QX,Y ◦ P X,Y − idC(X)⊗C(Y ) : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf (C(X) ⊗ C(Y ))0 verschwindet. Wir konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen knX,Y : C(X) ⊗ C(Y ) n → C(X) ⊗ C(Y ) n+1 (V.65) sodass C(X)⊗C(Y ) ψnX,Y = ∂n+1 X ′ ,Y ′ (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ knX,Y = kn X,Y ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ knX,Y + kn−1 ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (V.66) (V.67) für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ . Für den Induktionsbeginn genügt es zu beobachten, dass k0X,Y := 0 alle gewünschten Eigenschaften X,Y hat. Induktiv nehmen wir nun an k0X,Y , . . . , kn−1 , n ≥ 1, sind schon konstruiert und genügen den Relationen (V.66) und (V.67) oben. Aus der Induktionsvoraussetzung, siehe (V.66), erhalten wir X,Y ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ ψnX,Y − kn−1 X,Y X,Y ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) − ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ kn−1 = ψn−1 C(X)⊗C(Y ) X,Y ◦ ∂n−1 = kn−2 ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = 0. Für p + q = n ist id∆p ⊗ id∆q ∈ (C(∆p ) ⊗ C(∆q ))n . Da Hn (C(∆p ) ⊗ C(∆q )) = 0, siehe (V.47), erhalten wir aus obiger Gleichung für X = ∆p und Y = ∆q also ap,q ∈ (C(∆p ) ⊗ C(∆q ))n+1 mit p q C(∆p )⊗C(∆q ) ∆p ,∆q ∆ ,∆ C(∆p )⊗C(∆q ) ∂n+1 (ap,q ) = ψn − kn−1 ◦ ∂n (id∆p ⊗ id∆q ). (V.68) V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 231 Wir definieren nun einen Homomorphismus knX,Y wie in (V.65) auf singulären Simplizes σ : ∆p → X und τ : ∆q → Y durch knX,Y (σ ⊗ τ ) := (σ♯ ⊗ τ♯ )(ap,q ). (V.69) Dieses knX,Y ist natürlich, dh. erfüllt (V.67), denn: (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ knX,Y (σ ⊗ τ ) = (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (ap.q ) = (f♯ ◦ σ♯ ) ⊗ (g♯ ◦ τ♯ ) (ap.q ) = (f ◦ σ)♯ ⊗ (g ◦ τ )♯ (ap.q ) ′ ′ = knX ,Y (f ◦ σ) ⊗ (g ◦ τ ) ′ ′ = knX ,Y (f♯ σ) ⊗ (g♯ τ ) ′ ′ = knX ,Y ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (σ ⊗ τ ) Der Homomorphismus knX,Y erfüllt auch die Homotopierelation (V.66), denn: C(X)⊗C(Y ) C(X)⊗C(Y ) ∂n+1 ◦knX,Y (σ ⊗ τ ) = ∂n+1 ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (ap,q ) C(∆p )⊗C(∆q ) = (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ∂n+1 (ap,q ) ∆p ,∆q ∆p ,∆q C(∆p )⊗C(∆q ) = (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ψn − kn−1 ◦ ∂n (id∆p ⊗ id∆q ) X,Y = ψnX,Y − kn−1 ◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (id∆p ⊗ id∆q ) X,Y X,Y C(X)⊗C(Y ) = ψn − kn−1 ◦ ∂n (σ ⊗ τ ) Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.69) verwendet, im dritten ist (V.68) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir die Natürlichkeit von ψn und kn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.67), angewandt. Damit ist der Induktionsschritt vollständig, und k X,Y daher die gesuchte Homotopie. Die nächste Behauptung des Satzes ist nun eine formale Konsequenz. Sind etwa P und P̃ zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen dann folgt aus den obigen Überlegungen P = id ◦P ≃ (P̃ ◦ Q) ◦ P = P̃ ◦ (Q ◦ P ) ≃ P̃ ◦ id = P̃ . Analog folgt für zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen Q und Q̃ vom anderen Typ sofort Q = id ◦Q ≃ (Q̃ ◦ P ) ◦ Q = Q̃ ◦ (P ◦ Q) ≃ Q̃ ◦ id = Q̃. Wir werden nun zeigen, dass das Diagramm (V.42) bis auf Homotopie kommutiert. Beachte, dass die Komposition T♯Y,X ◦ P Y,X ◦ τ C(X),C(Y ) : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y ) eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz ist, und daher nach obigen Überlegungen kettenhomotop zu P X,Y sein muss. Mit (T Y,X )−1 = T X,Y folgt nun, dass der linke Teil von (V.42) bis auf Homotopie kommutativ ist. Völlig analog ist τ C(Y ),C(X) ◦ QY,X ◦ T♯X,Y : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) 232 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz und daher homotop zu QX,Y , also kommutiert auch die rechte Seite von (V.42) bis auf Homotopie. Widmen wir uns nun der Kommutativität von (V.43). Beachte, dass die Abbildung ϕX,Y,Z : C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) → C(X × Y × Z), ϕX,Y,Z := P X,Y ×Z ◦ idC(X) ⊗P Y,Z − P X×Y,Z ◦ P X,Y ⊗ idC(Z) eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf C(X)⊗C(Y )⊗C(Z) 0 verschwindet. Wir konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen LX,Y,Z : C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) n → Cn+1 (X × Y × Z) (V.70) n sodass C(X×Y ×Z) ϕX,Y,Z = ∂n+1 n ′ ,Y (f × g × h)♯ ◦ LX,Y,Z = LX n n ′ ,Z ′ C(X)⊗C(Y )⊗C(Z) ◦ LX,Y,Z + LX,Y,Z (V.71) n−1 ◦ ∂n n ◦ (f♯ ⊗ g♯ ⊗ h♯ ) (V.72) für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ , g : Y → Y ′ und h : Z → Z ′ . Für den Induktionsbeginn können wir wieder LX,Y,Z := 0 setzen. Für den Induktions0 X,Y,Z schritt ist nun Ln zu konstruieren. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.71) erhalten wir C(X)⊗C(Y )⊗C(Z) ∂nC(X×Y ×Z) ◦ ϕX,Y,Z − LX,Y,Z = 0. n n−1 ◦ ∂n Für p + q + r = n ist id∆p ⊗ id∆q ⊗ id∆r ∈ (C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z))n . Aufgrund von Hn (C(∆p ) ⊗ C(∆q ) ⊗ C(∆r )) = 0 erhalten wir aus obiger Relation für X = ∆p , Y = ∆q , Z = ∆r also cp,q,r ∈ Cn+1 (∆p × ∆q × ∆r ) mit C(∆p ×∆q ×∆r ) p,q,r X,Y,Z C(X)⊗C(Y )⊗C(Z) (id∆p ⊗ id∆q ⊗ id∆r ). ◦ ∂ − L ∂n+1 (c ) = ϕX,Y,Z n n−1 n Wir definieren nun einen Homomorphismus LX,Y,Z wie in (V.70) auf singulären n p q r Simplizes σ : ∆ → X, τ : ∆ → Y und ρ : ∆ → Z durch LX,Y,Z (σ ⊗ τ ⊗ ρ) := (σ × τ × ρ)♯ (cp,q,r ). n Einfache Rechnungen analog zu denen weiter oben zeigen, dass Ln (V.71) und (V.72) genügt. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt, und LX,Y,Z die gesucht Homotopie. Völlig analog lässt sich zeigen, dass auch (V.44) bis auf Homotopie kommutiert. Dasselbe Argument zeigt auch, dass (V.45) bis auf Homotopie kommutativ ist. Wieder sind ϕX := P X,{∗} − idC(X) ⊗ε{∗} : C(X) ⊗ C({∗}) → C(X) bzw. ψ X := idC(X) ⊗ε{∗} ◦ QX,{∗} − idC(X) : C(X × {∗}) → C(X) natürliche Kettenabbildung die auf C(X) ⊗ C({∗}) 0 bzw. C0 (X × {∗}) verschwinden. Die Konstruktionen der gesuchten natürlichen Homotopien basiert nun auf Hn (C(∆n ) ⊗ C({∗})) = 0 bzw. Hn (∆n × {∗}) = 0, für alle n ≥ 1. V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 233 V.6.3. Bemerkung. Es ist offensichtlich, dass wir im obigen Beweis wieder und wieder dasselbe Argument verwendet haben. Die Beweismethode lässt sich weiter formalisieren und ist unter dem Namen Methode der azyklischen Modelle bekannt, siehe etwa [2]. In unserem Beweis oben haben die Kettenkomplexe C(∆p × ∆q ) und C(∆p ) ⊗ C(∆q ) die Rolle der azyklischen Modelle gespielt. V.6.4. Bemerkung. Es ist möglich eine explizite Formel für eine Eilenberg– Zilber Äquivalenz anzugeben. Wir betrachten dazu die Abbildungen inq : ∆q → ∆n inq (t0 , . . . , tq ) := (t0 , . . . , tq , 0, . . . , 0) jqn : ∆n−q → ∆n jqn (tq , . . . , tn ) := (0, . . . , 0, tq , . . . , tn ) Definieren wir QX,Y : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) auf singulären Simplizes σ : ∆n → X × Y durch X,Y Q n X (σ) := (π1 ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (π2 ◦ σ ◦ jqn ) (V.73) q=0 wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen bezeichnen, dann ist dies eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Um dies einzusehen bemerken wir zunächst, dass dieses Q offensichtlich die Normierungsbedingung erfüllt. Auch die Natürlichkeit lässt sich leicht zeigen, denn für stetige Abbildungen f : X → X ′ , g : Y → Y ′ und σ : ∆n → X × Y gilt: X,Y (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ Q (σ) = = n X q=0 n X (f ◦ π1 ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (g ◦ π2 ◦ σ ◦ jqn ) (π1 ◦ (f × g) ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (π2 ◦ (f × g) ◦ σ ◦ jqn ) q=0 ′ ′ = QX ,Y ◦ (f × g)♯ (σ) Aufgrund der Natürlichkeit von Q genügt es noch ∂nC(∆ n )⊗C(∆n ) ◦ Q∆ n ,∆n (Dn ) = Q∆ n ,∆n ◦ ∂nC(∆ n ×∆n ) (Dn ) (V.74) 234 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN zu zeigen, wobei Dn ∈ Cn (∆n × ∆n ) die Diagonalabbildung bezeichnet. Dann folgt nämlich für jeden singulären Simplex σ : ∆n → X × Y , ∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ QX,Y (σ) = ∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ QX,Y ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn ) n n = ∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ Q∆ ,∆ (Dn ) n n n n = ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ ∂ C(∆ )⊗C(∆ ) ◦ Q∆ ,∆ (Dn ) n n n n = ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ Q∆ ,∆ ◦ ∂ C(∆ ×∆ ) (Dn ) n n = QX,Y ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ∂ C(∆ ×∆ ) (Dn ) = QX,Y ◦ ∂ C(X×Y ) ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn ) = QX,Y ◦ ∂ C(X×Y ) (σ) P n n Nun zu (V.74). Es gilt Q∆ ,∆ (Dn ) = nq=0 inq ⊗ jqn und daher: n n ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) ∆n ,∆n ◦Q n n−1 X X C(∆n ) C(∆n ) n n (Dn ) = (∂q iq ) ⊗ jq + (−1)q inq ⊗ (∂n−q jqn ) q=1 = q n X X q=0 (−1)l (inq ◦ δql ) ⊗ jqn + q−1 n X X l (−1)q (−1)l inq ⊗ (jqn ◦ δn−q ) q=0 l=0 q=1 l=0 = n−q n−1 X X n−1 n−1 (−1)l (δnl ◦ iq−1 ) ⊗ (δnl ◦ jq−1 ) q=1 l=0 + n−q n−1 X X (−1)q (−1)l (δnl+q ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl+q ◦ jqn−1 ) q=0 l=1 + n X (−1)q inq−1 ⊗ jqn q=1 = q n−1 X X + n−1 X n (−1)q inq ⊗ jq+1 q=0 (−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 ) q=0 l=0 + n−1 X n X (−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 ) q=0 l=q+1 = n X n−1 X (−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 ) l=0 q=0 = Q∆ n ,∆n ◦ ∂nC(∆ n ×∆n ) (Dn ) Dabei haben wir im dritten Gleichheitszeichen die offensichtlichen Relationen n−1 n−1 l , l < q, und und jqn ◦ δn−q = δnl+q ◦ jqn−1 sowie jqn = δnl ◦ jq−1 inq ◦ δql = δnl ◦ iq−1 n l n−1 n q n n 0 n iq = δn ◦iq , l > q, sowie iq ◦δq = iq−1 und jq ◦δn−q = jq+1 benutzt. Also definiert V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 235 (V.73) tatsächlich eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Nach Satz V.6.2 ist dies eine Kettenhomotopieäquivalenz. Beachte, dass für dieses Q das Diagramm (V.44) strikt kommutativ ist. Ebenso lässt sich eine explizite Formel für eine Eilenberg– Zilber Äquivalenz P angeben, siehe etwa [20, page 240]. Sei nun R ein kommutativer Ring mit Eins und P eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Tensorieren wir P X,Y : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y ) mit R, so erhalten wir, vgl. Bemerkung V.5.2, P X,Y ⊗idR P X,Y ;R : C(X; R) ⊗R C(Y ; R) = C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ R −−−−−−→ C(X × Y ; R). Nach Satz V.6.2 ist dies eine Kettenhomotopieäquivalenz und induziert daher einen Isomorphismus graduierter R-Moduln ∼ = → H(X × Y ; R). (V.75) P∗X,Y ;R : H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) − Nach Satz V.6.2 hängt dieser Isomorphismus nicht von der Wahl von P ab. Kombinieren wir dies mit dem natürlichen Homomorphismus λ aus (V.36), so erhalten wir eine Homomorphismus graduierter R-Moduln P∗X,Y ;R λC(X;R),C(Y ;R) H(X; R)⊗R H(Y ; R) −−−−−−−−→ H C(X; R)⊗R C(Y ; R) −− −−→ H(X ×Y ; R). Diese Komposition wird das Homologie-Kreuzprodukt genannt, und mit × H(X; R) ⊗R H(Y ; R) − → H(X × Y ; R) bezeichnet. Äquivalent, können wir das Homologie-Kreuzprodukt auch als Rbilineare Abbildung × Hp (X; R) × Hq (Y ; R) − → Hp+q (X × Y ; R) auffassen. Nach Definition gilt also a × b = P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b), für a ∈ H(X; R) und b ∈ H(Y ; R). Das Homologie-Kreuzprodukt hat die folgenden Eigenschaften. V.6.5. Satz (Homologie-Kreuzprodukt). Es seien R ein kommutativer Ring mit Eins, X, Y , Z topologische Räume, f : X → X ′ , g : Y → Y ′ stetige Abbildungen, a ∈ Hp (X; R), b ∈ Hq (Y ; R) und c ∈ Hr (Z; R). Dann gilt: (i) (a × b) × c = a × (b × c) (Assotiativität) pq (ii) b × a = (−1) T∗ (a × b) (graduierte Kommutativität59) (iii) a × 1{∗} = a (Einselement60) (iv) (f × g)∗ (a × b) = (f∗ a) × (g∗ b) (Natürlichkeit) 59Hier bezeichnet T die Abbildung T : X × Y → Y × X, T (x, y) := (y, x). ist Y = {∗} der einpunktige Raum, also X × Y = X, und 1{∗} ∈ H0 ({∗}; R) = R bezeichnet die kanonische Homologieklasse die dem Einselement in R entspricht. 60Hier 236 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Beweis. Ad (ii): Da der linke Teil des Diagramms (V.42) bis auf Homotopie kommutiert, erhalten wir für die induzierten Homomorphismen in der Homologie ein kommutatives Diagramm: H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) P∗X,Y ;R H(X × Y ; R) / C(X;R),C(Y ;R) τ∗ H C(Y ; R) ⊗R C(X; R) T∗ P∗Y,X;R H(Y × X; R) / Zusammen mit der Kommutativität von λ, siehe Proposition V.5.6(ii), folgt nun: T∗ (a × b) = T∗ ◦ P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b) = P∗Y,X;R ◦ τ∗C(X;R),C(Y ;R) ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b) = P∗Y,X;R ◦ λC(Y ;R),C(X;R) ◦ τ H(X;R),H(Y ;R) (a ⊗ b) = P∗Y,X;R ◦ λC(Y ;R),C(X;R) ((−1)pq b ⊗ a) = (−1)pq b × a Ad (i): Da das Diagramm (V.43) bis auf Homotopie kommutiert, erhalten wir für die induzierten Abbildungen in der Homologie ein kommutatives Diagramm: ` ´ H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) ⊗R C(X; R) (P X,Y ;R ⊗idC(Z;R) )∗ / ` ´ H C(X × Y ; R) ⊗R C(Z; R) (idC(X;R) ⊗P Y,Z;R )∗ ` ´ H C(X; R) ⊗R C(Y × Z; R) P∗X×Y,Z;R P∗X,Y ×Z;R / H(X × Y × Z; R) Aus der Natürlichkeit von λ, siehe Proposition V.5.6(i), erhalten wir die Relationen: (P X,Y ;R ⊗ idC(Z;R) ∗ ◦ λC(X×Y ;R),C(Z;R) = λC(X×Y ;R),C(Z;R) ◦ P∗X,Y ;R ⊗ idH(Z;R) (idC(X;R) ⊗P Y,Z;R ∗ ◦ λC(X;R),C(Y ×Z;R) = λC(X;R),C(Y ×Z;R) ◦ idH(X;R) ⊗P∗Y,Z;R Kombinieren wir dies mit der Assotiativität von λ, siehe Proposition V.5.6(iii), so folgt: P∗X×Y,Z;R ◦ λC(X×Y ;R),C(Z;R) ◦ P∗X,Y ;R ⊗ idH(Z;R) ◦ λC(X;R),C(Y ;R) ⊗ idH(Z;R) = P∗X,Y ×Z;R ◦ λC(X;R),C(Y ×Z;R) ◦ idH(X;R) ⊗P∗Y,Z;R ◦ idH(X) ⊗λC(Y ;R),C(Z;R) Werten wir diese Gleichheit bei a ⊗ b ⊗ c ∈ H(X; R) ⊗R H(Y ; R) ⊗R H(Z; R) aus, so erhalten wir nun (a × b) × c = a × (b × c). V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 237 Ad (iii): Aus der Natürlichkeit von λ, siehe Proposition V.5.6(i), und da der linke Teil des Diagramms (V.45) kommutiert, erhalten wir folgendes kommutatives Diagramm: λC(X;R),C({∗};R) H(X; R) ⊗R H({∗}; R) X,{∗};R / ` ´ H C(X; R) ⊗R C({∗}; R) {∗};R λC(X;R),R H(X; R) ⊗R H(R) / H(X × {∗}; R) (idC(X;R) ⊗ε{∗};R )∗ idH(X;R) ⊗ε∗ P∗ / ` ´ H C(X; R) ⊗R R H(X; R) εX ⊗id R Dabei bezeichnet εX;R : C(X; R) = C(X) ⊗ R −−−−→ Z ⊗ R = R die mit R tensorierte Augmentation. Zusammen mit Proposition V.5.6(iv) folgt nun: a × 1{∗} = P∗X,{∗};R ◦ λC(X;R),C({∗};R) (a ⊗ 1{∗} ) = λC(X;R),R ◦ (idH(X;R) ⊗ε{∗};R ) (a ⊗ 1{∗} ) = λC(X;R),R (a ⊗ 1R ) = a ∗ Ad (iv): Aus der Natürlichkeit von P und der Natürlichkeit von λ, siehe Proposition V.5.6(i), erhalten wir ein kommutatives Diagramm λC(X;R),C(Y ;R) H(X; R) ⊗R H(Y ; R) / ` ´ H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) / H(X × Y ; R) (f♯ ⊗g♯ )∗ f∗ ⊗g∗ P∗X,Y ;R H(X ′ ; R) ⊗R H(Y ′ ; R) ′ ′ λC(X ;R),C(Y ;R) / (f ×g)∗ ` ´ H C(X ′ ; R) ⊗R C(Y ′ ; R) ′ ′ P∗X ,Y ;R / H(X ′ × Y ′ ; R) und daher die Relation ′ (f × g)∗ ◦ P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) = P∗X ,Y ′ ;R ′ ◦ λC(X ;R),C(Y ′ ;R) ◦ (f∗ ⊗ g∗ ). Auswerten bei a ⊗ b ∈ H(X; R) ⊗R H(Y ; R) liefert dann (f × g)∗(a × b) = f∗ a × g∗ b. V.6.6. Bemerkung. Eine einfache Überlegung zeigt, dass das Homologiekreuzprodukt auch im Koeffizientenring natürlich ist, dh. für jeden Ringhomomorphismus ρ : R → R′ gilt ρ∗ (a × b) = ρ∗ a × ρ∗ b ∈ H(X × Y ; R′ ), wobei a ∈ H(X; R) und b ∈ H(Y ; R). Aus Satz V.5.7, siehe aber auch (V.75), erhalten wir sofort V.6.7. Korollar (Künneth Theorem für Räume). Es seien X und Y topologische Räume und K ein Körper. Dann liefert das Homologie-Kreuzprodukt ∼ = × : H(X; K) ⊗K H(Y ; K) − → H(X × Y ; K) einen natürlichen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume, es gilt daher M Hp (X; K) ⊗K Hq (Y ; K). Hn (X × Y ; K) ∼ = p+q=n Ebenso erhalten wir aus Satz V.5.8 sofort 238 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.6.8. Korollar (Künneth Theorem für Räume). Für topologische Räume X und Y existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz × 0 → H(X) ⊗ H(Y ) n − → Hn (X × Y ) → Tor H(X), H(Y ) n−1 → 0, (V.76) dh. für je zwei stetige Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ kommutiert das Diagramm: 0 f∗ ⊗g∗ 0 / H(X) ⊗ H(Y ) / H(X ′ ) ⊗ H(Y ′ ) × n / Hn (X × Y ) / Tor H(X), H(Y ) (f ×g)∗ × n / Hn (X ′ × Y ′ ) n−1 /0 Tor(f∗ ,g∗ ) / Tor H(X ′ ), H(Y ′ ) n−1 /0 Die Sequenz (V.76) splittet, es gilt daher Hn (X × Y ) ∼ = H(X) ⊗ H(Y ) n ⊕ Tor H(X), H(Y ) n−1 M M = Hq (X) ⊗ Hq (Y ) ⊕ Tor Hp (X), Hq (Y ) p+q=n p+q=n−1 Der Splitt kann jedoch nicht natürlich in X und Y gewählt werden. V.6.9. Korollar. Es seien X und Y zwei topologische Räume mit endlich erzeugter Homologie. Dann hat auch X × Y endlich erzeugte Homologie und X bp (X) · bq (Y ). bn (X × Y ) = p+q=n Beweis. Dies folgt aus Korollar V.6.8, denn für endlich erzeugte abelsche Gruppen A und B sind auch A ⊗ B sowie Tor(A, B) endlich erzeugt, und es gilt rank(A ⊗ B) = rank(A) · rank(B) sowie rank(Tor(A, B)) = 0. V.6.10. Bemerkung (Poincaré Polynom). Ist X ein topologischer Raum mit endlich erzeugter Homologie, dann wird X pX (t) := bq (X)tq q das Poincaré Polynom von X genannt. Beachte, dass pX (0) = b0 (X) mit der Anzahl der Wegzusammenhangskomponenten von X übereinstimmt, siehe Proposition IV.5.13. Weiters ist pX (1) = rank(H∗ (X)) und pX (−1) = χ(X). Für einen weiteren Raum Y mit endlich erzeugter Homologie gilt pX⊔Y = pX + pY und pX×Y = pX · pY . Die erste dieser Gleichung folgt aus Proposition IV.5.15, die zweite aus Korollar V.6.9. Insbesonder erhalten wir χ(X × Y ) = χ(X) · χ(Y ), denn χ(X × Y ) = pX×Y (−1) = pX (−1) · pY (−1) = χ(X) · χ(Y ). (V.77) V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 239 V.6.11. Beispiel. Mittels Korollar V.6.8 können wir etwa H∗ (S m × S n ) berechnen. Es bezeichne dazu 1S n ∈ H0 (S n ) = Z den kanonischen Erzeuger und αS n ∈ Hn (S n ) einen Erzeuger, sodass 1S n und αS n eine Basis von H∗ (S n ) bilden, siehe Satz IV.9.5. Aus Korollar V.6.8 folgt nun, dass 1S m × 1S n , 1S m × αS n , αS m × 1S n , αS m × αS n eine Basis von H∗ (S m × S n ) bilden. In anderen Worten, H∗ (S m × S n ) ist eine freie graduierte abelsche Gruppe mit je einem Erzeuger im Grad 0, n, m und n + m. Etwas allgemeiner liefert das Kreuzprodukt für jeden Raum X einen Isomorphismus ∼ = → Hq (X × S n ), Hq (X) ⊕ Hq−n (X) − (a, b) 7→ a × 1S n + b × αS n . Mittels Induktion folgt für den n-dimensionalen Torus T n:= S 1 × · · · × S 1 , dass H∗ (T n ) eine freie abelsche Gruppe vom Rang bq (T n ) = nq ist. Wegen (V.77) ist P χ(T n ) = χ(S 1 )n = 0, was der Relation q (−1)q nq = 0 entspricht. Wir wollen nun auch eine relative Version des Homologie-Kreuzproduktes und des Künneth-Theorems besprechen. Seien dazu (X, A) und (Y, B) zwei Paare von Räumen. Aufgrund der Natürlichkeit der Eilenberg–Zilber Äquivalenzen kommutiert das folgende Diagramm C(A) ⊗ C(Y ) C(X) ⊗ C(Y ) P A,Y / P X,Y / O C(X) ⊗ C(B) P X,B / C(A × Y ) C(X × Y ) QA,Y QX,Y / C(X × B) C(X) ⊗ C(Y ) / O QX,B C(A) ⊗ C(Y ) / O C(X) ⊗ C(B) wobei die vertikalen Pfeile von den kanonischen Inkusionen induziert sind. Wir erhalten daher eine induzierte Kettenhomotopieäquivalenz C(X, A) ⊗ C(Y, B) = C(X) C(A) ⊗ C(Y ) C(B) P X,Y ≃ / C(X×Y ) C(A×Y )+C(X×B) mit Homotopieinverser die von QX,Y induziert wird. Setzen wir dies mit der von der kanonischen Inklusion C(A×Y )+C(X ×B) → C(A×Y ∪X ×B) induzierten Projektion C(X×Y ) C(X×Y ) → C(A×X∪X×B) = C X × Y, A × Y ∪ X × B (V.78) C(A×Y )+C(X×B) zusammen, so erhalten wir eine natürliche Kettenabbildung P (X,A),(Y,B) C(X, A) ⊗ C(Y, B) −−−−−−−→ C X × Y, A × Y ∪ X × B . (V.79) Ist nun R ein kommutativer Ring mit Eins, dann erhalten wir durch Tensorieren mit R eine Kettenabbildung P (X,A),(Y,B);R C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) −−−−−−−−→ C X × Y, A × Y ∪ X × B; R , (V.80) 240 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN und diese induziert einen Homomorphismus graduierter R-Moduln P∗(X,A),(Y,B);R H C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) −− −−−−−−→ H X × Y, A × Y ∪ X × B; R . Setzen wir dies mit dem natürlichen Homomorphismus, siehe (V.36), λC(X,A;R),C(Y,B;R) H(X, A; R) ⊗R H(Y, B; R) −−−−−−−−−−−→ H C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) zusammen, so erhalten wir das relative Homologie-Kreuzprodukt × H(X, A; R) ⊗R H(Y, B; R) − → H X × Y, A × Y ∪ X × B; R Wir können das Homologiekreuzprodukt auch als R-bilineare Abbildung × Hp (X, A; R) × Hq (Y, B; R) − → Hp+q X × Y, A × Y ∪ X × B; R auffassen. Nach Definition gilt also a × b = P∗(X,A),(Y,B);R ◦ λC(X,Y ;R),C(Y,B;R) (a ⊗ b) für a ∈ H(X, A; R) und b ∈ H(Y, B; R). Satz V.6.5 bleibt für diese relative Version des Kreuzproduktes gültig, der Beweis ist völlig analog. Natürlichkeit bedeutet hier Kompatibilität mit den von Abbildungen f : (X, A) → (X ′ , A′ ) und g : (Y, B) → (Y ′ , B ′ ) induzierten Homomorphismen. Aufgrund der Natürlichkeit der Homotopien in Satz V.6.2 kommutieren auch die relativen Versionen der Diagramme in Satz V.6.2. Kompabilität mit dem Einhängungshomomorphismus lässt sich durch folgendes kommutatives Diagramm ausdrücken × Hp (X, A; R) ⊗R Hq (Y, B; R) / Hp+q (X × Y, A × Y ∪ X × B; R) δ Hp+q−1 (A × Y ∪ X × B; A × B; R) δ⊗id +(−1)p id ⊗δ O i∗ +j∗ × ⊕ × Hp−1(A; R) ⊗R Hq (Y, B; R) ⊕ Hp (X, A; R) ⊗R Hq−1 (B; R) / Hp+q−1(A × Y, A × B; R) ⊕ Hp+q−1 (X × B, A × B; R) wobei i : (A × Y, A × B) → (A × Y ∪ X × B, A × B) und j : (X × B, A × B) → (A×Y ∪X ×B, A×B) die kanonischen Inklusionen bezeichnen. Der Beweis dieser Tatsache ist eine einfache Übungsaufgabe, siehe [2, page 191]. Für a ∈ H(X, A; R) und b ∈ H(Y, B; R) gilt daher die (graduierte) Derivationsformel δ(a × b) = i∗ ((δa) × b) + (−1)|a| j∗ (a × δb). Ist B = ∅, so vereinfacht sich dies zu δ(a × b) = (δa) × b denn in diesem Fall ist i∗ die indentische Abbildung. (V.81) V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 241 V.6.12. Lemma. Für U ⊆ X und V ⊆ X sind äquivalent: (i) C(U, U ∩ V ) → C(U ∪ V, V ) ist eine Homotopieäquivalenz. (ii) C(V, U ∩ V ) → C(U ∪ V, U) ist eine Homotopieäquivalenz. (iii) C(U, U ∩ V ) ⊕ C(V, U ∩ V ) → C(U ∪ V, U ∩ V ) ist eine Homotopieäqu. (iv) C(U) + C(V ) ⊆ C(U ∪ V ) ist eine Homotopieäquivalenz. )+C(V ) (v) C(U → C(U ∪ V, U ∩ V ) ist eine Homotopieäquivalenz. C(U ∩V ) (vi) C(X) C(U )+C(V ) → C(X, U ∪ V ) ist eine Homotopieäquivalenz. In dieser Situation wird (X; U, V ) eine excisive Triade genannt. Beweis. Die kanonischen Inklusionen induzieren kurze exakte Sequenzen von Kettenkomplexen: 0→ C(U) C(U ∪ V ) C(U ∪ V ) → → →0 C(U ∩ V ) C(V ) C(U) + C(V ) 0 → C(U) + C(V ) → C(U ∪ V ) → 0→ C(U ∪ V ) →0 C(U) + C(V ) C(U ∪ V ) C(U ∪ V ) C(U) + C(V ) → → →0 C(U ∩ V ) C(U ∩ V ) C(U) + C(V ) C(X) C(X) C(U ∪ V ) → → →0 C(U) + C(V ) C(U) + C(V ) C(U ∪ V ) Betrachten wir die davon induzierten langen exakten Homologiesequenzen und verwenden Korollar IV.4.22 so erhalten wir die Äquivalenz (i)⇔(iv)⇔(v)⇔(vi). Aus Symmetriegründen gilt daher auch (ii)⇔(iv)⇔(v)⇔(vi). Aus der Kommutativität des Diagramms 0→ C(U ) C(U ∩V ) ⊕ C(U )+C(V ) C(U ∩V ) C(V ) C(U ∩V ) NNN NNN NNN NN& C(U ∪V ) C(U ∩V ) folgt schließlich auch die Äquivalenz (iii)⇔(v). t tt tt t t tz t V.6.13. Beispiel. Es seien U ⊆ X und V ⊆ X. In folgenden Fällen bildet (X; U, V ) eine excisive Triade: (i) U = ∅ oder V = ∅. (ii) U und V sind beide offen in U ∪ V . (iii) U ist Deformationsretrakt einer Umgebung in U ∪ V , und V ist Deformationsretrakt einer Umgebung in U ∪ V . Der Fall (i) ist trivial, (ii) folgt aus Satz IV.8.9, siehe Lemma V.6.12(iv). Die letzte Aussage (iii) folgt aus der Homotopieinvarianz und Satz IV.8.9. 242 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.6.14. Bemerkung. Die Bedingung, dass (X; U, V ) eine excisive Triade bilden stellt sicher, dass sich das Argument im Beweis von Proposition V.4.23 durchführen lässt, und führt zu einer natürlichen langen exakten Mayer–Vietoris Sequenz δ · · · → Hq (U ∩ V ; G) → Hq (U ; G) ⊕ Hq (V ; G) → Hq (U ∪ V ; G) − → Hq−1 (U ∩ V ; G) → · · · für jede excisive Triade (X; U, V ) und jede abelsche Gruppe G. V.6.15. Proposition (Mayer–Vietoris Sequenz). Es seien U ⊆ X und V ⊆ X so, dass (X; U, V ) eine excisive Triade bildet. Dann existiert für jede abelsche Gruppe G eine natürliche lange exakte Sequenz: (j U ,−j V ) ιU +ιV ∗ ∗ · · · → Hq (X, U ∩ V ; G) −−∗−−− → Hq (X, U; G) ⊕ Hq (X, V ; G) −∗−−→ ιU +ιV δ ∗ −∗−−→ Hq (X, U ∪ V ; G) − → Hq−1 (X, U ∩ V ; G) → · · · Dabei bezeichnen j U : (X, U ∩ V ) → (X, U), j V : (X, U ∩ V ) → (X, V ), ιU : (X, U) → (X, U ∪ V ) und ιV : (X, V ) → (X, U ∪ V ) die kanonischen Inklusionen. Beweis. Betrachte die offene Überdeckung U := {U, V } von U ∪ V . Es bezeichne wieder C U (U ∪ V ) := C(U) + C(V ) ⊆ C(U ∪ V ) den Teilkomplex der von singulären Simplizes erzeugt wird, die zur Gänze in U oder V liegen. Wir erinnern uns an die kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen V ιU ♯ +ι♯ (j♯U ,−j♯V ) 0 → C(U ∩ V ) −−−−−→ C(U) ⊕ C(V ) −−−→ C U (U ∪ V ) → 0. Dies liefert eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen C(X) C(X) C(X) C(X) 0→ → ⊕ → U → 0. C(U ∩ V ) C(U) C(V ) C (U ∪ V ) Da dies freie Kettenkomplexe sind, erhalten wir durch Tensorieren mit G eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen V ιU ♯ +ι♯ (j♯U ,−j♯V ) 0 → C(X, U ∩ V ; G) −−−−−−→ C(X, U ; G) ⊕ C(X, V ; G) −−−−→ C U (X, U ∪ V ; G) → 0, wobei C U (X, U ∪ V ; G) := C(X)/C U (U ∪ V ) ⊗ G = C(X; G)/C U (U ∪ V ; G). Diese induziert eine lange exakte Sequenz von Homologiegruppen (j U ,−j V ) ιU +ιV ∗ ∗ · · · → Hq (X, U ∩ V ; G) −−∗−−− → Hq (X, U; G) ⊕ Hq (X, V ; G) −∗−−→ ιU +ιV δ ∗ −∗−−→ HqU (X, U ∪ V ; G) − → Hq−1 (X, U ∩ V ; G) → · · · (V.82) wobei H U (X, U ∪ V ; G) die Homologie des Kettenkomplexes C U (X, U ∪ V ; G) bezeichnet. Nach Voraussetzung, siehe Lemma V.6.12(vi), ist die kanonische Inklusion C U (X, U ∪ V ) → C(X, U ∪ V ) eine Kettenhomotopieäquivalenz, und induziert daher einen Isomorphismus von Homologiegruppen H U (X, U ∪ V ; G) = H(X, U ∪V ; G). Zusammen mit (V.82) erhalten wir nun die gesuchte lange exakte Sequenz. V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ 243 V.6.16. Proposition. Sind (X, A) und (Y, B) Paare von Räumen, sodass (X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet, dann ist ≃ P (X,A),(Y,B);R : C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) − → C X × Y, A × Y ∪ X × B; R eine Kettenhomotopieäquivalenz, für jeden kommutativen Ring R. Beweis. In dieser Situation ist (V.78) eine Kettenhomotopieäquivalenz, siehe Lemma V.6.12(vi). Dann sind aber auch (V.79) und (V.80) Kettenhomotopieäquivalenzen. Aus Satz V.5.7 und Proposition V.6.16 erhalten wir sofort V.6.17. Korollar (Relatives Künneth-Theorem). Seien (X, A) und (Y, B) Paare von Räume, sodass (X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet. Für jeden Körpr K liefert dann das Homologie-Kreuzprodukt ∼ = → H X × Y, A × Y ∪ X × B; K × : H(X, A; K) ⊗K H(Y, B; K) − einen natürlichen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume, es gilt daher M Hp (X, A; K) ⊗K Hq (Y, B; K). Hn X × Y, A × Y ∪ X × B; K ∼ = p+q=n Ebenso erhalten wir aus Satz V.5.8 und Proposition V.6.16 auch V.6.18. Korollar (Relatives Künneth-Theorem). Seien (X, A) und (Y, B) Paare von Räumen, sodass (X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet. Dann existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz: ` ´ × ` ´ ` ´ 0 → H(X, A) ⊗ H(Y, B) n −→ Hn X × Y, A × Y ∪ X × B → Tor H(X, A), H(Y, B) n−1 → 0. Diese Sequenz splittet, es gilt daher Hn (X ×Y, A×Y ∪X ×B) ∼ = H(X, A)⊗H(Y, B) n ⊕Tor H(X, A), H(Y, B) n−1 M M = Hq (X, A) ⊗ Hq (Y, B) ⊕ Tor Hp (X, A), Hq (Y, B) p+q=n p+q=n−1 Der Splitt kann jedoch nicht natürlich in (X, A) und (Y, B) gewählt werden. V.6.19. Beispiel. Nach Korollar V.6.18 liefert das Kreuzprodukt einen Isomorphsimus ∼ = × : H Rn , Rn \ {0} ⊗ H Rm , Rm \ {0} − → H Rn+m , Rn+m \ {0} . (V.83) Etwas allgemeiner seien nun M eine m-Mannigfaltigkeit und N eine n-Mannigfaltigkeit. Dann ist M × N eine (n + m)-Mannigfaltigkeit und das Kreuzprodukt liefert einen Isomorphsimus lokaler Homologiegruppen ∼ = × : Hm M, M \ {x} ⊗ Hn N, N \ {y} − → Hm+n M × N, (M × N) \ {(x, y)} für je zwei Punkte x ∈ M und y ∈ N. Da Mannigfaltigkeiten lokal homöomorph zum Euklidischen Raum sind, folgt dies mittels Excision und der Natürlichkeit des 244 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv), aus (V.83) oben. Ist oM eine Orientierung von M und oN eine Orientierung von N, siehe Bemerkung IV.12.8, dann ist ×N M N also oM (x,y) := ox × oy ein Erzeuger von Hm+n (M × N, (M × N) \ {(x, y)}) für jedes (x, y) ∈ M × N. Offensichtlich definiert oM ×N einen stetigen Schnitt der Überlagerung (M × N)Z → M × N. Also ist oM ×N eine Orientierung von M × N. Diese Orientierung wird die Produktorientierung genannt, das Produkt zweier orientierter Mannigfaltigkeiten ist in kanonischer Weise orientiert. Insbesondere ist das Produkt zweier orientierbarer Mannigfaltigkeiten wieder orientierbar. V.7. H-Räume und Hopf-Algebren. V.7.1. Definition (Graduierte R-Algebra). Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einer graduierten R-Algebra verstehen wir einen graduierten R-Modul A zusammen mit einem Homomorphismus, der sogenannten Multiplikation A ⊗R A → A, (a, b) 7→ a · b = ab. Dh. wir haben R-bilineare Abbildungen Ap × Aq → Ap+q , (a, b) 7→ ab, für jedes p und q. Wir setzen stets voraus, dass eine graduierte R-Algebra ein Einselement besitzt, dh. es existiert 1 ∈ A0 mit 1 · a = a = a · 1, für alle a ∈ A. Eine graduierte R-Algebra heißt assotiativ, falls a(bc) = (ab)c, für alle a, b, c ∈ A. Sie heißt graduiert kommutativ, falls ab = (−1)|a||b| ba für alle (homogenen) a ∈ A und b ∈ A gilt. Eine graduierte ∼ = R-Algebra heißt zusammenhängend falls R − → A0 , r 7→ r · 1, ein Isomorphismus ist. Unter einem Homomorphismus graduierter R-Algebren ϕ : A → B verstehen wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln der mit Multiplikation und Einselement verträglich ist, dh. ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) und ϕ(1A ) = 1B . V.7.2. Bemerkung. Es sei A eine graduiert kommutative R-Algebra, a ∈ A und |a| ungerade, dh. a ∈ Aq mit q ungerade. Dann gilt aa = (−1)|a||a| aa = −aa, also 2a2 = 0. Ist 12 ∈ R, dann können wir a2 = 0 schließen. V.7.3. Beispiel. Die Algebra der Differentialformen Ω∗ (M) = Γ∞ (ΛT ∗ M) mit dem ∧-Produkt auf einer glatten Mannigfaltigkeit M ist eine graduiert kommutative und assotiative R-Algebra. Das Einselement ist durch die konstante Funktion 1M ∈ Ω0 (M) gegeben. V.7.4. Beispiel (Polynomalgebren). Die Polynom Algebra R[x] ist eine strikt kommutative und assotiative R-Algebra. Wir können sie zu einer graduierten Algebra machen, indem wir dem Erzeuger x eine Grad |x| ∈ N zuordnen. Als graduierter R-Modul gilt R[x] = R⊕R⊕· · · , die Elemente xk ∈ (R[x])k|x| = R, k ∈ N0 , bilden eine Basis von R[x]. Ist |x| gerade, oder gilt 1 = −1 ∈ R, dann können wir R[x] auch als graduiert kommutative R-Algebra auffassen. Faktorisieren wir das von xk erzeugte Ideal heraus so erhalten wir eine graduiert kommutative und assotiative R-Algebra R[x]/xk mit additiver Basis 1, x, x2 , . . . , xk−1 . Analog haben wir (graduiert) kommutative Polynomalgebren R[x1 , . . . , xn ] falls alle |xi | gerade sind oder 1 = −1 ∈ R. Diese sind durch folgende universelle Eigenschaft eindeutig charakterisiert. Für jede graduiert kommutative und assotiative R-Algebra A V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 245 und homogene Elemente ai ∈ A|xi | , i = 1, . . . , n, existiert ein eindeutiger Homomorphismus graduierter R-Algebren ϕ : R[x1 , . . . , xn ] → A, sodass ϕ(xi ) = ai , i = 1, . . . , n. Für R = Z2 bildet die Polynomalgebra Z2 [x] eine (graduiert) kommutative und assotiative Z2 -Algebra, wobei x nun beliebigen Grad haben kann, denn in Z2 gilt 1 = −1. Analog haben wir (graduiert) kommutative und assotiative Z2 -Algebren Z2 [x1 , . . . , xn ] für xi mit beliebigem Grad. V.7.5. Beispiel (Dividierte Polynomalgebren). Wir fixieren wieder einen Grad |x| ∈ N und betrachten den freien graduierten R-Modul ΓR [x] mit Basis xk ∈ (ΓR [x])k|x| = R, k ∈ N0 . Dh. der ΓR [x] zugrunde liegende graduierte R-Modul stimmt mit dem von R[x] überein. Wir definieren nun eine Multiplikation auf ΓR [x] durch xk · xl := k+l xk+l . Dies macht ΓR [x] zu einer kommutativen und k assotiativen Algebra mit Einselement 1 = x0 . Wir schreiben x := x1 , es gilt daher xk = k!xk . Ist |x| gerade oder gilt 1 = −1 ∈ R, dann können wir ΓR [x] auch als graduiert kommutative und assotiative R-Algebra auffassen. Ist R = K ein Körper mit Charakteristik 0 dann gilt ΓK [x] ∼ = K[y] mit |y| = |x|, denn aus der universellen Eigenschaft der Polynomalgebra erhalten wir einen Algebra Homomorphismus K[y] → ΓK [x] mit ϕ(y) = x und dieser bildet die Basis y k , k ∈ N0 , von K[y] auf die Basis k!xk , k ∈ N0 , von ΓK [x] ab, ist also ein Isomorphismus. Andererseits ist ΓZ [x] ∼ 6= Z[x], denn die Multiplikation (Z[x])1 ⊗ (Z[x])1 → (Z[x])2 ist ein Isomorphismus, aber (ΓZ [x])1 ⊗ (ΓZ [x])1 → (ΓZ [x])2 ist nicht surjektiv. V.7.6. Beispiel (Äußere Algebra). Die äußere Algebra ΛR [x1 , . . . , xn ] ist eine assotiative graduierte R-Algebra mit Relationen xi xj = −xj xi und x2i = 0. Die Elemente xi1 xi2 · · · xik , 1 ≤ i1 < i2 < · · · < ik ≤ n, bilden eine Basis des zugrunde liegenden graduierten R-Moduls, xi1 · · · xik ∈ (ΛR [x1 , . . . , xn ])|xi1 |+···+|xik | . Sind alle |xi | ungerade, dann können wir ΛR [x1 , . . . , xn ] als graduiert kommutative und assotiative R-Algebra auffassen. Etwa bilden 1 und x eine Basis von ΛR [x] und wir haben x2 = 0. Gilt 12 ∈ R, dann ist diese graduierte R-Algebra durch folgende universelle Eigenschaft eindeutig charakteristiert. Für jede graduiert kommutative und assotiative R-Algebra A und homogene Elemente ungeraden Grades ai ∈ A|xi| existiert genau ein Homomorphismus graduierter RAlgebren ϕ : ΛR [x1 , . . . , xn ] → A, sodass ϕ(xi ) = ai . V.7.7. Bemerkung (Tensorprodukt graduierter Algebren). Es seien A und B zwei graduierte R-Algebren. Wir machen den graduierten R-Modul A ⊗R B mit folgender Multiplikation id ⊗τ B,A ⊗id µ ⊗µ A B B (A ⊗R A) ⊗R (B ⊗R B) −− −−→ A ⊗R B (A ⊗R B) ⊗R (A ⊗R B) −−A−−−−−−−→ zu einer graduierten R-Algebra, dh. für ai ∈ A und bi ∈ B setzen wir (a1 ⊗ b1 )(a2 ⊗ b2 ) := (−1)|b1 ||a2 | (a1 a2 ) ⊗ (b1 b2 ). Bezeichnen 1A ∈ A und 1B ∈ B die Einselemente, dann ist 1A ⊗ 1B das Einselement von A ⊗R B. Sind A und B zusammenhängend, dann ist auch A ⊗R B 246 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN zusammenhängend. Sind A und B assotiativ, dann ist auch A ⊗R B assotiativ. Sind A und B graduiert kommutativ, dann ist auch A ⊗R B graduiert kommutativ. Etwa gilt |xi | gerade oder 1 = −1 ∈ R R[x1 , . . . , xn ] ∼ = R[x1 ] ⊗R · · · ⊗R R[xn ] ΛR [x1 , . . . , xn ] ∼ = ΛR [x1 ] ⊗R · · · ⊗R ΛR [xn ] ′ |xi | ungerade ′ Sind ϕ : A → A und ψ : B → B zwei Homomorphismen graduierter R-Algebren, dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus graduierter RAlgebren. V.7.8. Proposition (Pontrayagin Algebra). Ist X ein wegzusammenhängender H-Raum mit Multiplikation µ : X × X → X, dann macht die Komposition µ∗ × H∗ (X; R) ⊗R H∗ (X; R) − → H∗ (X × X; R) −→ H∗ (X; R), a · b := µ∗ (a × b) H∗ (X; R) zu einer zusammenhängenden graduierten R-Algebra mit Einselement 1 ∈ H0 (X; R) = R, 1 ↔ 1R . Diese graduierte R-Algebra wird die PontryaginAlgebra des H-Raums (X, µ) genannt. Ist X homotopieassotiativ61 dann ist sie assotiative, ist X homotopiekommutativ62 dann ist sie graduiert kommutativ. Ist Y ein weiterer wegzusammenhängender H-Raum und f : X → Y eine Abbildung von H-Räumen63 dann ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren. Das Homologiekreuzprodukt liefert einen Homomorphismus graduierter R-Algebren64 × H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) − → H∗ (X × Y ; R). (V.84) Beweis. Es sei e ∈ X das Einselement. Weiters bezeichnen c : X → X und c̃ : {∗} → X die konstante Abbildung, dh. c(x) := e und c̃(∗) = e. Offensichtlich gilt 1 = c̃∗ 1{∗} , wobei 1{∗} ∈ H0 ({∗}; R) = R dem Einselement 1R entspricht. Aus µ ◦ (idX , c) ≃ idX : X → X erhalten wir mittels Satz V.6.5(iii)&(iv) a · 1 = µ∗ (a × 1) = µ∗ (a × c̃∗ 1{∗} ) = µ∗ (idX ×c̃)∗ (a × 1{∗} ) = µ∗ (idX , c)∗ a = (µ ◦ (idX , c))∗ a = (idX )∗ a = a. Analog folgt 1 · a = a aus µ ◦ (c, idX ) ≃ idX . Der Zusammenhang von H∗ (X; R) folgt aus dem Wegzusammenhang von X. Ist X homotopiekommutativ, dann folgt aus µ ◦ T ≃ µ mittels Satz V.6.5(ii) a · b = µ∗ (a × b) = (µ ◦ T )∗ (a × b) = µ∗ T∗ (a × b) = (−1)|a||b| µ∗ (b × a) = (−1)|a||b| b · a, 61dh. µ ◦ (idX ×µ) ≃ µ ◦ (µ × idX ) : X × X × X → X µ ◦ T ≃ µ : X × X → X, wobei T : X × X → X × X, T (x1 , x2 ) := (x2 , x1 ) 63dh. µY ◦ (f × f ) ≃ f ◦ µX : X × X → Y 64Wir versehen X × Y mit der Multiplikation µX×Y := (µX × µY ) ◦ (id ×T Y,X × id ), X Y dh. (x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 · x2 , y1 · y2 ). Eine einfache Überlegung zeigt, dass dadurch X × Y zu einem H-Raum wird. 62dh. V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 247 also ist H∗ (X; R) graduiert kommutativ. Ist X homotopieassotiativ, dann folgt aus µ ◦ (idX ×µ) ≃ µ ◦ (µ × idX ) mittels Satz V.6.5(i)&(iv) a · (b · c) = µ∗ (a × µ∗ (b × c)) = µ∗ (idX ×µ)∗ (a × (b × c)) = (µ ◦ (idX ×µ))∗ (a × b × c) = (µ ◦ (µ × idX ))∗ (a × b × c) = µ∗ (µ × idX )∗ ((a × b) × c) = µ∗ (µ∗ (a × b) × c) = (a · b) · c, also ist H∗ (X; R) assotiativ. Ist f : X → Y eine Abbildung von H-Räumen, dann folgt aus f ◦ µX ≃ µY ◦ (f × f ) mittels Satz V.6.5(iv) X Y f∗ (a · b) = f∗ µX ∗ (a × b) = (f ◦ µ )∗ (a × b) = (µ ◦ (f × f ))∗ (a × b) = µY∗ (f × f )∗ (a × b) = µY∗ (f∗ a × f∗ b) = f∗ a · f∗ b, also ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren, denn offensichtlich gilt auch f∗ (1X ) = 1Y . Schließlich ist (V.84) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren, denn aus µX×Y = (µX ×µY )◦(idX ×T Y,X ×idY ) folgt mittels Satz V.6.5(ii)&(iv) (a1 × b1 ) · (a2 × b2 ) = µ∗X×Y (a1 × b1 × a2 × b2 ) = (µX × µY ) ◦ (idX ×T Y,X × idY ) ∗ (a1 × b1 × a2 × b2 ) = (µX × µY )∗ (idX ×T Y,X × idY )∗ (a1 × b1 × a2 × b2 ) = (µX × µY )∗ (a1 × T∗Y,X (b1 × a2 ) × b2 ) = (−1)|b1 ||a2 | (µX × µY )∗ (a1 × a2 × b1 × b2 ) Y = (−1)|b1 ||a2 | µX ∗ (a1 × a2 ) × µ∗ (b1 × b2 ) = (−1)|b1 ||a2 | (a1 · a2 ) × (b1 · b2 ) und dies bedeutet gerade, dass (V.84) ein Algebra Homomorphismus ist. Beachte, dass offensichtlich auch 1X × 1Y = 1X×Y gilt. V.7.9. Beispiel. Für den Pontryagin Ring der topologischen Gruppe S 1 gilt aus Dimensionsgründen H∗ (S 1 ; Z) ∼ = ΛZ [x] mit |x| = 1. Für den Torus T n erhalten wir daher, siehe Proposition V.7.8 und Bemerkung V.7.7, H∗ (T n ; Z) ∼ |xi | = 1. = ΛZ [x1 ] ⊗ · · · ⊗ ΛZ [xn ] ∼ = ΛZ [x1 , . . . , xn ], Beachte, dass in diesem Fall (V.84) ein Isomorphismus ist, siehe Korollar V.6.8. Für die Gruppe der Einheitsquaternionen S 3 ⊆ H gilt wieder aus Dimensionsgründen H∗ (S 3 ; Z) ∼ = ΛZ [y] mit |y| = 3. Wie oben folgt |yi| = 3. H∗ (S 3 × · · · × S 3 ; Z) ∼ = ΛZ [y1 , . . . , yn ], = ΛZ [y1 ] ⊗ · · · ⊗ ΛZ [yn ] ∼ 248 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.7.10. Definition (Graduierte Koalgebra). Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einer graduierten R-Koalgebra verstehen wir einen graduierten R-Modul A zusammen mit einem R-Modulhomomorphismus, der sogenannten Komultiplikation oder Diagonale, ∆ : A → A ⊗R A. Wir setzen stets voraus, dass A mit einer Koeinheit ausgestattet ist, dh. wir haben einen Homomorphismus ε : A → R und das folgenden Diagramm kommutiert: ε⊗idA R ⊗A A o A ⊗O R A idA ⊗ε / A ⊗R R (V.85) ∆ A A A ∼ = →R Die graduierte R-Koalgebra A wird zusammenhängend genannt, falls ε : A0 − ein Isomorphismus ist und Aq = 0 für q < 0. Sie wird koassotiativ genannt falls das linke Diagramm unten kommutiert. A ∆ / A ⊗R A idA ⊗∆ ∆ A ⊗R A ∆⊗idA / A ⊗R A ⊗R A v A HHH HH∆ vv v HH vv HH v v{ v # A,A τ / A⊗ A ∆ A ⊗R R A Kommutiert das rechte Diagramm, dann wird A graduiert kokommutativ genannt. Unter einem Homomorphismus garduierter Koalgebren verstehen wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln ϕ : A → B der mit Komultiplikation und Koeinheit verträglich ist, dh. es gilt ∆B ◦ ϕ = (ϕ ⊗ ϕ) ◦ ∆A sowie εB ◦ ϕ = εA . V.7.11. Bemerkung. Die Komultiplikation einer L R-Koalgebra A besteht aus R-lineare Abbildungen ∆ : An → (A ⊗R A)n = p+q=n Ap ⊗R Aq . Wir erhalten daher R-lineare Abbildungen ∆p,q : A → Ap ⊗R Aq und es gilt X ∆p,q (a), a ∈ An . ∆(a) = p+q=n ∼ = → R ⊗R An = An ein Für zusammenhängendes A ist ε ⊗ idAn : A0 ⊗R An − Isomorphismus und mittels (V.85) folgt ∆0,n (a) = 1 ⊗ a und analog ∆n,0 (a) = ∼ = → R dem a⊗1, für a ∈ An . Dabei bezeichnet 1 ∈ A0 jenes Element, das via ε : A0 − Einselement in R entspricht. Im zusammenhängenden Fall gilt daher ∆(1) = 1⊗1 und n−1 X ∆(a) = 1 ⊗ a + ∆k,n−k (a) + a ⊗ 1, a ∈ An , n ≥ 1. k=1 Ein Element a ∈ A wird primitiv genannt, falls ∆(a) = 1 ⊗ a + a ⊗ 1. V.7.12. Bemerkung (Tensorprodukt graduierter Koalgebren). Es seien A und B zwei graduierte Koalgebren über einem kommutativen Ring mit Eins R. V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 249 Wir machen den graduierten R-Modul A ⊗R B durch folgende Komultiplikation id ⊗τ A,B ⊗id ∆ ⊗∆ B B A ⊗R B −−A−−−→ (A ⊗R A) ⊗R (B ⊗R B) −−A−−−−−−−→ (A ⊗R B) ⊗R (A ⊗R B) zu einer graduierten R-Koalgebra. Die Koeinheit von A ⊗R B ist durch εA ⊗ εB : A ⊗R B → R ⊗R R = R gegeben. Sind A und B zusammenhängend dann ist auch A ⊗R B zusammenhängend. Sind A und B koassotiativ dann ist auch A ⊗R B koassotiativ. Sind A und B kokommutativ dann ist auch A ⊗R B komommutativ. Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen graduierter R-Koalgebren, dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus graduierter R-Koalgebren. V.7.13. Proposition. Es sei X wegzusammenhängender topologischer Raum und es bezeichne D : X → X × X, D(x) := (x, x), die Diagonalabbildung. Weiters sei R ein kommutativer Ring mit Eins, sodass das Homologiekreuzprodukt × H(X; R)⊗R H(X; R) − → H(X ×X; R) ein Isomorphismus ist.65 Die Komposition ×−1 D ∗ ∆ : H∗ (X; R) −→ H∗ (X × X; R) −−→ H∗ (X; R) ⊗R H∗ (X; R) macht dann H∗ (X; R) zu einer zusammenhängenden graduiert kokommutativen = und koassotiativen R-Koalgebra mit Koeinheit ε : H0 (X; R) − → R. Jede stetige Abbildung zwischen wegzusammenhängenden Räumen f : X → Y induziert einen Homomorphismus graduierter R-Koalgebren f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R), und das Kreuzprodukt liefert einen Homomorphismus graduierter R-Koalgebren,66 × H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) − → H∗ (X × Y ; R). (V.86) Beweis. Bezeichnet ε̃ : X → {∗} die konstante Abbildung dann gilt ε = ε̃∗ : H(X; R) → H({∗}; R) = R. Nach V.6.5(iii)&(iv) kommutiert das Diagramm H(X; R) D∗ / H(X × X; R) o × H(X; R) ⊗R H(X; R) idH(X;R)⊗ε̃∗ (idX ×ε̃)∗ H(X × {∗}; R) o × H(X; R) ⊗R H({∗}; R) idH(X;R) ) H(X; R) H(X; R) ⊗R R also gilt (idH(X;R) ⊗ε)◦∆ = idH(X;R) . Analog lässt sich (ε⊗idH(X;R) )◦∆ = idH(X;R) zeigen, also ist ε tatsächlich eine Koeinheit. Der Zusammenhang von H∗ (X; R) 65Nach Korollar V.6.7 ist diese Voraussetzung für jeden Körper K = R erfüllt. Im Fall R = Z ist dies zumindest dann erfüllt, wenn H∗ (X) frei abelsch ist, siehe Korollar V.6.8. × 66Wir setzten hier natürlich voraus, dass auch H(Y ; R) ⊗ H (Y ; R) − → H(Y × Y ; R) und R ∗ × H(X × Y ; R) ⊗R H∗ (X × Y ; R) − → H(X × Y × X × Y ; R) Isomorphismen sind, sodass H∗ (Y ; R) und H∗ (X × Y ; R) tatsächlich R-Koalgebren sind. 250 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN folgt aus dem Wegzusammenhang von X. Die Koassotiativität von ∆ folgt aus der Kommutativität des Diagramms: D∗ H(X) × / H(X × X) o H(X) ⊗ H(X) idH(X) ⊗D∗ (idX ×D)∗ D∗ (D×idX )∗ H(X × X) × / H(X × X × X) o O O × H(X) ⊗ H(X × X) O idH(X) ⊗× × H(X) ⊗ H(X) D∗ ⊗idH(X) / H(X × X) ⊗ H(X) o ×⊗idH(X) H(X) ⊗ H(X) ⊗ H(X) Das linke obere Rechteck kommutiert aufgrund der Relation (idX ×D)◦D = (D× idX ) ◦ D. Der rechte untere Teil des Diagramms kommutiert wegen Satz V.6.5(i). Die beiden anderen Rechtecke kommutieren wegen der Natürlichkeit des Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv). Aus T ◦ D = D und Satz V.6.5(ii) erhalten wir ein kommutatives Diagramm H(X; R) D∗ × H(X × X; R) o / H(X; R) ⊗R H(X; R) T∗ D∗ τ H(X),H(X) * × H(X × X; R) o H(X; R) ⊗R H(X; R) also ist ∆ graduiert kokommutativ. Ist f : X → Y stetig so erhalten wir aus (f × f )◦D X = D Y ◦f und der Natürlichkeit des Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv), ein kommutatives Diagramm: H(X; R) D∗X H(X; R) ⊗R H(X; R) (f ×f )∗ f∗ × H(X × X; R) o / H(Y ; R) D∗Y / f∗ ⊗f∗ × H(Y × Y ; R) o H(Y ; R) ⊗R H(Y ; R) Also ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus von R-Koalgebren, denn offensichtlich gilt auch εY ◦ f∗ = εX . Für die letzte Behauptung der Proposition betrachten wir nun das kommutative Diagramm: × H(X) ⊗ H(Y ) / H(X × Y ) j j j j jjj jjj(DjX ×DY )∗ j j j ju X Y D∗ ⊗D∗ H(X × X) ⊗ H(Y × Y ) O × / ×⊗× H(X) ⊗ H(X) ⊗ H(Y ) ⊗ H(Y ) TTTT TTTT TTTT X,Y TTT) (idX ×T ×idY )∗ H(X × Y × X × Y ) O idH(X) ⊗τ H(X),H(Y ) ⊗idH(Y ) H(X) ⊗ H(Y ) ⊗ H(X) ⊗ H(Y ) X×Y D∗ H(X × X × Y × Y ) × ×⊗× / H(X × Y ) ⊗ H(X × Y ) V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 251 Der linke obere Teil kommutiert wegen Satz V.6.5(iv), der rechte obere Teil kommutiert aufgrund der Relation (idX ×T X,Y × idY ) ◦ (D X × D Y ) = D X×Y , und der untere Teil kommutiert nach Satz V.6.5(i)&(ii). Es gilt daher (× ⊗ ×)(∆H(X)⊗H(Y ) (a ⊗ b)) = ∆H(X×Y ) (×(a ⊗ b)), also ist (V.86) ein Homomorphismus graduierter R-Koalgebren, denn offensichtlich gilt auch εH(X)⊗H(Y ) (a ⊗ b) = εH(X×Y ) (a × b). V.7.14. Definition (Hopf-Algebra). Unter einer Hopf-Algebra über einem kommutativen Ring mit Eins R verstehen wir eine zusammenhängende graduierte R-Algebra A die auch mit der Struktur einer R-Koalgebra ausgestattet ist. Diese beiden Strukturen sollen in folgendem Sinn verträglich sein: (i) Für das Einselement 1 ∈ A und die Koeinheit ε : A → R gilt ε(1) = 1R . (ii) Es gilt ∆(ab) = ∆(a)∆(b), dh. das folgende Diagramm kommutiert: A ⊗R A ∆⊗∆ / A ⊗R A ⊗R A ⊗R A idA ⊗τ A,A ⊗idA / A ⊗R A ⊗R A ⊗R A µ A µ⊗µ ∆ / A ⊗R A Unter einem Homomorphismus von Hopf-Algebren verstehen wir einen Homomorphismus ϕ : A → B der gleichzeitig Algebra- und Koalgebrahomomorphismus ist. V.7.15. Bemerkung. Aus (i) oben und dem Zusammenhang folgt ∆(1) = 1 ⊗ 1 = 1A⊗R A sowie ε ◦ µ = ε ⊗ ε = εA⊗R A . Die Forderung (ii) bedeutet gerade, dass die Komultiplikation ∆ : A → A ⊗R A ein R-Algebra Homomorphismus ist. Äquivalent kann dies aber auch so interpretiert werden, dass die Multiplikation µ : A ⊗R A → A einen Homomorphismus von R-Koalgebren bildet. Die Koeinheit ε : A → R ist ein R-Algebra Homomorphismus. Statten wir R mit der Struktur einer Hopfalgebra aus, ∆R (r) = r, dann ist R → A, r 7→ r · 1, ein Homomorphismus von R-Koalgebren. V.7.16. Bemerkung (Tensorprodukt von Hopf-Algebren). Sind A und B zwei Hopf-Algebren über R, dann ist A ⊗R B sowohl eine graduierte R-Algebra, siehe Bemerkung V.7.7, als auch graduierte R-Koalgebra, siehe Bemerkung V.7.12. Dadurch wird A⊗R B zu einer Hopf-Algebra, denn die Komultiplikation auf A⊗R B ist Komposition zweier R-Algebra Homomorphismen, siehe Bemerkung V.7.12. Das Tensorprodukt zweier Hopf-Algebren ist daher wieder eine Hopf-Algebra. Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen von Hopf-Algebren, dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus von HopfAlgebren. V.7.17. Beispiel (R[x] als Hopf-Algebra). Betrachte die Polynomalgebra R[x] mit |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R. Es gibt genau eine Möglichkeit diese graduiert kommutative und assotiative R-Algebra zu einer Hopf-Algebra zu machen. Für die Koeinheit muss ε(1) = 1 und ε(xk ) = 0 falls k > 0 gelten, womit ε 252 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN völlig festgelegt ist. Aus Dimensionsgründen gilt weiters ∆(x) = 1⊗x+x⊗1, siehe Bemerkung V.7.11 Aus der universellen Eigenschaft der Polynomalgebra erhalten wir einen eindeutigen Homomorphismus graduierter R-Algebren ∆ : R[x] → R[x] ⊗R R[x] mit ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1. Mit dieser Komultiplikation wird R[x] also zu einer graduiert kokommutativen und koassotiativen Hopf-Algebra. Dies ist die einzige Komultiplikation die R[x] zu einer Hopf-Algebra macht. Es folgt n n X n k n n x ⊗ xn−k . ∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1 = k k=0 V.7.18. Beispiel (ΓR [x] als Hopf-Algebra). Betrachte die dividierte Polynomalgebra ΓR [x] wobei |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R, siehe BeispielV.7.5, mit Basis xk ∈ (ΓR [x])k|x| = R, k ∈ N0 , und Multiplikation xk · xl = k+l xk+l . Eine k einfache Rechnung zeigt, dass ΓR [x] durch die Komultiplikation ∆ : ΓR [x] → ΓR [x] ⊗R ΓR [x], ∆(xn ) = n X xk ⊗ xn−k k=0 zu einer graduiert kokommutativen und koassotiativen Hopf-Algebra wird. Ist Z → R, n 7→ n · 1R , injektiv, dann ist dies die einzige Komultiplikation die ΓR [x] zu einer Hopf-Algebra macht. Für einen Körper K = R der Charakteristik 0 ist der Isomorphismus ΓK [x] ∼ = K[x], siehe Beispiel V.7.5, ein Isomorphismus von Hopf-Algebren. V.7.19. Beispiel (ΛR [x] als Hopf-Algebra). Aus Dimensionsgründen gibt es genau eine Komultiplikation auf ΛR [x] mit |x| ungerade, die die R-Algebra ΛR [x] zu einer Hopf-Algebra macht, ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1. Beachte 1 ⊗ x + x ⊗ 1 1 ⊗ x + x ⊗ 1 = 1 ⊗ x2 + x ⊗ x + (−1)|x||x| x ⊗ x + x2 ⊗ 1 = 0, denn |x| ist ungerade. Daher gilt tatsächlich ∆(x2 ) = ∆(x)∆(x). V.7.20. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring, sodass Z → R, n 7→ n · 1R injektiv ist, etwa R = K ein Körper der Charakteristik 0 oder R = Z. Weiters sei n ≥ 2. Auf der graduierten Algebra R[x]/xn , mit |x| gerade, existiert keine Komultiplikation die sie zu einer Hopf-Algebra machen würde. Nehmen wir dazu indirekt an es wäre ∆ soeine Komultiplikation. Aus xn = 0 erhalten wir n n X n k n n x ⊗ xn−k , 0 = ∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1 = k k=0 n und daher k = 0, für alle 0 < k < n, ein Widerspruch, denn Z → R ist injektiv. s V.7.21. Beispiel (Die Hopf-Algebra Zp [x]/xp .). Es sei p eine Primzahl und s s ∈ N. Betrachte die graduiert kommutative und assotiative Algebra Zp [x]/xp , wobei wir |x| gerade voraussetzen falls p 6= 2. Auf dieser Algebra gibt es genau eine Komultiplikation die sie zu einer Hopf-Algebra macht. Aufgrund der V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 253 universellen Eigenschaft des Polynomrings existiert nämlich genau ein Algebra ˜ ˜ : Zp [x] → Zp [x]/xps ⊗Zp Zp [x]/xps mit ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1. Homomorphismus ∆ Aus Lemma V.7.23 unten folgt ps ˜ ps ) = (∆(x)) ˜ ∆(x = 1⊗x+x⊗1 ps s s = 1 ⊗ xp + xp ⊗ 1 = 0, ˜ zu einem Algebra Homomorphismus also faktorisiert ∆ s s s ∆ : Zp [x]/xp → Zp [x]/xp ⊗Zp Zp [x]/xp . Dies ist die gesuchte eindeutige Komultiplikation. V.7.22. Bemerkung. Es sei p eine Primzahl und n ∈ N. Betrachte die graduiert kommutative und assotiative Algebra Zp [x]/xn , wobei wir |x| gerade voraussetzen falls p 6= 2. Diese Algebra kann nur dann zu einer Hopf-Algebra gemacht werden, wenn n eine Potenz von p ist, vgl. Beispiel V.7.21 oben. Aus xn = 0 erhalten wir nämlich n n 0 = ∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1 n n X n k x ⊗ xn−k , = k k=0 also nk ≡ 0 mod p, für alle 0 < k < n, und dies ist nur im Fall n = ps möglich, siehe Lemma V.7.23 unten. V.7.23. Lemma. Ist p eine Primzahl und n, k ∈ N0 dann gilt Y ni n = ki k i mod p, (V.87) P P wobei n = i ni pi und k = i ki pi die p-adischen Entwicklungen von n bzw. p bezeichnen, 0 ≤ ni < p, 0 ≤ ki < p.67 Weiters sind für n ≥ 1 die folgenden Aussagen äquivalent: (i) (x + y)n = xn + y n ∈ Zp [x, y]. (ii) Für alle 0 < k < n gilt nk ≡ 0 mod p. (iii) Es gilt n = ps , für ein s ∈ N0 . P Beweis. In Zp [x] gilt (1 + x)p = pk=0 kp xk = 1 + xp , denn p teilt kp , für i i jedes 0 < k < p. Mittels Induktion folgt (1 + x)p = 1 + xp , i ∈ N0 . Aus dem 67Wir verwenden hier die Konvention n k = 0 falls k > n. 254 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN binomischen Lehrsatz erhalten wir daher, in Zp [x]: n ∞ X P n k X n k i x = (1 + x)n = (1 + x) i ni p x = k k k=0 k=0 Y Y i i n = (1 + x)ni p = 1 + xp i i i p−1 Y ni ki pi Y X ni ki pi x x = = ki ki i ki =0 i ki =0 p−1 p−1 p−1 Y ni P i XX X x i ki p ··· = ki i k0 =0 k1 =0 k2 =0 ∞ Y X ni k x = ki k=0 i ni X P Die letzte Gleichheit folgt aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung, k = i ki pi . Koeffizientenvergleich liefert nun (V.87). Die Äquivalenz (i)⇔(ii) folgt aus dem binomischen Lehrsatz. Q s 0 ps Ad (iii)⇒(ii): Aus (V.87) erhalten wir pk = k1s i6=s ki . Ist k 6= 0 dann folgt ki = 0, für alle i 6= s, sowie ks = 0, 1, und damit k = 0 oder k = ps = n. Ad (ii)⇒(iii): Wir nehmen indirekt an n wäre keine Potenz von p,dh. ps 6= n, Q ni für alle s. Aus (ii) und (V.87) folgt 0 = pns = n1s = n1s für alle s. i6=s 0 Daher ns = 0 für alle s und somit n = 0, ein Widerspruch. V.7.24. Proposition. Es sei X ein wegzusammenhängender H-Raum und R ein kommutativer Ring mit Eins, sodass das Homologiekreuzprodukt H(X; R) ⊗R × H∗ (X; R) − → H(X × X; R) ein Isomorphismus ist.68 Dann bildet H∗ (X; R) bezüglich der Multiplikation aus Proposition V.7.8 und der Komultiplikation aus Proposition V.7.13 eine kokommutative und koassotiative Hopf-Algebra. Ist X homotopieassotiativ dann ist H∗ (X; R) assotiativ. Ist X homotpiekommutativ dann ist H∗ (X; R) kommutativ. Jede Abbildung zusammenhängender H-Räume f : X → Y induziert einen Homomorphismus von Hopf-Algebren f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R), das Kreuzprodukt einen Homomorphismus von Hopf-Algebren69 × H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) − → H∗ (X × Y ; R). Beweis. Es ist nur noch zu zeigen, dass die Komultiplikation D ×−1 ∗ ∆ : H(X; R) −→ H(X × X; R) −−→ H(X; R) ⊗R H(X; R) 68Etwa R = K ein Körper, oder R = Z und H∗ (X) frei abelsch. × setzten hier natürlich voraus, dass H(Y ; R) ⊗R H∗ (Y ; R) − → H(Y × Y ; R) und × H(X × Y ; R) ⊗R H∗ (X × Y ; R) − → H(X × Y × X × Y ; R) Isomorphismen sind, sodass H∗ (Y ; R) und H∗ (X × Y ; R) tatsächlich Hopf-Algebren sind. 69Wir V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 255 ein Algebra Homomorphismus ist. Nach Proposition V.7.8 sind aber beide Abbildungen Algebrahomomorphismen, denn D : X → X × X ist eine Abbildung von H-Räumen. V.7.25. Lemma. Für n ≥ 1 gilt: (i) Ist Rn eine Divisionsalgebra dann sind S n−1 und RPn−1 H-Räume. (ii) Ist Cn eine Divisionsalgebra über C, dann ist CPn−1 ein H-Raum. (iii) Ist S n−1 parallelisierbar70 dann ist S n−1 ein H-Raum. Beweis. Ist Rn eine Divisionsalgebra, dann existiert auf Rn auch eine Divisionsalgebren Struktur mit Einselement. Wähle dazu 0 6= e ∈ Rn und einen linearen Isomorphismus ϕ ∈ GL(R) mit ϕ(e2 ) = e. Beachte hier, dass e2 6= 0 wegen der Nullteilerfreiheit einer Divisionsalgebra. Es ist nun auch µ̃(x, y) := ϕ(xy) eine Divisionsalgebrenstruktur auf Rn für die µ̃(e, e) = e gilt. Es bezeichne le ∈ GL(Rn ), le (y) := µ̃(e, y), und re ∈ GL(Rn ), re (x) := µ̃(x, e). Definieren wir schließlich µ(x, y) := µ(re−1(x), le−1 (y)), dann ist dies eine Divisionsalgebrenstruktur mit Einselement e. Ad (i): Nach obiger Bemerkung dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass die Divisionsalgebrenstruktur auf Rn ein Einselement besitzt. Es definiert nun (x, y) 7→ xy/kxyk eine H-Raumstruktur auf S n−1 , und ([x], [y]) 7→ [xy] eine H-Raumstruktur auf RPn−1 . Beachte, dass dies wegen der Nullteilerfreiheit der Multiplikation tatsächlich wohldefiniert ist. Ad (ii): Wie oben dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass die Divisionsalgebra Cn ein Einselement besitzt. Es definiert dann ([x], [y]) 7→ [xy], eine H-Raum Struktur auf CPn . Beachte, dass dies aufgrund der Nullteilerfreiheit und der komplexen Linearität der Multiplikation auf Cn tatsächlich wohldefiniert ist. Ad (iii): Seien also vi : S n−1 → Rn punktweise linear unabhängige stetig Vektorfelder, vi (x) ⊥ x. Für jedes x ∈ S n−1 ist dann die Matrix Ax := (x, v2 (x), . . . , vn (x)) invertierbar, dh. Ax ∈ GL(Rn ). Bezeichnet e := (1, 0, . . . , 0) ∈ S n−1 den ersten Einheitsvektor, dann definiert µ : S n−1 ×S n−1 → S n−1 , µ(x, y) := −1 n−1 Ax A−1 mit Einselement e, denn ofe y/kAx Ae yk, eine H-Raum Struktur auf S fensichtlich µ(e, y) = y, aber auch µ(x, e) = x, denn es gilt Ax e = x und daher auch A−1 e e = e. V.7.26. Satz. Für 0 ≤ i, j, i + j ≤ n sind die folgenden Komultiplikationen Isomorphismen: ∼ = → Hi (RPn ; Z2 ) ⊗Z2 Hj (RPn ; Z2 ) (i) ∆i,j : Hi+j (RPn ; Z2 ) − ∼ = → H2i (CPn ; Z) ⊗ H2j (CPn ; Z) (ii) ∆2i,2j : H2(i+j) (CPn ; Z) − ∼ = → H4i (HPn ; Z) ⊗ H4j (HPn ; Z) (iii) ∆4i,4j : H4(i+j) (HPn ; Z) − 70dh. es existieren n − 1 tangentiale Vektorfelder v2 , . . . , vn auf S n−1 , vi : S n−1 → Rn stetig und vi (x) ⊥ x, x ∈ S n−1 , i = 2, . . . , n, die punktweise linear unabhängig sind, dh. v2 (x), . . . , vn (x) linear unabhängig in Rn , für jedes x ∈ S n−1 . Dies bedeutet, dass das Tangentialbündel von S n−1 trivial ist, dh. T S n−1 ∼ = S n−1 × Rn−1 . 