400/E04 21.11.2013 Standpunkte zum deutschen Handels- und Leistungbilanzsüberschuss Ist der deutsche Export zu hoch? Ist Deutschland „zu wettbewerbsfähig“? Der freie Austausch von Gütern ist für alle von Vorteil. Daher ist es niemals schädlich, wenn ein Land exportiert. Im Fall Deutschlands kommen zwei spezielle Aspekte hinzu: Die hohen deutschen Exporte enthalten einen hohen Anteil von Komponenten und Vorleistungen aus anderen Ländern mit sich (42%). In anderen großen Volkswirtschaften liegt dieser Anteil nur bei 10 bis 30%. Die deutschen Warenexporte bestehen zu 50% aus Investitionsgütern wie z.B. Maschinen und Nutzfahrzeugen, zu weiteren 25% aus Komponenten zur weiteren Verarbeitung. Die Dienstleistungsexporte bestehen überwiegend aus Ingenieur- und Beratungsleistungen. Dies sind Dinge, die andere Länder gerne importieren, um ihre eigenen Volkswirtschaften produktiver arbeiten zu lassen. Deutsche Exporte sind Teil der verflochtenen Weltwirtschaft. Wird der Überschuss mit unfairen Mitteln erreicht? Hält Deutschland die Löhne niedrig („Lohndumping“)? Die Arbeitslöhne im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland gehören zu den höchsten der Welt (siehe Grafik unten). Hohe Exporte werden nicht durch niedrige Löhne erzielt, sondern ganz überwiegend durch hoch ausgebildete Arbeitskräfte – Deutsche und Einwanderer – die mit Hilfe fortgeschrittener Technik Produkte am oberen Ende der Skala von Qualität und Technik herstellen. Je höher die Löhne in einem deutschen Bundesland sind, desto höher ist der Anteil der Exporte an seiner Produktion. Quelle: eigene Darstellung nach Statistischem Bundesamt und Statistischem Landesamt Baden-Württemberg Verlässt sich Deutschland zu sehr auf den „Wachstumsmotor Export“? Die deutsche Leistungsbilanz war in den 90er Jahren negativ. Der Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses hat in den vergangenen Jahren zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Er ist jedoch kein politisches Ziel der Bundesregierung. Steigende Beschäftigung und steigende Reallöhne, sowie niedrige Zinsen haben jetzt gute Voraussetzungen für ein stärkeres Wachstum der Binnenwirtschaft geschaffen: 2013 wird das Wirtschaftswachstum von 0,5% voraussichtlich ganz überwiegend von der Binnennachfrage getragen. In den kommenden Jahren könnte nach vielen Prognosen der Handelsüberschuss aufgrund steigender Importe zurückgehen. Damit würde Deutschland Wachstumsimpulse an sein internationales Umfeld abgeben. Diese Entwicklung ist erwünscht. Sowohl OECD als auch IWF (siehe Grafik) prognostizieren für die kommenden Jahre einen Rückgang des deutschen Leistungsbilanzüberschusses Quelle: eigene Darstellung nach IWF World Economic Outlook Database, October 2013 (Prognosen ab 2013) Belastet der Überschuss der Währungsunion die Weltwirtschaft? Vor der Finanzkrise wies der Euroraum eine ausgeglichene Leistungsbilanz auf, während die USA und China globale Ungleichgewichte erzeugten. Zum Prozess der Überwindung der Krise gehört es, dass die Leistungsbilanzen der Krisenländer positiv werden. Sie müssen zwingend Verschuldung abbauen. Ein unfaires Mittel, einen Überschuss zu erzeugen, wäre ein künstlich niedriger Wechselkurs. Der Wechselkurs des Euro bewegt sich aber frei. Der Leistungsbilanzüberschuss der Wirtschafts- und Währungsunion ist nicht die Ursache für Defizite von Wirtschaftspartnern. Ungleichgewichte haben ihre Ursachen immer auf beiden Seiten. Betreibt Deutschland eine Austeritätspolitik? Nein. In der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2008/2009 hat Deutschland in Abstimmung mit anderen Staaten seine Volkswirtschaft durch staatliche Konjunkturprogramme angeregt. Jetzt müssen alle großen Industriestaaten die dabei entstandenen Staatsdefizite wieder reduzieren. Die dazu notwendigen Konsolidierungsanstrengungen waren in Deutschland nicht größer als in anderen Volkswirtschaften. In der Tat ist der Weg zu einem großen Teil bereits bewältigt. Die Grafik zeigt, dass andere Volkswirtschaften hier noch weitere Wege vor sich haben. Quelle: eigene Darstellung nach IWF World Economic Outlook Database, October 2013 (Prognosen ab 2013) Schadet der Überschuss der deutschen Leistungsbilanz den europäischen Krisenländern? Der deutsche Überschuss erzeugt nicht zwangsläufig Defizite der anderen Euroländer, denn die Leistungsbilanz der Währungsunion kann ausgeglichen, positiv oder negativ sein. In den vergangenen Jahren haben die Krisenländer der Währungsunion ihre Defizite weitgehend ausgeglichen, so dass die Währungsunion insgesamt jetzt einen Überschuss erzielt. Zurückgegangen sind auch die bilateralen Ungleichgewichte im Handel zwischen Deutschland einerseits und Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien andererseits. Im ersten Halbjahr 2008 hatte Deutschland im Handel mit diesen Ländern noch einen Überschuss von 21,5 Mrd. Euro, im ersten Halbjahr 2013 hat sich dieser Überschuss auf 7,7 Mrd. Euro reduziert. Innerhalb des deutschen Leistungsbilanzüberschusses machen diese Länder – in der Grafik blau markiert – nur noch einen geringen Anteil aus. Quelle: IWF Anmerkung: GIIPS umfasst die Länder Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien