V. Homologie mit Koeffizienten Wir werden in diesem Kapitel jedem

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V. Homologie mit Koeffizienten
Wir werden in diesem Kapitel jedem topologischen Raum X singuläre Homologiegruppen H∗ (X; G) mit Koeffizienten in einer abelschen Gruppe G zuordnen. Dies verallgemeinert die singulären Homologiegruppen aus Kapitel IV, dh.
H∗ (X; Z) = H∗ (X). Wir betrachten dazu formale Linearkombinationen singulärer
Simplizes in X wobei wir nun aber Koeffizienten in G verwenden. Diese bilden
einen Kettenkomplex C∗ (X; G), und wir definieren dann H∗ (X; G) als dessen Homologie. In einfachen Fällen gilt H∗ (X; G) = H∗ (X) ⊗ G, i.A. stimmt dies aber
nicht. Das universelle Koeffiziententheorem, siehe Satz V.4.6 unten, ermöglicht
jedoch die Berechnung von H∗ (X; G) wenn H∗ (X) bekannt ist. Singuläre Homologie mit Koeffizienten in G liefert einen Funktor mit Eigenschaften die völlig
analog zu denen von H∗ (X) sind.
Formal werden wir den singulären Kettenkomplex mit Koeffizienten in G
durch C∗ (X; G) := C∗ (X)⊗G definieren. In Abschnitt V.1 stellen wir die benötigten Eigenschaften des Tensorprodukts abelscher Gruppen zusammen. Es stellt
sich heraus, dass kurze exakte Sequenzen nach Tensorieren mit einer fixen abelschen Gruppe zu nicht exakten Sequenzen werden können, dh. Azyklizität eines
Kettenkomplexes kann verloren gehen. In Abschnitt V.2 werden wir dieses Phänomen genauer untersuchen. Dies führt zum Torsionsprodukt abelscher Gruppen
und schließlich zur algebraischen Version des universellen Koeffiziententheorems,
siehe Satz V.3.3 unten. Dieses ermöglicht die Berechnung von H∗ (C ⊗ G) aus
H∗ (C), für jeden freien Kettenkomplex C∗ und jede abelsche Gruppe G. Das
oben erwähnte universelle Koeffiziententheorem für topologische Räume ist eine
unmittelbare Konsequenz dieses algebraischen Resultats.
Anschließend werden wir die Homologie eines Produktes X × Y untersuchen.
Zunächst ist der singuläre Kettenkomplex des Produkts homotopieäquivalent
zum Tensorprodukt der Kettenkomplexe der beiden Faktoren, die sogenannte
Eilenberg–Zilber Äquivalenz liefert eine natürliche Kettenhomotopieäquivalenz
C∗ (X × Y ) ≃ C∗ (X) ⊗ C∗ (Y ). Dies reduziert die Berechnung von H∗ (X × Y ) auf
das algebraische Problem der Berechnung der Homologie eines Tensorprodukts
von Kettenkomplexen. Letzteres wird vom Künneth Theorem beantwortet, das
als Verallgemeinerung des universellen Koeffiziententheorems verstanden werden
kann. In einfachen Fällen erhalten wir H∗ (X × Y ) = H∗ (X) ⊗ H∗ (Y ), i.A. ist die
Situation jedoch komplizierter.
All dies wird in den meisten Lehrbüchern über Homologietheorie behandelt,
siehe etwa [2, 4, 12, 15, 18, 20]. Weiterführendes zur Homologischen Algebra
findet sich in [6].
V.1. Tensorprodukt abelscher Gruppen. Unter einem Tensorprodukt
zweier abelscher Gruppen A und B verstehen wir eine abelsche Gruppe A ⊗ B
zusammen mit einer bilinearen Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗ B, (a, b) 7→ a ⊗ b,
die folgende universelle Eigenschaft besitzt. Ist C eine weitere abelsche Gruppe
und ϕ : A × B → C bilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus ϕ̃ :
185
186
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
A ⊗ B → C mit ϕ = ϕ̃ ◦ ⊗, dh. ϕ(a, b) = ϕ̃(a ⊗ b) für alle a ∈ A und b ∈ B.
Das Tensorprodukt abelscher Gruppen ist durch diese universelle Eigenschaft
˜ eine
bis auf kanonischen Isomorphismus eindeutig bestimmt. Genauer, ist A⊗B
˜
˜
weiter abelsche Gruppe und ⊗ : A × B → A⊗B eine weitere bilineare Abbildung
mit obiger universellen Eigenschaft, dann existiert genau ein Isomorphismus ϕ :
∼
=
˜ mit ϕ ◦ ⊗ = ⊗.
˜ 45 Wir sprechen daher von dem Tensorprodukt
A⊗B −
→ A⊗B
abelscher Gruppen. Die folgende Proposition stellt deren Existenz sicher.
V.1.1. Proposition. Sind A und B zwei abelsche Gruppen, dann existiert
eine abelsche Gruppe A ⊗ B und eine bilineare Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗ B
mit folgender universellen Eigenschaft: Ist C eine weitere abelsche Gruppe und
ist ϕ : A × B → C bilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus abelscher
Gruppen ϕ̃ : A ⊗ B → C mit ϕ = ϕ̃ ◦ ⊗.
Beweis. Es bezeichne F die von der Menge A × B erzeugte freie abelsche
Gruppe. Weiters bezeichne R ⊆ F die von Elementen der Form
(a1 + a2 , b) − (a1 , b) − (a2 , b)
und
(a, b1 + b2 ) − (a, b1 ) − (a, b2 )
erzeugte Untergruppe, a, ai ∈ A, b, bi ∈ B. Betrachte nun die Quotientengruppe
A ⊗ B := F/R und definiere eine Abbildung
⊗
A×B −
→ A ⊗ B = F/R,
(a, b) 7→ a ⊗ b := [(a, b)].
Nach Definition von R ist dies eine bilineare Abbildung. Für die Verifikation der
universellen Eigenschaft sei nun C eine weitere abelsche Gruppe und ϕ : A×B →
C bilinear. Nach Konstruktion von F existiert genau ein Homomorphismus ϕ′ :
F → C, sodass ϕ′ (a, b) = ϕ(a, b), für alle (a, b) ∈ A × B. Aus der Bilinerität von
ϕ folgt ϕ′ |R = 0, also faktorisiert ϕ′ zu einem Homomorphimus ϕ̃ : A ⊗ B → C.
Nach Konstruktion gilt ϕ(a, b) = ϕ̃(a⊗b). Da A⊗B von Elementen der Form a⊗b
erzeugt wird, kann es höchstens einen solchen Homomorphismus ϕ̃ geben. Damit
ist auch die Eindeutigkeitsaussage in der universellen Eigenschaft gezeigt.
V.1.2. Bemerkung. Das Tensorprodukt A ⊗ B wird von {a ⊗ b : a ∈ A, b ∈
B} erzeugt, dh. jedes Element in A ⊗ B lässt sich in der Form n1 (a1 ⊗ b1 ) + · · · +
nk (ak ⊗ bk ) schreiben, wobei ni ∈ Z, ai ∈ A und bi ∈ B. Dies folgt sofort aus der
Beobachtung, dass auch die von {a ⊗ b : a ∈ A, b ∈ B} erzeugte Untergruppe in
A ⊗ B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts hat.
V.1.3. Bemerkung. Es gilt A ⊗ B = B ⊗ A, für je zwei abelsche Gruppen A
∼
=
→ B ⊗ A,
und B. Etwas präziser, es gibt genau einen Isomorphismus ϕ : A ⊗ B −
sodass ϕ(a⊗b) = b⊗a, für alle a ∈ A und b ∈ B. Dies folgt aus der Beobachtung,
45Aus der universellen Eigenschaft von A⊗ B folgt, dass ein Homomorphismus ϕ : A⊗ B →
˜
˜ existiert. Ebenso folgt aus der universellen Eigenschaft von A⊗B,
˜
A⊗B mit ϕ ◦ ⊗ = ⊗
dass ein
˜ → A ⊗ B mit ψ ◦ ⊗
˜ = ⊗ existiert. Aus der Eindeutigkeitsaussage
Homomorphismus ψ : A⊗B
in der universellen Eigenschaft erhalten wir ψ ◦ ϕ = idA⊗B sowie ϕ ◦ ψ = idA⊗B
˜ . Also ist ϕ ein
Isomorphismus mit Inversem ψ.
V.1. TENSORPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
flip
187
⊗
dass B × A −→ A × B −
→ A ⊗ B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts
B ⊗ A hat.
V.1.4. Bemerkung. Es gilt (A ⊗ B) ⊗ C = A ⊗ (B ⊗ C), für je drei abelsche
Gruppen A, B und C. Etwas präziser, es gibt genau einen Isomorphismus ϕ :
∼
=
→ A ⊗ (B ⊗ C), sodass ϕ((a ⊗ b) ⊗ c) = a ⊗ (b ⊗ c), für alle a ∈ A,
(A ⊗ B) ⊗ C −
b ∈ B und c ∈ C. Wir betrachten dazu die trilineare Abbildung
A × B × C → (A ⊗ B) ⊗ C,
(a, b, c) 7→ (a ⊗ b) ⊗ c.
Aus der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts folgt, dass diese trilineare Abbildung folgende universelle Eigenschaft hat. Ist D eine weitere abelsche
Gruppe und ist τ : A × B × C → D trilinear, dann existiert genau ein Homomorphismus τ̃ : (A ⊗ B) ⊗ C → D mit τ̃ ((a ⊗ b) ⊗ c) = τ̃ (a, b, c). Da auch die
trilineare Abbildung
A × B × C → A ⊗ (B ⊗ C),
(a, b, c) 7→ a ⊗ (b ⊗ c)
diese universelle Eigenschaft besitzt, folgt nun die Existenz und Eindeutigkeit
∼
=
→ A ⊗ (B ⊗ C) wie oben.
eines Isomorphismus ϕ : (A ⊗ B) ⊗ C −
V.1.5. Bemerkung. Es gilt A⊗Z = A, für jede abelsche Gruppe A. Genauer,
∼
=
→ A ⊗ Z, ϕ(a) := a ⊗ 1 ist ein Isomorphismus, denn
der Homomorphismus ϕ : A −
die bilineare Abbildung A×Z → A, (a, n) 7→ na, definiert einen Homomorphismus
ψ : A ⊗ Z → A mit ψ(a ⊗ n) = na woraus sofort ϕ ◦ ψ = idA⊗Z und ψ ◦ ϕ = idA
folgt, vgl. Bemerkung V.1.2.
V.1.6. Bemerkung. Es gilt A ⊗ Zm = A/mA. Genauer, der Homomorphismus ϕ̃ : A → A ⊗ Zm , ϕ̃(a) := a ⊗ 1, faktorisiert zu einem Isomorphismus
∼
=
→ A⊗Zm . Die bilineare Abbildung A×Zm → A/mA, (a, [k]) 7→ [ma],
ϕ : A/mA −
liefert einen Homomorphismus ψ : A ⊗ Zm → A/mA, der invers zu ϕ ist. Inbesondere haben wir
Q ⊗ Zm = 0, R ⊗ Zm = 0, und Zn ⊗ Zm ∼
= Zggt(n,m) ,
wobei ggt(n, m) den gößten gemeinsamen Teiler von n und m bezeichnet. Die letzte Behauptung lässt sich wie folgt einsehen. Zunächst liefert die Komposition der
kanonischen Projektionen Z → Zn → Zn /mZn einen surjektiven Homomorphismus dessen Kern mit der von n und m erzeugten Untergruppe hn, mi ⊆ Z übereinstimmt. Da diese Untergruppe von d := ggt(n, m) erzeugt wird gilt hn, mi = dZ,
und wir erhalten Zn ⊗ Zm ∼
= Z/hn, mi = Z/dZ = Zd .
= Zn /mZn ∼
V.1.7. Bemerkung. Sind ϕ1 : A1 → B1 und ϕ2 : A2 → B2 zwei Homomorphismen, dann existiert genau ein Homomorphismus ϕ1 ⊗ϕ2 : A1 ⊗A2 → B1 ⊗B2 ,
sodass (ϕ1 ⊗ ϕ2 )(a1 ⊗ a2 ) = ϕ1 (a1 ) ⊗ ϕ2 (a2 ), für alle a1 ∈ A1 und a2 ∈ A2 . Dies
⊗
folgt aus der universellen Eigenschaft des Tensorprodukts A1 × A2 −
→ A1 ⊗ A2
ϕ1 ×ϕ2
⊗
→ B1 ⊗ B2 . Sind
angewandt auf die bilineare Abbildung A1 × A2 −−−−→ B1 × B2 −
188
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
ψ1 : B1 → C1 und ψ2 : B2 → C2 zwei weitere Homomorphismen, dann gilt offensichtlich (ψ1 ⊗ ψ2 ) ◦ (ϕ1 ⊗ ϕ2 ) = (ψ1 ◦ ϕ1 ) ⊗ (ψ2 ◦ ϕ2 ), sowie idA1 ⊗ idA2 = idA1 ⊗A2 .
Das Tensorprodukt definiert daher einen Funktor ⊗ : aGrp × aGrp → aGrp,
vgl. Beispiel III.1.14.
V.1.8. Bemerkung. Ist B eine fixe abelsche Gruppe, dann definiert das Tensorprodukt mit B einen Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp. Dabei wird einem Homomorphismus ϕ : A1 → A2 der Homomorphismus ϕ ⊗ idB : A1 ⊗ B → A2 ⊗ B
zugeordnet. Aus Bemerkung V.1.7 folgt, dass dies tatsächlich funktoriell ist, dh.
für jeden weiteren Homomorphismus ψ : A2 → A3 gilt (ψ ⊗ idB ) ◦ (ϕ ⊗ idB ) =
(ψ ◦ ϕ) ⊗ idB : A1 ⊗ B → A3 ⊗ B. Ebenso erhalten wir für jede fixe abelsche
Gruppe A einen Funktor A ⊗ − : aGrp → aGrp.
V.1.9. Bemerkung. Der Tensorproduktfunktor ist additiv in folgendem Sinn.
Sind ϕ1 , ϕ2 : A → A′ und ψ : B → B ′ Homomorphismen abelscher Gruppen,
dann gilt (ϕ1 + ϕ2 ) ⊗ ψ = ϕ1 ⊗ ψ + ϕ2 ⊗ ψ : A ⊗ B → A′ ⊗ B ′ . Ebenso gilt
ϕ ⊗ (ψ1 + ψ2 ) = ϕ ⊗ ψ1 + ϕ ⊗ ψ2 für Homomorphismen ϕ : A → A′ und ψ1 , ψ2 :
B → B′.
V.1.10. Bemerkung. Es gilt (A1 ⊕A2 ) ⊗B = (A1 ⊗B) ⊕(A1 ⊗B), für je drei
abelsche Gruppen A1 , A2 und B. Die kanonischen Inklusionen ιi : Ai → A1 ⊕ A2
liefern Homomorphismen ιi ⊗ idB : Ai ⊗ B → (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B, i = 1, 2, siehe
Bemerkung V.1.8, und diese bestimmen einen Homomorphismus
ϕ : (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B) → (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B.
Die bilineare Abbildung (A1 ⊕ A2 ) × B → (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B), ((a1 , a2 ), b) 7→
(a1 ⊗ b, a2 ⊗ b) induziert einen Homomorphismus
ψ : (A1 ⊕ A2 ) ⊗ B → (A1 ⊗ B) ⊕ (A2 ⊗ B).
Es lässt sich leicht verifizieren, dass ψ invers zu ϕ ist. Daher ist ϕ ein Isomorphismus, der einzige Isomorphismus für den ϕ(a1 ⊗ b, a2 ⊗ b) = (a1 , a2 ) ⊗ b gilt,
ai ∈ Ai , b ∈ B. Eine einfache Verallgemeinerung dieses Arguments, zeigt
L
L
(V.1)
λ∈Λ Aλ ⊗ B =
λ∈Λ (Aλ ⊗ B).
für abelsche Gruppen B und Aλ , λ ∈ Λ. Der Funktor aus Bemerkung V.1.8 vetauscht daher mit Koprodukten. Inbesondere ist das Tensorprodukt freier abelscher Gruppen wieder frei abelsch, etwa gilt Zn ⊗ Zm ∼
= Znm .
V.1.11. Bemerkung. Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche
Gruppen, siehe Satz IV.4.15, ist jede endlich erzeugte abelsche Gruppe zu einer
Gruppe der Form Zn ⊕Zn1 ⊕· · ·⊕Znk isomorph. Mit obigen Bemerkungen können
wir also das Tensorprodukt von endlich erzeugten abelscher Gruppen berechnen,
siehe (V.1) sowie die Bemerkungen V.1.3, V.1.6 und V.1.5.
V.1.12. Bemerkung. Es gilt Hom(A ⊗ B, C) = Hom(A, Hom(B, C)), für
je drei abelsche Gruppen A, B und C. Dies folgt aus der universellen Eigenschaft, denn die abelsche Gruppe der bilinearen Abbildungen A × B → C kann
V.1. TENSORPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
189
in natürlicher Weise mit Hom(A, Hom(B, C)) identifiziert werden. Der Funktor
− ⊗ B : aGrp → aGrp ist daher linjksadjungiert zum Funktor Hom(B, −) :
aGrp → aGrp, vgl. die Beispiele III.3.5 und III.3.6.
ϕ1
ϕ2
V.1.13. Proposition. Ist A1 −→ A2 −→ A3 → 0 eine exakte Sequenz abelscher Gruppen, und B eine weitere abelsche Gruppe, dann ist auch
ϕ1 ⊗id
ϕ2 ⊗id
B
B
A1 ⊗ B −−−−→
A2 ⊗ B −−−−→
A3 ⊗ B → 0
eine exakte Sequenz.46
ϕ2 ⊗idB
Beweis. Zunächst ist A2 ⊗B −−−−→ A3 ⊗B surjektiv, denn A3 ⊗B wird von
Elementen der Form a3 ⊗ b erzeugt, siehe Bemerkung V.1.2, und diese Elemente
liegen im Bild von ϕ2 ⊗ idB , denn ϕ2 und idB sind beide surjektiv. Weiters gilt
offensichtlich img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊆ ker(ϕ2 ⊗ idB ), denn (ϕ2 ⊗ idB ) ◦ (ϕ1 ⊗ idB ) =
(ϕ2 ◦ ϕ1 ) ⊗ idB = 0 ⊗ idB = 0, siehe Bemerkung V.1.8. Es bleibt daher noch
img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊇ ker(ϕ2 ⊗ idB ) zu zeigen. Betrachte dazu die bilineare Abbildung
ψ(a3 , b) := [ϕ−1
2 (a3 ) ⊗ b].
ψ : A3 × B → A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ),
Beachte, dass dies wohldefiniert ist, denn img(ϕ1 ) ⊇ ker(ϕ2 ). Wir erhalten daher
einen Homomorphismus ψ̃ : A3 ⊗ B → A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ), der offensichtlich
ϕ2 ⊗id
B
linksinvers zu A2 ⊗ B/ img(ϕ1 ⊗ idB ) −−−−→
A3 ⊗ B ist. Damit ist letzterer
injektiv, also img(ϕ1 ⊗ idB ) ⊇ ker(ϕ2 ⊗ idB ).
ι
π
V.1.14. Bemerkung. Ist 0 → A1 −
→ A2 −
→ A3 → 0 eine kurze exakte Sequenz
abelscher Gruppen, dann wird die Sequenz
ι⊗id
π⊗id
B
B
0 → A1 ⊗ B −−−→
A2 ⊗ B −−−→
A3 ⊗ B → 0
i.A. bei A1 ⊗ B nicht exakt sein. Tensorieren wir etwa die kurze exakte Sequenz
2
0
1
0→Z−
→ Z → Z2 → 0 mit B = Z2 , so erhalten wir 0 → Z2 −
→ Z2 −
→ Z2 → 0,
und dies ist keine exakte Sequenz. Wir werden dieses Phänomen im nächsten
Abschitt systematisch studieren.
ι
π
V.1.15. Bemerkung. Ist 0 → A1 −
→ A2 −
→ A3 → 0 eine splittende kurze
exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann ist auch
ι⊗id
π⊗id
B
B
0 → A1 ⊗ B −−−→
A2 ⊗ B −−−→
A3 ⊗ B → 0
(V.2)
eine splittende kurze exakte Sequenz. Ist nämlich ρ : A2 → A1 ein Splitt der
ersten Sequenz, ρ ◦ ι = idA1 , dann folgt (ρ ⊗ idB ) ◦ (ι ⊗ idB ) = idA1 ⊗B , also
ist ι ⊗ idB injektiv und (V.2) daher exakt, siehe Proposition V.1.13. Aus obiger
Realtion folgt nun auch, dass ρ ⊗ idB ein Splitt von (V.2) ist.
V.1.16. Definition (Flache abelsche Gruppe). Eine ablesche Gruppe B heißt
flach falls für jeden injektiven Homomorphismus ϕ : A1 → A2 auch ϕ ⊗ idB :
A1 ⊗ B → A2 ⊗ B injektiv ist.
46Wir
sagen daher der Funktor − ⊗ B : aGrp → aGrp ist rechtsexakt.
190
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
ι
π
V.1.17. Bemerkung. Ist 0 → A1 −
→ A2 −
→ A3 → 0 eine kurze exakte Sequenz
und B eine flache abelsche Gruppe, dann ist auch
ι⊗id
π⊗id
B
B
0 → A1 ⊗ B −−−→
A2 ⊗ B −−−→
A3 ⊗ B → 0
eine kurze exakte Sequenz, siehe Proposition V.1.13. Die flachen abelschen Gruppen sind also genau jene abelschen Gruppen B für die der Funktor − ⊗ B :
aGrp → aGrp exakt ist, dh. kurze exakte Sequenzen auf kurze exakte Sequenzen abbildet.
V.1.18. Beispiel. Die abelsche Gruppe Z ist flach, siehe
L Bemerkung V.1.5.
Sind Bλ , λ ∈ Λ, flache abelsche Gruppen, dann ist auch
λ∈Λ Bλ flach, siehe
Bemerkung V.1.10. Insbesonder sind freie abelsche Gruppen flach.
V.1.19. Bemerkung. Ist B flach, dann ist B torsionsfrei, dh. Btor = 0, siehe
Abschnitt IV.4. Um dies einzusehen sei 0 6= m ∈ Z. Tensorieren wir den injektiven
m
Homomorphismus Z −
→ Z mit B, so erhalten wir wegen der Flachheit von B einen
m⊗idB
injektiven Homomorphismus Z ⊗ B −−−−→
Z ⊗ B. Bis auf den Isomorphismus
m
Z ⊗ B = B, siehe Bemerkung V.1.5, stimmt dieser mit B −
→ B überein. Da
dies für jedes m 6= 0 injektiv ist, folgt Btor = 0. Wir werden weiter später sehen,
dass eine abelsche Grupp genau dann flach ist, wenn sie torsionsfrei ist, siehe
Proposition V.2.19 unten.
V.1.20. Bemerkung. Ist A eine abellsche Gruppe und R ein kommutativer
Ring mit Eins, dann ist A ⊗ R in kanonischer Weise eine R-Modul.47 Genauer,
definieren wir die Multiplikation durch
R × (A ⊗ R) → A ⊗ R,
r(a ⊗ s) := a ⊗ (rs),
r, s ∈ R, a ∈ A.
Dies ist tatsächlich wohldefiert, denn (r, a, s) 7→ a ⊗ (rs) ist offensichtlich eine
trilineare Abbildung R × A × R → A ⊗ R. Auch die Modulaxiome lassen sich
sofort verifizieren. Für jeden Gruppenhomomorphismus ϕ : A → A′ ist ϕ ⊗ idR :
A ⊗ R → A′ ⊗ R, siehe Bemerkung V.1.7, R-linear.48 Für jeden kommutativen
47Der
Begriff des Moduls über einem Ring bildet eine naheliegende Verallgemeinerung des
Konzepts eines Vektorraums über einem Körper. Genauer, unter einem R-Modul verstehen wir
eine abelsche Gruppe M zusammen mit einer bilinearen Abbildung R × M → M , (r, m) 7→
r · m = rm, sodass r1 (r2 m) = (r1 r2 )m für alle r1 , r2 ∈ R und m ∈ M gilt. Besitzt R eine Eins
so verlangen wir weiters 1m = m für m ∈ M . Wir werden uns in diesem Kapitel ausschließlich
mit Moduln über einem kommutativen Ring mit Eins befassen, für nicht kommutative Ringe
muss zwischen Links- und Rechtsmoduln unterschieden werden. Ein Z-Modul ist dasselbe wie
eine abelsche Gruppe.
48Ein Homomorphismus abelscher Gruppen ψ : M → M ′ zwischen R-Moduln M und M ′
wird R-linear genannt, falls ψ(rm) = rψ(m) für alle r ∈ R und m ∈ M gilt. Dies verallgemeinert in offensichtlicher Weise den Begriff der linearen Abbildung zwischen Vektorräumen. Die
Moduln über einem fixen Ring R zusammen mit den R-linearen Abbildungen bilden in natürlicher Weise eine Kategorie, die wir mit ModR bezeichnen werden. Für jeden Körper R = K
gilt ModK = VspK . Weiters gilt ModZ = aGrp, denn jeder Homomorphismus abelscher
Gruppen ist Z-linear.
V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
191
Ring mit Eins erhalten wir daher einen Funktor − ⊗ R : aGrp → ModR von der
Kategorie der abelschen Gruppen in die Kategorie der R-Moduln. Insbesondere
liefert jeder Körper K einen Funktor − ⊗ K : aGrp → VspK in die Kategorie
der Vektorräume über K.
V.2. Torsionsprodukt abelscher Gruppen. Wir werden in diesem Abschnitt die Nicht-Exaktheit des Tensorproduktfunktors genauer untersuchen, siehe Bemerkung V.1.14 oben. Dies führt zum Torsionsprodukt abelscher Gruppen
und schließlich zum universellen Koeffizienten Theorem, siehe Satz V.3.3 unten.
V.2.1. Definition. Unter einer freien Auflösung einer abelschen Gruppe A
verstehen wir eine exakte Sequenz
ϕ0
ϕ1
ϕ2
ϕ3
0 ← A ←− F0 ←− F1 ←− F2 ←− F3 ← · · ·
in der jedes Fi eine freie abelsche Gruppe ist.
V.2.2. Bemerkung. Jede abelsche Gruppe A besitzt eine freie Auflösung der
Form 0 ← A ← F0 ← F1 ← 0, siehe Korollar IV.4.13. An dieser Stelle geht ein,
dass Z ein Hauptidealring ist.
V.2.3. Lemma. Es seien A und A′ zwei abelsche Gruppen. Weiters seien
ϕ0
ϕ1
0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · ·
ϕ′
ϕ′
1
0
F1′ ← · · ·
0 ← A′ ←−
F0′ ←−
und
zwei freie Auflösungen von A bzw. A′ . Dann gilt:
(i) Jeder Homomorphismus α : A → A′ lässt sich zu einer Kettenabbildung
ausdehnen, dh. es existieren Homomorphismen αi : Fi → Fi′ die das
folgende Diagramm kommutativ machen:
0o
Ao
ϕ0
F0 o
0o
A′ o
F1 o
α0
α
ϕ1
ϕ′0
F0′ o
ϕ2
F2 o
α1
ϕ′1
F1′ o
···
α2
ϕ′2
F2′ o
···
(ii) Je zwei Ausdehnungen von α : A → A′ wie in (i) sind kettenhomotop.
Beweis. Ad (i): Wir gehen induktiv vor und nehmen an α0 , . . . , αk sind schon
konstruiert. Es sei bi eine Basis von Fk+1 . Wegen ϕ′k αk ϕk+1 = αk−1 ϕk ϕk+1 = 0
′
mit ϕ′k+1 (b′i ) =
gilt img(αk ϕk+1) ⊆ ker ϕ′k = img ϕ′k+1. Daher finden wir b′i ∈ Fk+1
′
αk (ϕk+1(bi )). Definiere nun einen Homomorphismus αk+1 : Fk+1 → Fk+1
auf
′
′
′
′
Basiselementen durch αk+1 (bi ) := bi . Dann folgt ϕk+1(αk+1 (bi )) = ϕk+1 (bi ) =
αk (ϕk+1(bi )), und daher ϕ′k+1 ◦ αk+1 = αk ◦ ϕk+1 . Damit ist der Induktionsschritt
gezeigt und (i) bewiesen.
Nun zu (ii): Seien also αi , βi : Fi → Fi′ zwei Ausdehnungen von α : A → A′
wie in (i). Es sind Homomorphismen hi : Fi−1 → Fi′ zu konstruieren, für die
192
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
βi −αi = hi−1 ϕi +ϕ′i+1hi gilt. Wir gehen induktiv vor und nehmen an h0 , . . . , hk−1
wären schon konstruiert, für h−1 : A → F0′ verwenden wir h−1 := 0.
ϕk−1
ϕk+1
ϕk
Fk−2 oO
Fk−1 No
Fk+1
Fk oN
OOO
NN
NNN
h
OOhOk−2
Nh
N kN β
α
OOO βk−1 αk−1 NNNk−1
βk−2 αk−2
NNN βk αk
N Nk−1 k−1
O
O
′
O'
N
′
&
N
ϕ′k−1
ϕ
ϕk
& ′
k+1
′
′
′
o
o
Fk−2
Fk−1
Fk+1
Fk o
Nach Induktionsvoraussetung gilt βk−1 − αk−1 = hk−2 ϕk−1 + ϕ′k hk−1 woraus wir
sofort
ϕ′k βk − αk − hk−1 ϕk = βk−1 − αk−1 − ϕ′k hk−1 ϕk = hk−2 ϕk−1ϕk = 0
erhalten. Wir schließen img βk −αk −hk−1 ϕk ⊆ ker ϕ′k = img ϕ′k+1 . Ist nun bi eine
Basis von Fk , so existieren also b′i ∈ Fk+1 mit ϕ′k+1 (b′i ) = (βk − αk − hk−1 ϕk )(bi ).
′
Wir definieren einen Homomorphismus hk : Fk → Fk+1
auf Basiselementen durch
′
′
hk (bi ) := bi . Es folgt dann ϕk+1 (hk (bi )) = (βk − αk − hk−1 ϕk )(bi ) und daher die
gewünschte Relation ϕ′k+1 ◦hk = βk −αk −hk−1 ϕk . Damit ist der Induktionsschritt
gezeigt und (ii) bewiesen.
ϕ0
ϕ1
Es sei nun F : 0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · · eine freie Auflösung von A. Durch
Tensorieren mit einer abelschen Gruppe B erhalten wir einen Kettenkomplex
ϕ1 ⊗id
ϕ2 ⊗id
B
B
0 ← F0 ⊗ B ←−−−−
F1 ⊗ B ←−−−−
F2 ⊗ B ← · · ·
denn (ϕk ⊗ idB ) ◦ (ϕk+1 ⊗ idB ) = (ϕk ◦ ϕk+1 ) ⊗ idB = 0. Wir bezeichnen diesen
Kettenkomplex mit F ⊗ B und seine Homologie mit H∗ (F ⊗ B), dh.
Hk (F ⊗ B) := ker(ϕk ⊗ idB )/ img(ϕk+1 ⊗ idB ).
ϕ′
ϕ′
1
0
F1′ ← · · ·
Sei nun α : A → A′ ein Homomorphismus und F ′ : 0 ← A′ ←−
F0′ ←−
′
′
eine freie Auflösung von A . Weiters sei αk : Fk → Fk eine Ausdehnung von α wie
in Lemma V.2.3(i). Tensorieren mit B liefert eine Kettenabbildung
0o
F0 ⊗ B o
ϕ1 ⊗idB
F1 ⊗ B o
α0 ⊗idB
0o
F0′ ⊗ B o
ϕ2 ⊗idB
F2 ⊗ B o
α1 ⊗idB
ϕ′1 ⊗idB
F1′ ⊗ B o
···
α2 ⊗idB
ϕ′2 ⊗idB
F2′ ⊗ B o
···
und diese induziert einen Homomorphismus der Homologiegruppen den wir mit
α∗ : H∗ (F ⊗ B) → H∗ (F ′ ⊗ B) bezeichnen. Nach Lemma V.2.3(ii) ist dieser
Homomorphismus unabhängig von der Wahl der Ausdehnung. Ist α′ : A′ → A′′
ein weiterer Homomorphismus und F ′′ eine freie Auflösung von A′′ dann gilt
offensichtlich
(α′ ◦ α)∗ = α∗′ ◦ α∗ : H∗ (F ⊗ B) → H∗ (F ′′ ⊗ B)
(V.3)
sowie (idA )∗ = idH∗ (F⊗B) . Wenden wir dies auf idA : A → A an so erhalten wir
V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
193
V.2.4. Lemma. Sind F und F ′ zwei freie Auflösungen einer abelschen Gruppe A, und ist B eine weitere abelsche Gruppe, dann existiert ein kanonischer
Isomorphismus H∗ (F ⊗ B) = H∗ (F ′ ⊗ B).
Die Homologie H∗ (F ⊗ B) ist daher, bis auf kanonischen Isomorphismus,
unabhängig von der Wahl der freien Auflösung. Für zwei abelsche Gruppen A
und B definieren wir daher
Torn (A, B) := Hn (F ⊗ B),
wobei F eine freie Auflösung von A ist, siehe Bemerkung V.2.2.
V.2.5. Bemerkung. Für eine fixe abelsche Gruppe B erhalten wir Funktoren
Torn (−, B) : aGrp → aGrp, siehe (V.3).
V.2.6. Bemerkung. Für eine fixe abelsche Gruppe A erhalten wir aber auch
Funktoren Torn (A, −) : aGrp → aGrp. Ist nämlich β : B → B ′ ein Homomorphismus und F eine freie Auflösung von A, so erhalten wir durch Tensorieren
mit β eine Kettenabbildung idF ⊗β : F ⊗ B → F ⊗ B ′ , und diese induziert
Homomorphismen β∗ : Hn (F ⊗ B) → Hn (F ⊗ B ′ ). Eine einfache Überlegung
zeigt, dass dies tatsächlich funktoriell ist, dh. für jeden weiteren Homomorphismus β ′ : B ′ → B ′′ gilt (β ′ ◦ β)∗ = β∗′ ◦ β∗ : Torn (A, B) → Torn (A, B ′′ ) sowie (idB )∗ = idTorn (A,B) . Ist α : A → A′ ein Homomorphismus, dann gilt sogar
α∗ ◦β∗ = β∗ ◦α∗ : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ), siehe Bemerkung V.2.5. Wir können
daher Torn : aGrp × aGrp → aGrp als Funktor auffassen, und schreiben auch
Torn (α, β) : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ) für den induzierten Homomorphismus.
V.2.7. Bemerkung. Der Funktor Torn ist additiv, dh. sind α, α′ : A → A′
und β : B → B ′ Homomorphismen abelscher Gruppen, dann gilt
Torn (α + α′ , β) = Torn (α, β) + Torn (α′ , β) : Torn (A, B) → Torn (A′ , B ′ ).
Dies folgt aus Bemerkung V.1.9 und der Beobachtung, dass die Summe zweier
Ausdehnungen von α und α′ wie in Lemma V.2.3(i) offensichtlich eine Ausdehnung von α + α′ ist, siehe aber auch Proposition IV.1.2. Ebenso haben wir auch
Torn (α, β + β ′ ) = Torn (α, β) + Torn (α, β ′ ) für Homomorphismen α : A → A′ und
β, β ′ : B → B ′ .
V.2.8. Bemerkung. Es gilt Tor0 (A, B) = A ⊗ B, siehe Proposition V.1.13.
Weiters haben wir Torn (A, B) = 0, für n ≥ 2, siehe Bemerkung V.2.2. Es ist
daher nur Tor1 (A, B) interessant.49
V.2.9. Definition (Torsionsprodukt). Sind A und B abelsche Gruppen, dann
wird Tor(A, B) := Tor1 (A, B) das Torsionsprodukt von A und B genannt. Dies
ist ein additiver Funktor Tor : aGrp × aGrp → aGrp.
49Obige
Überlegungen lassen sich in offensichtlicherweise auf Moduln über einem kommutativen Ring R verallgemeinern. Ist R kein Hauptidealring, dann ist Torn i.A. auch für n ≥ 2
nicht-trivial.
194
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
i
V.2.10. Bemerkung. Ist 0 → R −
→ F → A → 0 exakt und F frei abelsch,
dann gilt
i⊗idB
Tor(A, B) = ker R ⊗ B −−−→
F ⊗B .
Dies folgt sofort aus der Definition des Torsionsproduktes und der (nicht-trivialen)
Tatsache, dass auch R eine freie abelsche Gruppe sein muss, siehe Satz IV.4.12.
V.2.11. Beispiel. Ist B flach, so gilt Tor(A, B) = 0, siehe Bemerkung V.1.17
und Bemerkung V.2.2. Insbesondere ist Tor(A, F ) = 0, für jede freie abelsche
Gruppe F , siehe Bemerkung V.1.18.
V.2.12. Beispiel. Ist F frei abelsch, dann gilt Tor(F, B) = 0. In diesem Fall
idF
haben wir nämlich eine freie Auflösung 0 ← F ←−−
F ← 0.
n
V.2.13. Beispiel. Es gilt Tor(Zn , B) = ker(B −
→ B) = {b ∈ B : nb = 0}.
n
Betrachte dazu die freie Auflösung 0 ← Zn ← Z ←
− Z ← 0 von Zn . Tensorieren
wir diese mit B und verwenden Bemerkung V.1.5 so erhalten wir sofort obige
Behauptung, siehe auch Bemerkung V.2.10. Insbesondere erhalten wir
Btor = 0
⇔
Tor(Zp , B) = 0 für alle Primzahlen p.
(V.4)
n
Für B = Zm folgt Tor(Zn , Zm ) = ker(Zm −
→ Zm ) und daher
Tor(Zn , Zm ) ∼
= Zggt(n,m) .
(V.5)
a
Sei dazu d := ggt(n, m) und a ∈ Z mit ad = m. Dann ist Zd −
→ Zm , [k] 7→ [ak], ein
a
n
injektiver Homomorphismus, es genügt daher img Zd −
→ Zm = ker Zm −
→ Zm
zu zeigen. Da m = ad Teiler von
na ist, erhalten wir zunächst die Inklusion
a
n
img Zd −
→ Zm ⊆ ker Zm −
→ Zm . Für die umgekehrte Inklusion betrachten wir
n
nun l ∈ Z mit [l] ∈ ker(Zm −
→ Zm ), es gilt daher m | nl. Weiters sei b ∈ Z mit
bd = n. Dann folgt ad | bdl, also a | bl, und daher a | l, denn ggt(a, b) = 1. Es
a
existiert daher k ∈ Z, sodass ak = l, also [l] ∈ img Zd −
→ Zm , womit auch die
a
n
umgekehrte Inklusion img Zd −
→ Zm ⊇ ker Zm −
→ Zm gezeigt wäre.
V.2.14. Bemerkung. Es gilt Tor(A ⊕ A′ , B) = Tor(A, B) ⊕ Tor(A′ , B).
ϕ0
ϕ1
Betrachte dazu freie Auflösungen 0 ← A ←− F0 ←− F1 ← · · · von A und
ϕ′
ϕ′
1
0
F1′ ← · · · von A′ . Verwenden wir nun die freie Auflösung
0 ← A′ ←−
F0′ ←−
ϕ0 ⊕ϕ′
ϕ1 ⊕ϕ′
1
0
F1 ⊕ F1′ ← · · ·
0 ← A ⊕ A′ ←−−−−
F0 ⊕ F0′ ←−−−−
von A ⊕ A′ zur Berechnung von Tor(A ⊕ A′ , B) so folgt sofort Tor(A ⊕ A′ , B) =
Tor(A, B) ⊕ Tor(A′ , B), siehe Bemerkung V.1.10 sowie (IV.1). Völlig analog erhalten wir für beliebige Indexmengen Λ
L
L
Tor
A
,
B
= λ∈Λ Tor(Aλ , B).
(V.6)
λ
λ∈Λ
V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
195
p
i
V.2.15. Proposition. Ist 0 → B1 −
→ B2 −
→ B3 → 0 eine kurze exakte
Sequenz abelscher Gruppen, dann existiert eine exakte Sequenz
i
p∗
δ
δ
id ⊗i
∗
0 → Tor(A, B1 ) −
→ Tor(A, B3 ) −
→
→
Tor(A, B2 ) −
id ⊗p
−
→ A ⊗ B1 −−A−→ A ⊗ B2 −−A−−
→ A ⊗ B3 → 0.
Diese Sequenz ist natürlich in A und auch natürlich in der kurzen exakten Sequenz
0 → B1 → B2 → B3 → 0.
ϕ1
ϕ1
ϕ2
Beweis. Ist F : 0 ← A ←− F0 ←− F1 ←− F2 ← · · · eine freie Auslösung von
A, dann können wir
0
0
F ⊗ B1
0o
F0 ⊗ B1 o
F ⊗ B2
0o
F0 ⊗ B2 o
F ⊗ B3
F1 ⊗ B1 o
0o
F0 ⊗ B3 o
F1 ⊗ B2 o
ϕ1 ⊗idB3
F1 ⊗ B3 o
idF2 ⊗i
ϕ2 ⊗idB2
···
F2 ⊗ B2 o
idF2 ⊗p
ϕ2 ⊗idB3
0
···
F2 ⊗ B1 o
idF1 ⊗p
0
ϕ2 ⊗idB1
idF1 ⊗i
ϕ1 ⊗idB2
idF0 ⊗p
idF ⊗p
0
ϕ1 ⊗idB1
idF0 ⊗i
idF ⊗i
0
···
F2 ⊗ B3 o
0
0
als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen aufassen. Beachte, dass die Spalten wegen Bemerkung V.1.17 tatsächlich exakt sind. Nach Satz IV.3.1 induziert
diese eine lange exakte Sequenz:
δ
i
p∗
δ
∗
· · · → Hn+1 (F ⊗ B3 ) −
→ Hn (F ⊗ B1 ) −
→
Hn (F ⊗ B2 ) −
→ Hn (F ⊗ B3 ) −
→ ···
Nach Definition von Torn erhalten wir also die lange exakte Seqeunz:
δ
i
p∗
∗
· · · → Torn+1 (A, B3 ) −
→ Torn (A, B1 ) −
→
Torn (A, B2 ) −
→ Torn (A, B3 ) → · · ·
Wegen Bemerkung V.2.8 ist dies die gesuchte exakte Sequenz.
V.2.16. Proposition. Es gilt Tor(A, B) = Tor(B, A) für je zwei abelsche
Gruppen A und B.
i
Beweis. Es sei 0 → F1 −
→ F0 → B → 0 eine frei Auflösung von B, siehe
Bemerkung V.2.2. Mittels Bemerkung V.2.10 erhalten wir
i⊗idA
Tor(B, A) = ker F1 ⊗ A −−−→
F0 ⊗ A .
196
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Weiters ist Tor(A, F0 ) = 0, siehe Beispiel V.2.11, also liefert Porposition V.2.15
id ⊗i
δ
eine exakte Sequenz 0 → Tor(A, B) −
→ A ⊗ F1 −−A−→ A ⊗ F0 , dh.
id ⊗i
Tor(A, B) = ker A ⊗ F1 −−A−→ A ⊗ F0 .
Aus Bemerkung V.1.3 folgt nun sofort Tor(A, B) = Tor(B, A).
V.2.17. Bemerkung. Nach dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche
Gruppen, siehe Satz IV.4.15, ist jede endlich erzeugte abelsche Gruppe zu einer
Gruppe der Form Zn ⊕Zn1 ⊕· · ·⊕Znk isomorph. Mit obigen Bemerkungen können
wir also das Torsionsprodukt endlich erzeugter abelscher Gruppen berechnen,
siehe (V.5) und (V.6) sowie Bemerkung V.2.12 und Proposition V.2.16.
V.2.18. Proposition. Es gilt Tor(A, B) = Tor(Ator , Btor ), für je zwei abelsche Gruppen A und B.
Beweis. Es genügt Tor(A, B) = Tor(A, Btor ) zu zeigen, denn mittels Proposition V.2.16 erhalten wir daraus Tor(A, B) = Tor(A, Btor ) = Tor(Btor , A) =
Tor(Btor , Ator ) = Tor(Ator , Btor ). Die kurze exakte Sequenz 0 → Btor → B →
B/Btor → 0 induziert eine exakte Sequenz
0 → Tor(A, Btor ) → Tor(A, B) → Tor(A, B/Btor ),
siehe Proposition V.2.15, es genügt daher Tor(A, B/Btor ) = 0 zu zeigen. Da
B/Btor torsionsfrei ist, dürfen wir also o.B.d.A. Btor = 0 annehmen und haben Tor(A, B) = 0 zu zeigen. Sei nun 0 → F1 → F0 → A → 0 eine freie
i⊗idB
Auflösung von A. Es ist zu zeigen, dass F1 ⊗ B −−−→
F0 ⊗ B injektiv ist, siehe Bemerkung V.2.10. Ist x im Kern dieses
i⊗idB
Homormorphismus, dann existiert eine end/F ⊗B
F1 ⊗
B
0 O
O
lich erzeugte Untergruppe B0 von B, sodass
x ∈ img(F1 ⊗ B0 → F1 ⊗ B). Weiters ist
i⊗idB0
F0 ⊗ B0 → F0 ⊗ B injektiv, denn F0 ist
/ F ⊗B
F1 ⊗ B0
0
0
flach, siehe Bemerkung V.1.18. Ebenso ist
i⊗idB
0
F0 ⊗ B0 injektiv, denn als endlich erzeugte torsionsfreie abelsche
F1 ⊗ B0 −−−−→
Gruppe muss B0 frei abelsch sein, siehe Korollar IV.4.17. Mit der Kommutativität
des nebenstehenden Diagramms folgt nun x = 0.
V.2.19. Proposition. Für eine abelsche Gruppe A sind äquivalent:
(i) A ist flach.
(ii) Ator = 0.
(iii) Tor(A, B) = 0 = Tor(B, A), für jede abelsche Gruppe B.
(iv) Tor(A, Zp ) = 0, für jede Primzahl p.
Beweis. Die Implikation (i)⇒(ii) folgt aus Bemerkung V.1.19. Die Implikation (ii)⇒(iii) folgt aus Proposition V.2.18. Die Implikation (iii)⇒(i) folgt aus
Proposition V.2.15. Schließlich folgt die Äquivalenz (ii)⇔(iv) aus (V.4) und Proposition V.2.18.
