IWE Informationsbrief Lehre Research Ethics S (Hannover) eit Januar 2002 ist das IWE Projektpartner in der Klinischen Forschergruppe „Stammzelltransplantation – Molekulare Therapieansätze in der Pädiatrie“ (DFG), die an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) koordiniert wird. Eine Komponente des vom IWE bearbeiteten Teilprojekts ist die Entwicklung eines Curriculums der Forschungsethik für Naturwissenschaftler und klinische Forscher. Vor wenigen Wochen hat die erste Erprobung dieses Curriculums stattgefunden, bei der 20 Teilnehmern des internationalen MD/PhD-Programms „Molecular Medicine“ an der MHH Grundlagen und Problemstellungen aus dem Bereich „Research Ethics“ vermittelt wurden. Nach einer einführenden Vorlesung (24. Februar 2004, Dr. phil. Dietmar Hübner) wurden in einem Blockseminar (5./6. März 2004) Einblicke gegeben in „Types of Ethical Theories“ (Dr. phil. Dietmar Hübner), „Good Scientic Practice“ (Dr. phil. Michael Fuchs), „Research on Humans“ (Bert Heinrichs, M.A.) sowie „Research and Society“ und „Commercialization“ (PD Dr. med. Thomas Heinemann). Die englischsprachige Veranstaltung fand bei den Teilnehmern ein sehr positives Echo. Sie soll auch in Zukunft zum Angebot des MD/PhD-Programms gehören und beständig fortentwickelt werden. Dietmar Hübner Medizin- und Unternehmensethik D (Waldbreitbach, Weiskirchen) as IWE hat in Zusammenarbeit mit zwei katholischen Krankenhausträgern, der Marienhaus GmbH Waldbreitbach und der Caritas Trägergesellschaft Trier (CTT), eine qualizierte Weiterbildung „Medizin- und Unternehmensethik für leitende Ärzte“ entwickelt. Nach Beginn im Februar 2004 nden auf der Grundlage eines praxisnahen und am aktuellen Problemstand orientierten Curriculums insgesamt 13 Weiterbildungstage in fünf Seminaren statt. Veranstaltungsorte sind Waldbreitbach und Weiskirchen. Das Projekt, das von Professor Dr. phil. Dr. h.c. Ludger Honnefelder geleitet wird und von Dr. med. Matthias Schmidt ausgearbeitet worden ist, ist als sich selbst fortschreibende und kontinuierlich angepasste Weiterbildung konzipiert. Nach dem inzwischen durchgeführten dritten Seminarteil (April 2004) ist eine außerordentlich positive Resonanz sowohl unter den Teilnehmern als auch von Seiten der Träger zu verzeichnen. Nach Abschluss im September 2004 wird ausführlich über die Veranstaltung berichtet werden. Matthias Schmidt 2004, Nr. 1 Veröffentlichungen • Beckmann, J.P.: Ethik nach Maßgabe des Rechts? Eine kritische Herausforderung. In: Tutzinger Blätter 4 (2003), 7-9. • Beckmann, J.P.: Pharmakogenomik und Pharmakogenetik: Ethische Fragen. In: Honnefelder, L., Mieth, D., Propping, P., Siep, L., Wiesemann, C. (Hg.): Das genetische Wissen und die Zukunft des Menschen, Berlin, New York 2003, 348-360. • Beckmann, J.P.: Überlegungen zum Ansatz ethischer Analyse des Klonens im Humanbereich. In: Honnefelder, L., Lanzerath, D. (Hg.): Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion, Bonn 2003, 267-277. • Beckmann, J.P.: Die europäische „Konvention zu Menschenrechten und Biomedizin“ – ein Weg zur Etablierung ethischer Kodizes? In: Jahrbuch der Freunde der FernUniversität, Hagen 2004, 185-198. • Fuchs, M.: Einstellung zu psychiatrischgenetischer Forschung und prädiktiver Diagnostik. Hoffnungen und Befürchtungen von Patienten, Angehörigen und der Allgemeinbevölkerung in Deutschland. In: Ethik in der Medizin 15, 4 (2003), 268-281 (mit Illes, F., Rietz, C., Ohlraun, S., Prell, K., Rudinger, G., Maier, W., Rietschel, M.). • Honnefelder, L.: Das genetische Wissen und die Zukunft der Menschheit – Eine Einführung. In: Honnefelder, L., Mieth, D., Propping, P., Siep, L., Wiesemann, C. (Hg.): Das genetische Wissen und die Zukunft des Menschen, Berlin, New York 2003, 1-11. • Honnefelder, L.: Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion. Einführung in die Thematik der internationalen Konferenz. In: Honnefelder, L., Lanzerath, D. (Hg.): Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion, Bonn 2003, 23-27. • Honnefelder, L.: Die ethische Herausforderung des Menschen durch Genomforschung und Gentechnik. In: Schreiber, H.