Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH

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Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Dieter Landers Lothar Rogge
Nichtstandard
Analysis
Mit 204 Übungsaufgaben
Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH
Professor Dr. Dieter Landers
Mathematisches Institut
Universität Köln
Weyertal 86-90
D-50931 Köln
Professor Dr. Lothar Rogge
Universität-GH-Duisburg
Fachbereich Mathematik
Lotharstraße 65
D-47057 Duisburg
Mathematics Subject Classification (1991): 26E35, 54J05, 28E05,
03H05
ISBN 978-3-540-57115-5
Die Deutsche Bibliothek· CIP·Einheitsaufnahme
Landers, Dieter: Nichtstandard Analysis: mit 204 Übungsaufgaben
Dieter Landers; Lothar Rogge.
- Berlin; Heidelberg; New York; London; Paris; Tokyo; Hong Kong; Barcelona; Budapest:
Springer, 1994
(Springer· Lehrbuch)
ISBN 978-3-540-57115-5
ISBN 978-3-642-57915-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-57915-8
NE: Rogge, Lothar:
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbeson·
dere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen
und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfaltigung auf
anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur
auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfaltigung dieses Werkes oder von
Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestim·
mungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September
1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig.
Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.
© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1994
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Heidelberg New York 1994
Satz: Reproduktionsfertige Vorlage von den Autoren
SPIN 10075730
44/3140 - 54 3 2 1 0 - Gedruckt auf säurefreiem Papier
Vorwort
Dieses Buch soll eine leicht verständliche Einführung in die Nichtstandard-Analysis geben, die gut zum Selbststudium für alle diejenigen geeignet ist, die
Grundkenntnisse in Analysis und Linearer Algebra besitzen. Es ist aus Vorlesungen entstanden, die wir mehrfach an den Universitäten Duisburg und Köln
vor Studenten ab dem dritten Fachsemester gehalten haben und profitiert daher
von vielen Kommentaren und Anregungen seitens der Studenten und Mitarbeiter. Beide Autoren stammen aus dem Bereich der Stochastik; in das Gebiet
der Nichtstandard-Mathematik haben wir uns über unsere Vorlesungen eingearbeitet. Wir geben freimütig zu, daß uns daher vieles einer Erklärung und
Ausführung bedurfte, was einem Experten auf diesem Gebiet als evident erscheinen mag. Wir denken jedoch, daß dieses Buch gerade dadurch lesbarer
und verständlicher wurde.
Durch neue Formen der Darstellung wollen wir die Ergebnisse übersichtlich und
intuitiv präsentieren und meinen, daß auch dieses die Lesbarkeit und Verständlichkeit positiv beeinflußt. Vor allem aber haben wir versucht, in Beweisen
die Grundsätze der Durchsichtigkeit und hinreichenden Ausführlichkeit zu beachten: Gegen den Grundsatz der Durchsichtigkeit wird selbst in den meisten
Lehrbüchern fast schon mit System verstoßen. Wie oft werden Beweise von
hinten aufgerollt. Die Beweisführung folgt dabei nicht dem Weg des Entdekkens. Vielmehr wird nach dem Auffinden des Beweises der gesamte Beweisweg
umorientiert und dann die Behauptung per formaler Deduktion erschlossen.
Der mathematischen Ästhetik wird so offenbar entsprochen, aber die Intuition
bleibt dabei oft auf der Strecke. Wir haben uns vorgenommen, die Beweise so
aufzubauen, daß die Beweisidee erkennbar wird und man fast an jeder Stelle
des Beweisweges noch den gesamten Weg vor Augen hat. Ob dieses gelungen
ist, kann nur der Leser entscheiden. Ferner führen wir Beweise zumeist so ausführlich durch, daß Zwischenschritte nicht mehr erforderlich sind. Viele Beweise
müßten daher ohne Zuhilfenahme von Bleistift und Papier nachvollziehbar sein,
werden allerdings hierdurch gelegentlich etwas länger als in der gängigen Literatur.
Die Nichtstandard-Mathematik hat in den letzten Jahrzehnten einen großen
Aufschwung erfahren. Sie hat die Entwicklungen in den verschiedenartigsten
Gebieten beeinflußt und befruchtet. Da die Nichtstandard-Analysis in der von
VI
Vorwort
A. Robinson entwickelten Form aus der Modelltheorie, einem Teilgebiet der
mathematischen Logik, abgeleitet wurde, war sie selbst vielen Mathematikern
nur schwer zugänglich. Die Benutzung von unendlich kleinen und unendlich
großen Zahlen sowie eines neuen Begriffs der "Endlichkeit", mit dem man zum
Beispiel die Menge der reellen Zahlen in eine "endliche" Menge einbetten konnte,
erschien unheimlich und mystisch. Vieles klang wie Berichte aus einer zwar verlockenden, aber fremden neuen Welt, in der geradezu paradiesische Zustände
herrschen: Viele Verbote waren plötzlich aufgehoben. Man durfte unbekümmert mit infinitesimalen Größen arbeiten, das dx der Differential- und Integralrechnung wurde eine reale Größe, mit der man numerisch rechnen konnte,
Flächen und Rauminhalte gewann man durch einfaches "Abzählen", Integrieren
entpuppte sich als bloßes Summieren. Der Weg in dieses Paradies war jedoch
mit vielen ungewohnten Steinen der Mathematischen Logik gepflastert.
Es war daher das Ziel vieler Autoren, den Anteil der Mathematischen Logik zu reduzieren, um so die Nichtstandard-Mathematik einem größeren Kreis
zugänglich zu machen. Auch wir verfolgen dieses Ziel. Die wenigen von uns
benötigten Begriffe der Mathematischen Logik sollen jedoch dabei so herausgearbeitet werden, daß man mit ihnen leicht und sicher umgehen kann.