V.2. TORSIONSPRODUKT ABELSCHER GRUPPEN
197
V.2.20. Beispiel. Aus Proposition V.2.19 folgt, dass die abelsche Gruppe Q
flach ist, denn offensichtlich gilt Qtor = 0. Insbesondere erhalten wir Tor(A, Q) =
0 = Tor(Q, A) für jede abelsche Gruppe A. Etwas allgemeiner, die einem Körper
mit Charakteristik 0 zugrundeliegende abelsche Gruppe ist stets flach.
V.2.21. Proposition. Ist A eine abelsche Gruppe, sodass A ⊗ Q = 0 und
Tor(A, Zp ) = 0 für jede Primzahl p, dann gilt schon A = 0.50
Beweis. Beachte zunächst, dass A flach ist, siehe Proposition V.2.19. Tensorieren wir die kurze exakte Sequenz 0 → Z → Q → Q/Z → 0 mit A, erhalten
wir also eine kurze exakte Sequenz 0 → A → A ⊗ Q → A ⊗ Q/Z → 0. Nach
Voraussetzung ist A ⊗ Q = 0, also folgt A=0.
V.2.22. Bemerkung. Wir haben in Abschnitt IV.4 den Rang einer abelschen Gruppe als die Kardinalität einer maximal linear unabhängigen Teilmenge
definiert, und in Satz IV.4.1 gezeigt, dass dies wohldefiniert ist. Mit Hilfe obiger Beobachtungen lässt sich der Beweis dieses Satzes wesentlich transparenter
präsentieren. Ist S eine maximal linear unabhängige Teilmenge einer abelschen
Gruppe A, dann haben wir eine kurze exakte Sequenz
0 → Z[S] → A → A/hSi → 0,
wobei hSi die von S erzeugte Untergruppe von A bezeichnet. Aufgrund der Flachheit von Q, siehe Beispiel V.2.20, ist auch
0 → (Z[S]) ⊗ Q → A ⊗ Q → (A/hSi) ⊗ Q → 0,
exakt, siehe Bemerkung V.1.17. Beachte, dass dies eine kurze exakte Sequenz von
Q-Vektorräumen ist, siehe Bemerkung V.1.20. Wegen der Maximalität von S gilt
A/hSi
= (A/hSi)tor , und daher (A/hSi)⊗Q = 0.51 Weiters ist Z[S]⊗Q ∼
= Q[S] :=
L
s∈S Q, siehe Bemerkung V.1.20. Wir erhalten daher einen Isomorphismus von
Q-Vektorräumen Q[S] ∼
= A ⊗ Q und damit ♯S = dimQ (A ⊗ Q). Da die rechte
Seite dieser Gleichung nicht von S abhängt, schließen wir, dass je zwei maximal
linear unabhängige Teilmengen von A die gleiche Kardinalität haben.52 Weiters
erhalten wir rank(A) = dimQ (A⊗Q), vgl. Bemerkung IV.4.2. Dasselbe Argument
zeigt
rank(A) = dimK (A ⊗ K)
(V.7)
für jeden Körper K mit Charakteristik 0, siehe Beispiel V.2.20. Auch der Beweis
von Proposition IV.4.4 wird nun viel transparenter. Ist 0 → A → B → C → 0
eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen, dann folgt aus der Flachheit von
50Es
gibt sehr wohl nicht-triviale abelsche Gruppen A mit A ⊗ Q = 0 und A ⊗ Zn = 0 für
jedes n, etwa A := Q/Z.
51Allgemein folgt aus B = B
tor sofort B ⊗ Q = 0, denn zu jedem b ∈ B existiert 0 6= m ∈ Z
q
q
) = mb ⊗ m
= 0, für jedes q ∈ Q.
mit mb = 0 und daher gilt b ⊗ q = b ⊗ (m m
52Wir führen daher die Wohldefiniertheit des Ranges einer abelschen Gruppe auf die Wohldefiniertheit der Dimension eines Vektorraums zurück, dh. wir verwenden an dieser Stelle, dass
je zwei Basen eines Vektorraums gleiche Kardinalität haben.
198
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Q, dass 0 → A ⊗ Q → B ⊗ Q → C ⊗ Q → 0 eine kurze exakte Sequenz von
Vektorräumen über Q ist. Mittels linearer Algebra schließen wir dimQ (A ⊗ Q) +
dimQ (C ⊗ Q) = dimQ (B ⊗ Q), und damit rank(A) + rank(C) = rank(B).
V.2.23. Bemerkung. Für einen kommutativen Ring mit Eins R und eine
abelsche Gruppe A, ist Tor(A, R) in kanonischer Weise ein R-Modul. Dabei definieren wir die Skalarmultiplikation mit r ∈ R durch den von dem Gruppenhor
momorphismus R −
→ R induzierten Homomorphismus Tor(idA , r) : Tor(A, R) →
Tor(A, R). Aus der Funktorialität und Additivität von Tor folgt sofort, dass die
Modulaxiome gelten. Der von einem Homomorphismus ϕ : A → A′ induzierte
Homomorphismus ϕ∗ : Tor(A, R) → Tor(A′ , R) ist offensichtlich R-linear, wir
erhalten daher einen Funktor Tor(−, R) : aGrp → ModR . Insbesondere ist
Tor(A, K) ein K-Vektorraum, für jeden Körper K, und wir erhalten einen Funktor Tor(−, K) : aGrp → VspK .
V.2.24. Proposition. Ist A eine endlich erzeugte abelsche Gruppe und K
ein Körper, dann ist A ⊗ K ein endlich dimensionaler K-Vektorraum und
dimK (A ⊗ K) = rank(A) + dimK (Tor(A, K)).
Beweis. Beachte zunächst, dass die Aussage dieser Proposition mit der direkten Summe abelscher Gruppen verträglich ist. Genauer, ist die Proposition für zwei Gruppen A und A′ wahr, dann bleibt sie auch
für A ⊕ A′ wahr,
denn dimK ((A ⊕ A′ ) ⊗ K) = dimK (A ⊗ K) ⊕ (A′ ⊗ K) = dimK (A ⊗ K) +
dimK (A ⊗ K), rank(A ⊕ A′ ) =rank(A) + rank(A′ ) und dimK (Tor(A ⊕ A′ , K)) =
dimK Tor(A, K) ⊕ Tor(A′ , K) = dimK (Tor(A, K)) + dimK (Tor(A′ , K)). Nach
dem Hauptsatz über endlich erzeugte abelsche Gruppen, siehe Satz IV.4.15,
genügt es daher die Spezialfälle A = Z und A = Zn zu behandeln. Der erste Fall
n
ist trivial, sei also o.B.d.A. A = Zn . Die freie Auflösung 0 → Z −
→ Z → Zn → 0
liefert eine exakte Sequenz von K-Vektorräumen
n
0 → Tor(Zn , K) → K −
→ K → Zn ⊗ K → 0.
Mittels linearer Algebra schließen wir dimK (Tor(Zn , K)) = dimK (Zn ⊗ K). Da
rank(Zn ) = 0 ist der Beweis nun vollständig.
V.3. Das universelle Koeffiziententheorem. Ist (C∗ , ∂) ein Kettenkomplex und ist A eine abelsche Gruppe dann ist auch
∂q ⊗idA
∂q+1 ⊗idA
· · · ← Cq−1 ⊗ A ←−−−− Cq ⊗ A ←−−−−− Cq+1 ⊗ A ← · · ·
ein Kettenkomlex, denn (∂ ⊗ idA )q ◦ (∂ ⊗ idA )q+1 = (∂q ⊗ idA ) ◦ (∂q+1 ⊗ idA ) =
(∂q ◦ ∂q+1 ) ⊗ idA = 0 ⊗ idA = 0, siehe Bemerkung V.1.8. Wir bezeichnen diesen
Kettenkomplex mit C ⊗ A, dh. (C ⊗ A)q := Cq ⊗ A, q ∈ Z. Für jede Kettenabbildung ϕ : C → C ′ ist auch ϕ ⊗ idA : C ⊗ A → C ′ ⊗ A eine Kettenabbildung, denn
(∂ ′ ⊗idA )q ◦(ϕ⊗idA )q = (∂q′ ◦ϕq )⊗idA = (ϕq−1 ◦∂q )⊗idA = (ϕq−1 ⊗idA )◦(∂q ⊗idA ).
Diese Konstruktion liefert offensichtlich einen Funktor − ⊗ A : Comp → Comp,
V.3. DAS UNIVERSELLE KOEFFIZIENTENTHEOREM
199
wobei Comp die Kategorie der Kettenkomplexe und Kettenabbildungen bezeichnet. Ist α : A → A′ ein Homomorphismus abelscher Gruppen, dann ist auch
idC ⊗α : C ⊗ A → C ⊗ A′ eine Kettenabbildung, wir können obige Konstruktion
daher auch als Funktor ⊗ : Comp × aGrp → Comp betrachten.
V.3.1. Bemerkung. Sind ϕ : C → C ′ und ψ : C → C ′ zwei homotope
Kettenabbildungen, siehe Abschnitt IV.2, dann sind auch ϕ⊗idA : C⊗A → C ′ ⊗A
und ψ ⊗ idA : C ⊗ A → C ′ ⊗ A kettenhomotop. Ist nämlich h : C∗ → C∗+1
eine Kettenhomotopie von ϕ nach ψ, dh. gilt ψ − ϕ = ∂ ′ ◦ h + h ◦ ∂, dann ist
h ⊗ idA eine Kettenhomotopie von ϕ ⊗ idA nach ψ ⊗ idA , denn ψ ◦ idA −ϕ ⊗ idA =
(ψ − ϕ) ⊗ idA = (∂ ′ ◦ h + h ◦ ∂) ⊗ id A = (∂ ′ ⊗ idA ) ◦ (h ⊗ idA ) + (h ⊗ idA ) ◦ (∂ ⊗ idA ),
siehe Bemerkung V.2.7. Sind C und C ′ kettenhomotopieäquivalent, dann sind
daher auch C ⊗ A und C ′ ⊗ A kettenhomotopieäquivalent.
V.3.2. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einem
Kettenkomplex über R verstehen wir einen Kettenkomplex (C∗ , ∂) wobei jedes Cq
mit einer R-Modulstruktur ausgestattet ist für die ∂q : Cq → Cq−1 ein R-Modul
Homomorphismus ist. Die Kettenkomplexe über einem fixen Ring R zusammen
mit den R-linearen Kettenabbildungen bilden eine Kategorie die wir mit CompR
bezeichnen. Für R = Z erhalten wir die gewöhnlichen Kettenkomplexe zurück,
CompZ = Comp. Die Homologie eines Kettenkomplexes über R ist in natürlicher Weise ein graduierter R-Modul, dh. jede Homologiegruppe Hq (C) erbt eine
R-Modulstruktur und die von R-linearen Kettenabbildungen induzierten Homomorphismen sind wieder R-linear. Für fixes R erhalten wir also einen HomologieR
funktor H∗ (−) : CompR → ModR
∗ , wobei Mod∗ die Kategorie der graduierten
R-Moduln bezeichnet.
V.3.3. Satz (Universelles Koeffiziententheorem). Ist C ein freier Kettenkomplex und ist A eine abelsche Gruppe dann existiert eine natürliche kurze exakte
Sequenz
0 → Hn (C) ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Tor(Hn−1 (C), A) → 0,
(V.8)
dh. für jede Kettenabbildung zwischen freien Kettenkomplexen ϕ : C → C ′ und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen α : A → A′ kommutiert das Diagramm
/
0
Hn (C) ⊗ A
/
Hn (C ⊗ A)
ϕ∗ ⊗α
0
/
Hn (C ′ ) ⊗ A′
/
Tor(Hn−1 (C), A)
/
(ϕ⊗α)∗
Hn (C ′ ⊗ A′ )
/
0
/
Tor(ϕ∗ ,α)
Tor(Hn−1 (C ′ ), A′ )
/
0
Darüberhinaus, splittet die kurze exakte Sequenz (V.8), und es gilt daher
(V.9)
Hn (C ⊗ A) ∼
= (Hn (C) ⊗ A) ⊕ Tor(Hn−1 (C), A).
Dieser Splitt kann nicht natürlich in C gewählt werden. Ist R = A ein kommutativer Ring mit Eins, dann ist (V.8) eine splittende kurze exakte Sequenz von
200
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
R-Moduln, der Splitt kann R-linear gewählt werden, und es existiert daher ein
Isomorphismus von R-Moduln wie in (V.9).
Beweis. Bezeichnen Zn := ker(∂n ) und Bn−1 := img(∂n−1 ), dann ist
∂
n
0 → Zn → Cn −→
Bn−1 → 0
(V.10)
eine kurze exakte Sequenz. Als Untergruppe der freien abelschen Gruppe Cn−1 ist
auch Bn−1 eine freie ablesche Gruppe, siehe Satz IV.4.12. Nach Proposition IV.4.9
splittet daher die kurze exakte Sequenz (V.10). Also ist auch
∂n ⊗id
A
0 → Zn ⊗ A → Cn ⊗ A −−−−→
Bn−1 ⊗ A → 0
(V.11)
eine splittende kurze exakte Sequenz, siehe Bemerkung V.1.15. Wir können dies
als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen auffassen:
..
.
..
.
∂n+1 ⊗idA
0
/
0
Zn ⊗ A
/
0
/
Zn−1 ⊗ A
0
Cn ⊗ A
/
Bn−1 ⊗ A
∂n ⊗idA
0
..
.
/
Cn−1 ⊗ A
/
Bn−2 ⊗ A
/
0
0
..
.
0
0
∂n−1 ⊗idA
0
/
..
.
..
.
Der Einhängungshomomorphismus der entsprechenden langen exakten Sequenz,
siehe Satz IV.3.1, stimmt offensichtlich mit in ⊗ idA : Bn ⊗ A → Zn ⊗ A überein,
wobei in : Bn → Zn die kanonische Inklusion bezeichnet. Wir erhalten daher eine
exakte Sequenz:
in−1 ⊗idA
in ⊗id
A
Bn ⊗ A −−−−→
Zn ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Bn−1 ⊗ A −−−−−→ Zn−1 ⊗ A (V.12)
Nach Bemerkung V.2.10 liefert die kurze exakte Sequenz
i
n
0 → Bn −
→
Zn → Hn (C) → 0
eine exakte Sequenz
in ⊗id
A
Zn ⊗ A → Hn (C) ⊗ A → 0.
0 → Tor(Hn (C), A) → Bn ⊗ A −−−−→
Wir schließen daraus
ker(in ⊗ idA ) = Tor(Hn (C), A) und
coker(in ⊗ idA ) = Hn (C) ⊗ A.
Kombinieren wir dies mit (V.12) so erhalten wir die gewünschte kurze exakte
Sequenz
0 → Hn (C) ⊗ A → Hn (C ⊗ A) → Tor(Hn−1 (C), A) → 0.
(V.13)
V.3. DAS UNIVERSELLE KOEFFIZIENTENTHEOREM
201
Die Natürlichkeit dieser Sequenz ist offensichtlich, jeder Schritt in ihrer Konstruktion war natürlich. Ist ρn : Cn → Zn ein Splitt von (V.10), so können wir diese
ρ
als Kettenabbildung (C∗ , ∂) −
→ H∗ (C), ∂ = 0 auffassen. Tensorieren mit A lie
ρ⊗idA
fert eine Kettenabbildung C ⊗ A −−−→
H∗ (C) ⊗ A, ∂ = 0 , und diese induziert
Homomorphismen in der Homologie, Hn (C ⊗ A) → Hn (C) ⊗ A. Eine einfache
Überlegung zeigt, dass dies tatsächlich ein Splitt von (V.13) ist.
V.3.4. Korollar. Für einen freien Kettenkomplex C sind äquivalent:
(i) H∗ (C) = 0.
(ii) H∗ (C ⊗ A) = 0, für jede abelsche Gruppe A.
(iii) H∗ (C ⊗ Q) = 0 und H∗ (C ⊗ Zp ) = 0, für jede Primzahl p.
Beweis. Die Implikation (i)⇒(ii) folgt sofort aus Satz V.3.3 oben. Die Implikation (ii)⇒(iii) trivial. Es bleibt daher noch (iii)⇒(i) zu zeigen. Aus H∗ (C ⊗Q) =
0 und Satz V.3.3 erhalten wir Hn (C) ⊗ Q = 0, für jedes n. Wegen H∗ (C ⊗ Zp ) = 0
folgt mittels Satz V.3.3 auch Tor(Hn (C), Zp ) = 0, für jedes n und alle Primzahlen
p. Nach Proposition V.2.21 muss daher Hn (C) = 0 gelten, für jedes n.
V.3.5. Korollar. Für eine Kettenabbildung ϕ : C → C ′ zwischen freien
Kettenkomplexen C und C ′ sind äquivalent:
(i) ϕ∗ : H∗ (C) → H∗ (C ′ ) ist ein Isomorphismus.
(ii) ϕ∗ : H∗ (C ⊗ A) → H∗ (C ′ ⊗ A) ist ein Isomorphismus, für jedes A.
(iii) ϕ∗ : H∗ (C ⊗ Q) → H∗ (C ′ ⊗ Q) und ϕ∗ : H∗ (C ⊗ Zp ) → H∗ (C ′ ⊗ Zp )
sind Isomorphismen, für jede Primzahl p.
Beweis. Betrachte den Abbildungskegel Cϕ aus Beispiel IV.2.7. Nach Proposition IV.3.9 ist (i) zu H∗ (Cϕ ) = 0 äquivalent. Ein Blick auf die Definition
des Abbildungskegels zeigt Cϕ⊗idA = Cϕ ⊗ A. Daher ist (ii) zu H∗ (Cϕ ⊗ A) = 0
für jede abelsche Gruppe A, äquivalent. Ebenso ist (iii) zu H∗ (Cϕ ⊗ Q) = 0
und H∗ (Cϕ ⊗ Zp ) = 0 für jede Primzahl p, äquivalent. Das Korollar folgt daher
unmittelbar aus Korollar V.3.4, denn auch Cϕ ist ein freier Kettenkomplex. V.3.6. Bemerkung. Es sei C ein freier Kettenkomplex. Für flache abelsche
Gruppen A verschwindet der Torsionsterm in Satz V.3.3 und wir erhalten daher
einen natürlichen Isomorphismus Hn (C)⊗A = Hn (C ⊗A). Insbesondere erhalten
wir für jeden Körper K mit Charakteristik 0
Hq (C) ⊗ K = Hq (C ⊗ K),
(V.14)
siehe Beispiel V.2.20, und damit auch, siehe (V.7) und Definition IV.4.18,
bq (C) = dimK (Hq (C ⊗ K)).
(V.15)
Hat C endlich erzeugte Homologie, dann ist H∗ (C ⊗ K) also endlich dimensional,
und es gilt
X
χ(C) =
(−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)).
q
202
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Hat K positive Charakteristik, dann verlieren (V.14) und (V.15) i.A. ihre Gültigkeit, vgl. Proposition V.2.24, die Formel für die Euler Charakteristik bleibt jedoch
richtig.
V.3.7. Korollar. Es sei C ein freier Kettenkomplex mit endlich erzeugter
Homologie und K ein Körper beliebiger Charakteristik. Dann ist H∗ (C ⊗ K)
endlich dimensional und es gilt
X
χ(C) =
(−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)).
q
Beweis. Aus Satz V.3.3 erhalten wir
dimK (Hq (C ⊗ K)) = dimK Hq (C) ⊗ K) + dimK Tor(Hq−1 (C), K) .
Nach Proposition V.2.24 gilt
dimK Hq (C) ⊗ K) = bq (C) + dimK Tor(Hq (C), K) .
Kombination dieser beiden Gleichungen ergibt
dimK (Hq (C ⊗ K))
= bq (C) + dimK Tor(Hq (C), K) + dimK Tor(Hq−1 (C), K) .
P
P
Es folgt daher q (−1)q dimK (Hq (C ⊗ K)) = q (−1)q bq (C) = χ(C).
V.4. Singuläre Homologie mit Koeffizienten. Sei nun G eine abelsche
Gruppe. Für jeden topologischen Raum X definieren wir den singulären Kettenkomplex von X mit Koeffizienten in G durch C∗ (X; G) := C∗ (X) ⊗ G. Jede stetige Abbildung f : X → Y induziert eine Kettenabbildung f♯ ⊗ idG :
C∗ (X; G) → C∗ (Y ; G). Für jede weitere stetige Abbildung g : Y → Z gilt offensichtlich (g ◦ f )♯ ⊗ idG = (g♯ ⊗ idG ) ◦ (f♯ ⊗ idG ) : C∗ (X; G) → C∗ (Z; G) sowie
(idX )♯ ⊗ idG = idC∗ (X;G) . Für fixes G erhalten wir daher einen Funktor C∗ (−; G)
von der Kategorie der topologischen Räume in die Kategorie der Kettenkomplexe. Unter der q-ten Homologiegruppe von X mit Koeffizienten in G verstehen
wir Hq (X; G) := Hq (C∗ (X; G)). Die Kettenabbildung f♯ ⊗ idG : C∗ (X; G) →
C∗ (Y ; G) induziert einen Homomorphismus f∗ : H∗ (X; G) → H∗ (Y ; G) und es
gilt (g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ : H∗ (X; G) → H∗ (Z; G) sowie (idX )∗ = idH∗ (X;G) für
jede weitere stetige Abbildung g : Y → Z. Wir erhalten daher einen Funktor
H∗ (−; G) : Top → aGrp∗ von der Kategorie der topologischen Räume in die
Kategorie der graduierten abelschen Gruppen. Dieser Funktor wird der singuläre
Homologiefunktor mit Koeffizienten in G genannt.
Dies lässt sich in offensichtlicher Weise auf Paare topologischer Räume ausdehnen. Wir definieren den singulären Kettenkomplex eines Paares (X, A) mit
Koeffizienten in G durch C∗ (X, A; G) := C∗ (X, A) ⊗ G. Da die kurze exakte
Sequenz 0 → Cq (A) → Cq (X) → Cq (X, A) → 0 splittet, ist auch
0 → Cq (A) ⊗ G → Cq (X) ⊗ G → Cq (X, A) ⊗ G → 0
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
203
eine (splittende) kurze exakte Sequenz, siehe Bemerkung V.1.15. Wir können
daher C∗ (A; G) als Teilkomplex von C∗ (X; G) auffassen und erhalten die Darstellung C∗ (X, A; G) = C∗ (X; G)/C∗ (A; G). Unter der q-ten relativen Homologiegruppe von (X, A) mit Koeffizienten in G verstehen wir Hq (X, A; G) :=
Hq (C∗ (X, A; G)). Jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) induziert
einen Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G). Gelegentlich schreiben
wir auch H∗ (f ; G) : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G). Für jede weiter Abbildung von
Paaren g : (Y, B) → (Z, C) gilt (g ◦ f )∗ = g∗ ◦ f∗ , sowie (id(X,A) )∗ = idH∗ (X,A;G) .
Wir halten diese Beobachtungen in folgender Proposition fest.
V.4.1. Proposition. Singuläre Homologie mit Koeffizienten in einer abelschen Gruppe G definiert einen kovarianten Funktor H∗ (−; G) : Top2 → aGrp∗
von der Kategorie der Paare topologischer Räume in die Kategorie der graduierten abelschen Gruppen. Dabei wird einer Abbildung von Paaren f : (X, A) →
(Y, B) der Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) zugeordnet.
V.4.2. Bemerkung. Für jedes Paar (X, A) gilt C∗ (X, A; Z) = C∗ (X, A) und
daher H∗ (X, A; Z) = H∗ (X, A). Die Funktoren H∗ (−; G) aus Proposition V.4.1
können daher als Verallgemeinerungen des Funktors H∗ (−) aus Kapitel IV verstanden werden.
V.4.3. Bemerkung. Für jeden topologischen Raum X und jede abelsche
Gruppe G gilt C∗ (X, ∅; G) = C∗ (X; G) und daher H∗ (X, ∅; G) = H∗ (X; G).
V.4.4. Bemerkung. Jeder Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′
induziert eine Kettenabbildung idC∗ (X,A) ⊗ϕ : C∗ (X, A; G) → C∗ (X, A; G′ ). Für
jeden weiteren Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ′ : G′ → G′′ gilt offensichtlich idC∗ (X,A) ⊗(ϕ′ ◦ ϕ) = (idC∗ (X,A) ⊗ϕ′ ) ◦ (idC∗ (X,A) ⊗ϕ) sowie idC∗ (X,A) ⊗ idG =
idC∗ (X,A;G) . Die Kettenabbildung idC∗ (X,A) ⊗ϕ : C∗ (X, A; G) → C∗ (X, A; G′ ) induziert einen Homomorphismus ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (X, A; G′ ) für den wir gelegentlich auch Hq (X, A; ϕ) : Hq (X, A; G) → Hq (X, A; G′ ) schreiben. Aus obigen
Betrachtungen folgt sofort (ϕ′ ◦ϕ)∗ = ϕ′∗ ◦ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (X, A; G′′ ) sowie
(idG )∗ = idH∗ (X,A;G) . Für ein fixes Paar (X, A) erhalten wir daher einen Funktor H∗ (X, A; −) : aGrp → aGrp∗ von der Kategorie der abelschen Gruppen
in die Kategorie der graduierten abelschen
ϕ∗
/ H∗ (X, A; G′ )
Gruppen. Für jede Abbildung von Paaren
H∗ (X, A; G)
f : (X, A) → (Y, B) gilt darüber hinaus
f∗
f∗
f∗ ◦ ϕ∗ = ϕ∗ ◦ f∗ , dh. nebenstehendes Dia
ϕ∗
gramm kommutiert. Dies bedeutet gerade,
/ H∗ (Y, B; G′ )
H∗ (Y, B; G)
dass der Homologiefunktor als Bifunktor aufgefasst werden kann, H∗ (−; −) : Top2 ×aGrp → aGrp∗ . Wir schreiben in diesem
Zusammenhang auch H∗ (f, ϕ) := ϕ∗ ◦ f∗ = f∗ ◦ ϕ∗ : H∗ (X, A; G) → (Y, B; G′ ).
V.4.5. Bemerkung. Ist R ein kommutativer Ring, dann ist C∗ (X, A; R) ein
Kettenkomplex von R-Moduln, dh. das Differential in C∗ (X, A; R) ist R-linear.
204
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Auch ist die von einer Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) induzierte Kettenabbildung R-linear. Es sind dann auch die Homologiegruppen H∗ (X, A; R)
Moduln über R, und der von einer Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B)
induzierte Homomorphismus f∗ : H∗ (X, A; R) → H∗ (Y, B; R) ist R-linear. Für
einen fixen kommutativen Ring R können wir den Homologiefunktor daher als
Funktor H∗ (−; R) : Top2 → ModR
∗ von der Kategorie der Paare topologischer
Räume in die Kategorie der graduierten R-Moduln auffassen. Insbesondere erhalten wir für jeden Körper K einen Funktor H∗ (−; K) : Top2 → VspK
∗ von
der Kategorie der Paare topologischer Räume in die Kategorie graduierter KVektorräume. Vor allem die Körper Q und Zp , p eine Primzahl, spielen in der
algebraischen Topologie eine wichtige Rolle, vgl. die Korollare V.4.7 und V.4.8
unten. Aber auch die Körper R und C sind oft anzutreffen, vor Allem ihm Zusammenhang mit Analysis auf glatten Mannigfaltigkeiten.
V.4.6. Satz (Universelles Koeffiziententheorem). Ist (X, A) ein Paar von
Räumen und G eine abelsche Gruppe dann existiert eine natürliche kurze exakte
Sequenz
0 → Hn (X, A) ⊗ G → Hn (X, A; G) → Tor Hn−1 (X, A), G → 0,
(V.16)
dh. für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′ kommutiert das folgende Diagramm:
/ Hn (X, A) ⊗ G
/ Hn (X, A; G)
/ Tor Hn−1 (X, A); G
/0
0
f∗ ⊗ϕ
0
/
Hn (Y, B) ⊗ G′
/
Hn (f,ϕ)
Hn (Y, B; G′ )
Tor(f∗ ,ϕ)
/
Tor Hn−1 (Y, B); G′
/
0
Darüberhinaus splittet die kurze exakte Sequenz (V.16) und es gilt daher
(V.17)
Hn (X, A; G) ∼
= Hn (X, A) ⊗ G ⊕ Tor Hn−1 (X, A), G .
Dieser Splitt kann nicht natürlich in (X, A) gewählt werden. Ist G = R ein
kommutativer Ring, dann ist (V.16) eine splittende kurze exakte Sequenz von
R-Moduln, dh. der Splitt kann R-linear gewählt werden und es gibt daher einen
Isomorphismus von R-Moduln wie in (V.17).
Beweis. Dies folgt aus Satz V.3.3 angewandt auf den singuläre Kettenkomplex C∗ (X, A). Beachte, dass dies ein freier Kettenkomplex ist.
V.4.7. Korollar. Für ein Paar von Räumen (X, A) sind äquivalent:
(i) H∗ (X, A) = 0.
(ii) H∗ (X, A; G) = 0, für jede abelsche Gruppe G.
(iii) H∗ (X, A; Q) = 0 und H∗ (X, A; Zp ) = 0, für jede Primzahl p.
Beweis. Dies folgt aus Korollar V.3.4, denn C∗ (X, A) ist ein freier Kettenkomplex.
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
205
V.4.8. Korollar. Für eine Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) sind
äquivalent:
(i) f∗ : H∗ (X, A) → H∗ (Y, B) ist ein Isomorphismus.
(ii) f∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) ist ein Isomorphismus, für jedes G.
(iii) f∗ : H∗ (X, A; Q) → H∗ (Y, B; Q) und f∗ : H∗ (X, A; Zp ) → H∗ (Y, B; Zp )
sind Isomorphismen, für jede Primzahl p.
Beweis. Dies folgt aus Korollar V.3.5, denn C∗ (X, A) ist frei.
V.4.9. Bemerkung. Für flache abelsche Gruppen G verschwindet der Torsionsterm in Satz V.4.6 und wir erhalten daher einen natürlichen Isomorphismus
H∗ (X, A) ⊗ G = H∗ (X, A; G). Insbesondere haben wir für jeden Körper K mit
Charakteristik 0 einen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume
H∗ (X, A; K) = H∗ (X, A) ⊗ K,
(V.18)
und damit auch, siehe (V.7),
bq (X, A) = dimK (Hq (X, A; K)).
(V.19)
Hat (X, A) endlich erzeugte Homologie, dann ist H∗ (X, A; K) also endlich dimensional, und es gilt
X
χ(X, A) =
(−1)q dimK (Hq (X, A; K)).
(V.20)
q
Hat K positive Charakteristik, dann verlieren (V.18) und (V.19) i.A. ihre Gültigkeit, die Formel für die Euler Charakteristik bleibt jedoch richtig, siehe Korollar V.3.7.
V.4.10. Bemerkung. Aus Satz V.4.6 erhalten wir sofort H0 (X, A; G) =
H0 (X, A) ⊗ G sowie H1 (X, A; G) = H1 (X, A) ⊗ G, denn H0 (X, A) ist stets frei
abelsch.
V.4.11. Beispiel. Ist X kontrahierbar, dann gilt
(
G falls q = 0
Hq (X; G) = Hq (X) ⊗ G ∼
=
0 falls q =
6 0.
für jede abelsche Gruppe G.
Wir definieren die reduzierte Homologie mit Koeffizienten in G durch
H̃q (X; G) := ker c∗ : Hq (X; G) → Hq ({∗}; G)
wobei c : X → {∗} die konstante Abbildung in den einpunktigen Raum bezeichnet. Mit Beispiel V.4.11 folgt H̃q (X; G) = Hq (X; G) falls q 6= 0, und H0 (X; G) =
H̃0 (X; G) ⊕ G für X 6= ∅. Ist X kontrahierbar dann gilt daher H̃∗ (X; G) = 0 für
jede abelsche Gruppe G.
206
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.4.12. Beispiel. Für jede abelsche Gruppe G gilt
(
G falls q = n
H̃q (S n ; G) = H̃q (S n ) ⊗ G ∼
=
0 falls q =
6 n
Dies folgt aus Satz IV.9.5 und Satz V.4.6. Für stetiges f : S n → S n ist der
induzierte Homomorphismus f∗ : H̃n (S n ; G) → H̃n (S n ; G) durch Multiplikation
mit dem Abbildungsgrad gegeben. Dies folgt aus der Natürlichkeitsaussage in
Satz V.4.6. Weiters gilt
(
G falls q = 0 oder q = n
n
n
Hq (S ; G) = Hq (S ) ⊗ G ∼
=
0 sonst
wobei dies im Fall n = 0 als H0 (S 0 ; G) = G ⊕ G zu lesen ist.
V.4.13. Beispiel. Für n ≥ 0 und jede abelsche Gruppe G gilt
(
G falls q = 0, 2, 4, . . . , 2n
Hq (CPn ; G) = Hq (CPn ) ⊗ G ∼
=
0 sonst
und die kanonische Inklusion CPn−1 → CPn , n ≥ 1, induziert einen Isomorphis∼
=
→ Hq (CPn ; G) für alle q 6= 2n. Dies folgt aus Beispiel IV.9.15
mus Hq (CPn−1 ; G) −
und Satz V.4.6. Ebenso gilt, siehe Beispiel IV.9.16,
(
G falls q = 0, 4, 8, . . . , 4n
Hq (HPn ; G) = Hq (HPn ) ⊗ G ∼
=
0 sonst
und die kanonische Inklusion HPn−1 → HPn , n ≥ 1, induziert einen Isomorphis∼
=
→ Hq (HPn ; G), für alle q 6= 4n. Aus Proposition V.4.14 unten
mus Hq (HPn−1 ; G) −
und Satz V.4.6 erhalten wir
(
Z2 falls 0 ≤ q ≤ n
Hq (RPn ; Z2 ) ∼
=
0
sonst
denn Z ⊗ Z2 ∼
= Z2 ⊗ Z2 ∼
= Tor(Z2 , Z2 ) ∼
= Z2 und Tor(Z, Z2 ) = 0, vgl. die Bemerkungen V.1.6, V.2.12 und V.1.5 sowie (V.5). Die kanonische Inklusion ι :
∼
=
RPn−1 → RPn , n ≥ 1, induziert Isomorphismen Hq (RPn−1 ; Z2 ) −
→ Hq (RPn ; Z2 )
für alle q 6= n, denn wegen der Natürlichkeit der kurzen exakten Sequenz in
Satz V.4.6 haben wir ein kommutatives Diagramm
0
/ Hq (RPn−1 ) ⊗ Z2
/ Hq (RPn−1 ; Z2 )
ι∗ ⊗idZ2
0
/ Hq (RPn ) ⊗ Z2
/ Tor Hq−1 (RPn−1 ), Z2
ι∗
/ Hq (RPn ; Z2 )
Tor(ι∗ ,idZ2 )
/ Tor Hq−1 (RPn ), Z2
/0
/0
indem, für q < n, die beiden äußeren vertikalen Pfeile Isomorphsimen sind, vgl.
Proposition V.4.14. Die kanonische Projektion S n → RPn induziert triviale Homomorphismen Hq (S n ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ) für alle q 6= 0. Auch dies folgt mithilfe
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
207
der Natütlichkeitsaussage in Satz V.4.6 aus der letzten Behauptung in Proposition V.4.14 unten.
V.4.14. Proposition. Für n ≥ 0 gilt

Z falls q = 0



Z falls 0 < q < n und q ungerade
2
∼
Hq (RPn ) =

Z falls q = n ungerade



0
sonst
Der von der kanonische Inklusion RPn−1 → RPn , n ≥ 1, induzierte Homomorphismus Hq (RPn−1 ) → Hq (RPn ) ist ein Isomorphismus falls q 6= n, n − 1, und
eine Surjektion falls q = n − 1. Für ungerades n bildet der von der kanonischen
Projektion S n → RPn induzierte Homomorphismus Hn (S n ) → Hn (RPn ) einen
Erzeuger von Hn (S n ) ∼
= Z ab.
= Z auf das Doppelte eines Erzeugers in Hn (RPn ) ∼
Beweis. Wir beweisen die gesamte Aussage der Proposition mittels Induktion nach n. Der Induktionsbeginn n = 0 ist trivial, denn RP0 ∼
= {∗}. Für
den Induktionsschritt sei nun n ≥ 1. Wir erinnern uns, dass RPn aus RPn−1
durch Ankleben einer n-Zelle entsteht, dh. RPn ∼
= RPn−1 ∪p D n , wobei p :
n−1
n−1
S
→ RP
die kanonische Projektion bezeichnet, siehe Abschnitt I.5. Nach
Beispiel IV.9.14 induziert die kanonische Inklusion ι : RPn−1 → RPn Isomorphis∼
=
→ H̃q (RPn ) für q 6= n, n − 1, und wir erhalten eine exakte
men ι∗ : H̃q (RPn−1 ) −
Sequenz
δ
p∗
ι
∗
0 → H̃n (RPn ) −
→ H̃n−1 (S n−1 ) −
→ H̃n−1 (RPn−1 ) −
→
H̃n−1 (RPn ) → 0
(V.21)
denn nach Induktionsvoraussetzung gilt H̃n (RPn−1 ) = 0.53 Daher ist auch ι∗ :
H̃n−1 (RPn−1 ) → H̃n−1 (RPn ) surjektiv. Für gerades n gilt nach Induktionsvoraussetzung H̃n−1 (RPn−1 ) ∼
= Z, und p∗ : H̃n−1 (S n−1 ) → H̃n−1 (RPn−1 ) bildet einen
Erzeuger von H̃n−1 (S n−1 ) auf das Doppelte eines Erzeugers von H̃n−1 (RPn−1 ) ab.
Aus der Exaktheit von (V.21) folgt daher H̃n (RPn ) = 0 und H̃n−1 (RPn−1 ) ∼
= Z2 ,
womit der Induktionsschritt für gerades n gezeigt wäre.
Sei nun n ungerade. Nach Induktiosvoraussetzung gilt H̃n−1 (RPn−1 ) = 0,
aus der Exaktheit von (V.21) folgt daher H̃n (RPn ) ∼
= Z und
= H̃n−1 (S n−1 ) ∼
n
H̃n−1 (RP ) = 0. Es bleibt also bloß noch zu zeigen, dass der von der kanonischen Projektion induzierte Homomorphis/ H̃ (S n /S −1 )
mus H̃n (S n ) → H̃n (RPn ) einen Erzeuger von
H̃n (S n )
n
n ∼
H̃n (S ) = Z auf das Doppelte eines Erzeugers von H̃n (RPn ) ∼
= Z abbildet. Diese Pro
∼
= /
n
n
jektion induziert nebenstehendes kommutaH̃n (RP )
H̃n (RP /RPn−1 )
tives Diagramm. Nach Korollar IV.9.3 ist der
53Um
lästige Fallunterscheidungen zu vermeiden arbeiten wir durchgehend mit reduzierter
Homologie, der Übergang zur absoluten Homologie ist dann trivial.
208
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus, denn es gilt H̃n (RPn−1 ) = 0 =
H̃n−1 (RPn−1 ). Nach Lemma V.4.15 unten, und weil (−1)n+1 = 1, bildet die
Komposition des oberen mit dem rechten Pfeil einen Erzeuger von H̃n (S n ) auf
das Doppelte eines Erzeugers von H̃n (RPn /RPn−1 ) ab. Damit ist der Beweis der
Proposition vollständig.
V.4.15. Lemma. Es sei n ≥ 1 und es bezeichne A : S n /S n−1 → S n /S n−1 die
von der Antipodalabbildung induzierte Abbildung. Weiters sei x ∈ Hn (S n /S n−1 )
n
das Bild eines Erzeugers von Hn (D+
/S n−1 ) ∼
= Z unter dem von der Inklusion
n
n
n
der oberen Hemisphäre D+ ⊆ S induzierten Homomorphismus Hn (D+
/S n−1 ) →
Hn (S n /S n−1 ). Dann gilt:
(i) {x, A∗ x} bildet eine Basis von Hn (S n /S n−1) ∼
= Z2 .
n
(ii) Der von der kanonischen Projektion S → S n /S n−1 induzierte Homomorphismus Hn (S n ) → Hn (S n /S n−1) bildet einen Erzeuger der Gruppe
Hn (S n ) ∼
= Z auf ± x + (−1)n+1 A∗ x ab.
(iii) Der von der kanonischen Projektion S n → RPn induzierte Homomorphismus Hn (S n /S n−1 ) → Hn (RPn /RPn−1 ) bildet x und A∗ x auf denselben Erzeuger von Hn (RPn /RPn−1 ) ∼
= Z ab.
n
Beweis. Die Inklusionen der beiden Hemisphären D±
⊆ S n induzieren einen
n
n
Homöomorphismus D+
/S n−1 ∨ D−
/S n−1 ∼
= S n /S n−1 , und dieser induziert einen
Isomorphismus
∼
=
n
n
→ Hn (S n /S n−1),
Hn (D+
/S n−1 ) ⊕ Hn (D−
/S n−1 ) −
(V.22)
siehe Beispiel IV.9.11. Da obiger Homöomorphismus mit der Antipodalabbildung
kommutiert folgt sofort die Behauptung (i). Für die zweite Behauptung beobachn
n
ten wir, dass die Kompositionen S n /S n−1 → S n /D∓
= D±
/S n−1 einen Isomorphismus
∼
=
n
n
Hn (S n /S n−1 ) −
→ Hn (D+
/S n−1) ⊕ Hn (D−
/S n−1),
π
induzieren, der invers zu (V.22) ist. Da die Kompositionen S n −
→ S n /S n−1 →
n
n
n
n−1
S /D∓ = D± /S
Homotopieäquivalenzen sind, bilden sie einen Erzeuger z ∈
n
n
/S n−1 ) ab. Aus obigen Überlegungen
Hn (S ) auf einen Erzeuger von Hn (D±
schließen wir nun π∗ z = ±x ± A∗ x ∈ Hn (S n /S n−1 ). Da π mit der Antipodalabbiln+1
dung kommutiert erhalten wir aus Satz IV.12.11(vi) weiters A
A∗ z.
∗ π∗ z = (−1)
2
n+1
Zusammen mit A = id folgt nun π∗ z = ± x + (−1) A∗ x . Damit ist auch Bep
n
hauptung (ii) gezeigt. Da die Komposition D+
/S n−1 → S n /S n−1 −
→ RPn /RPn−1
ein Homöomorphismus ist, siehe Abschnitt I.5, ist p∗ x tatsächlich ein Erzeuger
von Hn (RPn /RPn−1 ). Wegen p ◦ A = p wird A∗ x auf denselben Erzeuger abgebildet. Damit ist auch (iii) gezeigt.
Wir wollen nun die wichtigsten Eigenschaften des Homologiefunktors aus Kapitel IV auf den Fall beliebiger Koeffizientengruppen verallgemeinern. Wir beschränken uns auf jene Resultate die wir später verwenden werden.
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
209
V.4.16. Proposition (Additivität). Sind (Xλ , Aλ ), λ ∈ Λ,
F Paare von
F Räume,
′,
′
dann induzieren die kanonischen Inklusionen (Xλ , Aλ ) →
X
A
λ
λ
λ∈Λ
λ∈Λ
für jede abelsche Gruppe G einen Isomorphismus
L
F
F
∼
λ∈Λ H∗ (Xλ , Aλ ; G) = H∗
λ′ ∈Λ Xλ , λ′ ∈Λ Aλ ; G .
F
L
Beweis. Offensichtlich gilt C∗ λ∈Λ Xλ =
λ∈Λ C∗ (Xλ ) und daher auch
F
L
C∗ λ∈Λ Aλ = λ∈ΛC∗ (Aλ ), vgl. den Beweis von Proposition IV.5.15. Es folgt
F
F
L
C∗ λ∈Λ Xλ , λ∈Λ Aλ = λ∈Λ C∗ (Xλ , Aλ ) und daher, siehe Bemerkung V.1.9,
F
F
L
C∗ λ∈Λ Xλ , λ∈Λ Aλ ; ⊗ G = λ∈Λ C∗ (Xλ , Aλ ) ⊗ G .
Mittels Proposition IV.1.4 folgt nun die Behauptung.
V.4.17. Proposition (Homotopieinvarianz). Je zwei homotope Abbildungen
von Paaren f ≃ g : (X, A) → (Y, B) induzieren denselben Homomorphismus in
der Homologie f∗ = g∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) für jede abelsche Gruppe G.
Beweis. Nach Satz IV.7.4 gilt f♯ ≃ g♯ : C∗ (X, A) → C∗ (Y, B). Mittels Bemerkung V.3.1 erhalten wir f♯ ⊗ idG ≃ g♯ ⊗ idG : C∗ (X, A; G) → C∗ (Y, B; G),
woraus sofort f∗ = g∗ : H∗ (X, A; G) → H∗ (Y, B; G) folgt.
V.4.18. Proposition (Excision). Es sei (X, A) ein Paar von Räumen und
Z ⊆ A eine Teilmenge, sodass Z̄ ⊆ Å. Dann induziert die kanonische Inklusion
∼
=
(X \Z, A\Z) → (X, A) einen Isomorphismus H∗ (X \Z, A\Z; G) −
→ H∗ (X, A; G),
für jede abelsche Gruppe G.
Beweis. Nach Satz IV.9.1 induziert die Inklusion ι : (X \ Z, A \ Z) → (X, A)
eine Kettenhomotopieäquivalenz ι♯ : C∗ (X \ Z, A \ Z) ≃ C∗ (X, A). Tensorieren
mit G liefert eine Kettenhomotopieäquivalenz ι♯ ⊗ idG : C∗ (X \ Z, A \ Z; G) ≃
C∗ (X, A; G), siehe Bemerkung V.3.1. Daher induziert ι♯ ⊗idG einen Isomorphimus
in der Homologie. Einen alternativen Beweis erhalten wir durch Kombination von
Satz IV.9.1 mit Korollar V.4.8.
V.4.19. Proposition. Es sei A ⊆ X eine nicht-leere abgeschlossene Teilmenge. Weiters existiere eine Umgebung U von A, sodass A Deformationsretrakt
von U ist. Dann induziert die Projektion p : (X, A) → (X/A, A/A) einen Isomorphismus H∗ (X, A; G) ∼
= H∗ (X/A, A/A; G) für jede abelsche Gruppe G.
Beweis. Dies folgt aus Korollar IV.9.2 und Korollar V.4.8.
V.4.20. Proposition (Lange exakte Sequenz eines Tripels). Es sei G eine
abelsche Gruppe. Jedes Tripel von Räumen (X, A, B) induziert eine lange exakte
Sequenz von Homologiegruppen:
δq+1
j∗
ι
∗
· · · → Hq+1 (X, A; G) −−→ Hq (A, B; G) −
→
→
Hq (X, B; G) −
j∗
δq
→ Hq−1 (A, B; G) → · · ·
−
→ Hq (X, A; G) −
210
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Dabei bezeichnen ι : (A, B) → (X, B) und j : (X, B) → (X, A) die kanonischen
Inklusionen. Diese Sequenz ist natürlich, dh. das Diagramm
/
Hq+1 (X1 , A1 ; G1 )
δq+1
/
/
Hq+1 (X2 , A2 ; G2 )
/
δq+1
/
/
/
Hq (f,ϕ)
/
δq
Hq (X1 , A1 ; G1 )
Hq (f,ϕ)
ι∗
Hq (A2 , B2 ; G2 )
j∗
Hq (X1 , B1 ; G1 )
Hq (f |A1 ,ϕ)
Hq+1 (f,ϕ)
ι∗
Hq (A1 , B1 ; G1 )
j∗
Hq (X2 , B2 ; G2 )
/
δq
Hq (X2 , A2 ; G2 )
/
kommutiert für jede Abbildung von Tripel f : (X1 , A1 , B1 ) → (X2 , A2 , B2 ) und
jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G1 → G2 .
Beweis. Da C∗ (X, A) ein freier Kettenkomplex ist, splittet die kurze exakte
Sequenz
j♯
ι♯
→ Cq (X, A) → 0.
→ Cq (X, B) −
0 → Cq (A, B) −
Durch tensorieren mit G erhalten wir daher eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen, siehe Bemerkung V.1.15,
ι♯ ⊗idG
j♯ ⊗idG
0 → C∗ (A, B; G) −−−−→ C∗ (X, B; G) −−−−→ C∗ (X, A; G) → 0.
Klarerweise ist diese Sequenz natürlich, dh. das Diagramm
0
C∗ (A1 , B1 ; G1 )
/
ι♯ ⊗idG1
/
C∗ (X1 , B1 ; G1 )
0
/
C∗ (A2 , B2 ; G2 )
/
C∗ (X1 , A1 ; G1 )
f♯ ⊗ϕ
(f |A )♯ ⊗ϕ
j♯ ⊗idG1
ι♯ ⊗idG2
/
/
0
/
0
f♯ ⊗ϕ
j♯ ⊗idG2
C∗ (X2 , B2 ; G2 )
/
C∗ (X2 , A2 ; G2 )
kommutiert. Die Proposition folgt daher aus Satz IV.3.1.
V.4.21. Proposition (Lange exakte Sequenz eines Paares). Es sei G eine
abelsche Gruppe. Jedes Paar von Räumen (X, A) induziert eine lange exakte Sequenz von Homologiegruppen
δq+1
δq
ι
∗
· · · → Hq+1 (X, A; G) −−→ Hq (A; G) −
→
Hq (X; G) → Hq (X, A; G) −
→ ···
wobei ι : A → X die kanonische Inklusion bezeichnet. Diese Sequenz ist natürlich,
dh. das Diagramm
/
···
Hq+1 (X, A; G)
δq+1
/
Hq (A; G)
Hq+1 (f,ϕ)
···
/
Hq+1 (Y, B; G′ )
δq+1
ι∗
/
/
Hq (f |A ,ϕ)
Hq (B; G′ )
ι∗
/
Hq (X; G)
Hq (X, A; G)
/
Hq (f,ϕ)
Hq (Y ; G′ )
δq
/
···
/
Hq (f,ϕ)
Hq (Y, B; G′ )
δq
/
···
kommutiert für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) → (Y, B) und jeden Homomorphismus abelscher Gruppen ϕ : G → G′ .
Beweis. Dies folgt sofort aus Proposition V.4.20 angewandt auf das Tripel
(X, A, ∅), siehe auch Bemerkung V.4.3.
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
211
V.4.22. Bemerkung. Auch Bemerkung IV.6.15 bleibt sinngemäß richtig. Ist
(X, A, B) ein Tripel von Räumen, dann stimmt der Einhängungshomomorphismus δ (X,A,B) : Hq (X, A; G) → Hq−1 (A, B; G) in Proposition V.4.20 mit der Komposition
δ(X,A)
i
∗
Hq (X, A; G) −−−→ Hq−1 (A; G) = Hq−1 (A, ∅; G) −
→
Hq−1 (A, B; G)
überein. Dabei bezeichnet i : (A, ∅) → (A, B) die kanonische Inklusion und δ (X,A)
den Einhängungshomomorphismus aus Proposition V.4.21.
V.4.23. Proposition (Mayer–Vietoris Sequenz). Es seien G eine abelsche
Gruppe, X ein topologischer Raum und U, V ⊆ X zwei Teilmengen, sodass X =
Ů ∪ V̊ . Dann existiert eine natürliche lange exakte Seqeunz
(j U ,−j V )
ιU +ιV
∗
∗
· · · → Hq (U ∩ V ; G) −−∗−−−
→ Hq (U; G) ⊕ Hq (V ; G) −∗−−→
ιU +ιV
δq
∗
−∗−−→
Hq (X; G) −
→ Hq−1 (U ∩ V ; G) → · · ·
Dabei bezeichnen ιU : U → X, ιV : V → X, j U : U ∩ V → U und j V : U ∩ V → V
die kanonischen Inklusionen.
Beweis. Betrachte U := {U, V }. Wir erinnern uns an die kurze exakte Sequenz, siehe (IV.42),
V
ιU
♯ +ι♯
(j♯U ,−j♯V )
0 → C∗ (U ∩ V ) −−−−−→ C∗ (U) ⊕ C∗ (V ) −−−→ C∗U (X) → 0.
Da dies Sequenz splittet erhalten wir durch Tensorieren mit G eine kurze exakte
Sequenz von Kettenkomplexen
V
ιU
♯ +ι♯
(j♯U ,−j♯V )
0 → C∗ (U ∩ V ; G) −−−−−→ C∗ (U; G) ⊕ C∗ (V ; G) −−−→ C∗U (X) ⊗ G → 0.
Nach Satz IV.8.9 ist die Inklusion C∗U (X) → C∗ (X) eine Kettenhomotopieäquivalenz. Daher ist auch C∗U (X) ⊗ G → C∗ (X) ⊗ G = C∗ (X; G) eine Kettenhomotopieäquivalenz, siehe Bemerkung V.3.1, und induziert also einen Isomorphismus
in der Homologie. Aus Satz IV.3.1 erhalten wir nun die gewünschte lange exakte
Mayer–Vietoris Sequenz.
V.4.24. Bemerkung. Ist G = R ein kommutativer Ring, dann sind die langen exakten Sequenzen in den Propositionen V.4.20, V.4.21 und V.4.23 Sequenzen von R-Moduln, dh. alle Homomorphismen sind R-linear. Beachte, dass der
Einhängungshomomorphismus einer kurzen exakten Sequenz von Kettenkomplexen über R offensichtlich R-linear ist, vgl. Satz IV.3.1.
i
p
V.4.25. Proposition (Bockstein-Homomorphismus). Sei 0 → G1 −
→ G2 −
→
G3 → 0 eine kurze exakte Sequenz abelscher Gruppen und (X, A) ein Paar von
Räumen. Dann existiert eine lange exakte Sequenz
i
p∗
βq
∗
· · · → Hq (X, A; G1 ) −
→
Hq (X, A; G2 ) −→ Hq (X, A; G3 ) −→ Hq−1 (X, A; G1 ) → · · ·
212
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Diese Sequenz ist natürlich, dh. für jede Abbildung von Paaren f : (X, A) →
(Y, B) und jedes kommutativer Diagram
/
0
i
G1
/
G3
/
ϕ2
ϕ1
0
p
G2
/
i′
G′1
0
ϕ3
p′
G′2
/
/
G′3
/
/
0
mit exakten Zeilen kommutiert auch das folgende Diagramm:
Hq (X, A; G1 )
i∗
Hq (X, A; G2 )
/
Hq (f,ϕ1 )
Hq (Y, B; G′1)
p∗
Hq (X, A; G3 )
/
Hq (f,ϕ2 )
i′∗
/
Hq (Y, B; G′2 )
βq
Hq−1 (X, A; G1 )
/
Hq (f,ϕ3 )
p′∗
Hq (Y, B; G′3 )
/
Hq−1 (f,ϕ1 )
βq′
/
Hq−1 (Y, B; G′1 )
Der Homomorphismus β : H∗ (X, A; G3 ) → H∗−1 (X, A; G1 ) wird der von der
p
i
kurzen exakten Sequenz 0 → G1 −
→ G2 −
→ G3 → 0 induzierte Bockstein-Homomorphismus genannt.
i
p
Beweis. Tensorieren der kurzen exakten Sequenz 0 → G1 −
→ G2 −
→ G3 → 0
mit C∗ (X, A) liefert eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen
idC∗ (X,A) ⊗i
idC∗ (X,A) ⊗p
0 → C∗ (X, A) ⊗ G1 −−−−−−−→ C∗ (X, A) ⊗ G2 −−−−−−−→ C∗ (X, A) ⊗ G3 → 0,
denn C∗ (X, A) ist ein freier Kettenkomplex, und diese induziert die gewünschte
lange exakte Sequenz, siehe Satz IV.3.1. Die Natürlichkeit folgt sofort aus der
Kommutativität des Diagramms
0
C∗ (X, A) ⊗ G1
/
id ⊗i
f♯ ⊗ϕ1
0
/
C∗ (Y, B) ⊗ G′1
id ⊗p
C∗ (X, A) ⊗ G2
/
/
C∗ (X, A) ⊗ G3
f♯ ⊗ϕ2
id ⊗i′
/
C∗ (Y, B) ⊗
/
0
f♯ ⊗ϕ3
id ⊗p′
/
G′2
C∗ (Y, B) ⊗ G′3
und der Natürlichkeitsaussage in Satz IV.3.1.
/
0
V.4.26. Beispiel (Bockstein-Homomorphismus). Betrachte fogendes kommutatives Diagramm mit exakten Zeilen:
/
0
Z
m
/
Z
ρ
/
Zm
/
0
Zm
/
0
ρ
0
/
Zm
m
/
Zm2
/
Aus der ersten Zeile erhalten wir Bockstein-Homomorphismen
β̃ : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Z)
V.4. SINGULÄRE HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
213
für jedes Paar von Räumen (X, A), und die zweite Zeile liefert Bockstein-Homomorphismen
β : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Zm ).
Nach Proposition V.4.25 gilt β = ρ∗ ◦ β̃ : H∗ (X, A; Zm ) → H∗−1 (X, A; Zm ), und
damit auch β 2 = β ◦ β = 0, denn β̃ ◦ ρ∗ = 0. Für jede Abbildung von Paaren
f : (X, A) → (Y, B) gilt f∗ ◦ β̃ = β̃ ◦ f∗ sowie f∗ ◦ β = β ◦ f∗ , dh. die beiden
Diagramme
H∗ (X, A; Zm )
β̃
H∗−1 (X, A; Z)
/
f∗
f∗
H∗ (X, A; Zm )
H∗ (Y, B; Zm )
β̃
/
β
H∗−1 (X, A; Zm )
/
f∗
f∗
H∗−1 (Y, B; Z)
H∗ (Y, B; Zm )
β
/
H∗−1 (Y, B; Zm )
sind kommutativ. Ist etwa β : Hq (X, A; Zm ) → Hq−1 (X, A; Zm ) nicht-trivial,
so erhalten wir nicht-triviale Relationen zwischen den von f induzierten Homomorphsimen f∗ : Hq (X, A; Zm ) → Hq (Y, B; Zm ) und f∗ : Hq−1 (X, A; Zm ) →
Hq−1 (Y, B; Zm ).
2
V.4.27. Beispiel. Der von der kurzen exakten Sequenz 0 → Z2 −
→ Z4 →
Z2 → 0 induzierte Bockstein-Homomorphismus, siehe Beispiel V.4.26 mit m = 2,
β : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq−1 (RPn ; Z2 )
ist ein Isomorphismus für gerades q mit 2 ≤ q ≤ n, andernfalls ist β = 0. Für
den von einer stetigen Abbildung f : RPn → RPn induzierten Homomorphismus f∗ : H∗ (RPn ; Z2 ) → H∗ (RPn ; Z2 ) sind die Relationen β ◦ f∗ = f∗ ◦ β daher
nicht trivial. Insbesondere sehen wir, dass nicht jeder Homomorphismus graduierter Z2 -Vektorräume H∗ (RPn ; Z2 ) → H∗ (RPn ; Z2 ) von einer stetigen Abbildung
induziert wird.54 Nun aber zum Beweis obiger Behauptung. Wir verwenden die
Notation aus Beispiel V.4.26 mit m = 2. Aus Proposition V.4.25 erhalten wir ein
kommutatives Diagramm
Hq (RPn ; Z2 )
β̃
/
Hq−1 (RPn ; Z)
2
/
Hq−1 (RPn ; Z)
ρ∗
Hq (RPn ; Z2 )
β
/
Hq−1 (RPn ; Z2 )
mit exakter erster Zeile. Sei nun q gerade mit 2 ≤ q ≤ n. Nach Proposition V.4.14
2
→
gilt dann Hq−1 (RPn ; Z) ∼
= Z2 , also muss der Homomorphismus Hq−1 (RPn ; Z) −
Hq−1 (RPn ; Z) verschwinden. Wir schließen daher, dass β̃ im obigen Diagramm
54Wir
werden später noch wesentlich stärkere Relationen zwischen den induzierten Homomorphsimen fq : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ) herleiten, und dies führt dann sofort zu einem
Beweis des allgemeinen Borsuk–Ulam Theorems, vgl. Satz I.4.10 und Bemerkung I.4.11.
214
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
surjektiv ist. Aus Satz V.4.6 erhalten wir nebenstehendes kommutatives Diagramm, indem der untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus ist, denn
Hq−1 (RPn ; Z)
Hq−1 (RPn ) ⊗ Z
n
es gilt Tor(Hq−2 (RP ), Z2 ) = 0, siehe
ρ∗
1⊗ρ∗
Proposition V.4.14. Da der linke ver
∼
= /
tikale Pfeil offensichtlich surjektiv ist,
Hq−1 (RPn ) ⊗ Z2
Hq−1 (RPn ; Z2 )
muss also auch der rechte vertikale Homomorphismus surjektiv sein. Wir schließen, dass β = β̃ ◦ ρ∗ surjektiv ist, für
gerades q mit 2 ≤ q ≤ n. Zusammen mit β ◦ β = 0, siehe Beispiel V.4.26, und
den Berechnungen in Beispiel V.4.13 folgt nun die Behauptung.
V.5. Künneth Formel. Wir werden im nächsten Abschnitt eine natürliche Kettenhomotopieäquivalenz C(X × Y ) ≃ C(X) ⊗ C(Y ) konstruieren und
so die Berechnung der Homologie von X × Y auf die Berechnung der Homologie eines Tensorproduktes freier Kettenkomplexe zurückführen. Das Künneth–
Theorem welches wir in diesem Abschnitt herleiten wollen, siehe Satz V.5.8 unten,
beantwortet dieses algebraische Problem.
Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Unter einem Tensorprodukt von
zwei R-Moduln A und B verstehen wir einen R-Modul A ⊗R B zusammen mit
einer R-bilinearen Abbildung ⊗ : A × B → A ⊗R B, (a, b) 7→ a ⊗ b, die folgende
universelle Eigenschaft besitzt. Ist C ein weiterer R-Modul und ϕ : A × B → C
eine R-bilineare Abbildung, dann existiert genau eine R-lineare Abbildung ϕ̃ :
A ⊗R B → C, sodass ϕ̃ ◦ ⊗ = ϕ. Durch diese universelle Eigenschaft ist A ⊗R B
zusammen mit der bilinearen Abbildung ⊗ bis auf kanonischen Isomorphismus
eindeutig bestimmt, wir sprechen daher von dem Tensorprodukt von A mit B. Um
die Existenz von Tensorprodukten einzusehen, bezeichne F die von der Menge
A × B erzeugte freie abelsche Gruppe, und es bezeichne P ⊆ F die Untergruppe
die von Elementen der Form
(a1 + a2 , b) − (a1 , b) − (a2 , b),
(a, b1 + b2 ) − (a, b1 ) − (a, b2 ),
(ra, b) − (a, rb)
erzeugt wird, a, ai ∈ A, b, bi ∈ B, r ∈ R. Definiere nun A ⊗R B := F/P , und
a ⊗ b := [(a, b)]. Beachte, dass r · [(a, b)] := [(ra, b)] = [(a, rb)] wegen der Kommutativität von R eine R-Modulstruktur auf A⊗R B definiert. Offensichtlich ist dann
⊗ : A × B → A ⊗R B eine R-bilineare Abbildung. Ist nun ϕ : A × B → C eine
R-bilineare Abbildung, dann faktorisiert der durch (a, b) 7→ ϕ(a, b) definierte Homomorphismus F → C zu einer R-linearen Abbildung ϕ̃ : A ⊗R B = F/P → C,
für die nun ϕ̃ ◦ ⊗ = ϕ gilt. Es kann auch nur ein solches ϕ̃ geben, denn A ⊗R B
wird von Elementen der Form a ⊗ b erzeugt. Also hat das eben konstruierte
⊗ : A × B → A ⊗R B die universelle Eigenschaft des Tensorprodukts.
Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei R-Modulhomomorphismen, dann
induzieren diese einen R-Modulhomomorphismus ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ,
denn A × B → A′ ⊗R B, (a, b) 7→ ϕ(a) ⊗ ψ(b) ist offensichtlich R-bilinear. Diese
Konstruktion ist funktoriell, dh. für zwei weitere R-Modulhomomorphismen ϕ′ :
V.5. KÜNNETH FORMEL
215
A′ → A′′ und ψ ′ : B ′ → B ′′ gilt (ϕ′ ⊗ ψ ′ ) ◦ (ϕ ⊗ ψ) = (ϕ′ ◦ ϕ) ⊗ (ψ ′ ◦ ψ). Das
Tensorprodukt von R-Moduln liefert daher einen Funktor ModR × ModR →
ModR . Für den Ring R = Z erhalten wir das Tensorprodukt abelscher Gruppen,
vgl. Abschnitt V.1, denn ein Z-Modul ist dasselbe wie eine abelsche Gruppe. Für
einen Körper K = R erhalten wir das übliche Tensorprodukt von Vektorräumen
über K.
V.5.1. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins. Für jeden
R-Modul A induziert die R-bilineare Abbildung A × R → A, (a, r) 7→ ra, einen
kanonischen Isomorphismus von R-Moduln
A ⊗R R = A
(V.23)
mit Inversem a 7→ a⊗1R . Für je zwei R-Moduln A und B induziert die R-bilineare
Abbildung A × B → B ⊗R A, (a, b) 7→ b ⊗ a, einen kanonischen Isomorphismus
von R-Moduln
A ⊗R B = B ⊗R A.
(V.24)
Ebenso haben wir für je drei R-Moduln A, B und C, einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln
(A ⊗R B) ⊗R C = A ⊗R (B ⊗R C),
(V.25)
vgl. Bemerkung V.1.4. Wie auch für abelsche Gruppen haben wir einen kanonischen Isomorphismus von R-Moduln
L
L
λ
⊗R B = λ∈Λ (Aλ ⊗R B)
(V.26)
λ∈Λ A
für R-Moduln Aλ .
V.5.2. Bemerkung. Es seien A und B abelsche Gruppen und R ein kommutativer Ring mit Eins. Dann haben wir einen kanonischen Isomorphismus von
R-Moduln, vgl. Bemerkung V.1.20,
(A ⊗ R) ⊗R (B ⊗ R) = (A ⊗ B) ⊗ R.
Dieser wird von der mulilinearen Abbildung A × R × B × R → (A ⊗ B) ⊗ R,
(a, r, b, s) 7→ (a ⊗ b) ⊗ (rs) induziert. Der Inverse wird von der multilinearen
Abbildung A × B × R → (A ⊗ R) ⊗R (B ⊗ R), (a, b, r) 7→ (a ⊗ r) ⊗ (b ⊗ 1R ) =
(a ⊗ 1R ) ⊗ (b ⊗ r) induziert.
Sind A und B zwei graduierte R-Moduln, dann definieren wir ihr Tensorprodukt A ⊗R B als den graduierten R-Modul
L
(A ⊗R B)n := p+q=n Ap ⊗R Bq .
Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen graduierter R-Moduln,
so erhalten wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B →
A′ ⊗R B ′ indem wir
L
(ϕ ⊗ ψ)n : (A ⊗R B)n → (A′ ⊗R B ′ )n ,
(ϕ ⊗ ψ)n := p+q=n (ϕp ⊗ ψq )
216
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
setzen. Das Tensorprodukt graduierter R-Moduln liefert daher einen Funktor
R
R
⊗ : ModR
∗ × Mod∗ → Mod∗ .
V.5.3. Bemerkung. Fassen wir R als einen im Grad 0 konzentrierten graduierten R-Modul auf, so erhalten wir aus (V.23) einen kanonischen Isomorphismus
graduierter R-Moduln
A ⊗R R = A
(V.27)
für jeden graduierten R-Modul A. Aus (V.25) erhalten wir einen kanonischen
Isomorphismus graduierter R-Moduln
(A ⊗R B) ⊗R C = A ⊗R (B ⊗R C),
(V.28)
für je drei graduierte R-Moduln A, B und C. Aus (V.26) erhalten wir einen
kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln,
L
L
λ
A
⊗R B = λ∈Λ (Aλ ⊗R B)
(V.29)
λ∈Λ
L
λ
für graduierte R-Moduln Aλ , λ ∈ Λ, und B.
bezeichnet
λ∈Λ A die
L Dabei
L
λ
λ
direkte Summe graduierter R-Moduln, dh. ( λ∈Λ A )n :=
λ∈Λ An . Für zwei
graduierte R-Moduln A und B definieren wir einen kanonischen Isomorphismus
graduierter R-Moduln auf Elementen a ⊗ b ∈ Ap ⊗R Bq , durch
∼
=
→ B ⊗R A,
τ A,B : A ⊗R B −
τ A,B (a ⊗ b) := (−1)pq b ⊗ a
(V.30)
Dies würde auch ohne Vorzeichen funktionieren, vgl. (V.24), das Vorzeichen wird
notwendig wenn wir Tensorprodukte von Kettenkomplexen über R betrachten,
siehe unten.
Sind C und D zwei Kettenkomplexe über R, dann machen wir den graduierten
R-Modul C ⊗R D zu einem Kettenkomplex über R indem wir ein Differential
∂nC⊗R D : (C ⊗R D)n → (C ⊗R D)n−1
auf Elementen c ⊗ d ∈ Cp ⊗R Dq mit p + q = n, durch
∂nC⊗R D (c ⊗ d) := (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d)
(V.31)
definieren. Dies ist tatsächlich ein Differential, denn
C⊗R D C⊗R D
C⊗R D
∂n−1
∂n
(c ⊗ d) = ∂n−1
(∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d)
C
= (∂p−1
∂pC c) ⊗ d + (−1)p−1 (∂pC c) ⊗ (∂qD d) + (−1)p (∂pC c) ⊗ (∂qD d)
D
+ (−1)p (−1)p c ⊗ (∂q−1
∂qD d) = 0.
Beachte, dass hierfür das Vorzeichen in (V.31) wesentlich ist.
Sind ϕ : C → C ′ und ψ : D → D ′ zwei Kettenabbildungen zwischen Kettenkomplexen über R, dann ist der Homomorphismus graduierter R-Moduln
V.5. KÜNNETH FORMEL
217
ϕ⊗ψ : C ⊗R D → C ′ ⊗R D ′ wieder eine Kettenabbildung, denn für c⊗d ∈ Cp ⊗Dq
mit p + q = n gilt:
∂nC⊗R D ◦ (ϕ ⊗ ψ) (c ⊗ d) = ∂nC⊗R D (ϕc ⊗ ψd)
= (∂pC ϕc) ⊗ ψd + (−1)p ϕc ⊗ (∂qD ψd)
= (ϕ∂pC c) ⊗ ψd + (−1)p ϕc ⊗ (ψ∂qD d)
= (ϕ ⊗ ψ) (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d)
= (ϕ ⊗ ψ) ◦ ∂nC⊗R D (c ⊗ d)
Das Tensorprodukt von Kettenkomplexen über R liefert daher einen Funktor
⊗ : CompR × CompR → CompR .
V.5.4. Bemerkung. Fassen wir R als einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex (mit trivialen Differential) auf, dann liefert (V.27) einen kanonischen
Isomorphismus von Kettenkomplexen über R,
C ⊗R R = C.
(V.32)
Für drei Kettenkomplexe C, D, E über R definiert (V.28) einen kanonischen
Isomorphismus von Kettenkomplexen über R,
(C ⊗R D) ⊗R E = C ⊗R (D ⊗R E),
(V.33)
denn für c ⊗ d ⊗ e ∈ Cp ⊗R Dq ⊗R Er mit p + q + r = n gilt
C⊗R D
∂n(C⊗R D)⊗R E (c ⊗ d ⊗ e) = ∂p+q
(c ⊗ d) ⊗ e + (−1)p+q (c ⊗ d) ⊗ (∂rE e)
= (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d) ⊗ e + (−1)p+q c ⊗ d ⊗ (∂rE e)
= (∂pC c) ⊗ (d ⊗ e) + (−1)p c ⊗ (∂qD )d ⊗ e + (−1)q d ⊗ (∂ E e)
= (∂pC c) ⊗ (d ⊗ e) + (−1)p c ⊗ ∂qD⊗R E (d ⊗ e)
= ∂nC⊗R (D⊗R E) (c ⊗ d ⊗ e)
Für Kettenkomplexe C λ , λ ∈ Λ, und D liefert (V.29) einen kanonischen Isomorphismus von Kettenkomplexen über R,
L
L
λ
⊗R D = λ∈Λ (C λ ⊗R D).
(V.34)
λ∈Λ C
L
Dabei
bezeichnet λ∈Λ C λ die direkte Summe von Kettenkomplexen über R, dh.
L
L
L
L λ
λ
Cλ
∂n λ := λ ∂nC : λ Cnλ → λ Cn−1
. Wie in Proposition IV.1.4 erhalten wir
auch einen kanonischen Isomorphismus graduierter R-Moduln
L
L
λ
H
= λ∈Λ H(C λ ).
(V.35)
λ∈Λ C
Für zwei Kettenkomplexe C und D über R definiert (V.30) einen kanonischen
Isomorphismus von Kettenkomplexen über R,
∼
=
→ D ⊗R C.
τ C,D : C ⊗R D −
218
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Beachte, dass hier das Vorzeichen in der Definition von τ C,D , siehe (V.30), wesentlich eingeht, denn für c ⊗ d ∈ Cp ⊗R Dq mit p + q = n, gilt:
∂nD⊗R C ◦ τ C,D (c ⊗ d) = ∂nD⊗R C (−1)pq d ⊗ c
= (−1)pq (∂qD d) ⊗ c + (−1)q d ⊗ (∂pC c)
= (−1)(p−1)q d ⊗ (∂pC c) + (−1)p (−1)p(q−1) (∂qD d) ⊗ c
= τ C,D (∂pC c) ⊗ d + (−1)p c ⊗ (∂qD d)
= τ C,D ◦ ∂nC⊗R D (c ⊗ d)
V.5.5. Bemerkung. Das Tensorprodukt von Kettenkomplexen über R ist
auch mit Kettenhomotopie55 verträglich. Sind ϕ ≃ ϕ̃ : C → C ′ und ψ ≃ ψ̃ : D →
D ′ homotope Kettenabbildungen zwischen Kettenkomplexen über R, dann gilt
′
auch ϕ ⊗ ψ ≃ ϕ̃ ⊗ ψ̃ : C ⊗R D → C ′ ⊗R D ′ . Sind nämlich g : C∗ → C∗+1
und
′
h : D∗ → D∗+1 zwei R-lineare Homotopien mit
′
ϕ̃ − ϕ = g ◦ ∂ C + ∂ C ◦ g,
und
′
ψ̃ − ψ = h ◦ ∂ D + ∂ D ◦ h,
dann ist k : (C ⊗R D)∗ → (C ′ ⊗R D ′ )∗+1 definiert durch
k|Cp ⊗R Dq := gp ⊗ ψq + (−1)p ϕ̃p ⊗ hq
eine R-lineare Homotopie mit
′
′
ϕ̃ ⊗ ψ̃ − ϕ ⊗ ψ = k ◦ ∂ C⊗R D + ∂ C ⊗R D ◦ k.
Insbesondere folgt aus C ≃ C ′ und D ≃ D ′ sofort C ⊗R D ≃ C ′ ⊗R D ′ .
Für zwei Kettenkomplexe C und D über R definieren wir
λC,D
p,q : Hp (C) × Hq (D) → Hp+q (C ⊗R D),
λC,D [c], [d] := [c ⊗ d].
Beachte, dass dies aufgrund von (V.31) tatsächlich wohldefiniert ist. Offensichtlich
ist diese Abbildung R-bilinear und kann daher auch als R-lineare Abbildung
λC,D
p,q : Hp (C) ⊗R Hq (D) → Hp+q (C ⊗R D)
aufgefasst werden. Wir erhalten somit einen kanonischen Homomorphismus graduierter R-Moduln
λC,D : H(C) ⊗R H(D) → H(C ⊗R D).
(V.36)
In der folgenden Proposition stellen wir einige einfache Eigenschaften dieses Homomorpshimus zusammen, die wir später verwenden werden.
V.5.6. Proposition. Ist R ein kommutativer Ring mit Eins, dann gilt:
55Unter
einer Kettenhomotopie zwischen Kettenkomplexen über R verstehen wir eine Rlineare Kettenhomotopie.
V.5. KÜNNETH FORMEL
219
(i) Für je zwei Kettenabbildungen ϕ : C → C ′ und ψ : D → D ′ zwischen
Kettenkomplexen über R kommutiert das folgende Diagramm:
λC,D
H(C) ⊗R H(D)
H(C ⊗R D)
/
ϕ∗ ⊗ψ∗
(ϕ⊗ψ)∗
′
′
λC ,D
H(C ′ ) ⊗R H(D ′ )
H(C ′ ⊗R D ′ )
/
(ii) Für je zwei Kettenkomplexe C und D über R kommutiert das folgende
Diagramm:
λC,D
H(C) ⊗R H(D)
H(C ⊗R D)
/
∼
= τ∗C,D
∼
= τ H(C),H(D)
H(D) ⊗R H(C)
λD,C
H(D ⊗R C)
/
(iii) Für je drei Kettenkomplexe C, D und E über R ist das folgende Diagramm kommutativ:
H(C) ⊗R H(D) ⊗R H(E)
λC,D ⊗idH(E)
H(C ⊗R D) ⊗R H(E)
/
idH(C) ⊗λD,E
λC⊗R D,E
λC,D⊗R E
H(C) ⊗R H(D ⊗R E)
/
H(C ⊗R D ⊗R E)
(iv) Fassen wir R als einen in Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex auf,
dann gilt H(R) = R, C ⊗R R = C und folgendes Diagramm kommutiert:
H(C) ⊗R H(R)
λC,R
/
H(C ⊗R R)
H(C) ⊗R R
H(C)
(v) Für Kettenkomplexe C α , α ∈ A, und D über R kommutiert das folgende
Diagramm:
L α
L α
L α
λ C ,D
/H (
H
⊗R H(D)
α C ) ⊗R D
αC
siehe (V.34)
siehe (V.35)
L
L
α
α H(C ) ⊗R H(D)
α
H
siehe (V.29)
H(C α ) ⊗R H(D)
L
α
λC ,D
/
L
L
α
α
α (C ⊗R D)
siehe (V.35)
H(C α ⊗R D)
Beweis. Alle diese Aussagen sind trivial, λ wird ja im Wesentlichen von der
identischen Abbildung induziert.
220
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.5.7. Satz (Künneth Theorem). Es seien C und D zwei Kettenkomplexe
über einem Körper K. Dann ist
∼
=
λC,D : H(C) ⊗K H(D) −
→ H(C ⊗K D)
ein natürlicher Isomorphismus, es gilt daher
M
Hp (C) ⊗K Hq (D).
Hn (C ⊗K D) ∼
=
p+q=n
Sind A und B zwei graduierte abelsche Gruppen, dann definieren wir eine
graduierte abelsche Gruppe Tor(A, B) durch
M
Tor(A, B)n :=
Tor(Ap , Bq ).
p+q=n
Dies liefert in naheliegender Weise einen Funktor Tor : aGrp∗ ×aGrp∗ → aGrp∗
der den Funktor aus Abschnitt V.2 erweitert.
V.5.8. Satz (Künneth Theorem). Es seien C und D zwei Kettenkomplexe56
von denen mindestens einer frei ist. Dann existiert eine natürliche kurze exakte
Sequenz abelscher Gruppen
λC,D
0 → H(C) ⊗ H(D) n −−−→ Hn (C ⊗ D) → Tor(H(C), H(D))n−1 → 0
dh. für zwei Kettenabbildungen ϕ : C → C ′ und D → D ′ kommutiert das Diagramm
/ H(C) ⊗ H(D)
0
ϕ∗ ⊗ψ∗
/ H(C ′ ) ⊗ H(D ′ )
0
λC,D
n
/ Hn (C ⊗ D)
/ Tor(H(C), H(D))n−1
(ϕ⊗ψ)∗
C ′ ,D ′
λ
n
/ Hn (C ′ ⊗ D ′ )
/0
Tor(ϕ∗ ,ψ∗ )
/ Tor(H(C ′ ), H(D ′ ))n−1
/0
Sind C und D beide frei, dann splittet diese Sequenz und es gilt daher
Hn (C ⊗ D) ∼
= H(C) ⊗ H(D) n ⊕ Tor(H(C), H(D))n−1
M
M
=
Hp (C) ⊗ Hq (D) ⊕
Tor(Hp (C), Hq (D)).
p+q=n
p+q=n−1
Dieser Split kann jedoch nicht natürlich gewählt werden.
V.5.9. Bemerkung. Die beiden Sätze V.5.7 und V.5.8 können als Spezialfälle
eines allgemeineren Künneth–Theorems aufgefasst werden. Dieses berechnet den
graduierten R-Modul H(C ⊗R D) für freie Kettenkomplexe C und D über einem
Hauptidealring R. Das Resultat sieht wie Satz V.5.8 aus, nur treten jetzt Tensorprodukt über R und eine Verallgemeinerung des Tor-Funktors für R-Moduln
auf. Genaueres findet sich etwa in [6].
56dh.
R=Z
V.5. KÜNNETH FORMEL
221
V.5.10. Bemerkung. Ist G eine abelsche Gruppe und fassen wir diese als
einen im Grad 0 konzentrierten Kettenkomplex D := G auf, dann gilt H(D) = G,
und Satz V.5.8 reduziert sich auf das universelle Koeffiziententheorem V.3.3.
Im verbleibenden Teil dieses Abschnitts werden wir die beiden Sätze oben
beweisen. Unter einem
freien R-Modul verstehen wir einen R-Modul der zu einer
L
direkten Summe α∈A R isomorph ist. Ein freier Z-Modul ist daher dasselbe wie
eine freie abelsche Gruppe. Jeder Vektorraum über K besitzt eine Basis und ist
daher ein freier K-Modul. Unter einem freien Kettenkomplex über R verstehen
wir einen Kettenkomplex C über R indem jedes Cq ein freier R-Modul ist. Jeder
Kettenkomplex über einem Körper K ist frei.
V.5.11. Lemma. Es sei R ein kommutativer Ring mit Eins und es sei C ein
freier Kettenkomplex über R mit ∂ C = 0, dh. H(C) = C. Dann ist
∼
=
→ H(C ⊗R D)
λC,D : H(C) ⊗R H(D) −
ein Isomorphismus von R-Moduln, für jeden weiteren Kettenkomplex D über R.
Beweis. Wir betrachten zunächst C = R, dh. wir fassen R als einen im Grad
0 konzentrierten Kettenkomplex auf. In diesem Fall folgt die Behauptung sofort
aus Proposition V.5.6(iv). Etwas allgemeiner sei nun k ∈ Z fix, und C von der
Form Ck = R und Cq = 0 für q 6= k. Da sich dies von dem zuvor betrachteten
Kettenkomplex bloß um eine Verschiebung der Graduierung unterscheidet, bleibt
die Behauptung des Lemmas offensichtlich auch für diesen Kettenkomplex richtig.
Jeder freie
C über R mit ∂ C = 0 ist zu einem Kettenkomplex der
L Kettenkomplex
α
Form
isomorph, wobei jeder der Kettenkomplexe C α von der oben
α∈A C
betrachteten Gestalt ist, dh. es existieren kα ∈ Z, sodass Ckαα = R und Cqα = 0
für alle q 6= kα . Das Lemma folgt daher aus Proposition V.5.6(v).
Sei nun C ein freier Kettenkomplex über R. Wir definieren einen Kettenkomplex C + durch Verschiebung der Graduierung, dh. C∗+ := C∗−1 . Dann können
wir
j
∂C
0 → ZC −
→ C −→ BC + → 0
(V.37)
als kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen über R auffassen. Dabei bezeichnen ZC die Zyklen von C und BC + die Ränder von C + mit den trivialen Diffe+
rentialen ∂ ZC = 0 und ∂ BC = 0. Ist nun R = K ein Körper oder R = Z dann
ist auch BC + ⊆ C + frei, und die Sequenz (V.37) splittet daher.57 Also ist auch
j⊗idD
∂ C ⊗id
D
0 → ZC ⊗R D −−−→ C ⊗R D −−−−→
BC + ⊗R D → 0
57Dieses
Argument bleibt für Hauptidealringe R richtig, denn in diesem Fall ist jeder Teilmodul eines freien R-Moduls wieder frei.
222
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
eine splittende kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen über R. Diese induziert eine lange exakte Sequenz von R-Moduln
δ
(∂ C ⊗idD )∗
(j⊗idD )∗
Hn+1 BC + ⊗R D −
→ Hn (ZC ⊗R D) −−−−−→ Hn (C ⊗R D) −−−−−−→
(∂ C ⊗idD )∗
δ
−−−−−−→ Hn (BC + ⊗R D) −
→ Hn−1 (ZC ⊗R D)
Eine einfache Überlegung zeigt, dass das folgende Diagramm kommutiert:
δ
/ Hn (ZC ⊗R D)
Hn+1 BC + ⊗R D
O
O
∼
= λZC,D
∼
= λBC + ,D
H(BC + ) ⊗R H(D)
BC ⊗R H(D)
n+1
i⊗idH(D)
n
H(ZC) ⊗R H(D)
/
ZC ⊗R H(D)
n
(V.38)
n
wobei i : BC → ZC die kanonische Inklusion bezeichnet. Nach Lemma V.5.11
sind die vertikalen λ-Pfeile alle Isomorphismen. Aus der langen exakten Sequenz
oben erhalten wir somit eine natürliche exakte Sequenz
i⊗idH(D)
0 → coker BC ⊗R H(D) n −−−−−→ (ZC ⊗R H(D) n → Hn (C ⊗R D) →
i⊗idH(D)
→ ker BC ⊗R H(D) n−1 −−−−−→ ZC ⊗R H(D) n−1 → 0. (V.39)
Zur Berechnung der beiden Randterme in (V.39) betrachten wir nun die kurze
exakte Sequenz graduierter R-Moduln
i
0 → BC −
→ ZC → H(C) → 0.
(V.40)
Ist R = K ein Körper, dann ist H(C) frei, die Sequenz (V.40) splittet daher, und wir erhalten durch Tensorieren mit H(D) eine kurze exakte Sequenz
graduierter K-Vektorräume
i⊗idH(D)
0 → BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) → H(C) ⊗K H(D) → 0.
Wir erhalten somit natürliche Isomorphismen:
i⊗idH(D)
ker BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) = 0
i⊗idH(D)
coker BC ⊗K H(D) −−−−−→ ZC ⊗K H(D) = H(C) ⊗K H(D)
Die kurze exakte Sequenz (V.39) liefert für R = K daher den gesuchten Isomorphismus:
H(C) ⊗K H(D) n = Hn (C ⊗K D).
V.5. KÜNNETH FORMEL
223
Eine einfache Überlegung zeigt, dass dieser tatsächlich mit λC,D übereinstimmt,
siehe (V.38). Damit ist Satz V.5.7 gezeigt, die Natürlichkeitsaussage haben wir
schon in Proposition V.5.6(i) festgehalten.
Sei nun R = Z. Wir betrachten wieder die kurze exakte Sequenz
i
0 → Bp (C) −
→ Zp (C) → Hp (C) → 0.
Da C frei ist, sind auch Bp (C) und Zp (C) frei, dies ist also eine freie Auflösung
von Hp (C). Für jedes q erhalten wir somit eine natürliche exakte Sequenz:58
i⊗idHq (D)
0 → Tor(Hp (C), Hq (D)) → Bp (C) ⊗ Hq (D) −−−−−−→
i⊗idHq (D)
−−−−−−→ Zp (C) ⊗ Hq (D) → Hp (C) ⊗ Hq (D) → 0.
Summieren über alle p und q liefert eine natürliche exakte Sequenz graduierter
abelscher Gruppen
i⊗idH(D)
0 → Tor(H(C), H(D)) → BC ⊗ H(D) −−−−−−→ ZC ⊗ H(D) → H(C) ⊗ H(D) → 0.
und daher natürliche Isomorphismen
i⊗idH(D)
ker BC ⊗ H(D) −−−−−→ ZC ⊗ H(D) = Tor(H(C), H(D))
i⊗idH(D)
coker BC ⊗ H(D) −−−−−→ ZC ⊗ H(D) = H(C) ⊗ H(D)
Zusammen mit der kurzen exakten Sequenz (V.39) erhalten wir nun die gesuchte
kurze exakte Sequenz
0 → H(C) ⊗ H(D) n → Hn (C ⊗ D) → Tor(H(C), H(D))n−1 → 0. (V.41)
Wieder ist es leicht einzusehen, dass der injektive Homomorphismus mit λC,D
übereinstimmt. Auch die Natürlichkeitsaussage ist trivial, wir haben ja bloß
natürliche Kostruktionen verwendet. Um den Beweis von Satz V.5.8 abzuschließen genügt es nun einen Splitt dieser Sequenz zu konstruieren. Seien dazu C
und D beide frei. Wähle einen Splitt r : C → ZC der kurzen exakten Sequenz
0 → ZC → C → BC + → 0 und einen Splitt ρ : D → ZD der kurzen exakten
Sequenz 0 → ZD → D → BD + → 0. Fassen wir dies als Kettenabbildungen
r̄ : C, ∂ C → H(C), ∂ = 0
und
ρ̄ : D, ∂ D → H(D), ∂ = 0
auf, so erhalten wir eine Kettenabbildung
r̄ ⊗ ρ̄ : C ⊗ D, ∂ C⊗D → H(C) ⊗ H(D), ∂ = 0
und diese induziert einen Homomorphismus abelscher Gruppen
(r̄ ⊗ ρ̄)∗ : Hn (C ⊗ D) → H(C) ⊗ H(D) n .
58Auch
dieser Schritt lässt sich über jedem Hauptidealring R durchführen, in diesem Fall
tritt nun aber die naheliegende Verallgemeinerung des Tor-Funktors für R-Moduln auf.
224
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Eine einfache Überlegung zeigt, dass dies ein Splitt der Sequenz (V.41) ist. Damit
ist auch der Beweis von Satz V.5.8 vollständig.
V.6. Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Wir werden in diesem Abschnitt eine
natürliche Kettenhomotopieäquivalenz C(X × Y ) ≃ C(X) ⊗ C(Y ) konstruieren,
siehe Satz V.6.2 unten, und diese dann mit dem universellen Koeffiziententheorem
aus Abschnitt V.5 kombinieren um H(X × Y ) zu berechnen, siehe Korollar V.6.7
bzw. Korollar V.6.8 unten. Es ist möglich für diese Kettenhomotopieäquivalenz
explizite Formeln anzugeben, vgl. Bemerkung V.6.4 unten, diese sind aber nicht
besonders hilfreich. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass eine solche natürliche
Kettenhomotopieäquivalenz bis auf Kettenhomotopie eindeutig ist. Insbesondere
ist der davon induzierte Isomorphismus H(X × Y ) = H(C(X) ⊗ C(Y )) unabhängig von der Wahl einer solchen natürlichen Kettenhomotopieäquivalenz.
V.6.1. Definition (Eilenberg–Zilber Äquivalenz). Unter einer Eilenberg–Zilber Äquivalenz verstehen wir normierte natürliche Kettenabbildungen
P : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y ) bzw. Q : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ).
Dh. P bzw. Q sind für je zwei topologische Räume X und Y definiert, und für
stetige Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ kommutieren die Diagramme
P X,Y
C(X) ⊗ C(Y )
/
C(X × Y )
f♯ ⊗g♯
(f ×g)♯
′ P
C(X ′ ) ⊗ C(Y )
X ′ ,Y ′
/
C(X × Y )
bzw.
C(X) ⊗ C(Y )
/
f♯ ⊗g♯
(f ×g)♯
C(X ′ ⊗ Y ′ )
QX,Y
X
′ Q
C(X ′ × Y )
′ ,Y ′
/
C(X ′ ) ⊗ C(Y ′ )
Weiters sollen die Normierungsbedingungen
P (x ⊗ y) = (x, y)
bzw.
Q(x, y) = x ⊗ y
für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y gelten.
Für jeden topologischen Raum definieren wir die sogenannte Augmentation εX : C0 (X) → Z auf Erzeugern x : ∆0 → X durch εX (x) := 1. Dies
ist offensichtlich natürlich, dh. für jede stetige Abbildung f : X → Y gilt
εY ◦ f♯ = εX . Da εX ◦ ∂1X = 0, können wir die Augmentation auch als Kettenabbildung εX : C(X) → Z betrachten, wobei wir nun Z als einen im Grad
0 konzentrierten Kettenkomplex mit trivialem Differential auffassen. Es ist dann
ker(εX ) ein Teilkomplex von C(X) und H(ker εX ) = H̃(X).
V.6.2. Satz (Eilenberg–Zilber Äquivalenz). Es existieren Eilenberg–Zilber
Äquivalenzen P und Q wie oben. Für je zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen P
und Q existieren natürliche Kettenhomotopien
P X,Y ◦ QX,Y ≃ idC(X×Y )
und
QX,Y ◦ P X,Y ≃ idC(X)⊗C(Y ) .
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
225
Insbesondere ist jede Eilenberg–Zilber Äquivalenz eine Kettenhomotopieäquivalenz. Weiters sind je zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen (vom selben Typ) kettenhomotopieäquivalent.
