Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege

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Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
HIV-Infektion und Leber
Zusammenfassung
Das klinische und histologische Spektrum von Erkrankungen der Leber im Rahmen einer
HIV-Infektion ist ausgesprochen breit. Zu den wichtigsten Ursachen gehören durch
Medikamente verursachte Transaminasenerhöhungen und chronische Virushepatitiden.
Mit der Einführung erfolgreicher HIV-Therapien im Jahr 1996 ist es nachfolgend zu einer
dramatischen Abnahme der HIV-assoziierten Morbidität und Mortalität gekommen. Die
Mortalität durch Lebererkrankungs-assoziierte Komplikationen bei HIV- und Hepatitiskoinfizierten Patienten hat parallel dazu aber deutlich zugenommen. Gut ein Drittel
aller europäischen und amerikanischen HIV-Patienten weist eine chronische Hepatitis C
auf, 6% haben gleichzeitig eine chronische Hepatitis B. Damit ist die Entwicklung von
Therapiestrategien zur Behandlung der Hepatitis-Koinfektion bei HIV-Patienten zu einer
der dringlichsten klinischen Aufgaben geworden. Leberveränderungen im Rahmen der
Manifestation systemischer Erkrankungen, z. B. bei opportunistischen Infektionen oder
HIV-assoziierten Neoplasien, stellen heute eher eine Seltenheit dar.
Dr. C. Boesecke
Prof. Dr. J.K. Rockstroh
Medizinische Klinik und Poliklinik I
Universitätsklinikum Bonn
Sigmund-Freud-Str. 2
 Bonn
Schlüsselwörter
HIV-Infektion | Hepatitis A |HepatitisB/D| Hepatitis C | antiretrovirale Therapie |
opportunistische Infektionen | Hepatotoxizität
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
Titelbild: Histologisches Bild einer medikamtentös-toxischen Schädigung (wie z. B. durch eine HAART) des
Lebergewebes mit mikrovesikulärer Steatose und großen intrazellulären Mitochondrien.
29
HIV-Infektion und Leber
Einleitung
Die wichtigsten Erkrankungen der Leber im Rahmen einer HIV-Infektion sind in Tabelle 1
aufgeführt. Von klinisch größter Bedeutung sind insbesondere eine Hepatitis-B- oder
-C-Koinfektion und Transaminasenanstiege als Zeichen der Hepatotoxizität unter neu
angesetzter oder laufender antiretroviraler Therapie. Schließlich ist noch auf die vielfältigen Lebererkankungen im Rahmen der entsprechenden Organmitbeteiligung
bei vielen AIDS-assoziierten opportunistischen Infektionen und Malignomen hinzu­
weisen. In der nachfolgenden Übersicht werden die wichtigsten möglichen Leber­
erkrankungen bei HIV und AIDS hinsichtlich der jeweiligen Epidemiologie, Diagnostik,
klinischem Verlauf und Therapie vorgestellt und kritisch diskutiert.
Spektrum der Leberschäden bei HIV-Patienten
Virale Hepatitiden
Hepatitis A
Hepatitis B
Hepatitis C
Hepatitis D
Hepatitis E
Hepatitis G
Epstein-Barr-Virus
Herpes-simplex-Virus
Zytomegalie-Virus
HIV
Adenovirus
Opportunistische Infektionen
Mycobacterium avium/intracellulare
Mycobacterium tuberculosis
Kryptosporidien
Pneumocystis carinii
Candida albicans
Histoplasma capsulatum
Cryptococcus neoformans
Coccidioides immitis
Rochalimea (Bartonella henselae)-Infektion
Neoplasien
Kaposi-Sarkom
Non-Hodgkin-Lymphom
Hodgkin-Lymphom
Durch Medikamente induzierte
Leberschäden
z. B. antiretrovirale Medikamente
Antibiotika
Tuberkulostatika
Tab. 1
Hepatitis A
Vorkommen
Die Hepatitis A ist eine weitverbreitete Viruserkrankung bei HIV-Patienten. Sie tritt
­insbesondere bei homosexuellen Männern sowie bei HIV-infizierten Urlaubern, die
in endemische Gebiete reisen, auf. Die Übertragung erfolgt überwiegend fäkal/oral.
Die Infektiosität entspricht der Dauer der Hepatitis-A-Virusausscheidung im Stuhl
(ca. 2 Wochen vor bis 2 Wochen nach Krankheitsbeginn).
P Die Hepatitis A ist eine weitverbreitete Viruserkrankung
bei HIV-Patienten.
30
Klinischer Verlauf
Die Hepatitis A heilt auch bei HIV-infizierten Patienten stets vollständig aus. Es liegen
bisher keine Hinweise darauf vor, dass es zu schweren Verläufen der Hepatitis A bei
HIV-infizierten Personen kommt. Eine protektive Immunität gegenüber der Hepatitis A
nach durchgemachter Infektion bleibt auch bei fortschreitender HIV-Infektion be­
stehen. Das Impfansprechen kann jedoch bei fortschreitender Immundefizienz ein­
geschränkt sein.
P Die Hepatitis A heilt auch bei HIVinfizierten Patienten stets
vollständig aus.
P Ein Impfansprechen kann jedoch
bei fortgeschrittener Immundefizienz
eingeschränkt sein.
Diagnostik
Der Nachweis von anti-HAV-IgM im Serum deutet auf eine frische Infektion hin, während der alleinige anti-HAV-IgG-Nachweis auf eine frühere Infektion hinweist. Der
Nachweis von Hepatitis-A-Virus im Stuhl bedeutet bestehende Infektiosität und somit
Isolierungspflicht. Bei nicht immunkompetenten HIV-Patienten kann die Phase des
Nachweises von Hepatitis-A-Virus im Stuhl verlängert sein.
P Bei nicht immunkompetenten
HIV-Patienten kann die Phase des
Nachweises von Hepatitis-A-Virus im
Stuhl verlängert sein.
Therapie
Eine spezifische Therapie der Hepatitis A bei HIV-infizierten Patienten ist nicht notwendig. Aufgrund der möglichen Übertragung der Hepatitis A bei Risikogruppen wird
derzeit für alle HIV-Patienten, insbesondere i.v.-Drogenabhängige, Hämophile und
Männer, die Sex mit Männern haben, eine entsprechende Hepatitis-A-Impfung bei
negativer Virus-A-Serologie empfohlen. Die Grundimmunisierung erfolgt mit 3 Impfungen zu den Zeitpunkten Woche 0, 4 und 24. Auffrischimpfungen sollten spätestens
nach 10 Jahren erfolgen, können jedoch bei HIV-Patienten früher notwendig werden.