Dieses Buch soll einerseits einen einfachen Einstieg in die Nichtstandard-Mathematik ermöglichen, andererseits jedoch so weit führen, daß der Leser Nichtstandard-Methoden in den verschiedensten Bereichen selbständig anwenden kann.
Wir hoffen, daß unsere Leser beim Studium dieses Buches den Enthusiasmus
der Autoren für die Schönheit, Eleganz und Wirksamkeit der Nichtstandard-Methoden teilen werden.
Wir danken allen, die uns bei der Arbeit an diesem Buch geholfen haben. Hilfreiche Bemerkungen und detaillierte Verbesserungsvorschläge kamen insbesondere
von Frau Dr. Cottin, den Herren Dipl.-Math. Gaul, Dr. Hoch, Dr. Mattar,
Dr. Render, Dipl.-Math. Schröder und Dr. Zhou sowie von den Studenten
Herrn van Gemmeren und Herrn Verhoeven.
Frau Baumgarten in Köln hat mit Einsatz und Kompetenz die ersten Versionen
von § 1 - § 15 in 1E;X geschrieben. Durch den Weggang von Frau Baumgarten,
der wohlgemerkt nicht allein durch die Beschäftigung mit unseren Textvorlagen verursacht wurde, war die Fertigstellung des Buches stark gefährdet. Diese
Gefahr wurde dadurch gebannt, daß sich Frau Schmitz in Duisburg sehr zügig
und gründlich in dieses für sie neue Textverarbeitungssystem einarbeitete. Mit
großer Zuverlässigkeit, Schnelligkeit und Geduld schrieb sie die weiteren immer
wieder überarbeiteten Versionen von § 1 bis § 15 sowie sämtliche Versionen der
restlichen Paragraphen. Sie löste dabei die schwierige Aufgabe, aus unlesbaren
Vorlagen zweier Autoren druckfertige Texte zu erstellen.
Die 1E;X-Makros für unser spezielles Layout schrieb Dr. Hoch.
Hinweise für den Benutzer
Wir halten dieses Buch sowohl für Studenten der Mathematik und Physik als
auch für Oberstufenlehrer dieser Fächer geeignet; es könnte für alle diese Gruppen zu einem vertieften und intuitiveren Verständnis der Analysis beitragen.
Vorwort
VII
Teile des Buches - wie z.B. § 3 und § 4 - könnten auch in einem Leistungskurs
Mathematik behandelt werden.
Ferner kann dieses Buch als Grundlage für ein- oder mehrsemestrige Vorlesungen
dienen. Wir geben drei Möglichkeiten für einsemestrige Vorlesungen mit vier
Wochenstunden an, wobei Kursus 111 ein Wintersemester erfordert:
Kursus über Nichtstandard-Analysis:
§ 5 - § 20.
11
Kursus über Nichtstandard-Topologie:
§ 5 - § 9, Def. 2.1 und 15.2, § 21 - § 29.
111
Kursus über Nichtstandard-Topologie und Nichtstandard-Stochastik:
§ 5 - § 9, § 13 - § 16, Def. 2.1, § 21 - § 24, § 28, § 30 - § 35.
In allen drei Kursen werden Kenntnisse aus den jeweils restlichen Paragraphen
nicht benötigt.
Der Kursus 11 setzt keine Kenntnisse der Topologie voraus. Er eignet sich daher
für Leser, die sich gleichzeitig in die Nichtstandard-Topologie und die Topologie
einarbeiten wollen.
Kursus 111 setzt zudem bis auf § 34 und § 35 keine Kenntnisse der Stochastik
voraus.
Zur Einführung und Motivierung sind für alle drei Kurse § 2 - § 4 zu empfehlen,
sie sind jedoch nicht notwendig.
Zur Konstruktion der Nichtstandard-Welten in § 36 werden § 2 und § 5 - § 8
benötigt. Für die Konstruktion von starken bzw. S-kompakten Nichtstandard-Welten werden zusätzlich Definition 15.2 bzw. Definition 28.1 gebraucht.
Der in § 37 und § 38 gegebene Vergleich der Robinsonschen mit der Nelsonschen Nichtstandard-Analysis setzt Kenntnisse über § 5 - § 9, § 13 - § 15 und
Definition 28.1 voraus.
Zu § 2 - § 36 sind Übungsaufgaben angegeben, deren Lösungen im Anhang zu
finden sind.