Sind P und Q Eilenberg–Zilber Äquivalenzen, dann kommutieren die folgenden
Diagramme bis auf natürliche Kettenhomotopie:
P X,Y
C(X) ⊗ C(Y )
P Y,X
C(Y ) ⊗ C(X)
C(X) ⊗ C(Y )
/
T♯X,Y
τ C(X),C(Y )
QX,Y
C(X × Y )
/
/
C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z)
τ C(X),C(Y )
QY,X
C(Y × X)
P X,Y ⊗idC(Z)
/
P X,Y ×Z
/
QX×Y,Z
/
C(X × Y × Z)
C(X × Y ) ⊗ C(Z)
QX,Y ⊗idC(Z)
QX,Y ×Z
idC(X)
C(X) ⊗ C(Y × Z)
C(X) ⊗ C({∗})
P X,{∗}
(V.43)
P X×Y,Z
C(X) ⊗ C(Y × Z)
C(X × Y × Z)
C(Y ) ⊗ C(X)
/
C(X × Y ) ⊗ C(Z)
idC(X) ⊗P Y,Z
/
⊗QY,Z
C(X × {∗})
/
C(X) ⊗ Z
C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z)
QX,{∗}
/
C(X) ⊗ C({∗})
idC(X) ⊗ε{∗}
C(X)
(V.44)
idC(X) ⊗ε{∗}
(V.42)
(V.45)
C(X) ⊗ Z
Dabei bezeichnet T X,Y die Abbildung T X,Y : X ×Y → Y ×X, T X,Y (x, y) := (y, x).
Beweis. Wir führen den Beweis mittels der Methode der azyklischen Modelle.
Da ∆p × ∆q kontrahierbar ist, gilt:
(
Z falls k = 0
Hk C(∆p × ∆q ) = Hk (∆p × ∆q ) =
(V.46)
0 sonst
Aus der Kontrahierbarkeit von ∆p und Satz V.5.8 erhalten wir weiters:
(
Z falls k = 0
Hk C(∆p ) ⊗ C(∆q ) =
0 sonst
(V.47)
Wir zeigen zunächst die Existenz von P , es sind daher Homomorphismen
PnX,Y : C(X) ⊗ C(Y ) n → Cn (X × Y )
(V.48)
226
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
zu konstruieren, sodass
P0X,Y (x ⊗ y) = (x, y)
(V.49)
X,Y
∂nC(X×Y ) ◦ PnX,Y = Pn−1
◦ ∂nC(X)⊗C(Y )
X ′ ,Y ′
(f × g)♯ ◦ PnX,Y = Pn
(V.50)
◦ (f♯ ⊗ g♯ )
(V.51)
für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y und alle stetigen
Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ . Wir konstruieren PnX,Y mittels Induktion nach n. Für den Induktionsbeginn bemerken wir, dass P0X,Y durch (V.49)
völlig festgelegt ist und offensichtlich (V.51) mit n = 0 erfüllt. Für den IndukX,Y
tionsschritt nehmen wir nun an, dass P0X,Y , . . . , Pn−1
mit obigen Eigenschaften
(V.49) bis (V.51) bereits konstruiert sind, n ≥ 1. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.50) erhalten wir
C(X×Y )
∂n−1
C(X)⊗C(Y )
X,Y
X,Y
◦ ∂n−1
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = Pn−2
◦ Pn−1
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = 0.
Für p+q = n ist id∆p ⊗ id∆q ∈ (C(∆p )⊗C(∆q ))n . Da Hn−1 (C(∆p )⊗C(∆q )) = 0,
siehe (V.46), erhalten wir aus obiger Gleichung mit X = ∆p und Y = ∆q also
bp,q ∈ Cn (∆p × ∆q ) mit
p
q p
q
∆p ,∆q
(V.52)
◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q ).
∂nC(∆ ×∆ ) (bp,q ) = Pn−1
Die letzte Behauptung bleibt auch für n = 1 richtig, denn
C(X)⊗C(Y )
εX×Y ◦ P0X,Y ◦ ∂1
C(X)⊗C(Y )
= (εX ⊗ εY ) ◦ ∂1
=0
L
p
q
und H0 (ker(ε∆ ×∆ )) = H̃0 (∆p ×∆q ) = 0. Da (C(X)⊗C(Y ))n = p+q=n Cp (X)⊗
Cq (Y ) können wir nun Homomorphismen PnX,Y wie in (V.48) auf singulären Simplizes σ : ∆p → X und τ : ∆q → Y durch
PnX,Y (σ ⊗ τ ) := (σ × τ )♯ (bp,q )
definieren. Dieses PnX,Y ist natürlich, dh. erfüllt (V.51), denn:
(f × g)♯ ◦ PnX,Y (σ ⊗ τ ) = (f × g)♯ ◦ (σ × τ )♯ (bp,q )
= (f × g) ◦ (σ × τ ) ♯ (bp,q )
= (f ◦ σ) × (g ◦ τ ) ♯ (bp,q )
′
′
= PnX ,Y (f ◦ σ) ⊗ (g ◦ τ )
′
′
= PnX ,Y f♯ (σ) ⊗ g♯ (τ )
′
′
= PnX ,Y ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (σ ⊗ τ )
(V.53)
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
227
Der Homomorphsimus PnX,Y genügt aber auch der Kettenrelation (V.50), denn:
∂nC(X×Y ) ◦ PnX,Y (σ ⊗ τ ) = ∂nC(X×Y ) ◦ (σ × τ )♯ (bp,q )
p
q = (σ × τ )♯ ◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (bp,q )
p
q ∆p ,∆q
◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q )
= (σ × τ )♯ ◦ Pn−1
p
q X,Y
◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (id∆p ⊗ id∆q )
= Pn−1
X,Y
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (id∆p ⊗ id∆q )
= Pn−1
X,Y
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) (σ ⊗ τ )
= Pn−1
Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.53) verwendet,
im dritten ist (V.52) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir
die Natürlichkeit von Pn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.51), verwendet.
Damit ist der Beweis des Induktionsschrittes vollständig und die Existenz einer
Eilenberg–Zilber Äquivalenz P gezeigt.
Wir widmen uns nun der Existenz von Q, es sind daher Homomorphismen
QX,Y
: Cn (X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) n
(V.54)
n
zu konstruieren, sodass
(x, y) = x ⊗ y
QX,Y
0
∂nC(X)⊗C(Y )
◦
QX,Y
n
=
QX,Y
n−1
(V.55)
(V.56)
◦ (f × g)♯
(V.57)
◦
X ′ ,Y ′
(f♯ ⊗ g♯ ) ◦ QX,Y
= Qn
n
∂nC(X×Y )
für alle singuläre 0-Simplizes x : ∆0 → X und y : ∆0 → Y und alle stetigen
Abbildungen f : X → X ′ sowie g : Y → Y ′ . Wir konstruieren QX,Y
wieder
n
mittels Induktions nach n. Für den Induktionsbeginn bemerken wir, dass QX,Y
0
durch (V.55) völlig festgelegt ist und offensichtlich (V.57) mit n = 0 erfüllt.
Für den Induktionsschritt nehmen wir nun an, dass QX,Y
, . . . , QX,Y
0
n−1 mit obigen
Eigenschaften (V.55) bis (V.57) bereits konstruiert sind, n ≥ 1. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.56) erhalten wir
C(X)⊗C(Y )
∂n−1
C(X×Y )
C(X×Y )
◦ QX,Y
= QX,Y
n−1 ◦ ∂n
n−2 ◦ ∂n−1
◦ ∂nC(X×Y ) = 0.
Betrachte nun die Diagonalabbildung Dn : ∆n → ∆n × ∆n , Dn (t) := (t, t),
als singulären Simplex Dn ∈ Cn (∆n × ∆n ). Da Hn−1 (C(∆n ) ⊗ C(∆n )) = 0,
siehe (V.47), erhalten wir aus obiger Gleichung mit X = Y = ∆n also bn ∈
(C(∆n ) ⊗ C(∆n ))n mit
n ,∆n
n
n n
n
◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (Dn ).
∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (bn ) = Q∆
(V.58)
n−1
Dies bleibt auch für n = 1 richtig, denn
C(X×Y )
(εX ⊗ εY ) ◦ QX,Y
◦ ∂1
0
C(X×Y )
= εX×Y ◦ ∂1
=0
228
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
n
n
und H0 (ker(ε∆ ⊗ ε∆ )) = 0. Definiere nun einen Homomorphismus QX,Y
wie in
n
n
(V.54) auf singulären Simiplizes σ : ∆ → X × Y durch
n
QX,Y
(V.59)
n (σ) := (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ (b ),
wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen
bezeichnen. Dieses QX,Y
ist natürlich, dh. erfüllt (V.57), denn:
n
n
(f♯ ⊗ g♯ ) ◦ QX,Y
(σ)
=
(f
⊗
g
)
◦
(π
◦
σ)
⊗
(π
◦
σ)
(b )
♯
♯
1
♯
2
♯
n
= f♯ ◦ (π1 ◦ σ)♯ ⊗ g♯ ◦ (π2 ◦ σ)♯ (bn )
= (f ◦ π1 ◦ σ)♯ ⊗ (g ◦ π2 ◦ σ)♯ (bn )
= (π1 ◦ (f × g) ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ (f × g) ◦ σ)♯ (bn )
′ ,Y ′
= QX
(f × g) ◦ σ
n
′ ,Y ′
= QX
◦ (f × g)♯ (σ)
n
Der Homomorphsimus QX,Y
genügt aber auch der Kettenrelation (V.56), denn:
n
n
C(X)⊗C(Y )
X,Y
C(X)⊗C(Y )
∂n
◦ Qn (σ) = ∂n
◦ (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ (b )
n
n
= (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ◦ ∂nC(∆ )⊗C(∆ ) (bn )
∆n ,∆n
C(∆n ×∆n )
= (π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ◦ Qn−1 ◦ ∂n
(Dn )
n
n
C(∆ ×∆ )
(Dn )
= QX,Y
n−1 ◦ (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ ◦ ∂n
C(X×Y )
= QX,Y
◦ (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ (Dn )
n−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
= QX,Y
(π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ◦ Dn
n−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
= QX,Y
(σ)
n−1 ◦ ∂n
Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.59) verwendet,
im dritten ist (V.58) eingegangen, und im vierten haben wir die Natürlichkeit
von Qn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.57), verwendet. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt und die Existenz einer Eilenberg–Zilber Äquivalenz Q
bewiesen.
Betrachten wir nun zwei fixe Eilberg–Zilber Äquivalenzen P und Q wie oben.
Wir wollen zunächst P X,Y ◦ QX,Y ≃ idC(X×Y ) zeigen. Beachte, dass
ϕX,Y := P X,Y ◦ QX,Y − idC(X×Y ) : C(X × Y ) → C(X × Y )
eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf C0 (X × Y ) verschwindet. Wir konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen
hX,Y
: Cn (X × Y ) → Cn+1(X × Y )
n
(V.60)
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
229
sodass
C(X×Y )
ϕX,Y
= ∂n+1
n
X ′ ,Y ′
(f × g)♯ ◦ hX,Y
= hn
n
C(X×Y )
◦ hX,Y
+ hX,Y
n
n−1 ◦ ∂n
◦ (f × g)♯
(V.61)
(V.62)
für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ . Für den Induktionsbeginn genügt es zu beobachten, dass hX,Y
:= 0 alle gewünschten Eigenschaften
0
X,Y
hat. Induktiv nehmen wir nun an h0 , . . . , hX,Y
n−1 , n ≥ 1, sind schon konstruiert
und genügen den Relationen (V.61) und (V.62) oben. Aus der Induktionsvoraussetzung, siehe (V.61), erhalten wir
C(X×Y )
∂nC(X×Y ) ◦ ϕX,Y
− hX,Y
n
n−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
C(X×Y )
= ϕX,Y
◦ hX,Y
n−1 − ∂n
n−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
= hX,Y
n−2 ◦ ∂n−1
◦ ∂nC(X×Y ) = 0.
Wir betrachten wieder Dn ∈ Cn (∆n ×∆n ). Da Hn (C(∆n ×∆n )) = 0, siehe (V.46),
erhalten wir aus obiger Relation mit X = Y = ∆n also an+1 ∈ Cn+1 (∆n × ∆n )
mit
n ,∆n
n ,∆n
n
n C(∆n ×∆n )
∂n+1
(an+1 ) = ϕ∆
(V.63)
◦ ∂nC(∆ ×∆ ) (Dn ).
− h∆
n−1
n
Wir definieren nun einen Homomorphismus hX,Y
wie in (V.60) auf singulären
n
Simplizes σ : ∆n → X × Y durch
hX,Y
n (σ) := (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) ♯ (an+1 )
(V.64)
wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen
bezeichnen, und daher (π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ) : ∆n × ∆n → X × Y . Dieses hX,Y
ist
n
natürlich, dh. erfüllt (V.62), denn:
(f × g)♯ ◦ hX,Y
(σ) = (f × g)♯ ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (an+1 )
n
= (f × g) ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ)) ♯ (an+1 )
= (f ◦ π1 ◦ σ) × (g ◦ π2 ◦ σ) ♯ (an+1 )
= (π1 ◦ (f × g) ◦ σ) × (π2 ◦ (f × g) ◦ σ) ♯ (an+1 )
′ ,Y ′
= hX
(f × g) ◦ σ
n
′ ,Y ′
= hX
◦ (f × g)♯ (σ)
n
230
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Der Homomorphismus hX,Y
erfüllt aber auch die Homotopierelation (V.61), denn:
n
C(X×Y )
C(X×Y )
∂n+1
◦ hX,Y
(σ) = ∂n+1
◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (an+1 )
n
C(∆n ×∆n ) = ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ∂n+1
(an+1 )
∆n ,∆n
∆n ,∆n
C(∆n ×∆n )
= ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ϕn
(Dn )
− hn−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
= ϕX,Y
◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn )
− hX,Y
n−1 ◦ ∂n
n
C(X×Y )
= ϕX,Y
− hX,Y
(π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ)) ◦ Dn
n
n−1 ◦ ∂n
C(X×Y )
= ϕX,Y
− hX,Y
(σ)
n−1 ◦ ∂n
n
Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.64) verwendet,
im dritten ist (V.63) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir
die Natürlichkeit von ϕn und hn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.62), angewandt. Damit ist der Induktionsschritt vollständig, und hX,Y daher die gesuchte
Homotopie.
Wir wollen nun auch QX,Y ◦ P X,Y ≃ idC(X)⊗C(Y ) zeigen. Beachte, dass
ψ X,Y := QX,Y ◦ P X,Y − idC(X)⊗C(Y ) : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X) ⊗ C(Y )
eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf (C(X) ⊗ C(Y ))0 verschwindet. Wir
konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen
knX,Y : C(X) ⊗ C(Y ) n → C(X) ⊗ C(Y ) n+1
(V.65)
sodass
C(X)⊗C(Y )
ψnX,Y = ∂n+1
X ′ ,Y ′
(f♯ ⊗ g♯ ) ◦ knX,Y = kn
X,Y
◦ ∂nC(X)⊗C(Y )
◦ knX,Y + kn−1
◦ (f♯ ⊗ g♯ )
(V.66)
(V.67)
für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ . Für den Induktionsbeginn genügt es zu beobachten, dass k0X,Y := 0 alle gewünschten Eigenschaften
X,Y
hat. Induktiv nehmen wir nun an k0X,Y , . . . , kn−1
, n ≥ 1, sind schon konstruiert
und genügen den Relationen (V.66) und (V.67) oben. Aus der Induktionsvoraussetzung, siehe (V.66), erhalten wir
X,Y
◦ ∂nC(X)⊗C(Y )
∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ ψnX,Y − kn−1
X,Y X,Y
◦ ∂nC(X)⊗C(Y )
− ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ kn−1
= ψn−1
C(X)⊗C(Y )
X,Y
◦ ∂n−1
= kn−2
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) = 0.
Für p + q = n ist id∆p ⊗ id∆q ∈ (C(∆p ) ⊗ C(∆q ))n . Da Hn (C(∆p ) ⊗ C(∆q )) = 0,
siehe (V.47), erhalten wir aus obiger Gleichung für X = ∆p und Y = ∆q also
ap,q ∈ (C(∆p ) ⊗ C(∆q ))n+1 mit
p q
C(∆p )⊗C(∆q )
∆p ,∆q
∆ ,∆
C(∆p )⊗C(∆q )
∂n+1
(ap,q ) = ψn
− kn−1 ◦ ∂n
(id∆p ⊗ id∆q ). (V.68)
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
231
Wir definieren nun einen Homomorphismus knX,Y wie in (V.65) auf singulären
Simplizes σ : ∆p → X und τ : ∆q → Y durch
knX,Y (σ ⊗ τ ) := (σ♯ ⊗ τ♯ )(ap,q ).
(V.69)
Dieses knX,Y ist natürlich, dh. erfüllt (V.67), denn:
(f♯ ⊗ g♯ ) ◦ knX,Y (σ ⊗ τ ) = (f♯ ⊗ g♯ ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (ap.q )
= (f♯ ◦ σ♯ ) ⊗ (g♯ ◦ τ♯ ) (ap.q )
= (f ◦ σ)♯ ⊗ (g ◦ τ )♯ (ap.q )
′
′
= knX ,Y (f ◦ σ) ⊗ (g ◦ τ )
′
′
= knX ,Y (f♯ σ) ⊗ (g♯ τ )
′
′
= knX ,Y ◦ (f♯ ⊗ g♯ ) (σ ⊗ τ )
Der Homomorphismus knX,Y erfüllt auch die Homotopierelation (V.66), denn:
C(X)⊗C(Y )
C(X)⊗C(Y )
∂n+1
◦knX,Y (σ ⊗ τ ) = ∂n+1
◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (ap,q )
C(∆p )⊗C(∆q ) = (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ∂n+1
(ap,q )
∆p ,∆q
∆p ,∆q
C(∆p )⊗C(∆q )
= (σ♯ ⊗ τ♯ ) ◦ ψn
− kn−1 ◦ ∂n
(id∆p ⊗ id∆q )
X,Y
= ψnX,Y − kn−1
◦ ∂nC(X)⊗C(Y ) ◦ (σ♯ ⊗ τ♯ ) (id∆p ⊗ id∆q )
X,Y
X,Y
C(X)⊗C(Y )
= ψn − kn−1 ◦ ∂n
(σ ⊗ τ )
Dabei haben wir im ersten Gleichheitszeichen die Definition (V.69) verwendet,
im dritten ist (V.68) eingegangen, und im vierten Gleichheitszeichen haben wir
die Natürlichkeit von ψn und kn−1 , dh. die Induktionsvoraussetzung (V.67), angewandt. Damit ist der Induktionsschritt vollständig, und k X,Y daher die gesuchte
Homotopie.
Die nächste Behauptung des Satzes ist nun eine formale Konsequenz. Sind
etwa P und P̃ zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen dann folgt aus den obigen
Überlegungen P = id ◦P ≃ (P̃ ◦ Q) ◦ P = P̃ ◦ (Q ◦ P ) ≃ P̃ ◦ id = P̃ . Analog
folgt für zwei Eilenberg–Zilber Äquivalenzen Q und Q̃ vom anderen Typ sofort
Q = id ◦Q ≃ (Q̃ ◦ P ) ◦ Q = Q̃ ◦ (P ◦ Q) ≃ Q̃ ◦ id = Q̃.
Wir werden nun zeigen, dass das Diagramm (V.42) bis auf Homotopie kommutiert. Beachte, dass die Komposition
T♯Y,X ◦ P Y,X ◦ τ C(X),C(Y ) : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y )
eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz ist, und daher nach obigen Überlegungen kettenhomotop zu P X,Y sein muss. Mit (T Y,X )−1 = T X,Y folgt nun, dass der linke
Teil von (V.42) bis auf Homotopie kommutativ ist. Völlig analog ist
τ C(Y ),C(X) ◦ QY,X ◦ T♯X,Y : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y )
232
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz und daher homotop zu QX,Y , also kommutiert
auch die rechte Seite von (V.42) bis auf Homotopie.
Widmen wir uns nun der Kommutativität von (V.43). Beachte, dass die Abbildung ϕX,Y,Z : C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) → C(X × Y × Z),
ϕX,Y,Z := P X,Y ×Z ◦ idC(X) ⊗P Y,Z − P X×Y,Z ◦ P X,Y ⊗ idC(Z)
eine natürliche Kettenabbildung ist, die auf C(X)⊗C(Y )⊗C(Z) 0 verschwindet.
Wir konstruieren nun induktiv natürliche Homomorphismen
LX,Y,Z
: C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z) n → Cn+1 (X × Y × Z)
(V.70)
n
sodass
C(X×Y ×Z)
ϕX,Y,Z
= ∂n+1
n
′
,Y
(f × g × h)♯ ◦ LX,Y,Z
= LX
n
n
′ ,Z ′
C(X)⊗C(Y )⊗C(Z)
◦ LX,Y,Z
+ LX,Y,Z
(V.71)
n−1 ◦ ∂n
n
◦ (f♯ ⊗ g♯ ⊗ h♯ )
(V.72)
für alle stetigen Abbildungen f : X → X ′ , g : Y → Y ′ und h : Z → Z ′ . Für
den Induktionsbeginn können wir wieder LX,Y,Z
:= 0 setzen. Für den Induktions0
X,Y,Z
schritt ist nun Ln
zu konstruieren. Aus der Induktionsvoraussetzung (V.71)
erhalten wir
C(X)⊗C(Y )⊗C(Z)
∂nC(X×Y ×Z) ◦ ϕX,Y,Z
− LX,Y,Z
= 0.
n
n−1 ◦ ∂n
Für p + q + r = n ist id∆p ⊗ id∆q ⊗ id∆r ∈ (C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ C(Z))n . Aufgrund von
Hn (C(∆p ) ⊗ C(∆q ) ⊗ C(∆r )) = 0 erhalten wir aus obiger Relation für X = ∆p ,
Y = ∆q , Z = ∆r also cp,q,r ∈ Cn+1 (∆p × ∆q × ∆r ) mit
C(∆p ×∆q ×∆r ) p,q,r
X,Y,Z
C(X)⊗C(Y )⊗C(Z)
(id∆p ⊗ id∆q ⊗ id∆r ).
◦
∂
−
L
∂n+1
(c ) = ϕX,Y,Z
n
n−1
n
Wir definieren nun einen Homomorphismus LX,Y,Z
wie in (V.70) auf singulären
n
p
q
r
Simplizes σ : ∆ → X, τ : ∆ → Y und ρ : ∆ → Z durch
LX,Y,Z
(σ ⊗ τ ⊗ ρ) := (σ × τ × ρ)♯ (cp,q,r ).
n
Einfache Rechnungen analog zu denen weiter oben zeigen, dass Ln (V.71) und
(V.72) genügt. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt, und LX,Y,Z die gesucht
Homotopie. Völlig analog lässt sich zeigen, dass auch (V.44) bis auf Homotopie
kommutiert.
Dasselbe Argument zeigt auch, dass (V.45) bis auf Homotopie kommutativ
ist. Wieder sind
ϕX := P X,{∗} − idC(X) ⊗ε{∗} : C(X) ⊗ C({∗}) → C(X)
bzw.
ψ X := idC(X) ⊗ε{∗} ◦ QX,{∗} − idC(X) : C(X × {∗}) → C(X)
natürliche Kettenabbildung die auf C(X) ⊗ C({∗}) 0 bzw. C0 (X × {∗}) verschwinden. Die Konstruktionen der gesuchten natürlichen Homotopien basiert
nun auf Hn (C(∆n ) ⊗ C({∗})) = 0 bzw. Hn (∆n × {∗}) = 0, für alle n ≥ 1.
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
233
V.6.3. Bemerkung. Es ist offensichtlich, dass wir im obigen Beweis wieder
und wieder dasselbe Argument verwendet haben. Die Beweismethode lässt sich
weiter formalisieren und ist unter dem Namen Methode der azyklischen Modelle bekannt, siehe etwa [2]. In unserem Beweis oben haben die Kettenkomplexe
C(∆p × ∆q ) und C(∆p ) ⊗ C(∆q ) die Rolle der azyklischen Modelle gespielt.
V.6.4. Bemerkung. Es ist möglich eine explizite Formel für eine Eilenberg–
Zilber Äquivalenz anzugeben. Wir betrachten dazu die Abbildungen
inq : ∆q → ∆n
inq (t0 , . . . , tq ) := (t0 , . . . , tq , 0, . . . , 0)
jqn : ∆n−q → ∆n
jqn (tq , . . . , tn ) := (0, . . . , 0, tq , . . . , tn )
Definieren wir QX,Y : C(X × Y ) → C(X) ⊗ C(Y ) auf singulären Simplizes
σ : ∆n → X × Y durch
X,Y
Q
n
X
(σ) :=
(π1 ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (π2 ◦ σ ◦ jqn )
(V.73)
q=0
wobei π1 : X × Y → X und π2 : X × Y → Y die beiden kanonischen Projektionen
bezeichnen, dann ist dies eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Um dies einzusehen
bemerken wir zunächst, dass dieses Q offensichtlich die Normierungsbedingung
erfüllt. Auch die Natürlichkeit lässt sich leicht zeigen, denn für stetige Abbildungen f : X → X ′ , g : Y → Y ′ und σ : ∆n → X × Y gilt:
X,Y
(f♯ ⊗ g♯ ) ◦ Q
(σ) =
=
n
X
q=0
n
X
(f ◦ π1 ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (g ◦ π2 ◦ σ ◦ jqn )
(π1 ◦ (f × g) ◦ σ ◦ inq ) ⊗ (π2 ◦ (f × g) ◦ σ ◦ jqn )
q=0
′
′
= QX ,Y ◦ (f × g)♯ (σ)
Aufgrund der Natürlichkeit von Q genügt es noch
∂nC(∆
n )⊗C(∆n )
◦ Q∆
n ,∆n
(Dn ) = Q∆
n ,∆n
◦ ∂nC(∆
n ×∆n )
(Dn )
(V.74)
234
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
zu zeigen, wobei Dn ∈ Cn (∆n × ∆n ) die Diagonalabbildung bezeichnet. Dann
folgt nämlich für jeden singulären Simplex σ : ∆n → X × Y ,
∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ QX,Y (σ) = ∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ QX,Y ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn )
n
n
= ∂ C(X)⊗C(Y ) ◦ ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ Q∆ ,∆ (Dn )
n
n
n
n
= ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ ∂ C(∆ )⊗C(∆ ) ◦ Q∆ ,∆ (Dn )
n
n
n
n = ((π1 ◦ σ)♯ ⊗ (π2 ◦ σ)♯ ) ◦ Q∆ ,∆ ◦ ∂ C(∆ ×∆ ) (Dn )
n
n = QX,Y ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ ◦ ∂ C(∆ ×∆ ) (Dn )
= QX,Y ◦ ∂ C(X×Y ) ◦ ((π1 ◦ σ) × (π2 ◦ σ))♯ (Dn )
= QX,Y ◦ ∂ C(X×Y ) (σ)
P
n
n
Nun zu (V.74). Es gilt Q∆ ,∆ (Dn ) = nq=0 inq ⊗ jqn und daher:
n
n
∂nC(∆ )⊗C(∆ )
∆n ,∆n
◦Q
n
n−1
X
X
C(∆n )
C(∆n ) n
n
(Dn ) =
(∂q
iq ) ⊗ jq +
(−1)q inq ⊗ (∂n−q jqn )
q=1
=
q
n X
X
q=0
(−1)l (inq ◦ δql ) ⊗ jqn +
q−1
n X
X
l
(−1)q (−1)l inq ⊗ (jqn ◦ δn−q
)
q=0 l=0
q=1 l=0
=
n−q
n−1 X
X
n−1
n−1
(−1)l (δnl ◦ iq−1
) ⊗ (δnl ◦ jq−1
)
q=1 l=0
+
n−q
n−1 X
X
(−1)q (−1)l (δnl+q ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl+q ◦ jqn−1 )
q=0 l=1
+
n
X
(−1)q inq−1
⊗
jqn
q=1
=
q
n−1 X
X
+
n−1
X
n
(−1)q inq ⊗ jq+1
q=0
(−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 )
q=0 l=0
+
n−1 X
n
X
(−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 )
q=0 l=q+1
=
n X
n−1
X
(−1)l (δnl ◦ iqn−1 ) ⊗ (δnl ◦ jqn−1 )
l=0 q=0
= Q∆
n ,∆n
◦ ∂nC(∆
n ×∆n )
(Dn )
Dabei haben wir im dritten Gleichheitszeichen die offensichtlichen Relationen
n−1
n−1
l
, l < q, und
und jqn ◦ δn−q
= δnl+q ◦ jqn−1 sowie jqn = δnl ◦ jq−1
inq ◦ δql = δnl ◦ iq−1
n
l
n−1
n
q
n
n
0
n
iq = δn ◦iq , l > q, sowie iq ◦δq = iq−1 und jq ◦δn−q = jq+1 benutzt. Also definiert
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
235
(V.73) tatsächlich eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Nach Satz V.6.2 ist dies eine
Kettenhomotopieäquivalenz. Beachte, dass für dieses Q das Diagramm (V.44)
strikt kommutativ ist. Ebenso lässt sich eine explizite Formel für eine Eilenberg–
Zilber Äquivalenz P angeben, siehe etwa [20, page 240].
Sei nun R ein kommutativer Ring mit Eins und P eine Eilenberg–Zilber Äquivalenz. Tensorieren wir P X,Y : C(X) ⊗ C(Y ) → C(X × Y ) mit R, so erhalten
wir, vgl. Bemerkung V.5.2,
P X,Y ⊗idR
P X,Y ;R : C(X; R) ⊗R C(Y ; R) = C(X) ⊗ C(Y ) ⊗ R −−−−−−→
C(X × Y ; R).
Nach Satz V.6.2 ist dies eine Kettenhomotopieäquivalenz und induziert daher
einen Isomorphismus graduierter R-Moduln
∼
=
→ H(X × Y ; R).
(V.75)
P∗X,Y ;R : H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) −
Nach Satz V.6.2 hängt dieser Isomorphismus nicht von der Wahl von P ab. Kombinieren wir dies mit dem natürlichen Homomorphismus λ aus (V.36), so erhalten
wir eine Homomorphismus graduierter R-Moduln
P∗X,Y ;R
λC(X;R),C(Y ;R)
H(X; R)⊗R H(Y ; R) −−−−−−−−→ H C(X; R)⊗R C(Y ; R) −−
−−→ H(X ×Y ; R).
Diese Komposition wird das Homologie-Kreuzprodukt genannt, und mit
×
H(X; R) ⊗R H(Y ; R) −
→ H(X × Y ; R)
bezeichnet. Äquivalent, können wir das Homologie-Kreuzprodukt auch als Rbilineare Abbildung
×
Hp (X; R) × Hq (Y ; R) −
→ Hp+q (X × Y ; R)
auffassen. Nach Definition gilt also
a × b = P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b),
für a ∈ H(X; R) und b ∈ H(Y ; R). Das Homologie-Kreuzprodukt hat die folgenden Eigenschaften.
V.6.5. Satz (Homologie-Kreuzprodukt). Es seien R ein kommutativer Ring
mit Eins, X, Y , Z topologische Räume, f : X → X ′ , g : Y → Y ′ stetige
Abbildungen, a ∈ Hp (X; R), b ∈ Hq (Y ; R) und c ∈ Hr (Z; R). Dann gilt:
(i) (a × b) × c = a × (b × c)
(Assotiativität)
pq
(ii) b × a = (−1) T∗ (a × b)
(graduierte Kommutativität59)
(iii) a × 1{∗} = a
(Einselement60)
(iv) (f × g)∗ (a × b) = (f∗ a) × (g∗ b)
(Natürlichkeit)
59Hier
bezeichnet T die Abbildung T : X × Y → Y × X, T (x, y) := (y, x).
ist Y = {∗} der einpunktige Raum, also X × Y = X, und 1{∗} ∈ H0 ({∗}; R) = R
bezeichnet die kanonische Homologieklasse die dem Einselement in R entspricht.
60Hier
236
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Beweis. Ad (ii): Da der linke Teil des Diagramms (V.42) bis auf Homotopie
kommutiert, erhalten wir für die induzierten Homomorphismen in der Homologie
ein kommutatives Diagramm:
H C(X; R) ⊗R C(Y ; R)
P∗X,Y ;R
H(X × Y ; R)
/
C(X;R),C(Y ;R)
τ∗
H C(Y ; R) ⊗R C(X; R)
T∗
P∗Y,X;R
H(Y × X; R)
/
Zusammen mit der Kommutativität von λ, siehe Proposition V.5.6(ii), folgt nun:
T∗ (a × b) = T∗ ◦ P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b)
= P∗Y,X;R ◦ τ∗C(X;R),C(Y ;R) ◦ λC(X;R),C(Y ;R) (a ⊗ b)
= P∗Y,X;R ◦ λC(Y ;R),C(X;R) ◦ τ H(X;R),H(Y ;R) (a ⊗ b)
= P∗Y,X;R ◦ λC(Y ;R),C(X;R) ((−1)pq b ⊗ a)
= (−1)pq b × a
Ad (i): Da das Diagramm (V.43) bis auf Homotopie kommutiert, erhalten wir
für die induzierten Abbildungen in der Homologie ein kommutatives Diagramm:
`
´
H C(X; R) ⊗R C(Y ; R) ⊗R C(X; R)
(P X,Y ;R ⊗idC(Z;R) )∗
/
`
´
H C(X × Y ; R) ⊗R C(Z; R)
(idC(X;R) ⊗P Y,Z;R )∗
`
´
H C(X; R) ⊗R C(Y × Z; R)
P∗X×Y,Z;R
P∗X,Y ×Z;R
/
H(X × Y × Z; R)
Aus der Natürlichkeit von λ, siehe Proposition V.5.6(i), erhalten wir die Relationen:
(P X,Y ;R ⊗ idC(Z;R) ∗ ◦ λC(X×Y ;R),C(Z;R) = λC(X×Y ;R),C(Z;R) ◦ P∗X,Y ;R ⊗ idH(Z;R)
(idC(X;R) ⊗P Y,Z;R ∗ ◦ λC(X;R),C(Y ×Z;R) = λC(X;R),C(Y ×Z;R) ◦ idH(X;R) ⊗P∗Y,Z;R
Kombinieren wir dies mit der Assotiativität von λ, siehe Proposition V.5.6(iii),
so folgt:
P∗X×Y,Z;R ◦ λC(X×Y ;R),C(Z;R) ◦ P∗X,Y ;R ⊗ idH(Z;R) ◦ λC(X;R),C(Y ;R) ⊗ idH(Z;R)
= P∗X,Y ×Z;R ◦ λC(X;R),C(Y ×Z;R) ◦ idH(X;R) ⊗P∗Y,Z;R ◦ idH(X) ⊗λC(Y ;R),C(Z;R)
Werten wir diese Gleichheit bei a ⊗ b ⊗ c ∈ H(X; R) ⊗R H(Y ; R) ⊗R H(Z; R) aus,
so erhalten wir nun (a × b) × c = a × (b × c).
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
237
Ad (iii): Aus der Natürlichkeit von λ, siehe Proposition V.5.6(i), und da der
linke Teil des Diagramms (V.45) kommutiert, erhalten wir folgendes kommutatives Diagramm:
λC(X;R),C({∗};R)
H(X; R) ⊗R H({∗}; R)
X,{∗};R
/
`
´
H C(X; R) ⊗R C({∗}; R)
{∗};R
λC(X;R),R
H(X; R) ⊗R H(R)
/
H(X × {∗}; R)
(idC(X;R) ⊗ε{∗};R )∗
idH(X;R) ⊗ε∗
P∗
/
`
´
H C(X; R) ⊗R R
H(X; R)
εX ⊗id
R
Dabei bezeichnet εX;R : C(X; R) = C(X) ⊗ R −−−−→
Z ⊗ R = R die mit R
tensorierte Augmentation. Zusammen mit Proposition V.5.6(iv) folgt nun:
a × 1{∗} = P∗X,{∗};R ◦ λC(X;R),C({∗};R) (a ⊗ 1{∗} )
= λC(X;R),R ◦ (idH(X;R) ⊗ε{∗};R
) (a ⊗ 1{∗} ) = λC(X;R),R (a ⊗ 1R ) = a
∗
Ad (iv): Aus der Natürlichkeit von P und der Natürlichkeit von λ, siehe
Proposition V.5.6(i), erhalten wir ein kommutatives Diagramm
λC(X;R),C(Y ;R)
H(X; R) ⊗R H(Y ; R)
/
`
´
H C(X; R) ⊗R C(Y ; R)
/
H(X × Y ; R)
(f♯ ⊗g♯ )∗
f∗ ⊗g∗
P∗X,Y ;R
H(X ′ ; R) ⊗R H(Y ′ ; R)
′
′
λC(X ;R),C(Y ;R)
/
(f ×g)∗
`
´
H C(X ′ ; R) ⊗R C(Y ′ ; R)
′
′
P∗X ,Y ;R
/
H(X ′ × Y ′ ; R)
und daher die Relation
′
(f × g)∗ ◦ P∗X,Y ;R ◦ λC(X;R),C(Y ;R) = P∗X ,Y
′ ;R
′
◦ λC(X ;R),C(Y
′ ;R)
◦ (f∗ ⊗ g∗ ).
Auswerten bei a ⊗ b ∈ H(X; R) ⊗R H(Y ; R) liefert dann (f × g)∗(a × b) =
f∗ a × g∗ b.
V.6.6. Bemerkung. Eine einfache Überlegung zeigt, dass das Homologiekreuzprodukt auch im Koeffizientenring natürlich ist, dh. für jeden Ringhomomorphismus ρ : R → R′ gilt ρ∗ (a × b) = ρ∗ a × ρ∗ b ∈ H(X × Y ; R′ ), wobei
a ∈ H(X; R) und b ∈ H(Y ; R).
Aus Satz V.5.7, siehe aber auch (V.75), erhalten wir sofort
V.6.7. Korollar (Künneth Theorem für Räume). Es seien X und Y topologische Räume und K ein Körper. Dann liefert das Homologie-Kreuzprodukt
∼
=
× : H(X; K) ⊗K H(Y ; K) −
→ H(X × Y ; K)
einen natürlichen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume, es gilt daher
M
Hp (X; K) ⊗K Hq (Y ; K).
Hn (X × Y ; K) ∼
=
p+q=n
Ebenso erhalten wir aus Satz V.5.8 sofort
238
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.6.8. Korollar (Künneth Theorem für Räume). Für topologische Räume
X und Y existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz
×
0 → H(X) ⊗ H(Y ) n −
→ Hn (X × Y ) → Tor H(X), H(Y ) n−1 → 0, (V.76)
dh. für je zwei stetige Abbildungen f : X → X ′ und g : Y → Y ′ kommutiert das
Diagramm:
0
f∗ ⊗g∗
0
/ H(X) ⊗ H(Y )
/ H(X ′ ) ⊗ H(Y ′ )
×
n
/ Hn (X × Y )
/ Tor H(X), H(Y )
(f ×g)∗
×
n
/ Hn (X ′ × Y ′ )
n−1
/0
Tor(f∗ ,g∗ )
/ Tor H(X ′ ), H(Y ′ )
n−1
/0
Die Sequenz (V.76) splittet, es gilt daher
Hn (X × Y ) ∼
= H(X) ⊗ H(Y ) n ⊕ Tor H(X), H(Y ) n−1
M
M
=
Hq (X) ⊗ Hq (Y ) ⊕
Tor Hp (X), Hq (Y )
p+q=n
p+q=n−1
Der Splitt kann jedoch nicht natürlich in X und Y gewählt werden.
V.6.9. Korollar. Es seien X und Y zwei topologische Räume mit endlich
erzeugter Homologie. Dann hat auch X × Y endlich erzeugte Homologie und
X
bp (X) · bq (Y ).
bn (X × Y ) =
p+q=n
Beweis. Dies folgt aus Korollar V.6.8, denn für endlich erzeugte abelsche
Gruppen A und B sind auch A ⊗ B sowie Tor(A, B) endlich erzeugt, und es gilt
rank(A ⊗ B) = rank(A) · rank(B) sowie rank(Tor(A, B)) = 0.
V.6.10. Bemerkung (Poincaré Polynom). Ist X ein topologischer Raum mit
endlich erzeugter Homologie, dann wird
X
pX (t) :=
bq (X)tq
q
das Poincaré Polynom von X genannt. Beachte, dass pX (0) = b0 (X) mit der
Anzahl der Wegzusammenhangskomponenten von X übereinstimmt, siehe Proposition IV.5.13. Weiters ist pX (1) = rank(H∗ (X)) und pX (−1) = χ(X). Für
einen weiteren Raum Y mit endlich erzeugter Homologie gilt
pX⊔Y = pX + pY
und
pX×Y = pX · pY .
Die erste dieser Gleichung folgt aus Proposition IV.5.15, die zweite aus Korollar V.6.9. Insbesonder erhalten wir
χ(X × Y ) = χ(X) · χ(Y ),
denn χ(X × Y ) = pX×Y (−1) = pX (−1) · pY (−1) = χ(X) · χ(Y ).
(V.77)
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
239
V.6.11. Beispiel. Mittels Korollar V.6.8 können wir etwa H∗ (S m × S n ) berechnen. Es bezeichne dazu 1S n ∈ H0 (S n ) = Z den kanonischen Erzeuger und
αS n ∈ Hn (S n ) einen Erzeuger, sodass 1S n und αS n eine Basis von H∗ (S n ) bilden, siehe Satz IV.9.5. Aus Korollar V.6.8 folgt nun, dass 1S m × 1S n , 1S m × αS n ,
αS m × 1S n , αS m × αS n eine Basis von H∗ (S m × S n ) bilden. In anderen Worten,
H∗ (S m × S n ) ist eine freie graduierte abelsche Gruppe mit je einem Erzeuger im
Grad 0, n, m und n + m. Etwas allgemeiner liefert das Kreuzprodukt für jeden
Raum X einen Isomorphismus
∼
=
→ Hq (X × S n ),
Hq (X) ⊕ Hq−n (X) −
(a, b) 7→ a × 1S n + b × αS n .
Mittels Induktion folgt für den n-dimensionalen Torus T n:= S 1 × · · · × S 1 , dass
H∗ (T n ) eine freie abelsche Gruppe vom Rang bq (T n ) = nq ist. Wegen (V.77) ist
P
χ(T n ) = χ(S 1 )n = 0, was der Relation q (−1)q nq = 0 entspricht.
Wir wollen nun auch eine relative Version des Homologie-Kreuzproduktes und
des Künneth-Theorems besprechen. Seien dazu (X, A) und (Y, B) zwei Paare von
Räumen. Aufgrund der Natürlichkeit der Eilenberg–Zilber Äquivalenzen kommutiert das folgende Diagramm
C(A) ⊗ C(Y )
C(X) ⊗ C(Y )
P A,Y
/
P X,Y
/
O
C(X) ⊗ C(B)
P X,B
/
C(A × Y )
C(X × Y )
QA,Y
QX,Y
/
C(X × B)
C(X) ⊗ C(Y )
/
O
QX,B
C(A) ⊗ C(Y )
/
O
C(X) ⊗ C(B)
wobei die vertikalen Pfeile von den kanonischen Inkusionen induziert sind. Wir
erhalten daher eine induzierte Kettenhomotopieäquivalenz
C(X, A) ⊗ C(Y, B) =
C(X)
C(A)
⊗
C(Y )
C(B)
P X,Y
≃
/
C(X×Y )
C(A×Y )+C(X×B)
mit Homotopieinverser die von QX,Y induziert wird. Setzen wir dies mit der von
der kanonischen Inklusion C(A×Y )+C(X ×B) → C(A×Y ∪X ×B) induzierten
Projektion
C(X×Y )
C(X×Y )
→ C(A×X∪X×B)
= C X × Y, A × Y ∪ X × B
(V.78)
C(A×Y )+C(X×B)
zusammen, so erhalten wir eine natürliche Kettenabbildung
P (X,A),(Y,B)
C(X, A) ⊗ C(Y, B) −−−−−−−→ C X × Y, A × Y ∪ X × B .
(V.79)
Ist nun R ein kommutativer Ring mit Eins, dann erhalten wir durch Tensorieren
mit R eine Kettenabbildung
P (X,A),(Y,B);R
C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) −−−−−−−−→ C X × Y, A × Y ∪ X × B; R , (V.80)
240
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
und diese induziert einen Homomorphismus graduierter R-Moduln
P∗(X,A),(Y,B);R
H C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) −−
−−−−−−→ H X × Y, A × Y ∪ X × B; R .
Setzen wir dies mit dem natürlichen Homomorphismus, siehe (V.36),
λC(X,A;R),C(Y,B;R)
H(X, A; R) ⊗R H(Y, B; R) −−−−−−−−−−−→ H C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R)
zusammen, so erhalten wir das relative Homologie-Kreuzprodukt
×
H(X, A; R) ⊗R H(Y, B; R) −
→ H X × Y, A × Y ∪ X × B; R
Wir können das Homologiekreuzprodukt auch als R-bilineare Abbildung
×
Hp (X, A; R) × Hq (Y, B; R) −
→ Hp+q X × Y, A × Y ∪ X × B; R
auffassen. Nach Definition gilt also
a × b = P∗(X,A),(Y,B);R ◦ λC(X,Y ;R),C(Y,B;R) (a ⊗ b)
für a ∈ H(X, A; R) und b ∈ H(Y, B; R). Satz V.6.5 bleibt für diese relative
Version des Kreuzproduktes gültig, der Beweis ist völlig analog. Natürlichkeit
bedeutet hier Kompatibilität mit den von Abbildungen f : (X, A) → (X ′ , A′ ) und
g : (Y, B) → (Y ′ , B ′ ) induzierten Homomorphismen. Aufgrund der Natürlichkeit
der Homotopien in Satz V.6.2 kommutieren auch die relativen Versionen der
Diagramme in Satz V.6.2. Kompabilität mit dem Einhängungshomomorphismus
lässt sich durch folgendes kommutatives Diagramm ausdrücken
×
Hp (X, A; R) ⊗R Hq (Y, B; R)
/
Hp+q (X × Y, A × Y ∪ X × B; R)
δ
Hp+q−1 (A × Y ∪ X × B; A × B; R)
δ⊗id +(−1)p id ⊗δ
O
i∗ +j∗
×
⊕
×
Hp−1(A; R) ⊗R Hq (Y, B; R)
⊕
Hp (X, A; R) ⊗R Hq−1 (B; R)
/
Hp+q−1(A × Y, A × B; R)
⊕
Hp+q−1 (X × B, A × B; R)
wobei i : (A × Y, A × B) → (A × Y ∪ X × B, A × B) und j : (X × B, A × B) →
(A×Y ∪X ×B, A×B) die kanonischen Inklusionen bezeichnen. Der Beweis dieser
Tatsache ist eine einfache Übungsaufgabe, siehe [2, page 191]. Für a ∈ H(X, A; R)
und b ∈ H(Y, B; R) gilt daher die (graduierte) Derivationsformel
δ(a × b) = i∗ ((δa) × b) + (−1)|a| j∗ (a × δb).