P Eine entsprechende Hepatitis-AImpfung bei negativer Virus-A-Serologie,
idealerweise mit einem Kombinationsimpfstoff (Hepatitis A und B), wird
empfohlen.
Hepatitis B und D
Vorkommen
Aufgrund der ähnlichen Übertragungswege lässt sich bei HIV-Infizierten sehr häufig
laborchemisch eine ausgeheilte Hepatitis-B-Virus (HBV)-Infektion nachweisen. Bei
6% aller europäischen HIV-Patienten ist allerdings das HBs-Antigen als Zeichen einer
chronischen Infektion nachweisbar.
P In 6% aller europäischen
HIV-Patienten findet man eine
chronische Hepatitis-B-Virusinfektion.
Klinischer Verlauf
Das Risiko für einen chronischen Verlauf einer Hepatitis B ist bei HIV-Infizierten in etwa
fünfmal höher als bei immunkompetenten Patienten (hier nur zwischen 5–10%).
Bei der HIV/HBV-Koinfektion, insbesondere mit sinkender Helferzellzahl und damit
schlechterer zellulärer Immunabwehr, finden sich meist deutlich erhöhte HBVReplikations­marker (HBeAg, HBV-DNA) bei gleichzeitig nur leicht erhöhten oder sogar
im Norm­bereich liegenden Transaminasen als Ausdruck einer vergleichsweise geringen Entzündungsreaktion. Zusätzlich kann es zu falsch-negativen HBV-Antikörper­
titern kommen. Klinisch äußerst relevant ist das raschere Voranschreiten der Leber­
erkrankung bei gleichzeitiger HIV-Koinfektion hin zu einer Leberfibrose und das damit
verbundene erhöhte Risiko der Entwicklung einer Zirrhose und ggf. sogar eines hepatozellulären Karzinoms (HCC). Daraus resultiert eine signifikant höhere Mortalität der
koinfizierten HIV-Patienten im Vergleich zu den HIV-Monoinfizierten. Bei besonders
schwerer Immundefizienz kann es sogar zu einem Wiederaufflammen der serologisch
als ausgeheilt (anti-HBe-positiv, HBV-DNA-negativ) geltenden Hepatitis-B-Infektion
kommen.
P Eine HIV-Koinfektion ändert den
natürlichen Verlauf einer chronischen
Hepatitis B: schnellerer Progress zur
Leberzirrhose, erhöhte Morbidität und
Mortalität.
Daher erscheint ein engmaschiges Überwachen der koinfizierten Patienten, insbesondere bei schwerem Immundefekt, angezeigt, ebenso wie eine frühzeitige medikamentöse HBV-Therapie.
31
Diagnostik
Um die Krankheitsaktivität einschätzen zu können und eine Prognoseabschätzung
vorzunehmen, wird neben der Bestimmung der Transaminasen auch eine quantita­
tive Ermittlung der HBV-DNA empfohlen. Bei Vorliegen einer chronischen Infektion
(definiert als HBsAg- oder HBV-DNA-positiv > 6 Monate) werden bei einer Ausgangsvirämie von < 2000 IU/l Kontrollen in 6-monatigen Abständen empfohlen; wenn allerdings bereits eine höhergradige Fibrose vorliegt, sollte unabhängig von der Virus­
menge eine Behandlung stattfinden. Bei einer Ausgangsvirämie von > 2000 IU/l sollte
bei gleichzeitig erhöhter Alaninaminotransferase (ALT) eine Behandlung begonnen
werden. Bei normaler ALT sollte zunächst der Fibrosegrad der Leber bestimmt und bei
höhergradiger Fibrose eine Therapie initiiert werden. Der Grad der Leberfibrose kann
entweder bioptisch oder nicht-invasiv, z. B. durch Fibroscan, ermittelt werden. Leberbiopsien bieten den Vorteil des zusätzlichen Informationsgewinns (Entzündungsgrad,
weitere mögliche Ursachen der Lebererkrankung), nicht-invasive Methoden hin­gegen
sind einfach durchführ- und beliebig oft wiederholbar. Die Abbildung 1 fasst den
­derzeitig empfohlenen Algorithmus zur Evaluierung der Behandlungsindikation bei
HIV/HBV-koinfizierten Patienten zusammen.
Abb. 1
Beurteilung der Behandlungsindikation einer
HBV-Infektion bei HIV-positiven Patienten
(nach [13] und www.europeanaidsclinicalsociety.org)
HBsAg-positiva
HBV-DNA-positiv
> 6 Monate
HBV-DNA
< 2000 IU/l
Erwägung einer
Leberbiopsie, wenn
a) delta-positiv
b) eAg-negativ
mit erhöhten
ALT-Werten
Alle 6–12 Monate
kontrollieren
Behandeln, wenn in
Leberbiopsie Metavir > A2
und/oder > F2
> 2000 IU/l
ALT
normalb
ALT
erhöht
Leberbiopsie
Behandeln
a) Chronische HBV-Infektion definiert als HBsAg- oder HBV-DNA-positiv > 6 Monate
b) Bitte beachten: Normaler ALT-Wert ist < 19 IU/l bei Frauen und < 31 IU/l bei Männern
Therapie
Bei der Wahl einer Hepatitis-B-Behandlung sollte auch die Frage nach einer etwaigen
HIV-Therapie (HAART = highly active antiretroviral therapy) gestellt werden, da einige
zugelassene antiretrovirale Mittel sowohl die virale Replikation von HIV als auch HBV
blockieren. Generell wird in den meisten Richtlinien die frühzeitige HAART-Einleitung
bei HIV/HBV-koinfizierten Patienten empfohlen, insbesondere bei Patienten mit fortgeschrittener Leberfibrose, unabhängig von der Hepatitis-B-Viruslast. Lediglich bei einem
kleinen Anteil HIV/HBV-koinfizierter Patienten mit hoher CD4-Zellzahl (> 500/µl) kann
eine alleinige HBV-Therapie diskutiert werden. Die Europäischen Leitlinien für die Behandlung der Hepatitis B bei HIV-Infektion bieten einen Algorithmus für beide Patientengruppen, der sich an der Behandlungsbedürftigkeit der HBV-Infektion (s. Abb. 1),
der CD4-Zellzahl, dem Vorhandensein einer symptomatischen HIV-Infektion und dem
Vorliegen einer Leberzirrhose orientiert (s. Abb. 2).
32
Behandlung der chronischen HBV-Infektion bei HIV-positiven Patienten
(nach [13] und www.europeanaidsclinicalsociety.org)
Abb. 2
HIV/HBV-Koinfektion
CD4 > 500/µl UND
keine Indikation für HAART
HBV-Therapie
indiziert
a) Frühe HAART
inklusive TDF +
FTC/3TC
b) P
egIFN für
48 Wochen,
wenn Genotyp A,
hohe ALT-Werte,
niedrige HBV-DNA
Keine HBVTherapie
indiziert
Engmaschig
überwachen
CD4 < 500/µl oder
symptomatische HIV-Infektion
oder Zirrhose
Lamivudinerfahren
Lamivudinnaiv
TDF zur HAART
hinzufügen
oder NRTI
damit ersetzen
HAART
inklusive
TDF + 3TC
oder FTC
FTC = Emtricitabin; 3TC = Lamivudin; TDF = Tenofovir; PegIFN = pegyliertes Interferon;
NRTI = nucleoside reverse transcriptase inhibitor
Von den derzeitig zugelassenen antiretroviralen Mitteln besitzen die sogenannten
Nukleos(t)id-Analoga Lamivudin (3TC), Emtricitabin (FTC) und Tenofovir (TDF) eine
2-fache anti-HBV- und anti-HIV-Wirksamkeit. Allerdings haben Monotherapien in klinischen Studien hohe Raten an Resistenzentwicklungen für 3TC und FTC (jedoch nicht
für TDF) gezeigt. Deshalb empfehlen Experten eine Kombinationstherapie aus TDF
und entweder 3TC oder FTC, um das Risiko der Entwicklung einer HBV-Resistenz
zu minimieren. Aktuell wird eine lebenslange Therapie im Rahmen einer HAART empfohlen.
P Verbesserte HBV-Behandlungs­
optionen sind in Form von effektiven
und sicheren Nukleotiden und
Nukleosiden verfügbar.
Kombinationstherapie im Rahmen
einer HAART anstatt Monotherapie
zur Vorbeugung einer Resistenz­
entwicklung.
Für HIV-Patienten, die dezidiert keine HAART beginnen wollen, besteht die Möglichkeit einer Kombinationstherapie mit den Nukleos(t)id-Analoga Adefovir +/– Telbivudin. Es gilt jedoch zu beachten, dass sich bei Adefovir zumindest theoretisch eine HIVResistenz entwickeln könnte, da Adefovir auch eine anti-HIV-Wirkung besitzt. Ob
allerdings in der geringen Dosis von einmal täglich 10 mg hier ein Selektionsdruck
entsteht, scheint fraglich. In bisherigen Untersuchungen wurden keine HIV-spezifischen Mutationen unter einer Adefovir-Monotherapie nachgewiesen. Entecavir als
HBV-Monotherapie hat zu der vermehrten Entstehung der HIV-relevanten Mutation
M184V geführt, sodass eine entsprechende Entecavir-Monotherapie ohne gleichzeitige
HAART-Therapie nicht mehr empfohlen wird. Zu der möglichen anti-HIV-Wirksamkeit
von Telbivudin liegen zurzeit noch widersprüchliche Daten vor. Wenngleich es in
einigen Kasuistiken nach Einleitung einer Telbivudintherapie zu einer Abnahme der
HIV-RNA kam, konnte bislang keine HIV-relevante Resistenzentstehung nachgewiesen werden und auch in vitro ergibt sich im Gegensatz zu Entecavir kein Hinweis für
eine entsprechende anti-HIV-antivirale Wirkung von Telbivudin.
Prinzipiell können koinfizierte Patienten ohne eine Behandlungsindikation für ihre
HIV-Infektion auch mit pegyliertem Interferon behandelt werden. Jedoch liegen nur
wenige Daten zur Effektivität einer Interferonbehandlung im Rahmen einer HIV/HBVInfektion in der Zeit nach Einführung der HAART vor. Jüngere Forschungsergebnisse
räumen der Bestimmung des HBsAg-Status während der 48-wöchigen Therapie einen
möglichen positiv-prädiktiven Stellenwert für ein Therapieansprechen in Patienten
mit einer HBe-negativen chronischen Hepatitis B ein.
Nach Therapiebeginn sollten Kliniker auf einen akuten Transaminasenanstieg achten.
Dieser gilt einerseits als guter prognostischer Marker für eine Viruseliminierung,
­andererseits können Patienten mit niedriger CD4-Zellzahl und weit fortgeschrittener
­Lebererkrankung durchaus hepatisch dekompensieren. Zusätzlich kann es, insbeson33
dere bei niedrigem Helferzellstatus, im Rahmen der gleichzeitigen HIV/HBV-Therapie
auch zu einem Immunrekonstitutionssyndrom mit ausgeprägten Hepatitis-Flares
kommen, die ebenfalls zur hepatischen Dekompensation führen können. Entspechend engmaschige Kontrollen der Transaminasen sind daher nach Therapiebeginn
empfehlenswert.
Des Weiteren sollten HBV/HIV-koinfizierte Patienten mit fortgeschrittener Lebererkrankung (Zirrhose) routinemäßig alle 6 Monate auf Ösophagusvarizen (Endoskopie)
und HCC-Herde in der Leber (Sonografie und Labor) kontrolliert und frühzeitig zur
Transplantationsbegutachtung (oLTX) überwiesen werden. Zur Verhinderung einer
Reinfektion mit HBV ist nach oLTX die orale antivirale Behandlung und zusätzliche
Gabe von intravenösen Hepatitis-B-Immunglobulinen obligat.
P Das Monitoring zirrhotischer Patienten beinhaltet ÖsophagusvarizenEndo­skopie, Lebersonografie (HCC)
und frühzeitige Transplantations­
begutachtung.
