3.3 Verfügungsrechtliche Theorie des Unternehmens

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3.3 Verfügungsrechtliche Theorie des Unternehmens
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Theorie der Unternehmung
Ausgangssituation (Kapitel 1.5.)
Das Unternehmen als unvollständiger Vertrag
Æ Eine Partei erhält die Entscheidungsbefugnis (Verfügungsrecht,
Residuum an Verfügungsrechten)
Æ Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Effizienz
Æ Spezifische Investitionen im Fokus
Æ Suche nach optimalen Kontrollstrukturen
Æ Allokation der Verfügungsrechte beeinflusst
Verhandlungsmacht und Aufteilung der Kooperationsüberschüsse
und Investitionsanreize
Æ Schlussfolgerungen für Integration in Unternehmen
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Theorie der Unternehmung
Das Modell von Hart und Moore (1990)*
Fortführung des Grossman-Hart-Moore-Zugangs zu Unternehmen
Æ Vgl. Kapitel 1.5)
*Hart, Oliver; Moore, John (1990), Property Rights and the Nature of the
Firm, in: Journal of Political Economy, Vol 98, S. 1119-1158.
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Argumentationsrahmen
Æ Akteure (Personen, Unternehmen) arbeiten zusammen (Koalition,
Kooperation, gemeinsame Produktion)
Æ Durch die Zusammenarbeit entsteht ein Kooperationsüberschuss
(Kooperationsrente)
Æ Zur Erzielung des Kooperationsüberschusses sind
beziehungsspezifische Investitionen erforderlich, die Kosten
verursachen.
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Annahmen des Modells:
Kosten und Überschüsse
A1 Kostenaxiom
• Die Kosten beziehungsspezifischer Investitionen steigen bei höherem Investitionsniveau.
• Der marginale Kostenanstieg nimmt mit höheren Investitionsniveaus zu.
• Werden nur sehr geringe Investitionen getätigt, so sind die Kosten der nächsten Einheit
(Grenzkosten) annährend Null
• Wird annährend ein maximales Niveau beziehungsspezifischer Investitionen gewählt,
so wachsen die Kosten weiterer Investitionen (Grenzkosten) über alle Grenzen.
A2 Überschussaxiom I
• Die Kooperationsüberschüsse steigen durch beziehungsspezifische Investitionen der
Teilnehmer der Koalition (Akteure).
• Der marginale Anstieg der Kooperationsüberschüsse nimmt mit höheren
Investitionsniveaus zu.
• Besteht keine Koalition, so werden auch keine Koalitionsüberschüsse erwirtschaftet
(keine Zusammenarbeit).
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Annahmen des Modells:
Kosten und Überschüsse
A1 und A2 stellen sicher, dass die optimale Wahl
der beziehungsspezifischen Investitionen immer
eine innere Lösung hat, und durch die Bedingungen
erster Ordnung eindeutig charakterisiert ist. Es
existieren also optimale Investitionsniveaus in
Abhängigkeit von Kosten und Überschüssen.
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Annahmen des Modells:
Überschüsse und Investitionen
A3 Überschussaxiom II
• Der Kooperationsüberschuss fällt nie, wenn ein Teilnehmer beziehungsspezifisch investiert (keine negativen Ergebnisse spezifischer Investitionen).
• Wenn ein Akteur nicht einer bestimmten Koalition angehört, so haben seine
beziehungsspezifischen Investitionen keinen Wert für diese Kooperation.
Die Investition eines Akteurs wirkt sich nur auf seine eigene
Produktivität und nicht (!) auf die der Assets aus, somit erhöht sich
nur der Wert der Koalition, in der der Akteur Mitglied ist.
A4 Komplementäre Investitionen
• Eine marginale Erhöhung der Investition des Akteurs j erhöht die
Grenzproduktivität von Akteur i (beide in der Kooperation)
Investitionen sind hinsichtlich der Grenzproduktivität komplementär
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Annahmen des Modells:
Superadditivität
A5 Superadditivitätsaxiom I
• Durch den Zusammenschluss von zwei unterschiedlichen (disjunkten bzw.
elementfremden) Koalitionen ist die gesamte Kooperationsrente mindestens so
groß wie die Summe der Überschüsse vor dem Zusammenschluss.