Ist B = ∅, so vereinfacht sich dies zu
δ(a × b) = (δa) × b
denn in diesem Fall ist i∗ die indentische Abbildung.
(V.81)
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
241
V.6.12. Lemma. Für U ⊆ X und V ⊆ X sind äquivalent:
(i) C(U, U ∩ V ) → C(U ∪ V, V ) ist eine Homotopieäquivalenz.
(ii) C(V, U ∩ V ) → C(U ∪ V, U) ist eine Homotopieäquivalenz.
(iii) C(U, U ∩ V ) ⊕ C(V, U ∩ V ) → C(U ∪ V, U ∩ V ) ist eine Homotopieäqu.
(iv) C(U) + C(V ) ⊆ C(U ∪ V ) ist eine Homotopieäquivalenz.
)+C(V )
(v) C(U
→ C(U ∪ V, U ∩ V ) ist eine Homotopieäquivalenz.
C(U ∩V )
(vi)
C(X)
C(U )+C(V )
→ C(X, U ∪ V ) ist eine Homotopieäquivalenz.
In dieser Situation wird (X; U, V ) eine excisive Triade genannt.
Beweis. Die kanonischen Inklusionen induzieren kurze exakte Sequenzen von
Kettenkomplexen:
0→
C(U)
C(U ∪ V )
C(U ∪ V )
→
→
→0
C(U ∩ V )
C(V )
C(U) + C(V )
0 → C(U) + C(V ) → C(U ∪ V ) →
0→
C(U ∪ V )
→0
C(U) + C(V )
C(U ∪ V )
C(U ∪ V )
C(U) + C(V )
→
→
→0
C(U ∩ V )
C(U ∩ V )
C(U) + C(V )
C(X)
C(X)
C(U ∪ V )
→
→
→0
C(U) + C(V )
C(U) + C(V )
C(U ∪ V )
Betrachten wir die davon induzierten langen exakten Homologiesequenzen und
verwenden Korollar IV.4.22 so erhalten wir die Äquivalenz (i)⇔(iv)⇔(v)⇔(vi).
Aus Symmetriegründen gilt daher auch (ii)⇔(iv)⇔(v)⇔(vi). Aus der Kommutativität des Diagramms
0→
C(U )
C(U ∩V )
⊕
C(U )+C(V )
C(U ∩V )
C(V )
C(U ∩V )
NNN
NNN
NNN
NN&
C(U ∪V )
C(U ∩V )
folgt schließlich auch die Äquivalenz (iii)⇔(v).
t
tt
tt
t
t
tz t
V.6.13. Beispiel. Es seien U ⊆ X und V ⊆ X. In folgenden Fällen bildet
(X; U, V ) eine excisive Triade:
(i) U = ∅ oder V = ∅.
(ii) U und V sind beide offen in U ∪ V .
(iii) U ist Deformationsretrakt einer Umgebung in U ∪ V , und V ist Deformationsretrakt einer Umgebung in U ∪ V .
Der Fall (i) ist trivial, (ii) folgt aus Satz IV.8.9, siehe Lemma V.6.12(iv). Die
letzte Aussage (iii) folgt aus der Homotopieinvarianz und Satz IV.8.9.
242
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.6.14. Bemerkung. Die Bedingung, dass (X; U, V ) eine excisive Triade
bilden stellt sicher, dass sich das Argument im Beweis von Proposition V.4.23
durchführen lässt, und führt zu einer natürlichen langen exakten Mayer–Vietoris
Sequenz
δ
· · · → Hq (U ∩ V ; G) → Hq (U ; G) ⊕ Hq (V ; G) → Hq (U ∪ V ; G) −
→ Hq−1 (U ∩ V ; G) → · · ·
für jede excisive Triade (X; U, V ) und jede abelsche Gruppe G.
V.6.15. Proposition (Mayer–Vietoris Sequenz). Es seien U ⊆ X und V ⊆
X so, dass (X; U, V ) eine excisive Triade bildet. Dann existiert für jede abelsche
Gruppe G eine natürliche lange exakte Sequenz:
(j U ,−j V )
ιU +ιV
∗
∗
· · · → Hq (X, U ∩ V ; G) −−∗−−−
→ Hq (X, U; G) ⊕ Hq (X, V ; G) −∗−−→
ιU +ιV
δ
∗
−∗−−→
Hq (X, U ∪ V ; G) −
→ Hq−1 (X, U ∩ V ; G) → · · ·
Dabei bezeichnen j U : (X, U ∩ V ) → (X, U), j V : (X, U ∩ V ) → (X, V ), ιU :
(X, U) → (X, U ∪ V ) und ιV : (X, V ) → (X, U ∪ V ) die kanonischen Inklusionen.
Beweis. Betrachte die offene Überdeckung U := {U, V } von U ∪ V . Es bezeichne wieder C U (U ∪ V ) := C(U) + C(V ) ⊆ C(U ∪ V ) den Teilkomplex der
von singulären Simplizes erzeugt wird, die zur Gänze in U oder V liegen. Wir
erinnern uns an die kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen
V
ιU
♯ +ι♯
(j♯U ,−j♯V )
0 → C(U ∩ V ) −−−−−→ C(U) ⊕ C(V ) −−−→ C U (U ∪ V ) → 0.
Dies liefert eine kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen
C(X)
C(X) C(X)
C(X)
0→
→
⊕
→ U
→ 0.
C(U ∩ V )
C(U)
C(V )
C (U ∪ V )
Da dies freie Kettenkomplexe sind, erhalten wir durch Tensorieren mit G eine
kurze exakte Sequenz von Kettenkomplexen
V
ιU
♯ +ι♯
(j♯U ,−j♯V )
0 → C(X, U ∩ V ; G) −−−−−−→ C(X, U ; G) ⊕ C(X, V ; G) −−−−→ C U (X, U ∪ V ; G) → 0,
wobei C U (X, U ∪ V ; G) := C(X)/C U (U ∪ V ) ⊗ G = C(X; G)/C U (U ∪ V ; G).
Diese induziert eine lange exakte Sequenz von Homologiegruppen
(j U ,−j V )
ιU +ιV
∗
∗
· · · → Hq (X, U ∩ V ; G) −−∗−−−
→ Hq (X, U; G) ⊕ Hq (X, V ; G) −∗−−→
ιU +ιV
δ
∗
−∗−−→
HqU (X, U ∪ V ; G) −
→ Hq−1 (X, U ∩ V ; G) → · · · (V.82)
wobei H U (X, U ∪ V ; G) die Homologie des Kettenkomplexes C U (X, U ∪ V ; G)
bezeichnet. Nach Voraussetzung, siehe Lemma V.6.12(vi), ist die kanonische Inklusion C U (X, U ∪ V ) → C(X, U ∪ V ) eine Kettenhomotopieäquivalenz, und
induziert daher einen Isomorphismus von Homologiegruppen H U (X, U ∪ V ; G) =
H(X, U ∪V ; G). Zusammen mit (V.82) erhalten wir nun die gesuchte lange exakte
Sequenz.
V.6. EILENBERG–ZILBER ÄQUIVALENZ
243
V.6.16. Proposition. Sind (X, A) und (Y, B) Paare von Räumen, sodass
(X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet, dann ist
≃
P (X,A),(Y,B);R : C(X, A; R) ⊗R C(Y, B; R) −
→ C X × Y, A × Y ∪ X × B; R
eine Kettenhomotopieäquivalenz, für jeden kommutativen Ring R.
Beweis. In dieser Situation ist (V.78) eine Kettenhomotopieäquivalenz, siehe Lemma V.6.12(vi). Dann sind aber auch (V.79) und (V.80) Kettenhomotopieäquivalenzen.
Aus Satz V.5.7 und Proposition V.6.16 erhalten wir sofort
V.6.17. Korollar (Relatives Künneth-Theorem). Seien (X, A) und (Y, B)
Paare von Räume, sodass (X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet. Für
jeden Körpr K liefert dann das Homologie-Kreuzprodukt
∼
=
→ H X × Y, A × Y ∪ X × B; K
× : H(X, A; K) ⊗K H(Y, B; K) −
einen natürlichen Isomorphismus graduierter K-Vektorräume, es gilt daher
M
Hp (X, A; K) ⊗K Hq (Y, B; K).
Hn X × Y, A × Y ∪ X × B; K ∼
=
p+q=n
Ebenso erhalten wir aus Satz V.5.8 und Proposition V.6.16 auch
V.6.18. Korollar (Relatives Künneth-Theorem). Seien (X, A) und (Y, B)
Paare von Räumen, sodass (X × Y ; A × Y, X × B) eine excisive Triade bildet.
Dann existiert eine natürliche kurze exakte Sequenz:
`
´ ×
`
´
`
´
0 → H(X, A) ⊗ H(Y, B) n −→ Hn X × Y, A × Y ∪ X × B → Tor H(X, A), H(Y, B) n−1 → 0.
Diese Sequenz splittet, es gilt daher
Hn (X ×Y, A×Y ∪X ×B) ∼
= H(X, A)⊗H(Y, B) n ⊕Tor H(X, A), H(Y, B) n−1
M
M
=
Hq (X, A) ⊗ Hq (Y, B) ⊕
Tor Hp (X, A), Hq (Y, B)
p+q=n
p+q=n−1
Der Splitt kann jedoch nicht natürlich in (X, A) und (Y, B) gewählt werden.
V.6.19. Beispiel. Nach Korollar V.6.18 liefert das Kreuzprodukt einen Isomorphsimus
∼
=
× : H Rn , Rn \ {0} ⊗ H Rm , Rm \ {0} −
→ H Rn+m , Rn+m \ {0} . (V.83)
Etwas allgemeiner seien nun M eine m-Mannigfaltigkeit und N eine n-Mannigfaltigkeit. Dann ist M × N eine (n + m)-Mannigfaltigkeit und das Kreuzprodukt
liefert einen Isomorphsimus lokaler Homologiegruppen
∼
=
× : Hm M, M \ {x} ⊗ Hn N, N \ {y} −
→ Hm+n M × N, (M × N) \ {(x, y)}
für je zwei Punkte x ∈ M und y ∈ N. Da Mannigfaltigkeiten lokal homöomorph
zum Euklidischen Raum sind, folgt dies mittels Excision und der Natürlichkeit des
244
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv), aus (V.83) oben. Ist oM eine Orientierung
von M und oN eine Orientierung von N, siehe Bemerkung IV.12.8, dann ist
×N
M
N
also oM
(x,y) := ox × oy ein Erzeuger von Hm+n (M × N, (M × N) \ {(x, y)}) für
jedes (x, y) ∈ M × N. Offensichtlich definiert oM ×N einen stetigen Schnitt der
Überlagerung (M × N)Z → M × N. Also ist oM ×N eine Orientierung von M × N.
Diese Orientierung wird die Produktorientierung genannt, das Produkt zweier
orientierter Mannigfaltigkeiten ist in kanonischer Weise orientiert. Insbesondere
ist das Produkt zweier orientierbarer Mannigfaltigkeiten wieder orientierbar.
V.7. H-Räume und Hopf-Algebren.
V.7.1. Definition (Graduierte R-Algebra). Es sei R ein kommutativer Ring
mit Eins. Unter einer graduierten R-Algebra verstehen wir einen graduierten
R-Modul A zusammen mit einem Homomorphismus, der sogenannten Multiplikation A ⊗R A → A, (a, b) 7→ a · b = ab. Dh. wir haben R-bilineare Abbildungen
Ap × Aq → Ap+q , (a, b) 7→ ab, für jedes p und q. Wir setzen stets voraus, dass
eine graduierte R-Algebra ein Einselement besitzt, dh. es existiert 1 ∈ A0 mit
1 · a = a = a · 1, für alle a ∈ A. Eine graduierte R-Algebra heißt assotiativ,
falls a(bc) = (ab)c, für alle a, b, c ∈ A. Sie heißt graduiert kommutativ, falls
ab = (−1)|a||b| ba für alle (homogenen) a ∈ A und b ∈ A gilt. Eine graduierte
∼
=
R-Algebra heißt zusammenhängend falls R −
→ A0 , r 7→ r · 1, ein Isomorphismus
ist. Unter einem Homomorphismus graduierter R-Algebren ϕ : A → B verstehen
wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln der mit Multiplikation und
Einselement verträglich ist, dh. ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b) und ϕ(1A ) = 1B .
V.7.2. Bemerkung. Es sei A eine graduiert kommutative R-Algebra, a ∈ A
und |a| ungerade, dh. a ∈ Aq mit q ungerade. Dann gilt aa = (−1)|a||a| aa = −aa,
also 2a2 = 0. Ist 12 ∈ R, dann können wir a2 = 0 schließen.
V.7.3. Beispiel. Die Algebra der Differentialformen Ω∗ (M) = Γ∞ (ΛT ∗ M)
mit dem ∧-Produkt auf einer glatten Mannigfaltigkeit M ist eine graduiert kommutative und assotiative R-Algebra. Das Einselement ist durch die konstante
Funktion 1M ∈ Ω0 (M) gegeben.
V.7.4. Beispiel (Polynomalgebren). Die Polynom Algebra R[x] ist eine strikt
kommutative und assotiative R-Algebra. Wir können sie zu einer graduierten Algebra machen, indem wir dem Erzeuger x eine Grad |x| ∈ N zuordnen. Als graduierter R-Modul gilt R[x] = R⊕R⊕· · · , die Elemente xk ∈ (R[x])k|x| = R, k ∈ N0 ,
bilden eine Basis von R[x]. Ist |x| gerade, oder gilt 1 = −1 ∈ R, dann können wir
R[x] auch als graduiert kommutative R-Algebra auffassen. Faktorisieren wir das
von xk erzeugte Ideal heraus so erhalten wir eine graduiert kommutative und assotiative R-Algebra R[x]/xk mit additiver Basis 1, x, x2 , . . . , xk−1 . Analog haben
wir (graduiert) kommutative Polynomalgebren R[x1 , . . . , xn ] falls alle |xi | gerade
sind oder 1 = −1 ∈ R. Diese sind durch folgende universelle Eigenschaft eindeutig charakterisiert. Für jede graduiert kommutative und assotiative R-Algebra A
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
245
und homogene Elemente ai ∈ A|xi | , i = 1, . . . , n, existiert ein eindeutiger Homomorphismus graduierter R-Algebren ϕ : R[x1 , . . . , xn ] → A, sodass ϕ(xi ) = ai ,
i = 1, . . . , n. Für R = Z2 bildet die Polynomalgebra Z2 [x] eine (graduiert) kommutative und assotiative Z2 -Algebra, wobei x nun beliebigen Grad haben kann,
denn in Z2 gilt 1 = −1. Analog haben wir (graduiert) kommutative und assotiative Z2 -Algebren Z2 [x1 , . . . , xn ] für xi mit beliebigem Grad.
V.7.5. Beispiel (Dividierte Polynomalgebren). Wir fixieren wieder einen Grad
|x| ∈ N und betrachten den freien graduierten R-Modul ΓR [x] mit Basis xk ∈
(ΓR [x])k|x| = R, k ∈ N0 . Dh. der ΓR [x] zugrunde liegende graduierte R-Modul
stimmt mit dem von R[x] überein. Wir definieren nun eine Multiplikation auf
ΓR [x] durch xk · xl := k+l
xk+l . Dies macht ΓR [x] zu einer kommutativen und
k
assotiativen Algebra mit Einselement 1 = x0 . Wir schreiben x := x1 , es gilt daher xk = k!xk . Ist |x| gerade oder gilt 1 = −1 ∈ R, dann können wir ΓR [x] auch
als graduiert kommutative und assotiative R-Algebra auffassen. Ist R = K ein
Körper mit Charakteristik 0 dann gilt ΓK [x] ∼
= K[y] mit |y| = |x|, denn aus der
universellen Eigenschaft der Polynomalgebra erhalten wir einen Algebra Homomorphismus K[y] → ΓK [x] mit ϕ(y) = x und dieser bildet die Basis y k , k ∈ N0 ,
von K[y] auf die Basis k!xk , k ∈ N0 , von ΓK [x] ab, ist also ein Isomorphismus.
Andererseits ist ΓZ [x] ∼
6= Z[x], denn die Multiplikation (Z[x])1 ⊗ (Z[x])1 → (Z[x])2
ist ein Isomorphismus, aber (ΓZ [x])1 ⊗ (ΓZ [x])1 → (ΓZ [x])2 ist nicht surjektiv.
V.7.6. Beispiel (Äußere Algebra). Die äußere Algebra ΛR [x1 , . . . , xn ] ist eine
assotiative graduierte R-Algebra mit Relationen xi xj = −xj xi und x2i = 0. Die
Elemente xi1 xi2 · · · xik , 1 ≤ i1 < i2 < · · · < ik ≤ n, bilden eine Basis des zugrunde liegenden graduierten R-Moduls, xi1 · · · xik ∈ (ΛR [x1 , . . . , xn ])|xi1 |+···+|xik | .
Sind alle |xi | ungerade, dann können wir ΛR [x1 , . . . , xn ] als graduiert kommutative und assotiative R-Algebra auffassen. Etwa bilden 1 und x eine Basis von
ΛR [x] und wir haben x2 = 0. Gilt 12 ∈ R, dann ist diese graduierte R-Algebra
durch folgende universelle Eigenschaft eindeutig charakteristiert. Für jede graduiert kommutative und assotiative R-Algebra A und homogene Elemente ungeraden Grades ai ∈ A|xi| existiert genau ein Homomorphismus graduierter RAlgebren ϕ : ΛR [x1 , . . . , xn ] → A, sodass ϕ(xi ) = ai .
V.7.7. Bemerkung (Tensorprodukt graduierter Algebren). Es seien A und
B zwei graduierte R-Algebren. Wir machen den graduierten R-Modul A ⊗R B
mit folgender Multiplikation
id ⊗τ B,A ⊗id
µ ⊗µ
A
B
B
(A ⊗R A) ⊗R (B ⊗R B) −−
−−→
A ⊗R B
(A ⊗R B) ⊗R (A ⊗R B) −−A−−−−−−−→
zu einer graduierten R-Algebra, dh. für ai ∈ A und bi ∈ B setzen wir
(a1 ⊗ b1 )(a2 ⊗ b2 ) := (−1)|b1 ||a2 | (a1 a2 ) ⊗ (b1 b2 ).
Bezeichnen 1A ∈ A und 1B ∈ B die Einselemente, dann ist 1A ⊗ 1B das Einselement von A ⊗R B. Sind A und B zusammenhängend, dann ist auch A ⊗R B
246
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
zusammenhängend. Sind A und B assotiativ, dann ist auch A ⊗R B assotiativ.
Sind A und B graduiert kommutativ, dann ist auch A ⊗R B graduiert kommutativ. Etwa gilt
|xi | gerade oder 1 = −1 ∈ R
R[x1 , . . . , xn ] ∼
= R[x1 ] ⊗R · · · ⊗R R[xn ]
ΛR [x1 , . . . , xn ] ∼
= ΛR [x1 ] ⊗R · · · ⊗R ΛR [xn ]
′
|xi | ungerade
′
Sind ϕ : A → A und ψ : B → B zwei Homomorphismen graduierter R-Algebren,
dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus graduierter RAlgebren.
V.7.8. Proposition (Pontrayagin Algebra). Ist X ein wegzusammenhängender H-Raum mit Multiplikation µ : X × X → X, dann macht die Komposition
µ∗
×
H∗ (X; R) ⊗R H∗ (X; R) −
→ H∗ (X × X; R) −→ H∗ (X; R),
a · b := µ∗ (a × b)
H∗ (X; R) zu einer zusammenhängenden graduierten R-Algebra mit Einselement
1 ∈ H0 (X; R) = R, 1 ↔ 1R . Diese graduierte R-Algebra wird die PontryaginAlgebra des H-Raums (X, µ) genannt. Ist X homotopieassotiativ61 dann ist sie
assotiative, ist X homotopiekommutativ62 dann ist sie graduiert kommutativ. Ist
Y ein weiterer wegzusammenhängender H-Raum und f : X → Y eine Abbildung
von H-Räumen63 dann ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren. Das Homologiekreuzprodukt liefert einen Homomorphismus
graduierter R-Algebren64
×
H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) −
→ H∗ (X × Y ; R).
(V.84)
Beweis. Es sei e ∈ X das Einselement. Weiters bezeichnen c : X → X und
c̃ : {∗} → X die konstante Abbildung, dh. c(x) := e und c̃(∗) = e. Offensichtlich
gilt 1 = c̃∗ 1{∗} , wobei 1{∗} ∈ H0 ({∗}; R) = R dem Einselement 1R entspricht. Aus
µ ◦ (idX , c) ≃ idX : X → X erhalten wir mittels Satz V.6.5(iii)&(iv)
a · 1 = µ∗ (a × 1) = µ∗ (a × c̃∗ 1{∗} ) = µ∗ (idX ×c̃)∗ (a × 1{∗} )
= µ∗ (idX , c)∗ a = (µ ◦ (idX , c))∗ a = (idX )∗ a = a.
Analog folgt 1 · a = a aus µ ◦ (c, idX ) ≃ idX . Der Zusammenhang von H∗ (X; R)
folgt aus dem Wegzusammenhang von X. Ist X homotopiekommutativ, dann
folgt aus µ ◦ T ≃ µ mittels Satz V.6.5(ii)
a · b = µ∗ (a × b) = (µ ◦ T )∗ (a × b)
= µ∗ T∗ (a × b) = (−1)|a||b| µ∗ (b × a) = (−1)|a||b| b · a,
61dh.
µ ◦ (idX ×µ) ≃ µ ◦ (µ × idX ) : X × X × X → X
µ ◦ T ≃ µ : X × X → X, wobei T : X × X → X × X, T (x1 , x2 ) := (x2 , x1 )
63dh. µY ◦ (f × f ) ≃ f ◦ µX : X × X → Y
64Wir versehen X × Y mit der Multiplikation µX×Y := (µX × µY ) ◦ (id ×T Y,X × id ),
X
Y
dh. (x1 , y1 ) · (x2 , y2 ) := (x1 · x2 , y1 · y2 ). Eine einfache Überlegung zeigt, dass dadurch X × Y
zu einem H-Raum wird.
62dh.
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
247
also ist H∗ (X; R) graduiert kommutativ. Ist X homotopieassotiativ, dann folgt
aus µ ◦ (idX ×µ) ≃ µ ◦ (µ × idX ) mittels Satz V.6.5(i)&(iv)
a · (b · c) = µ∗ (a × µ∗ (b × c))
= µ∗ (idX ×µ)∗ (a × (b × c))
= (µ ◦ (idX ×µ))∗ (a × b × c)
= (µ ◦ (µ × idX ))∗ (a × b × c)
= µ∗ (µ × idX )∗ ((a × b) × c)
= µ∗ (µ∗ (a × b) × c)
= (a · b) · c,
also ist H∗ (X; R) assotiativ. Ist f : X → Y eine Abbildung von H-Räumen, dann
folgt aus f ◦ µX ≃ µY ◦ (f × f ) mittels Satz V.6.5(iv)
X
Y
f∗ (a · b) = f∗ µX
∗ (a × b) = (f ◦ µ )∗ (a × b) = (µ ◦ (f × f ))∗ (a × b)
= µY∗ (f × f )∗ (a × b) = µY∗ (f∗ a × f∗ b) = f∗ a · f∗ b,
also ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren,
denn offensichtlich gilt auch f∗ (1X ) = 1Y . Schließlich ist (V.84) ein Homomorphismus graduierter R-Algebren, denn aus µX×Y = (µX ×µY )◦(idX ×T Y,X ×idY )
folgt mittels Satz V.6.5(ii)&(iv)
(a1 × b1 ) · (a2 × b2 ) = µ∗X×Y (a1 × b1 × a2 × b2 )
= (µX × µY ) ◦ (idX ×T Y,X × idY ) ∗ (a1 × b1 × a2 × b2 )
= (µX × µY )∗ (idX ×T Y,X × idY )∗ (a1 × b1 × a2 × b2 )
= (µX × µY )∗ (a1 × T∗Y,X (b1 × a2 ) × b2 )
= (−1)|b1 ||a2 | (µX × µY )∗ (a1 × a2 × b1 × b2 )
Y
= (−1)|b1 ||a2 | µX
∗ (a1 × a2 ) × µ∗ (b1 × b2 )
= (−1)|b1 ||a2 | (a1 · a2 ) × (b1 · b2 )
und dies bedeutet gerade, dass (V.84) ein Algebra Homomorphismus ist. Beachte,
dass offensichtlich auch 1X × 1Y = 1X×Y gilt.
V.7.9. Beispiel. Für den Pontryagin Ring der topologischen Gruppe S 1 gilt
aus Dimensionsgründen H∗ (S 1 ; Z) ∼
= ΛZ [x] mit |x| = 1. Für den Torus T n erhalten
wir daher, siehe Proposition V.7.8 und Bemerkung V.7.7,
H∗ (T n ; Z) ∼
|xi | = 1.
= ΛZ [x1 ] ⊗ · · · ⊗ ΛZ [xn ] ∼
= ΛZ [x1 , . . . , xn ],
Beachte, dass in diesem Fall (V.84) ein Isomorphismus ist, siehe Korollar V.6.8.
Für die Gruppe der Einheitsquaternionen S 3 ⊆ H gilt wieder aus Dimensionsgründen H∗ (S 3 ; Z) ∼
= ΛZ [y] mit |y| = 3. Wie oben folgt
|yi| = 3.
H∗ (S 3 × · · · × S 3 ; Z) ∼
= ΛZ [y1 , . . . , yn ],
= ΛZ [y1 ] ⊗ · · · ⊗ ΛZ [yn ] ∼
248
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.7.10. Definition (Graduierte Koalgebra). Es sei R ein kommutativer Ring
mit Eins. Unter einer graduierten R-Koalgebra verstehen wir einen graduierten
R-Modul A zusammen mit einem R-Modulhomomorphismus, der sogenannten
Komultiplikation oder Diagonale, ∆ : A → A ⊗R A. Wir setzen stets voraus, dass
A mit einer Koeinheit ausgestattet ist, dh. wir haben einen Homomorphismus
ε : A → R und das folgenden Diagramm kommutiert:
ε⊗idA
R ⊗A A o
A ⊗O R A
idA ⊗ε
/
A ⊗R R
(V.85)
∆
A
A
A
∼
=
→R
Die graduierte R-Koalgebra A wird zusammenhängend genannt, falls ε : A0 −
ein Isomorphismus ist und Aq = 0 für q < 0. Sie wird koassotiativ genannt falls
das linke Diagramm unten kommutiert.
A
∆
/
A ⊗R A
idA ⊗∆
∆
A ⊗R A
∆⊗idA
/
A ⊗R A ⊗R A
v A HHH
HH∆
vv
v
HH
vv
HH
v
v{ v
#
A,A
τ
/ A⊗
A
∆
A ⊗R
R
A
Kommutiert das rechte Diagramm, dann wird A graduiert kokommutativ genannt.
Unter einem Homomorphismus garduierter Koalgebren verstehen wir einen Homomorphismus graduierter R-Moduln ϕ : A → B der mit Komultiplikation und
Koeinheit verträglich ist, dh. es gilt ∆B ◦ ϕ = (ϕ ⊗ ϕ) ◦ ∆A sowie εB ◦ ϕ = εA .
V.7.11. Bemerkung. Die Komultiplikation einer
L R-Koalgebra A besteht aus
R-lineare Abbildungen ∆ : An → (A ⊗R A)n = p+q=n Ap ⊗R Aq . Wir erhalten
daher R-lineare Abbildungen ∆p,q : A → Ap ⊗R Aq und es gilt
X
∆p,q (a),
a ∈ An .
∆(a) =
p+q=n
∼
=
→ R ⊗R An = An ein
Für zusammenhängendes A ist ε ⊗ idAn : A0 ⊗R An −
Isomorphismus und mittels (V.85) folgt ∆0,n (a) = 1 ⊗ a und analog ∆n,0 (a) =
∼
=
→ R dem
a⊗1, für a ∈ An . Dabei bezeichnet 1 ∈ A0 jenes Element, das via ε : A0 −
Einselement in R entspricht. Im zusammenhängenden Fall gilt daher ∆(1) = 1⊗1
und
n−1
X
∆(a) = 1 ⊗ a +
∆k,n−k (a) + a ⊗ 1,
a ∈ An , n ≥ 1.
k=1
Ein Element a ∈ A wird primitiv genannt, falls ∆(a) = 1 ⊗ a + a ⊗ 1.
V.7.12. Bemerkung (Tensorprodukt graduierter Koalgebren). Es seien A
und B zwei graduierte Koalgebren über einem kommutativen Ring mit Eins R.
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
249
Wir machen den graduierten R-Modul A ⊗R B durch folgende Komultiplikation
id ⊗τ A,B ⊗id
∆ ⊗∆
B
B
A ⊗R B −−A−−−→
(A ⊗R A) ⊗R (B ⊗R B) −−A−−−−−−−→
(A ⊗R B) ⊗R (A ⊗R B)
zu einer graduierten R-Koalgebra. Die Koeinheit von A ⊗R B ist durch εA ⊗ εB :
A ⊗R B → R ⊗R R = R gegeben. Sind A und B zusammenhängend dann ist auch
A ⊗R B zusammenhängend. Sind A und B koassotiativ dann ist auch A ⊗R B
koassotiativ. Sind A und B kokommutativ dann ist auch A ⊗R B komommutativ. Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen graduierter
R-Koalgebren, dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus
graduierter R-Koalgebren.
V.7.13. Proposition. Es sei X wegzusammenhängender topologischer Raum
und es bezeichne D : X → X × X, D(x) := (x, x), die Diagonalabbildung.
Weiters sei R ein kommutativer Ring mit Eins, sodass das Homologiekreuzprodukt
×
H(X; R)⊗R H(X; R) −
→ H(X ×X; R) ein Isomorphismus ist.65 Die Komposition
×−1
D
∗
∆ : H∗ (X; R) −→
H∗ (X × X; R) −−→ H∗ (X; R) ⊗R H∗ (X; R)
macht dann H∗ (X; R) zu einer zusammenhängenden graduiert kokommutativen
=
und koassotiativen R-Koalgebra mit Koeinheit ε : H0 (X; R) −
→ R. Jede stetige
Abbildung zwischen wegzusammenhängenden Räumen f : X → Y induziert einen
Homomorphismus graduierter R-Koalgebren f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R), und das
Kreuzprodukt liefert einen Homomorphismus graduierter R-Koalgebren,66
×
H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) −
→ H∗ (X × Y ; R).
(V.86)
Beweis. Bezeichnet ε̃ : X → {∗} die konstante Abbildung dann gilt ε = ε̃∗ :
H(X; R) → H({∗}; R) = R. Nach V.6.5(iii)&(iv) kommutiert das Diagramm
H(X; R)
D∗
/
H(X × X; R) o
×
H(X; R) ⊗R H(X; R)
idH(X;R)⊗ε̃∗
(idX ×ε̃)∗
H(X × {∗}; R) o
×
H(X; R) ⊗R H({∗}; R)
idH(X;R)
)
H(X; R)
H(X; R) ⊗R R
also gilt (idH(X;R) ⊗ε)◦∆ = idH(X;R) . Analog lässt sich (ε⊗idH(X;R) )◦∆ = idH(X;R)
zeigen, also ist ε tatsächlich eine Koeinheit. Der Zusammenhang von H∗ (X; R)
65Nach
Korollar V.6.7 ist diese Voraussetzung für jeden Körper K = R erfüllt. Im Fall
R = Z ist dies zumindest dann erfüllt, wenn H∗ (X) frei abelsch ist, siehe Korollar V.6.8.
×
66Wir setzten hier natürlich voraus, dass auch H(Y ; R) ⊗ H (Y ; R) −
→ H(Y × Y ; R) und
R
∗
×
H(X × Y ; R) ⊗R H∗ (X × Y ; R) −
→ H(X × Y × X × Y ; R) Isomorphismen sind, sodass H∗ (Y ; R)
und H∗ (X × Y ; R) tatsächlich R-Koalgebren sind.
250
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
folgt aus dem Wegzusammenhang von X. Die Koassotiativität von ∆ folgt aus
der Kommutativität des Diagramms:
D∗
H(X)
×
/ H(X × X) o
H(X) ⊗ H(X)
idH(X) ⊗D∗
(idX ×D)∗
D∗
(D×idX )∗
H(X × X)
×
/ H(X × X × X) o
O
O
×
H(X) ⊗ H(X × X)
O
idH(X) ⊗×
×
H(X) ⊗ H(X)
D∗ ⊗idH(X)
/ H(X × X) ⊗ H(X) o
×⊗idH(X)
H(X) ⊗ H(X) ⊗ H(X)
Das linke obere Rechteck kommutiert aufgrund der Relation (idX ×D)◦D = (D×
idX ) ◦ D. Der rechte untere Teil des Diagramms kommutiert wegen Satz V.6.5(i).
Die beiden anderen Rechtecke kommutieren wegen der Natürlichkeit des Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv). Aus T ◦ D = D und Satz V.6.5(ii) erhalten wir
ein kommutatives Diagramm
H(X; R)
D∗
×
H(X × X; R) o
/
H(X; R) ⊗R H(X; R)
T∗
D∗
τ H(X),H(X)
*
×
H(X × X; R) o
H(X; R) ⊗R H(X; R)
also ist ∆ graduiert kokommutativ. Ist f : X → Y stetig so erhalten wir aus (f ×
f )◦D X = D Y ◦f und der Natürlichkeit des Kreuzproduktes, siehe Satz V.6.5(iv),
ein kommutatives Diagramm:
H(X; R)
D∗X
H(X; R) ⊗R H(X; R)
(f ×f )∗
f∗
×
H(X × X; R) o
/
H(Y ; R)
D∗Y
/
f∗ ⊗f∗
×
H(Y × Y ; R) o
H(Y ; R) ⊗R H(Y ; R)
Also ist f∗ : H∗ (X; R) → H∗ (Y ; R) ein Homomorphismus von R-Koalgebren,
denn offensichtlich gilt auch εY ◦ f∗ = εX . Für die letzte Behauptung der Proposition betrachten wir nun das kommutative Diagramm:
×
H(X) ⊗ H(Y )
/ H(X × Y )
j
j
j
j
jjj
jjj(DjX ×DY )∗
j
j
j
ju
X
Y
D∗
⊗D∗
H(X × X) ⊗ H(Y × Y )
O
×
/
×⊗×
H(X) ⊗ H(X) ⊗ H(Y ) ⊗ H(Y )
TTTT
TTTT
TTTT
X,Y
TTT)
(idX ×T
×idY )∗
H(X × Y × X × Y )
O
idH(X) ⊗τ H(X),H(Y ) ⊗idH(Y )
H(X) ⊗ H(Y ) ⊗ H(X) ⊗ H(Y )
X×Y
D∗
H(X × X × Y × Y )
×
×⊗×
/
H(X × Y ) ⊗ H(X × Y )
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
251
Der linke obere Teil kommutiert wegen Satz V.6.5(iv), der rechte obere Teil kommutiert aufgrund der Relation (idX ×T X,Y × idY ) ◦ (D X × D Y ) = D X×Y , und der
untere Teil kommutiert nach Satz V.6.5(i)&(ii). Es gilt daher
(× ⊗ ×)(∆H(X)⊗H(Y ) (a ⊗ b)) = ∆H(X×Y ) (×(a ⊗ b)),
also ist (V.86) ein Homomorphismus graduierter R-Koalgebren, denn offensichtlich gilt auch εH(X)⊗H(Y ) (a ⊗ b) = εH(X×Y ) (a × b).
V.7.14. Definition (Hopf-Algebra). Unter einer Hopf-Algebra über einem
kommutativen Ring mit Eins R verstehen wir eine zusammenhängende graduierte
R-Algebra A die auch mit der Struktur einer R-Koalgebra ausgestattet ist. Diese
beiden Strukturen sollen in folgendem Sinn verträglich sein:
(i) Für das Einselement 1 ∈ A und die Koeinheit ε : A → R gilt ε(1) = 1R .
(ii) Es gilt ∆(ab) = ∆(a)∆(b), dh. das folgende Diagramm kommutiert:
A ⊗R A
∆⊗∆
/
A ⊗R A ⊗R A ⊗R A
idA ⊗τ A,A ⊗idA
/
A ⊗R A ⊗R A ⊗R A
µ
A
µ⊗µ
∆
/
A ⊗R A
Unter einem Homomorphismus von Hopf-Algebren verstehen wir einen Homomorphismus ϕ : A → B der gleichzeitig Algebra- und Koalgebrahomomorphismus ist.
V.7.15. Bemerkung. Aus (i) oben und dem Zusammenhang folgt ∆(1) =
1 ⊗ 1 = 1A⊗R A sowie ε ◦ µ = ε ⊗ ε = εA⊗R A . Die Forderung (ii) bedeutet gerade,
dass die Komultiplikation ∆ : A → A ⊗R A ein R-Algebra Homomorphismus ist.
Äquivalent kann dies aber auch so interpretiert werden, dass die Multiplikation µ :
A ⊗R A → A einen Homomorphismus von R-Koalgebren bildet. Die Koeinheit ε :
A → R ist ein R-Algebra Homomorphismus. Statten wir R mit der Struktur einer
Hopfalgebra aus, ∆R (r) = r, dann ist R → A, r 7→ r · 1, ein Homomorphismus
von R-Koalgebren.
V.7.16. Bemerkung (Tensorprodukt von Hopf-Algebren). Sind A und B
zwei Hopf-Algebren über R, dann ist A ⊗R B sowohl eine graduierte R-Algebra,
siehe Bemerkung V.7.7, als auch graduierte R-Koalgebra, siehe Bemerkung V.7.12.
Dadurch wird A⊗R B zu einer Hopf-Algebra, denn die Komultiplikation auf A⊗R
B ist Komposition zweier R-Algebra Homomorphismen, siehe Bemerkung V.7.12.
Das Tensorprodukt zweier Hopf-Algebren ist daher wieder eine Hopf-Algebra.
Sind ϕ : A → A′ und ψ : B → B ′ zwei Homomorphismen von Hopf-Algebren,
dann ist auch ϕ ⊗ ψ : A ⊗R B → A′ ⊗R B ′ ein Homomorphismus von HopfAlgebren.
V.7.17. Beispiel (R[x] als Hopf-Algebra). Betrachte die Polynomalgebra
R[x] mit |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R. Es gibt genau eine Möglichkeit diese
graduiert kommutative und assotiative R-Algebra zu einer Hopf-Algebra zu machen. Für die Koeinheit muss ε(1) = 1 und ε(xk ) = 0 falls k > 0 gelten, womit ε
252
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
völlig festgelegt ist. Aus Dimensionsgründen gilt weiters ∆(x) = 1⊗x+x⊗1, siehe
Bemerkung V.7.11 Aus der universellen Eigenschaft der Polynomalgebra erhalten wir einen eindeutigen Homomorphismus graduierter R-Algebren ∆ : R[x] →
R[x] ⊗R R[x] mit ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1. Mit dieser Komultiplikation wird R[x]
also zu einer graduiert kokommutativen und koassotiativen Hopf-Algebra. Dies
ist die einzige Komultiplikation die R[x] zu einer Hopf-Algebra macht. Es folgt
n n X
n k
n
n
x ⊗ xn−k .
∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1 =
k
k=0
V.7.18. Beispiel (ΓR [x] als Hopf-Algebra). Betrachte die dividierte Polynomalgebra ΓR [x] wobei |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R, siehe BeispielV.7.5, mit
Basis xk ∈ (ΓR [x])k|x| = R, k ∈ N0 , und Multiplikation xk · xl = k+l
xk+l . Eine
k
einfache Rechnung zeigt, dass ΓR [x] durch die Komultiplikation
∆ : ΓR [x] → ΓR [x] ⊗R ΓR [x],
∆(xn ) =
n
X
xk ⊗ xn−k
k=0
zu einer graduiert kokommutativen und koassotiativen Hopf-Algebra wird. Ist
Z → R, n 7→ n · 1R , injektiv, dann ist dies die einzige Komultiplikation die ΓR [x]
zu einer Hopf-Algebra macht. Für einen Körper K = R der Charakteristik 0 ist
der Isomorphismus ΓK [x] ∼
= K[x], siehe Beispiel V.7.5, ein Isomorphismus von
Hopf-Algebren.
V.7.19. Beispiel (ΛR [x] als Hopf-Algebra). Aus Dimensionsgründen gibt es
genau eine Komultiplikation auf ΛR [x] mit |x| ungerade, die die R-Algebra ΛR [x]
zu einer Hopf-Algebra macht, ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1. Beachte
1 ⊗ x + x ⊗ 1 1 ⊗ x + x ⊗ 1 = 1 ⊗ x2 + x ⊗ x + (−1)|x||x| x ⊗ x + x2 ⊗ 1 = 0,
denn |x| ist ungerade. Daher gilt tatsächlich ∆(x2 ) = ∆(x)∆(x).
V.7.20. Bemerkung. Es sei R ein kommutativer Ring, sodass Z → R, n 7→
n · 1R injektiv ist, etwa R = K ein Körper der Charakteristik 0 oder R = Z.
Weiters sei n ≥ 2. Auf der graduierten Algebra R[x]/xn , mit |x| gerade, existiert
keine Komultiplikation die sie zu einer Hopf-Algebra machen würde. Nehmen wir
dazu indirekt an es wäre ∆ soeine Komultiplikation. Aus xn = 0 erhalten wir
n n X
n k
n
n
x ⊗ xn−k ,
0 = ∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1 =
k
k=0
n
und daher k = 0, für alle 0 < k < n, ein Widerspruch, denn Z → R ist injektiv.
s
V.7.21. Beispiel (Die Hopf-Algebra Zp [x]/xp .). Es sei p eine Primzahl und
s
s ∈ N. Betrachte die graduiert kommutative und assotiative Algebra Zp [x]/xp ,
wobei wir |x| gerade voraussetzen falls p 6= 2. Auf dieser Algebra gibt es genau eine Komultiplikation die sie zu einer Hopf-Algebra macht. Aufgrund der
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
253
universellen Eigenschaft des Polynomrings existiert nämlich genau ein Algebra
˜
˜ : Zp [x] → Zp [x]/xps ⊗Zp Zp [x]/xps mit ∆(x)
= 1 ⊗ x + x ⊗ 1.
Homomorphismus ∆
Aus Lemma V.7.23 unten folgt
ps
˜ ps ) = (∆(x))
˜
∆(x
= 1⊗x+x⊗1
ps
s
s
= 1 ⊗ xp + xp ⊗ 1 = 0,
˜ zu einem Algebra Homomorphismus
also faktorisiert ∆
s
s
s
∆ : Zp [x]/xp → Zp [x]/xp ⊗Zp Zp [x]/xp .
Dies ist die gesuchte eindeutige Komultiplikation.
V.7.22. Bemerkung. Es sei p eine Primzahl und n ∈ N. Betrachte die graduiert kommutative und assotiative Algebra Zp [x]/xn , wobei wir |x| gerade voraussetzen falls p 6= 2. Diese Algebra kann nur dann zu einer Hopf-Algebra gemacht
werden, wenn n eine Potenz von p ist, vgl. Beispiel V.7.21 oben. Aus xn = 0
erhalten wir nämlich
n
n
0 = ∆(x ) = ∆(x) = 1 ⊗ x + x ⊗ 1
n
n X
n k
x ⊗ xn−k ,
=
k
k=0
also nk ≡ 0 mod p, für alle 0 < k < n, und dies ist nur im Fall n = ps möglich,
siehe Lemma V.7.23 unten.
V.7.23. Lemma. Ist p eine Primzahl und n, k ∈ N0 dann gilt
Y ni
n
=
ki
k
i
mod p,
(V.87)
P
P
wobei n = i ni pi und k = i ki pi die p-adischen Entwicklungen von n bzw. p
bezeichnen, 0 ≤ ni < p, 0 ≤ ki < p.67 Weiters sind für n ≥ 1 die folgenden
Aussagen äquivalent:
(i) (x + y)n = xn + y n ∈ Zp [x, y].
(ii) Für alle 0 < k < n gilt nk ≡ 0 mod p.
(iii) Es gilt n = ps , für ein s ∈ N0 .
P
Beweis. In Zp [x] gilt (1 + x)p = pk=0 kp xk = 1 + xp , denn p teilt kp , für
i
i
jedes 0 < k < p. Mittels Induktion folgt (1 + x)p = 1 + xp , i ∈ N0 . Aus dem
67Wir
verwenden hier die Konvention
n
k
= 0 falls k > n.
254
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
binomischen Lehrsatz erhalten wir daher, in Zp [x]:
n ∞ X
P
n k X n k
i
x = (1 + x)n = (1 + x) i ni p
x =
k
k
k=0
k=0
Y
Y
i
i n
=
(1 + x)ni p =
1 + xp i
i
i
p−1 Y
ni ki pi Y X ni ki pi
x
x
=
=
ki
ki
i ki =0
i ki =0
p−1 p−1 p−1
Y ni P i
XX
X
x i ki p
···
=
ki
i
k0 =0 k1 =0 k2 =0
∞ Y X
ni k
x
=
ki
k=0 i
ni
X
P
Die letzte Gleichheit folgt aus der eindeutigen Primfaktorzerlegung, k = i ki pi .
Koeffizientenvergleich liefert nun (V.87). Die Äquivalenz (i)⇔(ii) folgt aus dem
binomischen Lehrsatz.
Q
s
0
ps
Ad (iii)⇒(ii): Aus (V.87) erhalten wir pk = k1s
i6=s ki . Ist k 6= 0 dann
folgt ki = 0, für alle i 6= s, sowie ks = 0, 1, und damit k = 0 oder k = ps = n.
Ad (ii)⇒(iii): Wir nehmen indirekt an n wäre
keine
Potenz von p,dh. ps 6= n,
Q
ni
für alle s. Aus (ii) und (V.87) folgt 0 = pns = n1s
= n1s für alle s.
i6=s 0
Daher ns = 0 für alle s und somit n = 0, ein Widerspruch.
V.7.24. Proposition. Es sei X ein wegzusammenhängender H-Raum und R
ein kommutativer Ring mit Eins, sodass das Homologiekreuzprodukt H(X; R) ⊗R
×
H∗ (X; R) −
→ H(X × X; R) ein Isomorphismus ist.68 Dann bildet H∗ (X; R) bezüglich der Multiplikation aus Proposition V.7.8 und der Komultiplikation aus
Proposition V.7.13 eine kokommutative und koassotiative Hopf-Algebra. Ist X homotopieassotiativ dann ist H∗ (X; R) assotiativ. Ist X homotpiekommutativ dann
ist H∗ (X; R) kommutativ. Jede Abbildung zusammenhängender H-Räume f :
X → Y induziert einen Homomorphismus von Hopf-Algebren f∗ : H∗ (X; R) →
H∗ (Y ; R), das Kreuzprodukt einen Homomorphismus von Hopf-Algebren69
×
H∗ (X; R) ⊗R H∗ (Y ; R) −
→ H∗ (X × Y ; R).