Köln und Duisburg,
Februar 1994
Dieter Landers
Lothar Rogge
Inhaltsverzeichnis
§1
Einleitung .... . ....... . .... . .. . ......... . .. . .. .. .. .. ............. . ... 1
Teil I
Ein erster Zugang zur Nichtstandard-Analysis
§2
Filter und Ultrafilter . . ....... . . . . .. .. . ... .. ..................... . ... 8
§3
Der Erweiterungskörper *IR. von lR ..................... .... .... .. 15
§4
Einfache Nichtstandard-Analysis reellwertiger Funktionen ........... 28
Teil 11
Grundbegriffe der Nichtstandard-Analysis
§5
Superstrukturen .. . . ... . ....... .. ... . ... . .. . .. . .................. . .. 36
§6
Formeln und Aussagen in Superstrukturen .......... .. .. . ... . .... . .. 48
§7
Das Transfer-Prinzip und satztreue Einbettungen .. . . . .... . . . ....... 64
§8
Nichtstandard-Einbettungen und die Nichtstandard-Welt . . ....... .. . 81
Teil 111
§9
Reelle Nichtstandard-Analysis
Die hyperreellen Zahlen .. ... ............... .. ... .. . .. . .. ....... .. .. 98
§ 10 Nichtstandard-Analysis reellwertiger Folgen und Reihen .......... . . 105
§ 11 Nichtstandard-Analysis reeller Funktionen . . ... . .. . ... . ...... . ..... 115
§ 12 Nichtstandard-Analysis reeller Funktionenfolgen .... . . . .... . .... . .. . 128
§ 13 *- Werte spezieller Elemente ................ . ........ .. ... .. . .. . . . .. 133
§ 14 *-Endliche Mengen und ihre *-Elementeanzahl ........ . .. . . . ....... 139
§ 15
§ 16
§ 17
§ 18
§ 19
Starke Nichtstandard-Einbettungen .. .. ........................ .... 149
·-Endliche Summen und Integrale .................... . .... . ........ 156
.- Endliche Polynome ....... . .. . ..... . .. . . ...... . . . .... . .. . .. . . . .. . 172
b-Funktionen .. . ........... ... .. . .... .. . .. .................. .. . .. .. 182
*-Differenzierbarkeit und Differentiation
linearer Funktionale über C~oo) .................. . ..... .. .......... 190
§ 20 Distributionen ....... . ..... .. . . . .. .. . . . . . .. ..... . . . ... . ....... .. . . 204
X
Inha.ltsverzeichnis
Teil IV
Nichtstandard-Topologie
§ 21 Nichtstandard-Beschreibung topologischer Grundbegriffe . .... . . . .. . 212
§ 22 Initiale Topologie und Produkttopologie ........ .. ......... . . . ... . . 231
§ 23 Nichtstandard-Beschreibung weiterer topologischer Begriffe . ... . . .. . 245
§ 24 Pseudometrische und normierte Räume .. .. .... ... .. .. .. . .. . . ... . .. 257
§ 25 Uniforme Räume .. ... .. .. . . . . . .. ....... ........ ... ...... ..... . . . .. 280
§ 26 Topologien in Funktionenräumen und der Satz von Arzela-Ascoli .. . 295
§ 27 Prä-Nahezustandard-Punkte, Vollständigkeit
und Totalbeschränktheit ................................ . .... . .... . 304
§ 28 SV-kompakte Nichtstandard-Einbettungen
und die Standardteil-Abbildung ... . ................. . . . ...... . .... . 315
§ 29 Vervollständigungen, Kompaktifizierungen
und Nichtstandard-Hüllen ... . ............. . ....... ...... ... .. . , . . . 321
Teil V
Nichtstandard-Stochastik
§ 30 Hilfsmittel aus der Maßtheorie . ....... . ..................... . ..... . 336
§ 31 Interne Inhalte und Loeb-Maße ... . . . ..... . ... .. ... . ......... . . . . . . 345
§ 32 Darstellung und Zerlegung von Borel-Maßen . ..... ..... . . .... .. .... 361
§ 33 Die schwache Topologie über der Familie aller r-stetigen W-Maße .. 375
§ 34 Brownsche Bewegung ... ... . . . . . . .. . . .. ...... . .... .. . . ... . .. . ...... 386
§ 35 Das Invarianzprinzip in D[O, 1] ........................ . ... ... ... . 396
Teil VI
Die Existenz von Nichtstandard-Einbettungen
und die interne Mengenlehre
§ 36 Konstruktion von Nichtstandard-Einbettungen . ... . ....... . ........ 410
§ 37 Nelsonsche Nichtstandard-Analysis ... . .. . ................... ... .. . 430
§ 38 Beziehungen zwischen der Nelsonschen
und der Robinsonschen Nichtstandard-Analysis ..... . .. . ..... . . . ... 440
Teil
vn
Anhang
Lösungen bzw. Anleitungen zu den Aufgaben .. . .. . ................ . .... .454
Symbolverzeichnis . .. .. .. . . . ..... ... .......... . ................ . . . . . . . . . 477
Literaturverzeichnis .... .. ..... . .......... . ... . ..... . .. . ... . ... .. . . . . . .. . 479
Sachverzeichnis ... . ..... . ............. .. .. . ... .. .. .... ... . ... . . .... . ... . 481
§ 1 Einleitung
1.1
Historische Bemerkungen
Die Nichtstandard-Mathematik hat sich aus dem Bestreben entwickelt, infinitesimale, also unendlich kleine Größen nicht nur als heuristische Hilfsmittel,
sondern als wohldefinierte mathematische Objekte zur Verfügung zu haben.
Infinitesimale Größen traten schon bei den Griechen, insbesondere in der Geometrie des Euklid, auf. Vor allem aber seit Leibniz (1646-1716) haben sie Eingang in die Mathematik gefunden. Nicht umsonst ist die von ihm mitentwickelte
Differential- und Integralrechnung, in der er infinitesimale Größen mit Erfolg
verwandte, noch heute unter dem Begriff der Infinitesimalrechnung bekannt.
Obwohl weder Leibniz noch seine Nachfolger über eine hieb- und stichfeste
Theorie des Infinitesimalen verfügten, behielt man den Gebrauch infinitesimaler Größen im 18. und teilweise noch bis ins 19. Jahrhundert bei. Das Fehlen
einer sicheren mathematischen Grundlage führte jedoch schließlich zur Abkehr
von der Benutzung infinitesimaler Größen und mündete in die von Weierstraß
(1815-1897) entwickelten c,ö -Methoden ("Epsilontik") zur Behandlung von
Grenzprozessen. Die Physiker konnten sich jedoch nie von den intuitiven und
nützlichen infinitesimalen Größen trennen, und auch die Sehnsucht der Mathematiker nach einer Theorie des Infinitesimalen blieb ungebrochen.
In diesem Jahrhundert erhielt die Theorie der infinitesimalen Größen entscheidende neue Impulse. Schon Leibniz hatte angeregt, ein erweitertes Zahlensystem zu schaffen, welches infinitesimale Größen enthält, mit denen man wie
mit reellen Zahlen rechnen kann. Zudem sollte dieses erweiterte Zahlensystem
für die Analysis nutzbringend verwendet werden können. Durch die Entwicklung der Algebra wurde klar, daß angeordnete, nichtarchimedische Körper (zur
Definition siehe 3.2 und 3.10 (ii)) existieren, die die reellen Zahlen umfassen.
