Pharmakologische Aspekte der pädiatrischen Antibiotikatherapie

Werbung
Diplomarbeit
Pharmakologische Aspekte der pädiatrischen
Antibiotikatherapie
eingereicht von
Stella Fabienne Götzinger
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Klinik für
Experimentelle und Klinische Pharmakologie
unter der Anleitung von
Univ.-Prof. i. R. Mag. pharm. Dr. phil. Eckhard Beubler
Zweitbetreuer Univ.-Prof. Dr. Josef Donnerer
Graz, am 15.07.2016
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne
fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet
habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, 15.07.2016
Stella Fabienne Götzinger eh
2
Danksagungen
An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Betreuer, Univ. Prof. Dr. Eckhard
Beubler, herzlich bedanken, der mir die Möglichkeit gegeben hat, dieses Thema
zu bearbeiten und mir während dieser Zeit unkompliziert und verlässlich zur Seite
gestanden hat.
Mein ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mich von Beginn an die
gesamte Zeit des Studiums in allen Lebenslagen mit ganzer Kraft unterstützt und
an mich geglaubt haben.
Des Weiteren möchte ich mich bei Isabel Helleis bedanken, die wohl beste
Mitbewohnerin, die mir mit ihrem pharmakologischen Fachwissen stets zur Seite
stand.
Zu Letzt möchte ich mich noch bei allen anderen Freunden und Kollegen
bedanken, die mir die Zeit des Studiums in Graz unvergesslich gemacht haben.
Hinweis: keine Garantie bei Dosierungen
3
Inhaltsverzeichnis
Eidesstattliche Erklärung ........................................................................................ 2
Danksagungen ....................................................................................................... 3
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................... 6
Glossar ................................................................................................................... 7
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................ 8
Tabellenverzeichnis ................................................................................................ 9
Zusammenfassung ............................................................................................... 10
Abstract ................................................................................................................ 12
1. Einleitung.......................................................................................................... 13
1.2 Aufbau und Gruppeneinteilung der Bakterien .........................................................15
1.3 Altersstufen des Heranwachsenden .......................................................................17
1.4 Ablauf einer Arzneimittelreaktion ............................................................................18
2. Pharmakokinetik des Heranwachsenden ......................................................... 19
2.1 Grundbegriffe der Pharmakokinetik ........................................................................19
2.2 Resorption .............................................................................................................21
2.3 Verteilung...............................................................................................................23
2.4 Elimination .............................................................................................................24
2.5 Pharmakokinetische Unterschiede zwischen Heranwachsenden und Erwachsenen
................................................................................................................................... 26
3. Pharmakodynamik des Heranwachsenden ...................................................... 30
3.1 Prinzipien der Arzneimittelwirkungen .....................................................................30
3.2 Wirkungsmechanismen ..........................................................................................31
3.3 Agonisten und Antagonisten ..................................................................................31
3.4 Rezeptoren ............................................................................................................32
3.5 Dosis-Wirkungs-Beziehungen ................................................................................35
3.6 Pharmakodynamische Unterschiede zwischen Heranwachsenden und
Erwachsenen .............................................................................................................. 37
4. Antibiotika ......................................................................................................... 39
4.1 Angriff an der Zellwandsynthese ............................................................................40
4.1.1 Betalactamantibiotika ..........................................................................................40
4.1.1.1 Penicilline .........................................................................................................40
4.1.1.2 Cephalosporine ................................................................................................45
4.1.1.3 Carbapeneme ..................................................................................................49
4.1.1.4 Monobactame ..................................................................................................50
4.1.2 Glykopeptide .......................................................................................................50
4.1.3 Sonstige Antibiotika.............................................................................................52
4.2 Antibakterielle Hemmstoffe der ribosomalen Proteinsynthese ................................53
4.2.1 Aminoglykoside ...................................................................................................53
4.2.2 Tetracycline.........................................................................................................54
4.2.3 Antibiotika der Makrolid-Lincosamid-Streptogramin-Gruppe................................55
4
4.2.3.1 Makrolide .........................................................................................................56
4.2.3.2 Lincosamide .....................................................................................................57
4.2.4 Chloramphenicol .................................................................................................58
4.2.5 Fusidinsäure .......................................................................................................59
4.3 Wirkung auf die Nucleinsäuren ..............................................................................60
4.3.1 Fluorchinolone ....................................................................................................60
4.3.2 Folsäureantagonisten ..........................................................................................62
4.3.2.1 Cotrimoxazol ....................................................................................................62
4.3.3 Metronidazol .......................................................................................................63
4.4 Wirkung an der Zellmembran .................................................................................64
5. Besonderheiten der pädiatrischen Antibiotikatherapie ..................................... 66
5.1. Dosisberechnungen ..............................................................................................66
5.2 Spezielle pharmakologische Aspekte (pharmakokinetische und
pharmakodynamische Wechselwirkungen) ................................................................. 67
5.3 Applikationsformen und Darreichungsformen in der Pädiatrie ................................69
5.4 Wichtigste Präparate im pädiatrischen Alltag .........................................................70
5.5 Aktuelles rund um die wichtigsten Präparate in der Pädiatrie .................................72
6. Diskussion ........................................................................................................ 74
Literaturverzeichnis .............................................................................................. 76
5
Abkürzungsverzeichnis
ATP
Adenosintriphosphat
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
/d
pro Tag
d.h.
das heißt
E
Einheiten
ESBL
Extended-Spectrum-Betalactamasen
g
Gramm
ggfs.
gegebenenfalls
i.v.
intravenös
kg/KG
pro Kilogramm Körpergewicht
LJ
Lebensjahr
LM
Lebensmonat
LW
Lebenswoche
mg
Milligramm
ml
Milliliter
MRSA
Multiresistenter Staphylokokkus aureus
p.o.
per os
u.a.
unter anderem
vgl.
vergleiche
z.B.
zum Beispiel
z.Z.
zur Zeit
6
Glossar
Ductus arteriosus
Gefäßverbindung zwischen Aorta und Truncus
pulmonalis
Eukaryonten
Alle Lebewesen mit Zellkern
Interstitiell
Raum zwischen Körperzellen
Intrathekal
in den Liquorraum appliziert
Intravasal
innerhalb eines Blut,- oder Lymphgefäßes
Konformitätsänderung
Veränderung der räumlichen Struktur
Ligand
Substanz, die rezeptorvermittelt eine Wirkung an der
Zelle vermittelt
Meningitis
Entzündung der Hirnhäute
Mikroorganismus
Organismus, der nicht mit bloßen Auge erkennbar ist
Mortalität
Anzahl der Todesfälle/1000 Individuen
Phagozytose
Aufnahme großer, fester, extrazellulärer Partikel
Plasma
nicht-zellulärer Anteil des Blutes
RAAS
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System
redundant
mehrfach vorkommend/codiert
Serum
nicht-zellulärer Anteil des Blutes, ohne Fibrinogen
Substrat
bindet an Enzym; wird umgewandelt zum Produkt
Unkonjugiertes Bilirubin
indirektes, nicht wasserlösliches Bilirubin
Vaskularisierung
Durchblutung
7
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schematischer Aufbau einer Bakterienzelle (7) ............................... 15
Abbildung 2: Schematische Darstellung verschiedener Bakterienformen (7) ....... 16
Abbildung 3: Schematische Reaktionskette der Arzneimittelwirkung (9) .............. 18
Abbildung 4: Altersabhängigkeit von Gesamtkörperclearance (weiß) und
Gesamtkörpervolumen (schwarz) (11) .......................................................... 28
Abbildung 5: Rezeptorklassen (9) ........................................................................ 33
Abbildung 6: Konzentrations-Wirkungs-Kurven (10)............................................. 35
Abbildung 7: Therapeutische Breite (10) .............................................................. 36
Abbildung 8: Übersicht Angriffspunkte der Antibiotika (7) .................................... 39
Abbildung 9: Antibiotikaverbrauch im internationalen Vergleich (23) .................... 72
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Plasmaproteine (14) ............................................................................ 23
Tabelle 2: Benzylpenicillin .................................................................................... 42
Tabelle 3: Phenoxymethylpenicillin ...................................................................... 42
Tabelle 4: Isoazolylpenicilline ............................................................................... 42
Tabelle 5: Aminopenicilline ................................................................................... 43
Tabelle 6: Alcylaminopenicilline............................................................................ 44
Tabelle 7: Penicilline mit Betalactamase-Hemmer ............................................... 45
Tabelle 8: Parenterale Cephalosporine ................................................................ 47
Tabelle 9: Orale Cephalosporine .......................................................................... 48
Tabelle 10: Carbapeneme .................................................................................... 50
Tabelle 11: Wichtige Vertreter der Fluorchinolone (11,20) ................................... 61
Tabelle 12: Top 10 Antibiotika 2009 (26) .............................................................. 71
Tabelle 13: Antibiotika Gebrauch im europäischem Ausland (27) ........................ 72
9
Zusammenfassung
Das Ziel dieser Arbeit war es Besonderheiten der pädiatrischen
Antibiotikatherapie, insbesondere der pharmakologischen Aspekte näher zu
beleuchten. Zusätzlich liefert die vorliegende Diplomarbeit einen Überblick über
gängige Antibiotika, klassifiziert anhand ihres Wirkmechanismus.
Es wurden zunächst pharmakokinetische Grundbegriffe und die Teilprozesse
(Resorption, Verteilung und Elimination) erläutert ebenso wie
pharmakodynamische Teilgebiete (Agonisten und Antagonisten, Rezeptklassen
und Dosis-Wirkungs-Beziehungen). Des Weiteren wurde versucht, pädiatrische
Besonderheiten, die bei diesen pharmakologischen Betrachtungen existieren,
aufzuzeigen.
Leider sind diese beiden Teilgebiete der pädiatrischen Pharmakologie nicht
Gegenstand vieler Untersuchungen. In der Pharmakokinetik zu beachten sind
beispielsweise veränderte Resorptionsgeschwindigkeiten des Säuglings bei
physiologisch verlängerter Magenpassage, außerdem verursachen die
unterschiedlichen Verhältnisse der anatomischen Kompartimente in Abhängigkeit
vom Alter große Unterschiede im Verteilungsvolumen verschiedener Antibiotika.
Die hepatische Elimination bei Säuglingen ist noch nicht ausgereift. Sie benötigen
oft weitaus weniger Medikamente im Gegensatz zu Kleinkindern. Diese
Altersklasse benötigt häufig eine deutlich höhere Dosis, da ihre
Gesamtkörperclearance im Verhältnis zur Körperoberfläche vergrößert ist.
Pädiatrische Besonderheiten in der Pharmakodynamik sind besonders in der
Rezeptorentwicklung zu finden.
Beim Resümee über gängige pädiatrische Antibiotika wurde besonderes
Augenmerk auf die Kinetik der einzelnen Substanzen und pädiatrische
Dosierungen gelegt. Im weiteren Verlauf wurden außerdem Nebenwirkungen und
Wechselwirkungen der Antibiotika aufgezeigt, die ihren Ursprung in den
Besonderheiten der pädiatrischen Pharmakodynamik und -kinetik haben. Zu
nennen sind hier vor allem das Grey-Syndrom bei Neugeborenen unter
10
Chloramphenicoltherapie, Wachstumsverzögerungen und Dentinschäden unter
Tetracyclinen und Knorpelschäden unter Gyrasehemmern.
Die aktuell zehn häufigsten antibiotischen Medikamente der Pädiatrie in
Deutschland, inklusive aktueller Resistenzen, wurden zuletzt ebenfalls gezeigt.
11
Abstract
The aim of this study is to show the features and problems of pediatric antibiotic
treatment, in particular the pharmacological aspects. In addition, a survey of
common antibiotics is given.
First, some pharmacokinetic fundamental terms including the absorption,
distribution and elimination of a drug, are explained. Equally, the important parts of
pharmacodynamics sciences such as drug-receptor interactions, agonists and
antagonists relations are demonstrated. Unfortunately, the research in this field,
when it comes to children is quite rare. There is a lack of data.
Nevertheless, there are some specific differences between children and grownups that are well known. Throughout slower gastric peristalsis, the absorption of
drugs in babies is affected. Another example is the hepatic elimination of drugs. In
babies it is not fully developed. Therefore, they need less antibiotic drugs. In
contrast to small babies, toddlers need three times a dosage, because their
relation between clearance and body surface is different.
When it comes to pharmacodynamics, differences occur especially in the
development of receptors.
When resuming common pediatric antibiotics, pharmacological specialties are
focused, e. g. pediatric dosages and the drugs’ kinetics. Furthermore, antibiotic
side effects and pharmacological interactions, which are based on pediatric
differences in pharmacodynamics and pharmacokinetics, are pointed out. The
Grey-Syndrome is a popular example, but there are more. Growth retardation and
teeth damage are reported because of tetracycline.
Finally, the ten most frequent antibiotics in Germany are revealed.
12
1. Einleitung
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Gerade im Rahmen der pädiatrischen
