Bontrup, 08.03.19 - Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

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Heinz-J. Bontrup
Einleitung zu „Lohn und Gewinn“:
Quelle: Heinz-J. Bontrup: Lohn und Gewinn. Volks- und betriebswirtschaftliche
Grundzüge, 2. Aufl. 2008 (München, Wien, Oldenbourg Verlag, 363 Seiten, 34,80 €)
Nichts ist in der Ökonomie so strittig wie die Begriffe Lohn und Gewinn, die einerseits aufs engste miteinander verbunden sind und sich andererseits dennoch unversöhnlich gegenüberstehen. Was an Lohn1 mehr bezahlt wird, geht zu Lasten des
Gewinns und umgekehrt – auch bei mehr Verteilungsmasse. Es ist ein Nullsummenspiel zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern,2 in dem die Löhne Lebensgrundlage für die einen und gewinnmindernde Kosten für die anderen sind. Adam Smith
(1723 bis 1790) hat die hieraus divergierenden Interessen auf die zeitlose Formel
gebracht: „The workmen desire to get as much, the masters to give as little as possible“. Konflikte darüber sind unausweichlich. Die Geschichte der Verteilungs- und
Arbeitskämpfe ist daher lang. Wobei es übrigens nicht nur um Lohnfragen ging
und geht, sondern auch um Fragen der Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen. Michael Kittner hat in einer jüngsten Veröffentlichung die Kämpfe zwischen Kapital
und Arbeit von den Anfängen im hohen Mittelalter (mit einen Rückblick auf die Pharaonen in Ägypten) bis in die Gegenwart eindrucksvoll aufgezeigt.3
Vor dem Hintergrund einer sowohl volks- wie auch betriebswirtschaftlichen Betrachtung des Lohn-Gewinn-Verhältnisses versucht auch das hier vorgelegte Lehrbuch die Interessengegensätze zwischen Kapital und Arbeit aufzuzeigen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Frage der Wertschöpfungsverteilung auf Lohn und Gewinn
für die Gesamtwirtschaft genauso wichtig ist, wie für das einzelne Unternehmen mit
seinen Arbeitnehmern und Kapitaleignern (Shareholdern). Hierbei werden sicher
nicht alle feinen theoretischen Verästelungen aufgezeigt werden können, sondern es
erfolgt zum besseren Verständnis der komplexen Materie eine Beschränkung auf das
Wesentliche.
Zur Einführung in die gesamte Problematik wird ein kurzer Überblick über die Entstehung und Bedeutung menschlicher Arbeit gegeben. Danach wird der „Begriff“
Arbeit im Kontext von Eigentum und Mitbestimmung untersucht. Im Anschluss wird
1
Wenn hier im folgenden Löhne bzw. Lohntheorien behandelt werden, so impliziert dies selbstverständlich auch die Lohnart des Gehalts im Status eines Angestellten. Zur besseren Lesbarkeit des Textes wurde aber in den meisten Fällen auf eine Differenzierung des Arbeitsentgeltes in Lohn und Gehalt
verzichtet.
2
Auf die weibliche Form der Anrede wurde aus Vereinfachungsgründen verzichtet.
3
Vgl. Kittner, M., Arbeitskampf, Geschichte, Recht, Gegenwart, München 2005.
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ausführlich ein grundsätzlicher volkswirtschaftlicher Diskurs zum Lohn-GewinnVerhältnis geführt. Wissenschaftlich beschäftigten sich erste Ökonomen im 17.
Jahrhundert – das noch stark vom Absolutismus und Merkantilismus geprägt
war – mit den Determinanten der Lohnbildung. Eine in sich geschlossene Lohntheorie, die sowohl das Arbeitsangebot als auch die Arbeitnachfrage umfasst, wurde
aber noch nicht aufgestellt. Auch die Physiokraten waren dazu noch nicht in der
Lage. Dennoch haben sie als Vorläufer der klassischen Nationalökonomie das systematische wirtschaftstheoretische Denken in Frankreich eingeleitet. „Mit ihrem
Gedanken, dass die Landwirtschaft die Quelle allen Wohlstandes sei, hatten die Physiokraten darin historisch recht, dass die Entwicklung der Landwirtschaft, die Erzeugung eines wachsenden Überschusses an Nahrungsmitteln und gewerblichen Rohstoffen über den Verbrauch des flachen Landes selbst hinaus eine zwingende Bedingung jeder Industrialisierung ist. Der Übergang eines Landes zur Industrie hat daher
immer wieder zu einem Umbruch seiner Agrarverfassung geführt.“4
Klassische Ökonomen wie Adam Smith, David Ricardo (1772 bis 1823), John Stuart
Mill (1806 bis 1873) und vor allem Karl Marx (1818 bis 1883) untersuchten dann
ausführlich die Lohnfrage als Existenzlohn- und Lohnfondstheorie und dabei die
Wertdeterminierung der Arbeit als auch die Frage, wer sich diesen Wert unter kapitalistischen Verteilungsverhältnissen aneignet. Die Lohntheorie wurde hier noch in
eine Arbeitswerttheorie eingebunden.