Solche Körper enthalten automatisch nicht-triviale infinitesimale Elemente, d.h.
Elemente x mit 0 < lxi:::; Iln für alle natürlichen Zahlen n. Aufbauend
hierauf gab Hahn (1907) eine geschlossene Theorie des Infinitesimalen. Jedoch
erschien es nicht möglich, dieses für die Analysis fruchtbar zu machen und damit
auch die zweite Forderung von Leibniz zu erfüllen.
2
Einleitung
Ca. 50 Jahre später entwickelten Laugwitz und Schmieden (1958) eine Theorie
des Infinitesimalen und wandten diese auf Fragen der Analysis an. Der von ihnen benutzte Erweiterungsbereich der reellen Zahlen war jedoch kein angeordneter Körper, sondern nur ein partiell geordneter Ring. Dennoch können diese von
Laugwitz und Schmieden begonnenen und später von Laugwitz weitergeführten
Untersuchungen als der eigentliche Beginn der Nichtstandard-Mathematik angesehen werden.
Ein wichtiger Durchbruch in der Theorie des Infinitesimalen erfolgte, als es Robinson (1961) gelang, heide Forderungen von Leibniz in eindrucksvoller Weise
zu erfüllen. Mit Mitteln der Mathematischen Logik konstruierte Robinson einen
angeordneten Zahlkörper *IR, der den Körper IR der reellen Zahlen umfaßt,
der infinitesimale und unendliche Elemente enthält, und der für die reelle Analysis verwendbar ist. Das grundlegend Neue war das sogenannte Transfer-Prinzip,
welches besagt, daß über *IR genau diejenigen formalen Aussagen gelten, die
über IR gelten. Da *IR von Null verschiedene infinitesimale Elemente enthält,
IR jedoch nicht, erscheint das Transfer-Prinzip auf den ersten Blick als Antinomie. Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch durch die Präzisierung des
Begriffes der formalen Aussage auf.
Es wurde bald klar, daß die Methoden von Robinson nicht nur auf die reelle
Analysis beschränkt sind, sondern in fast jedem Bereich der Mathematik angewendet werden können. Aus der Nichtstandard-Analysis wurde so die Nichtstandard-Mathematik. Ein weiterer bedeutender Beitrag für die Entwicklung
und Verbreitung der Nichtstandard-Theorie wurde durch Arbeiten von Luxemburg (1962, 1969) geleistet. Die Nichtstandard-Stochastik erhielt durch Arbeiten von Loeb (1975-1979) einen entscheidenden Aufschwung.
Es hat sich gezeigt, daß Nichtstandard-Methoden ein mächtiges Instrument zur
Behandlung von mathematischen Fragestellungen sind. Nichtstandard-Methoden wurden seit Robinson dazu eingesetzt, um einerseits bekannte Ergebnisse
durchsichtiger und natürlicher zu beweisen und andererseits neue mathematische Einsichten zu gewinnen sowie offene Probleme der klassischen Mathematik
zu lösen. Sehr erfolgreich eingesetzt wurden Nichtstandard-Methoden bisher
in der Topologie, Funktionalanalysis, Stochastik sowie in der Mathematischen
Physik und der Mathematischen Ökonomie. Gerade in den angewandten Wissenschaften hat sich gezeigt, daß der Nichtstandard-Bereich *IR zur Modellbildung häufig besser geeignet ist als der klassische Bereich IR der reellen Zahlen.
1.2
Inhaltsübersicht
Dieses Buch ist in sechs Teile gegliedert. Teil I gibt einen sehr schnellen Einstieg
in einen elementar behandelbaren Bereich der Nichtstandard-Analysis. Trotzdem können schon auf dieser Stufe wichtige Begriffe und Aspekte der Nichtstandard-Analysis verdeutlicht werden. In Teil 11 werden die Grundprinzipien
einer allgemeinen Nichtstandard-Theorie entwickelt. In Teil III wird die Nichtstandard-Theorie auf die reelle Analysis, in Teil IV auf die Topologie und in
Teil V auf die Stochastik angewandt. In Teil VI des Buches wird die Konstruktion von Nichtstandard-Welten durchgeführt und ein Zusammenhang mit dem
Nelsonschen Ansatz der Nichtstandard-Analysis hergestellt.
Einleitung
3
Teil I (§ 2 bis § 4): Einfache reelle Analysis beschäftigt sich mit Aussagen
über reelle Zahlen und reelle Funktionen. Um solche Aussagen mit Nichtstandard-Methoden behandeln zu können, wird erstens der Körper lR der reellen
Zahlen zu einem Körper "JR. erweitert, der unendliche und nicht-triviale infinitesimale Elemente enthält, und zweitens jede Funktion f: lR -+ lR zu
einer Funktion *f: "JR. -+ "JR. fortgesetzt. Mathematische Grundlage für diese
Erweiterungsschritte ist die Existenz von Ultrafiltern, die darüber hinaus auch
für die allgemeine Konstruktion in Teil VI zentral ist. In § 2 werden daher zunächst Filter und Ultrafilter untersucht. In § 3 wird die benötigte Erweiterung
11 von R konstruiert. Diese spezielle Konstruktion eines Erweiterungskörpers
"JR. ermöglicht es in § 4, auf kanonische Weise die Fortsetzungen *f: *R -+ "JR.
der Funktionen f zu gewinnen. Mit diesen Hilfsmitteln lassen sich schon die
intuitiven Vorstellungen von Stetigkeit, gleichmäßiger Stetigkeit und Differenzierbarkeit formal exakt fassen. Wir nennen hierzu x, y E "JR. infinitesimal
benachbart, in Zeichen x ~ y, wenn x - y infinitesimal ist, d.h. wenn
Ix - yl S; l/n für alle natürlichen Zahlen n ist. Dann erweist sich
• f genau dann als stetig in xo, wenn gilt:
•
x ~ Xo =* *f(x) ~ f(xo) ,
d.h. wenn zu Xo infinitesimal benachbarte Elemente x E "'R durch
*f auf zu f(xo) infinitesimal benachbarte Elemente *f(x) abgebildet
werden;
f genau dann als gleichmäßig stetig, wenn gilt:
x ~ y =* *f(x) ~ *f(y);
• f genau dann als differenzierbar in Xo mit der Ableitung cE lR, wenn
gilt:
*f(xo + dx)
dx - f(xo)
~
d . fi' . I d ...J. 0
c f'"
ur Je es In mteslma e x.,.. .