Pharmakologie wird diese Problematik deutlich. Ein großer Teil der Medikamente
ist für Erwachsene ausgelegt. Große Tabletten, oder andere für Kinder schwierige
Applikationsformen, sind offensichtliche Hindernisse einer effektiven
Pharmakotherapie. Meist sind die Probleme mit denen Pädiater und Pädiaterinnen
im niedergelassenen und im klinischen Alltag zu kämpfen haben, jedoch weitaus
breiter gefächert und diffiziler. Häufig stellt es sich bereits als schwierig dar, die
richtige Menge eines Medikamentes zu berechnen, da viele der Arzneien nicht in
derart kleinen Dosierungen erhältlich sind. Ferner gilt es bei Kindern immer das
Alter, das aktuelle Körpergewicht und die Körperoberfläche zu berücksichtigen,
weil es im Verlauf der Entwicklung zu enormen Veränderungen u.a. des
Stoffwechsels kommt. Diese beeinflussen auch die Pharmakotherapie
maßgeblich. (1)
Im Kindesalter ist das Immunsystem des Menschen noch nicht vollständig
entwickelt, und bakterielle Infektionen bilden die größte Gruppe der Erkrankungen.
(2) Pädiater und Pädiaterinnen gehören u.a. darum zu den Fachärzten, die am
meisten Antibiotika verschreiben. (3) Oftmals gibt es jedoch Besonderheiten des
kindlichen Organismus, die die pharmakologische Antibiotikatherapie limitieren.
Im Rahmen der Wirkung eines Arzneimittels spielen die Pharmakodynamik und
die Pharmakokinetik eine große Rolle. Diese grundsätzlichen Mechanismen,
sowie pädiatrische Besonderheiten der Pharmakologie, werden in der
vorliegenden Diplomarbeit näher beleuchtet. Ferner wird in diesem Rahmen ein
aktueller Überblick über gebräuchliche Antibiotika in der Pädiatrie geben: mit den
wichtigsten Vertretern, Dosierungen in der Pädiatrie, Wirkmechanismus, Kinetik
und speziellen pädiatrischen Nebenwirkungen.
1.1 Geschichte der Antibiotika
„One sometimes finds what one is not looking for.“ (4) Mit diesem bedeutendem
Statement wurde 1928 von Sir Alexander Fleming eine bahnbrechende
13
Entwicklung in der Medizin angekündigt. Per Zufall entdecke er, dass der Pilz
Penicillium notatum Bakterienwachstum verhindern konnte. Ein
Stoffwechselprodukt des Pilzes, das er hierfür verantwortlich machte, war
Penicillin, das erste Antibiotikum. (4,5) Diese Entdeckung basierte jedoch auf der
Vorarbeit anderer Wissenschaftler aus dem Bereich der Mikrobiologie.
Besonderes wegweisend waren die Entdeckungen von Ignaz Semmelweis, Louis
Pasteur, Jakob Henle, Robert Koch, Emil van Behring und Paul Ehrlich. Ignaz
Semmelweis erkannte bereits 1847, dass er die Mortalität durch Kindbettfieber mit
Hände- und Instrumentendesinfektion in Chlorwasser auf seiner
Entbindungsstation drastisch verringern konnte. (5) Louis Pasteur entwickelte
nach 1857 ein Verfahren, um Bakterienkulturen zu trennen und zu züchten. Jakob
Henle erkannte, dass für das Übertragen einer Krankheit ein bestimmter Stoff
zuständig sein muss.
Robert Koch gelang es 1876 erstmals, einen lebenden Mikroorganismus als
Krankheitserreger nachzuweisen. 1882 wurden die Ergebnisse beider
Wissenschaftler in den sogenannten Henle-Koch-Postulaten festgehalten. (6)
Behring und Ehrlich hingegen erzielten große Erfolge im Bereich der späteren
Chemotherapie. Behring entwickelte 1893 die Serumprophylaxe und Therapie der
Diphtherie und Ehrlich konnte ausgezeichnete Ergebnisse in der Behandlung der
Syphilis erzielen, durch ein von ihm entwickeltes Medikament. (5)
„Will man die Bedeutung der antiinfektiven Therapie ermessen, muss man sich
vergegenwärtigen, dass in früheren Jahrhunderten mehr Menschen durch Pest,
Cholera, Malaria oder Pocken, als durch Kriegseinwirkungen umkamen. Noch zu
Beginn des 20. Jahrhunderts besaß eine schwere bakterielle Infektion kaum eine
größere Heilungschance, als derzeit ein maligner Tumor.“ (5) Diese Aussage
verdeutlicht, wie enorm wichtig die Entwicklungen in der Mikrobiologie und
Pharmakologie für unsere heutige Gesellschaft sind.
14
1.2 Aufbau und Gruppeneinteilung der Bakterien
Um den Wirkmechanismus der verschiedenen Antibiotikaklassen zu erfassen und
Antibiotika gezielt einsetzen zu können, ist es notwendig, mit dem grundlegenden
Aufbau und den Gruppierungen der Bakterien vertraut zu sein.
Abbildung 1: Schematischer Aufbau einer Bakterienzelle (7)
Im Folgenden werde ich mich auf jene speziellen Unterschiede der Eukaryonten
und Prokaryonten konzentrieren, die für die Antibiotikatherapie entscheidend sind.
Bakterien tragen ihre genetische Information auf einem einzigen ringförmigen
Chromosom, dem sogenannten Nukleoid. Meistens handelt es sich um
doppelsträngige DNA. Die Gene liegen aber singulär und nicht wie bei
menschlichen Zellen redundant vor, d.h. Mutationen können weitaus schwieriger
repariert werden. Des Weiteren haben Prokaryonten keinen Zellkern. Ihre DNA
liegt ungeschützt vor. Aus Platzgründen wird diese DNA auch geknäult. Dies
geschieht durch Gyrasen. Bei Eukaryonten übernimmt die Topoisomerase II diese
Aufgabe. Ebenfalls wichtige Elemente der Bakterien sind die Plasmide. Diese
extrachromosomalen DNA-Ringe, die bei Eukaryonten nicht existieren, spielen
eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Antibiotikaresistenzen. Ein
weiterer großer Unterschied liegt in den Ribosomen. Bei Prokaryonten sind es
15
70S-Ribosomen mit einer 50S- und 30S-Untereinheit und bei Eukaryonten sind es
80S-Ribosomen mit einer 40S- und einer 60S-Untereinheit. Wandert man noch
weiter nach außen, liegen weitere wichtige Unterschiede, die für die Antibiotika
relevant sind, in der Zytoplasmamembran. Die Zytoplasmamembran der
Prokaryonten enthält kein Cholesterin, wie die der Eukaryonten. Sie stellt eine
selektive Permeabilitätsmembran dar, die äußerst wichtig für die Osmolarität der
Zelle ist. Außerdem ist sie im Gegensatz zu der Zytoplasmamembran der
Eukaryonten der Ort der Energieproduktion, der bei den eukaryontischen Zellen in
Mitochondrien zu finden ist. Bakterien besitzen aber keine Mitochondrien. In enger
Beziehung zur Zytoplasmamembran steht die für Prokaryonten typische Zellwand,
die aus Peptidoglykan (= Murein) aufgebaut ist. Enzyme, die für den Aufbau der
Zellwand verantwortlich sind, kommunizieren mit der Zytoplasmamembran. Diese
Enzyme nennt man Transpeptidasen. Die Zellwand ist enorm wichtig für die
Stabilität und das Überleben der Bakterienzelle. In der Zelle herrscht Überdruck.
Bestehen Schäden oder Unregelmäßigkeiten in der Zellwand, platzt die Zelle. (7)
Eine Einteilung der Bakterien orientiert sich meist an ihrer äußeren Form.
Abbildung 2: Schematische Darstellung verschiedener Bakterienformen (7)
16
Vereinfacht lassen sich drei große Gruppen der Bakterien unterscheiden: die
Kokken, die Stäbchen und eine dritte sehr heterogene Gruppe, die Schrauben.
Kokken sind kugelförmig und können sehr unterschiedlich miteinander verbunden
sein. Bei den Stäbchen ist „die Peptidoglykanschicht gestreckt“ (7) und bei den
Schrauben sind Kurven eingebaut. (7,8)
Es gibt auch andere Kriterien, um Bakterien einzuteilen. Für die Antibiotikatherapie
von Bedeutung ist noch die Gramfärbung. Diese Methode, um Bakterien zu
differenzieren, wurde 1884 von dem dänischen Arzt Hans-Christian Gram
veröffentlicht. In einem ersten Arbeitsschritt werden Bakterien blau eingefärbt.
Danach werden sie gewaschen und es wird ein weiteres Mal gefärbt, diesmal
jedoch mit einem roten Farbstoff. Die Bakterien erscheinen unter dem Mikroskop
rot (Gram-negativ) oder blau-violett (Gram-positiv). Diese unterschiedliche
Fähigkeit Farbe aufzunehmen, lässt sich durch die unterschiedlichen Strukturen
der Zellwand erklären. Gram-positive Bakterien haben eine weitaus dickere
Mureinschicht als Gram-negative und besitzen keine äußere Membran. Durch
genau diese dickere Schicht lässt sich bei Gram-positiven der erste blaue
Farbstoff, im Gegensatz zu Gram-negativen, nicht mehr auswaschen. (7,8)
1.3 Altersstufen des Heranwachsenden
Im weiteren Verlauf meiner Diplomarbeit werde ich auf pharmakokinetische und
pharmakodynamische Besonderheiten in Abhängigkeit von den verschiedenen
Altersklassen eingehen. Daher möchte ich diese Altersklassen vorab definieren:
Neugeborener: Geburt bis erster Lebensmonat
Säugling: erster Lebensmonat bis erstes Lebensjahr
Kleinkind: erstes bis sechstes Lebensjahr
Schulkind: bis einschließlich Adoleszenz (2)
17
1.4 Ablauf einer Arzneimittelreaktion
Die Abbildung drei zeigt den grundsätzlichen Ablauf einer Arzneimittelreaktion. Sie
zeigt das Zusammenspiel der Galenik, der Pharmakokinetik und der
Pharmakodynamik bei der Aufnahme eines Pharmakons. Sowohl die
Pharmakokinetik, wie auch die Pharmakodynamik bestehen aus vielen weiteren
Teilprozessen, die in den folgenden Kapiteln näher erläutert werden. (9)
Abbildung 3: Schematische Reaktionskette der Arzneimittelwirkung (9)
18
2. Pharmakokinetik des Heranwachsenden
„Die Pharmakokinetik beschreibt, was der Organismus mit einem Arzneimittel
macht. Genauer betrachtet, befasst sich die Pharmakokinetik mit
Konzentrationsänderungen von Arzneimitteln im Organismus in Abhängigkeit von
der Zeit.“ (10)
Pharmakokinetische Prozesse beim Kind sind auch heutzutage noch wenig
erforscht, obwohl sie im klinischen Alltag enorm wichtig sind. Verminderte
Säureproduktion, ein anderes Verhältnis des Extrazellulärraums zum
Gesamtkörpervolumen und eine altersabhängige Gesamtkörperclearance sind nur
einige pharmakokinetische Aspekte, die in der pädiatrischen Pharmakotherapie
bedacht werden müssen. Weitere Erklärungen folgen in Kapitel 2.5.(11)
2.1 Grundbegriffe der Pharmakokinetik
Wie bereits erwähnt, befasst sich die Pharmakokinetik mit Konzentrationen bzw.
Konzentrationsänderung von Wirkstoffen in Abhängigkeit von der Zeit. Um
pharmakokinetische Prozesse adäquat beurteilen und vergleichen zu können, gilt
die Annahme, dass der Organismus als offenes bzw. Fließsystem aufgefasst wird,
das in einem ständigen Energie- und Stoffaustausch mit der Umgebung steht. (12)
Pharmakokinetik umfasst die Prozesse der Resorption, der Verteilung, des
Metabolismus (= Biotransformation) und der Elimination. (13) Unterschiedliche
Konzentrationen eines Medikamentes können entstehen, wenn körpereigene
Abläufe beeinflusst werden, z.B. durch die: „ (...) Arzneiform und die verwendeten
Hilfsstoffe, Art und Ort der Applikation, Resorbierbarkeit und die
Resorptionsgeschwindigkeit, Verteilung im Organismus, Bindung und Lokalisation
im Gewebe, die Biotransformation und die Ausscheidbarkeit bzw.
Ausscheidungsgeschwindigkeit.“ (12)
Um sich adäquat mit der Pharmakokinetik verschiedener Medikamente und
verschiedener Altersklassen auseinander zu setzen, ist es notwendig, vorab einige
Begrifflichkeiten zu definieren:
19
Der Blutspiegel eines Pharmakons wird beschrieben durch eine Kurve, die
definiert ist durch die Konzentration eines Wirkstoffes im Blut in Abhängigkeit von
der Zeit. Die Steigung des Paragraphen ist die Resorptionsgeschwindigkeit.
Die Halbwertszeit einer Arznei ist jene Zeit, in der sich die Konzentration des
Substrates halbiert hat. Sie ist nicht gleichzusetzen mit der Wirkdauer und ist
meistens konzentrationsunabhängig. (10,14)
Die Wirkdauer eines Medikaments umfasst den Zeitraum vom Beginn bis zum
Ende der Wirkung eines Medikamentes und kann unabhängig von der temporären
Konzentration des Wirkstoffes im Blut sein. (10,14)
Ein weiterer wichtiger Begriff ist die sogenannte AUC (area under the curve).
Heutzutage ist es möglich, durch verschiedene Aufbereitungen fast alle Wirkstoffe
in jeder Galenik anzubieten. Die Stoffmenge, die dabei resorbiert wird, variiert
jedoch stark und wird durch die AUC repräsentiert. Der Begriff der
Bioverfügbarkeit steht hiermit im engen Zusammenhang und gibt an, wie viel eines
nicht intravenös-applizierten Wirkstoffes im Kreislauf ankommt. (10,14)
Außerdem zu erläutern ist das Verteilungsvolumen, der First-Pass-Effekt und die
Plasmaproteinbindung:
Das Verteilungsvolumen „ist eine fiktive Größe“ (10). Es gibt an, wie stark sich
eine Arznei im menschlichen Körper verteilt und anreichert. Ist das
Verteilungsvolumen größer als das Körpervolumen, wird die Arznei in
unterschiedlichen Körpergeweben gespeichert. Näheres hierzu in Kapitel 2.3.
Der First-Pass-Effekt entsteht durch den enterohepatischen Kreislauf: ein oral
appliziertes Substrat verliert bereits einen großen Teil seiner Potenz, bevor es in
den Kreislauf gelangt, durch Metabolisierung in der Leber. Arzneimittel sind nur
wirksam, wenn sie im Körper frei, d.h. ungebunden vorliegen. Zumeist binden
Arzneien jedoch an körpereigenen Plasmaproteinen, v.a. Albumin. Hierdurch wird
zum einen eine Transport- zum anderen aber auch eine Art Depotfunktion
gewährleistet. Wie hoch die Plasmaproteinbindung eines Wirkstoffes ist, hängt von
diversen unterschiedlichen Faktoren ab (z.B. Dosis, Anwesenheit anderer
Medikamente und Hypalbuminämie). (10,14)
20
2.2 Resorption
Resorption umfasst alle Prozesse, die für einen Anstieg der Konzentration eines
Wirkstoffes innerhalb des Körpers sorgen. Sie beinhaltet die primäre Aufnahme
eines Substrates von Körperoberflächen (wie z.B. der Haut aber auch des MagenDarm-Traktes), ebenso wie die weitere Verteilung im Kreislauf des Menschen
durch verschiedene Transportprozesse. (12,13)
Arzneien können u.a. über die (Mundschleim-)Haut, die Muskeln, intravenös,
pulmonal, nasal, intrathekal, rektal und den Magen-Darm-Trakt in den Körper
aufgenommen werden. Je nach Applikationsort beziehungsweise Art und Weise
müssen verschiedene Grenzen überwunden werden, bis das Pharmakon an
seinem Wirkort aktiv werden kann. Meist werden diese Grenzen von der
Biomembran der Zellen, der sogenannten Doppellipidschicht, gebildet. Es gibt
verschiedene Resorptionsmechanismen in Abhängigkeit von den chemischen
Eigenschaften einer Arznei. Unterschieden werden aktive und passive Transporte.
Aktive Transporte verbrauchen Energie in Form von ATP.
Die Diffusion entlang eines Konzentrationsgradienten ist für lipophile Moleküle bis
zu einer bestimmten Größe, die Eintrittspforte in die Zelle. Kleinere hydrophile
Moleküle gelangen durch selektive Poren in die Zelle. Diese beiden
Transportprozesse verlaufen passiv. Ein weiterer passiver Transport ist die
erleichterte Diffusion. Hier wird die biologische Membran mittels eines Carriers
überwunden, folgt aber trotzdem auch einem Konzentrationsgradienten. (10,12–
14)
Bei den aktiven Transportprozessen wird zwischen einem primär und einem
sekundär aktiven Transport unterschieden. Primär aktive Transporte benötigen
direkt Energie, sekundär aktive benötigen die Energie zum „Aufbau eines
Konzentrationsgefälles.“
Große Moleküle erreichen das Zellinnere, indem sie phagozytiert werden. (10,12–
14)
Unabhängig vom Resorptionsmechanismus ist der Ort der Applikation ebenfalls
entscheidend für die Resorptionsgeschwindigkeit und -quote. Eine Applikation
über die Mundschleimhaut zeigte einen guten Effekt bei lipophilen, nicht
ionisierten, leicht resorbierbaren Stoffen, jedoch ist die Resorptionsfläche gering.
21
Bei parenteralen Applikationen (z.B. Injektionen in den Muskel oder die Haut) ist
der Effekt stark abhängig von der Vaskularisierung des Gewebes. Die
Applikationslokalisation „Haut“, weist eine geringere Resorptionsquote als die der
Schleimhaut auf. An der Haut wird die Resorptionsbarriere durch das Stratum
corneum gebildet, das sehr schlecht vaskularisiert ist. Ihre Bedeutung liegt
deshalb in dieser Resorptionsbarriere begründet, weil das Stratum corneum auch
als Speicher fungieren und deshalb transdermale therapeutische Systeme (z.B.
Fentanyl-Wirkstoffpflaster oder hormonellen Kontrazeptiva) angewendet werden
können. Rektale Applikationen haben den vermeintlichen Vorteil, dass der FirstPass-Effekt größtenteils umgangen wird, da das Blut direkt in die Vena cava
inferior gelangt. Jedoch lassen sich hier sehr starke intra- und interindividuelle
Unterschiede finden und die Resorptionsquote ist zumeist niedriger als bei
peroraler Applikation. Die perorale Applikation ist die Wichtigste, da sie am
einfachsten und am häufigsten angewendet wird. Beinahe jede Arznei ist in einer