Beweis. Es ist nur noch zu zeigen, dass die Komultiplikation
D
×−1
∗
∆ : H(X; R) −→
H(X × X; R) −−→ H(X; R) ⊗R H(X; R)
68Etwa
R = K ein Körper, oder R = Z und H∗ (X) frei abelsch.
×
setzten hier natürlich voraus, dass H(Y ; R) ⊗R H∗ (Y ; R) −
→ H(Y × Y ; R) und
×
H(X × Y ; R) ⊗R H∗ (X × Y ; R) −
→ H(X × Y × X × Y ; R) Isomorphismen sind, sodass H∗ (Y ; R)
und H∗ (X × Y ; R) tatsächlich Hopf-Algebren sind.
69Wir
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
255
ein Algebra Homomorphismus ist. Nach Proposition V.7.8 sind aber beide Abbildungen Algebrahomomorphismen, denn D : X → X × X ist eine Abbildung
von H-Räumen.
V.7.25. Lemma. Für n ≥ 1 gilt:
(i) Ist Rn eine Divisionsalgebra dann sind S n−1 und RPn−1 H-Räume.
(ii) Ist Cn eine Divisionsalgebra über C, dann ist CPn−1 ein H-Raum.
(iii) Ist S n−1 parallelisierbar70 dann ist S n−1 ein H-Raum.
Beweis. Ist Rn eine Divisionsalgebra, dann existiert auf Rn auch eine Divisionsalgebren Struktur mit Einselement. Wähle dazu 0 6= e ∈ Rn und einen linearen
Isomorphismus ϕ ∈ GL(R) mit ϕ(e2 ) = e. Beachte hier, dass e2 6= 0 wegen der
Nullteilerfreiheit einer Divisionsalgebra. Es ist nun auch µ̃(x, y) := ϕ(xy) eine Divisionsalgebrenstruktur auf Rn für die µ̃(e, e) = e gilt. Es bezeichne le ∈ GL(Rn ),
le (y) := µ̃(e, y), und re ∈ GL(Rn ), re (x) := µ̃(x, e). Definieren wir schließlich
µ(x, y) := µ(re−1(x), le−1 (y)), dann ist dies eine Divisionsalgebrenstruktur mit
Einselement e.
Ad (i): Nach obiger Bemerkung dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass die Divisionsalgebrenstruktur auf Rn ein Einselement besitzt. Es definiert nun (x, y) 7→
xy/kxyk eine H-Raumstruktur auf S n−1 , und ([x], [y]) 7→ [xy] eine H-Raumstruktur auf RPn−1 . Beachte, dass dies wegen der Nullteilerfreiheit der Multiplikation
tatsächlich wohldefiniert ist.
Ad (ii): Wie oben dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass die Divisionsalgebra Cn
ein Einselement besitzt. Es definiert dann ([x], [y]) 7→ [xy], eine H-Raum Struktur
auf CPn . Beachte, dass dies aufgrund der Nullteilerfreiheit und der komplexen
Linearität der Multiplikation auf Cn tatsächlich wohldefiniert ist.
Ad (iii): Seien also vi : S n−1 → Rn punktweise linear unabhängige stetig Vektorfelder, vi (x) ⊥ x. Für jedes x ∈ S n−1 ist dann die Matrix Ax :=
(x, v2 (x), . . . , vn (x)) invertierbar, dh. Ax ∈ GL(Rn ). Bezeichnet e := (1, 0, . . . , 0) ∈
S n−1 den ersten Einheitsvektor, dann definiert µ : S n−1 ×S n−1 → S n−1 , µ(x, y) :=
−1
n−1
Ax A−1
mit Einselement e, denn ofe y/kAx Ae yk, eine H-Raum Struktur auf S
fensichtlich µ(e, y) = y, aber auch µ(x, e) = x, denn es gilt Ax e = x und daher
auch A−1
e e = e.
V.7.26. Satz. Für 0 ≤ i, j, i + j ≤ n sind die folgenden Komultiplikationen
Isomorphismen:
∼
=
→ Hi (RPn ; Z2 ) ⊗Z2 Hj (RPn ; Z2 )
(i) ∆i,j : Hi+j (RPn ; Z2 ) −
∼
=
→ H2i (CPn ; Z) ⊗ H2j (CPn ; Z)
(ii) ∆2i,2j : H2(i+j) (CPn ; Z) −
∼
=
→ H4i (HPn ; Z) ⊗ H4j (HPn ; Z)
(iii) ∆4i,4j : H4(i+j) (HPn ; Z) −
70dh.
es existieren n − 1 tangentiale Vektorfelder v2 , . . . , vn auf S n−1 , vi : S n−1 → Rn
stetig und vi (x) ⊥ x, x ∈ S n−1 , i = 2, . . . , n, die punktweise linear unabhängig sind, dh.
v2 (x), . . . , vn (x) linear unabhängig in Rn , für jedes x ∈ S n−1 . Dies bedeutet, dass das Tangentialbündel von S n−1 trivial ist, dh. T S n−1 ∼
= S n−1 × Rn−1 .
256
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Beweis. Wir folgen der Darstellung in [2, Chapter VII.9.3]. Wir beweisen alle
drei Ausagen gleichzeitig und setzen dazu P n := RPn , CPn , HPn , K = R, C, H
sowie d := 1, 2, 4 in den drei Fällen (i), (ii) bzw. (iii). Aufgrund der Natürlichkeit
von ∆ dürfen wir o.B.d.A. i + j = n annehmen, denn die Inklusion P i+j → P n
∼
=
→ Hq (P n ), für alle q ≤ d(i + j). Betrachte:
induziert Isomorphismen Hq (P i+j ) −
P i := [x0 : x1 : . . . : xn ] ∈ P n xi+1 = · · · = xn = 0 ⊆ P n
P̂ j := [x0 : x1 : . . . : xn ] ∈ P n x0 = · · · = xi−1 = 0 ⊆ P n
Offensichtlich gilt
P i ∩ P̂ j = {∗}
(V.88)
mit ∗ := [0 : · · · 0 : 1 : 0 : · · · : 0] ∈ P n . Die Inklusion P i−1 → P n \ P̂ j ist eine
Homotopieäquivalenz, denn [x0 : · · · : xn ] 7→ [x0 : · · · : xi−1 : txi : · · · : txn ]
definiert eine retrahierende Deformation von P n \ P̂ j auf P i−1. Die Inklusion
∼
=
→ H∗ (P n , P n \ P̂ j ). Aus der
induziert daher einen Isomorphismus H∗ (P n , P i−1) −
langen exakten Sequenz des Paares (P n , P i−1 ) folgt nun
Hq (P n , P n \ P̂ j ) = 0,
für q < di,
(V.89)
und die Inklusionen induzieren Isomorphismen
∼
=
Hq (P i, P i \ ∗) −
→ Hq (P n , P n \ P̂ j ),
sowie
für q ≤ di
(V.90)
∼
=
→ Hdi (P n , P n \ P̂ j ).
(V.91)
Hdi (P n ) −
Analog gilt Hq (P n , P n \ P i ) = 0 für q < dj, und die Inklusionen induziert Iso∼
∼
=
=
→
→ Hq (P n , P n \ P i ), für q ≤ dj, sowie Hdj (P n ) −
morphismen Hq (P̂ j , P̂ j \ ∗) −
Hdj (P n , P n \ P i ). Setze
K i := (x1 , . . . , xn ) ∈ K n xi+1 = · · · = xn = 0 ⊆ K n
K̂ j := (x1 , . . . , xn ) ∈ K n x1 = · · · = xi = 0 ⊆ K n
und betrachte die Karte
ϕ : K n → P n,
ϕ(x1 , . . . , xn ) := x1 : · · · : xi : 1 : xi+1 : · · · : xn .
Betrachte das kommutative Diagramm
Hq (K n , K n \ K̂ j )
ϕ∗
/
O
Hq (P n , P n \ P̂ j )
O
∼
=
Hq (K i , K i \ 0)
(ϕ|K i )∗
∼
=
/
Hq (P i , P i \ ∗)
Der linke vertikale Pfeil ist ein Isomorphismus, denn die Inklusion (K i , K i \ 0) →
(K n , K n \ K̂ j ) ist eine Homotopieäquivalenz. Mittels Excision folgt, dass auch
der untere horizontale Pfeil ein Isomorphismus ist. Für q ≤ di ist auch der rechte
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
257
vertikale Pfeil ein Isomorphismus, siehe (V.90). Wir erhalten daher Isomorphismen
∼
=
ϕ∗ : Hq (K n , K n \ K̂ j ) −
→ Hq (P n , P n \ P̂ j ),
für q ≤ di.
(V.92)
∼
=
→ Hq (P n , P n \ P i), falls q ≤ dj. Betrachte
Analog gilt auch ϕ∗ : Hq (K n , K n \ K i ) −
nun folgendes Diagramm:
∆di,dj
D∗
Hdn (P n )
/
Hdn (P n × P n )
o
*
×
Hdi (P n ) ⊗ Hdj (P n )
∼
=
∼
=
D∗
Hdn (P n , P n \ ∗)
O
/
∼
=
`
´
Hdn P n × P n , (P n \ P̂ j ) × P n ∪ P n × (P n \ P i )
ϕ∗
O
×
o
∼
=
O
ϕ∗ ⊗ϕ∗
(ϕ×ϕ)∗
D∗
Hdn (K n , K n \ 0)
/
Hdi (P n , P n \ P̂ j )
⊗
Hdj (P n , P n \ P i )
`
´
Hdn K n × K n , (K n \ K̂ j ) × K n ∪ K n × (K n \ K i )
O
o
×
∼
=
∼
=
Hdi (K n , K n \ K̂ j )
⊗
Hdj (K n , K n \ K i )
∼
=
∼
=
*
`
´
Hdn K i × K̂ j , (K i \ 0) × K̂ j ∪ K i × (K̂ j \ 0)
Der rechte Teil des Diagramms kommutiert wegen der Natürlichkeit des Kreuzproduktes. Nach Korollar V.6.17 bzw. Korollar V.6.18 und (V.89) sind die beiden
Kreuzprodukte tatsächlich Isomorphismen. Nach (V.91) und (V.92) sind die beiden vertikalen Pfeile rechts Isomorphismen. Der linke untere diagonale Pfeil wird
von der Identifikation (K n , K n \ 0) = (K i × K̂ j , (K i \ 0) × K̂ j ∪ K i × (K̂ j \ 0))
induziert und ist daher ein Isomorphismus. Der linke untere Teil des Diagramms
kommutiert, denn
(x1 , . . . , xn ) 7→ x1 , . . . , xi , txi+1 , . . . , txn ; tx1 , . . . , txi , xi+1 , . . . , xn
ist eine Homotopie von D zu der Komposition der beiden anderen Pfeile. Der
mittlere vertikale Pfeil unten ist von einer Homotopieäquivalenz induziert und
daher ein Isomorphismus. Der verbleibende Teil des Diagramms kommutiert aus
trivialen Gründen, alle unbeschrifteten Pfeile sind von Inkusionen induziert. Beachte, dass wegen (V.88) die Diagonalabbildungen wirklich Homomorphismen
relativer Homologiegruppen wie angegeben induzieren. Der vertikale Pfeil links
oben ist wegen (V.91) mit j = 0 und i = n ein Isomorpshimus. Auch der mittlere
vertikale Pfeil links ist ein Isomorphismus, dies folgt aus (V.92) mit j = 0 und
i = n, oder mittels Excision. Wir sehen also, dass alle als Isomorphismen gekennzeichneten Pfeile tatsächlich Isomorphismen sind. Aus der Kommutativität des
Diagramms folgt nun, dass auch ∆di,dj ein Isomorphismus sein muss.
258
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.7.27. Beispiel. Betrachte die Räume CP2 und S 2 ∨ S 4 . Für jede abelsche
Gruppe G gilt Hq (CP2 ; G) ∼
= Hq (S 2 ∨ S 4 ; G), die additive Struktur der Homologiegruppen erlaubt es daher nicht diese beiden Räume zu unterscheiden. Nach
Satz V.7.26(ii) ist jedoch
∼
=
→ H2 (CP2 ) ⊗ H2 (CP2 )
∆2,2 : H4 (CP2 ) −
ein Isomorphismus, während
0 = ∆2,2 : H4 (S 2 ∨ S 4 ) → H2 (S 2 ∨ S 4 ) ⊗ H2 (S 2 ∨ S 4 )
verschwindet. Die letzte Aussage folgt aus der Existenz einer Retraktion r : S 2 ∨
S 4 → S 2 , denn für x ∈ H4 (S 2 ∨ S 4 ) erhalten wir r∗ x = 0, also 0 = ∆2,2 (r∗ x) =
(r∗ ⊗ r∗ )∆2,2 (x) und damit ∆2,2 (x) = 0 da ja r∗ : H2 (S 2 ∨ S 4 ) → H2 (S 2 ) aufgrund
der Retraktionseigenschaft von r ein Isomorphismus ist. Die Räume CP2 und
S 2 ∨ S 4 können daher nicht homotopieäquivalent sein. Analog lässt sich CPn 6≃
S 2 ∨ S 4 ∨ · · · ∨ S 2n zeigen, obwohl additiv Hq (CPn ; G) ∼
= Hq (S 2 ∨ · · · ∨ S 2n ; G)
für alle q gilt.
V.7.28. Proposition. Es sei A ein graduierter R-Modul sodass Aq = 0 für
q < 0, und sodass Aq ∼
= Rnq für q ≥ 0. Weiters bezeichne HomR (A, R) den
graduierten R-Modul HomR (A, R)q := HomR (Aq , R).
Ist (A, µ) eine graduierte Algebra dann wird HomR (A, R) durch
µ∗
HomR (A, R) −→ HomR (A ⊗R A, R) = HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R)
zu einer graduierten Koalgebra. Ist A graduiert kommutativ dann ist HomR (A, R)
graduiert kokommutativ. Ist A assotiativ dann ist HomR (A, R) koassotiativ.
Ist (A, ∆) eine graduierte Koalgebra dann wird HomR (A, R) durch
∆∗
HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) = HomR (A ⊗R A, R) −→ HomR (A, R)
zu einer graduierten Algebra. Ist A graduiert kokommutativ dann ist HomR (A, R)
graduiert kommutativ. Ist A koassotiativ dann ist HomR (A, R) assotiativ.
Ist A eine Hopf-Algebra dann ist auch HomR (A, R) eine Hopf-Algebra.
Beweis. Die Voraussetzungen an A stellen sicher, dass der kanonische Homomorphismus
∼
=
HomR (A, R) ⊗ HomR (A, R) −
→ Hom(A ⊗R A, R)
ein Isomorphismus ist. Sei nun etwa ∆ eine koassotiative Komultiplikation auf A,
dh. das Diagramm
A
∆
/
A ⊗R A
idA ⊗∆
∆
A ⊗R A
∆⊗idA
/
A ⊗R A ⊗R A
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
259
kommutiert. Durch Anwenden des Funktors HomR (−, R) sehen wir, dass auch
HomR (A, R)
O
∆∗
o
HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R)
O
id ⊗∆∗
∆∗
∗
HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R)
o
∆ ⊗id
HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R) ⊗R HomR (A, R)
kommutiert, also ist die Multiplikation ∆∗ auf HomR (A, R) assotiativ. Die anderen Aussagen lassen sich analog zeigen.
V.7.29. Beispiel. Es sei wieder |x| gerade oder 1 = −1 ∈ R. Dann existiert
ein Isomorphismus von Hopf-Algebren
(V.93)
HomR (R[x], R) ∼
= ΓR [x].
Bezeichne dazu αk ∈ HomR (R[x], R)k|x| jenen Erzeuger für den αk (xk ) = 1R gilt.
k
k+l
l
Da ∆k,l (xk+l ) = k+l
x
⊗
x
,
erhalten
wir
α
α
=
αk+l , und aus xk xl = xk+l
k
l
k
k
k
folgt ∆k,l (αk+l ) = αk ⊗ αl . Die Zuordnung αk ↔ x liefert daher den gewünschten
Isomorphismus (V.93). Ebenso existiert ein Isomorphismus von Hopf-Algebren
HomR (ΓR [x], R) ∼
= R[x].
V.7.30. Korollar. Für n ≥ 0 gilt:
(i) Es existiert eine Basis xk ∈ Hk (RPn ; Z2 ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(xk ) =
Pk
i=0 xi ⊗ xk−i .
(ii) Es existiert eine Basis yk ∈ H2k (CPn ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(yk ) =
Pk
i=0 yi ⊗ yk−i .
(iii) Es existiert eine Basis zk ∈ H4k (HPn ), 0 ≤ k ≤ n, mit ∆(zk ) =
Pk
i=0 zi ⊗ zk−i .
Beweis. Behauptung (i) folgt sofort aus Satz V.7.26(i), denn Hk (RPn ; Z2 ) ∼
=
Z2 , 0 ≤ k ≤ n, besitzt nur eine Basis. Behauptung (ii) folgt aus Satz V.7.26(ii)
und der Koassotiativität von H∗ (CPn ). Nach Proposition V.7.28 induziert die
Komultiplikation auf B := Hom(H∗ (CPn ), Z) die Struktur einer (graduiert) kommutativen und assotiativen Algebra. Nach Satz V.7.26(ii) ist die Multiplikation
Bi ⊗ Bk−i → Bk ein Isomorphismus. Bezeichnet β ∈ B2 ∼
= Z einen Erzeuger,
i
∼
dann ist also auch βi := β ∈ B2i = Z ein Erzeuger, 0 ≤ i ≤ n. Aus der Assotiativität von B folgt βi βk−i = βk . Bezeichnet nun yi ∈ H2i (CPn ) den Erzeuger mit
βi (yi ) = 1R , 0 ≤ i ≤ n, dann erhalten wir ∆i,k−i (yk ) = yi ⊗ yk−i. Dies zeigt (ii),
Behauptung (iii) lässt sich analog aus Satz V.7.26(iii) herleiten.
V.7.31. Korollar. Für n ≥ 0 gilt:
(i) Ist f : RPn → RPn stetig dann existiert λ ∈ Z2 , sodass für 1 ≤ q ≤ n
gilt f∗ = λ : Hq (RPn ; Z2 ) → Hq (RPn ; Z2 ).
(ii) Ist f : CPn → CPn stetig dann existiert λ ∈ Z, sodass für 1 ≤ q ≤ n
gilt f∗ = λq : H2q (CPn ) → H2q (CPn ).
260
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
(iii) Ist f : HPn → HPn stetig dann existiert λ ∈ Z, sodass für 1 ≤ q ≤ n
gilt f∗ = λq : H4q (HPn ) → H4q (HPn ).
Beweis. Es existieren λq ∈ Z2 , sodass f∗ xq = λq xq , q = 0, . . . , n, wobei xq ∈
Hq (RPn ; Z2 ) eine Basis wie in Korollar V.7.30(i) bezeichnet. Aus der Natürlichkeit
von ∆ und Korollar V.7.30(i) folgt nun
λq x1 ⊗ xq−1 = λq ∆1,q−1 (xq ) = ∆1,q−1 (f∗ xq ) = (f∗ ⊗ f∗ )∆1,q−1 (xq )
= (f∗ ⊗ f∗ )x1 ⊗ xq−1 = λ1 λq−1 x1 ⊗ xq−1
und daher λq = λ1 λq−1 , q ≥ 1. Mittels Induktion erhalten wir λq = λq1 , q ≥ 1.
Da λq1 = λ1 ∈ Z2 folgt Behauptung (i) mit λ := λ1 . Behauptung (ii) lässt sich
analog beweisen. Zunächst existieren λq ∈ Z mit f∗ yq = λq yq , q = 0, 1, . . . , n,
wobei yq ∈ H2q (CPn ) eine Basis wie in Korollar V.7.30(ii) bezeichnet. Aus einer
Rechnung wie oben folgt λq = λ1 λq−1 , q ≥ 1, und daher λq = λq mit λ := λ1 .
Damit ist (ii) bewiesen, dasselbe Argument zeigt auch (iii).
V.7.32. Korollar. Für 0 < k < n gilt:
(i) RPk ist nicht Retrakt von RPn .
(ii) CPk ist nicht Retrakt von CPn .
(iii) HPk ist nicht Retrakt von HPn .
Beweis. Wir gehen indirekt vor und nehmen an r : RPn → RPk ⊆ RPn wäre
eine Retraktion, r|RPk = idRPk . Da die Inklusion RPk → RPn einen Isomorphis∼
=
mus H1 (RPk ; Z2 ) −
→ H1 (RPn ; Z2 ) induziert, gilt also
r∗ = id : H1 (RPn ; Z2 ) → H1 (RPn ; Z2 ).
Aus Korollar V.7.31(i) folgt nun
r∗ = id : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ),
ein Widerspruch, denn Hn (RPk ; Z2 ) = 0. Damit ist (V.7.32) gezeigt, die verbleibenden Aussagen lassen sich analog beweisen.
V.7.33. Korollar. Es sei n ≥ 1:
(i) Ist RPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 2s für ein s ∈ N0 .71
(ii) Ist CPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 1.
(iii) Ist HPn−1 ein H-Raum dann gilt n = 1.
Beweis. Ad Behauptung (i): Wie in Beispiel V.7.29 folgt aus Satz V.7.30(i)
HomZ2 (H∗ (RPn−1 ; Z2 ), Z2 ) ∼
= Z2 [x]/xn , als graduierte Algebren, |x| = 1. Ist
n−1
RP
ein H-Raum, dann ist dies eine Hopf-Algebra, siehe Proposition V.7.28.
Nach Bemerkung V.7.22 muss daher n = 2s gelten. Ad Behauptung (ii): Wie
in Beispiel V.7.29 folgt aus Satz V.7.30(ii) Hom(H∗ (CPn−1 ), Z) ∼
= Z[y]/y n, als
71Tatsächlich
folgt n = 1, 2, 4 oder 8 nach einem Resultat von Adams.
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
261
graduierte Algebren, |y| = 2. Ist CPn−1 ein H-Raum, dann ist dies eine HopfAlgebra, siehe Proposition V.7.28. Nach Bemerkung V.7.20 muss daher n = 1
gelten. Behauptung (iii) lässt sich analog beweisen.
V.7.34. Korollar.
(i) Die Dimension einer endlich-dimensionale Divisionsalgebra über R ist
von der Form 2s , für ein s ∈ N0 .72
(ii) C ist die einzige endlich-dimensionale komplexe Divisionsalgebra.
Beweis. Dies folgt aus Korollar V.7.33 und Lemma V.7.25.
0
1
2
V.7.35. Beispiel.
S n Wir betrachten die Inklusionen R ⊆ R ⊆ R ⊆ · · · und
∞
versehen R := n R mit der schwachen Topologie dh. eine Teilemenge U ⊆ R∞
ist genau dann offen, wenn U ∩ Rn offen in Rn ist, für jedes n. Wir schreiben auch
R∞ = lim Rn . Diese Topologie auf R∞ ist durch folgende universelle Eigenschaft
−→
charakterisiert. Sind fn : Rn → X stetig mit fn |Rm = fm , m ≤ n, dann existiert
genau eine stetige Abbildung f : R∞ → X, sodass f |Rn = fn für alle n. Etwa
ist jede lineare Abbildung R∞ → R stetig. Ist S
K ⊆ R∞ kompakt, dann existiert
73
n ∈ N, sodass K ⊆ Rn . Die Sphäre S ∞ := n S n = {x ∈ R∞ : kxk = 1} ist
ein abgeschlossener Teilraum von R∞ , und es gilt S ∞ = lim S n , dh. U ⊆ S ∞ ist
−→
genau dann offen wenn U ∩ S n offen in S n ist, für jedes n. Wieder muss jede
kompakte Teilmenge K ⊆ S ∞ schon zur Gänze in einer endlich dimensionalen
Sphäre S n liegen. Zusammen mit der Berechnung der Homologiegruppen von S n
folgt nun H̃∗ (S ∞ ) = 0, dh. S ∞ ist azyklisch. Tatsächlich ist S ∞ kontrahierbar.
Bezeichnet s : S ∞ → S ∞ die Abbildung s(x1 , x2 , . . . ) := (0, x1 , x2 , . . . ) dann gilt
nämlich idS ∞ ≃ s via der Homotopie
F : S ∞ × I → S ∞,
Ft (x) :=
ts(x) + (1 − t)x
kts(x) + (1 − t)xk
Gt (x) :=
(1 − t)s(x) + te
k(1 − t)s(x) + tek
und s ≃ const via der Homotopie
G : S ∞ × I → S ∞,
wobei e = (1, 0, 0, . . . ) ∈ S ∞ , also idS ∞ ≃ const. Die Stetigkeit dieser Homotopien
folgt aus S ∞ × I = lim(S n × I). Polynommultiplikation (Faltung) liefert eine
−→
72Tatsächlich
kann die Dimension nur 1, 2, 4 oder 8 sein, siehe oben. Die Beispiele R, C, H
und O zeigen, dass alle diese Dimensionen auch auftreten.
73Sei dazu M := {m ∈ N | K ∩ (Rm \ Rm−1 ) 6= ∅}. Wähle nun x ∈ K ∩ (Rm \ Rm−1 ),
m
m ∈ M , und betrachte X := {xm | m ∈ M }. Es ist dann X abgeschlossen in R∞ , denn
offensichtlich ist X ∩ Rn abgeschlossen in Rn , für jedes n. Das selbe Argument zeigt, dass
auch X \ {xm } abgeschlossen in R∞ ist, für jedes m ∈ M . Also ist X eine abgeschlossene,
diskrete Teilmenge von K. Aufgrund der Kompaktheit von K muss X daher endlich sein. Nach
Konstruktion ist dann auch M endlich, also gilt K ⊆ Rn mit n := max(M ).
262
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Abbildung m : R∞ × R∞ → R∞ ,
X
X
m (x0 , x1 , . . . ), (y0, y1 , . . . ) := x0 y0 , x0 y1 + x1 y0 ,
xi yj , . . . ,
xi yj , . . . .
i+j=2
i+j=k
Dadurch wird R zu einer kommutativen und assotiativen Divisionsalgebra mit
Einselement e. Wegen R∞ × R∞ = lim(Rn × Rn ) ist m auch stetig, also definiert
−→
m(x, y)
µ : S ∞ × S ∞ → S ∞,
µ(x, y) :=
(V.94)
km(x, y)k
∞
eine strikt kommutative und assotiative H-Raumstruktur auf S ∞ . Analog definieren wir C∞ := lim Cn und H∞ := lim Hn . Polynommultiplikation liefert wieder
−→
−→
stetige Abbildungen C∞ × C∞ → C∞ und H∞ × H∞ → H∞ . Dadurch werden
C∞ und H∞ zu assotiativen Divisionsalgebren mit Eins, C∞ ist darüberhinaus
auch kommutativ. Beachte auch S ∞ ⊆ C∞ und S ∞ ⊆ H∞ .
V.7.36. Beispiel (RP∞ als H-Raum).SWir betrachten die Inklusionen RP0 ⊆
RP ⊆ RP2 ⊆ · · · und versehen RP∞ := n≥0 RPn mit der schwachen Topologie,
dh. eine Teilemenge U ⊆ RP∞ ist genau dann offen wenn U ∩ RPn offen in RPn
ist, für jedes n. Wir schreiben dafür auch RP∞ = lim RPn . Sind fn : RPn → X
−→
stetige Abbildungen mit fn |RPm = fm , m ≤ n, dann existiert genau eine stetige
Abbildung f : RP∞ → X, sodass f |RPn = fn für alle n ∈ N. Die Projektionen
p : S n → RPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ → RP∞ , die Topologie
auf RP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein. Also ist p : S ∞ → RP∞
die universelle (zwei-blättrige) Überlagerung von RP∞ . Ist K ⊆ RP∞ kompakt,
dann existiert n ∈ N, sodass K ⊆ RPn . Mittels Proposition V.4.14 folgt daraus


Z falls q = 0
∞
∼
Hq (RP ; Z) = Z2 falls q = 1, 3, 5, 7, . . .

0
sonst
bzw. Hq (RP∞ ; Z2 ) ∼
= Z2 für alle q ≥ 0. Aus Satz V.7.26(i) und der Natürlichkeit
von ∆ folgt, dass
1
∼
=
→ Hi (RP∞ ; Z2 ) ⊗Z2 Hj (RP∞ ; Z2 ),
∆i,j : Hi+j (RP∞ ; Z2 ) −
i, j ≥ 0
∞
Isomorphismen sind. Es existiert daher eine Basis xk ∈ Hk (RP ; Z2 ), sodass
∆(xk ) =
k
X
xi ⊗ xk−i ,
k ≥ 0.
(V.95)
i=0
∞
Die H-Raumstruktur auf S , siehe (V.94), faktorisiert zu einer kommutativen
und assotiativen H-Raumstruktur auf RP∞ . Für die Hopf-Algebra gilt
|x| = 1.
(V.96)
H∗ (RP∞ ; Z2 ) ∼
= ΓZ [x],
2
Aus (V.95) folgt nämlich HomZ2 (H∗ (RP ; Z2 ), Z2 ) ∼
= Z2 [x], als graduierte Algebren. Da es auf Z2 [x] nur eine Hopf-Algebrenstruktur gibt, siehe Beispiel V.7.17,
∞
V.7. H-RÄUME UND HOPF-ALGEBREN
263
muss dies ein Isomorphismus von Hopf-Algebren sein. Mittels Proposition V.7.28
und Beispiel V.7.29 erhalten wir nun (V.96).
V.7.37. Beispiel (CP∞ als H-Raum). Wie in Beispiel V.7.36 definieren wir
CP = lim CPn und erhalten
−→
(
Z falls q = 0, 2, 4, 6, 8, . . .
Hq (CP∞ ; Z) ∼
=
0 sonst
∞
Die Projektionen p : S 2n+1 → CPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ →
CP∞ , und die Topologie auf CP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein.
Aus Satz V.7.26(ii) sehen wir, dass
∼
=
∆2i,2j : H2i+2j (CP∞ ) −
→ H2i (CP∞ ) ⊗ H2j (CP∞ ),
i, j ≥ 0
Isomorphismen sind. Wie im Beweis von Korollar V.7.30 folgt daraus, dass eine
Basis yk ∈ H2k (CP∞ ) existiert, sodass
∆(yk ) =
k
X
yi ⊗ yk−i,
k ≥ 0.
(V.97)
i=0
Polynommultiplikation auf C∞ induziert eine kommutative und assotiative HRaumstruktur auf CP∞ ,
µ : CP∞ × CP∞ → CP∞ ,
µ([x], [y]) := [m(x, y)].
Als Hopf-Algebren gilt
H∗ (CP∞ ) ∼
= ΓZ [y],
|y| = 2.
(V.98)
Aus (V.97) folgt nämlich Hom(H∗ (CP ), Z) ∼
= Z[x], als graduierte Algebren.
Da es auf Z[x] nur eine Hopf-Algebrenstruktur gibt, siehe Beispiel V.7.17, muss
dies ein Isomorphismus von Hopfalgebren sein. Mittels Proposition V.7.28 und
Beispiel V.7.29 erhalten wir nun (V.98).
∞
V.7.38. Beispiel (HP∞ als H-Raum). Wie in Beispiel V.7.37 definieren wir
HP = lim HPn und erhalten
−→
(
Z falls q = 0, 4, 8, 12, 16, . . .
∞
Hq (HP ; Z) ∼
=
0 sonst
∞
Die Projektionen p : S 4n+3 → HPn induzieren eine stetige Abbildung p : S ∞ →
HP∞ , und die Topologie auf HP∞ stimmt mit der Quotiententopologie überein.
Polynommultiplikation auf H∞ induziert eine nicht kommutative aber assotiative H-Raumstruktur auf HP∞ , also ist H∗ (HP∞ ; Z) eine Hopfalgebra. Wie im
vorangehenden Beispiel folgt
H∗ (HP∞ ) ∼
|z| = 4,
= ΓZ [z],
als Hopf-Algebren.
264
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.8. Das Borsuk–Ulam Theorem. Eine stetige Abbildung f : S n → S m
wird ungerade genannt, falls f (−x) = −f (x) für alle x ∈ S n gilt. Dies bedeutet,
dass f mit der Antipodalabbildung A : S n → S n , A(x) := −x, kommutiert, dh.
f ◦A = A◦f . Analog wird eine stetige Abbildung f : S n → Rm ungerade genannt,
falls f (−x) = −f (x) für alle x ∈ S n gilt.
V.8.1. Satz (Borsuk). Jede ungerade Abbildung S n → S n hat ungeraden Abbildungsgrad, n ≥ 0. Insbesondere sind ungerade Abbildungen S n → S n stets
surjektiv und nicht nullhomotop.
Beweis. Sei also f : S n → S n ungerade. Es ist dann auch die Suspension Sf : S n+1 → S n+1 ungerade mit Abbildungsgrad deg(Sf ) = deg(f ), siehe
Satz IV.12.11(iv). Wir dürfen daher o.B.d.A. n ungerade und n ≥ 3 voraussetzen. Es bezeichne nun f¯ : RPn → RPn die von f induzierte stetige Abbildung,
dh. p ◦ f = f¯◦ p, wobei p : S n → RPn die kanonische Projektion bezeichnet. Nach
p∗
→ Hn (RPn ) ∼
Proposition V.4.14 ist der Homomorphismus Z ∼
= Z
= Hn (S n ) −
injektiv, aus p∗ ◦ f∗ = f¯∗ ◦ p∗ folgt daher
f¯∗ = deg(f ) : Hn (RPn ) → Hn (RPn ).
Mit Hilfe der Natürlichkeitsaussage im universellen Koeffiziententheorem V.4.6
erhalten wir daraus auch
f¯∗ = deg(f ) : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ).
(V.99)
Es bezeichne x0 ∈ RPn einen Basispunkt und σ : I → S n einen Weg der die
beiden Punkte in p−1 (x0 ) verbindet. Es repräsentiert dann σ̄ := p ◦ σ : I → RPn
das nicht-triviale Element in π1 (RPn , x0 ) ∼
= Z2 , siehe Proposition II.3.11(ii) und
Proposition I.5.18. Da f ungerade ist, kann f ◦ σ nicht geschlossen sein, daher
¯ 0 )). Deshalb
repräsentiert f¯◦ σ̄ = p◦f ◦σ das nicht-triviale Element in π1 (RPn , f(x
muss
∼
=
f¯∗ : π1 (RPn , x0 ) −
→ π1 (RPn , f¯(x0 ))
ein Isomorphismus sein. Wegen der Natürlichkeit des Huréwicz-Isomorphimus,
siehe Proposition IV.11.2 und Satz IV.11.3 folgt
f¯∗ = id : H1 (RPn ; Z2 ) → H1 (RPn ; Z2 ).
Aus Korollar V.7.31(i) schließen wir
f¯∗ = id : Hn (RPn ; Z2 ) → Hn (RPn ; Z2 ).
Wegen (V.99) muss deg(f ) also ungerade sein. Die zweite Behauptung des Satzes
folg nun aus Satz IV.12.11(i) und Proposition IV.12.15.
V.8.2. Bemerkung. Ist n ≥ 1, dann tritt jede ungerade Zahl tatsächlich
als Abbildungsgrad einer ungeraden Abbildung S n → S n auf. Sei dazu k ∈ Z
ungerade. Im Fall n = 1 ist die Abbildung S 1 → S 1 , z 7→ z k , ungerade mit
Abbildungsgrad k, siehe Satz I.4.1(iii). Den allgemeinen Fall erhalten wir nun aus
folgender Beobachtung. Ist f : S n → S n ungerade, dann ist auch ihre Suspension
V.8. DAS BORSUK–ULAM THEOREM
265
Sf : S n+1 → S n+1 eine ungerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(Sf ) =
deg(f ), siehe Satz IV.12.11(iv).
Eine stetige Abbildung f : S n → S n wird gerade genannt falls f (x) = f (−x),
für alle x ∈ S n . Analog zu Satz V.8.1 gilt auch folgendes Resultat, das jedoch
wesentlich einfacher zu beweisen ist.
V.8.3. Proposition. Jede gerade Abbildung f : S n → S n hat geraden Abbildungsgrad. Ist n gerade, dann gilt sogar deg(f ) = 0.
Beweis. Sei also f : S n → S n eine gerade Abbildung. Dann faktorisiert
f über die kanonische Projektion p : S n → RPn zu einer stetigen Abbildung
f¯ : RPn → S n , dh. f = f¯ ◦ p. Ist n gerade, dann gilt Hn (RPn ) = 0, siehe
Proposition V.4.14, daher auch f∗ = f¯∗ ◦ p∗ = 0 : Hn (S n ) → Hn (S n ), und wir
p∗
→ Hn (RPn ) ∼
erhalten deg(f ) = 0. Ist n ungerade, dann bildet Z ∼
=Z
= Hn (S n ) −
einen Erzeuger auf das Doppelte eines Erzeugers ab, siehe Porposition V.4.14. Aus
f∗
→ Hn (S n ) ∼
f∗ = f¯∗ ◦ p∗ folgt daher, dass Z ∼
= Z einen Erzeuger auf ein
= Hn (S n ) −
gerades Vielfaches eines Erzeugers abbildet, also muss f geraden Abbildungsgrad
haben.
V.8.4. Bemerkung. Ist n ungerade, dann tritt jede gerade Zahl tatsächlich
als Abbildungsgrad einer geraden Abbildung S n → S n auf. Betrachte dazu die
Komposition f : S n → RPn → RPn /RPn−1 ∼
= S n . Dies ist offensichtlich eine
gerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(f ) = ±2. Für jedes g : S n → S n ist
dann auch g◦f : S n → S n eine gerade Abbildung mit Abbildungsgrad deg(g◦f ) =
±2 deg(g). Durch geeignete Wahl von g lässt sich so jeder gerade Abbildungsgrad
realisieren, vgl. Bemerkung IV.12.14.
V.8.5. Korollar (Borsuk–Ulam). Für n ≥ 0 gilt:
(i) Ist f : S n → Rn stetig, dann existiert x ∈ S n mit f (x) = f (−x).
(ii) Ist f : S n → Rn ungerade, dann existiert x ∈ S n mit f (x) = 0.
(iii) Es existiert keine ungerade Abbildung f : S n+1 → S n .
(iv) Es existiert keine stetige Abbildung f : D n+1 → S n deren Einschränkung
f |S n : S n → S n ungerade ist.
Beweis. Ad (iv): Ist f : D n+1 → S n stetig, dann gilt deg(f |S n ) = 0, denn
H̃n (D n+1 ) = 0. Nach Satz V.8.1 kann also f |S n nicht ungerade sein.
Ad (iii): Ist f : S n+1 → S n stetig, dann gilt deg(f : S n+1 → S n ⊆ S n+1 ) = 0,
denn Hn+1 (S n ) = 0. Nach Satz V.8.1 kann also f nicht ungerade sein.
Ad (i): Sei also f : S n → Rn stetig. Wir nehmen indirekt an f (x) 6= f (−x),
(x)−f (−x)
für alle x ∈ S n . Dann definiert g : S n → S n−1 , g(x) := kff (x)−f
eine ungerade
(−x)k
Abbildung, ein Widerspruch zu (iii).
Ad (ii): Sei also f : S n → Rn ungerade. Nach (i) existiert x ∈ S n mit f (x) =
f (−x). Da f ungerade ist, gilt auch f (−x) = −f (x) und damit f (x) = 0.
266
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.8.6. Korollar (Ham Sandwich Theorem). Sind A1 , . . . , An ⊆ Rn Lebesgue
messbar mit endlichem Volumen, dann existiert eine affine Hyperebene E ⊆ Rn ,
die jede der Mengen Ai in zwei gleich große Teile unterteilt.
Beweis. Für x ∈ S n−1 und r ∈ R bezeichne
Hx+ (r) := {y ∈ Rn | hx, yi ≥ r},
Hx− (r) := {y ∈ Rn | hx, yi ≤ r}.
Weiters sei
Ix := r ∈ R vol(An ∩ Hx+ (r)) = vol(An ∩ Hx− (r)) .
Wegen der Stetigkeit von r 7→ vol(An ∩ Hx± (r)) und weil
lim vol(An ∩ Hx± (r)) = 0,
r→±∞
lim vol(An ∩ Hx∓ (r)) = vol(An )
r→±∞
ist Ix ein kompaktes nicht-leeres Interval. Beachte auch, dass
rx := 21 (min(Ix ) + max(Ix )) ∈ Ix
stetig von x ∈ S n−1 abhängt. Setzen wir nun Hx± := Hx± (rx ), dann gilt
vol(An ∩ Hx+ ) = vol(An ∩ Hx− ),
für alle x ∈ S n−1 ,
(V.100)
aber auch
denn I−x = −Ix , r−x
Abbildung
+
H−x
= Hx− ,
für alle x ∈ S n−1 ,
(V.101)
+
= −rx und Hx− (r) = H−x (−r). Betrachte nun die stetige
f : S n−1 → Rn−1 ,
f (x) := vol(A1 ∩ Hx+ ), . . . , vol(An−1 ∩ Hx+ ) .
Nach Korollar V.8.5(ii) existiert y ∈ S n−1 mit f (y) = f (−y), dh.
+
vol(Ai ∩ Hy+ ) = vol(Ai ∩ H−y
) = vol(Ai ∩ Hy− ),
1 ≤ i ≤ n − 1.
Zusammen mit (V.100) zeigt dies, dass die Hyperbene E := Hy+ ∩ Hy− die
gewünschte Eigenschaft besitzt.
V.8.7. Korollar. Es sei S n = A1 ∪ · · · ∪ An+1 wobei jedes Ai entweder
offen oder abgeschlossen ist, n ≥ 0. Dann muss eine der Mengen Ai ein Paar
von Antipodalpunkten enthalten, dh. es existieren i ∈ {1, . . . , n + 1} und x ∈ S n ,
sodass {x, −x} ⊆ Ai .
Beweis. Wir nehmen zunächst an, dass alle Ai abgeschlossen sind. Betrachte
die stetige Abbildung
f : S n → Rn , f (x) := d(x, A1 ), . . . , d(x, An ) ,
wobei d(x, Ai ) := mina∈Ai kx − ak den Abstand von x zu Ai bezeichnet. Nach
Korollar V.8.5(i) existiert y ∈ S n mit f (y) = f (−y), dh.
d(y, Ai) = d(−y, Ai ),
für alle 1 ≤ i ≤ n.
Falls d(y, Ai) = d(−y, Ai ) 6= 0 für alle 1 ≤ i ≤ n, dann folgt y ∈
/ A1 ∪ · · · ∪ An und
n
−y ∈
/ A1 ∪ · · · ∪ An , also {y, −y} ⊆ An+1 , denn S = A1 ∪ · · · ∪ An+1 . Andernfalls
V.8. DAS BORSUK–ULAM THEOREM
267
existiert j ∈ {1, . . . , n} mit d(y, Aj ) = d(−y, Ai) = 0, und daher {y, −y} ⊆ Aj ,
denn Aj ist abgeschlossen.
Im nächsten Schritt nehmen wir nun an, dass alle Ai offen sind. Für ε > 0
betrachten wir die offenen Teilmengen
Uiε := x ∈ S n d(x, S n \ Ai ) > ε ⊆ S n .
S
ε
n
Beachte
A
=
i
ε>0 Ui aufgrund der Abgeschlossenheit von S \ Ai . Es gilt daher
S
ε
S n = ε>0 (U1ε ∪ · · · ∪ Un+1
). Wegen der Kompaktheit von S n existiert also ε > 0
n
ε
ε
mit S = U1 ∪ · · · ∪ Un+1 . Nach dem ersten Schritt oben existieren daher i und
x ∈ S n mit {x, −x} ∈ Ūiε ⊆ Ai .
Für den allgemeinen Fall seien nun o.B.d.A. A1 , . . . , Ak abgeschlossen und
Ak+1 , . . . , An+1 offen. Für ε > 0 und 1 ≤ i ≤ k betrachten wir die offenen
Teilmengen
Viε := x ∈ S n d(x, Ai ) < ε ⊆ S n .
T
Beachte ε>0 Viε = Ai aufgrund der Abgeschlossenheit von Ai , 1 ≤ i ≤ k.
O.B.d.A. nehmen wir an, dass keine der Teilmengen Ak+1 , . . . , An+1 ein Paar
von Antipodalpunkten enthält. Nach dem zweiten Schritt oben, muss eine der
Mengen V1ε , . . . , Vkε ein Paar von Antipodalpunkten enthalten. Es existiert da1/l
her j ∈ {1, . . . , k} und eine Folge xl ∈ S n , sodass {xl , −xl } ⊆ Vk , für alle
l ∈ N. Durch Übergang zu einer Teilfolge, dürfen wir o.B.d.A. annehmen, dass xl
konvergiert. Für den Grenzwert y := liml→∞ xl gilt nun {y, −y} ∈ Aj .
V.8.8. Bemerkung. Betrachte die beiden Teilmengen
A1 := eπit t ∈ [0, 1) ⊆ S 1 und A2 := eπit t ∈ [1, 2) ⊆ S 1 .
Offensichtlich gilt S 1 = A1 ∪ A2 , aber keine der beiden Mengen enthält ein Paar
von Antipodalpunkten. Beachte, dass Ai weder offen noch abgeschlossen ist.
Es seien k, n ∈ N, 1 ≤ k ≤ n. Weiters bezeichne En,k die Menge aller kelementigen Teilmengen von {1, . . . , n}. Unter dem Kneser-Graph KGn,k verstehen wir den Graphen mit Eckenmenge En,k , wobei zwei Ecken v, w ∈ En,k
durch eine Kante verbunden werden, falls v ∩ w = ∅. Ist n < 2k, dann besitzt
KGn,k keine Kanten. Von nun an sei also n ≥ 2k − 1. Der Kneser-Graph KGn,k
besitzt eine Färbung mit n − 2k + 2 Farben, dh. es existiert eine Abbildung
ϕ : En,k → {1, . . . , n − 2k + 2}, sodass ϕ(v) 6= ϕ(w) falls v und w durch eine
Kante verbunden sind. Eine solche Färbung lässt sich leich angeben,74
ϕ(v) := min min(v), n − 2k + 2 .