Hepatitis D
Das Hepatitis-D-Virus (HDV) benötigt für seine Replikation die Hülle des HBV und tritt
daher nur als Doppelinfektion auf. Diese findet sich bei HIV-Infizierten am häufigsten
in der Gruppe der i.v.-Drogenabhängigen und Hämophilie-Patienten und hat eine
hohe Persistenz bzw. Reaktivierungsrate mit entsprechender Verschlechterung der
Lebererkrankung. Im Falle einer ebenfalls vorhandenen Hepatitis-C-Infektion wird der
klinische Verlauf sogar maßgeblich von HDV bestimmt.
Hepatitis C
Vorkommen
Europaweit sind gut ein Drittel aller HIV-Patienten HCV-koinfiziert. Seit 2000 werden
zudem in verschiedenen Großstädten Europas Ausbrüche akuter HCV-Infektionen
­unter HIV-positiven Männern, die Sex mit Männern haben, beobachtet.
P Die HIV/HCV-Koinfektion findet
sich europaweit bei fast einem
Drittel aller HIV-Patienten,
in Deutschland bei etwa 15%.
Klinischer Verlauf und Diagnostik
Nach akuter Infektion mit Hepatitis C ist die Bildung von anti-HCV-Antikörpern bei
HIV-positiven Patienten deutlich verzögert. Bei 5% der Patienten, die auch nach 1 Jahr
Infektionsdauer noch keine Antikörper gegen HCV gebildet haben, kann eine Serokonversion vollständig ausbleiben. Bei Verdacht auf eine akute HCV-Infektion oder
unklaren Leberwerterhöhungen sollte eine HCV-RNA zum sicheren Ausschluss e­ iner
HCV-Infektion bestimmt werden. Neuere Studien zur Epidemiologie und Diagnostik
zeigen, dass HIV-positive Patienten in etwa 85% aller Fälle einen chronischen Verlauf
ihrer Hepatitis C nehmen.
Wie auch bei der chronischen Hepatitis-B-Infektion erleben HIV/HCV-koinfizierte Patienten, insbesondere bei unkontrollierter HIV-Infektion, die Folgen einer fortgeschrittenen Leberfibrose und -zirrhose früher als HCV-monoinfizierte Patienten. Durch die
rasche Fibroseprogression ist die leberassoziierte Sterblichkeit bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten mittlerweile nach AIDS die häufigste Todesursache.
Die Stabilisierung bzw. das Anheben der CD4-Zellzahl mittels HAART hat einen deutlich verlangsamenden Effekt auf die Leberfibroseprogression, sodass aktuell zum einen
ein früherer Beginn einer HAART bei CD4-T-Helferzellen zwischen 350 und 500/µl
empfohlen wird und zum anderen jeder HIV/HCV-koinfizierte Patient auf die Möglichkeit einer HCV-Kombinationstherapie untersucht werden sollte (s. Tab. 2).
P HIV-Patienten weisen häufiger
einen chronischen Verlauf und eine
schnellere Fibroseprogression
als HCV-Monoinfizierte auf.
34
Diagnostik bei HIV/HCV-Koinfektion
(nach [13] und www.europeanaidsclinicalsociety.org)
Tab. 2
•Diagnose der HCV-Infektion
–HCV-Antikörpertest (positiv 1–5 Monate nach Infektion, kann bei
fortgeschrittenem Immundefekt negativ werden)
–HCV-RNA (vor allem wichtig für die Prognose unter Therapie)
•Leberstatus
–Fibrosestadium (Bestimmung mittels Fibroscan, Biopsie oder aber
Serum-Fibrosemarkerna)
–Leberfunktion (z. B. Gerinnungsfaktoren, Albumin, Cholinesterase)
–Bei Leberzirrhose: alle 6 Monate Ultraschall und Alphafetoprotein-Bestimmung
zum Ausschluss eines HCC; bei Erstdiagnose und alle 1–2 Jahre Ösophagoduodenogastroskopie zum Ausschluss von Ösophagusvarizen
•Vor Beginn einer Interferon/Ribavirinkombinationstherapie
–HCV-Genotyp und quantitative HCV-RNA
–Autoantikörper (ANA und LKM1)b
–TSH (Thyreoid-stimulierendes Hormon), Schilddrüsenantikörper
•Überwachung der HCV-Therapie
–Differenzialblutbild und Leberwerte alle 2–4 Wochen
–HCV-RNA zu Woche 4 (um das schnelle Therapieansprechen [RVR] zu erfassen),
zu Woche 12, 24, ggf. 48, bei Therapieende und 24 Wochen nach Ende der
Therapie
–CD4-Zellzahl und HIV-RNA alle 12 Wochen
–TSH alle 12 Wochen
P Nicht-invasive Marker der Leber­
fibrose sind bei HIV/HCV-koinfizierten
Patienten gut evaluiert und eignen
sich vor allem für wiederholte
Messungen zur Überwachung der
Fibroseprogression.
a)Bei HIV/HCV-koinfizierten Patienten evaluierte Serum-Fibrosemarker sind unter anderem APRI, FIB-4,
Hyaluronsäure, Fibrometer, Fibrotest, Forns, Hepascore; in neueren Studien zeigten komplexe Indizes
wie Fibrometer, Fibrotest und Hepascore eine bessere Voraussage der Leberfibrose als einfachere
Tests wie APRI, FIB-4 oder Forns.
b)Patienten mit positivem anti-LKM1 oder aber ANA mit homogenem Muster sollten weitergehend auf
das Vorliegen einer Autoimmunhepatitis untersucht werden, vor allem, wenn es unter Therapie zu
einem Anstieg der Leberwerte kommt.
Therapie
Die Therapie der Wahl zur Behandlung der Hepatitis-C-Infektion ist eine pegylierte
Interferon/Ribavirinkombinationstherapie. Die Standarddosis des pegylierten Inter­
feron-α2a ist 180 µg und die des pegylierten Interferon-α2b 1,5 µg/kg Körpergewicht,
jeweils einmal wöchentlich subkutan verabreicht. Im Unterschied zu HCV-monoinfizierten Patienten sollten HIV/HCV-koinfizierte Patienten unabhängig vom HCV-Genotyp eine gewichtsadaptierte Dosierung des Ribavirins erhalten. Patienten mit einem
Körpergewicht ≤ 75 kg sollten 1000 mg Ribavirin, Patienten mit einem Körpergewicht
> 75 kg 1200 mg Ribavirin pro Tag erhalten, idealerweise auf zweimal tägliche Gaben
verteilt.