Galenik herstellbar, die eine perorale Applikation erlaubt. Zumeist findet die
Resorption im Bereich der Dünndarmzotten statt. Durch diese Zotten ist die
resorbierende Oberfläche hier am größten. Die Resorptionsgeschwindigkeit hängt
vom Füllungszustand des Magens ab, da die Magensäure und allgemein die
Dauer der Magenpassage einen großen Einfluss auf die Arznei haben können.
(12,13)
Abgesehen von den möglichen Resorptionsmechanismen, die durch die
chemischen Eigenschaften eines Stoffes determiniert sind, und dem
Applikationsort, wird die Resorption außerdem maßgeblich beeinflusst durch:
 die Arzneiform
 die verwendeten Hilfsstoffe
 die Dosierung
 die Kontaktzeit mit der Resorptionsfläche
 die Größe der resorbierenden Fläche
 den pH-Wert im Bereich der resorbierenden Areale
 die Integrität der Membranen
22
 die Durchblutung des resorbierenden Organs“ (13)
2.3 Verteilung
„Unter der Verteilung eines Arzneistoffes versteht man dessen reversiblen
Substanztransport von einem Teil des Organismus in einen anderen, unter dem
Verteilungsgleichgewicht den Zustand konstanter Konzentrationsverhältnisse in
den verschiedenen Teilen des Körpers.“ (12)
Die Verteilung eines Pharmakons schließt sich, wie in Abbildung drei bereits
gezeigt, der Resorption an. Es verteilt sich nach erfolgreicher Resorption meist
intravasal gebunden an Plasmaproteine. Die wichtigsten Plasmaproteine sind
Albumin und saure Alpha1-Glykoproteine. Gebundene Pharmaka weisen eine
erhöhte Löslichkeit im intravasalen und interstitiellen Raum auf. Veränderungen
der Konzentration von Plasmaproteinen spielen somit eine entscheidende Rolle
für die Verteilung von Pharmaka. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über
verschiedene Ursachen einer verminderten bzw. vermehrten Konzentration von
Albumin und saurem alpha-1-Glykoprotein.
Albumin erniedrigt
Saures Alpha-1-Glykoprotein erhöht
Unterernährung
Rheumatoide Arthritis
Leberzirrhose
Morbus Crohn
Verbrennungen
Akuter Myokardinfarkt
Nephrotisches Syndrom
Verbrennungen
Niereninsuffizienz
Infektionskrankheiten
Hyperthyreose
Fettsucht
Albumin erhöht
Saures alpha-1-Glykoprotein erniedrigt
Orale Kontrazeptiva
Hypothyreose
Leberzirrhose
Tabelle 1: Plasmaproteine (13)
23
Der Anteil an gelöstem zu gebundenem Pharmakon wird aber ebenfalls durch die
Anwesenheit von anderen Substanzen beeinflusst, sowohl körpereigene wie auch
-fremde. (13) Bei einem Großteil der heutigen Arzneien ist es aber so, dass sie
ihren pharmakologischen Effekt erst erzielen können, wenn sie ungebunden
vorliegen, frei diffundieren und weiter verstoffwechselt werden können. (12)
In weiterer Folge entsteht ein Konzentrationsgradient, entlang dessen das
Arzneimittel ins umgebende Gewebe diffundiert: den interstitiellen Raum und
zuletzt in den intrazellulären Raum. (9,12,13)
Sowohl der Organismus, als auch das Pharmakon beeinflussen das entstehende
Verteilungsgleichgewicht zwischen den einzelnen anatomischen Räumen. Große
Unterschiede zwischen den pH-Werten, die Durchlässigkeit der Membranen und
die Vaskularisierung der Organe beeinträchtigen die Verteilung ebenso wie
Molekülgröße und chemische Eigenschaften der Arznei. (9,12,13)
2.4 Elimination
Die Elimination eines Pharmakons erfolgt über den Abbau (Metabolismus) oder
die direkte Ausscheidung. Ob ein Pharmakon zunächst metabolisiert wird oder
direkt über die Nieren mit dem Harn ausgeschieden werden kann, hängt von
seinen chemischen Eigenschaften ab. Hydrophile Pharmaka können direkt
ausgeschieden werden (renale Elimination). Lipophile Arzneien müssen erst
weiter verarbeitet werden, um wasserlöslich zu werden, da sie sonst im
Tubulussystem der Nieren rückresorbiert werden würden. (9,10,12)
Die Metabolisierung, oder auch Biotransformation, eines Stoffes findet in der
Leber und zu einem kleinen Anteil in der Darmschleimhaut statt. Es werden zwei
Reaktionen unterschieden: die nicht-synthetische Phase-I Reaktion und die
synthetische Phase-II Reaktion. (9,10,12)
Phase-I Reaktionen beinhalten die Einführung oder Freilegung sogenannter
funktioneller Gruppen, wie z.B. Hydroxyl-, Amin-, Sulfhydryl- oder
Carboxylgruppen. Phase-I-Reaktionen sind katabol und beinhalten Oxidationen,
Reduktionen, Hydrolysen, Desaminierungen und Dealkylierungen. Meist sind
katalysierende Enzyme aus der Cytochrom P-450-Familie beteiligt. Produkte
24
dieser Reaktionen können entweder ausgeschieden werden oder müssen in
einem weiteren Schritt, den Phase-II-Reaktionen, weiter verarbeitet werden.
Heutzutage sind sehr viele Untergruppen aus dem Bereich der CYP-Enzyme
bekannt. Viele Arzneiwechselwirkungen lassen sich auf Interaktionen des
Pharmakons mit verschiedenen CYP-Enzymen zurückführen. Es gibt Arzneien,
die die Aktivität einzelner Enzyme hemmen oder sie verstärken können. Dies kann
sich im weiteren Verlauf auf die Pharmakokinetik anderer Substanzen auswirken.
(9,10,12)
Bei Phase-II Reaktionen werden Pharmaka oder Stoffwechselprodukte aus
Phase-I Reaktionen mit körpereigenen Stoffen konjugiert. „Wichtige Phase-IIReaktionen sind die Glucuronidierung, Sulfatierung, Methylierung, Acetylierung
und die Konjugation mit Aminosäuren oder Glutathion.“ (9) Die beteiligten Enzyme
werden Transferasen genannt. Die wichtigsten sind: Glucuronyl-, N-Acetyl-, Sulfound Methyltransferasen. (9,10,12)
Ein Sonderfall der Metabolisierung ist die Bioaktivierung. Hierbei entstehen durch
die ablaufenden biochemischen Prozesse erst wirksame Metaboliten einer
Ausgangssubstanz oder die unwirksame Ausgangssubstanz wird wirksam. Bei
letzterem spricht man von sogenannten Prodrugs. (9,10,12)
Im Anschluss an die Metabolisierung können die entstandenen hydrophilen
Substanzen ausgeschieden werden. Dies geschieht meist renal mit dem Harn,
aber auch Leber, Darm und Lunge können beteiligt sein. (9)
Diese Ausscheidungsfunktion des Körpers kann berechnet werden und mit einem
(fiktiven) Volumen angegeben werden, der sogenannten totalen Clearance. Sie
beschreibt „ein Volumen einer Kreislaufflüssigkeit in Millilitern, welches in der
Zeiteinheit (pro Minute) durch die Funktion aller Ausscheidungsorgane von einem
Arzneistoff befreit wird.“ (10) Die totale Clearance beinhaltet neben der
hepatischen und der renalen Elimination auch alle anderen Ausscheidungswege.
Unter Kenntnis der renalen und der totalen Clearance, lässt sich auch der FirstPass-Effekt eines Arzneimittels berechnen. (10)
25
2.5 Pharmakokinetische Unterschiede zwischen Heranwachsenden und
Erwachsenen
„Die Pharmakokinetik beim Kind ist nur unzureichend bekannt. Auch wenn große
Bemühungen unternommen werden hier Abhilfe zu schaffen, trifft für Kinder der
Begriff der therapeutic orphans (therapeutische Waisenkinder) zu.“(11)
Einige pharmakokinetische Besonderheiten sind jedoch belegt und von
therapeutischer Relevanz. Als ersten Teilprozess der Pharmakokinetik ist die
Resorption zu nennen. Hier zeigte sich, dass Neugeborene eine verminderte
Säureproduktion haben, obwohl Belegzellen von Geburt an vorhanden sind. Bei
Frühgeborenen ist dies noch stärker ausgeprägt. Ein erhöhter pH-Wert im Magen,
durch verminderte Wasserstoffionensekretion und häufiges Füttern, beeinflusst in
weiterer Folge die Stabilität und den ionisierten Anteil eines Pharmakons.
Normwerte werden erst im Alter von drei Jahren erreicht. Die Dauer der
Magenpassage ist bis zum sechsten Monat verzögert und die
Gallensäuresekretion ist ebenfalls stark vermindert. Die Magendarmschleimhaut
weist jedoch eine erhöhte Permeabilität auf, sodass hier eine gesteigerte
Resorption stattfinden kann. (11,15) Eine weitere Besonderheit bei der intestinalen
Resorption ist der offene Ductus venosus bei Neugeborenen: durch die
bestehende Verbindung zwischen Pfortader und Vena cava inferior, wird der FirstPass-Effekt weitgehend umgangen. Aus dem Zusammenspiel der genannten
Faktoren, ergibt sich für einige Medikamente eine bessere und für andere
Medikamente eine verschlechterte intestinale Resorption. (11,15)
Bei den Applikationsarten ist zu beachten, dass in den ersten drei Lebenswochen
eine intramuskuläre Injektion gänzlich kontraindiziert ist. Eine weitere Auffälligkeit
bietet sich bei der Applikation über die Haut. Wie in Kapitel 2.2 erwähnt, bildet das
Stratum corneum die größte Barriere bei Applikationen auf der Haut, da sie sehr
schlecht vaskularisiert ist. Bei Kindern ist diese Hautschicht aber noch sehr gering
ausgeprägt, sodass die Resorption von Arzneistoffen durch die Haut bei Früh- und
auch bei Neugeborenen gesteigert ist. Dies kann zwar von therapeutischem
Nutzen sein, birgt aber ebenfalls die Gefahr von Intoxikationen. (11,13)
26
Weitere Unterschiede finden sich im Bereich der Verteilung bzw. des
Verteilungsvolumens. Die Größe des Extrazellulärraums unterliegt hohen
altersabhängigen Schwankungen. Beim Frühgeborenen macht sie ca. 50 % des
Gewichtes aus. Dieser Anteil nimmt jedoch stetig bis ins Erwachsenenalter ab auf
ca. 20-25 %. Umgekehrt verhält es sich mit der Fett- und Muskelmasse bei
Kindern. Der Fettgehalt eines Neugeborenen steigt von ca. 3% auf 18% beim
Erwachsenen. (11) Hierdurch kommt es zu starken Veränderungen im Bereich des
Verteilungsvolumens und somit der individuellen Sättigungs- und Erhaltungsdosis
eines Medikaments für eine bestimmte Altersgruppe. Ebenfalls zu berücksichtigen
sind geschlechterspezifische Unterschiede in der Körperzusammensetzung. (15)
Folgende Regeln für pharmakokinetische Betrachtungen im pädiatrischen Alltag
ergeben sich so: „ (...) um bei Kindern therapeutische Plasmaspiegel zu erreichen,
müssen die Arzneistoffe bezogen auf das Körpergewicht bei Therapiebeginn
höher als bei Erwachsenen dosiert werden. Das relativ große Verteilungsvolumen
führt außerdem zu einer Verlängerung der Plasmahalbwertszeit (lange
Dosierungsintervalle beachten!).“ (11)
Des Weiteren sind die Plasmaeiweißbindung und die Konzentration der
Plasmaproteine in der Neugeborenenperiode verringert. Die Plasmaeiweißbindung
ist verändert, da bei Neugeborenen der Anteil an unkonjugiertem Bilirubin höher
ist, als in späteren Lebensabschnitten. Das unkonjugierte Bilirubin konkurriert mit
den Pharmaka um die Plasmaproteine. Hieraus resultiert ein erhöhter Anteil an
ungebundenem Arzneistoff, der biologisch schneller wirksam werden kann.
(11,15)
Der letzte Teilprozess der Pharmakokinetik, die Elimination, weist ebenfalls große
Unterschiede im direkten Vergleich zwischen Erwachsenen und Kindern auf. Die
Gesamtkörperclearance, d.h. die renale aber auch die hepatische Elimination,
unterliegt starken altersabhängigen Schwankungen. Abbildung vier
veranschaulicht dies: die Gesamtkörperclearance ist weiß, das
Gesamtkörpervolumen schwarz dargestellt. Zu erkennen ist, dass beim
Neugeborenen „das Verteilungsvolumen für die meisten Arzneistoffe groß, der
hepatische Metabolismus und die renale Exkretion gering sind. Daraus resultiert
eine niedrige Gesamtkörperclearance. Die hohe Gesamtkörperclearance vom
27
ersten Monat bis zum zehnten Lebensjahr ist auf die im Vergleich zum
Erwachsenen gesteigerte Funktion von Leber und Niere zurückzuführen.“ (11)
Abbildung 4: Altersabhängigkeit von Gesamtkörperclearance (weiß) und
Gesamtkörpervolumen (schwarz) (11)
Die hepatische Elimination beinhaltet, wie in Kapitel 2.4 erklärt, Phase I und Phase
II Reaktionen. Für Phase I-Reaktionen benötigt der Körper Enzyme aus der
Familie der CYP-450-P-Emzyme. Untersuchungen haben gezeigt, dass Früh-und
Neugeborene andere CYP-Enzyme exprimieren als Erwachsene. Im Rahmen der
Phase-II Reaktionen sind besonders die Glukuronyltransferasen betroffen, da
diese bei Frühgeborenen nur marginal nachzuweisen sind. (11–13) Die insgesamt
erhöhte Biotransformation für Kinder zwischen dem ersten bis achten Lebensjahr,
ist wahrscheinlich auf die Relation von Leber- zu Körpergewicht zurückzuführen.
(12) „Dieser komplexe Verlauf macht eine Anpassung der Erhaltungsdosis von
Arzneistoffen, die in der Leber metabolisiert werden, erforderlich. Während der
Früh- und Neugeborene nur einen Bruchteil der Erwachsenen-Erhaltungsdosis
bezogen auf das Körpergewicht benötigt, muss dem Kleinkind häufig eine höhere
Dosis als dem Erwachsenen verabreicht werden.“ (11) Dies ist der sogenannte
Toddler-Overshoot. (15)
Die renale Elimination ist ebenfalls durch die Unreife des Organs betroffen. Die
Nierenglomeruli eines Neugeborenen sind häufig bei Geburt noch nicht komplett
an das Tubulussystem angeschlossen. So weisen Säuglinge eine Kreatinin-
28
Clearance von 10 ml/min auf. Erwachsene im Vergleich dazu 120 ml/min. (12)
Dies gleicht sich jedoch meist bis zum Ende des ersten Lebensmonats an. Ab
dem fünften Lebensmonat bis ca. zum achten bis zehnten Lebensjahr, ist sogar
eine erhöhte renale Clearance zu finden. (11)
29
3. Pharmakodynamik des Heranwachsenden
Die Pharmakodynamik ist, wie die Pharmakokinetik auch, als Teilgebiet der
Pharmakologie anzusehen. Sie beschreibt alle biochemischen und
physiologischen Wirkungen der Arznei auf den Körper. (10,12,13)
„Pharmakodynamische Untersuchungen befassen sich dementsprechend mit der
Art (Wirkprofil, Wirkqualität) und dem Ort der Wirkung, der Wirkstärke (Potenz)
und der Wirksamkeit (Effektivität).“ (12)
3.1 Prinzipien der Arzneimittelwirkungen
Medikamente im menschlichen Organismus können unterschiedliche Zwecke
erfüllen. Sie sollen „ (...) Krankheiten heilen, lindern oder verhüten, körpereigene
Wirkstoffe ersetzen, Krankheitserreger oder körperfremde Stoffe beseitigen,
Funktionen des Körpers und der Psyche beeinflussen oder zur Diagnostik
verwendet werden.“(10) Idealerweise greifen sie selektiv an ihren Zielmolekülen,
meist Proteinen (sogenannte Targets), an. Diese Targets können
Membranrezeptoren, Ionenkanäle, Transport, Enzyme, Strukturproteine oder
Transkriptionsfaktoren sein. (12)
Je höher die Spezifität eines Pharmakons, desto seltener werden unerwünschte
Nebenwirkungen auftreten. Wünschenswert wäre eine Wirkung nur an bestimmten
Zelltypen, an einem eindeutigen Zielmolekül und eine hohe Affinität zwischen
Ligand und Zielmolekül. Leider werden diese Eigenschaften nur sehr selten
vollständig erfüllt, da die Zielmoleküle oft in unterschiedlichen Organsystemen zu
finden sind. Hieraus lassen sich weitere (unerwünschte) Wirkungen ableiten.
Damit ein Arzneimittel zugelassen werden kann, müssen u.a. die erwünschten
Wirkungen die unerwünschten Wirkungen immer deutlich überwiegen. Häufig
werden verschiedene Zielmoleküle von mehreren Substanzgruppen
angesprochen, die gemeinsame Strukturelemente aufweisen. Diese werden
pharmakophore Gruppen genannt. (10,12,13)
30
3.2 Wirkungsmechanismen
Pharmaka können auf unterschiedlichen Wegen, in die biochemischen und
physiologischen Prozesse des Körpers eingreifen. Grundsätzlich kann eine
körpereigene Substanz ersetzt werden durch ein Pharmakon, das am selben
Wirkort angreift oder als Vorstufe eines solchen erst nach Biotransformation im
Körper aktiv wird. Außerdem kann der Abbau eines körpereigenen Stoffes, sowie
die Synthese gehemmt werden. Eine Inaktivierung des Abbaus körpereigener
Stoffe ist ebenfalls möglich, hierdurch können körpereigene Wirkstoffe vermehrte
Effekte erzielen. (10)
Auf biochemischer Ebene bedeutet dies: Enzyme werden aktiviert und gehemmt.
Ebenso können membranständige und nukleäre Rezeptoren stimuliert oder
blockiert werden. Arzneistoffe beeinflussen spannungsabhängige oder ligandengesteuerte Ionenkanäle ebenso wie die Gentranskription. Transmembranäre und
intrazelluläre Transporter können ebenfalls in ihrer Aktivität durch Medikamente
manipuliert werden. Ferner kann die gesamte Biosynthese in Mikroorganismen
gestört werden, dieser Wirkmechanismus ist besonders für die antiinfektive
Therapie von Bedeutung. Durch die mannigfaltigen Angriffspunkte können
verschiedene Pharmaka sich in ihren Wirkungen verstärken, aber auch behindern.
(13)
3.3 Agonisten und Antagonisten
Im Anschluss an die Verteilung im Körper kommt es zur Bildung eines
Pharmakon-Rezeptor-Komplexes. Nur so kann eine Arznei im Körper wirksam
werden. Die verschiedenen Rezeptoren werden im nächsten Abschnitt erläutert.
Zunächst ist es wichtig die Begriffe Agonisten und Antagonisten zu definieren.