Da in der klassischen Ökonomie nur durch Arbeit ein Neuwert geschaffen wird,
und in einer Volkswirtschaft der Wohlstand letztlich ausschließlich auf Arbeit und
Naturgebrauch basiert, war mit dem Lohn auch die Abgrenzung und vor allem die
Erklärung von Gewinn, Zins und Grundrente von Nöten. Die klassischen Nationalökonomen erklärten die Faktoreinkommen Gewinn, Zins und Grundrente noch als
einen Abzug vom „Ertrag der Arbeit“, der in Form des Lohnes eigentlich dem Produktionsfaktor Arbeit zufallen müsse. Kapital und Boden sind ohne lebendige Arbeit
ökonomisch nicht verwertbar, wobei das Kapital als ein rein derivativer Produktionsfaktor durch Arbeit erst geschaffen wird. Kapital und Boden geben daher nur Wert
ab, sie schaffen aber keinen Neuwert. Bei den klassischen Nationalökonomen spricht
man deshalb von einer „Lohnabzugstheorie“. Der wissenschaftliche Marxismus
entwickelte hieraus seine Ausbeutungs- bzw. Mehrwerttheorie. Demnach ist der
„Gebrauchswert der Arbeit“ größer als der sich im „Tauschwert der Arbeit“ niederschlagende Lohn. Gewinn, Zins und Grundrente fallen aufgrund der Eigentumsverhältnisse dem Kapital als Mehrwert zu, wobei zwischen einem absoluten und relativen Mehrwert zu unterscheiden ist.
Diese Sicht änderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts. „Die öffentliche Abkehr
von John Stuart Mill von der Lohnfondstheorie markiert den Beginn des Endes der
4
Hofmann, W., Einkommenstheorie. Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Berlin 1971, S.
37.
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wissenschaftlichen Vorherrschaft klassischer Lohn- und Verteilungstheorien.“5 Durch
die Etablierung der Neoklassik kam es zu einem Paradigmenwechsel, der die Arbeitswerttheorie ablöste bzw. sie durch die „Lehre vom subjektiven Wert“ (subjektive Wertlehre) ersetzte. „Ihren Ausgangspunkt nimmt die Neoklassik in den
1870er Jahren mit der ‚marginalistischen Revolution’, die weitgehend unabhängig
voneinander von William Stanley Jevons (1835 bis 1882) in England, Carl Menger
(1840 bis 1921) in Österreich und Leon Walras (1834 bis 1910) in der Schweiz vollzogen wird.“6 Die subjektive Wertlehre greift die klassischeArbeitswerttheorie als
„objektive Wertlehre“, die den Wert einer Ware auf seine in Arbeitszeit bemessenen
Produktionskosten bemisst, an, und erklärt den Wert einer Ware aus den subjektiven (individuellen) Nutzenkalkülen. Hierbei bezieht man sich auf die von Hermann
Heinrich Gossen (1810 bis 1858) formulierten „Gossen’schen GrenznutzenGesetze“.