Teil I setzt nur Kenntnisse aus Analysis I voraus und vermittelt schon eine recht
gute Vorstellung über die Nichtstandard-Analysis.
Teil II (§ 5 bis § 8): Mit den Methoden von Teil I lassen sich nur elementare
Aussagen über reelle Zahlen und reelle Funktionen mit Nichtstandard-Methoden behandeln. Will man auch weiterreichende Aussagen der Analysis und der
Mathematik untersuchen, muß man eine allgemeinere Nichtstandard-Theorie
entwickeln. Dieses geschieht in § 5 bis § 8 in axiomatischer Weise.
Teil III (§ 9 bis § 20) : In § 9 bis § 12 wird die allgemeine Nichtstandard- Theorie benutzt zur Herleitung von Resultaten über: Konvergenz von Folgen und
Reihen, Stetigkeit, Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit von Funktionen, gewöhnliche Differentialgleichungen, Konvergenz von Funktionenfolgen.
Für viele Anwendungen der Nichtstandard-Theorie ist das Konzept der in § 14
definierten * -endlich oder auch hyperendlich genannten Mengen von grundlegender Bedeutung. * -Endliche Mengen besitzen analoge Eigenschaften wie
endliche Mengen. Unter geeigneten Annahmen ist gewährleistet, daß hinreichend viele * -endliche Mengen existieren. Hierdurch wird es zum Beispiel
4
Einleitung
möglich, Inhalte durch Zählmaße mit Hilfe von • -endlichen Mengen zu repräsentieren (§ 15).
Ein weiteres wichtiges Konzept der Nichtstandard-Theorie bilden die • -endlichen Summen, die sich formal analog wie die endlichen Sununen verhalten.
• -Endliche Sununen sind ein wertvolles Instrument für die Nichtstandard-Behandlung von vielen Problemen der Analysis und Stochastik; sie ermöglichen es
unter anderem, Integration durch Summation zu ersetzen (§ 16) und Funktionen
durch • -endliche Polynome zu gewinnen (§ 17). § 18 gibt eine Darstellung
von 8 -Funktionen als Abbildungen von *IR nach *R; § 20 leistet ähnliches für
Distributionen.
Teil IV (§ 21 bis § 29): Es werden die grundlegenden Begriffe der Topologie in Standard- und Nichtstandard-Formulierung dargestellt. Die Nichtstandard-Formulierungen, die in der Regel intuitiver sind, werden z.B. benutzt,
um einfache und durchsichtige Beweise für den Satz von Tychonoff, den Satz
von Banach-Alaoglu und den allgemeinen Satz von Arzela-Ascoli zu erhalten.
In mehreren Paragraphen werden zudem uniforme Räume untersucht; uniforme
Räume erweisen sich dabei als besonders geeignet für die Behandlung mit Nichtstandard-Methoden.
Teil V (§ 30 bis § 35): § 30 führt einige Begriffe der klassischen Maßtheorie,
wie Maß, reguläres Maß, T -stetiges Maß und Radon-Maß ein. § 31 beginnt
mit einem Nichtstandard-Konzept, dem Loeb-Maß. Mit Hilfe des Loeb-Maßes
werden Zerlegungssätze für Borel-Maße gewonnen. Die allgemeinen Kompaktheitssätze von Topsre und Kolmogorov für die schwache Topologie über einem
Raum von Wahrscheinlichkeits maßen werden ebenfalls mit Hilfe von Nichtstandard-Methoden sehr durchsichtig beweisbar. Der Brownsche Prozeß wird dann
mit Hilfe von • -endlichen Summen von unabhängigen Bernoulli-verteilten Zufallsvariablen eingeführt. Dieser Teil schließt mit einem Nichtstandard-Beweis
für ein Invarianzprinzip der Wahrscheinlichkeitstheorie. Für § 34 und § 35
sind neben Grundkenntnissen der Analysis auch Grundkenntnisse der Stochastik notwendig.
Teil VI (§ 36 bis § 38): In § 36 wird die Nichtstandard-Welt konstruiert.
Ein anderer Ansatz der Nichtstandard-Analysis, der auf einer Erweiterung der
Mengenlehre beruht, wurde von Nelson (1977) entwickelt. Abschließend wird
in § 37 und § 38 die Nelsonsche Theorie, die sogenannte IST (= Internal Set
Theory) kurz dargestellt und mit der hier präsentierten Theorie verglichen.
1.3
Bemerkungen zur Darstellung
Sätze und Definitionen sind mit Überschriften versehen, die stichwortartig den
Inhalt beschreiben. Bei Ergebnissen, die sich nicht prägnant in einer solchen
Kurzform beschreiben lassen, werden die üblichen (wenig informativen) Namen
"Satz" oder "Lemma" gewählt. Durch die Art der Einrahmung ist kenntlich
gemacht, ob es sich um einen Satz, eine Definition oder um eine Mischform
handelt, in der sowohl Begriffe definiert als auch Ergebnisse gebracht werden:
Einleitung
1
Eimahmung fü, Sat,
11
Ein<ahmung für Haupt.."
