Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Übung Vorschubantrieb Aufg. 1 Beim Bau einer CNC-Drehmaschine wird von Ihnen ein Vorschubantrieb mit elektronisch kommutierten Gleichstrommotor dimensioniert. Der Vorschubantrieb ist als Spindelantrieb entsprechend dem Abb. 1 ausgelegt. Abb. 1: Spindelantrieb Der Vorschubantrieb hat folgende technische Daten: a) mechanische Daten Spindellänge Spindeldurchmesser Spindelsteigung Spindelzahnraddurchmesser Spindelzahnradbreite Dichte Stahl ls ds hs dzs bzs Stahl = = = = = = 2000 mm 50 mm 10 mm 80 mm 15 mm 7900 kg/m3 Vorschubgeschwindigkeit bei Motornenndrehzahl Nennschnittkraft Nennvorschubskraft linear bewegte Masse VxN FSN FxN m = = = = 7 m/min 10 kN 1,5 kN 100 kg b) Motordaten des Gleichstrommotors elektrische Nennleistung Nenndrehzahl Ankerlänge PeN nN lA = = = 22.10.2015 -1- 15 kW 2500 /min 483 mm PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Ankerdurchmesser mittlere Dichte Ankers mechanisches Nenndrehmoment maximales Drehmoment Nur zu Lehrzwecken dA A MN Mmax = = = = 115 mm 76 % Stahl 56 Nm 250Nm für 200ms Tab. 1: Datenblatt a) Geben Sie die Gleichungen für die Berechnung der Trägheitsmomente von Spindel JS und Spindelzahnrad JZS an. b) Geben Sie die Gleichung für das Verhältnis der Trägheitsmomente der Getriebezahnräder JZM/JZS über das Drehzahlverhältnis an. Gehen Sie dabei von gleichen Materialeigenschaften und Zahnradbreiten aus. c) Geben Sie die Gleichung für das auf die Motorwelle reduzierte Trägheitsmoment JSZM der Spindel-Zahnrad-Kombination und die Gleichung für die am Motor wirkenden Trägheitsmomente JM an. d) Stellen Sie die Gleichung für das Spindelmoment MS, das durch die linear bewegte Masse m unter Berücksichtigung der Vorschubkraft Fx und unter Vernachlässigung von Spindel- und Lagerreibungskräften bzw. -Momenten entsteht, an. e) Geben Sie die Gleichung für das Motorlastmoment MLM an und zerlegen Sie das Motorlastmoment in einen Momenten- und Trägheitsmomenten-Anteil. f) Geben Sie die Gleichung des effektiven Motorträgheitsmoments Jeff an. g) Geben Sie die Bewegungsgleichung bzw. Momentengleichung auf der Motorseite des Spindelantriebes an und interpretieren Sie das Gleichungssystem im Zusammenhang mit einer ingenieurmäßigen Analyse, die auf eine Abschätzung der physikalischen Größen mit einer Genauigkeit von 10% abzielt. h) Benennen Sie die Anteile bei der Bewegungsgleichung unter g), berechnen Sie die Zahlenwerte dieser Anteile, bewerten Sie die Relationen, vergleichen Sie die Zahlenergebnisse mit der Struktur der Bewegungsgleichung und interpretieren Sie Ihr Ergebnis bzw. leiten Sie ingenieurmäßige Entwurfsregeln ab. 22.10.2015 -2- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Lösung Übung Vorschubantrieb Vorüberlegungen Entscheidend für die Dimensionierung von elektrischen Antrieben ist der Bedarf an mechanischer oder elektrischer Leistung. Beschränkt man sich auf einfache Arbeitsmaschinen mit geradlinigen und Drehbewegungen, so findet eine Umrechnung der Zustandsgrößen zwischen geradlinigen und Drehbewegungen oder zwischen Drehbewegungen unterschiedlicher Drehzahlen zumeist unter der Annahme verlustloser Übertragungsglieder statt. Aufgrund der Energieerhaltungssätze stellt man die Energiebilanzen vor und hinter den Übertragungsgliedern (Getriebe, Spindel usw.) auf. Die Einund Ausgangsenergien müssen infolgedessen äquivalent sein, so dass man die Gleichungen formell gleichsetzen kann, womit man die gesuchten mathematischen Transformationen der physikalischen Größen, wie Momente, Trägheitsmomente usw. erhält. n v E1 F M J 1 n v F M J 2 E2 verlustloses