Während die klassische Nationalökonomie mit der objektiven Arbeitswerttheorie
noch die Begründung für ein Ausbeutungsverhältnis des „Faktors“ Arbeit aufzeigte, bei dem sich die Kapital- und Grundbesitzer einen Teil des ausschließlich von den
Arbeitern geschaffenen Neuwertes aneigneten, versuchte der US-amerikanische
Ökonom John B. Clark (1847 bis 1938) mit der von ihm entwickelten Grenzproduktivitätstheorie des Lohnes den Nachweis zu erbringen, dass die Verteilung
des Überschussproduktes, der Wertschöpfung, durch ein „natürliches Gesetz“ geregelt ist, wonach alle Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden und Kapital) in der Tendenz
exakt den Einkommensanteil erhalten, der ihrem Beitrag zur Wertschöpfung entspricht. Weit vor Clark hatte bereits Jean-Baptist Say (1767 bis 1832) diese These
von einer Verteilung der Wertschöpfung nach den jeweiligen Grenzproduktivitäten
der Produktionsfaktoren in ähnlicher Form formuliert. Clark führte auch als erster
die Unterscheidung zwischen einer funktionalen und personellen Einkommensverteilung ein „und hebt damit hervor, dass einzelne Personen im Prinzip gleichzeitig
unterschiedliche Einkommensarten beziehen können und auf diese Weise der von
der Klassik behauptete Verteilungskonflikt zwischen unterschiedlichen sozialen Klassen durchbrochen wird.“7
Nach der Etablierung der neoklassischen Wertlehre determinierte nur noch das
„Wertgrenzprodukt der Arbeit“ den Lohn. Im Rahmen seiner auf Gewinnmaximierung angelegten Produktion strebt der Unternehmer eine maximale Differenz zwischen dem bezahlten Lohn und dem Wertgrenzprodukt an. Die Erklärung des Gewinns8 wurde so nicht mehr aus der Differenz des jeweils bezahlten Lohnes und
dem „Ertrag der Arbeit“, sondern durch einen „technischen bzw. rechnerischen“
Gewinnaufschlag auf die angefallenen Kosten, wozu auch die Lohnkosten zählen,
wegdefiniert. Damit wurden zwei lohn- und gewinnpolitische Punkte in den Vorder-
5
Schulten, T., Solidarische Lohnpolitik in Europa. Zur Politischen Ökonomie der Gewerkschaften, Hamburg 2004, S. 47
6
Ebenda, S. 47.
7
Schulten, T., Solidarische Lohnpolitik in Europa, a.a.O., S. 52.
8
Dies gilt auch für die anderen Faktoreinkommen Zins und Grundrente.
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grund gerückt: Erstens wurden die Gewinne auf die gleiche Stufe des moralischen
Ansehens gehoben, wie die Löhne und gleichzeitig die Haltung der Klassik aufgegeben, die die Ausbeutung als Quelle des nationalen Wohlstandes noch anerkannt
hatte.9 Zweitens kam es bei Lohnsteigerungen zu einer Orientierung der Reallöhne
an die Produktivitätsentwicklung, die eine Verteilungsneutralität zwischen
Kapital und Arbeit impliziert.
Das allgemeine „Produktivitätspostulat“ des Lohnes wird durch eine mittlerweile
breite mikroökonomische Literatur ergänzt und teilweise auch modifiziert. So müssten bei vorliegender Arbeitslosigkeit „Abschläge“ vom Produktivitätsfortschritt (wegen einer „Entlassungsproduktivität“) gemacht werden, wenn Arbeitslose nachhaltig
in den Arbeitsmarkt integriert werden sollten. Zu nennen sind hier auch humankapitaltheoretische Ansätze als auch Effizienzlohntheorien sowie machtintendierte Bargaining-Ansätze, die auf den englischen Nationalökonom John R. Hicks
(1904 bis 1989) zurückgehen. Nicht zuletzt ist hier die kostenniveauneutrale
Lohnpolitik, ein Konzept des Sachverständigenrats (SVR), als Gegenstück zur produktivitätsorientierten Lohnpolitik, zu nennen.
Neben den volkswirtschaftlichen (mikroökonomischen) Betrachtungen wird auch die
Frage nach dem Lohn-Gewinn-Verhältnis in der noch jungen Geschichte derBetriebswirtschaftslehre behandelt. Die allgemeine Erklärung und Abgrenzung des
Lohns zum Gewinn, Zins und Grundrente spielt hier keine Rolle. Lohn ist Lohn bzw.