5
Einrahmung für Definition
Einrahmung für Definition und Satz
1I
I1
In den Sätzen sind die Voraussetzungen zumeist vollständig aufgeführt, um
jedes Ergebnis für sich lesbar zu machen und so dem Leser unnötige Sucharbeit
beim Nachschlagen zu ersparen.
Die Voraussetzungen an die Nichtstandard-Welt werden ab § 9 jeweils zu Beginn
des Paragraphen notiert. Es wird von § 9 bis § 18 immer eine Nichtstandard-Einbettung, von § 19 bis § 27 eine starke Nichtstandard-Einbettung und in § 28 und
§ 29 sowie in § 31 bis § 35 immer eine S-kompakte Nichtstandard-Einbettung
vorausgesetzt.
In Beweisen werden benötigte Formeln stets neu mit (1) beginnend durchnumeriert. Bei Implikationsketten wie zum Beispiel (A) ==>(B) ==>(C) ==>(D)
5.7
2.2
(3)
stehen unter dem Implikationszeichen ==> die Nummern der zur Durchführung verwandten Sätze bzw. Formeln des Beweises; so ist bei der Implikation
(A) ==>(B) der Satz 5.7 (aus § 5) und bei der Implikation (C) ==>(D) die For5.7
(3)
mel (3) des aktuellen Beweises zu verwenden. Analoges gilt für Gleichungs- und
Ungleichungsketten. Werden für einen Beweisschritt mehrere Ergebnisse zitiert,
so sind diese für den Beweis in der angegebenen Reihenfolge zu benutzen. Sagen wir also, daß ein Ergebnis aus 5.7,2.2 und (3) folgt, so ist als erstes 5.7,
dann 2.2 und als letztes die Nummer (3) des Beweises zu benutzen.
Wir weichen gelegentlich von in der Literatur gebräuchlichen Bezeichnungen
ab, falls diese uns nicht informativ und suggestiv genug erscheinen. So werden
wir zum Beispiel eine Einbettung, durch die gültige Aussagen wieder in gültige
Aussagen (d.h. Sätze) überführt werden, eine satztreue Einbettung nennen und
nicht wie üblich eine elementare Einbettung. Abweichungen werden jedoch oft
unter Nennung der gebräuchlichen Bezeichnungen kenntlich gemacht. Es wird
versucht, so weit wie möglich eine konsistente Bezeichnungsweise durchzuhalten, um so beim Leser gewisse Buchstaben und Symbole direkt mit gewissen
Begriffen zu assoziieren. So wird zum Beispiel der Buchstabe H fast immer
eine hyperendliche Menge bezeichnen und der Buchstabe h eine hypernatürliehe Zahl, die keine natürliche Zahl ist. Am Ende des Buches findet sich eine
6
Einleitung
Übersicht aller wichtigen benutzten Symbole. Die üblichen Symbole E, C,
n werden jedoch ohne weiteren Hinweis benutzt für die Bezeichnung von
"Element von", "Teilmenge von", "Mengenvereinigung" und "Durchschnitt".
In Definitionsgleichungen wird das Zeichen" := "bzw. "=:" benutzt, wobei der Doppelpunkt bei dem zu definierenden Symbol steht. Die Schreibweise
A := B bedeutet also, daß der rechtsstehende Ausdruck B mit A bezeichnet
wird.
U ,
Am Anfang eines jeden Paragraphen werden die Überschriften der wichtigsten
Definitionen und Ergebnisse dieses Paragraphen notiert. Am Ende eines jeden
Paragraphen werden Übungsaufgaben bereitgestellt. Zu den Aufgaben werden
im Anhang Lösungsanleitungen oder Lösungen gegeben.
Teil I
Ein erster Zugang
zur Nichtstandard-Analysis
§ 2 Filter und Ultrafilter
2.1
Filter und Ultrafilter
2.2
Der Filter der koendlichen Mengen und ein Ultrafilter
2.3
Geordnete Menge, obere Schranke, maximales Element
2.4
Zornsches Lemma
2.5
Existenz von Ultrafiltern
2.6
Charakterisierung von Ultrafiltern
2.7
Eigenschaften von Filtern und Ultrafiltern
Ultrafilter sind grundlegend für die Konstruktion von Nichtstandard-Modellen;
sie werden sowohl bei der speziellen Konstruktion in § 3 als auch bei den allgemeinen Konstruktionen des § 36 verwandt. In diesem Paragraphen werden
die Begriffe und Ergebnisse aus der inzwischen recht weit entwickelten Filtertheorie bereitgestellt, die für diese Konstruktionen benötigt werden. Dies sind
lediglich die Begriffe Filter und Ultrafilter, sowie zwei Ergebnisse über Existenz
und Charakterisierung von Ultrafiltern. Wer über dieses elementare Rüstzeug
der Filtertheorie schon verfügt, kann diesen Paragraphen überspringen.
In diesem gesamten Paragraphen sei I eine fest vorgegebene nicht-leere Menge.
Es bezeichne
•
P(I): = {A : A C I}
die Potenzmenge von I, d.h. die Menge aller Teilmengen von I.
2.1
Filter und Ultrafilter
Ein System Fe P(I) heißt Filter (über I), falls gilt:
(i)
(ii)
(iii)
F =/:. 0 und 0 ~ F;
A, B E F ::::} An B E F;
A E F,A C Bel::::} BE F .
Ein Filter F, zu dem es keinen echten Oberfilter gibt (d.h. für den gilt:
Q Filter und Fe Q ::::} F = Q), heißt Ultrafilter.