-L., Rosenau, H., Ishizuka, S., Kim, S. (Hg.): Recht und Ethik im Zeitalter der Gentechnik, Göttingen 2004, 13-23. • Honnefelder, L.: Human Rights and Democracy in the Face of Scientic and Medical Developments. In: Nordic Journal of Human Rights 22, 1 (2004), 32-40. • Horn, C.: Politische Philosophie. Eine Einführung, Darmstadt 2003. • Hübner, D., Heinrichs, B., Heinemann, T., Fuchs, M., Honnefelder, L., Baum, C., Ott, M., Welte, K., Klein, C.: Eigenständige Urteilskompetenz. Ein forschungsethisches Curriculum für die medizinisch-naturwissenschaftliche Ausbildung in Deutschland wird zurzeit in Hannover erprobt. In: Deutsches Ärzteblatt 101, 8 (2004), A-483-484. • Siep, L.: Bemerkungen zum Verhältnis von Technik, Praxis und Status bei der Beurteilung von Klonierungsverfahren. In: Honnefelder, L., Lanzerath, D. (Hg.): Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion, Bonn 2003, 73-78. • Siep, L.: Wissen – Vorbeugen – Verändern. Über die ethischen Probleme beim gegenwärtigen Stand des Genomprojekts. In: Honnefelder, L., Mieth, D., Propping, P., Siep, L., Wiesemann, C. (Hg.): Das genetische Wissen und die Zukunft des Menschen, Berlin, New York 2003, 78-86. • Siep, L.: Gibt es eine menschliche Natur? In: Szaif, J., Lutz-Bachmann, M. (Hg.): Was ist das für den Menschen Gute? Berlin, New York 2004, 307-323. • Sturma, D.: Der Begriff der Autonomie. In: Christaller, T., Wehner, J. (Hg.): Autonome Maschinen – Perspektiven einer neuen Technikgeneration, Opladen, Wiesbaden 2003, 38-55. • Sturma, D.: Kants Einuss auf die gegenwärtige Philosophie des Geistes. In: Teleskop (März 2004), www.teleskop.es/ sciencia. • Woopen, C.: Das Problem der verantworteten Therapieentscheidung in der Neonatologie. In: Ethik in der Medizin 16, 1 (2004), 37-47 (mit Anderweit, S., Licht, C., Kribs, A., Bergdolt, K., Roth, B.). Institut für Wissenschaft und Ethik e.V. Niebuhrstraße 51, D-53113 Bonn Tel.: 0228 / 73 19 20 Fax: 0228 / 73 19 50 E-Mail: [email protected] http://www.iwe.uni-bonn.de Direktorium: Prof. Dr. phil. Dr. h.c. Ludger Honnefelder, Universität Bonn Prof. Dr. rer. nat. Dr. h.c. Christian Streffer, Universität Duisburg-Essen Prof. Dr. phil. Jan P. Beckmann, FernUniversität Hagen IMPRESSUM Seite 4 Prof. Dr. phil. Christoph Horn, Universität Bonn Prof. Dr. phil. Ludwig Siep, Universität Münster Prof. Dr. phil. Dieter Sturma, Universität Duisburg-Essen Wissenschaftliche Mitarbeiter: Barbara Advena-Regnery, M.A. Dr. phil. Michael Fuchs (Gf.) PD Dr. med. Thomas Heinemann Bert Heinrichs, M.A. Martin Heyer Dr. phil. Dietmar Hübner, Dipl.-Phys. Christine Kolbe, M.A. Thomas Runkel Dr. phil. Marianne Schark, Dipl.-Biol. Dr. med. Matthias Schmidt Verena Vermeulen, Dipl.-Biol. Andreas Witt Dr. med. Christiane Woopen Sekretariat: Sabine Derdzinski IWE Institut für Wissenschaft und Ethik Informationsbrief 2004, Nr. 1 Editorial Z u den Zielen des Instituts für Wissenschaft und Ethik (IWE) hat stets gehört, wissenschaftsethische Grundlagen und Konzeptionen anderen Wissenschaftlern und Interessierten zugänglich zu machen und zu vermitteln. In den vergangenen Wochen haben zwei Veranstaltungen stattgefunden, die dieses Ziel in Form von Lehre bzw. Weiterbildung verfolgt haben. Im Februar und März 2004 wurde Nachwuchswissenschaftlern an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) im Rahmen des vom IWE durchgeführten DFG-Projekts „Ethische Analyse und Beurteilung der Entwicklung neuer Behandlungsmöglichkeiten – Grundlegung und curriculare Vermittlung einer begleitenden Forschungsethik“ eine Einführung zum Thema „Research Ethics“ gegeben. Außerdem hat das IWE das