kontraktbebestimmtes Einkommen und Gewinn ist Gewinn, der als Residualeinkommen durch einen Leistungs- und Risikoaufschlag für den Vorschuss von Geldkapital durch die Kapitaleigner als auch durch Opportunitätskosten auf die im Produktionsprozess angefallenen Kosten erklärt und gerechtfertigt wird. Im Kapitel 3.2
geht es vor diesem Hintergrund um die Gewinnableitung, Gewinnbestimmung (Kalkulation) und um die Gewinnrealisierung im Erklärungsgefüge der Betriebswirtschaftslehre. Unter dem neoliberalen Paradigma ist es – ab etwa Mitte der
1970er Jahre – immer mehr zu einer Umkehrung kapitalistischer Logik gekommen – nicht zuletzt auch im Sinne eines Shareholder Value Denkens ab Beginn
der 1990er Jahre. Galten Löhne vor dem Paradigmenwechsel noch als vorab bestimmtes Kontrakteinkommen, so ist der Lohn heute weitgehend nur noch Resteinkommen nach dem der Gewinn ex ante in Form einer festgelegten Rentabilität kalkulatorisch auf Basis eines Target return pricing bestimmt wurde. Im Gegensatz
hierzu wird im Kapitel 3.2.4 im Hinblick auf Beschäftigung ein alternatives Unternehmensmodell angerissen. Dem schließt sich eine Analyse unterschiedlicher Gewinnbegriffe in der Betriebswirtschaftslehre an.
Danach erfolgt im Kapitel 3.4 eine Auseinandersetzung über Lohn und Arbeit in der
Neoklassik. Hier geht es zunächst einmal um die Besonderheiten des „Faktors“
Arbeit und danach um die Bestimmungsgröße der Arbeitsnachfrage und des Arbeits-
9
Vgl. Robinson J., Doktrinen der Wirtschaftswissenschaft. Eine Auseinandersetzung mit ihren Grundgedanken und
Ideologien, München 1965, S. 73.
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angebots. Auch wird hier die neoklassische „Grenze“ für die Höhe des Arbeitslohns
aufgezeigt. Die Neoklassik unterstellt bei steigenden Reallöhnen eine Zunahme des
Arbeitsangebots. Hiergegen steht ein anormales Arbeitsangebot. Demnach müssen abhängig Beschäftigte zu fast jedem Lohn ihre Ware Arbeitskraft an Unternehmer verkaufen. Dies führt bei sinkenden Reallöhnen zu einer Ausweitung des Arbeitsangebots und so in Folge zu noch weiteren Lohnsenkungen, die dann nicht
einmal mehr das Existenzminimum sichern. In diesem Kontext wird die Forderung
nach Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zur Vermeidung des in der
wirtschaftlichen Realität zu beobachtenden Lohndumpings und die ablehnende Haltung der Gegner eines Mindestlohns aufgezeigt. Auch erfolgt eine Darstellung der
kontrovers geführten Diskussionen um Kombilohnmodelle und um ein bedingungsloses (arbeitsloses) Grundeinkommen.
Um sich in einem nächsten Schritt immer mehr der wirtschaftlichen Praxis von
Lohnbestimmungen zu nähern, werden danach machttheoretische Lohnmodelle
vorgestellt um dann zu konkreten tarifvertraglichen Lohnfestsetzungen überzugehen. Diese erfolgen in Form von Flächentarifverträgen, die zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften kollektiv auf Basis einer verfassungsrechtlich garantierten
Tarifautonomie (Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz) ausgehandelt werden. Um dies
analysieren und verstehen zu können, wird zunächst auf die Aufgabenbereiche von
Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände eingegangen und danach neben einer
rechtlichen und empirischen Untersuchung auch eine kurze Beschreibung zur
Geschichte der kollektiven Lohnverhandlungen vorgenommen. Da der Flächentarifvertrag in den letzten Jahren immer mehr mit der Forderung nach einer weitgehenden „Flexibilisierung“ (Stichwort: „Öffnungsklauseln“) konfrontiert worden ist und
sogar die Abschaffung durch eine tarifliche „Verbetrieblichung“ der Arbeitsentgeltfrage aufgeworfen wurde, erfolgt hier im Anschluss eine Auseinandersetzung mit
den Argumenten der Gegner und Befürworter von Flächentarifverträgen.
Weiter geht es mit der Arbeitsgeltfrage in der Betriebswirtschaftslehre. Hier
erfolgt eine ausschließliche Fokussierung auf die Bestimmung des Lohnes für den
einzelnen Arbeitnehmer im Rahmen einer betrieblichen Entgeltpolitik und die
Bedeutung des Personalaufwandes (Lohn, Gehalt plus Lohnnebenkosten) für die
Rentabilität eines Unternehmens. Um dies herauszuarbeiten wird das betriebliche
Arbeitsentgelt definiert und in ein direktes Arbeitsentgelt sowie in sogenannte
Lohnnebenkosten abgegrenzt. Dem schließt sich ein Kapitel zur empirischen Entwicklung der Arbeitsentgelthöhe und insbesondere eine wirtschaftspolitische Diskussion um die Forderung nach einer nachhaltigen Absenkung der Lohnnebenkosten an. Dabei wird auch auf den demografischen Effekt bei den zukünftigen Rentenzahlungen näher eingegangen.