Pharmaka können körpereigene Stoffe nachahmen. Sie können an Rezeptoren
binden und sie unter Umständen sogar stimulieren oder hemmen. „Die Fähigkeit
eines Pharmakons, nach der Bildung des Komplexes eine Wirkung auszulösen,
wird meist als intrinsic activity bezeichnet.“(12) Agonisten binden an Rezeptoren
und stimulieren diese, sodass eine nachweisbare Wirkung zu verzeichnen ist.
Antagonisten hingegen binden an Rezeptoren, aber verhindern eine
31
physiologische Wirkung bzw. vermindern deren Effekt. Bei Agonisten wird in
Abhängigkeit von der sogenannten relativen intrinsischen Aktivität (Quotient aus
ausgelöster Wirkung und maximal möglicher Wirkung im menschlichen Körper)
unterschieden zwischen vollen und partiellen Agonisten. Volle Antagonisten
weisen eine relative intrinsische Aktivität von 1 auf, partielle kleiner 1. (10,12)
Antagonisten lassen sich in folgende Subtypen unterteilen:
 kompetitive
 nicht-kompetitive und
 funktionelle Antagonisten.
Kompetitive Antagonisten binden wie volle Agonisten an den Rezeptor. Ihnen fehlt
aber die intrinsische Aktivität, sodass es zu keiner Wirkung kommen kann. Sowohl
volle Agonisten und kompetitive Antagonisten konkurrieren um eine gemeinsame
Bindungsstelle am Rezeptor. In Abhängigkeit von den jeweiligen Konzentrationen
beider Substanzen kommt es zu unterschiedlich stark ausgeprägten Effekten.(12)
Nicht-kompetitive Antagonisten binden im Gegensatz dazu an einer anderen
Bindungsstelle des Rezeptors als Agonisten. Trotzdem wird eine stimulierende
Wirkung des Agonisten hier verhindert, da es zu einer Konformitätsänderung des
Rezeptors kommt.
Als letztes sind funktionelle Antagonisten zu nennen. Hier kommt es nach
Stimulation zweier Effekte zu einer Hemmung der Wirkungen, da beide Wirkungen
entgegen gesetzt arbeiten. (12)
3.4 Rezeptoren
Pharmakologische Rezeptoren sind Reaktionspartner. Zumeist handelt es sich um
Proteine, die membranständig, intra- oder extrazellulär eine biologische Wirkung
erzielen können. Sie gehen mit einer Arznei eine Bindung ein, sodass im weiteren
Verlauf direkt oder indirekt die pharmakologische Wirkung erfolgt. „Einem
pharmakologischen Rezeptor kommt somit eine duale Funktion zu: die
Signalerkennung durch Wechselwirkung mit dem Pharmakon unter Bildung des
Pharmakon-Rezeptor-Komplexes und die Auslösung eines entsprechenden
32
Effekts.“ (12) Eine Bindung an den Rezeptor, kann biologische Prozesse
stimulieren, dann wird von einem sogenannten Agonisten oder Aktivator
gesprochen. Wird eine Reaktion hingegen unterdrückt, spricht man von einem
Antagonisten bzw. Inhibitor. (10,12)
Es gibt verschiedene Arten von Rezeptoren, die Wichtigsten im
pharmakologischen Alltag sind:
 Liganden-gesteuerte Ionenkanäle
 Spannungsabhängige Ionenkanäle
 G-Protein-gekoppelte Rezeptoren
 Rezeptoren mit Enzymaktivität
 Proteinsynthese regulierende Rezeptoren. (10)
Abbildung 5: Rezeptorklassen (9)
Den ersten vier Rezeptoren gemein ist ihr membranständiger Sitz, wie in
Abbildung sechs zu erkennen ist. Die Proteinsynthese regulierende Rezeptoren
befinden sich zumeist intrazellulär. (10)
33
Liganden-gesteuerte Ionenkanäle, auch ionotrope Rezeptoren genannt, sind
Proteine, die sich meist aus fünf Untereinheiten zusammensetzen. Durch ihren
Aufbau bilden sie einen Kanal durch die Doppellipidschicht. Bindet ein spezifischer
Ligand an den Rezeptor, kommt es zur Konformitätsänderung des Rezeptors. Er
kann sich verschließen oder öffnen. Öffnet der Kanal sich, ist er selektiv
permeabel für bestimmte Ionen, die sich nun frei entlang des
Konzentrationsgradienten verteilen können. Die Anzahl an Kanälen sowie die
Öffnungsdauer sind hier Determinanten des Ionenflusses. Umgekehrt kommt es
bei einem Verschluss des Kanals zu einem verminderten Ionenfluss. In Abbildung
fünf wird diese Rezeptorart unter zwei repräsentiert. (9,10,12)
Spannungsabhängige Ionenkanäle funktionieren ähnlich, jedoch ist bei ihnen eine
Änderung des Membranpotentials Auslöser weiterer Reaktionen. Reaktionen an
Ionenkanälen verlaufen grundsätzlich sehr schnell. (12)
G-Protein gekoppelte Reaktionen verlaufen langsamer. Dies ist durch ihren
komplexen Reaktionsmechanismus zu erklären. Diese Art von Rezeptoren setzt
sich aus sieben Protein-Untereinheiten zusammen (heptahelikaler Aufbau). Sie
werden auch metabotrope Rezeptoren genannt. Bindet an der extrazellulären
Bindungsstelle der Agonist, kommt es intrazellulär am Rezeptor zu einer
Konformitätsänderung, die wiederum zu einer Aktivierung von
Guanosindiphosphat zu Guanosintriphosphat führt. Das aktivierte G-Protein
zerfällt in seine Untereinheiten. Die Untereinheiten stimulieren oder hemmen jetzt
verschiedene Effektorproteine. Es entstehen sogenannte second-messenger.
Nach Hydrolyse des Guanosintriphosphats kehrt das G-Protein sich wieder in
seinen inaktiven Zustand um. Der unter eins dargestellte Rezeptor in Abbildung
fünf ist ein Beispiel für G-Protein gekoppelte Reaktionen. (9,10)
Rezeptoren mit Enzymaktivität aktivieren nach erfolgreicher Rezeptor-EduktBindung ein Enzym an der Innenseite der Zelle. Hierzu zählen verschiedenste
Rezeptoren, die z.B. das Wachstum und den Zelltod beeinflussen können. Die
Rezeptoren drei und vier in Abbildung fünf sind hier als Beispiel zu nennen.
(10,12)
Die letzte Gruppe von Rezeptoren reguliert die Proteinbiosynthese, in dem sie
intrazellulär die Gentranskription beeinflussen. Die lipophilen Liganden
34
durchdringen problemlos die Biomembran der Zellen und binden intrazellulär an
den Rezeptor. Der entstehende Komplex bindet an einen anderen Komplex, der
wiederum in den Zellkern gelangen kann. Hier wird die Transkription bestimmter
Gene gefördert oder auch gehemmt. Reaktionen, die die Proteinbiosynthese
beeinflussen, beginnen sehr langsam, halten dafür aber sehr lange an. In
Abbildung fünf werden sie unter Rezeptor Nummer vier beispielhaft dargestellt.
(9,10)
3.5 Dosis-Wirkungs-Beziehungen
Ein wichtiger Bereich der Pharmakodynamik sind sogenannte Dosis-WirkungsBeziehungen. Sie beschreiben den Zusammenhang zwischen der Menge eines
verabreichten Medikamentes und der erreichten Wirkung. Trägt man beide in
einem Diagramm auf mit der Dosis auf der Abszisse und der Wirkung auf der
Ordinate, so erhält man die Dosis-Wirkungs-Kurve (siehe Abbildung sechs).
Abbildung 6: Konzentrations-Wirkungs-Kurven (10)
Anhand der Dosis-Wirkungs-Kurve lassen sich wichtige Werte einer Arznei
ablesen. Die Wirkungsstärke einer Substanz, auch Potenz, lässt sich durch die
Lage der Kurve beschreiben. Erzielt ein Wirkstoff bereits in einem niedrigen
Dosisbereich eine größere Wirkung, gilt er als stärker wirksam, als ein Wirkstoff,
35
der höhere Dosen benötigt. In diesem Zusammenhang sei auch die ED50 genannt:
sie beschreibt die Dosis bzw. Pharmakonzentration bei der 50% der maximalen
Wirkung erreicht werden. Je niedriger die ED50, desto höher ist die Potenz eines
Pharmakons. (10,12,13)
Die Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve zeigt, wie stark sich die Wirkung einer
Arznei ändert bei steigender Dosis. Idealerweise sind die Graphen bei einer
linearen Darstellung stets flach, da steile Dosiswirkungskurven im Umkehrschluss
bedeuten würden, dass bereits kleinste Dosisänderungen fatal sein können. Ein
ebenfalls wichtiger Begriff der Pharmakodynamik ist die therapeutische Breite. Sie
beschreibt jenen Dosisbereich einer Arznei, in dem einerseits die gewünschte
pharmazeutische Wirkung erreicht wird, aber andererseits die Konzentration nicht
schädlich ist. Graphisch lässt sich dieser Bereich ablesen als Abstand zwischen
der Dosiswirkungskurve für den gewünschten Effekt und der Dosiswirkungskurve
für den tödlichen Effekt. (9,10) „Sie ist ein Maß für die Sicherheit zwischen
therapeutischer und toxischer Wirkung: Ein Pharmakon ist umso ungefährlicher, je
größer seine therapeutische Breite ist.“(13) Abbildung sieben zeigt exemplarisch
die graphische Darstellung der therapeutischen Breite.
Abbildung 7: Therapeutische Breite (10)
36
Verschiedene Substanzen lassen sich anhand der ED50, der Lage und der
Steigung ihrer Dosiswirkungskurven und ihrer therapeutischen Breite adäquat
vergleichen. (10)
„Pharmaka, die sich im Maximum ihrer Wirkung nicht unterscheiden, sind
äquieffektiv. Man spricht beim Vergleich verschiedener Pharmaka auch von
äquieffektiven Dosierungen, wenn das Ausmaß der Wirkung dieser Dosierungen
identisch ist.“(9)
3.6 Pharmakodynamische Unterschiede zwischen Heranwachsenden und
Erwachsenen
Pharmakodynamische Besonderheiten im Kindesalter sind leider noch weniger
untersucht bzw. bekannt als pharmakokinetische Unterschiede. (11) Vor allem bei
Früh- und Neugeborenen scheint es jedoch enorme Unterschiede im Bereich der
Pharmakodynamik zu geben. (15) In der postnatalen Zeit kommt es zu vielen
Veränderungen im Säugling, beginnend mit dem Wechsel vom Fetalkreislauf zu
einem Kreislauf, der den Pulmonalkreislauf inkludiert. Hiermit gehen vielfältige
Adaptionsmechanismen einher, zum Beispiel die Aktivierung hormoneller Systeme
für einen ausgeglichenen Glukose-, Wasser-, Elektrolyt-, und Mineralhaushalt oder
auch die erhöhte Aktivität der Prostaglandine, die in Verbindung mit dem RAASSystem ein ausreichendes Kreislaufvolumen und eine suffiziente Nierenperfusion
garantiert. Hier ist besondere Vorsicht geboten, denn „Arzneimittel, die in diese
Regelmechanismen eingreifen, weisen auch entwicklungsbedingte Unterschiede
in der Pharmakodynamik auf.“ (15)
Ein typisches Beispiel sind hier Hypoglykämien im Säuglingsalter unter der
Therapie mit Beta-Blockern. Außerdem kann es durch die Einnahme von
Prostaglandinsyntheseinhibitoren zu einem (frühzeitigen) Verschluss des Ductus
arteriosus kommen, sowieso zu einer deutlich verschlechterten
Nierenperfusionsregulation. (15)
Auf zellulärer und molekularer Ebene unterliegen die Rezeptoren bzw. die
sogenannten Zielproteine (Targets) ebenfalls großen altersabhängigen
Veränderungen. Bekannt ist, dass gewisse Targets sich zurückentwickeln. Als
Beispiel sei wieder der Ductus arteriosus zu nennen. Es kommt zu einem
37
funktionellen Verschluss des Ductus, nachdem postnatal ein erhöhter
Sauerstoffpartialdruck vorliegt und Prostaglandine durch die entfaltete Lunge
abgebaut werden können. Eine duktale Vasodilatation durch Prostaglandine findet
nicht mehr statt. Neben einer Zurückentwicklung der Rezeptoren haben
Untersuchungen außerdem gezeigt, dass andere Rezeptoren (z.B. für Morphin)
einer verzögerten Entwicklung unterliegen bzw. einer Unreife. Dadurch sind bei
Säuglingen höhere Dosen notwendig, um eine analgetische Wirkung zu erzielen,
jedoch ist bereits deutlich früher mit einer Atemdepression (Sitz des
Atemzentrums ist die Medulla oblongata, die weiter kaudal liegt und somit früher
Rezeptoren präsentiert) zu rechnen. (15)
Ein weiteres prominentes Beispiel ist das fehlende Ansprechen von Säuglingen
und Kleinkindern auf Beta-Sympathomimetika. Ursächlich wurde lange Zeit eine
fehlende Expression der Rezeptoren vermutet. Neuere Untersuchungen haben
jedoch gezeigt, dass eher ein pharmakokinetisches Problem zu Grunde liegt:
eingesetzt vor allem bei obstruktiven Bronchitiden, sind eher infektbedingte,
ödematös geschwollene Schleimhäute verantwortlich für das Nichtansprechen auf
die anti-obstruktive Therapie. (15)
38
4. Antibiotika
Es gibt verschiedene Gesichtspunkte anhand derer man Antibiotika klassifizieren
kann: u.a. Wirkmechanismus, chemische Struktur und Wirksamkeit. Ich verwende
in meiner Diplomarbeit eine Klassifizierung nach dem Wirkort bzw. dem
Wirkmechanismus. (5) Wichtig in jeder Klassifizierung sind aber die
Begrifflichkeiten Bakteriostase und Bakterizidie. Bakteriostatisch wirksame
Antibiotika verhindern eine Vermehrung der Keime, können aber keine Erreger
vernichten. Bakterizid wirkende Substanzen hingegen, vernichten die Erreger
meist komplett. (5,10) Folgende Abbildung gibt einen schematischen Überblick
über Angriffspunkte wichtiger Antibiotika, auf die ich in den folgenden Kapiteln
eingehen werde.
Abbildung 8: Übersicht Angriffspunkte der Antibiotika (7)
39
4.1 Angriff an der Zellwandsynthese
Wie bereits in Kapitel 1.2. beschrieben, ist die Zellwand sehr wichtig und kleinste
Unregelmäßigkeiten und Schwächen führen bereits zum Bersten der Zelle. (7)
Betalactamantibiotika, Glykopeptide, Fosfomycin und Bacitracin hemmen
verschiedene Enzyme der Zellwandsynthese, beispielsweise die Transpeptidasen
und die Transglykosylasen. (5)
4.1.1 Betalactamantibiotika
„Alle Betalaktam Antibiotika besitzen in ihrem Molekül den Betalaktamring als
antibakteriell aktives Zentrum und kennzeichnendes
chemisches/mikrobiologisches Merkmal.“ (16) Zu ihnen zählen die Penicilline, die
Cephalosporine, die Carbapeneme und die Monobactame. (5,9,10,16)
Betalactamantibiotika hemmen die Transpeptidasen und dadurch den letzten
Schritt der Peptidoglykansynthese. (5) Hierdurch kommt es zu keiner
Quervernetzung des Mureins. Sehr wohl kommt es aber zu einer enzymatischen
Zerstörung des Mureins durch Autolysine. (7)
Ihr bezeichnendes aktives Zentrum ist jedoch auch Angriffspunkt in der
Resistenzentwicklung. Sogenannte Betalactamasen (heterogene Gruppe von
Enzymen) hemmen diese Antibiotika, durch Aufbrechen des Betalactam-Ringes.
Man unterscheidet Penicillinasen, Cephalosporinasen und sogenannte
Breitspektrum-Betalactamasen. (5)
4.1.1.1 Penicilline
Wirkmechanismus: Penicilline hemmen die bakteriellen Transpeptidasen, die
dadurch keine stabile Zellwand aufbauen können. Außerdem wird die
Quervernetzung einzelner Mureinstränge gehemmt. Sie wirken bakterizid. (7,10)
Kinetik: Penicilline werden hauptsächlich renal eliminiert. Die Blut-Hirnschranke
kann von ihnen, außer im Fall einer Meningitis, nicht überwunden werden.
Intrazelluläre Bakterien stellen ebenfalls ein nicht überwindbares Hindernis dar. (9)
40
Sie verfügen über eine große therapeutische Breite und sind in der Regel gut
verträglich. (17)
Indikationen: Sie sind indiziert bei „Infektionskrankheiten des Mund- und
Rachenraumes, des Atmungstraktes, der Haut und der Geschlechtsorgane.“ (10)
Von den Erregern zu nennen sind Streptokokken, Pneumokokken,
Staphylokokken, Haemophilus influenzae, Borrelien und andere. (10)
Leider haben einige Bakterien, wie bereits erwähnt, eine natürliche Resistenz
gegen Penicilline. Diese Enzyme können Penicilline eliminieren. (5,7,10)
Nebenwirkungen: Typisch für Penicilline sind vor allem die Allergie und
gastrointestinale Störungen. (5,10) Die Penicillinallergie geht in 5-8% der Fälle mit
einer Kreuzallergie gegen Cephalosporine einher. (9) Außerdem zu nennen ist die
neurotoxische Reaktion. (17)
Die wichtigsten Vertreter der Penicilline sind: Benzylpenicillin,
Phenoxymethylpenicillin, Isoxazolylpenicillin, Aminopenicilline und
Alcylaminopenicilline. Die folgenden Tabellen greifen den Handelsnamen, das
Spektrum, die Dosierung in der Pädiatrie, die Kontraindikationen und besondere
Eigenschaften auf, um wesentliche Unterschiede der einzelnen Präparate
darzustellen. (9,10,16,18)
Benzylpenicillin = Penicillin G
Handelsname
Penicillin (10)
in Österreich /
Deutschland
Wirkspektrum
 Grampositive Kokken: Alpha und Beta-hämolysierende
Streptokokken, Pneumokokken, Staphylokokken ohne
Penicillinaseproduktion, anaerobe Kokken
 Gramnegative Kokken: Gonokokken, Meningokokken
 Grampositive Stäbchen: Corynebakterien, Clostridien
 Gramnegative Aerobier: Spirochäten
 Gramnegative Anaerobier: Fusobakterien (9,10)
 Schwerpunkt liegt v.a. im grampositiven Bereich und
gramnegative Kokken (17)
41
Dosierung
Eigenschaften
 Neugeborene. 0,05–0,1 Mio. E/kg (in zwei Einzelgaben)
 Säuglinge: 0,05–1 Mio. E/kg (3–4 Einzelgaben)
 Kinder bis 12 Jahre: 0,05–0,5 Mio. E/kg (4–6 Einzelgaben)
 Kinder über 12 Jahre: 1–5 Mio. I.E./d (in 4–6 Einzelgaben) (17)
 Säurelabil nur parenterale (i.v. oder i.m.) Applikation
 Inaktivierung durch Penicillinasen (5)
Tabelle 2: Benzylpenicillin
Phenoxymethylpenicillin (Oralpenicilline) = Penicillin V
Handelsname in
Ö: Ospen
D: Isocillin (10)
Österreich /
Deutschland
Wirkspektrum
Vgl. Penicillin G
Dosierung