Weiterbildungsseminar „Medizin- und Unternehmensethik für leitende Ärzte“ ausgearbeitet, das in Zusammenarbeit mit der Marienhaus GmbH Waldbreitbach und der Caritas Trägergesellschaft Trier (CTT) angeboten wird und das, nachdem die ersten Teile seit Februar 2004 stattgefunden haben, im September 2004 abgeschlossen werden wird. Beide Veranstaltungen werden in diesem Informationsbrief kurz vorgestellt. Im Frühjahr 2005 wird das IWE mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) Klausurwochen zum Thema „Dimensionen der Person: Genom und Gehirn“ durchführen. Der zugehörige Call for Abstracts ist dieser Ausgabe des Informationsbriefs als Beilage angefügt. Am 4. Dezember 2003 hat in Düsseldorf die dritte Plenarsitzung der durch das IWE koordinierten Ethisch-Rechtlich-Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW stattgefunden. Thema waren „Probleme der Patentierung im Zusammenhang der Stammzellforschung“. Die Beiträge zu dieser Sitzung werden im kommenden Band 9 (2004) des Jahrbuchs für Wissenschaft und Ethik abgedruckt werden. Dort werden ebenfalls einige der Vorträge veröffentlicht werden, die auf dem 2nd International Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW am 1. und 2. April 2004 in Bad Godesberg gehalten wurden. Dieses Treffen wird unten genauer beschrieben, ebenso wie ein Kol- loquium vom 28. Februar 2004 in Bonn, auf dem Problemstellungen und Ergebnisse des vom IWE und dem Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn durchgeführten DFG-Projekts „Wachstumshormontherapie bei Kindern ohne Wachstumshormonmangel. Therapie – Enhancement – Futile Care“ diskutiert wurden. Im März 2004 ist das internationale Forschungsprojekt „European Project on Delimiting the Research Concept and Research Activities“ (EU-RECA) angelaufen, das vom Institute of Medicine, Law and Bioethics (IMLAB) an der University of Manchester koordiniert wird und in dem das IWE Projektpartner ist. Ziel des Projekts ist die philosophische sowie rechtliche Klärung des Begriffs der Forschung in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen. Im vorliegenden Informationsbrief werden in der Rubrik „Zum Thema“ eini- ge Überlegungen vorgestellt, die im Zusammenhang mit dieser Problematik stehen und die insbesondere die Abgrenzung zwischen Humanexperimenten und Heilversuchen in der Biomedizin betreffen. An der Universität Bonn ist zum 1. Januar 2004, in Verbindung mit der zukünftigen Förderung des Deutschen Referenzzentrums für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE) als Projekt der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und seiner Einbindung als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Universität Bonn, ein Lehrstuhl für Ethik in den biomedizinischen Wissenschaften geschaffen worden. Dieser wird bis zu seiner Besetzung durch Professor Dr. phil. Dr. h.c. Ludger Honnefelder, Geschäftsführender Direktor der Abteilung für biomedizinische Ethik des IWE, vertreten. Dietmar Hübner Zum Thema Medizinische Forschung oder medizinische Behandlung? Medizinische Forschung an Menschen unterliegt auf nationaler wie internationaler Ebene strengen Richtlinien, die darauf abzielen, einen möglichst effektiven Schutz von Probanden zu gewährleisten. Dokumente wie die erstmals im Jahre 1964 von der World Medical Association veröffentlichte und zuletzt im Jahre 2000 novellierte Declaration of Helsinki führen sowohl inhaltliche Prinzipien an (wie die Unentbehrlichkeit des Humanexperiments für die untersuchte Fragestellung oder die Verhältnismäßigkeit von erwartetem Nutzen und Risiko für den Probanden) als auch prozedurale Prinzipien (beispielsweise die informierte Einwilligung des Probanden oder die Prüfung von Forschungsvorhaben durch eine unabhängige Ethikkommission). Diese Prinzipien, die in ihrer grundsätzlichen Relevanz inzwischen weithin anerkannt sind, haben speziell