P Therapie der Wahl ist eine pegylierte
Interferon/Ribavirinkombinations­
therapie. HIV-positive Patienten sollten
unabhängig vom HCV-Genotyp eine
gewichtsadaptierte Dosierung des
Ribavirins erhalten.
Besonders empfehlenswert ist eine pegylierte Interferon/Ribavirinkombinations­
therapie bei Patienten mit einer hohen Chance auf Ausheilung, d. h. Patienten mit
Genotyp-2- oder -3-Infektion oder Genotyp-1- oder -4-Infektion mit niedriger Viruslast
(< 400.000 IU/ml). Bei Patienten mit ungünstigen Voraussetzungen, wie z. B. einer Genotyp-1-Infektion mit hoher Viruslast über 800.000 IU/ml, ist hingegen ein abwartendes Prozedere zu erwägen. Das Abschätzen der Leberfibrose mittels Leberbiopsie oder
gut evaluierter, nicht-invasiver Verfahren, wie etwa der Transelastografie (Fibroscan),
kann dabei helfen die Dringlichkeit der anti-HCV-Therapie abzuschätzen. Zeigt sich
hier keine oder nur eine geringe Fibrose (Metavir-Stadien F0–F1) kann die Behandlung
zurückgestellt werden. Nicht-invasive Marker der Leberfibrose sind bei HIV/HCV-ko­
infizierten Patienten gut evaluiert und eignen sich vor allem für wiederholte Messungen zur Überwachung der Fibroseprogression.
35
Die Dauer der Therapie richtet sich nach dem HCV-Genotyp, der Ausgangs-HCV-Viruslast und dem initialen Therapieansprechen (s. Abb. 3). Patienten mit Genotyp-1- und
-4-Infektion sollten im Falle eines raschen Abfalls der HCV-RNA mit negativer HCV-RNA
zu Woche 4 (RVR = rapid viral response) über 48 Wochen behandelt werden. Bei Patienten mit einer Abnahme der HCV-Viruslast um mindestens 2 log-Stufen bis Woche 12
sollte die Behandlung auf 72 Wochen ausgedehnt werden. Auf der anderen Seite können Patienten mit HCV-Genotyp-2/3-Infektionen und einem raschen virologischen
Ansprechen die Therapie auf 24 Wochen verkürzen. Allerdings sollte dies nur bei Patienten mit einer niedrigen HCV-Ausgangsviruslast (< 400.000 IU/ml) und lediglich minimaler Leberfibrose geschehen. Alle anderen Patienten mit Genotyp-2/3-Infektionen
sollten 48 Wochen lang behandelt werden. Die Behandlung sollte unterbrochen werden, falls es zu keinem signifikanten Abfall der HCV-RNA kommt. Ist der Abfall der
HCV-RNA zu Woche 12 niedriger als 2 log-Stufen oder ist die HCV-RNA zu Woche 24
weiterhin positiv, sollte die Behandlung abgebrochen werden, da die Chancen auf
Heilung weniger als 1% betragen.
Abb. 3
Hepatitis-C-Therapiemanagement in der HIV-Infektion
(nach [13] und www.europeanaidsclinicalsociety.org)
W4
W12
W24
G2/3
24 Wochen
Therapie*
HCV-RNA –
W48
G1/4
G2/3
W72
48 Wochen
Therapie
HCV-RNA –
G1/4
> 2 log Abfall
HCV-RNA +
HCV-RNA +
< 2 log Abfall
72 Wochen
Therapie
Stop
Stop
* Bei Patienten mit niedriger Ausgangsviruslast (< 400.000 lU/l) und minimaler Leberfibrose
Bei geplanter Interferon/Ribavirintherapie sind mögliche Interaktionen und vermehrte
Toxizitäten bei gleichzeitiger Gabe von Ribavirin und antiretroviralen Medikamenten
zu beachten und die HAART entsprechend anzupassen (Dideoxy-Inosin [DDI] gilt
als kontraindiziert bei gleichzeitiger Therapie mit Ribavirin; Azidothymidin [AZT] und
Stavudin [D4T] werden wegen überlappender Nebenwirkungsspektren ebenfalls
nicht in Kombination mit Ribavirin empfohlen). Es ist daher ratsam, die Behandlung
HIV/HCV-koinfizierter Patienten in die Hände spezialisierter Zentren zu legen. Häufige
Nebenwirkungen schließen ZNS-Störungen im Sinne von Depressionen (Interferon)
und Blutbildveränderungen im Sinne von Anämie (Ribavirin) ein.
Unter den aktuellen Behandlungsempfehlungen haben sich die Ansprechraten
HIV/HCV-koinfizierter Patienten deutlich verbessert, sodass sich im Vergleich zu HCVmonoinfizierten Patienten keine deutlichen Unterschiede mehr im Therapieansprechen zeigen (über 50% Heilungschancen). Im Einzelnen betragen die Heilungsraten
dabei für Genotyp-1- und -4-Infektionen etwa 35% und für Genotyp-2/3-Infektionen
etwa 70%.
W = Woche; G = Genotyp
P Bisherige Studien zeigen,
dass eine frühe Behandlung der
akuten HCV-Infektion hohe
Ausheilungsraten erreicht.
36
Bei akuter Hepatitis-C-Infektion wird auch bei HIV-positiven Patienten eine frühe Therapie empfohlen (innerhalb der ersten 12 Wochen nach Diagnosestellung, möglichst
innerhalb der ersten 6 Monate nach vermutetem Infektionszeitpunkt), da sich hier
in verschiedenen Studien hohe Heilungsraten von 60–70% bei allen Patienten, einschließlich der überwiegend schwer zu behandelnden Genotyp-1-Infektion, gezeigt
haben. Eine Bestimmung der HCV-RNA bereits 4 Wochen nach Diagnose der akuten
HCV-Infektion kann dabei möglicherweise helfen einen chronischen Verlauf voraus­
zusagen und damit eine Entscheidung für eine frühzeitige anti-HCV Therapie zu erleichtern.
Patienten, die in der Vergangenheit erfolglos mit Standardinterferon, einer nicht
­pegylierten Form des Interferons oder aber ohne bzw. mit unzureichenden Dosen
Ribavirin behandelt wurden, sollten auf individueller Basis mit einem erfahrenen
­Hepatologen/HIV-Spezialisten besprochen werden, da hier ein erneuter Therapie­
versuch unter Umständen gute Heilungschancen bietet.
