Personalisiertes Blutmanagement - CLINOTEL

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Personalisiertes Blutmanagement
Die Blutspendebereitschaft lässt insbesondere in Ferienzeiten oder auch in Hitzeperioden erheblich
nach. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fordert daher seit 2011 die Einführung eines Patient
Blood Management.
Die tendenzielle Verringerung des Spenderpools aufgrund der demografischen Entwicklung ist ein
weiterer Faktor, der den Wert einer therapeutischen Maßnahme zur Ressourcenschonung durch
Vermeidung von Transfusionen unterstreicht. Denn immer mehr älteren Patienten mit einem
wachsenden Transfusionsbedarf stehen immer weniger mögliche Blutspender gegenüber. Hinzu kommt,
dass Deutschland mit dem Konservenverbrauch an der Spitze in Europa liegt.
Es ist eine anerkannte Tatsache, dass die Gabe von Fremdblut und Fremdblutprodukten Nachteile und
Risiken für den Patienten birgt. In diesem Sinne wurden in den letzten Jahren große Anstrengungen
gemacht, die zu einer deutlichen Reduktion des Fremdblutverbrauchs geführt haben. Eine
Bluttransfusion kommt einer Mikrotransplantation gleich mit ähnlichen Risiken. Das Auftreten von
allergischen Transfusionsreaktionen, febrilen nicht-hämolytischen Transfusionsreaktionen,
hämolytischen Transfusionsreaktionen, transfusionsassoziierten Graft-versus-Host-Erkrankungen und
transfusionsassoziierter Immunmodulation sind beschrieben. Neueren Studien zufolge könnte die Gabe
von Fremdblutkonserven mit einer erhöhten Mortalität, Morbidität und einem erhöhten Infektionsrisiko
verbunden sein.
Der Wert der Fremdbluttransfusion im Falle einer akuten Blutung aber bleibt nach wie vor unbestritten.
Im Notfall muss rasch und rechtzeitig transfundiert werden, um – gemeinsam mit anderen
lebenserhaltenden Sofortmaßnahmen – die ausreichende Versorgung vitaler Organsysteme mit
Sauerstoff zu gewährleisten.
Patient Blood Management
Ziel eines patientenorientierten Blutmanagements ist es, eine Reduktion der Bluttransfusionen zu
erreichen, ohne die Patienten durch eine übermäßige permissive Anämie zu gefährden. Zielgerichtetes
und konsequentes Patient Blood Management (PBM) ermöglicht eine optimierte perioperative
Patientenversorgung unter Berücksichtigung aller medizinischen und ethischen Grundsätze, um das
Outcome des Patienten zu verbessern unter Nutzung, Stärkung und Schonung der patienteneigenen
Ressourcen.
Patient Blood Management ist also die zeitgerechte Anwendung von evidenzbasierten medizinischen und
chirurgischen Konzepten, die geeignet sind, die Hämoglobinkonzentration zu erhalten, die Blutgerinnung
zu optimieren und den Blutverlust zu minimieren, um das Outcome des Patienten zu verbessern.
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Eine Verringerung des Verbrauchs an Erythrozythenkonzentraten und therapeutischen Plasmen kann
jedoch nicht nur durch restriktivere Indikationsstellung erreicht werden. Ein ganzes Bündel an
Maßnahmen wird hierfür mittlerweile eingesetzt.
Patient Blood Management beruht im Wesentlichen auf drei Säulen 1. Frühe Detektion und
Behandlung einer gegebenenfalls vorhandenen Anämie vor elektiven Eingriffen mit hoher
Transfusionswahrscheinlichkeit (Abbildung 1). 2. Minimierung des Blutverlustes und vermehrte
Nutzung fremdblutsparender Maßnahmen. 3. Rationaler Einsatz von Blutkonserven und Ausschöpfung
der patientenspezifischen Anämietoleranz und der leitliniengerechten Anwendung restriktiver
Transfusionstrigger (Abbildung 2).