für den Bereich der Forschung Gültigkeit, nicht oder zumindest nicht in unveränderter Form für den Bereich der klinischen Behandlung. Indessen ist nicht immer klar, anhand welcher Kriterien medizinische Forschung und medizinische Behandlung zu unterscheiden sind. ffen ist etwa, ob die Anwendung ei- rium: Um Forschung handelt es sich dann, nes bisher unerprobten Verfahrens wenn das Ziel darin besteht, zum wissenals Forschung gelten soll, wenn sie zwar schaftlichen Fortschritt beizutragen. Medizum Zwecke der Behandlung eines Pa- zinische Behandlung hingegen ist dadurch tienten erfolgt, aber zugleich mit wissen- gekennzeichnet, dass sie stets am Wohlschaftlichem Erkenntnisgewinn verbunden ergehen des individuellen Patienten ausist. Umgekehrt lässt sich fragen, ob eine gerichtet ist. Damit hat sich die National klinische Phase-III-Studie als Heilversuch Commission gegen eine Unterscheidung statt als Humanexperiment zu klassizie- entlang von Kriterien wie dem therapeuren ist, weil die Probanden direkten thera- tischem Nutzen oder der Neuheit eines peutischen Nutzen aus der Teilnahme zie- Verfahrens ausgesprochen. Vor dem Hintergrund, dass zum einen auch etablierte hen können. Einen einussreichen Vorschlag für ei- Verfahren Gegenstand von Forschungsne begrifiche Differenzierung von For- vorhaben sein können und dass zum anschung und Behandlung hat die National deren innovative Verfahren, die nicht dem Commission for the Protection of Human etablierten Standard entsprechen, im EinSubjects of Biomedical and Behavioral Re- zellfall zur Behandlung von Patienten hersearch in ihrem im Jahre 1979 erschiene- angezogen werden können, erscheint ein nen „Belmont Report“ gemacht. Danach solcher Ansatz nicht unbegründet. Gleichwohl ist die „absichtsorientierte“ bildet die Absicht des Arzt-Forschers das ausschlaggebende Unterscheidungskrite- Unterscheidung der National Commission O IWE Informationsbrief von verschiedenen Seiten kritisiert worden. Gemäß einer Argumentationslinie ist grundsätzlich zu bezweifeln, dass die subjektive Absicht des Arzt-Forschers ein geeignetes Merkmal zur Charakterisierung von Forschung sein kann. Stattdessen müssten, so der Einwand, objektive Merkmale, wie etwa ein standardisiertes Design einer Untersuchung, zur Abgrenzung gegenüber der medizinischen Behandlung herangezogen werden. Forschung läge demnach dann vor, wenn bestimmte methodologische Merkmale erfüllt sind. Gegen einen solchen Ansatz ließe sich freilich einwenden, dass dadurch möglicherweise Studien nur deshalb nicht unter den Begriff der Forschung fallen und folglich den damit einhergehenden Restriktionen entgehen könnten, weil sie schlecht oder unzureichend geplant bzw. durchgeführt würden. Aufgrund solcher Bedenken erscheint es sinnvoll, die Absicht als Kriterium zumindest nicht vollständig aufzugeben. Davon abgesehen lenkt der Einwand jedoch den Blick auf eine sehr grundsätzliche wissenschafts- und handlungstheoretische Fragestellung, nämlich: Was zeich- net eine Forschungshandlung in subjektiver und objektiver Hinsicht näherhin aus? Die vorstehenden Überlegungen machen deutlich, dass eine Antwort auf diese primär theoretische Frage von unmittelbarer Relevanz für die Ethik der Forschung am Menschen ist. Es liegt sogar nahe, sie als Form der Selbstvergewisserung über den eigenen Gegenstandsbereich in der Forschungsethik selbst anzusiedeln. Es ist insofern nur konsequent, dass im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts, das unter der Leitung des Institute of Medicine, Law and Bioethics (IMLAB) der University of Manchester steht und an dem das IWE als Partner beteiligt ist, dieser Themenkomplex aufgegriffen und erforscht wird. Das „European Project on Deliminating the Research Concept and Research Activities“ (EU-RECA) beschränkt sich dabei nicht auf den Bereich biomedizinischer Forschung, sondern