256 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Beweis. Wir folgen der Darstellung in [2, Chapter VII.9.3]. Wir beweisen alle drei Ausagen gleichzeitig und setzen dazu P n := RPn , CPn , HPn , K = R, C, H sowie d := 1, 2, 4 in den drei Fällen (i), (ii) bzw. (iii). Aufgrund der Natürlichkeit von ∆ dürfen wir o.B.d.A. i + j = n annehmen, denn die Inklusion P i+j → P n ∼ = → Hq (P n ), für alle q ≤ d(i + j). Betrachte: induziert Isomorphismen Hq (P i+j ) − P i := [x0 : x1 : . . . : xn ] ∈ P n xi+1 = · · · = xn = 0 ⊆ P n P̂ j := [x0 : x1 : . . . : xn ] ∈ P n x0 = · · · = xi−1 = 0 ⊆ P n Offensichtlich gilt P i ∩ P̂ j = {∗} (V.88) mit ∗ := [0 : · · · 0 : 1 : 0 : · · · : 0] ∈ P n . Die Inklusion P i−1 → P n \ P̂ j ist eine Homotopieäquivalenz, denn [x0 : · · · : xn ] 7→ [x0 : · · · : xi−1 : txi : · · · : txn ] definiert eine retrahierende Deformation von P n \ P̂ j auf P i−1. Die Inklusion ∼ = → H∗ (P n , P n \ P̂ j ). Aus der induziert daher einen Isomorphismus H∗ (P n , P i−1) − langen exakten Sequenz des Paares (P n , P i−1 ) folgt nun Hq (P n , P n \ P̂ j ) = 0, für q < di, (V.89) und die Inklusionen induzieren Isomorphismen ∼ = Hq (P i, P i \ ∗) − → Hq (P n , P n \ P̂ j ), sowie für q ≤ di (V.90) ∼ = → Hdi (P n , P n \ P̂ j ). (V.91) Hdi (P n ) − Analog gilt Hq (P n , P n \ P i ) = 0 für q < dj, und die Inklusionen induziert Iso∼ ∼ = = → → Hq (P n , P n \ P i ), für q ≤ dj, sowie Hdj (P n ) − morphismen Hq (P̂ j , P̂ j \ ∗) − Hdj (P n , P n \ P i ). Setze K i := (x1 , . . . , xn ) ∈ K n xi+1 = · · · = xn = 0 ⊆ K n K̂ j := (x1 , . . . , xn ) ∈ K n x1 = · · · = xi = 0 ⊆ K n und betrachte die Karte ϕ : K n → P n, ϕ(x1 , . . . , xn ) := x1 : · · · : xi : 1 : xi+1 : · · · : xn . Betrachte das kommutative Diagramm Hq (K n , K n \ K̂ j ) ϕ∗ / O Hq (P n , P n \ P̂ j ) O ∼ = Hq (K i , K i \ 0) (ϕ|K i )∗ ∼ = / Hq (P i , P i \ ∗) Der linke vertikale Pfeil ist ein Isomorphismus, denn die Inklusion (K i , K i \ 0) → (K n , K n \ K̂ j ) ist eine Homotopieäquivalenz. Mittels Excision folgt, dass auch der untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus ist. Für q ≤ di ist auch der rechte V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 257 vertikale Pfeil ein Isomorphismus, siehe (V.90). Wir erhalten daher Isomorphismen ∼ = ϕ∗ : Hq (K n , K n \ K̂ j ) − → Hq (P n , P n \ P̂ j ), für q ≤ di. (V.92) ∼ = → Hq (P n , P n \ P i), falls q ≤ dj. Betrachte Analog gilt auch ϕ∗ : Hq (K n , K n \ K i ) − nun folgendes Diagramm: ∆di,dj D∗ Hdn (P n ) / Hdn (P n × P n ) o * × Hdi (P n ) ⊗ Hdj (P n ) ∼ = ∼ = D∗ Hdn (P n , P n \ ∗) O / ∼ = ` ´ Hdn P n × P n , (P n \ P̂ j ) × P n ∪ P n × (P n \ P i ) ϕ∗ O × o ∼ = O ϕ∗ ⊗ϕ∗ (ϕ×ϕ)∗ D∗ Hdn (K n , K n \ 0) / Hdi (P n , P n \ P̂ j ) ⊗ Hdj (P n , P n \ P i ) ` ´ Hdn K n × K n , (K n \ K̂ j ) × K n ∪ K n × (K n \ K i ) O o × ∼ = ∼ = Hdi (K n , K n \ K̂ j ) ⊗ Hdj (K n , K n \ K i ) ∼ = ∼ = * ` ´ Hdn K i × K̂ j , (K i \ 0) × K̂ j ∪ K i × (K̂ j \ 0) Der rechte Teil des Diagramms kommutiert wegen der Natürlichkeit des Kreuzproduktes. Nach Korollar V.6.17 bzw. Korollar V.6.18 und (V.89) sind die beiden Kreuzprodukte tatsächlich Isomorphismen. Nach (V.91) und (V.92) sind die beiden vertikalen Pfeile rechts Isomorphismen. Der linke untere diagonale Pfeil wird von der Identifikation (K n , K n \ 0) = (K i × K̂ j , (K i \ 0) × K̂ j ∪ K i × (K̂ j \ 0)) induziert und ist daher ein Isomorphismus. Der linke untere Teil des Diagramms kommutiert, denn (x1 , . . . , xn ) 7→ x1 , . . . , xi , txi+1 , . . . , txn ; tx1 , . . . , txi , xi+1 , . . . , xn ist eine Homotopie von D zu der Komposition der beiden anderen Pfeile. Der mittlere vertikale Pfeil unten ist von einer Homotopieäquivalenz induziert und daher ein Isomorphismus. Der verbleibende Teil des Diagramms kommutiert aus trivialen Gründen, alle unbeschrifteten Pfeile sind von Inkusionen induziert. Beachte, dass wegen (V.88) die Diagonalabbildungen wirklich Homomorphismen relativer Homologiegruppen wie angegeben induzieren. Der vertikale Pfeil links oben ist wegen (V.91) mit j = 0 und i = n ein Isomorpshimus. Auch der mittlere vertikale Pfeil links ist ein Isomorphismus, dies folgt aus (V.92) mit j = 0 und i = n, oder mittels Excision. Wir sehen also, dass alle als Isomorphismen gekennzeichneten Pfeile tatsächlich Isomorphismen sind. Aus der Kommutativität des Diagramms folgt nun, dass auch ∆di,dj ein Isomorphismus sein muss. 258 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.7.27. Beispiel. Betrachte die Räume CP2 und S 2 ∨ S 4 . Für jede abelsche Gruppe G gilt Hq (CP2 ; G) ∼ = Hq (S 2 ∨ S 4 ; G), die additive Struktur der Homologiegruppen erlaubt es daher nicht diese beiden Räume zu unterscheiden. Nach Satz V.7.26(ii) ist jedoch ∼ = → H2 (CP2 ) ⊗ H2 (CP2 ) ∆2,2 : H4 (CP2 ) − ein Isomorphismus, während 0 = ∆2,2 : H4 (S 2 ∨ S 4 ) → H2 (S 2 ∨ S 4 ) ⊗ H2 (S 2 ∨ S 4 ) verschwindet. Die letzte Aussage folgt aus der Existenz einer Retraktion r : S 2 ∨ S 4 → S 2 , denn für x ∈ H4 (S 2 ∨ S 4 ) erhalten wir r∗ x = 0, also 0 = ∆2,2 (r∗ x) = (r∗ ⊗ r∗ )∆2,2 (x) und damit ∆2,2 (x) = 0 da ja r∗ : H2 (S 2 ∨ S 4 ) → H2 (S 2 ) aufgrund der Retraktionseigenschaft von r ein Isomorphismus ist. Die Räume CP2 und S 2 ∨ S 4 können daher nicht homotopieäquivalent sein. Analog lässt sich CPn 6≃ S 2 ∨ S 4 ∨ · · · ∨ S 2n zeigen, obwohl additiv Hq (CPn ; G) ∼ = Hq (S 2 ∨ · · · ∨ S 2n ; G) für alle q gilt. V.7.28. Proposition. Es sei A ein graduierter R-Modul sodass Aq = 0 für q < 0, und sodass Aq ∼ = Rnq für q ≥ 0. Weiters bezeichne HomR (A, R) den graduierten R-Modul HomR (A, R)q := HomR (Aq , R). Ist (A, µ) eine graduierte Algebra dann wird HomR (A, R) durch µ∗ HomR (A, R) −→ HomR (A ⊗R A, R) = HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) zu einer graduierten Koalgebra. Ist A graduiert kommutativ dann ist HomR (A, R) graduiert kokommutativ. Ist A assotiativ dann ist HomR (A, R) koassotiativ. Ist (A, ∆) eine graduierte Koalgebra dann wird HomR (A, R) durch ∆∗ HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) = HomR (A ⊗R A, R) −→ HomR (A, R) zu einer graduierten Algebra. Ist A graduiert kokommutativ dann ist HomR (A, R) graduiert kommutativ. Ist A koassotiativ dann ist HomR (A, R) assotiativ. Ist A eine Hopf-Algebra dann ist auch HomR (A, R) eine Hopf-Algebra. Beweis. Die Voraussetzungen an A stellen sicher, dass der kanonische Homomorphismus ∼ = HomR (A, R) ⊗ HomR (A, R) − → Hom(A ⊗R A, R) ein Isomorphismus ist. Sei nun etwa ∆ eine koassotiative Komultiplikation auf A, dh. das Diagramm A ∆ / A ⊗R A idA ⊗∆ ∆ A ⊗R A ∆⊗idA / A ⊗R A ⊗R A V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 259 kommutiert. Durch Anwenden des Funktors HomR (−, R) sehen wir, dass auch HomR (A, R) O ∆∗ o HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) O id ⊗∆∗ ∆∗ ∗ HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) o ∆ ⊗id HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) kommutiert, also ist die Multiplikation ∆∗ auf HomR (A, R) assotiativ. Die anderen Aussagen lassen sich analog zeigen. V.7.29. Beispiel. Es sei wieder |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R. Dann existiert ein Isomorphismus von Hopf-Algebren (V.93) HomR (R[x], R) ∼ = ΓR [x]. Bezeichne dazu αk ∈ HomR (R[x], R)k|x| jenen Erzeuger für den αk (xk ) = 1R gilt. k k+l l Da ∆k,l (xk+l ) = k+l x ⊗ x , erhalten wir α α = αk+l , und aus xk xl = xk+l k l k k k folgt ∆k,l (αk+l ) = αk ⊗ αl . Die Zuordnung αk ↔ x liefert daher den gewünschten Isomorphismus (V.93). Ebenso existiert ein Isomorphismus von Hopf-Algebren HomR (ΓR [x], R) ∼ = R[x]. V.7.30. Korollar. Für n ≥ 0 gilt: (i) Es existiert eine Basis xk ∈ Hk (RPn ; Z2 ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(xk ) = Pk i=0 xi ⊗ xk−i . (ii) Es existiert eine Basis yk ∈ H2k (CPn ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(yk ) = Pk i=0 yi ⊗ yk−i . (iii) Es existiert eine Basis zk ∈ H4k (HPn ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(zk ) = Pk i=0 zi ⊗ zk−i . Beweis. Behauptung (i) folgt sofort aus Satz V.7.26(i), denn Hk (RPn ; Z2 ) ∼ = Z2 , 0 ≤ k ≤ n, besitzt nur eine Basis. Behauptung (ii) folgt aus Satz V.7.26(ii) und der Koassotiativität von H∗ (CPn ). Nach Proposition V.7.28 induziert die Komultiplikation auf B := Hom(H∗ (CPn ), Z) die Struktur einer (graduiert) kommutativen und assotiativen Algebra. Nach Satz V.7.26(ii) ist die Multiplikation Bi ⊗ Bk−i → Bk ein Isomorphismus. Bezeichnet β ∈ B2 ∼ = Z einen Erzeuger, i ∼ dann ist also auch βi := β ∈ B2i = Z ein Erzeuger, 0 ≤ i ≤ n. Aus der Assotiativität von B folgt βi βk−i = βk . Bezeichnet nun yi ∈ H2i (CPn ) den Erzeuger mit βi (yi ) = 1R , 0 ≤ i ≤ n, dann erhalten wir ∆i,k−i (yk ) = yi ⊗ yk−i. Dies zeigt (ii), Behauptung (iii) lässt sich analog aus Satz V.7.26(iii) herleiten. V.7.31. Korollar. Für n ≥ 0 gilt: (i) Ist f : RPn → RPn stetig dann existiert λ ∈ Z2 , sodass für 1 ≤ q ≤ n gilt f∗ = λ : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ). (ii) Ist f : CPn → CPn stetig dann existiert λ ∈ Z, sodass für 1 ≤ q ≤ n gilt f∗ = λq : H2q (CPn ) → H2q (CPn ). 260 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN (iii) Ist f : HPn → HPn stetig dann existiert λ ∈ Z, sodass für 1 ≤ q ≤ n gilt f∗ = λq : H4q (HPn ) → H4q (HPn ). Beweis. Es existieren λq ∈ Z2 , sodass f∗ xq = λq xq , q = 0, . . . , n, wobei xq ∈ Hq (RPn ; Z2 ) eine Basis wie in Korollar V.7.30(i) bezeichnet. Aus der Natürlichkeit von ∆ und Korollar V.7.30(i) folgt nun λq x1 ⊗ xq−1 = λq ∆1,q−1 (xq ) = ∆1,q−1 (f∗ xq ) = (f∗ ⊗ f∗ )∆1,q−1 (xq ) = (f∗ ⊗ f∗ )x1 ⊗ xq−1 = λ1 λq−1 x1 ⊗ xq−1 und daher λq = λ1 λq−1 , q ≥ 1. Mittels Induktion erhalten wir λq = λq1 , q ≥ 1. Da λq1 = λ1 ∈ Z2 folgt Behauptung (i) mit λ := λ1 . Behauptung (ii) lässt sich analog beweisen. Zunächst existieren λq ∈ Z mit f∗ yq = λq yq , q = 0, 1, . . . , n, wobei yq ∈ H2q (CPn ) eine Basis wie in Korollar V.7.30(ii) bezeichnet. Aus einer Rechnung wie oben folgt λq = λ1 λq−1 , q ≥ 1, und daher λq = λq mit λ := λ1 . Damit ist (ii) bewiesen, dasselbe Argument zeigt auch (iii). V.7.32. Korollar. Für 0 < k < n gilt: (i) RPk ist nicht Retrakt von RPn . (ii) CPk ist nicht Retrakt von CPn . (iii) HPk ist nicht Retrakt von HPn . Beweis. Wir gehen indirekt vor und nehmen an r : RPn → RPk ⊆ RPn wäre eine Retraktion, r|RPk = idRPk . Da die Inklusion RPk → RPn einen Isomorphis∼ = mus H1 (RPk ; Z2 ) − → H1 (RPn ; Z2 ) induziert, gilt also r∗ = id : H1 (RPn ; Z2 ) → H1 (RPn ; Z2 ). Aus Korollar V.7.31(i) folgt nun r∗ = id : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ), ein Widerspruch, denn Hn (RPk ; Z2 ) = 0. Damit ist (V.7.32) gezeigt, die verbleibenden Aussagen lassen sich analog beweisen. V.7.33. Korollar. Es sei n ≥ 1: (i) Ist RPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 2s für ein s ∈ N0 .71 (ii) Ist CPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 1. (iii) Ist HPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 1. Beweis. Ad Behauptung (i): Wie in Beispiel V.7.29 folgt aus Satz V.7.30(i) HomZ2 (H∗ (RPn−1 ; Z2 ), Z2 ) ∼ = Z2 [x]/xn , als graduierte Algebren, |x| = 1. Ist n−1 RP ein H-Raum, dann ist dies eine Hopf-Algebra, siehe Proposition V.7.28. Nach Bemerkung V.7.22 muss daher n = 2s gelten. Ad Behauptung (ii): Wie in Beispiel V.7.29 folgt aus Satz V.7.30(ii) Hom(H∗ (CPn−1 ), Z) ∼ = Z[y]/y n, als 71Tatsächlich folgt n = 1, 2, 4 oder 8 nach einem Resultat von Adams. V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 261 graduierte Algebren, |y| = 2. Ist CPn−1 ein H-Raum, dann ist dies eine HopfAlgebra, siehe Proposition V.7.28. Nach Bemerkung V.7.20 muss daher n = 1 gelten. Behauptung (iii) lässt sich analog beweisen. V.7.34. Korollar. (i) Die Dimension einer endlich-dimensionale Divisionsalgebra über R ist von der Form 2s , für ein s ∈ N0 .72 (ii) C ist die einzige endlich-dimensionale komplexe Divisionsalgebra. Beweis. Dies folgt aus Korollar V.7.33 und Lemma V.7.25. 0 1 2 V.7.35. Beispiel. S n Wir betrachten die Inklusionen R ⊆ R ⊆ R ⊆ · · · und ∞ versehen R := n R mit der schwachen Topologie dh. eine Teilemenge U ⊆ R∞ ist genau dann offen, wenn U ∩ Rn offen in Rn ist, für jedes n. Wir schreiben auch R∞ = lim Rn . Diese Topologie auf R∞ ist durch folgende universelle Eigenschaft −→ charakterisiert. Sind fn : Rn → X stetig mit fn |Rm = fm , m ≤ n, dann existiert genau eine stetige Abbildung f : R∞ → X, sodass f |Rn = fn für alle n. Etwa ist jede lineare Abbildung R∞ → R stetig. Ist S K ⊆ R∞ kompakt, dann existiert 73 n ∈ N, sodass K ⊆ Rn . Die Sphäre S ∞ := n S n = {x ∈ R∞ : kxk = 1} ist ein abgeschlossener Teilraum von R∞ , und es gilt S ∞ = lim S n , dh. U ⊆ S ∞ ist −→ genau dann offen wenn U ∩ S n offen in S n ist, für jedes n. Wieder muss jede kompakte Teilmenge K ⊆ S ∞ schon zur Gänze in einer endlich dimensionalen Sphäre S n liegen. Zusammen mit der Berechnung der Homologiegruppen von S n folgt nun H̃∗ (S ∞ ) = 0, dh. S ∞ ist azyklisch. Tatsächlich ist S ∞ kontrahierbar. Bezeichnet s : S ∞ → S ∞ die Abbildung s(x1 , x2 , . . . ) := (0, x1 , x2 , . . . ) dann gilt nämlich idS ∞ ≃ s via der Homotopie F : S ∞ × I → S ∞, Ft (x) := ts(x) + (1 − t)x kts(x) + (1 − t)xk Gt (x) := (1 − t)s(x) + te k(1 − t)s(x) + tek und s ≃ const via der Homotopie G : S ∞ × I → S ∞, wobei e = (1, 0, 0, . . . ) ∈ S ∞ , also idS ∞ ≃ const. Die Stetigkeit dieser Homotopien folgt aus S ∞ × I = lim(S n × I). Polynommultiplikation (Faltung) liefert eine −→ 72Tatsächlich kann die Dimension nur 1, 2, 4 oder 8 sein, siehe oben. Die Beispiele R, C, H und O zeigen, dass alle diese Dimensionen auch auftreten. 73Sei dazu M := {m ∈ N | K ∩ (Rm \ Rm−1 ) 6= ∅}. Wähle nun x ∈ K ∩ (Rm \ Rm−1 ), m m ∈ M , und betrachte X := {xm | m ∈ M }. Es ist dann X abgeschlossen in R∞ , denn offensichtlich ist X ∩ Rn abgeschlossen in Rn , für jedes n. Das selbe Argument zeigt, dass auch X \ {xm } abgeschlossen in R∞ ist, für jedes m ∈ M . Also ist X eine abgeschlossene, diskrete Teilmenge von K. Aufgrund der Kompaktheit von K muss X daher endlich sein. Nach Konstruktion ist dann auch M endlich, also gilt K ⊆ Rn mit n := max(M ). 262 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Abbildung m : R∞ × R∞ → R∞ , X X m (x0 , x1 , . . . ), (y0, y1 , . . . ) := x0 y0 , x0 y1 + x1 y0 , xi yj , . . . , xi yj , . . . . i+j=2 i+j=k Dadurch wird R zu einer kommutativen und assotiativen Divisionsalgebra mit Einselement e. Wegen R∞ × R∞ = lim(Rn × Rn ) ist m auch stetig, also definiert −→ m(x, y) µ : S ∞ × S ∞ → S ∞, µ(x, y) := (V.94) km(x, y)k ∞ eine strikt kommutative und assotiative H-Raumstruktur auf S ∞ . Analog definieren wir C∞ := lim Cn und H∞ := lim Hn . Polynommultiplikation liefert wieder −→ −→ stetige Abbildungen C∞ × C∞ → C∞ und H∞ × H∞ → H∞ . Dadurch werden C∞ und H∞ zu assotiativen Divisionsalgebren mit Eins, C∞ ist darüberhinaus auch kommutativ. Beachte auch S ∞ ⊆ C∞ und S ∞ ⊆ H∞ . V.7.36. Beispiel (RP∞ als H-Raum).SWir betrachten die Inklusionen RP0 ⊆ RP ⊆ RP2 ⊆ · · · und versehen RP∞ := n≥0 RPn mit der schwachen Topologie, dh. eine Teilemenge U ⊆ RP∞ ist genau dann offen wenn U ∩ RPn offen in RPn ist, für jedes n. Wir schreiben dafür auch RP∞ = lim RPn . Sind fn : RPn → X −→ stetige Abbildungen mit fn |RPm = fm , m ≤ n, dann existiert genau eine stetige Abbildung f : RP∞ → X, sodass f |RPn = fn für alle n ∈ N. Die Projektionen p : S n → RPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ → RP∞ , die Topologie auf RP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein. Also ist p : S ∞ → RP∞ die universelle (zwei-blättrige) Überlagerung von RP∞ . Ist K ⊆ RP∞ kompakt, dann existiert n ∈ N, sodass K ⊆ RPn . Mittels Proposition V.4.14 folgt daraus Z falls q = 0 ∞ ∼ Hq (RP ; Z) = Z2 falls q = 1, 3, 5, 7, . . . 0 sonst bzw. Hq (RP∞ ; Z2 ) ∼ = Z2 für alle q ≥ 0. Aus Satz V.7.26(i) und der Natürlichkeit von ∆ folgt, dass 1 ∼ = → Hi (RP∞ ; Z2 ) ⊗Z2 Hj (RP∞ ; Z2 ), ∆i,j : Hi+j (RP∞ ; Z2 ) − i, j ≥ 0 ∞ Isomorphismen sind. Es existiert daher eine Basis xk ∈ Hk (RP ; Z2 ), sodass ∆(xk ) = k X xi ⊗ xk−i , k ≥ 0. (V.95) i=0 ∞ Die H-Raumstruktur auf S , siehe (V.94), faktorisiert zu einer kommutativen und assotiativen H-Raumstruktur auf RP∞ . Für die Hopf-Algebra gilt |x| = 1. (V.96) H∗ (RP∞ ; Z2 ) ∼ = ΓZ [x], 2 Aus (V.95) folgt nämlich HomZ2 (H∗ (RP ; Z2 ), Z2 ) ∼ = Z2 [x], als graduierte Algebren. Da es auf Z2 [x] nur eine Hopf-Algebrenstruktur gibt, siehe Beispiel V.7.17, ∞ V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN 263 muss dies ein Isomorphismus von Hopf-Algebren sein. Mittels Proposition V.7.28 und Beispiel V.7.29 erhalten wir nun (V.96). V.7.37. Beispiel (CP∞ als H-Raum). Wie in Beispiel V.7.36 definieren wir CP = lim CPn und erhalten −→ ( Z falls q = 0, 2, 4, 6, 8, . . . Hq (CP∞ ; Z) ∼ = 0 sonst ∞ Die Projektionen p : S 2n+1 → CPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ → CP∞ , und die Topologie auf CP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein. Aus Satz V.7.26(ii) sehen wir, dass ∼ = ∆2i,2j : H2i+2j (CP∞ ) − → H2i (CP∞ ) ⊗ H2j (CP∞ ), i, j ≥ 0 Isomorphismen sind. Wie im Beweis von Korollar V.7.30 folgt daraus, dass eine Basis yk ∈ H2k (CP∞ ) existiert, sodass ∆(yk ) = k X yi ⊗ yk−i, k ≥ 0. (V.97) i=0 Polynommultiplikation auf C∞ induziert eine kommutative und assotiative HRaumstruktur auf CP∞ , µ : CP∞ × CP∞ → CP∞ , µ([x], [y]) := [m(x, y)]. Als Hopf-Algebren gilt H∗ (CP∞ ) ∼ = ΓZ [y], |y| = 2. (V.98) Aus (V.97) folgt nämlich Hom(H∗ (CP ), Z) ∼ = Z[x], als graduierte Algebren. Da es auf Z[x] nur eine Hopf-Algebrenstruktur gibt, siehe Beispiel V.7.17, muss dies ein Isomorphismus von Hopfalgebren sein. Mittels Proposition V.7.28 und Beispiel V.7.29 erhalten wir nun (V.98). ∞ V.7.38. Beispiel (HP∞ als H-Raum). Wie in Beispiel V.7.37 definieren wir HP = lim HPn und erhalten −→ ( Z falls q = 0, 4, 8, 12, 16, . . . ∞ Hq (HP ; Z) ∼ = 0 sonst ∞ Die Projektionen p : S 4n+3 → HPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ → HP∞ , und die Topologie auf HP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein. Polynommultiplikation auf H∞ induziert eine nicht kommutative aber assotiative H-Raumstruktur auf HP∞ , also ist H∗ (HP∞ ; Z) eine Hopfalgebra. Wie im vorangehenden Beispiel folgt H∗ (HP∞ ) ∼ |z| = 4, = ΓZ [z], als Hopf-Algebren. 