Der gesamte Überschuss wird in der großen Koalition, die alle Assets
kontrolliert, maximiert.
A6 Superadditivitätsaxiom II
• Die Grenzproduktivität der Investitionen steigt mit der Anzahl der
Akteure und Wirtschaftsgüter in der Koalition.
Die beiden Axiome zur Superadditivität (A5 und A6) fordern also, dass die
gesamten Erträge und die marginalen Erträge positiv korreliert sind, wenn
die Koalition größer oder die Menge der kontrollierten Assets größer wird.
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Theorie der Unternehmung
Erste Folgerung: First Best
Maximaler Kooperationsüberschuss zum Zeitpunkt 1:
durch die „große“ Koalition aufgrund der Superadditivität
Gesellschaftlicher Überschuss:
Kooperationsüberschuss – Investitionskosten der Akteure
Maximaler gesellschaftlicher Überschuss:
Grenzertrag für Koalition = Grenzkosten spezifischer Investitionen für Akteure
(für alle Akteure)
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Annahmen des Modells:
Zeitstruktur
Prüfe wie ein Akteur seine spezifischen Investitionen im Zeitpunkt 0
wählt, wenn er Verhandlungen um den Koalitionsüberschuss im
Zeitpunkt 1 antizipiert.
0
Eigentum der
Assets wird
festgelegt
Akteure wählen das Niveau
ihrer beziehungsspezifischen Investitionen
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1
Aufteilung des
Überschusses
unter den
Mitgliedern der
Koalition
t
Auszahlungen
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Vertragliche Annahmen des Modells:
V1:
Es wird angenommen, dass der Akteur (die Koalition) nach einfachem
Mehrheitswahlrecht über die Verwendung der Assets entscheiden kann.
Eigentumsrechte werden im Zeitpunkt 0 definiert und vertraglich zugeordnet.
Eine Koalition kontrolliert ein Asset genau dann, wenn die in der Koalition
enthaltenen Unternehmen mehr als die Hälfte der Anteile an dem Asset halten.
V2:
Die beziehungsspezifischen Investitionen werden von allen Akteuren beobachtet,
sind aber gegenüber den Gerichten nicht nachweisbar.
Es können keine Verträge zur Vereinbarung der Investitionen geschlossen werden.
V3:
Verträge zum Zeitpunkt 0 über die verbindliche Aufteilung des Kooperationsüberschusses zum Zeitpunkt 1 sind nicht möglich.
Es wird zum Zeitpunkt 1 zu Verhandlungen über die Aufteilung des Überschusses
kommen.
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Vertragliche Annahmen des Modells:
V4:
Der Anteil eines Akteurs an dem Koalitionsüberschuss zum Zeitpunkt 1 wird durch
Verhandlungen festgelegt (Shapley Wert).
Shapley Wert: Welche Auszahlungen erhalten die Akteure in
Abhängigkeit von der Koalitionsfunktion.
• Symmetrie: Gleiche Auszahlungen für Akteure mit
gleichem Beitrag zum Kooperationsüberschuss.
Die Verhandlungslösung erfüllt
folgende Axiome:
• Null- oder Dummy Spieler: Auszahlung von 0 für Akteure,
die den Wert keiner Koalition durch ihren Beitrag
verändern.
• Effizienz: Die Summe aller Auszahlungen entspricht dem
Kooperationsüberschuss.
• Additivität: Die Summe von zwei Kooperationsüberschüssen entspricht der Summe der
Aufteilung auf die Akteure.
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Investitionsentscheidung
Jeder Akteur versucht seinen Anteil an dem Koalitionsüberschuss abzüglich
seiner Investitionskosten zu maximieren.