Eigenschaften


Kontraindikation 
Kinder <6 Jahren und Säuglinge: 50.000–60.000 I.E./kg/d
(3 Einzelgaben)
Erwachsene und Kinder >6 Jahre: 3 x 600.000 I.E. (17)
Säurestabil und daher oral verabreichbar (10)
Inaktivierung durch Penicillinasen (5)
Diese Penicilline sollten keine Anwendung finden bei
Meningitis, Endokarditis und Sepsis. (10)
Tabelle 3: Phenoxymethylpenicillin
Isoxazolylpenicilline (Staphylokokkenpenicilline): Flucloxacillin
Handelsname
in Österreich /
Ö: Floxapen
D: Staphylex (10)
Deutschland
Wirkspektrum
Penicillinasebildende Staphylokokken (9,10)
Dosierung




Eigenschaften


Kleinkinder und Säuglinge: 40–50 mg/kg/d (3 Einzelgaben)
Kinder 6–10 Jahre: 0,75–1,5 g/d (3 Einzelgaben p.o.)
Kinder 10–14 Jahre: 1,5–2 g/d (3 Einzelgaben p.o.)
Erwachsene und Jugendliche >14 Jahre: 3g (3 Einzelgaben)
p.o. oder parenteral; bei Bedarf i.v. auf 6–8 g/d steigern (17)
Säurestabil
Penicillinasestabil (17)
Tabelle 4: Isoazolylpenicilline
42
Aminopenicilline:
Handelsnamen in
Ampicillin
Amoxicillin
Standacillin
Clamoxyl
Österreich/Deutschland
(10)
Wirkspektrum
Dosierung (17)
Eigenschaften (17)
Kontraindikation (12)
Wie Ampicillin
 Ähnlich wie Penicillin
G, aber ebenfalls
wirksam gegen
gramnegative Keime
 Cave: Hohe
Resistenzrate bei
Problemkeimen
 Kinder <6 Jahren: 100  Kinder <6 Jahren und
Säuglinge: 50 mg/kg/d
mg/kg/d i.v. oder i.m. in
in 3–4 Einzeldosen
3–4 Einzelgaben
 Erwachsene und
 Erwachsene und
Jugendliche ab 14
Kinder ab 6 Jahren:
Jahren: 3x500-1000mg;
1,5–6 g/d i.v. oder i.m.
ggfs. steigern
3–4 Einzelgaben
 Säurestabil, oral anwendbar
 Inaktivierung durch Penicillinasen
 Renale und hepatische Elimination
 Unwirksam bei β-Lactamase-Bildnern.
 Kontraindiziert bei Staphylokokken-,
Streptokokken- und Pneumokokkeninfektion,
Angina, Pneumonie und Wundinfektionen
Tabelle 5: Aminopenicilline
43
Acylaminopenicilline: Mezlocillin (und Piperacillin)
Handelsname in
Baypen
Österreich/Deutschland
Wirkspektrum

Dosierung (17)







Eigenschaften
Nebenwirkung
Indiziert bei Enterobakterien,
Anaerobier und Haemophilus. (10)
Breiteres Wirkspektrum als
Aminopenicilline. (18)
Säuglinge < 3 kg: 2x75 mg/kg
Kinder 1–14 Jahre und Säuglinge
>3 kg: 3 x 75 mg/kg
Erwachsene und Jugendliche ab 14
Jahre: 3 x 2–3 g oder 3 x 4–5 g
Nur i.v. Gabe
Säurelabil, nur parenteral
Inaktivierung durch Penicillinasen
Orale Antikoagulantien und
Thrombozytenaggregationshemmer
können beeinflusst werden. (10)
Tabelle 6: Alcylaminopenicilline
Penicilline mit Betalactamase-Hemmer:
Amoxicillin +
Piperacillin +
Ampicillin +
Clavulansäure
Tazobactam
Sulbactam
Handelsnamen Augmentin/Augmentan Tazonam/Tazobac Unasyn/Unacid
in Österreich/
Deutschland
(10)
Wirkspektrum
(10)
Amoxicillinresistente
Stämme von
Staphylokokken und
Haemophilus
influenzae
Resistente
Stämme von
Staphylokokkus
aureus,
Haemophilus
influenzae und
Escherichia coli
44
Betalactamasebildende Stämme
von
Staphylokokkus
aureus und
epidermis,
Escherichia coli,
Klebsiella
pneumoniae
Dosierung (20) Per oral:
Intravenös:
Intravenös:
 Kinder bis 12 LJ:
 Kinder 2–12
 Früh- u.
37,5 mg/kg/d in drei
LJ: unter 40
Neugeborene:
Einzelgaben
kg KG 3 x
75 mg/kg/d (2
 Kinder >12 LJ:
112,5 mg/kg
Einzelgaben)
3 x 625 mg oder 2
über 40 kg KG  Kinder und
x 1000 mg
3 x 4,5 g/kg
Säuglinge ab 2
Intravenös:
 Jugendliche
LW: 150
 bis 3 LM:
ab 12 LJ: 3 x
mg/kg/d(3–4
2 x 44 mg/kg
4,5 g
Einzelgaben)
 Kinder bis 12 LJ: 3
x 20 mg/kg
nur bei
 ab dem 12 LJ:
schweren
3 x 1,2 g
intraabdominellen
Infektionen
Nebenwirkung Nausea, Vomitus,
Hauptsächlich
Blutbildveränderu
Diarrhoe, Abdominalgastrointestinale
ngen, Erhöhung
(10)
schmerzen, u.U.
Störungen, aber
der Leberwerte
Ikterus und
auch Anstieg der
Leberstörungen bei
Leberwerte,
Überdosierung. Kann
Blutbildveränderu
Wirkung von
ngen,
Antikoagulantien,
kardiovaskuläre
ThrombozytenStörungen
aggregationshemmern
und oralen
Kontrazeptiva
beeinflussen.
Tabelle 7: Penicilline mit Betalactamase-Hemmer
4.1.1.2 Cephalosporine
Wirkmechanismus: Es wird ebenfalls, wie bei den Penicillinen, die Synthese der
Bakterienzelle gestört. In ausreichender Konzentration wirken Cephalosporine
daher auch bakterizid. (10,18)
Kinetik: In der Regel werden Cephalosporine intravenös oder intramuskulär
injiziert, da die gastrointestinale Resorption nicht ausreichend ist. Auch bei den
45
neueren oralen Präparaten, liegt die Resorptionsquote bei 40–60 %. Die enormen
Unterschiede in den Halbwertszeiten der Medikamente, lassen sich durch stark
variierende Eiweißverbindungen erklären. Die Ausscheidung erfolgt renal. (5)
Wirkspektrum: Diverse gram-positive und negative Bakterien. (10) Cephalosporine
sind eingeschränkt einsetzbar bei MRSA und Anaerobiern. Bei Infektionen mit
ESBL-Keimen, Enterokokken, und intrazellulären Erregern sind sie gänzlich
unwirksam. (5) Cephalosporine wirken grundsätzlich nicht gegen Enterokokken
(sogenannte „Enterokokkenlücke“). (17)
Nebenwirkungen: Gastrointestinale Störungen nach oraler Gabe,
Thrombophlebitiden nach intravenöser Gabe, Schmerzen und
Gewebedestruktionen nach intramuskulärer Gabe. Allergien werden allerdings
seltener beobachtet als bei Penicillinen. (10,18) Besondere Vorsicht gilt jedoch bei
Patienten und Patientinnen mit Niereninsuffizienz, bei einer Kombination mit
Aminoglykosid-Antibiotika und bei einer Therapie mit hohen Dosierungen, hier
sollten unbedingt die Nierenparameter überprüft werden. (5) Außerdem zu
beachten ist die erhöhte Blutungsneigung durch die verminderte Synthese
Vitamin-K abhängiger Gerinnungsfaktoren. (17)
Die wichtigsten Vertreter: Zunächst lassen sich Cephalosporine unterteilen in
peroral und parenteral zu applizierende. Innerhalb dieser beiden Obergruppen
unterscheidet man die Cephalosporine weiter anhand jeweils drei verschiedener
Generationen. (9,10,18)
Übersicht über die parenteralen Cephalosporine: (5,9,16,18,19)
Handelsnamen in
1. Generation:
2. Generation
3. Generation
Cefazolin
a) Cefuroxim
b) Cefotiam
c) Cefoxitin
a) Cefotaxim
b) Ceftriaxon
c) Ceftazidim
d) Cefepim
Zolicef/Basocef
a) Zinnat/
Elobact
b) Spizef
c) Mefoxitim
a) Claforan
b) Rocephin
c) Fortum
d) Cefepim/Maxipime
Österreich/Deutschland (10)
46
Wirkspektrum
(5,9,10,18)
Staphylokokken
a),b): gramnegative
Stäbchen
(Haemophilus
influenzae)
c) gegen
Anaerobier




Dosierung (17,19)
Kinder 25-50
mg/kg/d in 3-4
Einzelgaben
a) Tagesdosis
50-100 mg/kg
KG parenteral
in 3
Einzelgaben
Eigenschaften
Nicht
betalactamasestabil
Betalactamase
stabil
Tabelle 8: Parenterale Cephalosporine
47
BreitbandCephalosporine
wirksamer im
gramnegativen
Bereich als die
Generationen 1
und 2
sie sind hoch
wirksam gegen
typische
Meningitiserreger
unwirksam bei
Enterokokken und
lediglich schwach
wirksam gegen
Staphylokokken
a)
 Frühgeborene:
max. 50 mg/kg/d
 Kinder bis 12 LJ
und Säuglinge:
Tagesdosis 50-100
mg/kg KG in 2-4
Einzelgaben
b)
 Früh- u.
Neugeborene max.
50 mg/kg/d
 Säuglinge ab 2 LW.
bis 12 LJ: 20-80
mg/kg KG/d
parenteral
 >12 LJ: 1 x 1-2 g
c) Kinder 1-14 LJ: 2 x
15-50 mg/kg
d) Tagesdosis 100150 mg/kg KG
parenteral
Übersicht über die oralen Cephalosporine: (5,9,10,16,18,19)
1. Generation
2. Generation
a) Cefalexin
b) Cefaclor
c) Cefadroxil
Cefuroxim
Handelsnamen in
a) Ospexin /
Österreich/Deutsch- Cephalex
b) Ceclor / Panoral
land (10)
c) Duracef /
Grüncef
Wirkungsspektrum
(10)
Tagesdosis für
Kinder (17,19)
Gramnegative
Stäbchen, Streptound
Pneumokokken
und Haemophilus
influenzae
a)


25͒–50 mg/kg
KG in zwei bis
vier
Einzelgaben
ab dem 12. LJ
1–4 g in zweivier
Einzelgaben
b)

30 mg/kg KG
in drei
Einzelgaben
bis 10. LJ
 Kinder älter als
10. LJ: 1500
mg (auf drei
Einzelgaben)
c) 50-mg/kg KG in
zwei Einzelgaben,
wenn Gewicht < 40
kg; sonst 2x1g
Tabelle 9: Orale Cephalosporine
48
Zinnat
Betalactamasestabil gegen
Pneumo-,
Strepto- und
Staphylokokken,
gegen viele
resistente
Stämme
 20–30 mg/kg
KG peroral in
zwei
Einzelgaben,
auch als Saft
erhältlich
 ab dem 5. LJ:
2 x 250 mg
3. Generation
a) Cefixim
b) Cefpodoxim
a) Aerocef /
Cephoral
b) Otreon / Orelox
Wie 1.
Generation, aber
stärker wirksam
a) 8 mg/kg KG/d
in zwei
Einzelgaben, auch
als Saft erhältlich
b) 5–12 mg/kg KG
in zwei
Einzelgaben, auch
als Saft erhältlich
c) 9 mg/kg KG
peroral, auch als
Saft erhältlich
4.1.1.3 Carbapeneme
Wirkmechanismus: Carbapeneme hemmen ebenfalls die Zellwandsynthese und
wirken bereits in niedrigen Dosen bakterizid. (10)
Kinetik: Die pharmakokinetischen Eigenschaften der Carbapeneme unterscheiden
sich zwischen einer ersten Gruppe (Imipenem, Meropenem und Doripenem) und
einer zweiten Gruppe (Ertapenem) enorm. Die Wirkstoffe der ersten Gruppe
verfügen über eine geringe Proteinbindung und somit eine kurze
Eliminationshalbwertszeit von etwa einer Stunde, während sich Ertapenem im
Gegensatz dazu mit einer Halbwertszeit von ca. vier Stunden präsentiert.
Hinsichtlich der Ausscheidung gibt es keine Unterschiede, sie erfolgt bei allen
Vertretern renal. Ebenso vereint sind sie in ihrer Resistenz gegenüber den
meisten Betalactamasen. (5,9)
Wirkungsspektrum: Carbapeneme verfügen über ein besonders breit gefächertes
Wirkungsspektrum. Grampositive und negative Bakterien, Anaerobier und auch
sogenannte „Problemkeime“ wie ESBL-bildende Erreger zählen zu ihren
Erregerspektrum. Besondere Gewichtung erhalten Carbapeneme im klinischen
Alltag bei nosokomialen Infektionen, da sie für Betalactamasen nur wenig
empfindlich sind und es kaum Carbapenemasen-bildende Stämme gab. Gegen
MRSA sind jedoch auch Carbapeneme unwirksam. (5,10)
Nebenwirkung: Gastrointestinale Störungen, Überempfindlichkeitsreaktionen der
Haut, Blutbildveränderungen und zentralnervöse Veränderungen wurden unter
Carbapenem-Gabe beobachtet. Eine weitere wichtige unerwünschte Wirkung ist
die Nephrotoxizität. Besondere Vorsicht gilt hier bei hohen Dosen oder Patienten
und Patientinnen mit vorgeschädigter Niere. Des Weiteren ist Imipenem gänzlich
kontraindiziert bei Hirnverletzungen und Krampfanfällen in der Anamnese, da es
die Krampfschwelle hinabsetzt. (9)
49
a) Imipenem
b) Meropenem
Handelsnamen in
a) Zienam
Österreich/Deutschland b) Optinem/Meronem
(10)
Indikation (5)
Infektionen mit Enterokokken,
Pseudomonas und
Acinetobacter-Spezies
Tagesdosis für Kinder
a) 60–100 mg/kg KG
(19)
parenteral
Ertapenem
Invanz
Ab dem 3.
Lebensmonat: 2 × 15
mg/kg KG parenteral
b) 30–60–120 mg/kg KG
parenteral
Tabelle 10: Carbapeneme
4.1.1.4 Monobactame
„Aztreonam ist ein auf gramnegative Erreger hochwirksames BetaLaktamantibiotikum, das bei resistenten Erregern als Reservepräparat in einer
Kombinationstherapie angewendet wird.“ (17)
Wirkspektrum: Gramnegative, aerobe Bakterien. Auch betalactamasestabil.
(5,9,10)
Nebenwirkung: Unerwünschte Nebenwirkungen betreffen v.a. den
Gastrointestinaltrakt. Das Risiko für eine Pseudomembranöse Colitis (Auslöser
Clostridium difficile) wird erhöht. (5,9,10)
Dosierung:
- Säuglinge > 1 Woche 3 oder 4 x 30 mg/kg KG
- Kinder über 2 Jahre: 3 oder 4 x 50 mg/kg KG parenteral (17)
Wichtige Vertreter: Derzeit ist nur ein Wirkstoff im Handel verfügbar: Aztreonam
(Handelsname: Azactam). (5,9,10)
4.1.2 Glykopeptide
Wirkmechanismus: Glykopeptide hemmen ebenfalls die Zellwandsynthese, jedoch
anders als Betalactamantibiotika. Bei ihnen beruht der bakterizide
50
Wirkmechanismus auf einer Wasserstoffbrückenbindung zwischen dem Wirkstoff
und dem D-Ala-D-Ala-Ende der Peptidoglykan-Bausteine auf periplasmatischer
Seite. Durch die Größe dieses entstandenen Komplexes, werden u.a.
Transpeptidasen erfolgreich daran gehindert, ihre Zielstrukturen zu erreichen. Eine
Verlängerung und Quervernetzung des Peptidoglykangerüsts bleibt damit aus.
(5,18)
Kinetik: Glykopeptide müssen um eine systemische Wirkung zu erzielen,
parenteral verabreicht werden, da sie über den Gastrointestinaltrakt nicht
resorbiert werden können. Eine orale Anwendung ist jedoch möglich, um eine
lokale Wirkung im Darmtrakt zu erzielen. Die Ausscheidung erfolgt größtenteils
über die Nieren, geringfügig auch biliär. Bei Niereninsuffizienz ist eine
Dosisanpassung aufgrund der langsameren Elimination notwendig. (5,18)
Dosierung:

Vancomycin
-Neugeborene und Säuglinge: 10 mg/kg alle 12 h
- für Kinder <12 LJ: 40 mg/kg KG/d parenteral (verteilt auf vier Einzelgaben)
- für Kinder ab 12 LJ: 500 mg alle 6 Stunden