264 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.8. Das Borsuk–Ulam Theorem. Eine stetige Abbildung f : S n → S m wird ungerade genannt, falls f (−x) = −f (x) für alle x ∈ S n gilt. Dies bedeutet, dass f mit der Antipodalabbildung A : S n → S n , A(x) := −x, kommutiert, dh. f ◦A = A◦f . Analog wird eine stetige Abbildung f : S n → Rm ungerade genannt, falls f (−x) = −f (x) für alle x ∈ S n gilt. V.8.1. Satz (Borsuk). Jede ungerade Abbildung S n → S n hat ungeraden Abbildungsgrad, n ≥ 0. Insbesondere sind ungerade Abbildungen S n → S n stets surjektiv und nicht nullhomotop. Beweis. Sei also f : S n → S n ungerade. Es ist dann auch die Suspension Sf : S n+1 → S n+1 ungerade mit Abbildungsgrad deg(Sf ) = deg(f ), siehe Satz IV.12.11(iv). Wir dürfen daher o.B.d.A. n ungerade und n ≥ 3 voraussetzen. Es bezeichne nun f¯ : RPn → RPn die von f induzierte stetige Abbildung, dh. p ◦ f = f¯◦ p, wobei p : S n → RPn die kanonische Projektion bezeichnet. Nach p∗ → Hn (RPn ) ∼ Proposition V.4.14 ist der Homomorphismus Z ∼ = Z = Hn (S n ) − injektiv, aus p∗ ◦ f∗ = f¯∗ ◦ p∗ folgt daher f¯∗ = deg(f ) : Hn (RPn ) → Hn (RPn ). Mit Hilfe der Natürlichkeitsaussage im universellen Koeffiziententheorem V.4.6 erhalten wir daraus auch f¯∗ = deg(f ) : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ). (V.99) Es bezeichne x0 ∈ RPn einen Basispunkt und σ : I → S n einen Weg der die beiden Punkte in p−1 (x0 ) verbindet. Es repräsentiert dann σ̄ := p ◦ σ : I → RPn das nicht-triviale Element in π1 (RPn , x0 ) ∼ = Z2 , siehe Proposition II.3.11(ii) und Proposition I.5.18. Da f ungerade ist, kann f ◦ σ nicht geschlossen sein, daher ¯ 0 )). Deshalb repräsentiert f¯◦ σ̄ = p◦f ◦σ das nicht-triviale Element in π1 (RPn , f(x muss ∼ = f¯∗ : π1 (RPn , x0 ) − → π1 (RPn , f¯(x0 )) ein Isomorphismus sein. Wegen der Natürlichkeit des Huréwicz-Isomorphimus, siehe Proposition IV.11.2 und Satz IV.11.3 folgt f¯∗ = id : H1 (RPn ; Z2 ) → H1 (RPn ; Z2 ). Aus Korollar V.7.31(i) schließen wir f¯∗ = id : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ). Wegen (V.99) muss deg(f ) also ungerade sein. Die zweite Behauptung des Satzes folg nun aus Satz IV.12.11(i) und Proposition IV.12.15. V.8.2. Bemerkung. Ist n ≥ 1, dann tritt jede ungerade Zahl tatsächlich als Abbildungsgrad einer ungeraden Abbildung S n → S n auf. Sei dazu k ∈ Z ungerade. Im Fall n = 1 ist die Abbildung S 1 → S 1 , z 7→ z k , ungerade mit Abbildungsgrad k, siehe Satz I.4.1(iii). Den allgemeinen Fall erhalten wir nun aus folgender Beobachtung. Ist f : S n → S n ungerade, dann ist auch ihre Suspension V.8. DAS BORSUK–ULAM THEOREM 265 Sf : S n+1 → S n+1 eine ungerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(Sf ) = deg(f ), siehe Satz IV.12.11(iv). Eine stetige Abbildung f : S n → S n wird gerade genannt falls f (x) = f (−x), für alle x ∈ S n . Analog zu Satz V.8.1 gilt auch folgendes Resultat, das jedoch wesentlich einfacher zu beweisen ist. V.8.3. Proposition. Jede gerade Abbildung f : S n → S n hat geraden Abbildungsgrad. Ist n gerade, dann gilt sogar deg(f ) = 0. Beweis. Sei also f : S n → S n eine gerade Abbildung. Dann faktorisiert f über die kanonische Projektion p : S n → RPn zu einer stetigen Abbildung f¯ : RPn → S n , dh. f = f¯ ◦ p. Ist n gerade, dann gilt Hn (RPn ) = 0, siehe Proposition V.4.14, daher auch f∗ = f¯∗ ◦ p∗ = 0 : Hn (S n ) → Hn (S n ), und wir p∗ → Hn (RPn ) ∼ erhalten deg(f ) = 0. Ist n ungerade, dann bildet Z ∼ =Z = Hn (S n ) − einen Erzeuger auf das Doppelte eines Erzeugers ab, siehe Porposition V.4.14. Aus f∗ → Hn (S n ) ∼ f∗ = f¯∗ ◦ p∗ folgt daher, dass Z ∼ = Z einen Erzeuger auf ein = Hn (S n ) − gerades Vielfaches eines Erzeugers abbildet, also muss f geraden Abbildungsgrad haben. V.8.4. Bemerkung. Ist n ungerade, dann tritt jede gerade Zahl tatsächlich als Abbildungsgrad einer geraden Abbildung S n → S n auf. Betrachte dazu die Komposition f : S n → RPn → RPn /RPn−1 ∼ = S n . Dies ist offensichtlich eine gerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(f ) = ±2. Für jedes g : S n → S n ist dann auch g◦f : S n → S n eine gerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(g◦f ) = ±2 deg(g). Durch geeignete Wahl von g lässt sich so jeder gerade Abbildungsgrad realisieren, vgl. Bemerkung IV.12.14. V.8.5. Korollar (Borsuk–Ulam). Für n ≥ 0 gilt: (i) Ist f : S n → Rn stetig, dann existiert x ∈ S n mit f (x) = f (−x). (ii) Ist f : S n → Rn ungerade, dann existiert x ∈ S n mit f (x) = 0. (iii) Es existiert keine ungerade Abbildung f : S n+1 → S n . (iv) Es existiert keine stetige Abbildung f : D n+1 → S n deren Einschränkung f |S n : S n → S n ungerade ist. Beweis. Ad (iv): Ist f : D n+1 → S n stetig, dann gilt deg(f |S n ) = 0, denn H̃n (D n+1 ) = 0. Nach Satz V.8.1 kann also f |S n nicht ungerade sein. Ad (iii): Ist f : S n+1 → S n stetig, dann gilt deg(f : S n+1 → S n ⊆ S n+1 ) = 0, denn Hn+1 (S n ) = 0. Nach Satz V.8.1 kann also f nicht ungerade sein. Ad (i): Sei also f : S n → Rn stetig. Wir nehmen indirekt an f (x) 6= f (−x), (x)−f (−x) für alle x ∈ S n . Dann definiert g : S n → S n−1 , g(x) := kff (x)−f eine ungerade (−x)k Abbildung, ein Widerspruch zu (iii). Ad (ii): Sei also f : S n → Rn ungerade. Nach (i) existiert x ∈ S n mit f (x) = f (−x). Da f ungerade ist, gilt auch f (−x) = −f (x) und damit f (x) = 0. 266 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.8.6. Korollar (Ham Sandwich Theorem). Sind A1 , . . . , An ⊆ Rn Lebesgue messbar mit endlichem Volumen, dann existiert eine affine Hyperebene E ⊆ Rn , die jede der Mengen Ai in zwei gleich große Teile unterteilt. Beweis. Für x ∈ S n−1 und r ∈ R bezeichne Hx+ (r) := {y ∈ Rn | hx, yi ≥ r}, Hx− (r) := {y ∈ Rn | hx, yi ≤ r}. Weiters sei Ix := r ∈ R vol(An ∩ Hx+ (r)) = vol(An ∩ Hx− (r)) . Wegen der Stetigkeit von r 7→ vol(An ∩ Hx± (r)) und weil lim vol(An ∩ Hx± (r)) = 0, r→±∞ lim vol(An ∩ Hx∓ (r)) = vol(An ) r→±∞ ist Ix ein kompaktes nicht-leeres Interval. Beachte auch, dass rx := 21 (min(Ix ) + max(Ix )) ∈ Ix stetig von x ∈ S n−1 abhängt. Setzen wir nun Hx± := Hx± (rx ), dann gilt vol(An ∩ Hx+ ) = vol(An ∩ Hx− ), für alle x ∈ S n−1 , (V.100) aber auch denn I−x = −Ix , r−x Abbildung + H−x = Hx− , für alle x ∈ S n−1 , (V.101) + = −rx und Hx− (r) = H−x (−r). Betrachte nun die stetige f : S n−1 → Rn−1 , f (x) := vol(A1 ∩ Hx+ ), . . . , vol(An−1 ∩ Hx+ ) . Nach Korollar V.8.5(ii) existiert y ∈ S n−1 mit f (y) = f (−y), dh. + vol(Ai ∩ Hy+ ) = vol(Ai ∩ H−y ) = vol(Ai ∩ Hy− ), 1 ≤ i ≤ n − 1. Zusammen mit (V.100) zeigt dies, dass die Hyperbene E := Hy+ ∩ Hy− die gewünschte Eigenschaft besitzt. V.8.7. Korollar. Es sei S n = A1 ∪ · · · ∪ An+1 wobei jedes Ai entweder offen oder abgeschlossen ist, n ≥ 0. Dann muss eine der Mengen Ai ein Paar von Antipodalpunkten enthalten, dh. es existieren i ∈ {1, . . . , n + 1} und x ∈ S n , sodass {x, −x} ⊆ Ai . Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass alle Ai abgeschlossen sind. Betrachte die stetige Abbildung f : S n → Rn , f (x) := d(x, A1 ), . . . , d(x, An ) , wobei d(x, Ai ) := mina∈Ai kx − ak den Abstand von x zu Ai bezeichnet. Nach Korollar V.8.5(i) existiert y ∈ S n mit f (y) = f (−y), dh. d(y, Ai) = d(−y, Ai ), für alle 1 ≤ i ≤ n. Falls d(y, Ai) = d(−y, Ai ) 6= 0 für alle 1 ≤ i ≤ n, dann folgt y ∈ / A1 ∪ · · · ∪ An und n −y ∈ / A1 ∪ · · · ∪ An , also {y, −y} ⊆ An+1 , denn S = A1 ∪ · · · ∪ An+1 . Andernfalls V.8. DAS BORSUK–ULAM THEOREM 267 existiert j ∈ {1, . . . , n} mit d(y, Aj ) = d(−y, Ai) = 0, und daher {y, −y} ⊆ Aj , denn Aj ist abgeschlossen. Im nächsten Schritt nehmen wir nun an, dass alle Ai offen sind. Für ε > 0 betrachten wir die offenen Teilmengen Uiε := x ∈ S n d(x, S n \ Ai ) > ε ⊆ S n . S ε n Beachte A = i ε>0 Ui aufgrund der Abgeschlossenheit von S \ Ai . Es gilt daher S ε S n = ε>0 (U1ε ∪ · · · ∪ Un+1 ). Wegen der Kompaktheit von S n existiert also ε > 0 n ε ε mit S = U1 ∪ · · · ∪ Un+1 . Nach dem ersten Schritt oben existieren daher i und x ∈ S n mit {x, −x} ∈ Ūiε ⊆ Ai . Für den allgemeinen Fall seien nun o.B.d.A. A1 , . . . , Ak abgeschlossen und Ak+1 , . . . , An+1 offen. Für ε > 0 und 1 ≤ i ≤ k betrachten wir die offenen Teilmengen Viε := x ∈ S n d(x, Ai ) < ε ⊆ S n . T Beachte ε>0 Viε = Ai aufgrund der Abgeschlossenheit von Ai , 1 ≤ i ≤ k. O.B.d.A. nehmen wir an, dass keine der Teilmengen Ak+1 , . . . , An+1 ein Paar von Antipodalpunkten enthält. Nach dem zweiten Schritt oben, muss eine der Mengen V1ε , . . . , Vkε ein Paar von Antipodalpunkten enthalten. Es existiert da1/l her j ∈ {1, . . . , k} und eine Folge xl ∈ S n , sodass {xl , −xl } ⊆ Vk , für alle l ∈ N. Durch Übergang zu einer Teilfolge, dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass xl konvergiert. Für den Grenzwert y := liml→∞ xl gilt nun {y, −y} ∈ Aj . V.8.8. Bemerkung. Betrachte die beiden Teilmengen A1 := eπit t ∈ [0, 1) ⊆ S 1 und A2 := eπit t ∈ [1, 2) ⊆ S 1 . Offensichtlich gilt S 1 = A1 ∪ A2 , aber keine der beiden Mengen enthält ein Paar von Antipodalpunkten. Beachte, dass Ai weder offen noch abgeschlossen ist. Es seien k, n ∈ N, 1 ≤ k ≤ n. Weiters bezeichne En,k die Menge aller kelementigen Teilmengen von {1, . . . , n}. Unter dem Kneser-Graph KGn,k verstehen wir den Graphen mit Eckenmenge En,k , wobei zwei Ecken v, w ∈ En,k durch eine Kante verbunden werden, falls v ∩ w = ∅. Ist n < 2k, dann besitzt KGn,k keine Kanten. Von nun an sei also n ≥ 2k − 1. Der Kneser-Graph KGn,k besitzt eine Färbung mit n − 2k + 2 Farben, dh. es existiert eine Abbildung ϕ : En,k → {1, . . . , n − 2k + 2}, sodass ϕ(v) 6= ϕ(w) falls v und w durch eine Kante verbunden sind. Eine solche Färbung lässt sich leich angeben,74 ϕ(v) := min min(v), n − 2k + 2 . 74Um die Färbungseigenschaft von ϕ einzusehen sei also ϕ(v) = ϕ(w). Es ist zu zeigen, dass v und w nicht durch eine Kante verbunden sind, dh. wir haben v ∩ w 6= ∅ zu zeigen. Falls ϕ(v) = ϕ(w) = n − 2k + 2 dann folgt min(v), min(w) ≥ n − 2k + 2, also sind v und w beide in der (2k − 1)-elementigen Menge {n − 2k + 2, . . . , n} enthalten und müssen sich daher schneiden. Andernfalls gilt ϕ(v) = ϕ(w) = min(v) = min(w) =: m, und daher m ∈ v ∩ w 6= ∅. 268 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Die chromatische Zahl75 des Kneser-Graphen ist daher höchstens n − 2k + 2. V.8.9. Korollar (Kneser-Vermutung). Es sei n ≥ 2k − 1. Die chromatische Zahl des Kneser-Graphen KGn,k ist n − 2k + 2. Beweis. Wir folgen der Darstellung in [20, Chapter 10.6]. Wir gehen indirekt vor und wählen ein Färbung von KGn,k mit d := n − 2k + 1 Farben. Weiters sei X ⊆ S d ⊆ Rd+1 eine n-elementige Teilmenge, sodass je d + 1 verschiedene Punkte von X stets linear unabhängig in Rd+1 sind. Für x ∈ S d bezeichne H(x) := {z ∈ Rd+1 |hx, zi > 0}. Wir identifizieren X = {1, . . . , n}, und betrachten die offenen Teilmengen n X ∩ H(x) enthält eine k-elementige ⊆ S d , 1 ≤ i ≤ d. Ai := x ∈ S Teilmenge mit Farbe i Wegen der Färbungseigenschaft und weil H(x)∩H(−x) = ∅, kann keine der Mengen Ai ein Paar von Antipodalpunkten enhalten. Nach Korollar V.8.7 muss also die abgeschlossene Menge Ad+1 := S n \ (A1 ∪ · · · ∪ Ad ) ein Paar von Antipodalpunkten enthalten, {y, −y} ⊆ Ad+1 . Da y ∈ / A1 ∪ · · ·∪ Ad gilt ♯(X ∩ H(y)) ≤ k − 1 und ebenso ♯(X ∩ H(−y)) ≤ k − 1, denn −y ∈ / A1 ∪ · · · ∪ Ad . Nach Konstruktion von X gilt aber auch ♯(X ∩ y ⊥ ) ≤ d, wobei y ⊥ := {z ∈ Rd+1 | hy, zi = 0}. Aus H(−y) ∪ y ⊥ ∪ H(y) = Rd+1 folgt nun ♯X ≤ ♯(X ∩ H(−y)) + ♯(X ∩ y ⊥ ) + ♯(X ∩ H(y)) ≤ (k − 1) + d + (k − 1) = n − 1, der gewünschte Widerspruch, denn ♯X = n. V.9. Hopf-Invariante. Wir wollen nun mit Hilfe der Komultiplikation die sogenannte Hopf-Invariante einer stetigen Abbildung f : S 2n−1 → S n definieren, n ≥ 2. Dazu fixieren wir Erzeuger αS n ∈ Hn (S n ) und betrachte den Raum Cf := S n ∪f D 2n . Nach Beispiel IV.9.14 gilt: ( Z falls q = 0, n, 2n Hq (Cf ) ∼ = 0 sonst Die kanonische Inklusion ι = ιf : S n → Cf induziert einen Isomorphismus ∼ = → Hn (Cf ). ι∗ : Hn (S n ) − (V.102) Wir setzen a = af := ι∗ (αS n ) ∈ Hn (Cf ), dh. a ist ein Erzeuger von Hn (Cf ) ∼ = Z. Wir fassen S n via ι als Teilraum von Cf auf. Mit Hilfe der kanonische Abbildung Φ = Φf : (D 2n , S 2n−1 ) → (Cf , S n ) erhalten wir Isomorphismen H2n (Cf ) 75Unter ∼ = / H2n (Cf , S n ) o Φ∗ ∼ = H2n (D 2n , S 2n−1 ) δ ∼ = / H2n−1 (S 2n−1 ) (V.103) der chromatischen Zahl eines Graphen verstehen wir die kleinste Zahl k für die eine Färbung mit k Farben existiert. V.9. HOPF-INVARIANTE 269 Mit b = bf ∈ H2n (Cf ) ∼ = Z bezeichnen wir jenen Erzeuger, der via (V.103) dem Erzeuger α2n−1 ∈ H2n−1 (S 2n−1 ) entspricht. Nach Konstruktion bilden 1 ∈ H0 (Cf ), a ∈ Hn (Cf ) und b ∈ H2n (Cf ) eine Basis von H∗ (Cf ). Aus Dimensionsgründen existiert genau eine Zahl h(f ) ∈ Z, sodass ∆(b) = 1 ⊗ b + h(f )a ⊗ a + b ⊗ 1. Diese Zahl wird die Hopf-Invariante der Abbildung f : S 2n−1 → S n genannt. Mit der Notation aus Bemerkung V.7.11 lässt sich dies auch so schreiben: ∆n,n (b) = h(f )a ⊗ a. V.9.1. Beispiel. Für die Hopfabbildung p : S 3 → CP1 ∼ = S 2 gilt Cp = CP1 ∪p D 4 ∼ = CP2 , also h(p) = ±1 nach Korollar V.7.30(ii). Aus Satz V.9.3(i)&(ii) unten folgt nun, dass p nicht nullhomotop ist. V.9.2. Beispiel. Für die Hopfabbildung p : S 7 → HP1 ∼ = S 4 gilt Cp = HP1 ∪p 2 D8 ∼ = HP , also h(p) = ±1 nach Korollar V.7.30(iii). Aus Satz V.9.3(i)&(ii) unten folgt nun, dass p nicht nullhomotop ist. V.9.3. Satz (Hopf-Invariante). Die Hopf-Invariante stetiger Abildungen f : S 2n−1 → S n , n ≥ 2, hat folgende Eigenschaften: (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii) f ≃ g ⇒ h(f ) = h(g). Wir erhalten daher h : [S 2n−1 , S n ] → Z. h(const) = 0. Ist n ungerade, dann gilt h(f ) = 0. h(ϕ ◦ f ) = deg(ϕ)2 h(f ), für alle ϕ : S n → S n . h(f ◦ ψ) = h(f ) deg(ψ), für alle ψ : S 2n−1 → S 2n−1 . Ist n gerade, dann existiert f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 2. Ist S n−1 ein H-Raum, dann existiert f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 1. Beweis. Ad Behauptung (i). Wir werden eine stetige Abbildung ρ : Cf → Cg mit ρ◦ ιf = ιg : S n → Cg und ρ◦ Φf ≃ Φg : (D 2n , S 2n−1 ) → (Cg , S n ) konstruieren. Ist dies gelungen, dann folgt ρ∗ af = ag und ρ∗ bf = bg , vgl. (V.102) und (V.103), somit h(f )ag ⊗ ag = h(f )ρ∗ af ⊗ ρ∗ af = (ρ∗ ⊗ ρ∗ ) h(f )af ⊗ af = (ρ∗ ⊗ ρ∗ )∆n,n (bf ) = ∆n,n (ρ∗ bf ) = ∆n,n (bg ) = h(g)ag ⊗ ag , und daher h(f ) = h(g). Für die Konstruktion von ρ wählen wir eine Homotopie F : S 2n−1 × I → S n von F0 = f nach F1 = g und betrachte den Raum CF := S n ∪F (D 2n × I). Weiters sei r : D 2n × I → (D 2n × {1}) ∪ (S 2n−1 × I) eine Retraktion, und es bezeichne i : D 2n → D 2n × I, i(z) := (z, 0), die Inklusion. 270 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Diese induzieren stetige Abbildungen ĩ : Cf → CF und r̃ : CF → Cg , Cf S n ∪f D2n ĩ r̃ / CF idS n ∪i / S n ∪F (D 2n × I) idS n ∪r / Cg / S n ∪F (D 2n × {1}) ∪ (S 2n−1 × I) Setzen wir nun ρ := r̃ ◦ ĩ dann gilt sicherlich ρ ◦ ιf = ιg , und die Komposition Φ r̃ F (D 2n , S 2n−1 ) × I = (D 2n × I, S 2n−1 × I) −−→ (CF , S n ) − → (Cg , S n ) liefert die gewünschte Homotopie von ρ ◦ Φf nach Φg . Ad Behauptung (ii). In diesem Fall gilt Cf ∼ = S n ∨ S 2n , es existiert daher eine Retraktion r : Cf → S n , r|S n = idS n . Es folgt r∗ a = a, r∗ b = 0 und damit 0 = ∆n,n (r∗ b) = (r∗ ⊗ r∗ )∆n,n (b) = (r∗ ⊗ r∗ ) h(f )a ⊗ a = h(f )r∗ a ⊗ r∗ a = h(f )a ⊗ a, also h(f ) = 0. Ad Behauptung (iii). Wegen der Kokommutativität von ∆ gilt τ (∆n,n (b)) = ∆n,n (b), also h(f )a ⊗ a = ∆n,n (b) = τ (∆n,n (b)) = τ h(f )a ⊗ a = (−1)|a||a| h(f )a ⊗ a = −h(f )a ⊗ a, und somit h(f ) = 0. Ad Behauptung (iv). Betrachte die stetige Abbildung ϕ̃ : Cf → Cϕf , ϕ∪id 2n D ϕ̃ : Cf = S n ∪f D 2n −−−− −→ S n ∪ϕf D 2n = Cϕf . Aus ϕ̃ ◦ ιf = ιϕf ◦ ϕ erhalten wir ϕ̃∗ af = deg(ϕ)aϕf , und aus ϕ̃ ◦ Φf = Φϕf folgt ϕ̃∗ bf = bϕf . Somit erhalten wir h(ϕf )aϕf ⊗ aϕf = ∆n,n (bϕf ) = ∆n,n (ϕ̃∗ bf ) = (ϕ̃∗ ⊗ ϕ̃∗ )∆n,n (bf ) = (ϕ̃∗ ⊗ ϕ̃∗ ) h(f )af ⊗ af = h(f )ϕ̃∗ af ⊗ ϕ̃∗ af = h(f ) deg(ϕ)2 aϕf ⊗ aϕf , also h(ϕf ) = h(f ) deg(ϕ)2 . Ad Behauptung (v). Wir setzen ψ : S 2n−1 → S 2n−1 zu einer stetigen Abbildung ψ̄ : D 2n → D 2n fort, etwa durch ψ̄(z) := kzkψ(z/kzk), es gilt daher ψ̄|S 2n−1 = ψ. Betrachte nun die stetige Abbildung ψ̃ : Cf ψ → Cf , id n ∪ψ̄ ψ̃ : Cf ψ = S n ∪f ψ D 2n −−S−−→ S n ∪f D 2n = Cf . V.9. HOPF-INVARIANTE 271 Aus ψ̃ ◦ ιf ψ = ιf erhalten wir ψ̃∗ af ψ = af , und aus ψ̃ ◦ Φf ψ = Φf ◦ ψ̄ folgt ψ̃∗ bf ψ = deg(ψ)bf . Somit erhalten wir deg(ψ)h(f )af ⊗ af = deg(ψ)∆n,n (bf ) = ∆n,n (ψ̃∗ bf ψ ) = (ψ̃∗ ⊗ ψ̃∗ )∆n,n (bf ψ ) = (ψ̃∗ ⊗ ψ̃∗ ) h(f ψ)af ψ ⊗ af ψ = h(f ψ)ψ̃∗ af ψ ⊗ ψ̃∗ af ψ = h(f ψ)af ⊗ af , also deg(ψ)h(f ) = h(f ψ). Ad Behauptung (vi). Es bezeichne ∗ ∈ S n einen Punkt. Wähle eine Abbildung ∼ = g : (D n , ∂D n ) → (S n , {∗}), sodass g : D n /∂Dn − → S n einen Homöomorphismus induziert. Betrachte nun die Abbildung f : S 2n−1 → S n , (g◦pr )∪(g◦pr ) 1 f : S 2n−1 = ∂D 2n = ∂(D n × D n ) = (∂D n × D n ) ∪ (D n × ∂D n ) −−−−2−−−−−→ S n. Beachte, dass dies wohldefniert und stetig ist, denn g|∂Dn = const∗ . Wir werden nun h(f ) = ±2 zeigen. Betrachte dazu den Raum X := S n × S n / ∼ n (x, ∗) ∼ (∗, x), n und bezeichne mit p : S × S → X die kanonische Projektion. Weiters bezeichne j : S n → X die durch j(x) := p(∗, x) = p(x, ∗) definierte stetige Abbildung. Beachte, dass j injektiv ist. Definiere weiters G : D 2n → X als die Komposition g×g p G : D 2n = D n × D n −−→ S n × S n − → X. ∼ = → X \ j(S n ) einschränkt. Da Beachte, dass sich G zu einer Bijektion G|D̊2n : D̊ 2n − G|S 2n−1 = j ◦ f erhalten wir eine stetige Abbildung J : Cf → X, j∪G J : Cf = S n ∪f D 2n −−→ X ∼ = → X. Nach Konstruktion ist J eine Bijektion, also ein Homöomorphismus J : Cf − ∼ Z jeweils Z und b̄ := J b ∈ H (X) Daher sind ā := J∗ af ∈ Hn (X) ∼ = = ∗ f 2n Erzeuger. Wegen der Natürlichkeit der Komultiplikation genügt es daher ∆n,n (b̄) = ±2ā ⊗ ā ∈ Hn (X) ⊗ Hn (X) (V.104) zu zeigen. Nach dem Künneth Theorem bilden 1 := 1S n × 1S n ∈ H0 (S n × S n ) ã1 := αS n × 1S n ∈ Hn (S n × S n ) ã2 := 1S n × αS n ∈ Hn (S n × S n ) b̃ := αS n × αS n ∈ H2n (S n × S n ) eine Basis von H∗ (S n × S n ). Bezeichnen i1 , i2 : S n → S n × S n die beiden Inklusionen, i1 (x) = (x, ∗), i2 (x) = (∗, x), dann folgt aus Satz V.6.5 und der Relation p ◦ i1 = j = J ◦ ιf p∗ ã1 = p∗ (αS n × 1S n ) = p∗ (i1 )∗ (αS n ) = (p ◦ i1 )∗ αS n = (J ◦ ιf )∗ αS n = J∗ (ιf )∗ αS n = J∗ af = ā. 272 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Ebenso folgt aus p ◦ i2 = j = J ◦ ιf auch p∗ ã2 = ā. Die Projektion induziert einen ∼ = → X/j(S n ), und daher Homöomorphismus p : (S n × S n )/(S n × {∗} ∪ {∗} × S n ) − ∼ = → H∗ (X, j(S n )). einen Isomorphismus p∗ : H∗ (S n × S n , S n × {∗} ∪ {∗} × S n ) − Aus der Natürlichkeit der langen exakten Sequenz von Paaren folgt nun, dass ∼ = → H2n (X) ein Isomorphismus sein muss. Also ist p∗ b̃ ∈ auch p∗ : H2n (S n × S n ) − H2n (X) ∼ = Z ein Erzeuger, es muss daher p∗ b̃ = ±b̄ gelten. Da n gerade ist folgt aus (V.86) und ∆(αS n ) = 1S n ⊗ αS n + αS n ⊗ 1S n ∆n,n (b̃) = ∆n,n (αS n × αS n ) = ã1 ⊗ ã2 + (−1)|ã1 ||ã2 | ã2 ⊗ ã1 = ã1 ⊗ ã2 + ã2 ⊗ ã1 woraus wir nun ±∆(b̄) = ∆(p∗ b̃) = (p∗ ⊗ p∗ )∆(b̃) = p∗ ã1 ⊗ p∗ ã2 + p∗ ã2 ⊗ p∗ ã1 = 2ā ⊗ ā erhalten. Damit ist nun (V.104) gezeigt. Ad Behauptung (vii). Es bezeichne also µ : S n−1 × S n−1 → S n−1 eine Hn Raummultiplikation. Weiters bezeichne D+ ⊆ S n die nördliche Hemisphere und n n n n n D− ⊆ S die südliche Hemisphere, dh. D+ ∩D− = S n−1 ⊆ S n . Da D+ kontrahiern n n bar ist lässt sich µ zu einer stetigen Abbildung f+ : ∂D × D → D+ fortsetzen.76 n Ebenso lässt sich µ zu einer stetigen Abbildung f− : D n × ∂D n → D− fortsetzen. Wegen f+ |∂Dn ×∂Dn = µ = f− |∂Dn ×∂Dn erhalten wir eine stetige Abbildung f+ ∪f− f : S 2n−1 = ∂D 2n = ∂(D n × D n ) = ∂D n × D n ∪ D n × ∂D n −−−−→ S n . n ⊆ S n ⊆ Cf auf und Wir werden nun h(f ) = ±1 zeigen. Wir fassen wieder D± betrachten Φf Φ : D n × D n = D 2n −→ Cf , es gilt daher Φ|∂Dn ×Dn = f+ sowie Φ|Dn ×∂Dn = f− . Weiters seien i± : D n → D n × D n , i+ (x) := (x, ∗), i− (x) := (∗, x), wobei ∗ ∈ S n−1 ⊆ D n einen Basispunkt bezeichnet. Beachte n n Φ ◦ i+ : (D n , S n−1 ) → (D− , S n−1 ) ⊆ (Cf , D+ ), und (Φ ◦ i+ )|S n−1 = µ+ wobei µ+ : S n−1 → S n−1 , µ+ (x) := µ(x, ∗). Wir erhalten daher ein kommutatives Diagramm: Hn (D n × D n , ∂D n × D n ) Φ∗ n Hn (Cf , D+ ) / O O ∼ = (i+ )∗ Hn (D n , S n−1 ) ∼ = (Φ◦i+ )∗ / n Hn (D− , S n−1) ∼ = δ Hn−1 (S n−1 ) 76Identifizieren Fortsetzung. δ ∼ = (µ+ )∗ ∼ = / Hn−1 (S n−1) n wir D+ = Dn , dann liefert etwa f+ (x, y) := kykµ(x, y/kyk) eine explizite V.9. HOPF-INVARIANTE 273 Da µ eine H-Raummultiplikation ist gilt µ+ ≃ idS n−1 , also ist der untere horzontale Pfeil tatsächlich ein Isomorphismus. Der linke obere vertikale Pfeil ist ein Isomorphismus, denn i+ : (D n , S n−1) → (D n × D n , ∂D n × D n ) ist eine Homotopieäquivalenz. Schließlich ist auch der rechte obere vertikale Pfeil ein Isomorphis∼ = n → mus, denn er stimmt mit der Komposition der Isomorphismen Hn (D− , S n−1 ) − ∼ = n n Hn (S n , D+ ) − → Hn (Cf , D+ ) überein. Aus der Kommutativität des Diagramms schließen wir nun, dass Φ einen Isomorphsimus ∼ = n Φ∗ : Hn (D n × D n , ∂D n × D n ) − → Hn (Cf , D+ ) induziert. Analog lässt sich zeigen, dass Φ auch einen Isomorphismus ∼ = n → Hn (Cf , D− ) Φ∗ : Hn (D n × D n , D n × ∂D n ) − induziert. Bezeichnen D die Diagonalabbildungen, dann erhalten wir aus der Natürlichkeit des Kreuzproduktes ein kommutatives Diagramm: × Hn (Cf ) ⊗ Hn (Cf ) / H2n (Cf × Cf ) D∗ o H2n (Cf ) ∼ = ∼ = n ) ⊗ H (C , D n ) Hn (Cf , D+ n f − O ∼ = × / ∼ = Φ∗ ⊗Φ∗ Hn (D n × D n , ∂D n × D n ) ⊗ Hn (D n × D n , D n × ∂D n ) × / ∼ = O D∗ o × ∼ = / H2n (Cf , S n ) O Φ∗ ` ´ H2n (D n )4 , ∂D n × (D n )3 ∪ (D n )3 × ∂D n O (i+ ×i− )∗ (i+ )∗ ⊗(i− )∗ Hn (D n , ∂D n ) ⊗ Hn (D n , ∂D n ) ` ´ n × C ) ∪ (C × D n ) H2n Cf × Cf , (D+ f f − (Φ×Φ)∗ O ∼ = ∼ = o D∗ ∼ = H2n (D n × D n , ∂(D n × D n )) r∗ ` ´ H2n D n × D n , (∂D n × D n ) ∪ (D n × ∂D n ) n Nach obigen Bemerkungen und weil D± kontrahierbar ist, sind alle vertikalen Pfeile in der linken Spalte Isomorphismen. Aufgrund der relativen Version des Künneth-Theorems sind die drei unteren Kreuzprodukte Isomorphismen. Beachte, dass auch i+ ×i− eine Homotpieäquivalenz mit Homotopieinverser r : (D n )4 → D n × D n , r(x1 , y1, x2 , y2 ) := (x1 , y2 ) ist. Da offensichtlich D ◦ r = id kommutiert auch der rechte untere Teil des Diagramms. Aus der Kommutativität dieses Diagramms folgt nun n n D∗ bf = ±af × af ∈ H2n Cf × Cf , (D+ × Cf ) ∪ (Cf × D− ) , denn beides sind Erzeuger derselben Gruppe. Daraus erhalten wir D∗ bf = 1 × bf + bf × 1 ± af × af ∈ H2n (Cf × Cf ), und dies bedeutet gerade ∆n,n (bf ) = ±af ⊗ af , also h(f ) = ±1. V.9.4. Bemerkung. Nach Satz V.9.3(vii) existieren Abbildungen S 3 → S 2 , S → S 4 und S 15 → S 8 mit Hopfinvariante 1, denn S 1 ⊆ C, S 3 ⊆ H und S 7 ⊆ O sind H-Räume. Es stellt sich nun die Frage für welche (geraden) n tatsächlich eine 7 274 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN stetige Abbildung f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 1 existiert. Nach einem Resultat von Adams sind ist dies nur für n = 2, 4, 8 möglich. Nach Satz V.9.3(vii) sind daher S 0 , S 1 , S 3 und S 7 die einzigen Sphären, die eine H-Raum Struktur besitzen. Nach Lemma V.7.25(iii) sind also S 0 , S 1 , S 3 und S 7 die einzigen parallelisierbaren Sphären. Aus Lemma V.7.25(i) folgt daraus auch, dass eine endlich-dimensionale Divisionsalgebra über R Dimension 1, 2, 4 oder 8 haben muss, vgl. Korollar V.7.33 sowie Korollar V.7.34. V.10. Die Fundamentalklasse einer Mannigfaltigkeit. Es sei M eine n-Mannigfaltigkeit ohne Rand. In Bemerkung IV.12.8 haben wir eine Überlagerung M̃Z → M definiert deren Faser über x ∈ M gerade die lokale Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}) ∼ = Z war. Dies lässt sich in naheliegender Weise auf eine beliebige Koeffizientengruppe G verallgemeinern. Für eine abelsche Gruppe F G setzen wir M̃G := x∈M Hn (M, M \ {x}; G) und betrachten die kanonische Projektion p : M̃G → M, dh. p−1 (x) = Hn (M, M \ {x}; G). Wir versehen nun M̃G mit einer Topologie, sodass p : M̃G → M eine Überlagerung wird. Wie in Bemerkung IV.12.8 betrachten wir einen eingebetteten Ball D ⊆ M und die Bijektion ∼ = → p−1 (D̊) ⊆ M̃G , ΨD : D̊ × Hn (M, M \ D̊; G) − (V.105) die x ∈ D̊ und a ∈ Hn (M, M \ D̊; G) das von der Inklusion ιD x : (M, M \ D̊) → −1 ) a ∈ p (x) = H (M, M \ {x}; G) zuordnet, (M, M \ {x}) induzierte Element (ιD n x ∗ es gilt daher p ◦ ΨD = pr1 . Wir versehen M̃G mit der eindeutigen Topologie, sodass (V.105) für jeden eingebetteten Ball D ein Homöomorphismus wird, wobei Hn (M, M \ D̊; G) als diskreter Raum aufgefasst wird. Mit dieser Topologie ist p : M̃G → M eine Überlagerung. Beachte, dass die Faser p−1 (x) = Hn (M, M \{x}; G) über jedem x ∈ M mit einer Gruppenstruktur ausgestattet ist. V.10.1. Bemerkung. Die zweiblättrige Überlagerung M̃Z2 → M ist stets trivial, dh. M̃Z2 = M × Z2 . Ordnen wir jedem x ∈ M das (eindeutige) nichttriviale Element in H(M, M \ {x}; Z2 ) ∼ = Z2 zu, so erhalten wir einen stetigen Schnitt von M̃Z2 → M. Zusammen mit dem (stetigen) Nullschnitt liefert dies einen kanonischen Isomorphismus von Überlagerungen M̃Z2 = M × Z2 . V.10.2. Bemerkung. Die unendlich-blättrige Überlagerung M̃Z → M ist genau dann trivial, wenn M orientierbar ist. In diesem Fall liefert jede Orientierung von M einen stetigen Schnitt von M̃Z → M der jedem x ∈ M einen Erzeuger der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}) ∼ = Z zuordnet. Umgekehrt bestimmt jeder solche Schnitt eine Orientierung von M. V.10.3. Bemerkung. Ist M orientierbar, dann ist die Überlagerung M̃G → M für jede abelsche Gruppe G trivial. Für jedes x ∈ M erhalten wir nämlich aus dem universellen Koeffiziententheorem einen Isomorphismus Hn (M, M \ {x}) ⊗ G = Hn (M, M \ {x}; G). Ist nun o eine Orientierung von M, dann liefert M × V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 275 G → M̃G , (x, g) 7→ ox ⊗ g, den gewünschten Isomorphismus von Überlagerungen M̃G ∼ = M × G. Ist p : X̃ → X eine Überlagerung, dann bezeichnen wir mit Γ(X̃) die Menge der stetigen Schnitte dieser Überlagerung, dh. die Menge aller stetigen Abbildungen σ : X → X̃ mit p ◦ σ = idX . Beachte, dass Γ(X̃) durchaus leer sein kann, die Überlagerungen M̃G → M besitzen jedoch immer einen (stetigen) Nullschnitt. Für eine triviale Überlagerung X̃ = X × Λ kann Γ(X̃) mit der Menge der lokal konstanten Funktionen X → Λ identifiziert werden. Ist darüberhinaus X zusammenhängend, dann erhalten wir Γ(X̃) = Λ. Sei nun A ⊆ M abgeschlossen. Dann ist auch M̃G |A → A eine Überlagerung. Es bezeichne Γc (M̃G |A ) die Menge der stetigen Schnitte mit kompakten Träger dieser Überlagerung. Beachte, dass die punktweise Addition von Schnitten Γc (M̃G |A ) zu einer abelschen Gruppe macht. Ist G = R ein kommutativer Ring, dann ist Γc (M̃R |A ) in kanonischer Weise ein R-Modul. Jede Homologieklasse a ∈ Hn (M, M \A; G) liefert einen stetigen Schnitt JGA (a) von M̃G |A . Dieser ordnet jedem x ∈ A das Bild von a unter dem von der kanonischen Inklusion ιA x : (M, M \ A) → (M, M \ {x}) induzierten Homomorphismus (ιA x )∗ : Hn (M, M \ A; G) → (M, M \ {x}; G), JGA (a)(x) := (ιA x )∗ (a) zu. Da a von einer endlichen Linearkombination singulärer Simplizes repräsentiert wird, und da diese in einer kompakten Teilmenge von M liegen müssen, hat der Schnitt JGA (a) kompakten Träger. Offensichtlich gilt JGA (a1 + a2 ) = JGA (a1 ) + JGA (a2 ). Wir erhalten somit einen Homomorphismus abelscher Gruppen JGA : Hn (M, M \ A; G) → Γc (M̃G |A ). (V.106) Ist G = R ein Ring, dann ist dies ein Homomorphismus von R-Moduln. V.10.4. Satz. Es sei M eine n-Mannigfaltigkeit, A ⊆ M abgeschlossen und G eine abelsche Gruppe. Dann ist (V.106) ist ein Isomorphismus, und es gilt Hq (M, M \ A; G) = 0, für alle q > n. Spezialisieren wir Satz V.10.4 auf A = M, so erhalten wir V.10.5. Korollar. Es sei M eine n-Mannigfaltigkeit und G eine abelsche ∼ = → Γc (M̃G ) ein Isomorphismus, und es gilt Gruppe. Dann ist JGM : Hn (M; G) − Hq (M; G) = 0 für alle q > n. Beweis von Satz V.10.4. Wir folgen im Wesentlichen dem Beweis in [20, Chapter 16.3], siehe aber auch [2, Chapter VIII§3] oder [4, Lemma 3.27]. Sind A ⊆ B ⊆ M abgeschlossen, dann bezeichnen wir mit ιB A : (M, M \B) → (M, M \A) die B kanonische Inklusion, und mit rA : Γc (M̃G |B ) → Γc (M̃G |A ) die Einschränkung. 276 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Offensichtlich kommutiert dann das Diagramm: Hn (M, M \ B; G) B JG Γc (M̃G |B ) / (ιB A )∗ Hn (M, M \ A; G) (V.107) B rA A JG / Γc (M̃G |A ) Behauptung 1. Es seien A und B zwei abgeschlossene Teilmengen von M. Weiters sei die Aussage des Satzes für A, B und A ∩ B richtig. Dann gilt der Satz auch für A ∪ B. Wir betrachten dazu das folgende Diagramm: /0 Hn+1 M, M \ (A ∩ B); G ∼ = δ Hn M, M \ (A ∪ B); G A∪B JG / Γc (M̃G |A∪B ) A∪B ) ,−(ιA∪B ) ) ((ιA ∗ ∗ B Hn M, M \ A; G ⊕ Hn M, M \ B; G A∪B ,−r A∪B ) (rA B A ⊕J B JG G ∼ = / Γc (M̃G |A ) ⊕ Γc (M̃G |B ) B A +rA∩B rA∩B B (ιA A∩B )∗ +(ιA∩B )∗ Hn M, M \ (A ∩ B); G A∩B JG ∼ = / Γc (M̃G |A∩B ) Aus (V.107) folgt, dass dieses Diagramm kommutiert. Offensichtlich ist die rechte Spalte bei der zweiten und dritten Zeile exakt. Nach Proposition V.6.15 ist auch die linke Spalte exakt. Nach Voraussetzung sind der erste, dritte und vierte horizontale Pfeil Isomorphismen. Daraus folgt sofort, dass auch der zweite horizontale Pfeil ein Isomorphismus sein muss. Aus der Exaktheit der Mayer–Vietoris Sequenz der linken Spalte in höheren Dimensionen folgt, Hq (M, M \ (A ∪ B); G) = 0, für q > n. Damit ist Behauptung 1 bewiesen. Behauptung 2. Der Satz ist für M = Rn und jede kompakte konvexe Teilmenge A ⊆ Rn richtig. O.B.d.A. dürfen wir 0 ∈ A ⊆ B n annehmen. Betrachte die Homotopie H : (Rn \ A) × I → Rn \ A, x Ht (x) := tx + (1 − t) kxk . Beachte, dass dies wegen der Konvexität von A tatsächlich Werte in Rn \ A hat. Weiters gilt H1 = idRn \A und H0 : Rn \ A → S n−1 ist eine Retraktion. Somit sehen wir, dass S n−1 ⊆ Rn \ A ein Deformationsretrakt ist. Insbesondere ∼ = induziert die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (S n−1 ; G) − → H∗ (Rn \ A; G). Da ∼ = auch die Inklusion D n → Rn einen Isomorphismus H∗ (D n ; G) − → H∗ (Rn ; G) induziert, folgt aus der Natürlichkeit der langen exakten Sequenz von Paaren, ∼ = dass die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (D n , S n−1 ; G) − → H∗ (Rn , Rn \ A; G) V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 277 induziert. Ebenso haben wir einen von der Inklusion induzierten Isomorphismus ∼ = H∗ (D n , S n−1 ; G) − → H∗ (Rn , Rn \ {0}; G). Somit ist ∼ = n n (ιA → H∗ (Rn , Rn \ {0}; G). {0} )∗ : H∗ (R , R \ A; G) − ein Isomorphismus. Insbesondere gilt Hq (Rn , Rn \A; G) = 0, für alle q 6= n. Wegen der Kontrahierbarkeit von A ist auch ∼ = A → Γ(R̃nG |{0} ) = Hn (Rn , Rn \ {0}; G) r{0} : Γ(R̃nG |A ) − ein Isomorphismus. Behauptung 2 folgt nun aus der Kommutativität von (V.107). Behauptung 3. Der Satz ist für M = Rn und jede endliche Vereinigung kompakter, konvexer Teilmengen A ⊆ Rn richtig. Sei also A = A1 ∪ · · · ∪ Ak , wobei jedes Ai kompakt und konvex ist. Wir zeigen die Behauptung mittels Induktion nach k. Den Induktionsbeginn k = 1 haben wir in Behauptung 2 behandelt. Für den Induktionsschritt schreiben wir A = (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∪ Ak und beobachten, dass (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∩ Ak = (A1 ∩Ak )∪· · ·∪(Ak−1 ∩Ak ) eine Vereinigung von (k −1) kompakten und konvexen Teilmengen ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist der Satz also für A1 ∪· · ·∪Ak−1 , Ak und (A1 ∪ · · ·∪ Ak−1 ) ∩ Ak richtig. Aus Behauptung 1 schließen wir, dass er für A = (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∪ Ak richtig bleibt. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und der Beweis von Behauptung 3 vollständig. Behauptung 4. Der Satz ist für M = Rn und jede kompakte Teilmenge A ⊆ Rn richtig. Wir zeigen zunächst Hq (Rn , Rn \ A; G) = 0 für q > n. Sei dazu a ∈ Cq (Rn ; G) eine Kette die eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ A; G) repräsentiert. Da ∂a in einer kompakten Teilmenge von Rn \ A liegt, existiert eine Umgebung U von A, sodass a eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ U; G) repräsentiert. Aufgrund der Kompaktheit von A existieren endlich viele konvexe kompakte Teilmengen A1 , . . . , Ak mit A ⊆ A1 ∪ . . . Ak ⊆ U, a repräsentiert daher auch eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G). Nach Behauptung 3 ist diese Homologiegruppe trivial, es folgt daher 0 = [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ A; G). Es bleibt noch zu zeigen, dass JGA : Hn (Rn , Rn \ A; G) → Γ(R̃nG |A ) (V.108) ein Isomorphismus ist. Um die Injektivität von (V.108) einzusehen, sei nun a ∈ Cn (Rn ; G) eine Kette die eine Klasse [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G) mit JGA ([a]) = 0 repräsentiert. Wie oben finden wir kompakte konvexe Teilmengen A1 , . . . , Ak mit A ⊆ A1 ∪ · · · ∪ Ak , sodass [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G). Wählen wir Ai so, dass A ∩ Ai 6= ∅, i = 1, . . . , k, dann ist A1 ∪···∪Ak rA : Γ(R̃nG |A1 ∪···∪Ak ) → Γ(R̃nG |A ) injektiv. Aus der Kommutativität von (V.107) folgt daher JGA1 ∪···∪Ak ([a]) = 0. Nach Behauptung 3 gilt 0 = [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G) und somit auch 0 = [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G). Nun zur Surjektivität von (V.108). Sei also σ ∈ 278 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Γ(R̃nG |A ). Nach dem Fortsetzungssatz von Tietze77 lässt sich σ zu einem stetigen Schnitt σ̃ ∈ Γ(R̃nG ) ausdehnen, denn R̃nG ∼ = Rn × G. Wieder wählen wir endlich viele konvexe kompakte Teilmengen A1 , . . . , Ak , sodass A ⊆ A1 ∪ · · · ∪ Ak . Durch Einschränken erhalten wir σ̄ := σ̃|A1 ∪···∪Ak ∈ Γ(R̃nG |A1 ∪···∪Ak ). Nach Behauptung 3 existiert ā ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G) mit JGA1 ∪···∪Ak (ā) = σ̄. Aufgrund der 1 ∪···∪Ak Kommutativität von (V.107) gilt für a := (ιA )∗ (ā) ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G) A A nun JG (a) = σ. Damit ist auch Behauptung 4 gezeigt. ∼ = → Rn mit Behauptung 5. Es sei A ⊆ M kompakt, sodass eine Karte ϕ : U − A ⊆ U existiert. Dann ist der Satz ist für A richtig. Nach Behauptung 4 ist der Satz für A ⊆ U richtig. Mittels Excision sehen wir, dass die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (U, U \ A; G) ∼ = H∗ (M, M \ A; G) induziert. Also gilt der Satz auch für A ⊆ M, denn M̃G |A = ŨG |A . Somit ist Behauptung 5 gezeigt. Behauptung 6. Der Satz ist für jedes M und jede kompakte Teilmenge A ⊆ M richtig. Wegen der Kompaktheit von A finden wir endlich viele kompakte Teilmengen A1 , . . . , Ak mit A = A1 ∪ · · · ∪ Ak und so, dass jedes Ai in einem Kartengebiet wie in Behauptung 5 liegt. Ein Induktionsargument wie in Behauptung 3 zeigt nun, dass der Satz auch für A = A1 ∪· · ·∪Ak gilt. Der Induktionsbeginn k = 1 wurde in Behauptung 5 behandelt. Für den Induktionsschritt schreiben wir A = (A1 ∪· · ·∪ Ak−1 )∪Ak und beobachten, dass (A1 ∪· · ·∪Ak−1 )∩Ak = (A1 ∩Ak )∪· · ·∪(Ak−1 ∩Ak ) eine Vereinigung von k − 1 kompakten Teilmengen ist, und jede davon liegt in einem Kartengebiet. Nach Induktionsvoraussetzung gilt die Behauptung also für A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 , Ak und (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∩ Ak . Nach Behauptung 1 bleibt der Satz daher für A = (A1 ∪ · · · Ak−1 ) ∪ Ak richtig. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und Behauptung 6 bewiesen. Behauptung 7. Es sei A ⊆ M eine disjunkte Vereinigung kompakter Teilmengen. Dann gilt F der Satz für A. Sei also A = λ∈Λ Aλ , wobei jedes Aλ kompakt ist, S dh. die Aλ sind paarweise disjunkt, und die von M auf der Vereinigung A = λ∈Λ Aλ induzierte Topologie ist die der disjunkten Vereinigung. Es existieren paarweise disjunkte offene S Teilmengen F Uλ ⊆ M mit Aλ ⊆ Uλ . Setzen wir U := λ∈Λ Uλ , dann gilt also (U, A) = λ∈Λ (Uλ , Aλ ). Mittels Excision erhalten wir einen Isomorphismus Hq (M, M \ A; G) = Hq (U, U \ A; G) M M Hq (Uλ , Uλ \ Aλ ; G) = Hq (M, M \ Aλ ; G). = λ∈Λ 77Ist λ∈Λ X ein normaler Raum, A ⊆ X abgeschlossen und f : A → R stetig, dann existiert eine stetige Fortsetzung F : X → R von f , dh. F |A = f , siehe etwa [14, Kapitel ???]