Nach Versagen einer modernen pegylierten Interferontherapie mit gewichtsadaptiertem Ribavirin ergibt sich aktuell für HIV/HCV-Koinfizierte keine sinnvolle Therapieop­
tion. Eine Interferon-Maintenance-Therapie zur Verlangsamung einer Fibroseprogression ist keine Therapieoption. So zeigte eine große Studie mit über 300 HIV/HCVkoinfizierten Patienten keinen Effekt auf die Fibroseprogression.
Allerdings befinden sich derzeit insbesondere für Genotyp-1-Infektionen vielversprechende antivirale Substanzen (DAA = direct-acting antiviral drugs) in klinischer Entwicklung, unter deren Einsatz sich bei HCV-monoinfizierten Patienten deutlich verbesserte Ausheilungsraten erzielen ließen. Am vielversprechendsten erscheinen
hierbei die Polymerase- und vor allem die am weitesten in der klinischen Entwicklung
befindlichen Proteasehemmer Boceprevir und Telaprevir, für das der Hersteller die Zulassung für die Behandlung der HCV-Monoinfektion Ende 2010 beantragen will. Zur
Beurteilung der Wirksamkeit von Telaprevir oder Boceprevir im Kontext einer Koinfektion mit HIV werden die jeweiligen HCV-Proteasehemmer aktuell in Phase-II-Studien
in Kombination mit pegyliertem Interferon und Ribavirin in therapienaiven HCV/HIVKoinfizierten untersucht.
Medikamenten-induzierte Hepatitis
Leichte Leberwerterhöhungen sind unter ART (antiretrovirale Therapie) häufig und
können prinzipiell unter jeder ART auftreten, schwere Leberschäden kommen in bis
zu 6% vor, Leberversagen ist dagegen sehr selten. Hepatotoxizität ist bei Patienten mit
vorgeschädigter Leber häufiger. Im Wesentlichen zeigt sich ein hepatozelluläres Schädigungsmuster, wobei führend die Transaminasen erhöht sind. Zum Teil findet sich
auch ein cholestatisches Schädigungsmuster, wobei γ-Glutamyltransferase und alkalische Phosphatase führend erhöht sind.
P Leichte Leberwerterhöhungen sind
unter antiretroviraler Therapie häufig,
Hepatotoxizität ist bei Patienten mit
vorgeschädigter Leber häufiger.
Risikofaktoren für das Auftreten einer schweren Leberschädigung sind eine Transaminasenerhöhung vor Beginn der Therapie, chronische Hepatitis B oder C, die Einnahme
von lebertoxischen Medikamenten, Thrombozytopenie und Niereninsuffizienz. Bei
vorgeschädigter Leber sollten unter ART die Leberenzyme sehr engmaschig kontrolliert und ggf. eine Dosisanpassung vorgenommen werden (s. Tab. 3). Wichtige Hin­
weise auf die Ursache kann der Zeitpunkt geben: Die durch mitochondriale Toxizität
verursachte hepatische Steatose unter Nukleosid-Analoga wird nach mehr als 6 Monaten manifest, Hypersensitivitätsreaktionen mit Leberbeteiligung, wie sie für NichtNukleosid-Analoga typisch sind, treten dagegen meist in den ersten 12 Wochen auf.
Proteasehemmer können zu jedem Zeitpunkt während der Therapie zur Hepatotoxizität führen. Eine mögliche Ursache ist das bereits erwähnte Immunrekonstitutionssyndrom unter ART mit erhöhter zytolytischer Aktivität gegen Hepatitisvirus-infizierte
Leberzellen.
P Bei vorgeschädigter Leber sollten
unter antiretroviraler Therapie die
Leberenzyme sehr engmaschig
kontrolliert und ggf. eine Dosis­
anpassung vorgenommen werden.
37
Tab. 3
Dosisanpassung antiretroviraler Medikamente bei Leberinsuffizienz
Medikament
Normale Dosis
Tagesdosis bei Leberinsuffizienz nach Child-Pugh [CP]
Abacavir
(Ziagen®, Kivexa®, Trizivir®)
600 mg (1 x täglich)
300 mg (2 x täglich)
CP 5–6: 200 mg (2 x täglich)
CP > 6: kontraindiziert
Efavirenz
(Sustiva®, Atripla®)
600 mg (1 x täglich)
Keine Dosisempfehlung, erhöhte Spiegel mit ZNS-Toxizität
beschrieben*
(US: vorsichtiger Einsatz bei Leberinsuffizienz)
Atazanavir/Ritonavir
(Reyataz®/Norvir®)
300 mg/100 mg (1 x täglich)
CP 7–9:
CP > 9:
300 mg ohne Ritonavir (1 x täglich)
nicht empfohlen
Etravirin (Intelence®)
200 mg (2 x täglich)
CP 5–9:
CP > 9:
keine Dosisanpassung
keine Dosisempfehlung
Nevirapin (Viramune®)
200 mg (2 x täglich)**
CP > 6: kontraindiziert
Darunavir/Ritonavir
(Prezista®/Norvir®)
800 mg/100 mg (1 x täglich)
600 mg/100 mg (2 x täglich)
CP 5–9:
CP > 9:
keine Dosisanpassung
nicht empfohlen
Fosamprenavir/Ritonavir
(Telzir®/Norvir®)
bis 700 mg/100 mg (2 x täglich)
CP 5–6:
CP 7–9:
CP 10–15:
700 mg 2 x täglich plus
100 mg Ritonavir 1 x täglich
450 mg 2 x täglich plus
100 mg Ritonavir 1 x täglich
300 mg 2 x täglich plus
100 mg Ritonavir 1 x täglich
Indinavir (Crixivan®)
800 mg (3 x täglich)
CP 5–9:
600 mg (3 x täglich)
Lopinavir/Ritonavir
(Kaletra®)
400 mg/100 mg (2 x täglich)
800 mg/200 mg (1 x täglich)
Keine Dosisempfehlung; vorsichtiger Einsatz bei Leberinsuffizienz
Saquinavir/Ritonavir
(Invirase®/Norvir®)
1000 mg/100 mg (2 x täglich)
CP 5–9: vorsichtiger Einsatz
CP > 9: kontraindiziert
Tipranavir/Ritonavir
(Aptivus®/Norvir®)
500 mg/200 mg (2 x täglich)
CP 5–6:
CP > 6:
Maraviroc (Celsentri®)
150–600 mg (2 x täglich)
Keine Dosisempfehlung; erhöhte Plasmaspiegel zu erwarten
Raltegravir (Isentress®)
400 mg (2 x täglich)
CP 5–9:
CP > 9:
vorsichtiger Einsatz
kontraindiziert
keine Dosisanpassung
keine Dosisempfehlung
*In Einzelfällen kann bei Verdacht auf Überdosierung eine Spiegelbestimmung und anschließende Dosisanpassung hilfreich sein.