Teicoplanin Tagesdosis
- für Neugeborene und Säuglinge bis 2 LM: 12–15 mg/kg KG parenteral
- für Kinder <12 LJ: 10 mg/kg
(19)
Wirkungsspektrum: Erfolgreich eingesetzt werden Glykopeptide bei aeroben und
anaeroben grampositiven Keimen, besonders hervorzuheben ist ihre Wirkung
gegenüber Staphylokokken, Enterokokken und Clostridium difficile. Bei
multiresistenten Erregern sind sie mittlerweile nur eingeschränkt einsetzbar,
aufgrund aktueller Resistenzentwicklungen. (5,18)
Nebenwirkung: Glykopeptide sind in Abhängigkeit von ihrer Konzentration oto- und
nephrotoxisch. Eine Kombination mit anderen potenziell oto- oder nephrotoxischen
Medikamente sollte vermieden werden, ebenso wie die Gabe bei akutem
Nierenversagen oder während der Schwangerschaft. Weitere unerwünschte
Nebenwirkungen sind allergische Exantheme. (5)
51
Wichtige Vertreter: Hier sind Vancomycin (Handelsname: Vancomycin) und
Teicoplanin (Handelsname: Targocid) zu nennen. (10,18)
4.1.3 Sonstige Antibiotika
Wichtige Vertreter: Fosfomycin (Handelsname: Monuril) und Bacitracin
(Handelsname: Nebacetin) sind ebenfalls Antibiotika, die ihre Wirkung über einen
Angriff an der Zellwandsynthese entfalten. (5,10)
Wirkmechanismus: „Fosfomycin hemmt den ersten Schritt der
Peptidoglykansynthese.“ (5) Es bindet irreversibel an das für die Reaktion
zuständige Enzym. Dadurch hemmt es den Aufbau der Bakterienzellwand noch
früher als Betalactamasen. Der Wirkmechanismus gilt als bakterizid. (9)
Bacitracin ist ein bakterizid wirkendes Polypeptidantibiotikum. „Es hemmt die
Ausschleusung der Zellwandbausteine und somit die Zellwandsynthese.“ (18)
Dosierung:

Fosfomycin Tagesdosis für Kinder: 100–400 mg/kg KG parenteral (19)

Bacitracin: Tagesdosis für Kinder: 1–4 malige lokale Applikation (20)
Indikation: „Das Wirkungsspektrum von Fosfomycin umfasst Staphylo- und
Streptokokken und einige gramnegative Keime und schließt auch MRSA, VRE,
und ESBL-Bildner ein. (5) In der Intensivmedizin wird es intravenös verabreicht,
peroral hingegen findet es Anwendung bei unkomplizierten Harnwegsinfekten.
Bacitracin bekämpft grampositive Erreger wie Staphylokokken und Enterokokken.
(10)
Nebenwirkung: Fosfomycin kann gastrointestinale Beschwerden, Kopfschmerzen,
eine Erhöhung der Lebertransaminasen sowie allergische Reaktionen
verursachen. (5) Bacitracin ist stark nephrotoxisch und darf darum nur lokal
angewandt werden.
52
4.2 Antibakterielle Hemmstoffe der ribosomalen Proteinsynthese
Eine weitere heterogene Gruppe zur Eradikation von bakteriellen
Krankheitserregern, sind jene Antiinfektiva, die die ribosomale Proteinsynthese auf
unterschiedlichste Varianten beinträchtigen (vgl. Abb. 3). Zu dieser Gruppe
zählen: Aminoglykoside, Tetracycline, Makrolide, Lincosamide, Streptogramine,
Oxazolidinone sowie Chloramphenicol und Fusidinsäure. Wie bereits zu Beginn
meiner Diplomarbeit erklärt, bestehen Ribosomen aus zwei Untereinheiten, bei
Bakterien aus einer 50S- und einer 30S-Untereinheit. Antibiotika stören gezielt die
bakteriellen Ribosomenuntereinheiten, sodass die Proteinbiosynthese des
Menschen nicht bzw. nur selten beeinträchtigt wird. (5)
4.2.1 Aminoglykoside
Die wichtigsten Vertreter der Aminoglykoside sind:
Gentamicin (Handelsname Österreich/Deutschland: Refobacin)),
Amikacin (Handelsname Österreich/Deutschland: Biklin),
Tobramycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Tobrasix/Gernebcin),
Netilmicin (Handelsname Österreich/Deutschland: Certomycin) und
Neomycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Baneocin/Myacine). (10)
Wirkmechanismus: Aminoglykoside gelangen aufgrund ihrer kleinen Größe relativ
problemlos in die Bakterienzelle. Dort binden sie irreversibel an die 30sUntereinheit. Das Resultat ist eine fehlerhafte Proteinbiosynthese durch
sogenanntes „Misreading“. Die entstehenden Nonsense-Proteine lösen
irreversible Membranschäden aus. Der Wirkmechanismus ist als bakterizid
einzustufen, jedoch konzentrationsabhängig und nicht wie bei BetalactamaseAntibiotika zeitabhängig. (5,16)
Kinetik: Aminoglykoside müssen intravenös oder intramuskulär injiziert werden, da
nach oraler Applikation keine ausreichende Resorption stattfindet. Sie haben eine
geringe Halbwertszeit (1,5–2 h) und werden renal eliminiert. Aufgrund von
selektiven Ablagerungen im Innenohr und in der Nierenrinde, gilt diese
Substanzklasse als oto- und nephrotoxisch. Patienten und Patientinnen mit
Niereninsuffizienz benötigen ggf. ein Drug Monitoring, durch die geringe
53
therapeutische Breite der Medikamente. Ferner wird ein postantibiotischer Effekt
beschrieben ebenso wie eine Wirkverstärkung von Betalactamen. (5,16)
Wirkspektrum: Gentamicin, Tobramycin und Netilmicin bekämpfen Infektionen mit
gramnegativen Enterobakterien sehr erfolgreich ebenso wie Infektionen mit
Pseudomonas. Leider sind jedoch die meisten grampositiven Erreger sowie
Anaerobier nicht sensibel.(16) Amikacin hat ein breiteres Wirkspektrum und gilt als
besonders wirksam, auch wenn bereits Resistenzen gegen andere Vertreter
dieser Gruppe vorliegen. Neomycin findet v.a. lokale Anwendung bei infektiösen
Haut-, Augen- und Ohrenerkrankungen. (10)
Dosierung:

Amikacin: Tagesdosis für Kinder: 15 mg/kg KG parenteral

Tobramycin: Tagesdosis für Kinder: 3–7,5 mg/kg KG parenteral

Neomycin: Tagesdosis für Kinder: 2–3 × am Tag bei topische Anwendung;
peroral: 30–60 mg/kg KG, verteilt auf vier bis sechs Einzelgaben (19,20)
Nebenwirkungen: Als wichtigste unerwünschte Wirkungen der Aminoglykoside
sind die Oto- und Nephrotoxizität zu nennen. Bei gefährdeten Patienten und
Patientinnen sollte darum unbedingt eine strenge Indikationsstellung, eine
Dosierung nach Nierenfunktion und eine Überwachung des Serumspiegels
angestrebt werden. Ferner kann es zu neuromuskulären Blockaden, allergischen
Reaktionen und gastrointestinalen Nebenwirkungen kommen. (5,10,16)
4.2.2 Tetracycline
Die wichtigsten Vertreter der Tetracycline sind Doxycyclin (Handelsname
Österreich/Deutschland: Vibramycin/Doxycyclin), Minocyclin (Handelsname
Österreich/Deutschland: Minostad/Klinomycin) und Tigecyclin (Handelsname
Österreich/Deutschland: Tygacil/Tigasil). (10)
Wirkmechanismus: Tetracycline hemmen die Proteinbiosynthese der Bakterien,
indem sie die Bindung der Aminoacyl-t-RNA an die Akzeptorstelle der 30SUntereinheit der Ribosomen beeinflussen. Dadurch kommt es zu keiner
54
Verlängerung der Polypeptidkette. Es handelt sich hierbei um einen
bakteriostatischen Wirkmechanismus. (5,16)
Kinetik: Tetracycline werden (mit Ausnahme von Tigecyclin) sehr gut oral
resorbiert. (5) Eine verminderte Resorption wird bei gleichzeitiger Einnahme von
Antacida, Eisenpräparaten, Milchprodukten und calciumhaltigen Vitamintabletten
beobachtet. Die Gewebeverteilung ist gleichmäßig. Alle Tetracycline werden in der
Leber mit Glukuronsäure konjugiert und zum Teil biliär ausgeschieden. Die
restliche Elimination erfolgt renal. (16)
Wirkspektrum: Das Wirkspektrum der unterschiedlichen Tetracycline differiert nur
geringfügig. (16) Sie sind wirksam gegen Strepto-, Meningo- und Pneumokokken,
Listerien, Yersinien, Campylobacter jejuni, Borrelien, Chlamydien und bei
Bronchitiden durch Mycoplasma pneumoniae. (10) Minocyclin findet besondere
Anwendung in der Therapie der Akne. (5)
Dosis:

Doxycyclin: Tagesdosis für Kinder ab dem 9. Lebensjahr: 2 mg/kg KG peroral,
auch als Saft erhältlich; Tagesdosis für Kinder ab dem 9. Lebensjahr: 2–4
mg/kg KG parenteral (19)
Andere Tetracycline sind aufgrund von fehlenden Daten zu Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren gänzlich
kontraindiziert. (17,20)
Nebenwirkungen: Die Einnahme von Tetracyclinen kann sich auf den
Zahnschmelz auswirken. Es kann zu gelblichen bis braunen Verfärbungen
kommen (Zahnschmelzhypoplasie). Darum sollten diese Antibiotika Kindern bis
zum 8. Lebensjahr nicht gegeben werden. Ferner kann es zu
Photosensibilisierungen und gastrointestinalen Störungen kommen. (5,10)
4.2.3 Antibiotika der Makrolid-Lincosamid-Streptogramin-Gruppe
Die Antibiotika der Makrolid-Lincosamid-Streptogramin-Gruppe (MLS) zeichnen
sich durch eine wichtige Gemeinsamkeit aus: Die sogenannte MLS-Resistenz von
55
Staphylokokken und Streptokokken.
Antibiotika aus der MLS-Gruppe binden an die 50S-Untereinheit der bakteriellen
Ribosomen, wodurch die Proteinbiosynthese gestört wird. Resistenzen entstehen
durch Methylierung der Base Adenin im Bereich der Bindungsstelle. Durch diese
Methylierung ist die Affinität der Antibiotika stark reduziert, und sie sind in ihrer
bakteriostatischen Wirkung enorm beeinträchtigt. Aufgrund dieser
Parallelresistenz sollte man bei Vorliegen eines makrolidresistenten Erregers
ebenfalls auf Ketolide, Lincosamide und Streptogramine verzichten. (5,10,16)
Streptogramine gelten jedoch bei Kindern als kontraindiziert. (17)
4.2.3.1 Makrolide
Die wichtigsten Vertreter der Makrolide sind:
Erythromycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Erythrocin),
Clarithromycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Klacid),
Roxithromycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Rulide/Rulid),
Azithromycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Zithromax),
Josamycin (Handelsname Österreich: Josalid) und das Ketolid
Telithromycin (Handelsname Österreich/Deutschland: Ketek). (10)
Kinetik: Die orale Resorption von Makrolidantibiotika kann durch gleichzeitige
Mahlzeiten beeinflusst werden. Neuere Makrolide sind, im Gegensatz zu
Erythromycin, säureresistenter und können dadurch besser oral aufgenommen
werden. Ein weiterer Vorteil der neueren Makrolide ist die langsamere Elimination:
mehrmals tägliche Einzeldosen sind nicht mehr notwendig. Alle Makrolide sind
kaum liquorgängig, jedoch in Plazenta und Muttermilch nachweisbar. Ferner
werden sie gut in Geweben gespeichert. Die Ausscheidung erfolgt biliär. (5,16)
Wirkungsspektrum: Das Wirkspektrum der Makrolide umfasst grampositive extraund intrazelluläre Keime. Außerdem gramnegative Bakterien verschiedener
Gattungen (Neisseria, Haemophilus, Bordetella, Legionella, Brucella und
Anaerobier), Zellwandlose (Mykoplasmen, Chlamydien) und schraubenförmige
Erreger (Borrelien, Campylobacter). (16) Sie ähneln in ihrem Wirkspektrum dem
Penicillin G und werden ebenfalls gerne bei penicillinresistenten Keimen
56
eingesetzt. Jedoch ist eine gleichzeitige Einnahme mit Betalactamantibiotika nicht
sinnvoll. (10)
Dosis:

Erythromycin: Tagesdosis für Kinder: 30–50 mg/kg KG (in drei Einzeldosen)
parenteral (19)

Clarithromycin: Tagesdosis für Kinder: 15 mg/kg KG peroral, auch als Saft
erhältlich; Tagesdosis für Kinder: 15 mg/kg KG parenteral (zwei Einzelgaben)
(19)

Roxithromycin: Tagesdosis für Kinder: 5 mg/kg KG peroral, auch als Saft
erhältlich (zwei Einzelgaben) (19)

Azithromycin: Tagesdosis für Kinder: 10 mg/kg KG peroral, auch als Saft
erhältlich; Tagesdosis für Kinder: 10 mg/kg KG parenteral (19)

Josamycin: Tagesdosis für Kinder: 20–50 mg/kg KG peroral, auch als Saft
erhältlich (19)

Telithromycin (Ketolid): Tagesdosis für Kinder ab dem 12 Lebensjahr:
800 mg/kg KG peroral (19)
Nebenwirkungen: Meist sind Makrolidantibiotika gut verträglich. Es können jedoch
gastrointestinale Störungen, allergische Reaktionen, sowie bei i. v. Gabe eine
Verlängerung des PQ-Intervalls auftreten. Außerdem wird in seltenen Fällen eine
hepatotoxische Wirkung beobachtet. (5,16,17) Bei Telithromycin kann es ferner
noch zu Kopfschmerzen und Schwindel kommen. (10)
4.2.3.2 Lincosamide
Der einzige Vertreter aus der Gruppe der Lincosamide, der heute noch
therapeutische Anwendung findet, ist Clindamycin (Handelsname
Österreich/Deutschland: Dalacin/Clinda). (5,10)
Kinetik: Clindamycin wird im Gegensatz zu vielen anderen Antibiotika sehr gut oral
resorbiert. Es erreicht jegliches Gewebe und reichert sich besonders im Knochen
an. Die Elimination erfolgt renal und „mit den Fäzes.“ (5)
57
Wirkspektrum: Clindamycin wird v.a. zur Eradikation im grampositiven Bereich
eingesetzt (Staphylokokken und Streptokokken). Besonders hervorzuheben ist
seine Wirkung auf Anaerobier. Aber auch Pneumokokken und Diphtheriebakterien
zählen zum Einsatzgebiet dieses Antibiotikums. (5,10)
Dosis: Tagesdosis für Kinder: 10–40 mg/kg KG peroral (auf drei bis vier
Einzelgaben verteilt), auch als Saft erhältlich; Tagesdosis für Kinder: 15–40 mg/kg
KG parenteral (auf drei bis vier Einzelgaben verteilt) (19)
Nebenwirkungen: Zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen von Clindamycin
zählen gastrointestinale Symptome, wie Diarrhoe und Übelkeit. Leukopenien, die
pseudomembranöse Colitis (hervorgerufen durch Clostridium difficile) und
Leberschädigungen werden sehr selten berichtet. (5)
4.2.4 Chloramphenicol
Chloramphenicol (Handelsname in Deutschland Posifenicol; in Österreich nur
lokale Anwendung (10)) findet nur noch selten Anwendung im klinischen Alltag, da
es eine irreversible Knochenmarksschädigung auslösen kann. (17)
Wirkmechanismus: Chloramphenicol hemmt ebenfalls die bakterielle
Proteinbiosynthese durch eine Bindung an die 50S-Untereinheit der bakteriellen
Ribosomen. Hierdurch wird die Peptidbindung verhindert und es können keine
Proteine entstehen. (5,16)
Kinetik: Chloramphenicol wirkt bakteriostatisch. Es verteilt sich gut in Gewebe
(auch intrazellulär) und im Liquor. Letztendlich wird es in der Leber glucuronidiert
und dann über die Niere ausgeschieden. (5,16,17)
Wirkspektrum: Grampositive (hämolysierende Streptokokken, Pneumokokken)
und gramnegative Bakterien (Salmonella typhii). (16) Es ist ein absolutes
Reserveantibiotikum, das nur noch bei schweren Infektionen eingesetzt werden
sollte. (17)
Dosis:

Jugendliche >12 Jahre: 40(80) mg/kg/d (3–4 Einzelgaben)
58

Kinder 7–12 Jahre: 50–80 mg/kg/d (3–4 Einzelgaben)

Kinder 2–6 J.: 50–100 mg/kg/d (4 Einzelgaben)

Säuglinge > 4 Wochen: 50–100 mg/kg/d (4 Einzelgaben)

