V8: Wellen in Plasmen • Plasmaoszillationen • Langmuirwellen • Ionenakustische Wellen • Gruppen- und Phasengeschwindigkeit • Dispersionsrelation • Zusammenhang mit der Debye Länge • elektromagnetische Wellen, Ionosphäre Physik VI - V8 - Seite 1 Da grosse Temperaturen benötigt werden, um ein Plasma zu erzeugen, bewegen sich die Plasmateilchen mit grossen Geschwindigkeiten. Durch die dabei enstehenden Ladungstrennungen und Ströme entstehen zeitlich veränderliche elektrische und magnetische Felder. Elektrische und magnetische Fluktuationen sind typisch für ein Plasma, auch wenn es in einem stationären Zustand ist. Die thermischen Fluktuationen sorgen für ein Grundrauschen im Plasma. Andererseits reagiert ein Plasma aber auch auf äussere Störungen. Diese Störungen können als Überlagerung von linearen Wellen auf das Plasma betrachtet werden. Die Wellen können sich im Plasma ausbreiten und Energie der Störung übertragen, die Frequenzen dieser Wellen reichen von Milli- bis Megahertz. Nur Wellen, die die Plasmagleichungen erfüllen, können sich ausbreiten, es existieren also nur diskrete Plasmamoden. Physik VI - V8 - Seite 2 Eine elektromagnetische Welle erfährt in einem Plasma eine Änderung der Ausbreitungsrichtung, Amplitude und/oder Geschwindigkeit. Aus den beobachteten Änderungen können Rückschlüsse auf Plasmaeigenschaften (Dichte, Temperatur, Driften, . . . ) gezogen werden. Andererseits kann ein Plasma verwendet werden, um eine Änderung (z. B. der Ausbreitungsrichtung) herbeizuführen. Die Sekundärwelle der schwingenden Elektronen überlagert sich mit der Primärwelle und führt so zu den Änderungen der Welleneigenschaften. Neben der bereits eingeführten Plasma- und Gyrofrequenz gibt es einen Zoo an Wellen, die in Plasmen auftreten können. Man unterscheidet dabei nach Elektrostatischen (keine Magnetfeldoszillation) und Elektromagnetischen Wellen. Die Wellen können ebenfalls nach den oszillierenden Teilchen (Elektronen, Ionen) klassifiziert werden. Eine weitere Einteilung erfolgt nach Wellen in unmagnetisierten Plasmen oder Wellen, die sich parallel, senkrecht, oder unter einem Winkel zum Magnetfeld ausbreiten. Physik VI - V8 - Seite 3 http://en.wikipedia.org/wiki/Plasma waves Physik VI - V8 - Seite 4 Jede Störung kann dabei als Kombination von ebenen Wellen betrachtet werden, die Störung kann also ihre Fourier Komponenten zerlegt werden kann. Eine ebene Welle enhält nur eine Fourier Komponente: ~ x, t) = A( ~ ~k, ω) exp(ı~k · ~x − ıωt) A(~ wobei die Amplitude eine Funktion des Wellenvektors und der Frequenz ist. ~vph = ω~k/k 2 ~vgr = ∂ω/∂~k Die Phasengeschwindigkeit ist immer parallel zum Wellenvektor ~k und gibt die Richtung der Wellenausbreitung an. Die Gruppengeschwindigkeit gibt die Geschwindigkeit und Richtung des Energieflusses an. Physik VI - V8 - Seite 5 Plasmaoszillationen In einem unmagnetisiertem Plasma mit der gleichen Anzahl von Elektronen und Ionen können elektromagnetische Wellen propagieren, die jedoch durch die Anwesenheit von Ladungen modifiziert werden. Zusätzlich treten Plasmaoszillationen auf, die im Vakuum nicht exisitieren. Auf kurzen Zeitskalen können die Ionen in einem Plasma als ruhend betrachtet werden. Elektronen, die, relativ zu den Ionen, um eine kleine Strecke δx ausgelenkt werden, spüren ein elektrisches Feld δE und damit eine Kraft −eδE, die die Elektronen in Richtung Ion zurückzieht, um die Quasineutralität zu erhalten. Physik VI - V8 - Seite 6 Für die Plasmadichte ne kann die zeitabhängige Variation der Dichte ∂n durch die Kontinuitätsgleichung beschrieben werden als räumliche Ableitung der Elektronen Geschwindigkeitsverteilung: ∂δn ∂δve,x = −ne ∂t ∂x Physik VI - V8 - Seite 7 Die Störung der Geschwindigkeit ergibt