Filter und Ultra.filter
9
Ein System Fe P(I), d.h. ein System von Teilmengen der festen Menge I,
ist somit genau dann ein Filter, wenn:
(i)
mindestens eine Teilmenge von I zu F gehört, nicht aber die leere
Menge 0;
(ii) mit zwei Teilmengen von I, die zu F gehören, auch deren Durchschnitt
zu F gehört;
(iii) jede Teilmenge von I, die Obermenge einer zu F gehörenden Menge
ist, ebenfalls zu F gehört.
Wie man leicht per Induktion sieht, gehört mit endlich vielen Elementen eines
Filters F auch deren Durchschnitt zu F (d.h. mit Al, " " An E F ist auch
Al n . . . nAn E F). Ferner folgt aus (i) und (iii), daß I E Fist.
Mengen, deren Elemente Mengen sind, werden wir - wie bisher auch schon
geschehen - im folgenden häufig Systeme oder Mengensysteme nennen.
Wir wollen zunächst ein einfaches Beispiel für einen Filter und einen Ultrafilter geben. Der Filter der koendlichen Mengen (d.h. aller Mengen, deren
Komplement eine endliche Menge ist) aus 2.2 (i) wird in § 3 benötigt und ist
einer der wichtigsten Filter, die man explizit angeben kann. Wir werden später
sehen, daß er kein Ultrafilter ist. Der in 2.2 (ii) vorgestellte Ultrafilter ist von
geringerer Bedeutung für die Theorie. Unter den Ultrafiltern besitzt er jedoch
insofern eine Sonderstellung, als man ihn explizit angeben kann; Ultrafilter
»leben" in der Regel -nur über Existenzaussagen.
2.2
(i)
(ii)
Der Filter der koendlichen
Sei I eine unendliche Menge.
F := {A Cl: I ein Filter über I . F heißt der
Mengen und ein Ultrafilter
Dann ist
A endlich}
Filter der koendlichen Teilmengen
von I.
Sei io E I fest und F:= {A Cl: io E A}. Dann ist F em
Ultrafilter.
Beweis. (i) Es ist F:f. 0 wegen I E:F. Es ist 0 fj. F, da I = I nach Voraussetzung unendlich ist. Damit ist 2.1(i) gezeigt.
Seien A, BE:F. Dann sind I -A und I -B endlich. Somit ist I -(AnB) =
(I - A) U (I - B) endlich, d.h. es ist An B E F . Da.mit ist 2.1(ii) gezeigt.
Sei A E Fund Ac Bel. Dann ist 1- A endlich, und wegen 1- Be
1- A ist auch 1- B endlich. Folglich ist B E:F. Damit ist 2.1(iii) gezeigt.
(ii) Die Filtereigenschaften von F sind unmittelbar einzusehen. Sei indirekt
F kein Ultrafilter. Dann existiert ein Filter 9 i= F mit Fe 9 und folglich
existiert ein A E 9 - F. Da A fj. F ist, folgt io fj. A, d.h. es ist
(1)
An {io}
= 0.
Da A E g, {io} E F c 9 und da 9 ein Filter ist, folgt An {io} E g. Wegen
C
(1) ist somit 0 E 9 im Widerspruch zur Filtereigenschaft 2.1 (i) für g.
10
Teil I
Ein erster Zugang zur Nichtstandard-Analysis
Wegen A = I - (I - A) ist der Filter :F der koendlichen Teilmengen von I
auch gegeben durch
•
:F = {I - A : A C I endlich}.
Wir werden als nächstes zeigen, daß es zu jedem Filter :F emen Ultrafilter
(} mit :F C (} gibt. Hierzu benötigen wir das Zornsehe Lemma und für
dieses einige grundlegende, den meisten Lesern sicher wohlbekannte Begriffe.
Sowohl der Vollständigkeit halber, als auch, weil die Begriffe in der Literatur
nicht immer einheitlich verwendet werden, wollen wir alle benutzten Begriffe
mit einer zitierbaren Definition einführen.
2.3
Geordnete Menge, obere Schranke, maximales Element
(i)
Eine partiell geordnete Menge ist ein Paar (X, ~), wobei X
eine nicht-leere Menge und ~ eine Relation über X ist, die
für x, y, z E X die folgenden drei Eigenschaften besitzt:
(a)
Reflexivität, d.h. x ~ Xj
(b)
Antisymmetrie, d.h. x ~ y und y ~ x =} x = Yj
(c)
Sei
(X,~)
Transitivität, d.h. x ~ Y und Y ~ z
=}
x ~ z.
eine partiell geordnete Menge und K C X . Dann heißt
(ii)
Y E X obere Schranke von K, falls gilt:
x ~ Y für alle x E K j
(iii)
mE X ein maximales Element, falls für alle x E X gilt:
m ~ x =} m = Xj
(iv)
K total geordnet, falls für alle x, y E K gilt:
x ~ y oder y ~ x.
Ist (X,~) eine partiell bzw. total geordnete Menge, so heißt < eme
partielle bzw. totale Ordnung über X.
Der Begriff Relation wird in 2.3 in gewohnter und naiver Weise verwendetj
formal wird er in 5.9 definiert.
Die Menge X := IR der reellen Zahlen, versehen mit der üblichen Relation
~ , bildet eine total geordnete Menge, die kein maximales Element besitzt. Das
System X:= P(I) mit der Relation ~, definiert durch A ~ B {:::::::> A C B,
bildet eine partiell geordnete Menge, die I als einziges maximales Element
enthält. Partiell geordnete Mengen können auch mehrere maximale Elemente
besitzenj ist z. B. X:= IR mit der partiellen Ordnung =, so ist jedes Element
von IR ein maximales Element.
Das folgende Zornsche Lemma (welches äquivalent zum Auswahlaxiom ist, siehe
z.B. Friedrichsdorf und Prestel (1985), Seite 62) gibt eine hinreichende Bedingung für die Existenz von maximalen Elementen in partiell geordneten Mengen
an. Es ist ein wichtiges Beweisprinzip der Mathematik.