Früh-/Neugeborene
bis 2 Wochen: 25 mg/kg/d
bis 4 Wochen: 50 mg/kg/d (2 Einzelgaben) (17)
Nebenwirkungen: Die gefürchtetste Nebenwirkung von Chloramphenicol ist die
(teilweise irreversible) Knochenmarksschädigung. Außerdem kann es, besonders
bei Neugeborenen, aufgrund einer Leberinsuffizienz zum sogenannten GreySyndrom kommen. Hier kommt es durch die verzögerte Ausscheidung des
Medikaments zur Akkumulation des Stoffes. Die Symptome reichen von
Meteorismus und Erbrechen über Cyanose bis hin zum kardiovaskulären Kollaps
und Atemstörungen. Weiterhin wurden allergische Reaktionen, gastrointestinale
Beschwerden sowie zentrale und periphere Neuropathien beobachtet. (5,16,17)
4.2.5 Fusidinsäure
Fusidinsäure wird in Österreich unter dem Handelsnamen Fucidin und in
Deutschland unter Fucidine geführt. (10)
Wirkmechanismus: „Die Wirkung beruht auf der Hemmung der Proteinbiosynthese
in der Elongationsphase.“(5) Fusidinsäure wirkt bakteriostatisch. (10)
Kinetik: In Deutschland und Österreich sind z.Z. ausschließlich Präparate zur
topischen Anwendung zugelassen, die in Abhängigkeit vom Vehikel auch gut in
tiefere Gewebsschichten penetrieren können. Bei oraler Applikation wird
Fusidinsäure nur sehr langsam resorbiert und nach hepatischer
Verstoffwechselung biliär ausgeschieden. (5,17)
Wirkspektrum: Fusidinsäure gilt als Reserveantibiotikum bei schweren
Staphylokokkeninfektionen. Ihr Wirkspektrum umfasst gramnegative Bakterien
(u.a. Meningokokken und Gonokokken) und grampositive Bakterien (u.a.
Staphylokokken und Clostridien). (10,17)
59
Nebenwirkungen: Fusidinsäure kann bei p. o. Applikation zu gastrointestinalen
Beschwerden führen. Sehr selten werden Leberschäden beschrieben. (10)
4.3 Wirkung auf die Nucleinsäuren
Eine weitere wichtige Gruppe der Antibiotika umfasst Wirkstoffe, die auf
unterschiedlichste Art und Weise (siehe Abbildung drei) die Nucleinsäuren der
Bakterien attackieren. Hierunter fallen die Fluorchinolone (Gyrasehemmer),
Folsäureantagonisten (Sulfonamide, Diaminobenzylpyrimidine) und Metronidazol.
4.3.1 Fluorchinolone
Fluorchinolone werden nach Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für
Chemotherapie in vier Gruppen eingeteilt. Diese vier Gruppen, unterscheiden sich
hinsichtlich Wirkspektrum und bestimmter Charakteristika, jedoch haben sie alle
einen gemeinsamen bakteriziden Wirkmechanismus. Fluorchinolone wurden
früher auch Gyrasehemmer genannt, namensgebend war hier der
Wirkmechanismus. Diese Gruppe von Antibiotika hemmt die bakterielle
Topoisomerase II (Gyrase) und IV.
Topoisomerasen sind für die räumliche Anordnung der DNA und somit für eine
regelrechte Replikation, Rekombination, Transkription und Reparatur eben dieser
verantwortlich. Menschliche Zellen besitzen keine Gyrase, sie werden dadurch
nicht geschädigt.
Gruppe
Wirkstoffname
Handelsname
Österreich/Deutschland
I
Norfloxacin
Zoroxin/Barazan
II
Enoxacin
Enoxor
60
Ofloxacin
Tarivid
Ciprofloxacin
Ciproxin/Ciprobay
III
Levofloxacin
Tavanic
IV
Moxifloxacin
Avelox/Avalox
Tabelle 11: Wichtige Vertreter der Fluorchinolone (10,17)
Tabelle 11 zeigt die Einteilung der Fluorchinolone und ihre wichtigsten Vertreter. In
der Kinder- und Jugendmedizin ist jedoch nur Ciprofloxacin zugelassen. Andere
Fluorchinolone sind aufgrund fraglicher Knorpelschädigungen kontraindiziert. (17)
Kinetik: Ciprofloxacin wird nach oraler Aufnahme gut resorbiert. Es verteilt sich
effizient in alle Gewebe und Zellen. Dadurch hat es auch eine gute Wirkung gegen
atypische intrazelluläre Erreger. Das Antiinfektivum wird renal, hepatisch und
intestinal eliminiert. (5)
Wirkspektrum: Das Wirkspektrum von Ciprofloxacin umfasst viele gramnegative
Erreger (z.B. Haemophilus influenzae). Es ist nur schwach wirksam im Bereich der
Staphylokokken und Pneumokokken, jedoch bekämpft es Pseudomonaden
effizient. (5,17)
Dosierung:

Tagesdosis für Kinder: 30–40 mg/kg KG peroral, auch als Saft erhältlich

Tagesdosis für Kinder: 20–30 mg/kg KG parenteral (19)
Nebenwirkung: Am verbreitetsten sind gastrointestinale Nebenwirkungen wie
Diarrhoe, Nausea und Emesis. Außerdem klagen manche Patienten und
Patientinnen über Schwindel, Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unruhe. Des
Weiteren wurden in seltenen Fällen Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut
(Exanthem und Pruritus) und Kreislaufreaktionen, sowie ein vermindertes
Reaktionsvermögen beobachtet. (10)
61
4.3.2 Folsäureantagonisten
Zu den Folsäureantagonisten zählen Sulfonamide, Diaminobenzylpyrimidine und
Cotrimoxazol. Diesen Substanzklassen gemein ist, dass sie ihre antiinfektive
Wirkung entfalten, indem sie als Folsäure-Analoga die DNA und RNANukleotidsynthese behindern. Dadurch werden verschieden Enzyme gehemmt,
u.a. die Dihydrofolatreduktase. (5) „Wegen der häufigen Resistenzen werden
Sulfonamide heute nur noch selten, dann aber meist als Kombinationspartner
angewandt.“ (17) Im Folgenden werde ich darum nur auf das
Kombinationspräparat Cotrimoxazol eingehen und nicht separat auf Sulfonamide
und Diaminopyrimidine, da diese Präparate nicht mehr im Handel erhältlich sind.
(10)
4.3.2.1 Cotrimoxazol
Der Vertreter dieser Gruppe ist die Kombination aus Trimethoprim
(Diaminobenzylpyrimidin) und Sulfamethoxazol (Sulfonamid). Der Handelsname in
Österreich ist Bactrim und in Deutschland Eusaprim. (10)
Wirkmechanismus: Die feste Kombination der beiden verschieden Wirkstoffe
vereint auch ihre unterschiedlichen Wirkmechanismen, man spricht vom
synergistischen Effekt: Es wird eine Resistenzentwicklung zumindest verzögert.
Sulfamethoxazol ähnelt in seiner Struktur der p-Aminobenzoesäure. Dadurch kann
es die Dihydrofolsäuresynthese (Dihydropteroinsäure-Synthetase) blockieren. Als
Resultat entsteht keine Dihydrofolsäure, die von Bakterien aber dringend benötigt
wird um Tetrahydrofolsäure zu produzieren, um wiederum Nucleotide produzieren
zu können. Trimethoprim hemmt wiederum direkt die Dihydrofolsäurereduktase
und damit die Tetrahydrofolsäure. (5) Sulfamethoxazol und Trimethoprim wirken
bakteriostatisch. Durch ihre Kombination wirken sie jedoch teilweise bakterizid.
(17)
Wirkspektrum: Cotrimoxazol umfasst als sensitive Erreger eine breitgefächerte
Gruppe an grampositiven und negativen Kokken und gramnegativen Stäbchen
(u.a. Neisserien, Enterobacteriaceae, Streptokokken und Staphylokokken. (17)
62
Dosis:

Tagesdosis für Säuglinge ab 6 Wochen bis 5 Monate: 2 x 20 mg/100 mg

Tagesdosis für Kinder im Alter vom 6. Monat bis zum 5. Lebensjahr: 2 x
40/200 mg peroral

Tagesdosis für Kinder vom 6. bis zum 12. Lebensjahr: entweder 2 x 80/400
mg peroral; oder auch 6/30 mg/kg KG peroral

Tagesdosis für Kinder vom 6. bis zum 12. Lebensjahr: entweder 6/30–9/45
mg/kg KG parenteral; oder auch 2 x 6/30 mg/kg KG parenteral (17)
Nebenwirkungen: Gastrointestinale Störungen und Exantheme können auftreten.
Außerdem besteht bei Früh-/Neugeborenen die Gefahr der Hyperbilirubinämie mit
Kernikterus. (17)
4.3.3 Metronidazol
Derzeit ist nur noch ein Wirkstoff der Nitromidazole, das Metronidazol
(Handelsname Österreich/Deutschland: Anaerobex/Clont) im klinischen Alltag
vertreten. In Österreich gibt es ferner noch Nitrofurantoin (Handelsname:
Furadantin). (5,10)
Wirkmechanismus: Metronidazol und Nitrofurantoin haben eine Nitrogruppe als
„reaktive“ Gruppe. Freie Elektronen werden auf die Nitrogruppe übertragen,
wodurch Nitroradikale entstehen, die DNA-Addukte bilden. Es kommt zu Schäden
in der DNA. Der Wirkmechanismus ist bakterizid. (5,17)
Kinetik: Diese Substanzklasse per os verabreicht, wird schnell und gut resorbiert.
Die Stoffwechselprodukte, die im Anschluss an die Oxidierung und
Glucuronidierung in der Leber entstehen, werden mit dem Harn ausgeschieden.
(5)
Wirkspektrum: Nitromidazole eignen sich hervorragend zur Bekämpfung von
Infektionen mit obligat anaeroben Bakterien und Protozoen. Es muss jedoch
beachtet werden, dass selten reine Anaerobierinfektionen vorliegen, sondern es
63
sich zumeist um Mischinfektionen mit Aerobiern handelt. Hier ist es ratsam eine
Kombination mit einem Cephalosporin zu applizieren. (17)
Dosis:

Metronidazol: Tagesdosis für Kinder: 20–30 mg/kg KG peroral; Tagesdosis
für Kinder: 30 mg/kg KG parenteral