wird die Frage nach spezischen Merkmalen von Forschung auch in anderen Feldern thematisieren, insbesondere im Zusammenhang mit elektronischer Datenverarbeitung und Datenbanken. Bert Heinrichs Tagungen 2nd International Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW (1./2. April 2004, Bad Godesberg) 600 Forscher und Interessierte trafen sich am 1. und 2. April in der Stadthalle Bad Godesberg zum 2nd International Meeting des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW. Das Programm bestand aus Vorträgen führender Forscher zu den Sektionen „Neue Horizonte der Stammzellforschung“, „Embryonale Stammzelltechnologie“, „Adulte Stammzelltechnologie“, „Mechanismen der Stammzellteilung und -differenzierung“, „Therapeutische Perspektiven“, „Stammzellgewinnung“ sowie „Rechtliche und ethische Aspekte der Stammzellforschung“. E röffnet wurde die Veranstaltung durch ein Grußwort von Ministerpräsident Peer Steinbrück, der die besondere Bedeutung des Kompetenznetzwerks für den Forschungsstandort Nordrhein-Westfalen hervorhob. Nicht nur werde über das Kompetenznetzwerk eine der wichtigsten Schlüsseltechnologien innerhalb der Lebenswissenschaften gefördert. Zudem diene das Kompetenznetzwerk als Muster für die künftige forschungspolitische Strategie des Landes. Das Netzwerk, so Peer Steinbrück weiter, solle die einschlägigen Kompetenzen innerhalb Nordrhein-Westfalens bündeln und über die Ethisch-RechtlichSozialwissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft und den Beirat des Netzwerks einen schonenden Ausgleich mit den in Frage stehenden ethischen Aspekten und gesellschaftlichen Interessen herbeiführen. Der Ministerpräsident gab der Überzeugung seiner Regierung Ausdruck, dass das Kompetenznetzwerk zur Attraktivität des Forschungsstandortes NRW für junge Forscher beitrage. Als Beispiel des angestrebten „brain gain“ begrüßte er Professor Dr. rer. nat. Hans Schöler, der erst kürzlich von der University of Pennsylvania nach Münster wechselte, um dort die Leitung des Max-Planck-Instituts für Molekulare Biomedizin zu übernehmen. Hans Schöler gehörte denn auch zu den ersten Sprechern der nachfolgenden Sektion „Neue Horizonte der Stammzellforschung“, in der er Ergebnisse seiner Forschung zur Gewinnung von Keimzellen aus embryonalen Stammzellen vorstellte. Das Vortragsprogramm wurde bereichert durch mündliche Präsentationen von Postern, die aus 112 Einsendungen ausgewählt worden waren. Unter den sieben so ausgezeichneten Arbeiten befanden sich auch zwei Beiträge zu ethisch-rechtlichen Fragen, darunter einer von Bert Heinrichs, M.A., und Christine Kolbe, M.A., beide Mitarbeiter am IWE. In der Sektion „Rechtliche und ethische Aspekte der Stammzellforschung“ trugen Professor Göran Hermerén, Ph.D. (Department of Medical Ethics, Lund University, Schweden), Professor Dr. jur. Joseph Straus (Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, München) und Dr. med. Christiane Woopen (IWE, Institut für Geschichte und Ethik der Medizin der Universität Köln) vor. Göran Hermerén lieferte, vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in der European Group 2004, Nr. 1 Kolloquium „Gesundheit – unser höchstes Gut?“ Referenten: PD Dr. jur. Hans-Georg Dederer, Institut für Öffentliches Recht der Universität Bonn Professor Dr. med. Dr. h.c. Kurt Fleischhauer, Altrektor der Universität Bonn, IWE V E R A N S TA LT U N G Seite 2 Professor Dr. med. Andreas Hirner, Medizinische Fakultät der Universität Bonn Professor Dr. phil. Dr. h.c. Ludger Honnefelder, IWE Professor Dr. med. Tilman Sauerbruch, Medizinische Fakultät der Universität Bonn Professor Dr. rer. pol. Jürgen Wasem, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen Zeit und Ort: Dienstag, 11. Mai 2004 16.00 – 19.00 Uhr Festsaal der Universität Bonn Regina-Pacis-Weg 3, 53113 Bonn on Ethics in Science and New Technologies (EGE), eine