74Um
die Färbungseigenschaft von ϕ einzusehen sei also ϕ(v) = ϕ(w). Es ist zu zeigen,
dass v und w nicht durch eine Kante verbunden sind, dh. wir haben v ∩ w 6= ∅ zu zeigen. Falls
ϕ(v) = ϕ(w) = n − 2k + 2 dann folgt min(v), min(w) ≥ n − 2k + 2, also sind v und w beide in
der (2k − 1)-elementigen Menge {n − 2k + 2, . . . , n} enthalten und müssen sich daher schneiden.
Andernfalls gilt ϕ(v) = ϕ(w) = min(v) = min(w) =: m, und daher m ∈ v ∩ w 6= ∅.
268
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Die chromatische Zahl75 des Kneser-Graphen ist daher höchstens n − 2k + 2.
V.8.9. Korollar (Kneser-Vermutung). Es sei n ≥ 2k − 1. Die chromatische
Zahl des Kneser-Graphen KGn,k ist n − 2k + 2.
Beweis. Wir folgen der Darstellung in [20, Chapter 10.6]. Wir gehen indirekt
vor und wählen ein Färbung von KGn,k mit d := n − 2k + 1 Farben. Weiters sei
X ⊆ S d ⊆ Rd+1 eine n-elementige Teilmenge, sodass je d + 1 verschiedene Punkte
von X stets linear unabhängig in Rd+1 sind. Für x ∈ S d bezeichne H(x) := {z ∈
Rd+1 |hx, zi > 0}. Wir identifizieren X = {1, . . . , n}, und betrachten die offenen
Teilmengen
n X ∩ H(x) enthält eine k-elementige
⊆ S d , 1 ≤ i ≤ d.
Ai := x ∈ S Teilmenge mit Farbe i
Wegen der Färbungseigenschaft und weil H(x)∩H(−x) = ∅, kann keine der Mengen Ai ein Paar von Antipodalpunkten enhalten. Nach Korollar V.8.7 muss also
die abgeschlossene Menge Ad+1 := S n \ (A1 ∪ · · · ∪ Ad ) ein Paar von Antipodalpunkten enthalten, {y, −y} ⊆ Ad+1 . Da y ∈
/ A1 ∪ · · ·∪ Ad gilt ♯(X ∩ H(y)) ≤ k − 1
und ebenso ♯(X ∩ H(−y)) ≤ k − 1, denn −y ∈
/ A1 ∪ · · · ∪ Ad . Nach Konstruktion
von X gilt aber auch ♯(X ∩ y ⊥ ) ≤ d, wobei y ⊥ := {z ∈ Rd+1 | hy, zi = 0}. Aus
H(−y) ∪ y ⊥ ∪ H(y) = Rd+1 folgt nun
♯X ≤ ♯(X ∩ H(−y)) + ♯(X ∩ y ⊥ ) + ♯(X ∩ H(y))
≤ (k − 1) + d + (k − 1) = n − 1,
der gewünschte Widerspruch, denn ♯X = n.
V.9. Hopf-Invariante. Wir wollen nun mit Hilfe der Komultiplikation die
sogenannte Hopf-Invariante einer stetigen Abbildung f : S 2n−1 → S n definieren,
n ≥ 2. Dazu fixieren wir Erzeuger αS n ∈ Hn (S n ) und betrachte den Raum
Cf := S n ∪f D 2n . Nach Beispiel IV.9.14 gilt:
(
Z falls q = 0, n, 2n
Hq (Cf ) ∼
=
0 sonst
Die kanonische Inklusion ι = ιf : S n → Cf induziert einen Isomorphismus
∼
=
→ Hn (Cf ).
ι∗ : Hn (S n ) −
(V.102)
Wir setzen a = af := ι∗ (αS n ) ∈ Hn (Cf ), dh. a ist ein Erzeuger von Hn (Cf ) ∼
= Z.
Wir fassen S n via ι als Teilraum von Cf auf. Mit Hilfe der kanonische Abbildung
Φ = Φf : (D 2n , S 2n−1 ) → (Cf , S n ) erhalten wir Isomorphismen
H2n (Cf )
75Unter
∼
=
/
H2n (Cf , S n ) o
Φ∗
∼
=
H2n (D 2n , S 2n−1 )
δ
∼
=
/
H2n−1 (S 2n−1 )
(V.103)
der chromatischen Zahl eines Graphen verstehen wir die kleinste Zahl k für die
eine Färbung mit k Farben existiert.
V.9. HOPF-INVARIANTE
269
Mit b = bf ∈ H2n (Cf ) ∼
= Z bezeichnen wir jenen Erzeuger, der via (V.103) dem
Erzeuger α2n−1 ∈ H2n−1 (S 2n−1 ) entspricht.
Nach Konstruktion bilden 1 ∈ H0 (Cf ), a ∈ Hn (Cf ) und b ∈ H2n (Cf ) eine
Basis von H∗ (Cf ). Aus Dimensionsgründen existiert genau eine Zahl h(f ) ∈ Z,
sodass
∆(b) = 1 ⊗ b + h(f )a ⊗ a + b ⊗ 1.
Diese Zahl wird die Hopf-Invariante der Abbildung f : S 2n−1 → S n genannt. Mit
der Notation aus Bemerkung V.7.11 lässt sich dies auch so schreiben:
∆n,n (b) = h(f )a ⊗ a.
V.9.1. Beispiel. Für die Hopfabbildung p : S 3 → CP1 ∼
= S 2 gilt Cp =
CP1 ∪p D 4 ∼
= CP2 , also h(p) = ±1 nach Korollar V.7.30(ii). Aus Satz V.9.3(i)&(ii)
unten folgt nun, dass p nicht nullhomotop ist.
V.9.2. Beispiel. Für die Hopfabbildung p : S 7 → HP1 ∼
= S 4 gilt Cp = HP1 ∪p
2
D8 ∼
= HP , also h(p) = ±1 nach Korollar V.7.30(iii). Aus Satz V.9.3(i)&(ii) unten
folgt nun, dass p nicht nullhomotop ist.
V.9.3. Satz (Hopf-Invariante). Die Hopf-Invariante stetiger Abildungen f :
S 2n−1 → S n , n ≥ 2, hat folgende Eigenschaften:
(i)
(ii)
(iii)
(iv)
(v)
(vi)
(vii)
f ≃ g ⇒ h(f ) = h(g). Wir erhalten daher h : [S 2n−1 , S n ] → Z.
h(const) = 0.
Ist n ungerade, dann gilt h(f ) = 0.
h(ϕ ◦ f ) = deg(ϕ)2 h(f ), für alle ϕ : S n → S n .
h(f ◦ ψ) = h(f ) deg(ψ), für alle ψ : S 2n−1 → S 2n−1 .
Ist n gerade, dann existiert f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 2.
Ist S n−1 ein H-Raum, dann existiert f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 1.
Beweis. Ad Behauptung (i). Wir werden eine stetige Abbildung ρ : Cf → Cg
mit ρ◦ ιf = ιg : S n → Cg und ρ◦ Φf ≃ Φg : (D 2n , S 2n−1 ) → (Cg , S n ) konstruieren.
Ist dies gelungen, dann folgt ρ∗ af = ag und ρ∗ bf = bg , vgl. (V.102) und (V.103),
somit
h(f )ag ⊗ ag = h(f )ρ∗ af ⊗ ρ∗ af = (ρ∗ ⊗ ρ∗ ) h(f )af ⊗ af
= (ρ∗ ⊗ ρ∗ )∆n,n (bf ) = ∆n,n (ρ∗ bf ) = ∆n,n (bg ) = h(g)ag ⊗ ag ,
und daher h(f ) = h(g). Für die Konstruktion von ρ wählen wir eine Homotopie
F : S 2n−1 × I → S n von F0 = f nach F1 = g und betrachte den Raum CF :=
S n ∪F (D 2n × I). Weiters sei r : D 2n × I → (D 2n × {1}) ∪ (S 2n−1 × I) eine
Retraktion, und es bezeichne i : D 2n → D 2n × I, i(z) := (z, 0), die Inklusion.
270
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Diese induzieren stetige Abbildungen ĩ : Cf → CF und r̃ : CF → Cg ,
Cf
S n ∪f D2n
ĩ
r̃
/ CF
idS n ∪i
/ S n ∪F (D 2n × I)
idS n ∪r
/ Cg
/ S n ∪F (D 2n × {1}) ∪ (S 2n−1 × I)
Setzen wir nun ρ := r̃ ◦ ĩ dann gilt sicherlich ρ ◦ ιf = ιg , und die Komposition
Φ
r̃
F
(D 2n , S 2n−1 ) × I = (D 2n × I, S 2n−1 × I) −−→
(CF , S n ) −
→ (Cg , S n )
liefert die gewünschte Homotopie von ρ ◦ Φf nach Φg .
Ad Behauptung (ii). In diesem Fall gilt Cf ∼
= S n ∨ S 2n , es existiert daher eine
Retraktion r : Cf → S n , r|S n = idS n . Es folgt r∗ a = a, r∗ b = 0 und damit
0 = ∆n,n (r∗ b) = (r∗ ⊗ r∗ )∆n,n (b) = (r∗ ⊗ r∗ ) h(f )a ⊗ a
= h(f )r∗ a ⊗ r∗ a = h(f )a ⊗ a,
also h(f ) = 0.
Ad Behauptung (iii). Wegen der Kokommutativität von ∆ gilt τ (∆n,n (b)) =
∆n,n (b), also
h(f )a ⊗ a = ∆n,n (b) = τ (∆n,n (b)) = τ h(f )a ⊗ a
= (−1)|a||a| h(f )a ⊗ a = −h(f )a ⊗ a,
und somit h(f ) = 0.
Ad Behauptung (iv). Betrachte die stetige Abbildung ϕ̃ : Cf → Cϕf ,
ϕ∪id
2n
D
ϕ̃ : Cf = S n ∪f D 2n −−−−
−→ S n ∪ϕf D 2n = Cϕf .
Aus ϕ̃ ◦ ιf = ιϕf ◦ ϕ erhalten wir ϕ̃∗ af = deg(ϕ)aϕf , und aus ϕ̃ ◦ Φf = Φϕf folgt
ϕ̃∗ bf = bϕf . Somit erhalten wir
h(ϕf )aϕf ⊗ aϕf = ∆n,n (bϕf ) = ∆n,n (ϕ̃∗ bf ) = (ϕ̃∗ ⊗ ϕ̃∗ )∆n,n (bf )
= (ϕ̃∗ ⊗ ϕ̃∗ ) h(f )af ⊗ af = h(f )ϕ̃∗ af ⊗ ϕ̃∗ af = h(f ) deg(ϕ)2 aϕf ⊗ aϕf ,
also h(ϕf ) = h(f ) deg(ϕ)2 .
Ad Behauptung (v). Wir setzen ψ : S 2n−1 → S 2n−1 zu einer stetigen Abbildung ψ̄ : D 2n → D 2n fort, etwa durch ψ̄(z) := kzkψ(z/kzk), es gilt daher
ψ̄|S 2n−1 = ψ. Betrachte nun die stetige Abbildung ψ̃ : Cf ψ → Cf ,
id
n
∪ψ̄
ψ̃ : Cf ψ = S n ∪f ψ D 2n −−S−−→ S n ∪f D 2n = Cf .
V.9. HOPF-INVARIANTE
271
Aus ψ̃ ◦ ιf ψ = ιf erhalten wir ψ̃∗ af ψ = af , und aus ψ̃ ◦ Φf ψ = Φf ◦ ψ̄ folgt
ψ̃∗ bf ψ = deg(ψ)bf . Somit erhalten wir
deg(ψ)h(f )af ⊗ af = deg(ψ)∆n,n (bf ) = ∆n,n (ψ̃∗ bf ψ ) = (ψ̃∗ ⊗ ψ̃∗ )∆n,n (bf ψ )
= (ψ̃∗ ⊗ ψ̃∗ ) h(f ψ)af ψ ⊗ af ψ = h(f ψ)ψ̃∗ af ψ ⊗ ψ̃∗ af ψ = h(f ψ)af ⊗ af ,
also deg(ψ)h(f ) = h(f ψ).
Ad Behauptung (vi). Es bezeichne ∗ ∈ S n einen Punkt. Wähle eine Abbildung
∼
=
g : (D n , ∂D n ) → (S n , {∗}), sodass g : D n /∂Dn −
→ S n einen Homöomorphismus
induziert. Betrachte nun die Abbildung f : S 2n−1 → S n ,
(g◦pr )∪(g◦pr )
1
f : S 2n−1 = ∂D 2n = ∂(D n × D n ) = (∂D n × D n ) ∪ (D n × ∂D n ) −−−−2−−−−−→
S n.
Beachte, dass dies wohldefniert und stetig ist, denn g|∂Dn = const∗ . Wir werden
nun h(f ) = ±2 zeigen. Betrachte dazu den Raum
X := S n × S n / ∼
n
(x, ∗) ∼ (∗, x),
n
und bezeichne mit p : S × S → X die kanonische Projektion. Weiters bezeichne
j : S n → X die durch j(x) := p(∗, x) = p(x, ∗) definierte stetige Abbildung.
Beachte, dass j injektiv ist. Definiere weiters G : D 2n → X als die Komposition
g×g
p
G : D 2n = D n × D n −−→ S n × S n −
→ X.
∼
=
→ X \ j(S n ) einschränkt. Da
Beachte, dass sich G zu einer Bijektion G|D̊2n : D̊ 2n −
G|S 2n−1 = j ◦ f erhalten wir eine stetige Abbildung J : Cf → X,
j∪G
J : Cf = S n ∪f D 2n −−→ X
∼
=
→ X.
Nach Konstruktion ist J eine Bijektion, also ein Homöomorphismus J : Cf −
∼
Z
jeweils
Z
und
b̄
:=
J
b
∈
H
(X)
Daher sind ā := J∗ af ∈ Hn (X) ∼
=
=
∗ f
2n
Erzeuger. Wegen der Natürlichkeit der Komultiplikation genügt es daher
∆n,n (b̄) = ±2ā ⊗ ā ∈ Hn (X) ⊗ Hn (X)
(V.104)
zu zeigen. Nach dem Künneth Theorem bilden
1 := 1S n × 1S n ∈ H0 (S n × S n )
ã1 := αS n × 1S n ∈ Hn (S n × S n )
ã2 := 1S n × αS n ∈ Hn (S n × S n )
b̃ := αS n × αS n ∈ H2n (S n × S n )
eine Basis von H∗ (S n × S n ). Bezeichnen i1 , i2 : S n → S n × S n die beiden Inklusionen, i1 (x) = (x, ∗), i2 (x) = (∗, x), dann folgt aus Satz V.6.5 und der Relation
p ◦ i1 = j = J ◦ ιf
p∗ ã1 = p∗ (αS n × 1S n ) = p∗ (i1 )∗ (αS n ) = (p ◦ i1 )∗ αS n
= (J ◦ ιf )∗ αS n = J∗ (ιf )∗ αS n = J∗ af = ā.
272
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Ebenso folgt aus p ◦ i2 = j = J ◦ ιf auch p∗ ã2 = ā. Die Projektion induziert einen
∼
=
→ X/j(S n ), und daher
Homöomorphismus p : (S n × S n )/(S n × {∗} ∪ {∗} × S n ) −
∼
=
→ H∗ (X, j(S n )).
einen Isomorphismus p∗ : H∗ (S n × S n , S n × {∗} ∪ {∗} × S n ) −
Aus der Natürlichkeit der langen exakten Sequenz von Paaren folgt nun, dass
∼
=
→ H2n (X) ein Isomorphismus sein muss. Also ist p∗ b̃ ∈
auch p∗ : H2n (S n × S n ) −
H2n (X) ∼
= Z ein Erzeuger, es muss daher p∗ b̃ = ±b̄ gelten. Da n gerade ist folgt
aus (V.86) und ∆(αS n ) = 1S n ⊗ αS n + αS n ⊗ 1S n
∆n,n (b̃) = ∆n,n (αS n × αS n ) = ã1 ⊗ ã2 + (−1)|ã1 ||ã2 | ã2 ⊗ ã1 = ã1 ⊗ ã2 + ã2 ⊗ ã1
woraus wir nun
±∆(b̄) = ∆(p∗ b̃) = (p∗ ⊗ p∗ )∆(b̃) = p∗ ã1 ⊗ p∗ ã2 + p∗ ã2 ⊗ p∗ ã1 = 2ā ⊗ ā
erhalten. Damit ist nun (V.104) gezeigt.
Ad Behauptung (vii). Es bezeichne also µ : S n−1 × S n−1 → S n−1 eine Hn
Raummultiplikation. Weiters bezeichne D+
⊆ S n die nördliche Hemisphere und
n
n
n
n
n
D− ⊆ S die südliche Hemisphere, dh. D+ ∩D−
= S n−1 ⊆ S n . Da D+
kontrahiern
n
n
bar ist lässt sich µ zu einer stetigen Abbildung f+ : ∂D × D → D+ fortsetzen.76
n
Ebenso lässt sich µ zu einer stetigen Abbildung f− : D n × ∂D n → D−
fortsetzen.
Wegen f+ |∂Dn ×∂Dn = µ = f− |∂Dn ×∂Dn erhalten wir eine stetige Abbildung
f+ ∪f−
f : S 2n−1 = ∂D 2n = ∂(D n × D n ) = ∂D n × D n ∪ D n × ∂D n −−−−→ S n .
n
⊆ S n ⊆ Cf auf und
Wir werden nun h(f ) = ±1 zeigen. Wir fassen wieder D±
betrachten
Φf
Φ : D n × D n = D 2n −→ Cf ,
es gilt daher Φ|∂Dn ×Dn = f+ sowie Φ|Dn ×∂Dn = f− . Weiters seien i± : D n →
D n × D n , i+ (x) := (x, ∗), i− (x) := (∗, x), wobei ∗ ∈ S n−1 ⊆ D n einen Basispunkt
bezeichnet. Beachte
n
n
Φ ◦ i+ : (D n , S n−1 ) → (D−
, S n−1 ) ⊆ (Cf , D+
),
und (Φ ◦ i+ )|S n−1 = µ+
wobei µ+ : S n−1 → S n−1 , µ+ (x) := µ(x, ∗). Wir erhalten daher ein kommutatives
Diagramm:
Hn (D n × D n , ∂D n × D n )
Φ∗
n
Hn (Cf , D+
)
/
O
O
∼
= (i+ )∗
Hn (D n , S n−1 )
∼
=
(Φ◦i+ )∗
/
n
Hn (D−
, S n−1)
∼
= δ
Hn−1 (S n−1 )
76Identifizieren
Fortsetzung.
δ ∼
=
(µ+ )∗
∼
=
/
Hn−1 (S n−1)
n
wir D+
= Dn , dann liefert etwa f+ (x, y) := kykµ(x, y/kyk) eine explizite
V.9. HOPF-INVARIANTE
273
Da µ eine H-Raummultiplikation ist gilt µ+ ≃ idS n−1 , also ist der untere horzontale Pfeil tatsächlich ein Isomorphismus. Der linke obere vertikale Pfeil ist ein
Isomorphismus, denn i+ : (D n , S n−1) → (D n × D n , ∂D n × D n ) ist eine Homotopieäquivalenz. Schließlich ist auch der rechte obere vertikale Pfeil ein Isomorphis∼
=
n
→
mus, denn er stimmt mit der Komposition der Isomorphismen Hn (D−
, S n−1 ) −
∼
=
n
n
Hn (S n , D+
) −
→ Hn (Cf , D+
) überein. Aus der Kommutativität des Diagramms
schließen wir nun, dass Φ einen Isomorphsimus
∼
=
n
Φ∗ : Hn (D n × D n , ∂D n × D n ) −
→ Hn (Cf , D+
)
induziert. Analog lässt sich zeigen, dass Φ auch einen Isomorphismus
∼
=
n
→ Hn (Cf , D−
)
Φ∗ : Hn (D n × D n , D n × ∂D n ) −
induziert. Bezeichnen D die Diagonalabbildungen, dann erhalten wir aus der
Natürlichkeit des Kreuzproduktes ein kommutatives Diagramm:
×
Hn (Cf ) ⊗ Hn (Cf )
/
H2n (Cf × Cf )
D∗
o
H2n (Cf )
∼
=
∼
=
n ) ⊗ H (C , D n )
Hn (Cf , D+
n
f
−
O
∼
=
×
/
∼
=
Φ∗ ⊗Φ∗
Hn (D n × D n , ∂D n × D n )
⊗
Hn (D n × D n , D n × ∂D n )
×
/
∼
=
O
D∗
o
×
∼
=
/
H2n (Cf , S n )
O
Φ∗
`
´
H2n (D n )4 , ∂D n × (D n )3 ∪ (D n )3 × ∂D n
O
(i+ ×i− )∗
(i+ )∗ ⊗(i− )∗
Hn (D n , ∂D n ) ⊗ Hn (D n , ∂D n )
`
´
n × C ) ∪ (C × D n )
H2n Cf × Cf , (D+
f
f
−
(Φ×Φ)∗
O
∼
=
∼
=
o
D∗
∼
=
H2n (D n × D n , ∂(D n × D n ))
r∗
`
´
H2n D n × D n , (∂D n × D n ) ∪ (D n × ∂D n )
n
Nach obigen Bemerkungen und weil D±
kontrahierbar ist, sind alle vertikalen
Pfeile in der linken Spalte Isomorphismen. Aufgrund der relativen Version des
Künneth-Theorems sind die drei unteren Kreuzprodukte Isomorphismen. Beachte, dass auch i+ ×i− eine Homotpieäquivalenz mit Homotopieinverser r : (D n )4 →
D n × D n , r(x1 , y1, x2 , y2 ) := (x1 , y2 ) ist. Da offensichtlich D ◦ r = id kommutiert
auch der rechte untere Teil des Diagramms. Aus der Kommutativität dieses Diagramms folgt nun
n
n
D∗ bf = ±af × af ∈ H2n Cf × Cf , (D+
× Cf ) ∪ (Cf × D−
) ,
denn beides sind Erzeuger derselben Gruppe. Daraus erhalten wir
D∗ bf = 1 × bf + bf × 1 ± af × af ∈ H2n (Cf × Cf ),
und dies bedeutet gerade ∆n,n (bf ) = ±af ⊗ af , also h(f ) = ±1.
V.9.4. Bemerkung. Nach Satz V.9.3(vii) existieren Abbildungen S 3 → S 2 ,
S → S 4 und S 15 → S 8 mit Hopfinvariante 1, denn S 1 ⊆ C, S 3 ⊆ H und S 7 ⊆ O
sind H-Räume. Es stellt sich nun die Frage für welche (geraden) n tatsächlich eine
7
274
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
stetige Abbildung f : S 2n−1 → S n mit h(f ) = 1 existiert. Nach einem Resultat
von Adams sind ist dies nur für n = 2, 4, 8 möglich. Nach Satz V.9.3(vii) sind
daher S 0 , S 1 , S 3 und S 7 die einzigen Sphären, die eine H-Raum Struktur besitzen.
Nach Lemma V.7.25(iii) sind also S 0 , S 1 , S 3 und S 7 die einzigen parallelisierbaren
Sphären. Aus Lemma V.7.25(i) folgt daraus auch, dass eine endlich-dimensionale
Divisionsalgebra über R Dimension 1, 2, 4 oder 8 haben muss, vgl. Korollar V.7.33
sowie Korollar V.7.34.
V.10. Die Fundamentalklasse einer Mannigfaltigkeit. Es sei M eine
n-Mannigfaltigkeit ohne Rand. In Bemerkung IV.12.8 haben wir eine Überlagerung M̃Z → M definiert deren Faser über x ∈ M gerade die lokale Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}) ∼
= Z war. Dies lässt sich in naheliegender Weise auf
eine beliebige Koeffizientengruppe
G verallgemeinern. Für eine abelsche Gruppe
F
G setzen wir M̃G := x∈M Hn (M, M \ {x}; G) und betrachten die kanonische
Projektion p : M̃G → M, dh. p−1 (x) = Hn (M, M \ {x}; G). Wir versehen nun
M̃G mit einer Topologie, sodass p : M̃G → M eine Überlagerung wird. Wie in
Bemerkung IV.12.8 betrachten wir einen eingebetteten Ball D ⊆ M und die
Bijektion
∼
=
→ p−1 (D̊) ⊆ M̃G ,
ΨD : D̊ × Hn (M, M \ D̊; G) −
(V.105)
die x ∈ D̊ und a ∈ Hn (M, M \ D̊; G) das von der Inklusion ιD
x : (M, M \ D̊) →
−1
)
a
∈
p
(x)
=
H
(M,
M
\
{x}; G) zuordnet,
(M, M \ {x}) induzierte Element (ιD
n
x ∗
es gilt daher p ◦ ΨD = pr1 . Wir versehen M̃G mit der eindeutigen Topologie,
sodass (V.105) für jeden eingebetteten Ball D ein Homöomorphismus wird, wobei
Hn (M, M \ D̊; G) als diskreter Raum aufgefasst wird. Mit dieser Topologie ist p :
M̃G → M eine Überlagerung. Beachte, dass die Faser p−1 (x) = Hn (M, M \{x}; G)
über jedem x ∈ M mit einer Gruppenstruktur ausgestattet ist.
V.10.1. Bemerkung. Die zweiblättrige Überlagerung M̃Z2 → M ist stets
trivial, dh. M̃Z2 = M × Z2 . Ordnen wir jedem x ∈ M das (eindeutige) nichttriviale Element in H(M, M \ {x}; Z2 ) ∼
= Z2 zu, so erhalten wir einen stetigen
Schnitt von M̃Z2 → M. Zusammen mit dem (stetigen) Nullschnitt liefert dies
einen kanonischen Isomorphismus von Überlagerungen M̃Z2 = M × Z2 .
V.10.2. Bemerkung. Die unendlich-blättrige Überlagerung M̃Z → M ist genau dann trivial, wenn M orientierbar ist. In diesem Fall liefert jede Orientierung
von M einen stetigen Schnitt von M̃Z → M der jedem x ∈ M einen Erzeuger der
lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}) ∼
= Z zuordnet. Umgekehrt bestimmt
jeder solche Schnitt eine Orientierung von M.
V.10.3. Bemerkung. Ist M orientierbar, dann ist die Überlagerung M̃G →
M für jede abelsche Gruppe G trivial. Für jedes x ∈ M erhalten wir nämlich aus
dem universellen Koeffiziententheorem einen Isomorphismus Hn (M, M \ {x}) ⊗
G = Hn (M, M \ {x}; G). Ist nun o eine Orientierung von M, dann liefert M ×
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
275
G → M̃G , (x, g) 7→ ox ⊗ g, den gewünschten Isomorphismus von Überlagerungen
M̃G ∼
= M × G.
Ist p : X̃ → X eine Überlagerung, dann bezeichnen wir mit Γ(X̃) die Menge
der stetigen Schnitte dieser Überlagerung, dh. die Menge aller stetigen Abbildungen σ : X → X̃ mit p ◦ σ = idX . Beachte, dass Γ(X̃) durchaus leer sein
kann, die Überlagerungen M̃G → M besitzen jedoch immer einen (stetigen) Nullschnitt. Für eine triviale Überlagerung X̃ = X × Λ kann Γ(X̃) mit der Menge
der lokal konstanten Funktionen X → Λ identifiziert werden. Ist darüberhinaus
X zusammenhängend, dann erhalten wir Γ(X̃) = Λ.
Sei nun A ⊆ M abgeschlossen. Dann ist auch M̃G |A → A eine Überlagerung. Es bezeichne Γc (M̃G |A ) die Menge der stetigen Schnitte mit kompakten
Träger dieser Überlagerung. Beachte, dass die punktweise Addition von Schnitten Γc (M̃G |A ) zu einer abelschen Gruppe macht. Ist G = R ein kommutativer
Ring, dann ist Γc (M̃R |A ) in kanonischer Weise ein R-Modul.
Jede Homologieklasse a ∈ Hn (M, M \A; G) liefert einen stetigen Schnitt JGA (a)
von M̃G |A . Dieser ordnet jedem x ∈ A das Bild von a unter dem von der kanonischen Inklusion ιA
x : (M, M \ A) → (M, M \ {x}) induzierten Homomorphismus
(ιA
x )∗ : Hn (M, M \ A; G) → (M, M \ {x}; G),
JGA (a)(x) := (ιA
x )∗ (a)
zu. Da a von einer endlichen Linearkombination singulärer Simplizes repräsentiert
wird, und da diese in einer kompakten Teilmenge von M liegen müssen, hat der
Schnitt JGA (a) kompakten Träger. Offensichtlich gilt JGA (a1 + a2 ) = JGA (a1 ) +
JGA (a2 ). Wir erhalten somit einen Homomorphismus abelscher Gruppen
JGA : Hn (M, M \ A; G) → Γc (M̃G |A ).
(V.106)
Ist G = R ein Ring, dann ist dies ein Homomorphismus von R-Moduln.
V.10.4. Satz. Es sei M eine n-Mannigfaltigkeit, A ⊆ M abgeschlossen und
G eine abelsche Gruppe. Dann ist (V.106) ist ein Isomorphismus, und es gilt
Hq (M, M \ A; G) = 0, für alle q > n.
Spezialisieren wir Satz V.10.4 auf A = M, so erhalten wir
V.10.5. Korollar. Es sei M eine n-Mannigfaltigkeit und G eine abelsche
∼
=
→ Γc (M̃G ) ein Isomorphismus, und es gilt
Gruppe. Dann ist JGM : Hn (M; G) −
Hq (M; G) = 0 für alle q > n.
Beweis von Satz V.10.4. Wir folgen im Wesentlichen dem Beweis in [20,
Chapter 16.3], siehe aber auch [2, Chapter VIII§3] oder [4, Lemma 3.27]. Sind A ⊆
B ⊆ M abgeschlossen, dann bezeichnen wir mit ιB
A : (M, M \B) → (M, M \A) die
B
kanonische Inklusion, und mit rA : Γc (M̃G |B ) → Γc (M̃G |A ) die Einschränkung.
276
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Offensichtlich kommutiert dann das Diagramm:
Hn (M, M \ B; G)
B
JG
Γc (M̃G |B )
/
(ιB
A )∗
Hn (M, M \ A; G)
(V.107)
B
rA
A
JG
/
Γc (M̃G |A )
Behauptung 1. Es seien A und B zwei abgeschlossene Teilmengen von M.
Weiters sei die Aussage des Satzes für A, B und A ∩ B richtig. Dann gilt der
Satz auch für A ∪ B.
Wir betrachten dazu das folgende Diagramm:
/0
Hn+1 M, M \ (A ∩ B); G
∼
=
δ
Hn M, M \ (A ∪ B); G
A∪B
JG
/
Γc (M̃G |A∪B )
A∪B ) ,−(ιA∪B ) )
((ιA
∗
∗
B
Hn M, M \ A; G ⊕ Hn M, M \ B; G
A∪B ,−r A∪B )
(rA
B
A ⊕J B
JG
G
∼
=
/
Γc (M̃G |A ) ⊕ Γc (M̃G |B )
B
A
+rA∩B
rA∩B
B
(ιA
A∩B )∗ +(ιA∩B )∗
Hn M, M \ (A ∩ B); G
A∩B
JG
∼
=
/
Γc (M̃G |A∩B )
Aus (V.107) folgt, dass dieses Diagramm kommutiert. Offensichtlich ist die rechte
Spalte bei der zweiten und dritten Zeile exakt. Nach Proposition V.6.15 ist auch
die linke Spalte exakt. Nach Voraussetzung sind der erste, dritte und vierte horizontale Pfeil Isomorphismen. Daraus folgt sofort, dass auch der zweite horizontale
Pfeil ein Isomorphismus sein muss. Aus der Exaktheit der Mayer–Vietoris Sequenz
der linken Spalte in höheren Dimensionen folgt, Hq (M, M \ (A ∪ B); G) = 0, für
q > n. Damit ist Behauptung 1 bewiesen.
Behauptung 2. Der Satz ist für M = Rn und jede kompakte konvexe Teilmenge A ⊆ Rn richtig.
O.B.d.A. dürfen wir 0 ∈ A ⊆ B n annehmen. Betrachte die Homotopie
H : (Rn \ A) × I → Rn \ A,
x
Ht (x) := tx + (1 − t) kxk
.
Beachte, dass dies wegen der Konvexität von A tatsächlich Werte in Rn \ A
hat. Weiters gilt H1 = idRn \A und H0 : Rn \ A → S n−1 ist eine Retraktion.
Somit sehen wir, dass S n−1 ⊆ Rn \ A ein Deformationsretrakt ist. Insbesondere
∼
=
induziert die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (S n−1 ; G) −
→ H∗ (Rn \ A; G). Da
∼
=
auch die Inklusion D n → Rn einen Isomorphismus H∗ (D n ; G) −
→ H∗ (Rn ; G)
induziert, folgt aus der Natürlichkeit der langen exakten Sequenz von Paaren,
∼
=
dass die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (D n , S n−1 ; G) −
→ H∗ (Rn , Rn \ A; G)
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
277
induziert. Ebenso haben wir einen von der Inklusion induzierten Isomorphismus
∼
=
H∗ (D n , S n−1 ; G) −
→ H∗ (Rn , Rn \ {0}; G). Somit ist
∼
=
n
n
(ιA
→ H∗ (Rn , Rn \ {0}; G).
{0} )∗ : H∗ (R , R \ A; G) −
ein Isomorphismus. Insbesondere gilt Hq (Rn , Rn \A; G) = 0, für alle q 6= n. Wegen
der Kontrahierbarkeit von A ist auch
∼
=
A
→ Γ(R̃nG |{0} ) = Hn (Rn , Rn \ {0}; G)
r{0}
: Γ(R̃nG |A ) −
ein Isomorphismus. Behauptung 2 folgt nun aus der Kommutativität von (V.107).
Behauptung 3. Der Satz ist für M = Rn und jede endliche Vereinigung
kompakter, konvexer Teilmengen A ⊆ Rn richtig.
Sei also A = A1 ∪ · · · ∪ Ak , wobei jedes Ai kompakt und konvex ist. Wir
zeigen die Behauptung mittels Induktion nach k. Den Induktionsbeginn k = 1
haben wir in Behauptung 2 behandelt. Für den Induktionsschritt schreiben wir
A = (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∪ Ak und beobachten, dass (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∩ Ak =
(A1 ∩Ak )∪· · ·∪(Ak−1 ∩Ak ) eine Vereinigung von (k −1) kompakten und konvexen
Teilmengen ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist der Satz also für A1 ∪· · ·∪Ak−1 ,
Ak und (A1 ∪ · · ·∪ Ak−1 ) ∩ Ak richtig. Aus Behauptung 1 schließen wir, dass er für
A = (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∪ Ak richtig bleibt. Damit ist der Induktionsschritt gezeigt
und der Beweis von Behauptung 3 vollständig.
Behauptung 4. Der Satz ist für M = Rn und jede kompakte Teilmenge
A ⊆ Rn richtig.
Wir zeigen zunächst Hq (Rn , Rn \ A; G) = 0 für q > n. Sei dazu a ∈ Cq (Rn ; G)
eine Kette die eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ A; G) repräsentiert. Da ∂a
in einer kompakten Teilmenge von Rn \ A liegt, existiert eine Umgebung U von
A, sodass a eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ U; G) repräsentiert. Aufgrund
der Kompaktheit von A existieren endlich viele konvexe kompakte Teilmengen
A1 , . . . , Ak mit A ⊆ A1 ∪ . . . Ak ⊆ U, a repräsentiert daher auch eine Homologieklasse [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G). Nach Behauptung 3 ist diese
Homologiegruppe trivial, es folgt daher 0 = [a] ∈ Hq (Rn , Rn \ A; G). Es bleibt
noch zu zeigen, dass
JGA : Hn (Rn , Rn \ A; G) → Γ(R̃nG |A )
(V.108)
ein Isomorphismus ist. Um die Injektivität von (V.108) einzusehen, sei nun a ∈
Cn (Rn ; G) eine Kette die eine Klasse [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G) mit JGA ([a]) = 0
repräsentiert. Wie oben finden wir kompakte konvexe Teilmengen A1 , . . . , Ak mit
A ⊆ A1 ∪ · · · ∪ Ak , sodass [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G). Wählen wir Ai
so, dass A ∩ Ai 6= ∅, i = 1, . . . , k, dann ist
A1 ∪···∪Ak
rA
: Γ(R̃nG |A1 ∪···∪Ak ) → Γ(R̃nG |A )
injektiv. Aus der Kommutativität von (V.107) folgt daher JGA1 ∪···∪Ak ([a]) = 0.
Nach Behauptung 3 gilt 0 = [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G) und somit auch
0 = [a] ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G). Nun zur Surjektivität von (V.108). Sei also σ ∈
278
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Γ(R̃nG |A ). Nach dem Fortsetzungssatz von Tietze77 lässt sich σ zu einem stetigen
Schnitt σ̃ ∈ Γ(R̃nG ) ausdehnen, denn R̃nG ∼
= Rn × G. Wieder wählen wir endlich
viele konvexe kompakte Teilmengen A1 , . . . , Ak , sodass A ⊆ A1 ∪ · · · ∪ Ak . Durch
Einschränken erhalten wir σ̄ := σ̃|A1 ∪···∪Ak ∈ Γ(R̃nG |A1 ∪···∪Ak ). Nach Behauptung 3
existiert ā ∈ Hn (Rn , Rn \ (A1 ∪ · · · ∪ Ak ); G) mit JGA1 ∪···∪Ak (ā) = σ̄. Aufgrund der
1 ∪···∪Ak
Kommutativität von (V.107) gilt für a := (ιA
)∗ (ā) ∈ Hn (Rn , Rn \ A; G)
A
A
nun JG (a) = σ. Damit ist auch Behauptung 4 gezeigt.
∼
=
→ Rn mit
Behauptung 5. Es sei A ⊆ M kompakt, sodass eine Karte ϕ : U −
A ⊆ U existiert. Dann ist der Satz ist für A richtig.
Nach Behauptung 4 ist der Satz für A ⊆ U richtig. Mittels Excision sehen
wir, dass die Inklusion einen Isomorphismus H∗ (U, U \ A; G) ∼
= H∗ (M, M \ A; G)
induziert. Also gilt der Satz auch für A ⊆ M, denn M̃G |A = ŨG |A . Somit ist
Behauptung 5 gezeigt.
Behauptung 6. Der Satz ist für jedes M und jede kompakte Teilmenge A ⊆
M richtig.
Wegen der Kompaktheit von A finden wir endlich viele kompakte Teilmengen
A1 , . . . , Ak mit A = A1 ∪ · · · ∪ Ak und so, dass jedes Ai in einem Kartengebiet wie
in Behauptung 5 liegt. Ein Induktionsargument wie in Behauptung 3 zeigt nun,
dass der Satz auch für A = A1 ∪· · ·∪Ak gilt. Der Induktionsbeginn k = 1 wurde in
Behauptung 5 behandelt. Für den Induktionsschritt schreiben wir A = (A1 ∪· · ·∪
Ak−1 )∪Ak und beobachten, dass (A1 ∪· · ·∪Ak−1 )∩Ak = (A1 ∩Ak )∪· · ·∪(Ak−1 ∩Ak )
eine Vereinigung von k − 1 kompakten Teilmengen ist, und jede davon liegt in
einem Kartengebiet. Nach Induktionsvoraussetzung gilt die Behauptung also für
A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 , Ak und (A1 ∪ · · · ∪ Ak−1 ) ∩ Ak . Nach Behauptung 1 bleibt der
Satz daher für A = (A1 ∪ · · · Ak−1 ) ∪ Ak richtig. Damit ist der Induktionsschritt
gezeigt und Behauptung 6 bewiesen.
Behauptung 7. Es sei A ⊆ M eine disjunkte Vereinigung kompakter Teilmengen. Dann gilt
F der Satz für A.
Sei also A = λ∈Λ Aλ , wobei jedes Aλ kompakt ist,
S dh. die Aλ sind paarweise
disjunkt, und die von M auf der Vereinigung A = λ∈Λ Aλ induzierte Topologie ist die der disjunkten Vereinigung. Es existieren paarweise
disjunkte offene
S
Teilmengen
F Uλ ⊆ M mit Aλ ⊆ Uλ . Setzen wir U := λ∈Λ Uλ , dann gilt also
(U, A) = λ∈Λ (Uλ , Aλ ). Mittels Excision erhalten wir einen Isomorphismus
Hq (M, M \ A; G) = Hq (U, U \ A; G)
M
M
Hq (Uλ , Uλ \ Aλ ; G) =
Hq (M, M \ Aλ ; G).
=
λ∈Λ
77Ist
λ∈Λ
X ein normaler Raum, A ⊆ X abgeschlossen und f : A → R stetig, dann existiert
eine stetige Fortsetzung F : X → R von f , dh. F |A = f , siehe etwa [14, Kapitel ???]. Da jeder
metrische Raum normal ist, ist auch Rn normal.
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
279
Zusammen mit Behauptung 6 folgt daraus Hq (M, M \A; G) = 0 für q > n. Weiters
L
haben wir Γc (M̃G |A ) =
λ∈Λ Γc (M̃G |Aλ ), und bis auf diese Isomorphismen gilt
L
Aλ
A
JG = λ∈Λ JG . Aus Behauptung 6 folgt daher, dass auch JGA ein Isomorphismus
ist. Damit ist Behauptung 7 gezeigt.
Um den Beweis von Satz V.10.4 abzuschließen sei nun A ⊆ M eine beliebige
abgeschlossene Teilmenge. Nach Lemma V.10.6 gilt A = B ∪ C wobei B, C
und B ∩ C jeweils disjunkte Vereinigungen kompakter Teilmengen sind. Nach
den Behauptungen 6 und 7 ist der Satz also für B, C und B ∩ C richtig. Nach
Behauptung 1 gilt er daher auch für A = B ∪ C.
V.10.6. Lemma. Jede abgeschlossene Teilmenge A einer topologischen Mannigfaltigkeit M lässt sich in der Form A = B ∪ C darstellen, wobei B, C und
B ∩ C jeweils disjunkte Vereinigungen kompakter Teilmengen sind.
Beweis. Wir dürfen o.B.d.A. M als zusammenhängend voraussetzen. Es existiert daher eine kompakte Ausschöpfung ∅ = K0 ⊆ K1 ⊆ K2 ⊆ KS
3 ⊆ · · · von
M.78 Dh. jedes Ki ist kompakt, und es gilt Ki ⊆ K̊i+1 sowie M = i∈N Ki . Die
Mengen
[
G
B := A ∩ (K2i \ K̊2i−1 ) =
A ∩ (K2i \ K̊2i−1 )
und
C := A ∩
i∈N
i∈N
[
G
(K2i+1 \ K̊2i ) =
i∈N
haben nun die gewünschten Eigenschaften.
A ∩ (K2i+1 \ K̊2i )
i∈N
V.10.7. Korollar (Z2 -Fundamentalklasse). Es sei M eine geschlossene79 nMannigfaltigkeit. Dann existiert eine eindeutige Klasse [M]Z2 ∈ Hn (M; Z2 ) mit
folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ M bildet der von der kanonischen Inklusion
ιM
x : (M, ∅) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus
(ιM )∗ : Hn (M; Z2 ) → Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ∼
= Z2
x
78Jeder
zusammenhängende parakompakte und lokal kompakte Raum besitzt eine kompakte Ausschöpfung. Wähle eine lokal endliche offene Überdeckung {Uλ }λ∈Λ sodass jedes Ūλ
kompakt und nichtleer ist. Wähle λ0 ∈ Λ und setze Λ0 := {λ0 }. Für k ∈ N definiere rekursiv
Teilmengen Λk ⊆ Λ durch
Λk+1 := λ ∈ Λ ∃µ ∈ Λk : Uλ ∩ Uµ 6= ∅ .
Da Ūµ kompakt und die Überdeckung {Uλ }λ∈Λ lokal endlich ist, können nur endlich viele Uλ
nichtleeren Durchschnitt
S mitSUµ haben. Daher sind alle Λk endlich. Bemerke, dass Λk ⊆ Λk+1 .
/ U
Betrachte jetzt U := k∈N λ∈Λk Uλ . Als Vereinigung offener Mengen ist U offen. Ist x ∈
dann finden wir λ ∈ Λ sodass x ∈ Uλ , und es gilt Uλ ∩ U = ∅, andernfalls fänden wir nämlich
k ∈ N und µ ∈ Λk mit Uλ ∩Uβ 6= ∅, also λ ∈ Λk+1 und x ∈ U . Also ist U
S auch abgeschlossen und
stimmt daher mit dem ganzen Raum überein. Daher bilden Kn := λ∈Λn Ūλ eine kompakte
Überdeckung. Es gilt tatsächlich Kn ⊆ K̊n+1 , denn ist x ∈ Kn dann existiert λ ∈ Λ sodass
S
x ∈ Uλ , und µ ∈ Λn mit x ∈ Ūµ , also Uλ ∩Uµ 6= ∅, daher λ ∈ Λn+1 und x ∈ λ∈Λn+1 Uλ ⊆ K̊n+1 .
79dh. kompakt und ohne Rand
280
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
die Klasse [M]Z2 auf das (eindeutige) nicht-triviale Element der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ab. Diese Homologieklasse [M]Z2 ∈ Hn (M; Z2 )
wird die Z2 -Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften:
(i) f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 für jeden Homöomorphismus geschlossener n-Mannigfaltigkeiten f : M → M ′ .
(ii) [M1 ⊔ M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 + [M2 ]Z2 für je zwei geschlossene n-Mannigfaltigkeiten M1 und M2 .
(iii) [M × N]Z2 = [M]Z2 × [N]Z2 für jede geschlossene m-Mannigfaltigkeit M
und jede geschlossene n-Mannigfaltigkeit N.
Beweis. Ordnen wir jedem x ∈ M das (eindeutige) nicht-triviale Element
der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) ∼
= Z2 zu, so erhalten wir einen
stetigen Schnitt der Überlagerung M̃Z2 → M, vgl. Bemerkung V.10.1. Da M kompakt ist, hat dieser Schnitt kompakten Träger. Die Existenz und Eindeutigkeit
von [M]Z2 folgt daher aus Korollar V.10.5.
Ad Behauptung (i): Für jedes x′ ∈ M ′ ist f∗ : Hn (M, M \ {f −1 (x′ )}; Z2 ) →
Hn (M ′ , M ′ \ {x′ }; Z2 ) ein Isomorphismus, also induziert die Homologieklasse
f∗ ([M]Z2 ) ∈ Hn (M ′ ; Z2 ) das nicht-triviale Element in jeder lokalen Homologiegruppe Hn (M ′ , M ′ \ {x′ }; Z2 ), x′ ∈ M ′ . Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen
Klasse muss also f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 gelten.