Übertragungsglied Abb. 2: verlustloses Übertragungsglied translatorisch rotatorisch E 1/ 2 mV 2 E 1/ 2 J 2 kinetische Energie dE F V dt dE M dt differenzielle Energie FA FLA mA d VA dt M A M LA J effA Bemerkung dA dt Bewegungsgleichung Tab. 2: Energiebeziehungen 22.10.2015 -3- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Anschließend berücksichtigt man die Verluste der Übertragungsglieder durch Angabe des Wirkungsgrades PV P1 Übertragungsglied P2 Abb. 3: Wirkungsgrad und Übertragungsglied P1 P2 PV P 1 2 P1 1 PV P2 (1) (2) a) Trägheitsmoment der Spindel bzw. eines Zylinders (Rotation um Zylinderachse): JS 1 S dS4 lS .. 32 (3) b) Bei gleichen Materialeigenschaften und Zahnradbreiten bzw. Zylinderlängen erhält man J ZM d ZM J ZS d ZS 4 (4.1) 4 n J bzw. ZM S mit J ZS nM J ZS (4.2) 1 4 d ZS lZS 32 (4.3) c) Das Trägheitsmoment der Spindel-Zahnrad-Kombination ergibt sich aus der Summe der Trägheitsmomente von Spindel und spindelseitigem Zahnrad: J ZS JS J ZS (5) In einem um eine Achse rotierenden System berechnet sich die in dem System gespeicherte Energie zu: E 22.10.2015 1 J 2 2 (6) -4- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Aufgrund des im Abschnitt Vorüberlegungen skizzierten Ansatzes, erhält man bei einem verlustlosen masselosen Getriebe, welches einen massebehafteten Körper antreibt, die Gleichungen: E1 E2 1 1 J1 12 J 2 22 2 2 2 J n 1 2 2 J 2 1 n1 2 (7) Interpretation: Die Trägheitsmomente vor und hinter dem masselosen Getriebe verhalten sich umgekehrt proportional zum Quadrat der Drehzahlverhältnisse vor und hinter dem Getriebe. Diese Beziehung gibt nur an, wie ein Trägheitsmoment von der Welle 1 auf die Welle 2 und umgekehrt transformiert wird. Für eine Abschätzung der Trägheitsmomente eines Getriebe-Systems mit einer 10%-tigen Genauigkeit können ab einem Drehzahlverhältnis von n1 / n2 10 3,16 die Trägheitsmomente auf den niedertourigen Wellen gegenüber den höhertourigen Wellen vernachlässigt werden, wenn die Trägheitsmomente der Wellen-Zahnrad-Kombinationen auf der nieder- und hochtourigen Seite in der gleichen Größenordnung liegen. Das am Motor wirkende Motorträgheitsmoment der Spindel-Zahnrad-Kombination berechnet sich deshalb zu: 2 J SZM n S J S J ZS nM (8) Die am Motor wirkenden Trägheitsmomente in Gleichung (8) müssen um die Trägheitsmomente des motorseitigen Zahnrades und den Motor- bzw. Ankerträgheitsmomenten erweitert bzw. superpositioniert werden. Für eine Systemanalyse ist es sinnvoll, das Trägheitsmoment des Zahnrades auf der Motorseite über das Trägheitsmoment des Zahnrades auf der Spindelseite zu beschreiben, so dass man die Gleichung 2 4 n n 1 J M S J S J ZS S J ZS J A mit J A A d A4 lA 32 nM nM (9) erhält. d) Für einen bewegten Massenpunkt berechnet sich die Arbeit zu S2 E F(s) ds dE F(s) d s , (10) S1 so dass man für die Augenblicksleistung Pmech dE F(s) ds / dt F v dt (11) erhält. 22.10.2015 -5- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Wird eine geradlinige Bewegung verlustlos in eine Drehbewegung umgesetzt, so gilt die Leistungsbilanz v F vx FSx M S S , (12) weshalb an der Spindel das Drehmoment MS vSx S FSx vSx FSx 2 nS (13) zur Wirkung kommt. Bei einem Spindelantrieb können im allgemeinen Beschleunigungen auftreten, weshalb sich die am Schlitten wirkende Kraft zu FSx m d vx Fx dt (14) ergibt, so dass man das Spindellastmoment zu M LS vx d vx Fx m 2 nS dt mit vx h nS (15) erhält. e) Die Transformation der Getriebemomente, also des Spindellastmoments MLS in das Motorlastmoment MLM, kann gleichwohl über den Energieansatz bestimmt werden: E1 E2 d E1 d E2 (16.1) d E1 M1 1 dt d E2 M 2 2 dt (16.2) M1 1 dt M 2 2 dt (16.3) M1 2 M 2 1 (16.4) Zwischen der linearen Bewegung des Schlittens und dem Bogenmaß der Motorwelle gilt die Beziehung sx nS h , nM 2 (17) woraus sich nach zweimaliger Ableitung d vx d 2 s x 2 dt dt dvx nS h dt nM 2 nS h d 2 nM 2 dt 2 d dt (18) ergibt. 