Analyse der rechtlichen, ethischen und politischen Herausforderungen, welche durch die globale Stammzellforschung und das Bemühen um international verbindliche Standards entstehen. Joseph Straus erläuterte die verschiedenen nationalen und internationalen Normen zum urheberrechtlichen Schutz biotechnologischer Erndungen und ihre Anwendbarkeit auf die Stammzelltechnologie. Christiane Woopen schließlich trug zu den Implikationen vor, welche sich aus den Erkenntnissen der Stammzellforschung für das menschliche Selbstbild und den Gelingenszusammenhang menschlichen Lebens ergeben könnten. In der anschließenden Diskussion wandte sich unter anderem Dr. Wolfgang Wodarg, MdB, an Göran Hermerén, um Probleme beim Procedere der EGE und deren Verhältnis zu den verschiedenen nationalen Ethikinstanzen zu diskutieren. An die wissenschaftlichen Vorträge des Kongresses schloss sich eine Plenardiskussion an, die durch einen Vortrag von Hans Schöler zum Thema „Stammzellforschung: Hoffnungen und Perspektiven der Biotechnologie“ eingeleitet wurde. Der Diskussion stellte sich ein hochrangiges Panel, dem neben Hans Schöler, Christiane Woopen und Göran Hermerén auch Professor Dr. jur. Bernd Holznagel (Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Münster), Professor Dr. rer. nat. Willi Jahnen-Dechent (Interdisziplinäres Zentrum für Klinische Forschung Biomaterialien und Material-Gewebsinteraktion bei Implantaten, IZKF BIOMAT, Universitätsklinikum Aachen), Professor Dr. med. Otmar Wiestler (Deutsches Krebsforschungszentrum IWE Informationsbrief 2004, Nr. 1 Heidelberg, DKFZ) und Professor Dr. phil. Dr. h.c. Ludger Honnefelder (IWE) angehörten. Die Diskussion wurde von dem Wissenschaftsjournalisten Volker Stollorz moderiert. Der Kongress wurde von den beiden Arbeitsgemeinschaften des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW ausgerichtet und von der Geschäftsstelle des Kompetenznetzwerks unter Mitwirkung der am IWE bendlichen Koordinationsstelle der Ethisch-Rechtlich-Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft und des Instituts für Rekonstruktive Neuropathologie der Universität Bonn organisiert. In der lokalen und überregionalen Presse fand die Veranstaltung reges Interesse. Martin Heyer Seite 3 Neuerscheinungen Ludger Honnefelder, Dietmar Mieth, Peter Propping, Ludwig Siep, Claudia Wiesemann (Hg.): Das genetische Wissen und die Zukunft des Menschen Interdisziplinäres Kolloquium zur Wachstumshormongabe in der Pädiatrie (28. Februar 2004, Bonn) Seit Dezember 2000 führt das IWE in Kooperation mit dem Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn ein DFG-Projekt zum Thema „Wachstumshormontherapie bei Kindern ohne Wachstumshormonmangel. Therapie – Enhancement – Futile Care“ durch. Im Rahmen dieses Projekts fand am 28. Februar 2004 in der Bonner Universitätskinderklinik ein interdisziplinäres Kolloquium zur ethischen Problematik der Wachstumshormongabe in der Pädiatrie statt. soziale Leiden abhängig gemacht werden, sofern eine solche Voraussage möglich sei. Neben der Frage des strittigen Krankheitswertes des Kleinwuchses stellt sich das Problem der möglichen Vergeblichkeit der Hormontherapie (Futile Care). Michael Ranke zufolge sollte eine Einzelfallentscheidung sowohl über den Beginn als auch über die Weiterführung der Behandlung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Wachstumsgewinne vorgenommen werden. Professor Dr. med. Jürgen Brämswig (Klinik und Poliklinik für Kinderheilkunde der Universität Münster) wies auf die Gefahr hin, dass im Falle verfrühter Pubertät oder beschleunigter Knochenalterung manche Kinder durch die Gabe von Wachstumshormonen sogar in ihrem Wachstum zusätzlich eingeschränkt werden könnten. Dipl.