sich aus der Impulserhaltung der Elektronen: e ∂δve,x = − δE ∂t m Das elektrische Feld, welches durch die ausgelenkten Elektronen erzeugt wird, erfüllt die Poisson Gleichung: ∂δE e = − ∂n ∂x 0 Durch Einsetzen erhält man: ∂ 2δn nee2 ∂n = 0 + 2 ∂t m e 0 Physik VI - V8 - Seite 8 Diese Gleichung für die Dichtevariation enspricht einem harmonischen Oszillator. Mit dem Ansatz δn ∝ exp(−ıωt) erhält man die Kreisfrequenz ω = ωpe: s ωpe = ne e 2 m e 0 Die Elektronen oszillieren mit der Elektronenplasmafrequenz um die Position der Ionen. Für die Ionen gilt analog die Ionenplasmafrequenz: s ωpi = ni Z 2 e 2 m i 0 Physik VI - V8 - Seite 9 Langmuirwellen Elektronen in einem Plasma befinden sich nicht in Ruhe sondern haben verschiedene Geschwindigkeiten, also reagieren sie unterschiedlich auf Versuche sie aus ihrer momentanen Lage auszulenken. Um diesen Effekt zu berücksichtigen, muss die adiabatische Variation des thermischen Druckes, δpe = γekbTeδne, in der Elektronen Impulserhaltung berücksichtigt werden. Bei konstanter Elektronentemperatur ergibt sich die Bewegungsgleichung: ∂δve,x e γekbTe ∂δn = − δE − ∂t me mene ∂x Physik VI - V8 - Seite 10 Nach Eliminierung von δE und δve,x erhält man als bessere Näherung für die Dichtevariation: ∂ 2δn γekbTe ∂ 2δn 2 − + ω pe δn = 0 2 2 ∂t me ∂x Es ergibt sich die Dispersionrelation für Langmuir Wellen: 2 2 ωl2 = ωpe + k 2γevthe 1/2 wobei die thermische Geschwindigkeit der Elektronen als vthe = (kbTe/me) definiert ist. Für kleine Temperaturen und Wellenzahlen geht die Dispersionsrelation gegen die Plasmaoszillationen. Für endliche Temperaturen oder k 6= 0 breiten sich die Oszillationen im Plasma aus und wandeln sich in elektrostatische Wellen: Oszillationen des elektrischen Feldes, die im Plasma propagieren. Langmuiroszillationen sind Langmuirwellen mit sehr grosser Wellenlänge. Physik VI - V8 - Seite 11 Ionenakustische Wellen Bei kleinen Frequenzen spielt auch die Bewegung der Ionen eine Rolle, zusätzlich zur Bewegungsgleichung der Elektronen muss auch die Bewegungsgleichung der Ionen betrachtet werden. In einer ersten Näherung kann q die Elektronenträgheit 2 2 iZ e vernachlässigt werden, da die Ionenplasmafrequenz ωpi = nm i ε0 p für Protonen bei Quasineutralität um einen Faktor me/mi = 43 kleiner als ωpe ist. Bei diesen kleinen Frequenzen reagieren Elektronen ohne Trägheit auf Änderungen im elektrischen Feld. Physik VI - V8 - Seite 12 Damit reduziert sich die Elektronendynamik auf das Gleichgewicht zwischen Elektronendruck und Elektrischer Kraft (∂no/∂x = 0): ∂ ln ne eδE = −γeknTe ∂x mit ne = n0 + δne. Mit dem elektrischen Potential δE = −∂δφ/∂x wird diese Gleichung zu einer Boltzmanngleichung für die Elektronendichte: eδφ ne = n0 exp γekbTe Physik VI - V8 - Seite 13 Die linearisierte Version dieser Gleichung: eδφ δne = n0 γekB Te beschreibt die Antwort der Elektronen auf niedrig frequente Potential Oszillationen. Zusammen mit den linearisierten Gleichungen für Ionen: ∂δni ∂t ∂δvi,x ∂t ∂ = −ni δvi,x = e δE mi Physik VI - V8 - Seite 14 Der Ionendruck wird vernachlässigt, da die Ionentemperatur viel kleiner als die Elektronentemperatur ist. Mit Ladungsneutralität δne = δni = δn erhält man: ∂ 2δn γekbTe ∂ 2δn − =0 2 2 ∂t mi ∂x äquivalent zu den Langmuirwellen für Elektronen. Für ebene Wellen ergibt sich die Lösung: γekbTe 2 2 k ωia = mi Diese Ionenakustischen Wellen haben dieselben Eigenschaften wie Schallwellen in Gasen. Beide Wellen haben eine lineare Dispersion ω ∝ k und sind reine Dichtefluktuationen. Die Phasengeschwindigkeit ω/k ist die Ionen-akustische Geschwindigkeit 1/2 γekbTe cia = mi Physik VI - V8 - Seite 15 Wegen der linearen Dispersionrelation ist die Gruppengeschwindigkeit gleich der Phasengeschwindigkeit. Bei