** Bei Beginn Eindosierung von 200 mg 1 x täglich für 14 Tage.
Besonders erwähnt werden sollte eine mögliche Hyperbilirubinämie unter Behandlung mit den Proteasehemmern Atazanavir und Indinavir. Diese inhibieren die UDPGlucuronyltransferase und verursachen so in bis zu 50% eine Erhöhung des indirekten
Bilirubins. Diese zeigt allerdings meist keinen Leberschaden an, sondern entspricht
pathophysiologisch einem Morbus Meulengracht und hängt von der Höhe des Medikamentenspiegels ab. Dennoch brechen einige Patienten die Therapie wegen Ikterus
ab. Nach Absetzen normalisiert sich das Bilirubin rasch. Ist das Bilirubin isoliert und nur
leicht erhöht (bis 3–5-fach der Norm), ist eine Therapieumstellung nicht zwingend
notwendig. Ist das Bilirubin deutlicher und dauerhaft erhöht, sollte das Medikament
abgesetzt werden. Daten zu Langzeitfolgen existieren zurzeit noch nicht.
Häufig kommt es auch zu einer Leberschädigung unter einer tuberkulostatischen
Therapie, hier insbesondere durch Isoniazid und Rifampicin. Weiterhin kommt es zu
Leberschädigungen durch sulfonamidhaltige Antibiotika, die im Rahmen von PcP
(Pneumocystis pneumonia)- oder Toxoplasmoseprophylaxen oder Akuttherapien dieser opportunistischen Infektionen angewendet werden. Gelegentlich findet sich auch
ein Anstieg der Transaminasen unter den verschiedenen verfügbaren antimykotischen oralen Therapieformen mit Fluconazol, Ketoconazol und Itraconazol.
P Auch Tuberkulostatika, Antibiotika
und Antimykotika können zu einer
Leberschädigung führen.
38
Bei der Frage nach dem Absetzen möglicherweise leberschädigender Medikamente
sollten in die Entscheidung Sicherheit der Diagnose, Dauer der Erkrankung, Verfügbarkeit alternativer Substanzen und die Wahrscheinlichkeit der Leberschädigung
durch das eingenommene Medikament mit einfließen. Als einfacher Grundsatz sollte
wenn möglich gelten: Absetzen des mutmaßlich auslösenden Medikaments ohne
Ansetzen eines neuen Medikaments, wenn klinisch möglich.
Opportunistische Infektionen
In den westlichen Industrieländern sind heutzutage viele opportunistische Infektionen selten geworden. Die Inzidenz der Infektionen, die mit einer massiven Immunschwäche assoziiert sind, wie z. B. durch Zytomegalie-Virus (CMV) oder Mycobacterium avium/intracellulare (MAC) verursachte Erkrankungen, ist verglichen mit Mitte der
1990er-Jahre auf weniger als ein Zehntel zurückgegangen.
P Viele opportunistische Infektionen
sind in den westlichen Industrieländern
heutzutage selten geworden.
Eine virale Hepatitis, die sich nicht auf eines der Hepatitisviren zurückführen lässt, wird
am häufigsten durch eine Infektion mit CMV ausgelöst. Bei CMV-Infektionen bei AIDSPatienten ist die Leber in 5–25% der Fälle betroffen. Gelegentlich ist die Leber sogar
der einzige fassbare Manifestationsort der CMV-Infektion. In der Histologie lassen sich
typische Viruseinschlusskörperchen in Kupffer-Zellen und manchmal auch in Hepatozyten und in Sinusendothelien nachweisen. Durch den Einsatz immunhistologischer
Färbung mittels monoklonaler Antikörper kann der Nachweis des CMV in der Leber
noch verbessert werden. Im Rahmen der CMV-Infektion findet sich häufig führend
eine Erhöhung der alkalischen Phosphatase.
Bei AIDS-Patienten mit weit fortgeschrittenem AIDS-Stadium und in der Regel weniger als 50 Helferzellen/μl findet sich bei Lebererkrankungen in bis zu 70% der Fälle
eine Infektion mit Mycobacterium avium/intracellulare. Histologisch beobachtet man
charakteristischerweise in der Leberbiopsie schlecht abgegrenzte Granulome, die
säurefeste Bakterien in Histiozyten enthalten.
Im Gegensatz dazu kann eine Infektion mit Mycobacterium tuberculosis bereits bei
HIV-Patienten auftreten, die nicht schwer immundefizient sind. Die Infektion der Leber
mit Mycobacterium tuberculosis kann durch die Kultur säurefester Stäbchen aus der
Leberbiopsie gesichert werden.
Eine häufige sogenannte unspezifische Veränderung bei HIV-Patienten stellt die Peliosis hepatis dar. Die Patienten haben charakteristischerweise oft Fieber mit abdominellen Beschwerden. In der Leberbiopsie findet sich ein myxoides Stroma zusammen
mit granulärem Material. Mit einer Warthin-Starry-Färbung oder einer Untersuchung
mittels Elektronenmikroskop können Mikroorganismen nachgewiesen werden. Diese
sind identisch mit dem Erreger der sogenannten bazillären Angiomatose und werden
als Rochalimaea (Bartonella) quintana bezeichnet.
Zu den seltenen Ursachen von Lebererkrankungen im Rahmen opportunistischer
­Infektionen gehört der Befall der Leber durch Pneumocystis carinii. Dies ist insbesondere bei Patienten möglich, die eine Inhalationsprophylaxe betrieben haben und
­aufgrund des nicht vorhandenen systemischen Prophylaxeschutzes der Gefahr einer
extrapulmonalen Infektion ausgesetzt sind. Weitere Raritäten sind die Infektion durch
Mikrosporidien und disseminierte Mykosen (Histoplasma capsulatum, Cryptococcus
neoformans).