. Da jeder metrische Raum normal ist, ist auch Rn normal. V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 279 Zusammen mit Behauptung 6 folgt daraus Hq (M, M \A; G) = 0 für q > n. Weiters L haben wir Γc (M̃G |A ) = λ∈Λ Γc (M̃G |Aλ ), und bis auf diese Isomorphismen gilt L Aλ A JG = λ∈Λ JG . Aus Behauptung 6 folgt daher, dass auch JGA ein Isomorphismus ist. Damit ist Behauptung 7 gezeigt. Um den Beweis von Satz V.10.4 abzuschließen sei nun A ⊆ M eine beliebige abgeschlossene Teilmenge. Nach Lemma V.10.6 gilt A = B ∪ C wobei B, C und B ∩ C jeweils disjunkte Vereinigungen kompakter Teilmengen sind. Nach den Behauptungen 6 und 7 ist der Satz also für B, C und B ∩ C richtig. Nach Behauptung 1 gilt er daher auch für A = B ∪ C. V.10.6. Lemma. Jede abgeschlossene Teilmenge A einer topologischen Mannigfaltigkeit M lässt sich in der Form A = B ∪ C darstellen, wobei B, C und B ∩ C jeweils disjunkte Vereinigungen kompakter Teilmengen sind. Beweis. Wir dürfen o.B.d.A. M als zusammenhängend voraussetzen. Es existiert daher eine kompakte Ausschöpfung ∅ = K0 ⊆ K1 ⊆ K2 ⊆ KS 3 ⊆ · · · von M.78 Dh. jedes Ki ist kompakt, und es gilt Ki ⊆ K̊i+1 sowie M = i∈N Ki . Die Mengen [ G B := A ∩ (K2i \ K̊2i−1 ) = A ∩ (K2i \ K̊2i−1 ) und C := A ∩ i∈N i∈N [ G (K2i+1 \ K̊2i ) = i∈N haben nun die gewünschten Eigenschaften. A ∩ (K2i+1 \ K̊2i ) i∈N V.10.7. Korollar (Z2 -Fundamentalklasse). Es sei M eine geschlossene79 nMannigfaltigkeit. Dann existiert eine eindeutige Klasse [M]Z2 ∈ Hn (M; Z2 ) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ M bildet der von der kanonischen Inklusion ιM x : (M, ∅) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus (ιM )∗ : Hn (M; Z2 ) → Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ∼ = Z2 x 78Jeder zusammenhängende parakompakte und lokal kompakte Raum besitzt eine kompakte Ausschöpfung. Wähle eine lokal endliche offene Überdeckung {Uλ }λ∈Λ sodass jedes Ūλ kompakt und nichtleer ist. Wähle λ0 ∈ Λ und setze Λ0 := {λ0 }. Für k ∈ N definiere rekursiv Teilmengen Λk ⊆ Λ durch Λk+1 := λ ∈ Λ ∃µ ∈ Λk : Uλ ∩ Uµ 6= ∅ . Da Ūµ kompakt und die Überdeckung {Uλ }λ∈Λ lokal endlich ist, können nur endlich viele Uλ nichtleeren Durchschnitt S mitSUµ haben. Daher sind alle Λk endlich. Bemerke, dass Λk ⊆ Λk+1 . / U Betrachte jetzt U := k∈N λ∈Λk Uλ . Als Vereinigung offener Mengen ist U offen. Ist x ∈ dann finden wir λ ∈ Λ sodass x ∈ Uλ , und es gilt Uλ ∩ U = ∅, andernfalls fänden wir nämlich k ∈ N und µ ∈ Λk mit Uλ ∩Uβ 6= ∅, also λ ∈ Λk+1 und x ∈ U . Also ist U S auch abgeschlossen und stimmt daher mit dem ganzen Raum überein. Daher bilden Kn := λ∈Λn Ūλ eine kompakte Überdeckung. Es gilt tatsächlich Kn ⊆ K̊n+1 , denn ist x ∈ Kn dann existiert λ ∈ Λ sodass S x ∈ Uλ , und µ ∈ Λn mit x ∈ Ūµ , also Uλ ∩Uµ 6= ∅, daher λ ∈ Λn+1 und x ∈ λ∈Λn+1 Uλ ⊆ K̊n+1 . 79dh. kompakt und ohne Rand 280 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN die Klasse [M]Z2 auf das (eindeutige) nicht-triviale Element der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ab. Diese Homologieklasse [M]Z2 ∈ Hn (M; Z2 ) wird die Z2 -Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften: (i) f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 für jeden Homöomorphismus geschlossener n-Mannigfaltigkeiten f : M → M ′ . (ii) [M1 ⊔ M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 + [M2 ]Z2 für je zwei geschlossene n-Mannigfaltigkeiten M1 und M2 . (iii) [M × N]Z2 = [M]Z2 × [N]Z2 für jede geschlossene m-Mannigfaltigkeit M und jede geschlossene n-Mannigfaltigkeit N. Beweis. Ordnen wir jedem x ∈ M das (eindeutige) nicht-triviale Element der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ∼ = Z2 zu, so erhalten wir einen stetigen Schnitt der Überlagerung M̃Z2 → M, vgl. Bemerkung V.10.1. Da M kompakt ist, hat dieser Schnitt kompakten Träger. Die Existenz und Eindeutigkeit von [M]Z2 folgt daher aus Korollar V.10.5. Ad Behauptung (i): Für jedes x′ ∈ M ′ ist f∗ : Hn (M, M \ {f −1 (x′ )}; Z2 ) → Hn (M ′ , M ′ \ {x′ }; Z2 ) ein Isomorphismus, also induziert die Homologieklasse f∗ ([M]Z2 ) ∈ Hn (M ′ ; Z2 ) das nicht-triviale Element in jeder lokalen Homologiegruppe Hn (M ′ , M ′ \ {x′ }; Z2 ), x′ ∈ M ′ . Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss also f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 gelten. Ad Behauptung (ii): Offensichtlich induziert die Homologieklasse [M1 ]Z2 + [M2 ]Z2 ∈ Hn (M1 ⊔M2 ; Z2 ) = Hn (M1 ; Z2 ) ⊕Hn (M2 ; Z2 ) das nicht-triviale Element in jeder lokalen Homologiegruppe Hn (M1 ⊔M2 , (M1 ⊔M2 )\{x}; Z2 ), x ∈ M1 ⊔M2 . Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss also [M1 ⊔M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 + [M2 ]Z2 gelten. Ad Behauptung (iii): Nach Korollar V.6.17 liefert das relative Kreuzprodukt einen Isomorphismus Hm (M, M \ x; Z2 ) ⊗Z2 Hn (N, N \ y; Z2 ) = Hm+n M × N, (M × N) \ (x, y); Z2 . Aufgrund der Natürlichkeit des Kreuzproduktes induziert die Homologieklasse [M]Z2 × [N]Z2 ∈ Hm+n (M × N; Z2 ) daher das nicht triviale Element in jeder lokalen Homologiegruppe Hm+n (M × N, (M × N) \ {(x, y)}; Z2 ), (x, y) ∈ M × N. Wegen der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss also [M ×N]Z2 = [M]Z2 ×[N]Z2 gelten. V.10.8. Korollar (Fundamentalklasse). Ist M eine orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit, dann existiert eine eindeutige Klasse [M] ∈ Hn (M) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ M bildet der von der kanonischen Inklusion ιM x : (M, ∅) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus (ιM )∗ : Hn (M) → Hn (M, M \ {x}) ∼ =Z x die Klasse [M] auf die lokale Orientierung oM x ∈ Hn (M, M \ {x}) ab. Diese Homologieklasse [M] ∈ Hn (M) wird die Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften: V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 281 (i) f∗ ([M]) = [M ′ ] für jeden orientierungsbewahrenden80 Homöomorphismus geschlossener orientierter n-Mannigfaltigkeiten f : M → M ′ . (ii) [M1 ⊔ M2 ] = [M1 ] + [M2 ] für je zwei orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeiten M1 und M2 .81 (iii) [M×N] = [M]×[N] für jede orientierte geschlossene m-Mannigfaltigkeit M und jede orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit N.82 (iv) [−M] = −[M].83 (v) ρ∗ ([M]) = [M]Z2 wobei ρ∗ : Hn (M) → Hn (M; Z2 ) den von ρ : Z → Z2 induzierten Homomorphismus bezeichnet. Beweis. Die Orientierung von M ist ein stetiger Schnitt der Überlagerung M̃Z → M, siehe Bemerkung V.10.2. Da M kompakt ist hat dieser Schnitt kompakten Träger, dh. oM ∈ Γc (M̃Z ). Die Existenz und Eindeutigkeit der Klasse [M] folgt daher aus Korollar V.10.5. Der Beweis der verbleibenden Aussagen kann nun wie in Korollar V.10.7 geführt werden. Etwa ist [M] × [N] ∈ Hm+n (M × N) eine Homologieklasse, die aufgrund der Natürlichkeit des Kreuzproduktes in jeder lokalen ×N Homologiegruppe H(M ×N, (M ×N)\{(x, y)}) die Produktorientierung oM (x,y) = N oM x × oy induziert, (x, y) ∈ M × N. Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss [M × N] = [M] × [N] gelten. Die Klasse −[M] ∈ Hn (M) induziert −M −oM ∈ Hn (M, M \ {x}), für jedes x ∈ M. Wegen der Eindeutigkeit einer x = ox solchen Klasse muss also −[M] = [−M] gelten. Ebenso ist ρ∗ ([M]) ∈ Hn (M; Z2 ) eine Homologieklasse, die wegen des universellen Koeffiziententheorems in jeder lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) = Hn (M, M \ {x}) ⊗ Z2 das nichttriviale Element induziert. Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse, siehe Korollar V.10.7, muss daher ρ∗ ([M]) = [M]Z2 gelten. V.10.9. Bemerkung. Es sei M eine orientierte n-Mannigfaltigkeit. Nach Bemerkung V.10.3 ist die Überlagerung M̃G trivial, wir erhalten daher einen Isomorphismus Γc (M̃Z ) ⊗ G = Γc (M̃G ). Zusammen mit Korollar V.10.5 folgt Hn (M) ⊗ G = Hn (M; G). Aus dem universellen Koeffiziententheorem schließen wir Tor(Hn−1 (M); G) = 0, für jede abelsche Gruppe G. Mittels Proposition V.2.19 erhalten wir daher Hn−1 (M)tor = 0. Ist M geschlossen und R ein kommutativer Ring mit Eins, dann induziert der Ringhomomorphismus Z → R einen Homomorphismus Hn (M) → Hn (M; R). 80Ein Homöomorphismus f : M → M ′ zwischen orientierten n-Mannigfaltigkeiten wird M′ orientierungsbewahrend genannt, falls f∗ (oM x ) = of (x) für jeden Punkt x ∈ M gilt, wobei f∗ : Hn (M, M \ {x}) → Hn (M ′ , M ′ \ {f (x)}). 81Dabei ist M ⊔ M mit der von M und M induzierten Orientierung versehen. 1 2 1 2 82Dabei ist M × N mit der Produktorientierung versehen, siehe Beispiel V.6.19. 83Ist M eine orientierte n-Mannigfaltigkeit, dann bezeichnet −M dieselbe Mannigfaltigkeit mit der Orientierung o−M := −oM . 282 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Dieser bildet die Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M) auf ein Element [M]R ∈ Hn (M; R) ab, das für jedes x ∈ M einen Erzeuger von Hn (M, M \ {x}; R) = R induziert. Für R = Z2 stimmt dies mit [M]Z2 aus Korollar V.10.7 überein. V.10.10. Korollar. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit ohne Rand. (i) Ist M nicht kompakt, dann gilt Hn (M; G) = 0 für jedes G. (ii) Ist M kompakt, dann bildet die Fundamentalklasse [M]Z2 eine Basis von Hn (M; Z2 ) ∼ = Z2 . (iii) Ist M kompakt und orientiert, dann bildet die Fundamentalklasse [M] einen Erzeuger von Hn (M) ∼ = Z. Weiters induziert [M] einen Erzeuger ∼ des R-Moduls Hn (M; R) = R für jeden kommutativen Ring mit Eins. (iv) Ist M nicht orientierbar, dann gilt Hn (M) = 0. V.10.11. Bemerkung. Nach Korollar V.10.10 ist eine zusammenhängende geschlossene n-Mannigfaltigkeit genau dann orientierbar, wenn Hn (M) 6= 0. In diesem Fall gilt Hn (M) ∼ = Z, und jeder (der beiden) Erzeuger dieser Gruppe bestimmt eine Orientierung von M, sodass die damit assozierte Fundamentalklasse [M] mit diesem Erzeuger übereinstimmt. V.10.12. Beispiel. Die Mannigfaltigkeiten CPn und HPn sind einfach zusammenhängend und daher orientierbar, vgl. Bemerkung IV.12.8. Die Mannigfaltigkeit RPn ist für ungerades n orientierbar, für gerades n ≥ 2 nicht orientierbar, siehe Proposition V.4.14 und Bemerkung V.10.11. Ebenso sind die orientierbaren Flächen orientierbar, siehe Beispiel IV.9.12. V.10.13. Bemerkung. Aus obigen Überlegungen folgt auch bm (M; Z2 ) = b0 (M; Z2 ) für jede geschlossene m-Mannigfaltigkeit M, und bm (M) = b0 (M) für jede orientierbare geschlossene m-Mannigfaltigkeit M. Insbesondere sind die Betti-Zahlen bm (M) und bm (M; Z2 ) endlich, wobei bq (M; Z2 ) := dimZ2 Hq (M; Z2 ) die sogenannten Z2 -Bettizahlen bezeichnen. V.10.14. Bemerkung. Ist M eine geschlossene n-Mannigfaltigkeit und f : M → X stetig, dann erhalten wir eine Homologieklasse f∗ ([M]Z2 ) ∈ Hn (X; Z2 ). Ist M orientierbar, so erhalten wir eine Homologieklasse f∗ ([M]) ∈ Hn (X). Etwa können wir den Erzeuger von Hk (RPn ; Z2 ), k ≤ n, als Bild der Z2 -Fundamentalklasse von RPk unter dem von der Inklusion RPk → RPn induzierten Homomorphismus verstehen. Ebenso können wir die Erzeuger von H2k (CPn ) als Bild der Fundamentalklasse von CPk interpretieren. V.10.15. Definition (Abbildungsgrad). Es sei M eine orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M), und es sei N eine V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 283 zusammenhängende orientierte und geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit Fundamentalklasse [N] ∈ Hn (N) ∼ = Z. Ist nun f : M → N eine stetige Abbildung, dann existiert genau eine Zahl deg(f ) ∈ Z, sodass f∗ ([M]) = deg(f ) · [N]. Diese Zahl deg(f ) ∈ Z wird der Abbildungsgrad von f genannt. V.10.16. Bemerkung. Beachte, dass dies für Abbildungen f : S n → S n mit dem Abbildungsgrad in Abschnitt IV.12 übereinstimmt. V.10.17. Proposition. Der Abbildungsgrad stetiger Abbildungen zwischen orientierten geschlossenen Mannigfaltigkeiten hat folgende Eigenschaften. (i) deg(idM ) = 1. (ii) f ≃ g ⇒ deg(f ) = deg(g). (iii) deg(f ◦ g) = deg(f ) · deg(g). (iv) deg(f ⊔ g) = deg(f ) + deg(g). (v) deg(f × g) = deg(f ) · deg(g). M M (vi) deg−M N (f ) = deg −N (f ) = − degN (f ). (vii) Ist f eine Homotopieäquivalenz, dann gilt deg(f ) = ±1. (viii) Ist deg(f ) 6= 0, dann ist f surjektiv. Beweis. Behauptung (i) folgt aus (idM )∗ = idHn (M ) . Behauptung (ii) folgt aus der Homotpieinvarianz, siehe Satz IV.7.4. Behauptung (iii) folgt aus (f ◦ g)∗ = f∗ ◦ g∗. Behauptung (iv) folgt aus Korollar V.10.8(ii). Behauptung (v) folgt aus Korollar V.10.8(iii) und der Natürlichkeit des Kreuzproduktes. Behauptung (vi) folgt aus Korollar V.10.8(iv). Ad Behauptung (vii): In diesem Fall ist f∗ : Hn (M) → Hn (N) ein Isomorphismus, muss daher [M] auf einen Erzeuger, dh. ±[N], abbilden. Nun zu Behauptung (viii): Wir nehmen indirekt an f wäre nicht surjektiv. Dann existiert x ∈ N, sodass f : M → N \{x}. Aufgrund der Exaktheit ∼ = von Hn (N \{x}) → Hn (N) − → Hn (N, N \{x}) induziert die Inklusion den trivialen Homomorphismus Hn (N \{x}) → Hn (N), also ist auch der Homomorphismus f∗ : Hn (M) → Hn (N) trivial und damit deg(f ) = 0. Da dies unserer Voraussetzung widerspricht, muss also f surjektiv sein. V.10.18. Beispiel. Für ungerades n hat die kanonische Projektion p : S n → RPn Abbildungsgrad deg(p) = ±2, siehe Proposition V.4.14. Für gerades n ≥ 2 ist der Abbildungsgrad der Projektion S n → RPn nicht definiert, da RPn nicht orientierbar ist. Es sei nun f : M → N eine stetige Abbildung zwischen orientierten Mannigfaltigkeiten. Weiters sei x ∈ M ein isolierter Punkt von f −1 (f (x)), dh. es existiert eine offene Umgebung U von x mit U ∩ f −1 (f (x)) = {x}. Wir erhalten daher eine Abbildung von Paaren f |U : (U, U \{x}) → (N, N \{f (x)}) und einen induzierten Homomorphismus zwischen den lokalen Homologiegruppen (f |U )∗ Hn (M, M \ {x}) = Hn (U, U \ {x}) −−−→ Hn (N, N \ {f (x)}). 284 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Es existiert daher genau eine Zahl degx (f ) ∈ Z, sodass (f |U )∗ (oUx ) = degx (f ) · oN f (x) . Dabei bezeichnet oU die von M induzierte Orientierung auf U, dh. bis auf den U Excisionsisomorphismus Hn (M, M \ {x}) = Hn (U, U \ {x}) gilt oM x = ox . Diese Zahl degx (f ) hängt nicht von der Wahl der Umgebung U ab, und wird der lokale Abbildungsgrad von f bei x genannt. Die folgende Proposition zeigt, dass dieser lokale Abbildungsgrad in vielen Fällen leicht bestimmbar ist. V.10.19. Proposition. Es sei U ⊆ Rn offen und f : U → Rn eine C 1 Abbildung. Weiters sei x ∈ U mit det(Dx f ) 6= 0. Dann ist x ein isolierter Punkt in f −1 (f (x)) und es gilt degx (f ) = sign det(Dx f ). Dabei ist U mit einer von Rn induzierten Orientierung versehen. Beweis. Nach dem inversen Funktionensatz ist x ein isolierter Punkt in f (f (x)), und daher degx (f ) definiert. Durch Komposition mit Translationen dürfen wir o.B.d.A. x = 0 = f (x) annehmen. Durch Einschränken und Skalieren können wir weiters U = B n sowie f −1 (f (0)) = {0} annehmen. Betrachte nun die Homotopie H : (B n , B n \ {0}) × I → (Rn , Rn \ {0}), ( f (ty)/t falls t > 0, Ht (y) := D0 f · y für t = 0. −1 von H0 = D0 f nach H1 = f . Nach Proposition I.6.8 ist die Inklusion On ⊆ GLn (Rn ) eine Homotopieäquivalenz, insbesondere kann D0 f durch einen stetigen Weg in GLn (Rn ) mit einer orthogonalen Matrix G ∈ On verbunden werden. Aus der Homotopieinvarianz folgt deg0 (f ) = deg0 (D0 f ) = deg0 (G). Aufgrund der Stetigkeit der Abbildung sign det : GLn (Rn ) → {−1, 1} gilt auch sign det(D0 f ) = sign det(G) = det(G). Es genügt daher deg0 (G) = det(G) für jedes G ∈ On zu zeigen. Mit Hilfe des kommutativen Diagramms Hn (B n , B n \ {0}) G∗ δ ∼ = H̃n−1 (B n \ {0}) o / G∗ Hn (Rn , Rn \ 0) o ∼ = ∼ = H̃n−1 (S n−1 ) G∗ G∗ Hn (B n , B n \ {0}) δ ∼ = folgt dies aber sofort aus Satz IV.12.11(v). / H̃n−1 (B n \ {0}) o ∼ = H̃n−1 (S n−1 ) V.10.20. Satz. Es sei f : M → N eine stetige Abbildung von einer geschlossenen orientierten n-Mannigfaltigkeit M in eine zusammenhängende orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit N. Weiters sei y ∈ N, sodass f −1 (y) endlich ist. Dann gilt X deg(f ) = degx (f ). (V.109) x∈f −1 (y) V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 285 Beweis. Es bezeichne X := f −1 (y) = {x1 , . . . , xk }. Wähle paarweise disjunkte offene Umgebungen Ui von xi , und setze U := U1 ∪ · · · ∪ Uk . Wir statten U sowie U aus. Beachte weiters Fik mit der von M induzierten Orientierung Fk M̃ |U = Ũ = i=1 Ũi und daher M̃ |X = Ũ |X = i=1 Ũi |{xi } . Betrachte nun das folgende kommutative Diagramm: Lk / Γ(M̃ | ) Γ(M̃ ) Γ(Ũ|X ) X i=1 Γ(Ũi |{xi } ) O O ∼ = JM Hn (M) / Hn (M, M \ X) o Hn (N) ∼ = Hn (U, U \ X) o f∗ f∗ O ∼ = J (U,X) ∼ = J (M,X) ∼ = / Hn (N, N \ {y}) (f |U )∗ Hn (N, N \ {y}) r ∼ = Lk i=1 Hn (Ui , Ui \ {xi }) Pk i=1 (f |Ui )∗ Durch den oberen Teil dieses Diagramms wird die Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M) auf oM ∈ Γ(M̃ ), oM |X ∈ Γ(M̃ |X ), oU |X ∈ Γ(Ũ|X ) und schließlich auf L (oUx11 , . . . , oUxkk ) ∈ ki=1 Hn (Ui , Ui \{xi }) abgebildet. Unter dem unteren rechten HoP P momorphismus geht dies in ki=1 (f |Ui )∗ oUxii = ki=1 degxi (f )·oN y ∈ Hn (N, N \{y}) Pk über, was in Hn (N) nun i=1 degxi (f ) · [N] entspricht. Aufgrund der Kommutativität des Diagramms muss dies mit f∗ ([M]) = deg(f ) · [N] übereinstimmen, und dies liefert die zu beweisende Relation. V.10.21. Bemerkung. Aus Satz V.10.20 folgt, dass die rechte Seite in (V.109) nicht von y abhängt Auch folgt, dass dieser Ausdruck nur von der Homotopieklasse von f abhängt, vgl. Proposition V.10.17(ii). Ohne der homologischen Interpretation aus Satz V.10.20 wären diese Tatsachen alles andere als offensichtlich. V.10.22. Beispiel. Wir wollen nun Satz V.10.20 verwenden um nochmals den Abbildungsgrad der Antipodalabbildung A : S n → S n , Ax := −x, zu berechnen. Es bezeichne N ∈ S n den Nordpol und ϕ : Rn → S n \ {N} die stereographische Projektion, siehe Beispiel I.1.25. Eine einfache geometrische Überlegung zeigt A ◦ ϕ = ϕ ◦ Ā mit Ā : Rn \ {0} → Rn \ {0}, Ā(x) = −x/kxk. Für die Ableitung beim Einheitsvektor x := e1 ∈ Rn ergibt sich die Diagonalmatrix Dx Ā = diag(1, −1, . . . , −1). Es gilt daher degx (Ā) = (−1)n−1 , siehe Proposition V.10.19. Wegen A = ϕ ◦ Ā ◦ ϕ−1 erhalten wir degx (A) = degx (Ā) = (−1)n−1 . Mittels Satz V.10.20 folgt nun deg(A) = (−1)n−1 , vgl. Satz IV.12.11(vi). V.10.23. Beispiel. Es sei p : M̃ → M eine k-blättrige Überlagerung einer geschlossenen orientierten n-Mannigfaltigkeit M. Dann ist auch M̃ eine orientierbare geschlossene n-Mannigfaltigkeit. Es gibt genau eine Orientierung auf M̃ , sodass p ein lokal orientierungsbewahrender Homöomorphismus ist. Bezüglich dieser Orientierung gilt deg(p) = k, siehe Satz V.10.20. Insbesondere sehen wir, dass die kanonische Projektion p : S n → RPn für ungerades n Abbildungsgrad deg(p) = 2 hat, vgl. Proposition V.4.14. 