Berücksichtigung des Ionendrucks muss der Term γeTe durch die Summe von Elektronen und Ionenbeitrag γeTe + γiTi ersetzt werden. Damit wird für grosse Ionentemperaturen die Ionenschallgeschwindigkeit gleich der Ionen-thermischen Geschwindigkeit und der Beitrag der Elektronen zu den Schallwellen kann vernachlässigt werden. Für grosse Frequenzen in der Nähe von ωpi gilt auch die Quasineutralität nicht mehr. Also muss δne = δni mit der Poisson Gleichung 2 ∂ δφ en0 δne δni = − 2 ∂x 0 n0 n0 ersetzt werden, wobei Quasineutralität für den ungestörten Zustand angenommen wird: ne = ni = n0. Die genauere Dispersionsrelation lautet: 2 ωia k 2c2ia = 2 1 + k 2c2ia/ωpi Physik VI - V8 - Seite 16 ω ist nur für grosse Wellenlängen oder kleine k linear in k. Für Wellenlängen in der Nähe der Debye Länge ist die Welle keine akustische mehr, die Frequenz wird konstant und nähert sich der Ionenplasmafrequenz an. Dispersion von Langmuir- und Ionen-akustischen Wellen (Baumjohann, 1996). Zwischen den beiden Plasmafrequenzen kann sich keine elektrostatische Welle in einem unmagnetisierten Plasma ausbreiten. Physik VI - V8 - Seite 17 Zusammenhang mit der Debye Länge Die Debyelänge taucht bei der Dispersionsrelation für Ionenakustische Wellen wieder auf, was vermuten lässt, dass sie von der Ladungstrennung durch die Temperatur bei kleinen Wellenlängen verursacht wird. In einem quasineutralen Plasma erzeugt ein ruhendes Ion ein elektrisches Feld, das Elektronen anzieht, um die Landung des Ions auszugleichen. Durch die hohe Mobilität der Elektronen werden sie in Richtung Ion beschleunigt, so dass im Mittel sich in der Nähe des Ions mehr Elektronen aufhalten, als weit entfernt. Die Ladungsneutralität ist hier verletzt, also entsteht ein elektrisches Potential φ(r), welches die Poisson Gleichung erfüllt: e 2 ∇ φ = − (ni − ne) 0 Physik VI - V8 - Seite 18 Die Ionendichte entspricht der quasineutralen Plasmadichte, aber die Elektronendichte ist durch das Ion gestört. Für ein Gleichgewicht zwischen thermischer Bewegung und elektrischem Feld sind die Elektronen Maxwell verteilt, und ihre Dichte gehorcht der Boltzmann Verteilung: ne(r) = n0 exp eφ(r) kbTe Für kleine Potentiale |eφ| << kbTe kann der Ausdruck Taylor entwickelt und in die Poisson Gleichung eingesetzt werden: 2 e n0 φ 2 ∇ φ= 0kB Te Physik VI - V8 - Seite 19 Das Problem ist radialsymmetrisch um die Position des Ions und das Potential divergiert mit 1/r für r → 0. Die Dimension der linken Seite der Gleichung entspricht dem elektrostatischen Potential geteilt durch eine Länge zum Quadrat. Ein Vergleich ergibt für diese Länge die Debye Länge: λD = 0kbTe n0 e 2 1/2 Die Debye Länge ist also die typische Abschirmdistanz für das elektrostatische Feld eines Ions in einem quasineutralem Plasma mit Elektronen bei der Temperatur Te. Jedes Ion ist mit einer Wolke zusätzlicher Elektronen umgeben, die das Feld des Ions abschirmen. Eine Kugel mit dem Radius λD ist die Debye Kugel, die Anzahl der Teilchen in dieser Kugel ist die Debye Zahl und entspricht in etwa dem Plasma Parameter. Innerhalb der Debye Kugel ist das Potential nicht abgeschirmt, also die Quasineutralität verletzt. Physik VI - V8 - Seite 20 Wenn man auch die Abschirmung der Elektronen durch die Ionen berücksichtigt (meistens ein kleiner Effekt), erhält man die effektive Debye Länge −2 −2 λ−2 = λ + λ D Di D,eff mit λDi = 0kbTi n0 e 2 1/2 In einem isothermen Plasma mit ähnlichen Elektronen und Ionentemperaturen tragen beide Deybe Längen gleich zur effektiven Deybe Länge bei. Die Deybe Länge kann als das Verhältnis von thermischer Geschwindigkeit der Elektronen zur Elektronenplasmafrequenz geschrieben werden λD = vthe/ωpe. Damit wird die Dispersionsrelation