Im Gleichgewicht gilt:
Individuelles Optimum:
Grenzanteil an der Kooperationsrente = Grenzkosten der Investition für Akteure
(Gegeben: Erwartung über die Investitionen aller anderen Akteure)
≠
Maximaler gesellschaftliche Überschuss (Gesellschaftliches
Optimum, Optimum der Koalition):
Grenzertrag für Koalition = Grenzkosten spezifischer Investition aller Akteure
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Theorie der Unternehmung
Investitionsentscheidung
Beachte:
A6: Superadditivitätsaxiom der marginalen Erträge (steigende
Grenzproduktivität)!
Folgerung:
Gegeben, alle Akteure
investieren optimal im Sinne
des gesellschaftlichen
Optimums, dann hätte jeder
Akteur einen Anreiz zu
unterinvestieren.
Wenn ein Akteur aber
unterinvestiert, dann werden die
anderen Akteure auch weniger
investieren da die Investitionen
komplementär sind (vgl. A4).
Begründung: Individuelle Investition erhöht Grenzproduktivität der anderen
Faktoren (Externalität). Wird bei der eigenen Investitionsentscheidung
nicht berücksichtigt. Ein Teil seines Beitrages wird über Verhandlungen
umverteilt.
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Theorie der Unternehmung
Investitionsentscheidung
Insgesamt:
Für jede Eigentumsstruktur liegt Unterinvestition vor, d.h. im
eindeutigen Nash Gleichgewicht gilt:
● Bei gegebenen Investitionen der anderen Akteure ist
der Anreiz zu investieren geringer.
●
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Ein Teil der Produktivität durch die Investition fällt bei
anderen Akteuren an und wird nicht berücksichtigt.
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Theorie der Unternehmung
First-Best-Situation spezifischer Investitionen
(Individuelles = gesellschaftliches Optimum
Grenzanteil am Koalitionsüberschuss = Grenzertrag für
Koalition = Grenzkosten der Investition (für alle Akteure)
•
Einem Akteur wird die vollständige Verhandlungsmacht zugewiesen,
indem er alle Eigentumsrechte aller Assets der Koalition erhält.
•
Er wird die gesellschaftlich optimale Investition durchführen.
(Berücksichtigung aller Produktivitäten, Internalisierung des gesamten
Effekts)
•
Er kann sich die gesamte Kooperationsrente aneignen
Problem: Mehr als 1 Akteur
Externalität Î Unterinvestition
Mit der Anzahl der Akteure steigt das Externalitätenproblem
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Theorie der Unternehmung
Zwischenergebnis
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•
Für jede Eigentumsstruktur liegt in einer Koalition
Unterinvestition vor.
•
Suche nach einem Second Best:
Allokation von Kontrollrechten (Verfügungsrechten)
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Yacht Beispiel:
Rahmenbedingungen
Dienstleistung: Kreuzfahrt mit Gourmetessen
Akteur 1:
Akteur 2:
Akteur 3:
Kapitän
Chefkoch
Millionär
Es gibt nur ein Asset: eine Luxusyacht
Wer sollte die Yacht besitzen?
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Theorie der Unternehmung
Yacht Beispiel:
0
Eigentum an Agent 2 (Chefkoch) kann
der Yacht wird spezifisch investieren
festgelegt
(Vorbereitung des
speziellen Menüs)
Kosten für die Investition
des Chefkochs:
Die Investition erhöht die
Zahlungsbereitschaft des Millionärs:
248
1
t
Erbringung der
Dienstleistung und
Aufteilung des
Überschusses
Auszahlungen
C1 = 100
υ = 240
Nur eine vergleichbare Yacht
Investition ist
beziehungsspezifisch
Es gibt viele potenzielle
Kapitäne
verzichtbarer Akteur
Es gibt nur einen Millionär
unverzichtbarer Akteur
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Folgerung:
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•
Der Millionär wird als Einziger immer gebraucht, da er
der Abnehmer der Leistung ist.
•
Der Koch wird immer gebraucht, weil er investieren
muss.
