Einleitung Wir wollen die Funktionalanalysis entsprechend dem Kanon, dem in der Literatur weitgehend gefolgt wird, vgl. z.B. Alt [3], behandeln. Als Vorkenntnisse erwarten wir Kenntnisse der linearen Algebra und der Analysis gemäß einem üblichen einführenden Kursus an einer deutschen Hochschule. Insbesondere setzen wir voraus, dass die Hörer mit dem Integralbegriffen nach Riemann und Lebesgue vertraut sind und darüber hinaus, die Räume Lp (Ω) für Gebiete im Rn und p ∈ [1, ∞) als Konzepte bekannt sind. Außerdem erwarten wir, dass die Eigenschaften von R und Rn vertraut sind, sowohl die lineare Struktur, wie auch elementare metrische Eigenschaften. Wir wollen nicht nur eine abstrakte Theorie von Räumen anbieten, sondern möglichst auch einen reichen Beispielvorrat. Dazu dienen die Übungsaufgaben und das wöchentliche Beispiel, genannt Raum der Woche. Grundkenntnisse in der mengentheoretischen Topologie sind nützlich, aber keineswegs notwendig. Die erwarteten Vorkenntnisse werden üblicherweise in einer Analysisvorlesung abgedeckt. Wesentliche Prinzipien, die sowohl abstrakt, wie auch in konkreten Beispielen eine Rolle spielen werden sind: der Satz von Hahn-Banach, Vervollständigung metrischer Räume und die Anwendung auf Räume der Funktionalanalysis, der Bairesche Kategoriensatz mit seinen weitreichenden Folgerungen, Dualräume und schwache Topologien. Diese Konzepte sind teilweise direkte Fortsetzungen von Ideen, die bereits in der Analysis, bzw. der linearen Algebra auftauchen. Die Funktionalanalysis steht in enger Beziehung zu Anwendungen, speziell auf dem Gebiet der (partiellen) Differentialgleichungen, aber auch in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Quantenmechanik und anderer mathematischer Disziplinen. Wichtig ist mir die folgende Bemerkung: man kann auf verschiedene Abstraktionsebenen vorgehen. Eine Möglichkeit wäre Hilberträume in den Mittelpunkt zu stellen, eine andere lokalkonvexe oder Frechéträume als Schwerpunkt auszuwählen. Wir wollen einen Zwischenweg gehen und Banachräume als zentrales Objekt betrachten. 1 2 INHALTSVERZEICHNIS Allerdings soll der Hinweis nicht fehlen, dass die mathematische Formulierung konkreter Anwendungen auch auf allgemeinere Räume führen kann. Unsere Vorlesung ist nicht die vollständige Beschreibung der Theorie sondern ein Aspekt und andere Aspekte können für gewisse Zwecke besser geeignet sein. Allerdings sollte die fundierte Kenntnis des hier angebotenen Materials es leicht machen, auch andere allgemeinere Aspekte zu lernen. Die Vorlesung wird aus vier Kapiteln bestehen. Im ersten Teil diskutieren wir elementare Prinzipien, beginnend mit dem Prinzip der Vervollständigung, den Sätzen von Hahn und Banach über lineare Funktionale und dem Baireschen Kategorienprinzip und seinen unmittelbaren Folgerungen. Natürlich spielen auch hier, wie in vielen mathematischen Theorien neben den Objekten die strukturerhaltenden Abbildungen eine wichtige Rolle. Ja, ab einem gewissen Moment spiegeln sich ja die Objekte in den Abbildungen wieder und auch dies wird hier eine Rolle spielen. Danach studieren wir spezielle Räume und einige Eigenschaften, der dritte Teil führt uns in den Kontext schwacher Topologien und kompakter Abbildungen. Im vierten Kapitel werden die Hilberträume und die Spektraltheorie linearer Operatoren die wesentliche Rolle spielen. Es gibt eine Reihe sehr guter Bücher über Funktionalanalysis, aus denen jeweils auch Elemente entlehnt wurden, zu nennen sind Alt [3], Werner [30], Kato [19], Rudin [27], Hirzebruch & Scharlau [16], Yosida[31], Friedman [11]. Eine sehr umfangreiche Darstellung enthält das Werk von Dunford & Schwartz [7, 8, 9]. Es gibt eine wahre Flut hervorragender Darstellungen der Funktionalanalysis. Dies zeigt vielleicht die Bedeutung, die dieses Gebiet innerhalb eines Jahrhunderts erlangt hat. Wie die historischen Bemerkungen am Rande deutlich machen, ist die Geschichte der Funktionalanalysis eng mit den großen Namen der Mathematik des 20 Jahrhunderts verbunden; hier nur eine Auswahl: Hilbert, Poincaré, Banach, Riesz, Weyl, Fréchet, L. Schwarz. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Bücher mit sehr vielen Informationen, erwähnt seien Edwards [10], Hille & Phillips[15] und Holmes [17]. Vor allem im letztgenannten Werk sind eine Reihe tiefer Sätze zu finden, die weit über unseren Stoff hinausgehen. Spezielle Vertiefung des Beispielvorrates an Banachräumen findet man in im Werk von Lindenstrauss &Tzafriri [25, 26]. Weitere Beispiele für interessante Räume bildet die moderne Integrationstheorie, siehe Bartle [4]. Die genannten Werke sollen als Anlaufstelle diesen, wenn konkrete Probleme anliegen, den Stoff abrunden, sind aber kei- INHALTSVERZEICHNIS Abbildung 1: David Hilbert (23.1.1862-14.2.1943) im Jahr 1900 Abbildung 2: Stefan Banach (30.3.1892-31.8.1945) 3 4 INHALTSVERZEICHNIS Abbildung 3: Hermann Klaus Hugo Weyl (9.11.1885-8.12.1955) Abbildung 4: Laurent Schwartz (5.3.1915-4.7.2002) INHALTSVERZEICHNIS 5 neswegs als begleitende Lektüre zur Vorlesung gedacht oder notwendig! Noch kurz ein paar Vereinbarungen zur Notation: N = {1, 2, 3, . . . }, N0 = N ∪{0}, R steht für den Körper der reellen, C für den Körper der komplexen Zahlen. Alle weiteren Schreibweisen werden formal eingeführt. Für die historischen Anmerkungen wurden folgende Quellen genutzt: 1. Die Internetseite von St. Andrews College: http://www-gap.dcs.st-and.ac.uk/ history/Indexes/HistoryTopics.html 2. Die Brockhaus Enzyklopädie [1] 3. Lexikon bedeutender Mathematiker [12]