22.10.2015 -6- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken Setzt man diese Beziehung in die Spindellastmomentengleichung (15) unter Berücksichtigung von (16) ein, so erhält man das Motorlastmoment 2 M LM n h d nS h S Fx . m dt nM 2 nM 2 2 (19) Das Motorlastmoment lässt sich in einen MomentenMM nS h Fx nM 2 (20) und reduzierten Trägheitsmomentenanteil 2 J Mred n h S m n 2 M 2 (21) zerlegen. f) Das am Motor wirkende effektive Trägheitsmoment ergibt sich zu 2 J eff 4 2 n n n h S J S J ZS S J ZS S m JA nM nM nM 2 2 (22) g) Aufgrund des dynamischen Grundgesetzes von Newton (2. Newtonsches Axiom) erhält man für den Spindelantrieb die Bewegungsgleichung M el M M J eff dM , dt worin Mel das elektrische Moment der Gleichstrommaschine repräsentiert. (23) Eine Auflösung der obigen Gleichung für die konstruktive ingenieurmäßige Analyse ergibt: M el Komponenten der Bewegungsgleichung reduziertes Motordrehmoment der am Schlitten wirkenden Kraft nS h Fx nM 2 n 2 4 bZS + S Stahl dS4 lS d ZS nM 32 4 Trägheitsmomentenanteile Spindel + Zahnrad-Anteil n 4 bZS + S Stahl d ZS nM 32 Zahnrad motorseitig + Ankeranteil Motor A 32 d A4 lA 2 2 nS h dM + m nM 2 dt reduzierter linearer Beschleunigungsanteil (24) Im Zusammenhang mit einer ingenieurmäßigen Analyse bzw. Größenabschätzung bei einer 10%igen Genauigkeit, kann man ab einem Drehzahlverhältnis von nM / nS 10 3,16 die Wirkung des motorseitigen Zahnrades gegenüber dem Spindelzahnrad, wirkend auf der Motorseite, vernachlässigen (siehe Gleichung (24) Term 2 zweiter Teil gegenüber Term 3). Weitere Näherungen 22.10.2015 -7- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack Vorschubantrieb Nur zu Lehrzwecken in dieser allgemeinen Form sind erst unter der Kenntnis der konstruktiven Daten des Spindelantriebes zulässig. h) Berechnung des Getriebeübersetzungsverhältnis nSN vxN n n und Ü S SN h nM nMN nS 1 vxN nM h nMN (25) nS 1/(10mm) (7m/min)/(2500/min) = 0,28 nM Berechnung der Terme der Momentengleichung Mel = 0,28 10mm/(2) 1,5 kN + ( 0,282 1/32 7,9 103kg/m3 ((50mm)4 2000mm + (80mm)4 15mm) + 0,284 1/32 7,9 103kg/m3 (80mm)4 15mm 1/32 0,76 7,9 103kg/m3 (115mm)4 483mm + + 0,282 (10mm/(2))2 100kg ) dM/dt Mel = +[ + + + + 0,67 Nm -5 76,01 10 kgm2 3,74 10-5 kgm2 29,00 10-7 kgm2 4,98 10-2 kgm2 1,98 10-5 kgm2 ] dM/dt (26.1) (Vorschubskraft-Anteil) (Spindel-Anteil) (Zahnrad-Spindel-Anteil) (Zahnrad-Motor-Anteil) (Anker-Anteil) (linear bewegter Massen-Anteil) (26.2) Betrachtet man die obigen Formeln, so zeigt sich, dass bei den vorliegenden Verhältnissen das Trägheitsmoment des Ankers, des im allgemeinen höhertourigen Antriebaggregats, um ca. 2 Zehnerpotenzen größer als das der Spindel und der Zahnräder ausfällt. Bei Antrieben dieser Art wird das Trägheitsmoment des Systems im wesentlichen durch das Trägheitsmoment des Antriebs bestimmt. Selbst die linear beschleunigten Massen werden erst bedeutsam, wenn pro kg linear beschleunigter Masse die Winkelbeschleunigung der Ungleichung d M 104 / s 2 / kg dt kg (27) genügt, was für die meisten Anwendungsfälle nicht der Fall ist. Die Bewegungsgleichung und der Leistungsbedarf eines typischen linearen Antriebs wird daher dominierend von den Trägheitsmomenten des Antriebaggregats und der am Schlitten wirkenden Vorschubkraft Fx bestimmt: M el 22.10.2015 nS h d Fx J A M nM 2 dt (28) -8- PD Dr.-Ing. habil. Jörg Wollnack