Ad Behauptung (ii): Offensichtlich induziert die Homologieklasse [M1 ]Z2 +
[M2 ]Z2 ∈ Hn (M1 ⊔M2 ; Z2 ) = Hn (M1 ; Z2 ) ⊕Hn (M2 ; Z2 ) das nicht-triviale Element
in jeder lokalen Homologiegruppe Hn (M1 ⊔M2 , (M1 ⊔M2 )\{x}; Z2 ), x ∈ M1 ⊔M2 .
Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss also [M1 ⊔M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 +
[M2 ]Z2 gelten.
Ad Behauptung (iii): Nach Korollar V.6.17 liefert das relative Kreuzprodukt
einen Isomorphismus
Hm (M, M \ x; Z2 ) ⊗Z2 Hn (N, N \ y; Z2 ) = Hm+n M × N, (M × N) \ (x, y); Z2 .
Aufgrund der Natürlichkeit des Kreuzproduktes induziert die Homologieklasse
[M]Z2 × [N]Z2 ∈ Hm+n (M × N; Z2 ) daher das nicht triviale Element in jeder
lokalen Homologiegruppe Hm+n (M × N, (M × N) \ {(x, y)}; Z2 ), (x, y) ∈ M × N.
Wegen der Eindeutigkeit einer solchen Klasse muss also [M ×N]Z2 = [M]Z2 ×[N]Z2
gelten.
V.10.8. Korollar (Fundamentalklasse). Ist M eine orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit, dann existiert eine eindeutige Klasse [M] ∈ Hn (M) mit
folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ M bildet der von der kanonischen Inklusion
ιM
x : (M, ∅) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus
(ιM )∗ : Hn (M) → Hn (M, M \ {x}) ∼
=Z
x
die Klasse [M] auf die lokale Orientierung oM
x ∈ Hn (M, M \ {x}) ab. Diese
Homologieklasse [M] ∈ Hn (M) wird die Fundamentalklasse von M genannt und
hat folgende Eigenschaften:
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
281
(i) f∗ ([M]) = [M ′ ] für jeden orientierungsbewahrenden80 Homöomorphismus geschlossener orientierter n-Mannigfaltigkeiten f : M → M ′ .
(ii) [M1 ⊔ M2 ] = [M1 ] + [M2 ] für je zwei orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeiten M1 und M2 .81
(iii) [M×N] = [M]×[N] für jede orientierte geschlossene m-Mannigfaltigkeit
M und jede orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit N.82
(iv) [−M] = −[M].83
(v) ρ∗ ([M]) = [M]Z2 wobei ρ∗ : Hn (M) → Hn (M; Z2 ) den von ρ : Z → Z2
induzierten Homomorphismus bezeichnet.
Beweis. Die Orientierung von M ist ein stetiger Schnitt der Überlagerung
M̃Z → M, siehe Bemerkung V.10.2. Da M kompakt ist hat dieser Schnitt kompakten Träger, dh. oM ∈ Γc (M̃Z ). Die Existenz und Eindeutigkeit der Klasse [M] folgt
daher aus Korollar V.10.5. Der Beweis der verbleibenden Aussagen kann nun wie
in Korollar V.10.7 geführt werden. Etwa ist [M] × [N] ∈ Hm+n (M × N) eine Homologieklasse, die aufgrund der Natürlichkeit des Kreuzproduktes in jeder lokalen
×N
Homologiegruppe H(M ×N, (M ×N)\{(x, y)}) die Produktorientierung oM
(x,y) =
N
oM
x × oy induziert, (x, y) ∈ M × N. Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen
Klasse muss [M × N] = [M] × [N] gelten. Die Klasse −[M] ∈ Hn (M) induziert
−M
−oM
∈ Hn (M, M \ {x}), für jedes x ∈ M. Wegen der Eindeutigkeit einer
x = ox
solchen Klasse muss also −[M] = [−M] gelten. Ebenso ist ρ∗ ([M]) ∈ Hn (M; Z2 )
eine Homologieklasse, die wegen des universellen Koeffiziententheorems in jeder
lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \ {x}; Z2 ) = Hn (M, M \ {x}) ⊗ Z2 das nichttriviale Element induziert. Aufgrund der Eindeutigkeit einer solchen Klasse, siehe
Korollar V.10.7, muss daher ρ∗ ([M]) = [M]Z2 gelten.
V.10.9. Bemerkung. Es sei M eine orientierte n-Mannigfaltigkeit. Nach Bemerkung V.10.3 ist die Überlagerung M̃G trivial, wir erhalten daher einen Isomorphismus Γc (M̃Z ) ⊗ G = Γc (M̃G ). Zusammen mit Korollar V.10.5 folgt
Hn (M) ⊗ G = Hn (M; G).
Aus dem universellen Koeffiziententheorem schließen wir Tor(Hn−1 (M); G) = 0,
für jede abelsche Gruppe G. Mittels Proposition V.2.19 erhalten wir daher
Hn−1 (M)tor = 0.
Ist M geschlossen und R ein kommutativer Ring mit Eins, dann induziert der
Ringhomomorphismus Z → R einen Homomorphismus Hn (M) → Hn (M; R).
80Ein
Homöomorphismus f : M → M ′ zwischen orientierten n-Mannigfaltigkeiten wird
M′
orientierungsbewahrend genannt, falls f∗ (oM
x ) = of (x) für jeden Punkt x ∈ M gilt, wobei
f∗ : Hn (M, M \ {x}) → Hn (M ′ , M ′ \ {f (x)}).
81Dabei ist M ⊔ M mit der von M und M induzierten Orientierung versehen.
1
2
1
2
82Dabei ist M × N mit der Produktorientierung versehen, siehe Beispiel V.6.19.
83Ist M eine orientierte n-Mannigfaltigkeit, dann bezeichnet −M dieselbe Mannigfaltigkeit
mit der Orientierung o−M := −oM .
282
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Dieser bildet die Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M) auf ein Element [M]R ∈
Hn (M; R) ab, das für jedes x ∈ M einen Erzeuger von Hn (M, M \ {x}; R) = R
induziert. Für R = Z2 stimmt dies mit [M]Z2 aus Korollar V.10.7 überein.
V.10.10. Korollar. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit
ohne Rand.
(i) Ist M nicht kompakt, dann gilt Hn (M; G) = 0 für jedes G.
(ii) Ist M kompakt, dann bildet die Fundamentalklasse [M]Z2 eine Basis von
Hn (M; Z2 ) ∼
= Z2 .
(iii) Ist M kompakt und orientiert, dann bildet die Fundamentalklasse [M]
einen Erzeuger von Hn (M) ∼
= Z. Weiters induziert [M] einen Erzeuger
∼
des R-Moduls Hn (M; R) = R für jeden kommutativen Ring mit Eins.
(iv) Ist M nicht orientierbar, dann gilt Hn (M) = 0.
V.10.11. Bemerkung. Nach Korollar V.10.10 ist eine zusammenhängende
geschlossene n-Mannigfaltigkeit genau dann orientierbar, wenn Hn (M) 6= 0. In
diesem Fall gilt Hn (M) ∼
= Z, und jeder (der beiden) Erzeuger dieser Gruppe bestimmt eine Orientierung von M, sodass die damit assozierte Fundamentalklasse
[M] mit diesem Erzeuger übereinstimmt.
V.10.12. Beispiel. Die Mannigfaltigkeiten CPn und HPn sind einfach zusammenhängend und daher orientierbar, vgl. Bemerkung IV.12.8. Die Mannigfaltigkeit RPn ist für ungerades n orientierbar, für gerades n ≥ 2 nicht orientierbar,
siehe Proposition V.4.14 und Bemerkung V.10.11. Ebenso sind die orientierbaren
Flächen orientierbar, siehe Beispiel IV.9.12.
V.10.13. Bemerkung. Aus obigen Überlegungen folgt auch
bm (M; Z2 ) = b0 (M; Z2 )
für jede geschlossene m-Mannigfaltigkeit M, und
bm (M) = b0 (M)
für jede orientierbare geschlossene m-Mannigfaltigkeit M. Insbesondere sind die
Betti-Zahlen bm (M) und bm (M; Z2 ) endlich, wobei bq (M; Z2 ) := dimZ2 Hq (M; Z2 )
die sogenannten Z2 -Bettizahlen bezeichnen.
V.10.14. Bemerkung. Ist M eine geschlossene n-Mannigfaltigkeit und f :
M → X stetig, dann erhalten wir eine Homologieklasse f∗ ([M]Z2 ) ∈ Hn (X; Z2 ).
Ist M orientierbar, so erhalten wir eine Homologieklasse f∗ ([M]) ∈ Hn (X). Etwa
können wir den Erzeuger von Hk (RPn ; Z2 ), k ≤ n, als Bild der Z2 -Fundamentalklasse von RPk unter dem von der Inklusion RPk → RPn induzierten Homomorphismus verstehen. Ebenso können wir die Erzeuger von H2k (CPn ) als Bild der
Fundamentalklasse von CPk interpretieren.
V.10.15. Definition (Abbildungsgrad). Es sei M eine orientierte geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M), und es sei N eine
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
283
zusammenhängende orientierte und geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit Fundamentalklasse [N] ∈ Hn (N) ∼
= Z. Ist nun f : M → N eine stetige Abbildung,
dann existiert genau eine Zahl deg(f ) ∈ Z, sodass
f∗ ([M]) = deg(f ) · [N].
Diese Zahl deg(f ) ∈ Z wird der Abbildungsgrad von f genannt.
V.10.16. Bemerkung. Beachte, dass dies für Abbildungen f : S n → S n mit
dem Abbildungsgrad in Abschnitt IV.12 übereinstimmt.
V.10.17. Proposition. Der Abbildungsgrad stetiger Abbildungen zwischen
orientierten geschlossenen Mannigfaltigkeiten hat folgende Eigenschaften.
(i) deg(idM ) = 1.
(ii) f ≃ g ⇒ deg(f ) = deg(g).
(iii) deg(f ◦ g) = deg(f ) · deg(g).
(iv) deg(f ⊔ g) = deg(f ) + deg(g).
(v) deg(f × g) = deg(f ) · deg(g).
M
M
(vi) deg−M
N (f ) = deg −N (f ) = − degN (f ).
(vii) Ist f eine Homotopieäquivalenz, dann gilt deg(f ) = ±1.
(viii) Ist deg(f ) 6= 0, dann ist f surjektiv.
Beweis. Behauptung (i) folgt aus (idM )∗ = idHn (M ) . Behauptung (ii) folgt
aus der Homotpieinvarianz, siehe Satz IV.7.4. Behauptung (iii) folgt aus (f ◦
g)∗ = f∗ ◦ g∗. Behauptung (iv) folgt aus Korollar V.10.8(ii). Behauptung (v) folgt
aus Korollar V.10.8(iii) und der Natürlichkeit des Kreuzproduktes. Behauptung
(vi) folgt aus Korollar V.10.8(iv). Ad Behauptung (vii): In diesem Fall ist f∗ :
Hn (M) → Hn (N) ein Isomorphismus, muss daher [M] auf einen Erzeuger, dh.
±[N], abbilden. Nun zu Behauptung (viii): Wir nehmen indirekt an f wäre nicht
surjektiv. Dann existiert x ∈ N, sodass f : M → N \{x}. Aufgrund der Exaktheit
∼
=
von Hn (N \{x}) → Hn (N) −
→ Hn (N, N \{x}) induziert die Inklusion den trivialen
Homomorphismus Hn (N \{x}) → Hn (N), also ist auch der Homomorphismus f∗ :
Hn (M) → Hn (N) trivial und damit deg(f ) = 0. Da dies unserer Voraussetzung
widerspricht, muss also f surjektiv sein.
V.10.18. Beispiel. Für ungerades n hat die kanonische Projektion p : S n →
RPn Abbildungsgrad deg(p) = ±2, siehe Proposition V.4.14. Für gerades n ≥ 2
ist der Abbildungsgrad der Projektion S n → RPn nicht definiert, da RPn nicht
orientierbar ist.
Es sei nun f : M → N eine stetige Abbildung zwischen orientierten Mannigfaltigkeiten. Weiters sei x ∈ M ein isolierter Punkt von f −1 (f (x)), dh. es existiert
eine offene Umgebung U von x mit U ∩ f −1 (f (x)) = {x}. Wir erhalten daher eine
Abbildung von Paaren f |U : (U, U \{x}) → (N, N \{f (x)}) und einen induzierten
Homomorphismus zwischen den lokalen Homologiegruppen
(f |U )∗
Hn (M, M \ {x}) = Hn (U, U \ {x}) −−−→ Hn (N, N \ {f (x)}).
284
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Es existiert daher genau eine Zahl degx (f ) ∈ Z, sodass
(f |U )∗ (oUx ) = degx (f ) · oN
f (x) .
Dabei bezeichnet oU die von M induzierte Orientierung auf U, dh. bis auf den
U
Excisionsisomorphismus Hn (M, M \ {x}) = Hn (U, U \ {x}) gilt oM
x = ox . Diese
Zahl degx (f ) hängt nicht von der Wahl der Umgebung U ab, und wird der lokale
Abbildungsgrad von f bei x genannt. Die folgende Proposition zeigt, dass dieser
lokale Abbildungsgrad in vielen Fällen leicht bestimmbar ist.
V.10.19. Proposition. Es sei U ⊆ Rn offen und f : U → Rn eine C 1 Abbildung. Weiters sei x ∈ U mit det(Dx f ) 6= 0. Dann ist x ein isolierter Punkt
in f −1 (f (x)) und es gilt
degx (f ) = sign det(Dx f ).
Dabei ist U mit einer von Rn induzierten Orientierung versehen.
Beweis. Nach dem inversen Funktionensatz ist x ein isolierter Punkt in
f (f (x)), und daher degx (f ) definiert. Durch Komposition mit Translationen
dürfen wir o.B.d.A. x = 0 = f (x) annehmen. Durch Einschränken und Skalieren
können wir weiters U = B n sowie f −1 (f (0)) = {0} annehmen. Betrachte nun die
Homotopie H : (B n , B n \ {0}) × I → (Rn , Rn \ {0}),
(
f (ty)/t falls t > 0,
Ht (y) :=
D0 f · y für t = 0.
−1
von H0 = D0 f nach H1 = f . Nach Proposition I.6.8 ist die Inklusion On ⊆
GLn (Rn ) eine Homotopieäquivalenz, insbesondere kann D0 f durch einen stetigen
Weg in GLn (Rn ) mit einer orthogonalen Matrix G ∈ On verbunden werden. Aus
der Homotopieinvarianz folgt deg0 (f ) = deg0 (D0 f ) = deg0 (G). Aufgrund der
Stetigkeit der Abbildung sign det : GLn (Rn ) → {−1, 1} gilt auch sign det(D0 f ) =
sign det(G) = det(G). Es genügt daher deg0 (G) = det(G) für jedes G ∈ On zu
zeigen. Mit Hilfe des kommutativen Diagramms
Hn (B n , B n \ {0})
G∗
δ
∼
=
H̃n−1 (B n \ {0}) o
/
G∗
Hn (Rn , Rn \ 0) o
∼
=
∼
=
H̃n−1 (S n−1 )
G∗
G∗
Hn (B n , B n \ {0})
δ
∼
=
folgt dies aber sofort aus Satz IV.12.11(v).
/
H̃n−1 (B n \ {0}) o
∼
=
H̃n−1 (S n−1 )
V.10.20. Satz. Es sei f : M → N eine stetige Abbildung von einer geschlossenen orientierten n-Mannigfaltigkeit M in eine zusammenhängende orientierte
geschlossene n-Mannigfaltigkeit N. Weiters sei y ∈ N, sodass f −1 (y) endlich ist.
Dann gilt
X
deg(f ) =
degx (f ).
(V.109)
x∈f −1 (y)
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
285
Beweis. Es bezeichne X := f −1 (y) = {x1 , . . . , xk }. Wähle paarweise disjunkte offene Umgebungen Ui von xi , und setze U := U1 ∪ · · · ∪ Uk . Wir statten U sowie U
aus. Beachte weiters
Fik mit der von M induzierten Orientierung
Fk
M̃ |U = Ũ = i=1 Ũi und daher M̃ |X = Ũ |X = i=1 Ũi |{xi } . Betrachte nun das
folgende kommutative Diagramm:
Lk
/ Γ(M̃ | )
Γ(M̃ )
Γ(Ũ|X )
X
i=1 Γ(Ũi |{xi } )
O
O
∼
= JM
Hn (M)
/
Hn (M, M \ X) o
Hn (N)
∼
=
Hn (U, U \ X) o
f∗
f∗
O
∼
= J (U,X)
∼
= J (M,X)
∼
=
/
Hn (N, N \ {y})
(f |U )∗
Hn (N, N \ {y}) r
∼
=
Lk
i=1
Hn (Ui , Ui \ {xi })
Pk
i=1 (f |Ui )∗
Durch den oberen Teil dieses Diagramms wird die Fundamentalklasse [M] ∈
Hn (M) auf oM ∈ Γ(M̃ ), oM |X ∈ Γ(M̃ |X ), oU |X ∈ Γ(Ũ|X ) und schließlich auf
L
(oUx11 , . . . , oUxkk ) ∈ ki=1 Hn (Ui , Ui \{xi }) abgebildet. Unter dem unteren rechten HoP
P
momorphismus geht dies in ki=1 (f |Ui )∗ oUxii = ki=1 degxi (f )·oN
y ∈ Hn (N, N \{y})
Pk
über, was in Hn (N) nun i=1 degxi (f ) · [N] entspricht. Aufgrund der Kommutativität des Diagramms muss dies mit f∗ ([M]) = deg(f ) · [N] übereinstimmen,
und dies liefert die zu beweisende Relation.
V.10.21. Bemerkung. Aus Satz V.10.20 folgt, dass die rechte Seite in (V.109)
nicht von y abhängt Auch folgt, dass dieser Ausdruck nur von der Homotopieklasse von f abhängt, vgl. Proposition V.10.17(ii). Ohne der homologischen Interpretation aus Satz V.10.20 wären diese Tatsachen alles andere als offensichtlich.
V.10.22. Beispiel. Wir wollen nun Satz V.10.20 verwenden um nochmals den
Abbildungsgrad der Antipodalabbildung A : S n → S n , Ax := −x, zu berechnen.
Es bezeichne N ∈ S n den Nordpol und ϕ : Rn → S n \ {N} die stereographische Projektion, siehe Beispiel I.1.25. Eine einfache geometrische Überlegung
zeigt A ◦ ϕ = ϕ ◦ Ā mit Ā : Rn \ {0} → Rn \ {0}, Ā(x) = −x/kxk. Für die
Ableitung beim Einheitsvektor x := e1 ∈ Rn ergibt sich die Diagonalmatrix
Dx Ā = diag(1, −1, . . . , −1). Es gilt daher degx (Ā) = (−1)n−1 , siehe Proposition V.10.19. Wegen A = ϕ ◦ Ā ◦ ϕ−1 erhalten wir degx (A) = degx (Ā) = (−1)n−1 .
Mittels Satz V.10.20 folgt nun deg(A) = (−1)n−1 , vgl. Satz IV.12.11(vi).
V.10.23. Beispiel. Es sei p : M̃ → M eine k-blättrige Überlagerung einer
geschlossenen orientierten n-Mannigfaltigkeit M. Dann ist auch M̃ eine orientierbare geschlossene n-Mannigfaltigkeit. Es gibt genau eine Orientierung auf M̃ ,
sodass p ein lokal orientierungsbewahrender Homöomorphismus ist. Bezüglich
dieser Orientierung gilt deg(p) = k, siehe Satz V.10.20. Insbesondere sehen wir,
dass die kanonische Projektion p : S n → RPn für ungerades n Abbildungsgrad
deg(p) = 2 hat, vgl. Proposition V.4.14.
286
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
V.10.24. Beispiel. Es sei n ≥ 1. Ist M eine orientierte geschlossenen nMannigfaltigkeit, dann existiert zu jedem k ∈ Z eine Abbildung f : M → S n mit
deg(f ) = k. Wir erhalten daher eine surjektive Abbildung deg : [M, S n ] → Z.
Nach Bemerkung IV.12.14 existiert nämlich g : S n → S n mit deg(g) = k. Es
genügt daher f : M → S n mit deg(f ) = ±1 zu konstruieren, siehe Proposition V.10.17(iii). Betrachte dazu einen eingebetteten Ball D n ⊆ M und die davon
induzierten stetige Abbildung f : M → M/(M \ B n ) = D n /S n−1 ∼
= S n . Nach
Satz V.10.20 hat f Abbildungsgrad deg(f ) = ±1.
V.10.25. Bemerkung (Z2 -Abbildungsgrad). Es sei f : M → N eine stetige Abbildung von einer geschlossenen n-Mannigfaltigkeit M in eine zusammenhängende geschlossene n-Mannigfaltigkeit N.84 Dann existiert genau eine
Zahl deg2 (f ) ∈ Z2 , sodass
f∗ ([M]Z2 ) = deg2 (f ) · [N]Z2 ∈ Hn (N; Z2 ) ∼
= Z2 .
Diese Zahl wird der Z2 -Abbildungsgrad von f genannt. Dieser Abbildungsgrad
hat Eigenschaften analog zu denen in Proposition V.10.17, die Beweise sind völlig
gleich.
(i)
(ii)
(iii)
(iv)
(v)
(vi)
(vii)
(viii)
deg2 (idM ) = 1.
f ≃ g ⇒ deg2 (f ) = deg2 (g).
deg2 (f ◦ g) = deg2 (f ) · deg2 (g).
deg2 (f ⊔ g) = deg2 (f ) + deg2 (g).
deg2 (f × g) = deg2 (f ) · deg2 (g).
Sind M und N orientiert, dann gilt deg(f ) ≡ deg2 (f ) mod 2.
Ist f eine Homotopieäquivalenz dann gilt deg2 (f ) = 1.
Ist deg2 (f ) 6= 0, dann ist f surjektiv.
Auch Satz V.10.20 bleibt richtig, ist f −1 (y) eine endliche Menge, dann gilt
X
deg2 (f ) =
deg2,x (f ).
x∈f −1 (y)
Dabei wird der lokale Z2 -Abbildungsgrad deg2,x (f ) ∈ Z2 analog zur ganzzahligen
Variante definiert. Im orientierbaren Fall gilt offensichtlich deg2,x (f ) ≡ degx (f )
mod 2. Der lokale Z2 -Abbildungsgrad ist besonders leicht zu bestimmen, ist f
bei x ein lokaler Homöomorphismus, dann gilt offensichtlich deg2,x (f ) = 1. Ist
etwa f bei jedem x ∈ f −1 (y) ein lokaler Homöomorphismus ist, dann folgt
deg2 (f ) ≡ ♯f −1 (y) mod 2. Für eine k-blättrige Überlagerung p : M̃ → M einer zusammenhängenden geschlossenen Mannigfaltigkeit M, erhalten wir daher
deg2 (p) ≡ k mod 2. Für p : S n → RPn ergibt sich deg2 (p) = 0, vgl. Beispiel V.4.13.
84Wir
setzen nicht voraus, dass M oder N orientierbar sind, noch verlangen wir, dass diese
Mannigfaltigkeiten im orientierbaren Fall mit einer Orientierung versehen sind.
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
287
Wir wollen nun auch die Homologie von Mannigfaltigkeiten mit Rand untersuchen, siehe Bemerkung IV.12.10. Sei also M eine n-Mannigfaltigkeit mit Rand
∂M. Dann ist ∂M eine, möglicherweise leere, (n−1)-Mannigfaltigkeit ohne Rand,
und das Innere Int(M) = M \ ∂M ist eine randlose n-Mannigfaltigkeit.
V.10.26. Satz (Kragen des Randes). Ist M eine Mannigfaltigkeit mit Rand
∂M, dann existiert eine offene Umgebung U von ∂M in M, und ein Homöomorphismus
∼
=
→ U ⊆ M,
ϕ : ∂M × [0, 1) −
sodass ϕ|∂M ×{0} = id∂M . Insbesondere ist die Inklusion Int(M) → M eine Homotopieäquivalenz.
Beweis. Wir werden den Satz nur für glatte Mannigfaltigkeiten zeigen. Wir
wählen eine Riemannmetrik auf M und bezeichnen mit ν(x) ∈ Tx M den nach
innen weisenden Normalvektor, x ∈ ∂M. Weiters bezeichne t 7→ ϕ(x, t) :=
exp(tν(x)) die Geodäte die bei x in Richtung ν(x) startet. Dies ist bei fixem
x ∈ ∂M für kleine t ≥ 0 definiert. Wir erhalten weiters eine offene Umgebung V
von ∂M ×{0} in ∂M ×[0, ∞), sodass ϕ : V → M eine glatte Abbildung definiert.
Offensichtlich gilt ϕ|∂M ×{0} = id∂M und die Tangentialabbildung T(x,0) ϕ ist ein
Isomorphismus für jedes x ∈ ∂M. Nach dem inversen Funktionensatz können wir
durch Verkleinern der Umgebung V sicherstellen, dass ϕ : V → M ein Diffeomorphismus auf sein (offenes) Bild ist. Durch geeignetes Skalieren folgt nun der
Satz, für glattes M.
V.10.27. Bemerkung. Nach Satz V.10.26 induziert die Inklusion Int(M) →
M einen Isomorphismus H∗ (Int(M); G) = H∗ (M; G). Die Berechnung der Homologiegruppen H∗ (M; G) ist daher auf die Bestimmung der Homologiegruppen der randlosen Mannigfaltigkeit Int(M) zurückgeführt. Insbesondere folgt
Hq (M; G) = 0, für alle q > n. Ist M zusammenhängend und ∂M 6= ∅, dann
ist Int(M) nicht kompakt und daher Hn (M; G) = 0, siehe Korollar V.10.10(i).
Aus der exakten Sequenz
δ
Hq (M; G) → Hq (M, ∂M; G) −
→ Hq−1 (∂M; G)
erhalten wir nun auch Hq (M, ∂M; G) = 0, für q > n, denn Hq−1 (∂M; G) = 0
nach Korollar V.10.5.
Wesentlich interessanter sind die relativen Homologiegruppen Hn (M, ∂M).
Wir beginnen wieder mit der Z2 -Version da diese keine Orientierungen benötigt.
V.10.28. Korollar (Z2 -Fundamentalklasse). Ist M eine kompakte n-Mannigfaltigkeit mit Rand, dann existiert eine eindeutige Homologieklasse [M]Z2 ∈
Hn (M, ∂M; Z2 ) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ Int(M) bildet der von
der kanonischen Inklusion ιM
x : (M, ∂M) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus
∼
(ιM
x )∗ : Hn (M, ∂M; Z2 ) → Hn (M, M \ {x}; Z2 ) = Z2
288
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
die Klasse [M]Z2 auf das (eindeutige) nicht-triviale Element der lokalen Homologiegruppe Hn (M, M \{x}; Z2 ) ab. Diese Homologieklasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 )
wird die Z2 -Fundamentalklasse von M genannt und hat folgende Eigenschaften:
(i) f∗ ([M]Z2 ) = [M ′ ]Z2 für jeden Homöomorphismus kompakter n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, f : M → M ′ .85
(ii) [M1 ⊔M2 ]Z2 = [M1 ]Z2 +[M2 ]Z2 für je zwei kompakte n-Mannigfaltigkeiten
mit Rand.
(iii) [M × N]Z2 = [M]Z2 × [N]Z2 für je zwei kompakte Mannigfaltigkeit mit
Rand der Dimension m bzw. n.86
(iv) δ([M]Z2 ) = [∂M]Z2 wobei δ : Hn (M, ∂M; Z2 ) → Hn−1 (∂M; Z2 ) den
Einhängungshomomorphismus bezeichnet.87
Beweis. Es sei ϕ : ∂M ×[0, 1) → M ein Kragen wie in Satz V.10.26. Für 0 <
ε < 1 betrachte Aε := M \ ϕ(∂M × [0, ε)) ⊆ Int(M). Dies ist eine abgeschlossene
Teilmenge von M, also kompakt. Nach Satz V.10.4 existiert genau eine Klasse in
Hn (Int(M), Int(M) \ Aε ; Z2 ) die für jedes x ∈ Aε das nicht-triviale Element in
Hn (Int(M), Int(M) \ {x}; Z2 ) induziert. Da die Inklusionen
(M, ∂M) → M, ϕ(∂M × [0, ε)) ← Int(M), Int(M) \ Aε
beide Homotopieäquivalenzen sind folgt also, dass genau eine Klasse [M]Z2 ∈
Hn (M, ∂M; Z2 ) existiert, die für jeden Punkt x ∈ Aε das nicht-triviale Element
in Hn (M, M \{x}; Z2 ) induziert. Da ε belibig war, bleibt dies für jedes x ∈ Int(M)
richtig. Die Eigenschaften (i) bis (iii) lassen sich nun genau wie im Beweis von
Korollar V.10.7 verifizieren. Es bleibt noch Behauptung (iv) zu zeigen. Betrachte
zunächst die 1-dimensionale kompakte Mannigfaltigkeit mit Rand I = [0, 1]. In
diesem Fall gilt sicherlich δ([I]Z2 ) = 1{1} − 1{0} ∈ H0 ({0, 1}; Z2 ). Aus (iii) und
(V.81) folgt nun
δ([I × ∂M]Z2 ) = δ([I]Z2 × [∂M]Z2 )
= δ([I]Z2 ) × [∂M]Z2 = 1{1} × [∂M]Z2 − 1{0} × [∂M]Z2 . (V.110)
Nach Satz V.10.26 existiert ein Homöomorphismus
∼
=
ψ : (−1, 1] × ∂M −
→U ⊆M
85Beachte,
mit
ψ|{1}×∂M = id∂M .
dass so ein Homöomorphismus nach Satz IV.12.9 ∂M homöomorph auf ∂M ′
abbilden muss, und daher einen Isomorphismus f∗ : Hn (M, ∂M ; Z2 ) → Hn (M ′ , ∂M ′ ; Z2 )
induziert.
86Beachte, dass M × N eine topologische (m + n)-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂(M × N ) =
(∂M × N ) ∪ (M × ∂N ) ist.
87Beachte, dass ∂M eine geschlossene (n − 1)-Mannigfaltigkeit ist.
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
289
Setze A := M \ ψ (0, 1] × ∂M und betrachte das kommutative Diagramm:
Hn (M, ∂M ; Z2 )
/ Hn (M, ∂M ∪ A; Z2 ) o
δ
ψ∗
∼
=
Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M ; Z2 )
δ
Hn−1 (∂M ; Z2 )
(id,0)
/ Hn−1 (∂M ∪ A; Z2 ) o
+
Hn−1 (∂M ; Z2 )
o
⊕
Hn−1 (A; Z2 )
δ
ψ∗
Hn−1 (∂I × ∂M ); Z2 )
Hn−1 ({1} × ∂M ; Z2 )
⊕
Hn−1 ({0} × ∂M ; Z2 )
ψ∗
Mittels Exzision und Homotopieinvarianz folgt sofort, dass der obere rechte Pfeil
ein Isomorphismus ist. Da ψ ein lokaler Homöomorphismus ist, wird die Fundamentalklasse [M]Z2 ∈ Hn (M, ∂M; Z2 ) durch die beiden oberen horizontalen Pfeile
auf die Fundamentalklasse [I × ∂M]Z2 ∈ Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M; Z2 ) abgebildet.
Nach (V.110) wird dies durch die rechten vertikalen Pfeile auf [∂M]Z2 , ∗ in der
unteren mittleren Gruppe abgebildet. Wegen der Kommutativität des Diagramms
muss dies mit δ([M]Z2 ), 0 übereinstimmen, es gilt daher δ([M]Z2 ) = [∂M]Z2 . V.10.29. Korollar. Es sei M eine kompakte n-Mannigfaltigkeit mit Rand
∂M. Dann ist ∂M nicht Retrakt von M.
Beweis. Wir gehen indirekt vor und nehmen an r : M → ∂M wäre eine
Retraktion, dh. r ◦ ι = id∂M , wobei ι : ∂M → M die kanonische Inklusion
bezeichnet. Betrachte die exakte Sequenz
δ
ι
∗
Hn (M, ∂M; Z2 ) −
→ Hn−1 (∂M; Z2 ) −
→
Hn−1 (M; Z2 ).
Wegen r∗ ◦ ι∗ = idHn−1 (∂M ;Z2 ) ist ι∗ injektiv und daher δ = 0. Mit Korollar V.10.28(iv) folgt [∂M]Z2 = δ([M]Z2 ) = 0. Da dies der Definition von [∂M]Z2
widerspricht, kann es also keine solche Retraktion r geben.
V.10.30. Korollar. Es sei W eine kompakte (n + 1)-Mannigfaltigkeit mit
Rand und F : W → X stetig. Betrachte die geschlossenen n-Mannigfaltigkeit
M := ∂W und f := F |∂W : M → X. Dann gilt f∗ ([M]Z2 ) = 0 ∈ Hn (X; Z2 ).
Beweis. Es bezeichne ι : M = ∂W → W die Inklusion, dh. f = F ◦ ι. Mittels
Korollar V.10.28(iv) folgt
f∗ ([∂W ]Z2 ) = F∗ ι∗ ([∂W ]Z2 ) = F∗ ι∗ δ([W ]Z2 ) = 0,
δ
ι
∗
wobei wir die Exaktheit von Hn+1 (W, ∂W ; Z2 ) −
→ Hn (∂W ; Z2 ) −
→
Hn (W ; Z2 )
verwendet haben.
V.10.31. Bemerkung (Bordismeninvarianz). Es seien M1 und M2 zwei geschlossene n-Mannigfaltigkeiten. Zwei stetige Abbildungen f1 : M1 → X und f2 :
M2 → X werden bordant genannt, falls eine kompakte (n + 1)-Mannigfaltigkeit
290
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
W mit Rand ∂W = M1 ⊔M2 sowie eine stetige Abbildung F : W → X existieren,
sodass F |M1 = f1 und F |M2 = f2 . In dieser Situation folgt
(f1 )∗ ([M1 ]Z2 ) = (f2 )∗ ([M2 ]Z2 ) ∈ Hn (X; Z2 ),
siehe Korollar V.10.30 und Korollar V.10.28(ii). Ist nun N = X eine zusammenhägende geschlossene n-Mannigfaltigkeit, so erhalten wir
deg2 (f1 ) = deg2 (f2 ).
Dies wird als Bordismeninvarianz des Z2 -Abbildungsgrades bezeichnet und verallgemeinert dessen Homotopieinvarianz, denn zwei homotope Abbildungen f1 ≃
f2 : M → X sind stets bordant, W = I × M und F : W → X eine Homotopie
von f1 nach f2 .
Unter einer Orientierung einer n-Mannigfaltigkeit M mit Rand verstehen wir
eine Orientierung des Inneren Int(M). Eine Orientierung oM von M induziert eine
Orientierung o∂M des Randes ∂M wie folgt. Ist x ∈ ∂M dann existiert eine offene
∼
=
Umgebung U von x und eine Karte ϕ : U −
→ H := {(x1 , . . . , xn ) ∈ Rn | x1 ≤ 0}.
Die Orientierung von M bestimmt eine Orientierung oH von H und damit eine
n
n−1
Orientierung oR von Rn . Es gibt nun auf Rn−1 genau eine Orientierung oR ,
sodass die Identifikation Rn = R × Rn−1 orientierungsbewarend ist, wobei R
mit der Standardorientierung88 versehen ist. Mit Hilfe der Karte ϕ|U ∩∂M : U ∩
∼
n−1
=
→ Rn−1 erhalten wir aus oR
eine Orientierung oU ∩∂M von U ∩ ∂M. Es
∂M −
lässt sich leicht verifizieren, dass die davon induzierte lokale Orientierung o∂M
∈
x
Hn−1 (∂M, ∂M \ {x}; Z2 ) nicht von der Wahl der Karte ϕ abhängt. Die lokalen
∂M
Orientierungen o∂M
.
x , x ∈ ∂M, definieren daher eine Orientierung des Randes o
V.10.32. Beispiel. Es sei M eine orientierte Mannigfaltigkeit. Wir versehen
I × M mit der Produktorientierung, wobei I mit der Standardorientierung ausgestattet ist. Der Rand von I × M besteht aus zwei Kopien von M, genauer
∂(I × M) = M+ ⊔ M− , wobei M+ := {1} × M ∼
= M und M− := {0} × M ∼
= M.
Die Orientierung von M liefert daher auch Orientierungen von M+ und M− . Es
gilt nun
∂(I × M) = M+ ⊔ (−M− ),
als orientierte Mannigfaltigkeiten.
V.10.33. Korollar (Fundamentalklasse). Ist M eine orientierte kompakte
n-Mannigfaltigkeit mit Rand ∂M, dann existiert eine eindeutige Klasse [M] ∈
Hn (M, ∂M) mit folgender Eigenschaft. Für jedes x ∈ Int(M) bildet der von der
kanonischen Inklusion ιM
x : (M, ∂M) → (M, M \ {x}) induzierte Homomorphismus
∼
(ιM
x )∗ : Hn (M, ∂M) → Hn (M, M \ {x}) = Z
88Die
Standardorientierung oR von R ist dadurch charakterisiert, dass die davon induzierte
lokale Orientierung oR
0 ∈ H1 (R, R \ {0}) durch den Einhängungshomomorphismus δ : H1 (R, R \
{0}) → H0 (R \ {0}) = H0 (R+ ) ⊕ H0 (R− ) auf δ(oR
0 ) = 1R+ − 1R− abgebildet wird.
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
291
die Klasse [M] auf die lokale Orientierung oM
x ∈ Hn (M, M \ {x}) ab. Diese
Homologieklasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) wird die Fundamentalklasse von M genannt
und hat folgende Eigenschaften:
(i) f∗ ([M]) = [M ′ ] für jeden orientierungsbewahrenden Homöomorphismus
kompakter orientierter n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, f : M → M ′ .89
(ii) [M1 ⊔ M2 ] = [M1 ] + [M2 ] für je zwei orientierte kompakte n-Mannigfaltigkeiten mit Rand, M1 und M2 .
(iii) [M × N] = [M] × [N] für je zwei orientierte kompakte Mannigfaltigkeit
mit Rand der Dimension m bzw. n.90
(iv) [−M] = −[M].
(v) ρ∗ ([M]) = [M]Z2 wobei ρ∗ : Hn (M, ∂M) → Hn (M, ∂M; Z2 ) den von
ρ : Z → Z2 induzierten Homomorphismus bezeichnet.
(vi) δ([M]) = [∂M], wobei δ : Hn (M, ∂M) → Hn−1 (∂M) den Einhängungshomomorphismus bezeichnet.91
Beweis. Wir gehen genau wie im Beweis von Korollar V.10.28 vor. Es sei ϕ :
∂M × [0, 1) → M ein Kragen wie in Satz V.10.26. Für 0 < ε < 1 betrachte Aε :=
M \ ϕ(∂M × [0, ε)) ⊆ Int(M). Dies ist eine abgeschlossene Teilmenge von M, also
kompakt. Nach Satz V.10.4 existiert genau eine Klasse in Hn (Int(M), Int(M)\Aε )
die für jedes x ∈ Aε die lokale Orientierung oM
x ∈ Hn (Int(M), Int(M) \ {x})
induziert. Da die Inklusionen
(M, ∂M) → M, ϕ(∂M × [0, ε)) ← Int(M), Int(M) \ Aε
(V.111)
beide Homotopieäquivalenzen sind folgt also, dass genau eine Klasse [M] ∈
Hn (M, ∂M) existiert, die für jeden Punkt x ∈ Aε die lokale Orientierung oM
x ∈
Hn (M, M \ {x}) induziert. Da ε belibig war, bleibt dies für jedes x ∈ Int(M)
richtig. Die Eigenschaften (i) bis (v) lassen sich nun genau wie im Beweis von Korollar V.10.8 verifizieren. Es bleibt noch Behauptung (vi) zu zeigen. Versehen wir
I = [0, 1] mit der Standardorientierung, dann gilt δ([I]) = 1{1} −1{0} ∈ H0 ({0, 1}).
Aus (iii) und (V.81) folgt nun
δ([I × ∂M]) = δ([I] × [∂M])
= δ([I]) × [∂M] = 1{1} × [∂M] − 1{0} × [∂M]. (V.112)
Nach Satz V.10.26 existiert ein Homöomorphismus
∼
=
→U ⊆M
ψ : (−1, 1] × ∂M −
89Beachte,
mit
ψ|{1}×∂M = id∂M .
dass so ein Homöomorphismus nach Satz IV.12.9 ∂M homöomorph auf ∂M ′
abbilden muss, und daher einen Isomorphismus f∗ : Hn (M, ∂M ) → Hn (M ′ , ∂M ′ ) induziert.
90Beachte, dass M × N eine topologische Mannigfaltigkeit mit Rand ∂(M × N ) = (∂M ×
N ) ∪ (M × ∂N ) ist.
91Beachte, dass ∂M eine geschlossene (n − 1)-Mannigfaltigkeit ist, die mit der von M
induzierten Orientierung versehen ist.
292
V. HOMOLOGIE MIT KOEFFIZIENTEN
Setze A := M \ ψ (0, 1] × ∂M und betrachte das kommutative Diagramm:
Hn (M, ∂M)
Hn (M, ∂M ∪ A) o
/
ψ∗
∼
=
Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M)
δ
δ
Hn−1 (∂M)
(id,0)
/
Hn−1 (∂M ∪ A) o
*
Hn−1 (∂M)
o
⊕
Hn−1 (A)
δ
ψ∗
ψ∗
Hn−1 (∂I × ∂M))
Hn−1 ({1} × ∂M)
⊕
Hn−1 ({0} × ∂M)
Wie im Beweis von Korollar V.10.28 sehen wir, dass der obere rechte Pfeil ein Isomorphismus ist. Da ψ ein Orientierungsbewarender Homöomorphismus ist, wird
die Fundamentalklasse [M] ∈ Hn (M, ∂M) durch die beiden oberen horizontalen
Pfeile auf die Fundamentalklasse [I × ∂M] ∈ Hn (I × ∂M, ∂I × ∂M) abgebildet.
Nach (V.112) wird dies durch die rechten vertikalen Pfeile auf [∂M], ∗ in der
unteren mittleren Gruppe abgebildet. Wegen der Kommutativität des Diagramms
muss dies mit δ([M]), 0 übereinstimmen, es gilt daher δ([M]) = [∂M].
V.10.34. Korollar. Es sei W eine kompakte orientierte (n + 1)-Mannigfaltigkeit mit Rand und F : W → X stetig. Betrachte die geschlossene orientierte
n-Mannigfaltigkeit M := ∂W und f := F |∂W : M → X. Dann gilt f∗ ([M]) = 0 ∈
Hn (X).
Beweis. Der Beweis ist analog zu dem von Korollar V.10.30. Bezeichnet
ι : M = ∂W → W die Inklusion, dh. f = F ◦ι, dann folgt aus Korollar V.10.33(iv)
f∗ ([∂W ]) = F∗ ι∗ ([∂W ]) = F∗ ι∗ δ([W ]) = 0. Dabei haben wir im letzten Gleichδ
ι∗
heitszeichen die Exaktheit von Hn+1 (W, ∂W ) −
→ Hn (∂W ) −
→
Hn (W ) verwendet.
V.10.35. Bemerkung (Bordismeninvarianz). Es seien M1 und M2 zwei geschlossene orientierte n-Mannigfaltigkeiten. Zwei stetige Abbildungen f1 : M1 →
X und f2 : M2 → X werden orientiert bordant genannt, falls eine kompakte
orientierte (n + 1)-Mannigfaltigkeit W mit Rand ∂W = M2 ⊔ (−M1 ) sowie eine
stetige Abbildung F : W → X existieren, sodass F |M1 = f1 und F |M2 = f2 . In
dieser Situation folgt
(f1 )∗ ([M1 ]) = (f2 )∗ ([M2 ]) ∈ Hn (X),
siehe Korollar V.10.34 und Korollar V.10.33(ii)&(iv). Ist nun N = X eine zusammenhängende geschlossene n-Mannigfaltigkeit, so erhalten wir
deg(f1 ) = deg(f2 ).
Dies wird als Bordismeninvarianz des Abbildungsgrades bezeichnet und verallgemeinert dessen Homotopieinvarianz. Beachte, dass zwei homotope Abbildungen
V.10. DIE FUNDAMENTALKLASSE EINER MANNIGFALTIGKEIT
293
f1 ≃ f2 : M → X stets orientiert bordant sind, W = I × M mit der Produktorientierung und F : W → X eine Homotopie von f1 nach f2 , siehe Beispiel V.10.32.
V.10.36. Korollar. Es sei M eine zusammenhängende n-Mannigfaltigkeit
mit Rand.
(i) Ist M nicht kompakt, dann gilt Hn (M, ∂M; G) = 0 für jedes G.
(ii) Ist M kompakt, dann bildet die Fundamentalklasse [M]Z2 eine Basis von
Hn (M, ∂M; Z2 ) ∼
= Z2 .
(iii) Ist M kompakt und orientiert, dann bildet die Fundamentalklasse [M]
einen Erzeuger von Hn (M, ∂M) ∼
= Z. Weiters induziert [M] einen Erzeuger des R-Moduls Hn (M, ∂M; R) ∼
= R für jeden kommutativen Ring
mit Eins.
(iv) Ist M nicht orientierbar, dann gilt Hn (M, ∂M) = 0.
Beweis. Betrachte wieder die abgeschlossenen Teilmengen Aε ⊆ Int(M) wie
im Beweis von Korollar V.10.33. Nach Satz V.10.4 und wegen der Homotopieäquivalenzen (V.111) gilt
^ |A .
(V.113)
Hn (M, ∂M; G) ∼
= Γc Int(M)
G ε
Mit M ist auch jedes Aε wegzusammenhängend. Ist M nicht kompakt, dann existiert ε > 0, sodass Aε nicht kompakt ist, also verschwindet die rechte Seite von
(V.113) und Behauptung (i) folgt. Sei nun M kompakt. Dann ist auch jedes Aε
^Z ∼
kompakt. Im Fall G = Z2 gilt Int(M)
2 = Int(M) × Z2 , aus (V.113) erhalten wir
∼
daher Hn (M, ∂M; Z2 ) = Z2 , womit Behauptung (ii) gezeigt ist. Ist M orientier^ ∼
∼
bar, dann gilt Int(M)
Z = Int(M) × Z, aus (V.113) folgt Hn (M, ∂M) = Z und
damit Behauptung (iii). Um die letzte Behauptung (iv) einzusehen, nehmen wir
^ |A trivial
Hn (M, ∂M) 6= 0 an. Aus (V.113) folgt, dass die Überlagerung Int(M)
Z
ε
^ eine triviale Überlagerung, denn Int(M) ≃ Aε , und
ist, also ist auch Int(M)
Z
damit Int(M) orientierbar.
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