Nitrofurantoin: Tagesdosis für Kinder: 3–5 mg/kg KG peroral (19)
Nebenwirkungen: Typische Begleiterscheinungen unter einer Therapie mit
Nitromidazolen sind: gastrointestinale Störungen und metallische
Geschmacksempfindungen. Ferner kann es zu Kopfschmerzen, Schwindel,
Parästhesien und Exanthemen kommen. (5)
4.4 Wirkung an der Zellmembran
Nennenswert sind hier zuerst das Antiinfektivum Daptomycin (Handelsname
Österreich/Deutschland: Cubicin) und die Polypeptide. Ersteres zählt zu einer
neueren Antibiotika-Klasse, den zyklischen Lipopeptiden. Es wirkt bakterizid und
ist leider bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren kontraindiziert. (17)
Die beiden Vertreter der Polypeptide Polymyxin B und Colistin werden zwar oral
zur Darmdekontamination eingesetzt, jedoch sollten allgemein die Wirkstoffe der
Polypeptide v.a. topische Anwendung finden, aufgrund der beobachteten Nephround Neurotoxizität. (17)
4.5 Antimykobakterielle Antiinfektiva
Die wohl bekanntesten durch Mykobakterien hervorgerufenen Erkrankungen sind
Tuberkulose und Lepra. Jedoch zählen mehr als 100 Arten zur Gattung der
Mykobakterien. Charakteristisch für Mykobakterien sind ihre dicken, wachsartigen
Zellwände und eine fehlende äußere Membran. Sie werden zwar den
grampositiven Bakterien zugeordnet, jedoch sind sie leider sehr oft bedeutend
widerstandsfähiger als diese Gruppe. (5)
64
Die wichtigsten Vertreter, die auch Anwendung im Kindesalter finden, sind:
Isoniazid, Rifampicin, Pyrazinamid und Ethambutol. (17)
65
5. Besonderheiten der pädiatrischen Antibiotikatherapie
Antibiotika sind im therapeutischen Regime der Pädiatrie unverzichtbar. Trotz
allem erfordert die Behandlung eines Kindes immer die besonders strenge
Abwägung des Nutzens gegen das Risiko. Das tägliche Problem der Pädiater und
Pädiaterinnen ist jedoch die fehlende Datenlage bei vielen Medikamenten, auch
bei Antibiotika. (2,21) Im folgenden Kapitel sollen pharmakologische
Besonderheiten der antibiotischen Therapie aufgezeigt werden.
5.1. Dosisberechnungen
In der Praxis gibt es viele verschiedene Versuche, Medikamente im pädiatrischen
Bereich erfolgreich zu dosieren. Leider wird noch immer häufig auf Basis der
Erwachsenendosis und des individuellen Körpergewichts des Patienten und der
Patientinnen gerechnet. Jedoch ist dies als schlechteste Methode deutlich
hervorzuheben. Antibiotika reichern sich vor allem im Extrazellularraum an. Sei die
Größenveränderung des Extrazellularraums die wichtigste altersabhängige
Variable, kann folgende Formel helfen:
Dosis Kind = Dosis Erwachsener
x
Oberfläche des Kindes
1,73 m2
Die hiermit errechneten Dosierungen ergeben für Kinder eine umso höhere Dosis,
je jünger sie sind. (2) Kritisch ist bei dieser Berechnung jedoch, dass besonders
bei Kindern Fieber, Erbrechen, Exsikkose und Ödeme zu erheblichen
Veränderungen des Extrazellulärraums führen können und somit eine sinnvolle
Berechnung anhand der Formel nicht gewährleistet sein kann. (11)
Andere Berechnungen orientieren sich an komplexen mathematischen
Berechnungen. „Die hierfür notwendigen Formelableitungen müssen einschlägiger
Fachliteratur vorbehalten bleiben.“(15)
Am häufigsten finden sich im klinischen Alltag, speziell in der antibiotischen
Therapie viele Erfahrungswerte beziehungsweise Dosierungen, die auf
publizierten Daten anderer Pädiater und Pädiaterinnen oder dem Hersteller des
66
Medikamentes beruhen. (21) Vor allem sollten vorwiegend Arzneimittel mit einer
großen therapeutischen Breite eingesetzt werden.(11)
5.2 Spezielle pharmakologische Aspekte (pharmakokinetische und
pharmakodynamische Wechselwirkungen)
Pharmakologische Besonderheiten bei Antibiotika sind mannigfaltig und mit
Sicherheit noch nicht gänzlich bekannt. Für einige Präparate sind jedoch
pharmakodynamische bzw. pharmakokinetische Auffälligkeiten näher untersucht,
die es in der Pädiatrie zu berücksichtigen gilt. (2,21) Für einige Substanzklassen
mit besonders geringer therapeutischer Breite wird zusätzlich zu individuellen
Dosisberechnungen noch das sogenannte „therapeutische Drug-Monitoring“
empfohlen. Hierbei wird auf Basis gemessener Serumkonzentrationen die Dosis
kontinuierlich individuell angepasst. Antibiotika, für die ein Drug-Monitoring
empfohlen wird sind: Aminoglykoside, Vancomycin und Chloramphenicol. (13)
Leider gibt es zahlreiche unerwünschte Nebenwirkungen, die sich durch die
besonderen pharmakologischen Verhältnisse bei Heranwachsenden erklären
lassen. Ein besonders schlimmes Beispiel ist das sogenannte Grey-Syndrom.
Neugeborene haben eine ausgeprägte, physiologische
Glucuronidierungsschwäche. Bei relativer Überdosierung des Antibiotikums kann
es letal sein. (9,11)
Sulfonamide (einschließlich Cotrimoxazol) und Ceftriaxon können aufgrund ihrer
starken Plasmaproteinbindung unkonjugiertes Bilirubin verdrängen. Ein
gefürchteter Effekt ist der sogenannte Kernikterus, auch Bilirubinenzephalopathie.
Das unkonjugierte Bilirubin ist lipidlöslich und kann dadurch die Blut-Hirnschranke
überwinden. Es lagert sich vor allem in den Basalganglien ab und führt zu einer
irreversiblen Schädigung des Kindes. (9,13)
Außerdem zu beachten ist die hohe Affinität der Tetracycline zu Knochen.
Tetracycline bilden mit Calcium Komplexe, dadurch kommt es zu einer
Wachstumsverzögerung des Feten, zur Dentinverfärbung und einer erhöhten
Kariesanfälligkeit. (11,15)
Ein absolutes Anwendungsverbot gilt für alle Gyrasehemmstoffe. Fluorchinolone
verursachen schwere Knorpelschäden und sind somit kontraindiziert in der
67
Wachstumsperiode. Wie bereits erwähnt, sollten Aminoglykoside stets direkt über
Plasmakonzentrationen angepasst werden, da sie genauso wie Vancomycin stark
oto- und nephrotoxisch sein können. (9,11)
Aminoglykoside sind außerdem besonders streng zu kontrollieren, da die
benötigten Sättigungs- und Erhaltungsdosierungen stark variieren in Abhängigkeit
von der Entwicklungsphase. Früh- und Neugeborene haben einen sehr großen
Extrazellularraum bei einer noch niedrigen Gesamtkörperclearance. Sie benötigen
eine hohe Sättigungsdosis des hydrophilen Medikaments, jedoch nur eine geringe
Erhaltungsdosis. Umgekehrt verhält es sich bei Kleinkindern im „ToddlerOvershoot“: sie benötigen teilweise eine Verdreifachung der Dosis eines
Neugeborenen aufgrund der hohen Gesamtkörperclearance. Als letzte
unerwünschte Nebenwirkung bei Heranwachsenden ist die motelinomimetische
Wirkung des Erythromycins zu nennen. Das Ansprechen der glatten Muskulatur
des Magenantrums kann hier zur Entwicklung einer hypertrophen Pylorusstenose
führen. (11,15)
Weitere grundsätzliche pharmakologische Besonderheiten der Antibiotika sind die
verminderte Wirkung der Tetracycline und Fluorchinolone bei gleichzeitiger
Einnahme mit Milch. Es kommt zur Chelatbildung und die benötigten
Konzentrationen der Antibiotika werden nicht erreicht, da Komplexe nicht
resorbierbar sind.
Chloramphenicol ist wie bereits erwähnt schwierig zu dosieren. Die Gefahr der
Überdosierung und somit eines Grey-Syndroms ist stets zu bedenken, jedoch
kann es bei Neugeborenen auch umgekehrt zu niedrigen Konzentrationen
kommen aufgrund einer physiologisch erniedrigten Gallensäurensekretion.
Hierdurch können weniger fettlösliche Vitamine D, E und K resorbiert werden, die
aber für die Umwandlung der sogenannten Prodrug des Chloramphenicols in den
aktiven Wirkstoff benötigt werden. (13,15)
Prodrugs sind Substanzen, „ (…) die selbst biologisch weitgehend inaktiv sind, die
aber im Organismus – enzymatisch oder nichtenzymatisch – in eine aktive Form
umgewandelt werden.“(13) Prodrugs werden verwendet um eine besondere
technologische, pharmakodynamische oder pharmakokinetische Eigenschaft einer
Substanz zu erhalten. Das Antibiotikum Erythromycin ist zur Verbesserung des
68
Geschmacks als Prodrug erhältlich. Cefuroxim hingegen ist als Prodrug erhältlich
um die Resorption zu steigern. (13)
5.3 Applikationsformen und Darreichungsformen in der Pädiatrie
Applikations- bzw. Darreichungsformen spielen in der Pädiatrie eine sehr große
Rolle. Früher wurden Kinder gezwungen große Tabletten zu schlucken, die
teilweise noch vorher zerbrochen werden mussten, um die Dosis zumindest
minimal anzupassen. Die Resultate waren verheerend. Aspirationen und toxische
Nebenwirkungen traten gehäuft auf. Heutzutage wird versucht, auf die speziellen
Bedürfnisse der Kinder einzugehen. (15) Nachdem die orale Medikation die
gebräuchlichste ist, bemühen sich Hersteller viele Medikamente in flüssiger Form
anzubieten, in Form von Säften, aber auch Granulaten und Pellets, die verflüssigt
werden können. Essentiell sind hier skalierte Applikationsspritzen oder
Messbecher um eine genaue Dosierung zu gewährleisten. Nachteil einer flüssigen
Galenik ist, dass Hersteller gezwungen sind, Konservierungs- bzw. Hilfsstoffe
zuzusetzen. (15)
Die rektale Applikation eignet sich besonders für die Notfallsituation bei
Krampfanfällen und zur Antipyrese. Ein Vorteil dieser Applikationsart ist die
Umgehung des First-Pass-Effekts. Schwierigkeiten bereiten jedoch Wirkstoffe, die
nur eine geringe therapeutische Breite aufweisen oder bei denen eine
ausreichende gleichmäßige Konzentration unabdingbar ist. Antibiotika sind darum
nicht als Zäpfchen zu erhalten. Eine fehlende Akzeptanz bei älteren Kindern und
Jugendlichen schränkt die Anwendung in dieser Altersgruppe außerdem ein. (15)
Oromukosale Applikationen sind ebenfalls leicht durchzuführen und sollen für
prolongierte Krampfanfälle des Säuglings bis zum Jugendlichen zugelassen
werden. (15)
Topische und transdermale Applikationssysteme erfreuen sich in der Pädiatrie
großer Beliebtheit. Sie finden Einsatz in der Palliativmedizin, bei der Prophylaxe
der Reiseübelkeit und in der Empfängnisverhütung. Wie bereits in Kapitel 2.2
erwähnt, ist jedoch bei Neugeborenen die Gefahr der Intoxikation gegeben,
aufgrund der Besonderheiten im Stratum corneum. (15)
69
Bei den parenteralen Darreichungsformen sind vor allem die intravenöse und die
intramuskuläre Injektion von Bedeutung. Intravenöse Arzneimittel finden vermehrt
Einsatz im Bereich der Intensivmedizin. Vorsicht ist hier jedoch geboten, da das
Antibiotikum Ceftriaxon beispielsweise in kalziumhaltigen Infusionslösungen
ausfällt. Ceftriaxon kann aber auch intramuskulär appliziert werden. In
Ambulanzen oder im niedergelassenen Bereich ist dies eine gute Möglichkeit um
einen stationären Krankenhausaufenthalt zu umgehen. Die Injektionslösung muss
natürlich gewebeverträglich sein. Das früher wiederholt intramuskulär injizierte
Penicillin hat heute keine Zulassung mehr in dieser Applikationsform. (15)
Mit der nasalen Applikation lassen sich ebenfalls systemische Wirkungen erzielen.
Eine schnelle Wirkung, sowie eine leichte Handhabung sind eindeutig Vorteile
dieser Applikationsart. Ebenfalls wird der First-Pass-Effekt umgangen, jedoch
eignet sich die nasale Applikation wieder nicht für Medikamente mit geringer
therapeutischer Breite. (15)
5.4 Wichtigste Präparate im pädiatrischen Alltag
Die Datenlage zu den wichtigsten bzw. am häufigsten verschriebenen Antibiotika
in der Pädiatrie ist sehr gering. Internationale Projekte wie ARPEC (Antimicrobial
Resistance and Prescribing in European Children) versuchen aktuell Daten zu
sammeln.
Eine Studie der deutschen gesetzlichen Krankenkassen GK zeigte, dass im Jahr
2009 33% der Erwachsenen und 38% der Kinder und Jugendlichen ein
Antibiotikum erhielten. In der Gruppe der 0- bis 2-Jährigen waren es sogar 44,9%.
Tabelle 12 zeigt die zehn häufigsten Präparate, die verschrieben wurden.
70
Tabelle 12: Top 10 Antibiotika 2009 (3)
Kinder, Jugendliche und Erwachsene erhalten nach dieser Tabelle am häufigsten
Amoxicillin. An Stelle zwei und drei folgen bei Kindern jedoch Cefaclor und
Phenoxymethylpenicillin, bei Erwachsenen Ciprofloxacin und Doxycyclin. Dies ist
positiv hervorzuheben, da Tetracycline und Fluorchinolone bei Kindern wie in den
vorherigen Kapiteln besprochen, besonders unangenehme Nebenwirkungen
zeigen. (3)
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die gebräuchlichsten Antibiotika der
Pädiatrie in Italien, den Niederlanden und Großbritannien.
UK
Italien
Niederlande
Amoxicillin 44%
Amoxicillin 25%
Amoxicillin 45%
Amoxicillin und
Amoxicillin und
Clavulansäure 23%
Clavulansäure 13%
Erythromycin 10%
Azithromyzin 10%
Azithromycin 8%
Flucloxacillin 9%
Cefaclor 9%
Clarithromycin 7%
Trimethoprim 5%
Cefixim 7%
Pheneticillin 6%
Penicillin V 13%
71
Amoxicillin und
Clavulansäure 4%
Cefalexin 3%
Ceftibuten 3%
Nitrofurantoin 4%
Cefpodoxim 2%
Flucloxacillin 3%
Tabelle 13: Antibiotika Gebrauch im europäischem Ausland (22)
Rote bzw. gelb hinterlegte Felder weisen auf einen zu hohen Einsatz der
Breitband- und Reserveantibiotika hin. (22)
5.5 Aktuelles rund um die wichtigsten Präparate in der Pädiatrie
Insgesamt werden sowohl in Deutschland als auch in Österreich im internationalen
Vergleich verhältnismäßig wenige Antibiotika verschrieben. In Ländern, in denen
die Verordnungshäufigkeit größer ist, sind auch vermehrt Resistenzen
beschrieben (z.B. Italien), et vice versa (z.B. die Niederlande).
Abbildung 9: Antibiotikaverbrauch im internationalen Vergleich (3)
72
Die große Gruppe der Aminopenicilline weist leider mittlerweile örtlich hohe
Resistenzraten auf. „Resistent sind Beta-Laktamase-bildende Stämme von
Staphylokokkus aureus, Haemophilus influenzae (hierzulande 3 bis 5%) und
Moraxella catarrhalis sowie viele Enterobacteriaceae (Klebsiellen u.a.),
Mykoplasmen, Chlamydien und Legionellen.“ (23)
Makrolide haben sich bereits lange in der Pädiatrie bewährt. Jedoch sind auch bei
ihnen in Deutschland vermehrte Resistenzen bei A-Streptokokken und
Pneumokokken bekannt. Teilweise erreichen die Resistenzraten hier regional bis
zu 20%. (23)
73
6. Diskussion
Zu Beginn meiner Diplomarbeit war ich mir nicht dem Ausmaß der Schwierigkeiten
bewusst, die in einer wissenschaftlich begründeten pädiatrischen
Antibiotikatherapie liegen.
Im Rahmen meiner Literaturrecherche erfuhr ich, dass 80% der Arzneien für
Kinder nicht zugelassen sind. (11) Viele Medikamente werden im Rahmen einer
Off-Label-Anwendung verschrieben. Doch wie soll sich auf dieser Grundlage eine
wissenschaftlich begründete pädiatrische Arzneimitteltherapie entwickeln?
Einige pharmakologische Interaktionen und Besonderheiten im Kindesalter sind
bekannt, die Nichtbeachtung kann verheerende Folgen haben (Stichwort GreySyndrom). Jedoch ist die Datenlage insgesamt als unzureichend zu betrachten.
Wieso werden also nicht mehr Untersuchungen bzw. Arzneimittelstudien
veranlasst?
Einerseits ist möglicherweise die pädiatrische Zielgruppe zu klein mit der Folge,
dass sich der potenzielle Profit für Firmen im Verhältnis zu den Kosten von
aufwendigen Zulassungsstudien nicht lohnen würde. Andererseits sind
Arzneimittelstudien mit Kindern ethisch und moralisch sehr schwierig zu bewerten:
Kinder sind nicht in der Lage, in Studien selber einzuwilligen und bestehende
Risiken einzuschätzen.
Die möglichen Nebenwirkungen einer antibiotischen Fehlbehandlung können
Kinder u.U. lebenslang beeinträchtigen.
Seit neuestem gibt es wenigstens Projekte (ARPEC), die versuchen, die
Behandlungsdaten großflächig zu sammeln, um aus der Datensammlung
Rückschlüsse ziehen zu können. Jedoch können hierdurch keine Studien für
Neuzulassungen an Kindern ersetzt werden.
Kinder sind ein besonders vorsichtig zu behandelndes Patientenklientel. Dies steht
aber im krassen Gegensatz zu dem Umstand, dass 80% der in dieser
Altersgruppe eingesetzten Medikamente „off-label“ verschrieben werden.
74
Umgekehrt ist aber auch festzuhalten, dass besonders die fehlende Datenlage
Pädiater und Pädiaterinnen bereits immer gezwungen hat, besonders umsichtig
das Nutzen-Risiko-Verhältnis in der Therapie ihrer Patienten und Patientinnen
abzuwägen.
Auf Basis dieser konservativen Einstellung und den mit einer fehlenden Zulassung
verbundenen Zurückhaltung sind vielleicht viele gefährliche Nebenwirkung bzw.
Effekte in der ärztlichen Behandlung von Kindern ausgeblieben.
Andererseits sind möglicherweise durch den unsicheren Zulassungsstatus von
Medikamenten wichtige therapeutische Optionen nicht zum Einsatz gekommen,
die u.U. in der Behandlung von z.T. lebensbedrohlichen Infektionserkrankungen
einen großen Fortschritt bedeuten.
Zusammenfassend hat die Literaturrecherche gezeigt, dass der Bedarf an
wissenschaftlichen Studien besonders im pharmakodynamischen und
pharmakokinetischen Bereich der Pädiatrie besonders groß ist.
Trotz aller praktischen und methodischen Schwierigkeiten, die pharmakologische
Forschungen im Bereich der Pädiatrie beinhalten, sind der zu erwartende Nutzen
und die Konsequenzen für die medikamentöse Therapie dieser speziellen
Altersgruppe enorm.
Ein möglicher Ausweg ist es, pharmakologische Besonderheiten mit bereits bei
Kindern zugelassenen Wirkstoffen mit großer therapeutischer Breite zu
untersuchen.
75
Literaturverzeichnis
1.
Glaeske G, Janhsen K. Probleme der medikamentösen Versorgung bei
Kindern — Bessere Evidenz und mehr Sicherheit erforderlich. In: Bitzer E,
Walter U, Lingner H, Schwartz F-W, editors. Kindergesundheit stärken
[Internet]. Springer Berlin Heidelberg; 2009. p. 220–31. Available from:
http://dx.doi.org/10.1007/978-3-540-88047-9_26
2.
Koletzko B, Ranke MB, von Harnack GA. Kinder und Jugendmedizin. 14th
ed. Koletzko B, editor. Berlin, Heidelberg: Springer; 2013. 1-15, 201-240,
657-662 p.
3.
Glaeske G, Hoffmann F, Koller D, Tholen K, Windt R. Faktencheck
Gesundheit - Antibiotikaverordnungen bei Kindern [Internet]. 2012. Available
from: https://antibiotika.faktencheckgesundheit.de/fileadmin/daten_fcab/Dokumente/120209_Faktencheck_Ges
undheit_Antibiotika-Verordnungen_bei_Kindern_01.pdf
4.
Wennergren G, Lagercrantz H. “One sometimes finds what one is not
looking for” (Sir Alexander Fleming): the most important medical discovery of
the 20th century. Acta Paediatr. 2007;96:141–4.
5.
Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer H-K, Ruth P, Menzel S. Therapie von
Infektionskrankheiten. Arzneimittelwirkungen – Lehrbuch der Pharmakologie
und Toxikologie. 10th ed. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
Stuttgart; 2013. p. 730–97.
6.
Klein P, Falke D, Hahn H. Ursprung der medizinischen Mikrobiologie. In:
Suerbaum S, Hahn H, Burchard G-D, Kaufmann SE, Schulz T, editors.
Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie [Internet]. 7th ed. Berlin,
Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2012. p. 7–10. Available from:
http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-24167-3_2
7.
Hof H, Dörries R. Allgemeine Bakteriologie. In: Herbert Hof ; Rüdiger
Dörries. Unter Mitarb. von Gernot Geginat, editor. Medizinische
76
Mikrobiologie. 4th ed. Stuttgart: Thieme Verlagsgruppe; 2009. p. 275–309.
8.
Horn F, Armbruster M, Berghold S, Blaeschke, Franziska Grillhösl C,
Helferich S, Moc I, et al. Biochemie des Menschen - Das Lehrbuch für das
Medizinstudium. 4th ed. Stuttgart / New York: Thieme Verlagsgruppe; 2009.
312-317 p.
9.
Hahn J-M. Duale Reihe Pharmakologie und Toxikologie. 2nd ed. Graefe,
Karl Heinz; Lutz, Werner; Bönisch H, editor. Stuttgart, New York, Delhi, Rio:
Thieme Verlagsgruppe; 2016. 4-60, 566-601 p.
10.
Beubler Eckhard. Kompendium der Pharmakologie [Internet]. 3rd ed. Wien:
Springer Verlag Wien; 2011. 3-24, 191-205 p. Available from:
http://dx.doi.org/10.1007/978-3-211-72333-3_28
11.
Lemmer B, Brune K. Besonderheiten der Arzneimitteltherapie im
Kindesalter. Pharmakotherapie - Klinische Pharmakologie. 14th ed.
Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg; 2010. p. 453–60.
12.
Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer H-K, Ruth P, Schäfer-Kortin M.
Mutschler Arzneimittelwirkungen kompakt. 1st ed. Stuttgart:
Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart; 2005. 4-39 p.
13.
Mutschler E, Geisslinger G, Kroemer H-K, Ruth P, Menzel S.
Arzneimittelwirkungen - Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie. 9th
ed. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart; 2008. 5-90 p.
14.
Kuse M, Sandner F. Basics - Allgemeine Pharmakologie. München: Urban &
Fischer; 2009. 2-37 p.
15.
Hoffmann GF, Lentze MJ, Zepp F, Spranger J. Pädiatrie - Grundlagen und
Praxis. 4th ed. Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg; 2014. 10031035 p.
16.
Aktories K. Antibiotika und Chemotherapeutika - antiinfektiöse Therapie. In:
Aktories K, Förstermann U, Hofman F, Starke K, editors. RepetitoriumAllgemein und spezielle Pharmakologie und Toxikologie. 2nd ed. München:
Urban & Fischer; 2009. p. 319–76.
77
17.
Karow T, Lang-Roth R. Antimikrobielle Pharmaka und Infektionskrankheiten.
In: Karow T, editor. Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und
Toxikologie. 23rd ed. Köln; 2014. p. 723–84.
18.
Lüllmann H, Mohr K, Hein L. Infektionskrankheiten. Pharmakologie und
Toxikologie. 17th ed. Stuttgart: Georg Thieme Verlag; 2010. p. 475–84.
19.
Thalhammer F. Antibiotika und Antiinfektiva: rasch nachschlagen - richtig
therapieren. 6th ed. Wien: Styria Multi Media; 2012. 10-11, 16-17, 32-33 p.
20.
Österreichische Gesellschaft für antimikrobielle Chemotherapie.
Infektionsnetz Österreich [Internet]. Available from:
http://www.infektionsnetz.at
21.
Wehling M, editor. Besonderheiten der Pharmakotherapie bei geriatrischen
Patienten und bei Kindern. Klinische Pharmakologie. 2nd ed. Stuttgart:
Georg Thieme Verlag; 2011. p. 661–73.
22.
Lundin R. Combatting antimicrobial resistance in paediatrics [Internet]. The
ARPEC Project Prescribing in European Children ( ARPEC ). 2014 [cited
2016 Jul 6]. Available from:
http://ec.europa.eu/chafea/documents/health/rome-0203122014lundin_en.pdf
23.
Vogel F, Scholz H, Al-Nawas B, Elies W, Kresken M, Lode H, et al.
Rationaler Einsatz oraler Antibiotika bei Kindern und Jugendlichen.
Chemother J. 2002;25(6):193–204.
78
Herunterladen