-Psych. Michaela Rünger (Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn) stellte erste Ergebnisse einer Befragung vor, in der Werturteile der beteiligten Kinder, Eltern und Ärzte ermittelt werden. Die elterlichen Einschätzungen, so die Reaktion der anwesenden Ärzte, können großenteils als erfahrungsgesättigt und realistisch hinsichtlich des bei den unterschiedlichen Gegebenheiten zu erwartenden Behandlungserfolgs angesehen werden. Auffallend sei, so Dr. phil. Michael Fuchs (IWE), dass auch in den Antworten der Eltern der Krankheitsbegriff eine orientierende Funktion dafür zeige, ob eine Behandlung als erforderlich oder nicht angesehen wird. Allerdings müsse man beachten, dass die Eltern den Krankheitsbegriff meist relativ weit fassen. Fritz Haverkamp zog das vorläuge Fazit, dass bei der Frage nach der Behandlungsindikation weder der Ätiologie noch dem Vorhandensein psychosozialer Risiken ein entscheidender Einuss zukommen könne. Vielmehr müssten neben einer positiven Antwort auf die Frage nach der Behandlungseffektivität alltagsrelevante physische Beeinträchtigungen des individuellen Kleinwuchses vorliegen bzw. begründet erwartet werden. Thomas Runkel Klonband_4_Din.indd 1 Verlag Walter de Gruyter, Berlin/ New York 2003, ISBN 3-11-017642-4, VI, 412 Seiten, kartoniert, 29,95 €. Ludger Honnefelder, Dirk Lanzerath (Hg.): Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion. Wissenschaftliche Aspekte – Ethische, rechtliche und gesellschaftliche Grenzen drze 1 Cloning in Biomedical Research and Reproduction n einer einführenden Darlegung machte Professor Dr. med. Fritz Haverkamp (Zentrum für Kinderheilkunde der Universität Bonn) deutlich, dass die Indikationsstellung bei bestimmten Kleinwuchsformen in der klinischen Praxis umstritten ist, da der Krankheitswert in diesen Fällen nicht immer eindeutig ist. In medizinethischer Perspektive, so Thomas Runkel (IWE), wird daher kontrovers diskutiert, ob es sich bei der Hormonbehandlung um eine Krankheitstherapie oder vielmehr um Enhancement, d.h. um die ethisch umstrittene Steigerung eines individuellen, nicht krankheitsbezogenen Merkmals handelt. In der anschließenden Debatte ging es um den Aufweis von Kriterien für die Behandlungsentscheidung in der pädiatrischen Praxis. Während Dr. phil. Bert Gordijn (Department of Medical Ethics, Philosophy and History of Medicine, Katholieke Universiteit Nijmegen) Effektivität, Proportionalität von Nutzen und Schaden sowie die informierte Zustimmung der Eltern bzw. des Kindes als notwendige Bedingungen der Legitimität des pädiatrischen Eingriffs benannte, wies Dr. phil. Dirk Lanzerath (Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften, DRZE, Bonn) darauf hin, dass eine Bestimmung des Zieles ärztlichen Handelns hinzutreten müsse, die genannten Bedingungen mithin zwar notwendig, nicht aber hinreichend seien. Orientierung für das ärztliche Handeln, so PD Dr. med. Berthold Hauffa (Universitätskinderklinik Essen), sei am besten über die Ätiologie zu gewinnen, und zwar einerseits, weil in der Unterscheidung von Ursachen des Kleinwuchses am ehesten eine Einigung über den Krankheitswert erreicht werden könne, zum anderen, weil die jeweilige Ursache des Kleinwuchses für die Prognose von besonderer Bedeutung sei. Professor Dr. med. Michael Ranke (Universitätskinderklinik Tübingen) plädierte hingegen für eine Orientierung am Ausmaß des Kleinwuchses, da es dieses Ausmaß sei, das die physische Einschränkung festlege. Zudem sollte die Entscheidung von einer Prognose über das psycho- Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion I Klonen in biomedizinischer Forschung und Reproduktion Wissenschaftliche Aspekte – Ethische, rechtliche und gesellschaftliche Grenzen Cloning in Biomedical Research and Reproduction Scientific Aspects – Ethical, Legal and Social Limits Herausgegeben von Ludger Honnefelder und Dirk Lanzerath Bonn University Press 06.01.04, 19:49:07 Bonn University Press, Bonn 2003, ISBN 3-86529-001-9, 752 Seiten, kartoniert, 49,20 €.