•
Der Kapitän kann „ausgetauscht“ werden, falls ihm
nicht die Yacht gehört
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Theorie der Unternehmung
Optimale Allokation
Eigentümer der
Yacht
Wer wird benötigt
Symmetrische
Aufteilung
Investition?
Kapitän hat die Yacht
Kapitän; Chefkoch;
Millionär
80 für jeden
Chefkoch investiert
nicht (80 < 100)
Chefkoch hat die
Yacht
Koch und Millionär
werden benötigt
120 für jeden
Millionär hat die
Yacht
Koch und Millionär
werden benötigt
120 für jeden
Chefkoch investiert
(120 > 240)
Chefkoch investiert
(120 > 240)
Chefkoch oder Millionär sollten die Verfügungsrechte an der
Yacht besitzen
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Theorie der Unternehmung
Konsequenzen
Kontrollstrukturen (Allokation der Verfügungsrechte) sind
wichtig für:
• die Höhe der spezifischen Investitionen
• den Koalitionsüberschuss
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Theorie der Unternehmung
Ausgewählte Ergebnisse:
• Wenn nur ein Akteur eine spezifische Investition tätigen
muss, dann sollten ihm alle Assets gehören.
• Ein Akteur, der entbehrlich ist und keine Investition tätigt,
sollte keine Kontrollrechte besitzen.
• Ist ein Akteur unverzichtbar für ein Asset, so sollte dieser
Akteur das Asset besitzen.
• Wenn zwei oder mehr Assets komplementär sind, dann
sollten sie gemeinsam kontrolliert werden.
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Theorie der Unternehmung
Weitere Ergebnisse:
● Kein Vetorecht über ein Asset von mehr als einem Akteur
● Eine Schlüsselgruppe sollte durch einfache Mehrheitsbestimmung
ein Asset kontrollieren
● Ökonomische Unabhängigkeit bedeutet unabhängige Kontrolle
● Falls ein Asset, das für Akteur 1 wesentlich ist, von Akteur 2
kontrolliert wird, so steigert es die Anreize von Akteur 1, wenn
Akteur 2 alle Assets kontrolliert.
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Theorie der Unternehmung
Fazit
Integration oder Nicht-Integration?
Abhängig von der relativen Wichtigkeit der
spezifischen Investitionen der Akteure!
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Theorie der Unternehmung
Fazit
• Erster formaler Ansatz zur Theorie der Unternehmung
• Vor- und Nachteile der Integration werden in einem
einheitlichen Modell betrachtet
• Optimale Kontrollstrukturen werden definiert
Grenzen der Unternehmung werden
deutlicher
Weiterführende Literatur:
Brynjolfsson, E. (1994): wissensbasierter Ansatz
DeMeza, D./ Lockwood, B. (1998): Prozess der Nachverhandlung
Hart, O./ Holmström, B. (2002): Anwendung auf große Firmen
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Theorie der Unternehmung
Literatur
Weiterführende Literatur:
BRYNJOLFSON, E. (1994), Information Assets, Technology, and Organization, in
Management Science, Vol. 40, No. 12, S. 1645-1662 Æ wissensbasierter Ansatz.
DE MEZA/LOCKWOOD (1998), Does Asset Ownership Always Motivate Managers?
Outside Options and the Property Rights Theory of the Firm, in: The Quarterly Journal
of Economics, Vol.113, S. 361-386 Æ Prozess der Nachverhandlungen.
GROSSMAN/HART (1986), The Costs and Benefits of Ownership: A Theory of Vertical
and Lateral Integration, in: The Journal of Political Economy, Vol. 94, No. 4, S. 691719.
HART/HOLMSTRÖM (2002), A Theory of Firm Scope, MIT Department of Economics
Working Paper No. 02-42 Æ Anwendung auf große Firmen.
HART/MOORE (1988), Incomplete Contracts and Renegociation, in: Econometrica, Vol.
56, No. 4, S. 755-785.
HART/MOORE (1990), Property Rights and the Nature of the Firm, in: Journal of
Political Economy, Vol. 98, S. 1119-1158.
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