Erfolgreiches Patient Blood Management im
Klinikum Ingolstadt
Im Klinikum Ingolstadt konnte der Verbrauch an Erythrozytenkonserven in der Zeit von 2010 bis 2016
im Wesentlichen durch konsequente Beachtung der Transfusionstrigger um 40 % reduziert werden (Abb.
3). Parallel stieg der Verbrauch an Gerinnungsfaktoren (PPSB) und Fibrinogen aufgrund eines
veränderten Gerinnungsmanagements an.
Besonders bei orthopädischen Patienten wurden die größten Erfolge im Patient Blood Management
weniger durch die Vorbehandlung einer Eisenmangelanämie, sondern durch gezielte Indikationsstellung
zur Transfusion mithilfe der Transfusionstrigger erreicht. Die Anämievorbehandlung hat aufgrund der
noch fehlenden Klärung der Kostenübernahmen im niedergelassenen Bereich und der zu kurzen
Vorlaufzeit zwischen Vorstellung der Patienten im Klinikum und dem OP-Termin noch keine Bedeutung
in der Einsparung von Blutprodukten.
Präoperative Anämiebehandlung
In Deutschland ist die präoperative Anämiebehandlung bisher nur in wenigen Krankenhäusern etabliert.
Im Alltag werden insbesondere die Kosten der intravenösen Eisentherapie, die Trennung von ambulanter
und stationärer Versorgung sowie die potenzielle zeitliche Verschiebung des operativen Eingriffs häufig
als Argumente gegen die präoperative Behandlung der Anämie genutzt. Vor allem ist die Frage ungeklärt,
wer im deutschen Gesundheitswesen für eine optimale Vorbereitung des Patienten vor der Operation,
insbesondere bei einem Hochrisikoeingriff, medizinisch verantwortlich ist und wer die Kosten einer
Therapie tragen muss – der Hausarzt, der einweisende Arzt, der Chirurg, der
Anästhesist/Intensivmediziner oder das Krankenhaus? Neben den Kosten- und Budgetaspekten könnte
sich die präoperative Anämiebehandlung im Vergleich zur Fremdbluttransfusion auch für den Patienten
selbst (weniger transfusionsassoziierte Risiken und Nebenwirkungen, bessere Heilungsverläufe), für die
Klinik (Patientenrekrutierung und Marketing) sowie auch für die Allgemeinheit
(Blutkonservenknappheit, schnellere Rehabilitation) lohnen.
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Ein erniedrigter Hämoglobinwert, welcher erst unmittelbar vor der Operation bekannt wird, erfordert
eigentlich den Aufschub des Eingriffs. Dies ist aber den Operateuren und erst recht den Patienten oft nur
schwer zu vermitteln. Dieses Problem kann nur interdisziplinär gelöst werden, indem frühzeitig vor
einem elektiven Eingriff, das heißt bei der ersten Vorstellung des Patienten in der Fachambulanz, noch
vor der Vergabe des OP-Termins, zum Beispiel ein Blutbild angefertigt wird.
Autor
Prof. Dr. Johannes Aufenanger (Direktor des Institutes für Laboratoriumsmedizin, Klinikum Ingolstadt GmbH)
Abbildung 1: Algorithmus zur präoperativen Anämiediagnostik und -therapie an der Universität Frankfurt
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Abbildung 2: Checkliste als Taschenkarte zur Indikationstellung der Gabe von Erythrozytenkonzentraten (Vorderseite,
links) unter Berücksichtigung der physiologischen Transfusionstrigger (Rückseite, rechts)
Abbildung 3: Transfundierte Erythrozytenkonserven am Klinikum Ingolstadt in der Zeit von 2010 bis 2016. *Der
Konservenverbrauch für 2016 wurde auf das Gesamtjahr extrapoliert. Parallel stieg der Verbrauch an
Gerinnungsfaktoren (PPSB) und Fibrinogen aufgrund eines veränderten Gerinnungsmanagements an
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