Bei der betrieblichen Entgeltfindung orientiert sich die Betriebswirtschaftslehre
an eine rein lohnimmanente Betrachtung, die sich auf zwei wesentliche Aspekte
stützt bzw. ausrichtet, nämlich an der Arbeitsmotivation, die durch das Arbeitsentgelt angeregt werden soll, und an einer zwischen den Arbeitnehmern angelegten
vertikalen und horizontalen Entgeltgerechtigkeit. Es muss demnach zu einer „an- 5-
forderungs- und leistungsorientierten“ Bezahlung der abhängig Beschäftigten kommen. Eine Ausnahme bildet das marktbezogene Lohneinkommen, das Arbeitsangebots- und Arbeitsnachfragerelationen anzeigt. Hier spielen auch Fragen nach
den Effektivverdiensten und einer Lohndrift, die oberhalb von Tariflöhnen anzusiedeln sind, eine wichtige Rolle. Ebenso untersucht die Betriebswirtschaftlehre vielfältige Lohnanreizsysteme, die vom Akkord- und Prämienlohn bis zu einer Gewinn- und/oder Kapitalbeteiligung reichen können.
Das Lohn-Gewinn-Verhältnis spielt auch in der Makroökonomie eine bedeutende
Rolle. Der kapitalistisch immanente Verteilungskonflikt entfaltet gesamtwirtschaftliche Kausalitäten. Arbeitslohn hat einen Doppelcharakter: Er verursacht aus Sicht
der Unternehmer Kosten und beinhaltet für Arbeitnehmer in exakt gleicher Höhe ein
lebensnotwendiges Einkommen. Insbesondere wurde in makroökonomischen Betrachtungen seit den späten 1950er Jahren der Zusammenhang von Lohnhöhe und
Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit und Inflation anhand des Phillips-KurvenTheorems untersucht. Hierbei wird ein „Trade-off“ von Nominallohnentwicklung
und Inflationsrate auf der einen Seite und Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite unterstellt.1010 Neoklassisch-monetaristisch und keynesianisch ausgerichtete
Ökonomen haben sich hiermit intensiv – meist strittig – auseinandergesetzt. In modernisierter Form wird das Phillips-Kurven-Theorem seit den 1980er Jahren im
Rahmen postkeynesianischer Ansätze als Theorie der „Nicht-inflationstreibenden
Arbeitslosenquote“ (Non-Accelerating Inflation Rate of Unemployment“), abgekürzt
„NAIRU“, formuliert und diskutiert. Ein stabiles Preisniveau lässt sich demnach nur
unter den Bedingungen eines bestimmten Niveaus an Arbeitslosigkeit durchsetzen.
Auch in makroökonomischen Langfristbetrachtungen spielt das Lohn-GewinnVerhältnis eine beträchtliche Rolle. Dies gilt sowohl für die Entwicklung einer in allen
kapitalistischen Ländern zu beobachtenden zunehmenden Staatsverschuldung als
auch für die Entwicklung einer langfristigen Profitrate (vermutet wird hier ein „tendenzieller Fall“) sowie für ein langfristiges Vollbeschäftigungswachstum und
dessen Bedingungen. Dies ist in einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne Auslandsbeziehungen nur dann umsetzbar, wenn die Verteilung der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung auf Löhne und Gewinne (inkl. Zinsen und Grundrente) eine
Sparquote garantiert, die in der Lage ist, alle geplanten Investitionen zu finanzieren.
Das Lohn-Gewinn-Verhältnis muss aber auch unter Berücksichtigung internationaler Wettbewerbsbedingungen betrachtet werden. Dies heute insbesondere im
Hinblick auf eine Europäische Währungsunion, die zu einer Abschaffung der
Wechselkurse führte. Nicht zuletzt bleibt noch die Frage zu beantworten, wie unter
einer Produktions- Produktivitätslücke die Arbeitszeitfrage mit der Lohnfrage verknüpft ist, und welche Lösungsansätze hier zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit
bestehen, die offensichtlich nur mit Wachstum – auch im Hinblick auf ökologische
Probleme – nicht mehr möglich ist.
10
Das Phillips-Theorem ist nach dem englischen Ökonomen Alban William H. Phillips (1914 bis 1975)
benannt.
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