Zu erwähnen ist noch das sogenannte Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS/IRD). Dabei handelt es sich um eine klinisch und laborchemisch (z. B. durch erhöhte Transaminasen), zum Teil ausgeprägte inflammatorische Reaktion des Körpers als Antwort des
sich unter Therapie nun restaurierenden Immunsystems auf bereits vor Therapie­
beginn latent bestehende Infektionen oder Erkrankungen.
P Zu den häufigeren opportunistischen
Erregern einer Hepatitis bei HIV-Patienten gehören Zytomegalie-Virus,
Mycobacterium avium/intracellulare
und Mycobacterium tuberculosis.
P Auch im Rahmen eines Immun­
rekonstitutionssyndroms kann
es zu einem hepatitischen
Erscheinungsbild kommen.
39
Zu empfehlende Literatur
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41
Fragen zu HIV-Infektion und Leber
Falk
Gastro-Kolleg
Frage 1:
Welches therapeutische Vorgehen bei einer akuten Hepatitis-AInfektion bei einem HIV-infizierten Patienten ist sinnvoll?
Leber und
Gallenwege
EE
EE
EE
EE
EE
Monotherapie mit einem Nukleosid-Analogon über 4 Wochen
Aktive und passive Grundimmunisierung
Keine spezifische Therapie
Kontaktisolation für mindestens 4 Wochen
Frühzeitige Listung zur Lebertransplantation
Frage 2:
Welche Aussage zur Hepatitis A bei HIV-infizierten Personen ist
richtig?
EE Bei HIV-Patienten sind auch ohne vorherige Exposition anti-HAV-Antikörper im
peripheren Blut nachweisbar
EE Eine Impfung mit einem Kombinationsimpfstoff wird nicht empfohlen
EE Eine Hepatitis-A-Infektion ist bei HIV-Patienten selten anzutreffen
EE Bei schwerer Immundefizienz kann es zu einer eingeschränkten Antikörperbildung
kommen
EE Der Nachweis einer akuten Infektion erfolgt mittels anti-HAV-IgG-Bestimmung
im Stuhl
Frage 3:
Zur Vorbeugung von Resistenzentwicklungen im Rahmen der
HBV-Therapie empfehlen Experten:
EE
EE
EE
EE
EE
Bitte beachten Sie:
Bei der Beantwortung der Fragen
ist immer nur 1 Antwort möglich.
Die Beantwortung der Fragen und
Erlangung des Fortbildungszertifikats
ist nur online möglich.
Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage
www.falkfoundation.de.
Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg
können Sie sich anmelden und die Fragen
beantworten.
Bitte diesen Fragebogen nicht
per Post oder Fax schicken!
Monatliche Transelastografie
Interferon-Monotherapie
Frühzeitige Transplantation
Eine Kombinationstherapie im Rahmen einer HAART
Intravenöse Gabe von Hepatitis-B-Immunglobulinen
Frage 4:
Zu den Früherkennungsmaßnahmen von Folgeerkrankungen bei
zirrhotischen HBV/HIV-Koinfizierten gehören:
EE
EE
EE
EE
EE
Monatliche Transelastografie und frühzeitige Transplantation
Frühzeitige Transplantation und Interferon-Monotherapie
Regelmäßige Lebersonografie und Ösophagusvarizen-Screening
HAART und Ösophagusvarizen-Endoskopie
Monatliche Transelastografie und intravenöse Gabe von Hepatitis-BImmunglobulinen
Frage 5:
Welche Aussage zur HIV/HCV-Koinfektion trifft zu?
Wichtig:
Fragebeantwortung unter
www.falkfoundation.de
Falk Gastro-Kolleg
EE Alle HIV/HCV-koinfizierten Patienten sind nach Ablauf von 12 Monaten post
infectionem voll serokonvertiert
EE Eine HCV-Infektion nimmt bei HIV-positiven Patienten in etwa 80% aller Fälle einen
chronischen Verlauf
EE Nicht-invasive Marker der Leberfibrose sind nur im akuten Stadium aussagekräftig
EE Therapie der Wahl ist eine Monotherapie mit pegyliertem Interferon
EE Zwei Drittel aller europäischen HIV-Patienten sind zusätzlich mit HCV infiziert
42
Frage 6:
Welche Aussage zur pegylierten Interferon/Ribavirinkombinationstherapie bei HIV/HCV trifft zu?
EE
EE
EE
EE
Ist die HCV-RNA zu Woche 12 noch positiv, sollte die Therapie abgebrochen werden
Die Ribavirindosierung ist abhängig vom HCV-Genotyp
Eine HAART sollte wegen möglicher Toxizitäten pausiert werden
Ein Behandlungserfolg richtet sich nach der Normalisierung der Transaminasen
nach 48 Wochen Therapie
EE Die Heilungsraten für Genotyp-1- und -4-Infektionen liegen bei etwa 35% und für
Genotyp-2/3-Infektionen bei etwa 70%
Falk
Gastro-Kolleg
Leber und
Gallenwege
Frage 7:
Welche Medikamente können bei HIV-Patienten hepatotoxisch sein?
EE
EE
EE
EE
EE
Antimykotika
Antibiotika
Antiretrovirale Medikamente
Tuberkulostatika
Alle Genannten
Frage 8:
Welches Vorgehen bei einer Proteasehemmer-assoziierten
Hyperbilirubinämie ist richtig?
EE
EE
EE
EE
EE
Antiretrovirale Therapie stoppen
Leberbiopsie
Zusätzliche Gabe von UDP-Glucuronyltransferasehemmern
Evaluation zur Transplantation
Keine Therapieumstellung bei isoliert leicht erhöhtem Bilirubin
Frage 9:
Um wieviel Prozent ist die Inzidenz der opportunistischen
Infektionen durch die verbesserten Therapieoptionen in den
westlichen Industrieländern zurückgegangen?
EE
EE
EE
EE
EE
90%
10%
9%
1%
11%
Frage 10:
Welche opportunistischen Erreger sind bei HIV-infizierten Personen
häufig in der Leber nachzuweisen?
EE
EE
EE
EE
EE
Zytomegalie-Virus
Mycobacterium avium/intracellulare
Mycobacterium tuberculosis
Keiner der Genannten
Alle Genannten
43
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