286 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN V.10.24. Beispiel. Es sei n ≥ 1. Ist M eine orientierte geschlossenen nMannigfaltigkeit, dann existiert zu jedem k ∈ Z eine Abbildung f : M → S n mit deg(f ) = k. Wir erhalten daher eine surjektive Abbildung deg : [M, S n ] → Z. Nach Bemerkung IV.12.14 existiert nämlich g : S n → S n mit deg(g) = k. Es genügt daher f : M → S n mit deg(f ) = ±1 zu konstruieren, siehe Proposition V.10.17(iii). Betrachte dazu einen eingebetteten Ball D n ⊆ M und die davon induzierten stetige Abbildung f : M → M/(M \ B n ) = D n /S n−1 ∼ = S n . Nach Satz V.10.20 hat f Abbildungsgrad deg(f ) = ±1. V.10.25. Bemerkung (Z2 -Abbildungsgrad). Es sei f : M → N eine stetige Abbildung von einer geschlossenen n-Mannigfaltigkeit M in eine zusammenhängende geschlossene n-Mannigfaltigkeit N.84 Dann existiert genau eine Zahl deg2 (f ) ∈ Z2 , sodass f∗ ([M]Z2 ) = deg2 (f ) · [N]Z2 ∈ Hn (N; Z2 ) ∼ = Z2 . Diese Zahl wird der Z2 -Abbildungsgrad von f genannt. Dieser Abbildungsgrad hat Eigenschaften analog zu denen in Proposition V.10.17, die Beweise sind völlig gleich. (i) (ii) (iii) (iv) (v) (vi) (vii) (viii) deg2 (idM ) = 1. f ≃ g ⇒ deg2 (f ) = deg2 (g). deg2 (f ◦ g) = deg2 (f ) · deg2 (g). deg2 (f ⊔ g) = deg2 (f ) + deg2 (g). deg2 (f × g) = deg2 (f ) · deg2 (g). Sind M und N orientiert, dann gilt deg(f ) ≡ deg2 (f ) mod 2. Ist f eine Homotopieäquivalenz dann gilt deg2 (f ) = 1. Ist deg2 (f ) 6= 0, dann ist f surjektiv. Auch Satz V.10.20 bleibt richtig, ist f −1 (y) eine endliche Menge, dann gilt X deg2 (f ) = deg2,x (f ). x∈f −1 (y) Dabei wird der lokale Z2 -Abbildungsgrad deg2,x (f ) ∈ Z2 analog zur ganzzahligen Variante definiert. Im orientierbaren Fall gilt offensichtlich deg2,x (f ) ≡ degx (f ) mod 2. Der lokale Z2 -Abbildungsgrad ist besonders leicht zu bestimmen, ist f bei x ein lokaler Homöomorphismus, dann gilt offensichtlich deg2,x (f ) = 1. Ist etwa f bei jedem x ∈ f −1 (y) ein lokaler Homöomorphismus ist, dann folgt deg2 (f ) ≡ ♯f −1 (y) mod 2. Für eine k-blättrige Überlagerung p : M̃ → M einer zusammenhängenden geschlossenen Mannigfaltigkeit M, erhalten wir daher deg2 (p) ≡ k mod 2. Für p : S n → RPn ergibt sich deg2 (p) = 0, vgl. Beispiel V.4.13. 84Wir setzen nicht voraus, dass M oder N orientierbar sind, noch verlangen wir, dass diese Mannigfaltigkeiten im orientierbaren Fall mit einer Orientierung versehen sind. V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 287 Wir wollen nun auch die Homologie von Mannigfaltigkeiten mit Rand untersuchen, siehe Bemerkung IV.12.10. Sei also M eine n-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M. Dann ist ∂M eine, möglicherweise leere, (n−1)-Mannigfaltigkeit ohne Rand, und das Innere Int(M) = M \ ∂M ist eine randlose n-Mannigfaltigkeit. V.10.26. Satz (Kragen des Randes). Ist M eine Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M, dann existiert eine offene Umgebung U von ∂M in M, und ein Homöomorphismus ∼ = → U ⊆ M, ϕ : ∂M × [0, 1) − sodass ϕ|∂M ×{0} = id∂M . Insbesondere ist die Inklusion Int(M) → M eine Homotopieäquivalenz. Beweis. Wir werden den Satz nur für glatte Mannigfaltigkeiten zeigen. Wir wählen eine Riemannmetrik auf M und bezeichnen mit ν(x) ∈ Tx M den nach innen weisenden Normalvektor, x ∈ ∂M. Weiters bezeichne t 7→ ϕ(x, t) := exp(tν(x)) die Geodäte die bei x in Richtung ν(x) startet. Dies ist bei fixem x ∈ ∂M für kleine t ≥ 0 definiert. Wir erhalten weiters eine offene Umgebung V von ∂M ×{0} in ∂M ×[0, ∞), sodass ϕ : V → M eine glatte Abbildung definiert. Offensichtlich gilt ϕ|∂M ×{0} = id∂M und die Tangentialabbildung T(x,0) ϕ ist ein Isomorphismus für jedes x ∈ ∂M. Nach dem inversen Funktionensatz können wir durch Verkleinern der Umgebung V sicherstellen, dass ϕ : V → M ein Diffeomorphismus auf sein (offenes) Bild ist. Durch geeignetes Skalieren folgt nun der Satz, für glattes M. V.10.27. Bemerkung. Nach Satz V.10.26 induziert die Inklusion Int(M) → M einen Isomorphismus H∗ (Int(M); G) = H∗ (M; G). Die Berechnung der Homologiegruppen H∗ (M; G) ist daher auf die Bestimmung der Homologiegruppen der randlosen Mannigfaltigkeit Int(M) zurückgeführt. Insbesondere folgt Hq (M; G) = 0, für alle q > n. Ist M zusammenhängend und ∂M 6= ∅, dann ist Int(M) nicht kompakt und daher Hn (M; G) = 0, siehe Korollar V.10.10(i). Aus der exakten Sequenz δ Hq (M; G) → Hq (M, ∂M; G) − → Hq−1 (∂M; G) erhalten wir nun auch Hq (M, ∂M; G) = 0, für q > n, denn Hq−1 (∂M; G) = 0 nach Korollar V.10.5. Wesentlich interessanter sind die relativen Homologiegruppen Hn (M, ∂M). Wir beginnen wieder mit der Z2 -Version da diese keine Orientierungen benötigt. V.10.28. Korollar (Z2 -Fundamentalklasse). Ist M eine kompakte n-Mannigfaltigkeit mit Rand, dann existiert eine eindeutige Homologieklasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 ) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ Int(M) bildet der von der kanonischen Inklusion ιM x : (M, ∂M) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus ∼ (ιM x )∗ : Hn (M, ∂M; Z2 ) → Hn (M, M \ {x}; Z2 ) = Z2 288 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN die Klasse [M]Z2 auf das (eindeutige) nicht-triviale Element der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \{x}; Z2 ) ab. Diese Homologieklasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 ) wird die Z2 -Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften: (i) f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 für jeden Homöomorphismus kompakter n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, f : M → M ′ .85 (ii) [M1 ⊔M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 +[M2 ]Z2 für je zwei kompakte n-Mannigfaltigkeiten mit Rand. (iii) [M × N]Z2 = [M]Z2 × [N]Z2 für je zwei kompakte Mannigfaltigkeit mit Rand der Dimension m bzw. n.86 (iv) δ([M]Z2 ) = [∂M]Z2 wobei δ : Hn (M, ∂M; Z2 ) → Hn−1 (∂M; Z2 ) den Einhängungshomomorphismus bezeichnet.87 Beweis. Es sei ϕ : ∂M ×[0, 1) → M ein Kragen wie in Satz V.10.26. Für 0 < ε < 1 betrachte Aε := M \ ϕ(∂M × [0, ε)) ⊆ Int(M). Dies ist eine abgeschlossene Teilmenge von M, also kompakt. Nach Satz V.10.4 existiert genau eine Klasse in Hn (Int(M), Int(M) \ Aε ; Z2 ) die für jedes x ∈ Aε das nicht-triviale Element in Hn (Int(M), Int(M) \ {x}; Z2 ) induziert. Da die Inklusionen (M, ∂M) → M, ϕ(∂M × [0, ε)) ← Int(M), Int(M) \ Aε beide Homotopieäquivalenzen sind folgt also, dass genau eine Klasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 ) existiert, die für jeden Punkt x ∈ Aε das nicht-triviale Element in Hn (M, M \{x}; Z2 ) induziert. Da ε belibig war, bleibt dies für jedes x ∈ Int(M) richtig. Die Eigenschaften (i) bis (iii) lassen sich nun genau wie im Beweis von Korollar V.10.7 verifizieren. Es bleibt noch Behauptung (iv) zu zeigen. Betrachte zunächst die 1-dimensionale kompakte Mannigfaltigkeit mit Rand I = [0, 1]. In diesem Fall gilt sicherlich δ([I]Z2 ) = 1{1} − 1{0} ∈ H0 ({0, 1}; Z2 ). Aus (iii) und (V.81) folgt nun δ([I × ∂M]Z2 ) = δ([I]Z2 × [∂M]Z2 ) = δ([I]Z2 ) × [∂M]Z2 = 1{1} × [∂M]Z2 − 1{0} × [∂M]Z2 . (V.110) Nach Satz V.10.26 existiert ein Homöomorphismus ∼ = ψ : (−1, 1] × ∂M − →U ⊆M 85Beachte, mit ψ|{1}×∂M = id∂M . dass so ein Homöomorphismus nach Satz IV.12.9 ∂M homöomorph auf ∂M ′ abbilden muss, und daher einen Isomorphismus f∗ : Hn (M, ∂M ; Z2 ) → Hn (M ′ , ∂M ′ ; Z2 ) induziert. 86Beachte, dass M × N eine topologische (m + n)-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂(M × N ) = (∂M × N ) ∪ (M × ∂N ) ist. 87Beachte, dass ∂M eine geschlossene (n − 1)-Mannigfaltigkeit ist. V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 289 Setze A := M \ ψ (0, 1] × ∂M und betrachte das kommutative Diagramm: Hn (M, ∂M ; Z2 ) / Hn (M, ∂M ∪ A; Z2 ) o δ ψ∗ ∼ = Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M ; Z2 ) δ Hn−1 (∂M ; Z2 ) (id,0) / Hn−1 (∂M ∪ A; Z2 ) o + Hn−1 (∂M ; Z2 ) o ⊕ Hn−1 (A; Z2 ) δ ψ∗ Hn−1 (∂I × ∂M ); Z2 ) Hn−1 ({1} × ∂M ; Z2 ) ⊕ Hn−1 ({0} × ∂M ; Z2 ) ψ∗ Mittels Exzision und Homotopieinvarianz folgt sofort, dass der obere rechte Pfeil ein Isomorphismus ist. Da ψ ein lokaler Homöomorphismus ist, wird die Fundamentalklasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 ) durch die beiden oberen horizontalen Pfeile auf die Fundamentalklasse [I × ∂M]Z2 ∈ Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M; Z2 ) abgebildet. Nach (V.110) wird dies durch die rechten vertikalen Pfeile auf [∂M]Z2 , ∗ in der unteren mittleren Gruppe abgebildet. Wegen der Kommutativität des Diagramms muss dies mit δ([M]Z2 ), 0 übereinstimmen, es gilt daher δ([M]Z2 ) = [∂M]Z2 . V.10.29. Korollar. Es sei M eine kompakte n-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M. Dann ist ∂M nicht Retrakt von M. Beweis. Wir gehen indirekt vor und nehmen an r : M → ∂M wäre eine Retraktion, dh. r ◦ ι = id∂M , wobei ι : ∂M → M die kanonische Inklusion bezeichnet. Betrachte die exakte Sequenz δ ι ∗ Hn (M, ∂M; Z2 ) − → Hn−1 (∂M; Z2 ) − → Hn−1 (M; Z2 ). Wegen r∗ ◦ ι∗ = idHn−1 (∂M ;Z2 ) ist ι∗ injektiv und daher δ = 0. Mit Korollar V.10.28(iv) folgt [∂M]Z2 = δ([M]Z2 ) = 0. Da dies der Definition von [∂M]Z2 widerspricht, kann es also keine solche Retraktion r geben. V.10.30. Korollar. Es sei W eine kompakte (n + 1)-Mannigfaltigkeit mit Rand und F : W → X stetig. Betrachte die geschlossenen n-Mannigfaltigkeit M := ∂W und f := F |∂W : M → X. Dann gilt f∗ ([M]Z2 ) = 0 ∈ Hn (X; Z2 ). Beweis. Es bezeichne ι : M = ∂W → W die Inklusion, dh. f = F ◦ ι. Mittels Korollar V.10.28(iv) folgt f∗ ([∂W ]Z2 ) = F∗ ι∗ ([∂W ]Z2 ) = F∗ ι∗ δ([W ]Z2 ) = 0, δ ι ∗ wobei wir die Exaktheit von Hn+1 (W, ∂W ; Z2 ) − → Hn (∂W ; Z2 ) − → Hn (W ; Z2 ) verwendet haben. V.10.31. Bemerkung (Bordismeninvarianz). Es seien M1 und M2 zwei geschlossene n-Mannigfaltigkeiten. Zwei stetige Abbildungen f1 : M1 → X und f2 : M2 → X werden bordant genannt, falls eine kompakte (n + 1)-Mannigfaltigkeit 290 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN W mit Rand ∂W = M1 ⊔M2 sowie eine stetige Abbildung F : W → X existieren, sodass F |M1 = f1 und F |M2 = f2 . In dieser Situation folgt (f1 )∗ ([M1 ]Z2 ) = (f2 )∗ ([M2 ]Z2 ) ∈ Hn (X; Z2 ), siehe Korollar V.10.30 und Korollar V.10.28(ii). Ist nun N = X eine zusammenhägende geschlossene n-Mannigfaltigkeit, so erhalten wir deg2 (f1 ) = deg2 (f2 ). Dies wird als Bordismeninvarianz des Z2 -Abbildungsgrades bezeichnet und verallgemeinert dessen Homotopieinvarianz, denn zwei homotope Abbildungen f1 ≃ f2 : M → X sind stets bordant, W = I × M und F : W → X eine Homotopie von f1 nach f2 . Unter einer Orientierung einer n-Mannigfaltigkeit M mit Rand verstehen wir eine Orientierung des Inneren Int(M). Eine Orientierung oM von M induziert eine Orientierung o∂M des Randes ∂M wie folgt. Ist x ∈ ∂M dann existiert eine offene ∼ = Umgebung U von x und eine Karte ϕ : U − → H := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | x1 ≤ 0}. Die Orientierung von M bestimmt eine Orientierung oH von H und damit eine n n−1 Orientierung oR von Rn . Es gibt nun auf Rn−1 genau eine Orientierung oR , sodass die Identifikation Rn = R × Rn−1 orientierungsbewarend ist, wobei R mit der Standardorientierung88 versehen ist. Mit Hilfe der Karte ϕ|U ∩∂M : U ∩ ∼ n−1 = → Rn−1 erhalten wir aus oR eine Orientierung oU ∩∂M von U ∩ ∂M. Es ∂M − lässt sich leicht verifizieren, dass die davon induzierte lokale Orientierung o∂M ∈ x Hn−1 (∂M, ∂M \ {x}; Z2 ) nicht von der Wahl der Karte ϕ abhängt. Die lokalen ∂M Orientierungen o∂M . x , x ∈ ∂M, definieren daher eine Orientierung des Randes o V.10.32. Beispiel. Es sei M eine orientierte Mannigfaltigkeit. Wir versehen I × M mit der Produktorientierung, wobei I mit der Standardorientierung ausgestattet ist. Der Rand von I × M besteht aus zwei Kopien von M, genauer ∂(I × M) = M+ ⊔ M− , wobei M+ := {1} × M ∼ = M und M− := {0} × M ∼ = M. Die Orientierung von M liefert daher auch Orientierungen von M+ und M− . Es gilt nun ∂(I × M) = M+ ⊔ (−M− ), als orientierte Mannigfaltigkeiten. V.10.33. Korollar (Fundamentalklasse). Ist M eine orientierte kompakte n-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M, dann existiert eine eindeutige Klasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ Int(M) bildet der von der kanonischen Inklusion ιM x : (M, ∂M) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus ∼ (ιM x )∗ : Hn (M, ∂M) → Hn (M, M \ {x}) = Z 88Die Standardorientierung oR von R ist dadurch charakterisiert, dass die davon induzierte lokale Orientierung oR 0 ∈ H1 (R, R \ {0}) durch den Einhängungshomomorphismus δ : H1 (R, R \ {0}) → H0 (R \ {0}) = H0 (R+ ) ⊕ H0 (R− ) auf δ(oR 0 ) = 1R+ − 1R− abgebildet wird. V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 291 die Klasse [M] auf die lokale Orientierung oM x ∈ Hn (M, M \ {x}) ab. Diese Homologieklasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) wird die Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften: (i) f∗ ([M]) = [M ′ ] für jeden orientierungsbewahrenden Homöomorphismus kompakter orientierter n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, f : M → M ′ .89 (ii) [M1 ⊔ M2 ] = [M1 ] + [M2 ] für je zwei orientierte kompakte n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, M1 und M2 . (iii) [M × N] = [M] × [N] für je zwei orientierte kompakte Mannigfaltigkeit mit Rand der Dimension m bzw. n.90 (iv) [−M] = −[M]. (v) ρ∗ ([M]) = [M]Z2 wobei ρ∗ : Hn (M, ∂M) → Hn (M, ∂M; Z2 ) den von ρ : Z → Z2 induzierten Homomorphismus bezeichnet. (vi) δ([M]) = [∂M], wobei δ : Hn (M, ∂M) → Hn−1 (∂M) den Einhängungshomomorphismus bezeichnet.91 Beweis. Wir gehen genau wie im Beweis von Korollar V.10.28 vor. Es sei ϕ : ∂M × [0, 1) → M ein Kragen wie in Satz V.10.26. Für 0 < ε < 1 betrachte Aε := M \ ϕ(∂M × [0, ε)) ⊆ Int(M). Dies ist eine abgeschlossene Teilmenge von M, also kompakt. Nach Satz V.10.4 existiert genau eine Klasse in Hn (Int(M), Int(M)\Aε ) die für jedes x ∈ Aε die lokale Orientierung oM x ∈ Hn (Int(M), Int(M) \ {x}) induziert. Da die Inklusionen (M, ∂M) → M, ϕ(∂M × [0, ε)) ← Int(M), Int(M) \ Aε (V.111) beide Homotopieäquivalenzen sind folgt also, dass genau eine Klasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) existiert, die für jeden Punkt x ∈ Aε die lokale Orientierung oM x ∈ Hn (M, M \ {x}) induziert. Da ε belibig war, bleibt dies für jedes x ∈ Int(M) richtig. Die Eigenschaften (i) bis (v) lassen sich nun genau wie im Beweis von Korollar V.10.8 verifizieren. Es bleibt noch Behauptung (vi) zu zeigen. Versehen wir I = [0, 1] mit der Standardorientierung, dann gilt δ([I]) = 1{1} −1{0} ∈ H0 ({0, 1}). Aus (iii) und (V.81) folgt nun δ([I × ∂M]) = δ([I] × [∂M]) = δ([I]) × [∂M] = 1{1} × [∂M] − 1{0} × [∂M]. (V.112) Nach Satz V.10.26 existiert ein Homöomorphismus ∼ = →U ⊆M ψ : (−1, 1] × ∂M − 89Beachte, mit ψ|{1}×∂M = id∂M . dass so ein Homöomorphismus nach Satz IV.12.9 ∂M homöomorph auf ∂M ′ abbilden muss, und daher einen Isomorphismus f∗ : Hn (M, ∂M ) → Hn (M ′ , ∂M ′ ) induziert. 90Beachte, dass M × N eine topologische Mannigfaltigkeit mit Rand ∂(M × N ) = (∂M × N ) ∪ (M × ∂N ) ist. 91Beachte, dass ∂M eine geschlossene (n − 1)-Mannigfaltigkeit ist, die mit der von M induzierten Orientierung versehen ist. 292 V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN Setze A := M \ ψ (0, 1] × ∂M und betrachte das kommutative Diagramm: Hn (M, ∂M) Hn (M, ∂M ∪ A) o / ψ∗ ∼ = Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M) δ δ Hn−1 (∂M) (id,0) / Hn−1 (∂M ∪ A) o * Hn−1 (∂M) o ⊕ Hn−1 (A) δ ψ∗ ψ∗ Hn−1 (∂I × ∂M)) Hn−1 ({1} × ∂M) ⊕ Hn−1 ({0} × ∂M) Wie im Beweis von Korollar V.10.28 sehen wir, dass der obere rechte Pfeil ein Isomorphismus ist. Da ψ ein Orientierungsbewarender Homöomorphismus ist, wird die Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) durch die beiden oberen horizontalen Pfeile auf die Fundamentalklasse [I × ∂M] ∈ Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M) abgebildet. Nach (V.112) wird dies durch die rechten vertikalen Pfeile auf [∂M], ∗ in der unteren mittleren Gruppe abgebildet. Wegen der Kommutativität des Diagramms muss dies mit δ([M]), 0 übereinstimmen, es gilt daher δ([M]) = [∂M]. V.10.34. Korollar. Es sei W eine kompakte orientierte (n + 1)-Mannigfaltigkeit mit Rand und F : W → X stetig. Betrachte die geschlossene orientierte n-Mannigfaltigkeit M := ∂W und f := F |∂W : M → X. Dann gilt f∗ ([M]) = 0 ∈ Hn (X). Beweis. Der Beweis ist analog zu dem von Korollar V.10.30. Bezeichnet ι : M = ∂W → W die Inklusion, dh. f = F ◦ι, dann folgt aus Korollar V.10.33(iv) f∗ ([∂W ]) = F∗ ι∗ ([∂W ]) = F∗ ι∗ δ([W ]) = 0. Dabei haben wir im letzten Gleichδ ι∗ heitszeichen die Exaktheit von Hn+1 (W, ∂W ) − → Hn (∂W ) − → Hn (W ) verwendet. V.10.35. Bemerkung (Bordismeninvarianz). Es seien M1 und M2 zwei geschlossene orientierte n-Mannigfaltigkeiten. Zwei stetige Abbildungen f1 : M1 → X und f2 : M2 → X werden orientiert bordant genannt, falls eine kompakte orientierte (n + 1)-Mannigfaltigkeit W mit Rand ∂W = M2 ⊔ (−M1 ) sowie eine stetige Abbildung F : W → X existieren, sodass F |M1 = f1 und F |M2 = f2 . In dieser Situation folgt (f1 )∗ ([M1 ]) = (f2 )∗ ([M2 ]) ∈ Hn (X), siehe Korollar V.10.34 und Korollar V.10.33(ii)&(iv). Ist nun N = X eine zusammenhängende geschlossene n-Mannigfaltigkeit, so erhalten wir deg(f1 ) = deg(f2 ). Dies wird als Bordismeninvarianz des Abbildungsgrades bezeichnet und verallgemeinert dessen Homotopieinvarianz. Beachte, dass zwei homotope Abbildungen V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT 293 f1 ≃ f2 : M → X stets orientiert bordant sind, W = I × M mit der Produktorientierung und F : W → X eine Homotopie von f1 nach f2 , siehe Beispiel V.10.32. V.10.36. Korollar. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit mit Rand. (i) Ist M nicht kompakt, dann gilt Hn (M, ∂M; G) = 0 für jedes G. (ii) Ist M kompakt, dann bildet die Fundamentalklasse [M]Z2 eine Basis von Hn (M, ∂M; Z2 ) ∼ = Z2 . (iii) Ist M kompakt und orientiert, dann bildet die Fundamentalklasse [M] einen Erzeuger von Hn (M, ∂M) ∼ = Z. Weiters induziert [M] einen Erzeuger des R-Moduls Hn (M, ∂M; R) ∼ = R für jeden kommutativen Ring mit Eins. (iv) Ist M nicht orientierbar, dann gilt Hn (M, ∂M) = 0. Beweis. Betrachte wieder die abgeschlossenen Teilmengen Aε ⊆ Int(M) wie im Beweis von Korollar V.10.33. Nach Satz V.10.4 und wegen der Homotopieäquivalenzen (V.111) gilt ^ |A . (V.113) Hn (M, ∂M; G) ∼ = Γc Int(M) G ε Mit M ist auch jedes Aε wegzusammenhängend. Ist M nicht kompakt, dann existiert ε > 0, sodass Aε nicht kompakt ist, also verschwindet die rechte Seite von (V.113) und Behauptung (i) folgt. Sei nun M kompakt. Dann ist auch jedes Aε ^Z ∼ kompakt. Im Fall G = Z2 gilt Int(M) 2 = Int(M) × Z2 , aus (V.113) erhalten wir ∼ daher Hn (M, ∂M; Z2 ) = Z2 , womit Behauptung (ii) gezeigt ist. Ist M orientier^ ∼ ∼ bar, dann gilt Int(M) Z = Int(M) × Z, aus (V.113) folgt Hn (M, ∂M) = Z und damit Behauptung (iii). Um die letzte Behauptung (iv) einzusehen, nehmen wir ^ |A trivial Hn (M, ∂M) 6= 0 an. Aus (V.113) folgt, dass die Überlagerung Int(M) Z ε ^ eine triviale Überlagerung, denn Int(M) ≃ Aε , und ist, also ist auch Int(M) Z damit Int(M) orientierbar.