der Langmuir Wellen: 2 ωl2 = ωpe (1 + γek 2λ2D ) Physik VI - V8 - Seite 21 elektromagnetische Wellen (ordinary-waves) Sich bewegende Ladungen führen zu oszillierenden Strömen im Plasma, welche Quellen für elektromagnetischen Wellen sind. In einem magnetisierten Plasma kann eine vielzahl solcher Moden propagieren. Die einfachste e-m Welle tritt in unmagnetisierten Plasmen auf: die Vakuum e-m Welle. Eine e-m Welle mit der Frequenz ω versetzt die Elektronen im Plasma in Bewegung und erzeugt damit einen Elektronenstrom δ~jem = ßen0δ~ve Nur die Störung der Elektronengeschwindigkeit trägt zum Strom bei, da das Plasma ursprünglich in Ruhe war. Physik VI - V8 - Seite 22 Diese Störung kann aus der Bewegungsgleichung der Elektronen berechnet werden, die sich im e-m Feld δE der ebenen Welle bewegen: ie ~ δ~ve = − δE ωme Durch Einsetzen in die Gleichung für den Strom, findet man, dass der indu~ proportional zum elektrischen Feld der Welle ist zierte Strom δ~jrmem = σemE (Ohm’sches Gesetz). Die Proportionalitätkonstante ist die Leitfähigkeit σem 2 i0ωpe = ω Sie hängt von der Frequenz der Welle und der Elektronen Plasmafrequenz ab und ist imaginär. Sie verschwindet für sehr grosse Frequenzen und wenn kein Plasma Physik VI - V8 - Seite 23 vorhanden ist. In beiden Fällen wird die e-m Welle eine gewöhnliche Vakuum Welle. Die Dispersionsrelation der Vakuum Welle ist k 2c2 N = 2 ω 2 N ist dabei der Brechungsindex und im Vakuum gilt N 2 = 1. In einem unmagnetisierten Plasma kann man ihn durch die Dielektrizitätsfunktion (ω, ~k) ersetzen und erhält die Dispersionsrelation der e-m Welle k 2c2 = (ω, ~k) 2 ω Physik VI - V8 - Seite 24 Es gibt einen Zusammenhang zwischen (ω, ~k) und der Leitfähigkeit σ(ω, ~k) (nächste Vorlesung). In diesem Fall gilt: 2 ωpe iσem(ω) (ω) = 1 + =1− 2 0 ω ω Damit wird die Dispersionsrelation der Vakuum e-m Welle 2 2 ωom = ωpe + c2k 2 Diese Welle wird ordentliche Welle (ordinary mode) genannt, da sie, ohne Plasma, dieselbe Dispersionsrelation hat wie die Vakuum Welle. Dre wesentliche Unterschied zur Vakuum Welle ist, dass es für Frequenzen unterhalb der Plasmafrequenz keine reelle Lösung gibt und die Welle hört auf zu existieren (cut-off). Beim cut-off wird die Wellenzahl Null und die Welle wird reflektiert (Brechungsindex = 0). Physik VI - V8 - Seite 25 Ionosphäre Radiowellen (Langwellen) unterhalb der Plasmafrequenz können nicht durch die Ionosphäre dringen, sie werden zwischen Ionosphäre und Erdboden reflektiert und können sich so (besonders Nachts: Reflektion in grosser Höhe) über grosse Distanzen ausbreiten. Andererseits können niederfrequente Wellen aus der Aurora nicht bis zum Erdboden gelangen. Der verschwindende Brechungsindex wird zB für die Untersuchung der Ionosphäre mit Hilfe von Ionosonden angewendet. Durch Variation der Sendefrequenz kann, mit Hilfe der Laufzeit der Impulse, ein Dichteprofil der Unterseite der Ionosphäre gemessen werden (virtuelle Höhe). Sender auf Satelliten messen das Dichteprofil der Oberseite (top-side sounder). Physik VI - V8 - Seite 26 Frequenzen oberhalb der Plasmafrequenz erfahren lediglich eine Verlangsamung der Ausbreitungsgeschwindigkeit und eine Phasenverschiebung. Durch Verwendung von zwei oder mehr Frequenzen kann damit das Integral der Elektronendichte (TEC: total electron content) bestimmt werden (GPS Satellit bis zum Erdboden). Auf Raketen eingesetzt (Faraday rotation) kann damit entlang der Flugbahn das Dichteprofil rekonstruiert werden. Satelliten, die zB den Mars umkreisen, messen so aus dem Orbit das Ionosphärenprofil des Mars (limb sounder: Phasenverschiebung des Signals zwischen Erde und Satellit). Physik VI - V8 - Seite 27 Moderne Ionosonde von digisonde.com Physik VI - V8 - Seite 28