Filter und Ultrafilter
2.4
11
Zornsches Lemma
Sei (X,:S:) eine partiell geordnete Menge, so daß jede nicht-leere total
geordnete Menge K C X eine obere Schranke hat. Dann besitzt X
ein maximales Element.
Den meisten Lesern dürfte das Zornsehe Lemma schon aus der Linearen Algebra
vertraut sein. Dort wird es zum Beispiel benutzt, um zu zeigen, daß jeder
Vektorraum eine Basis besitzt (siehe Friedrichsdorf und Prestel (1985), Seite 66;
dort werden auch noch weitere Anwendungen des Zornsehen Lemmas gegeben).
Mit Hilfe des Zornsehen Lemmas beweisen wir nun den für die Konstruktion von
Nichtstandard-Modellen entscheidenden Existenzsatz für Ultrafilter. Er besagt,
daß es zu jedem Filter Fo über I einen Ultrafilter F über I mit Fo C F
gibt.
2.5
Existenz von Ultrafiltern
Zu jedem Filter über I existiert ein diesen Filter umfassender Ultrafilter
über I.
Beweis. Sei Fo ein Filter über I und setze
X := {F C P(I) : Fo cF, F Filter}.
Wegen Fo E X ist X
# 0.
Sind Ft, F2 E X, so setzen wir
F} ::; F2
{:=}
F1
C
F 2·
Dann ist (X,:S:) eine partiell geordnete Menge. Wir werden zeigen:
(1)
(2)
Jede nicht-leere total geordnete Menge K C X besitzt eine obere
Schranke.
Jedes maximale Element von X ist ein Fo umfassender Ultrafilter.
Wegen (1) besitzt X ein maximales Element (siehe 2.4), und aus (2) folgt
dann die Behauptung.
Zu (1): Es genügt zu zeigen:
H: =
U
:FEK
F (= {A: A
E
F für ein F
E
K}) ist ein Filter;
wegen Fo C H ist dann HEX mit F:S: H für alle FE K, d.h. H ist
obere Schranke von K. Wir haben also 2.1 (i) - (iii) für H zu zeigen:
Es gilt H # 0 wegen I E Fo c H. Es gilt 0 f/. H, da 0 f/. F für alle
FE K ist.
Seien A, B E H. Dann existieren F1, F2 E K mit A E F1 und B E F2. Da
K total geordnet ist, folgt F2 c F1 oder F1 C F2 und somit A, B E F1
oder A, B E F2. Da F1, F2 Filter sind, folgt An B E F1 oder An B E F2,
und damit ist A n B E H.
12
Teil I
Ein erster Zugang zur Nichtstandard-Analysis
Sei A E 1{ und A c Bel. Dann ist A E F für ein FE K . Da F E K
ein Filter über I ist, folgt BE Fe 1{.
Zu (2): Sei J: ein maximales Element von X. Da J: E X ist, ist J: ein
Fo umfassender Filter. Sei nun J: c 9 für einen Filter 9 über I. Dann ist
gE X, und da J: ein maximales Element von X ist, folgt J: = g. Somit
ist J: ein Ultrafilter. Also gilt (2) .
[]
In einem Filter können nie gleichzeitig A und I - A liegen, da sonst 0 =
An (I - A) E F wäre. Für jeden Filter F gilt also: A E F:::} I - A ~ F.
Ein Ultrafilter ist nach dem folgenden Satz dadurch gekennzeichnet, daß für
jedes A C I mindestens eine der bei den Mengen A, I - A in Fliegt, d.h.
I - A ~ F :::} A E F. Somit liegt in einem Ultrafilter F genau eine der
bei den Mengen A, I - A.
2.6
Charakterisierung von Ultrafiltern
Sei F ein Filter über I. Dann sind äquivalent:
(i)
(ii)
F ist ein Ultrafilter.
Für alle AC I ist A E F oder 1- A E F.
Beweis. (i):::} (ii) Sei F ein Ultrafilter und 1- A
A E F. Wir konstruieren hierzu ein 9 C P(I) mit
~
Fj nachzuweisen ist
9 ist ein Filter über I, Fe 9 und A E g.
Da F ein Ultrafilter ist, folgt aus (1) zunächst F = 9 und daher dann auch
(1)
A E F.
Ein Filter g, der (1) erfüllt, muß mit F E F auch jedes C C I mit
An Fe C enthalten (benutze 2.1 (ii) + (iii) für g). Setzt man daher
g: = {C c
I : A n F C C für ein F E F},
so ist Fe 9 und A E g, und zum Nachweis von (1) bleibt zu zeigen:
9 ist ein Filter.
Zu (2): Es ist 9 '" 0 wegen 0 '" Fe g. Ferner gilt 0 ~ 9 : Hierfür ist
A n F '" 0 für alle F E F zu zeigen. Sei also F E Fj wegen I - A ~ F
kann dann nicht Fe I -A gelten (beachte 2.1 (iii)), und somit ist AnF", 0.
Damit ist 2.1 (i) für 9 gezeigt.
Seien CI, C2 E g. Dann gibt es FI, F2 E F mit An Fi c Ci (für i = 1,2)
und daher ist An (FI n Fz) c Cl n C2 • Da F ein Filter ist, gilt F I n Fz E F,
und somit folgt Cl n C 2 E g. Also ist 2.1 (ii) für 9 gezeigtj 2.1 (iii) ist für 9
(2)
trivial.
(ii) :::} (i) F erfülle die Bedingung (ii). Wäre F kein Ultrafilter, dann
gäbe es einen Filter 9 mit F C 9 und ein A E 9 mit A ~ F. Also ist nach
Voraussetzung 1- A E F c 9 und somit 0 = An (I - A) E 9 im Widerspruch
zu 0 ~ g.
[]
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