6 Herz-Kreislauf-System – Niere - beck

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6
Herz-Kreislauf-System – Niere –
Atmungsapparat
6.1
Herz-Kreislauf-System
6.1.1
Allgemeines zur Anatomie
und Physiologie
Das Herz-Kreislauf-System dient der adäquaten Versorgung der Organe mit Blut, u. a. um
ihnen den für ihre Aufgaben notwendigen
Sauerstoff zu liefern. Dabei muss Folgendes
gesichert sein:
쐌 Jedes Organ erhält eine Mindestmenge an
Blut.
쐌 Vorübergehend stärker aktive Organe müssen in dieser Zeit besser mit Blut versorgt
werden.
쐌 Die Pumpleistung des Herzens darf nie unnötig erhöht werden.
Da erhöhter Blutdruck langfristig zu Schäden
u. a. der Gefäßwände führt, hat diese Größe
sinnvollerweise jenen Minimalwert anzunehmen, bei dem gerade noch die genannten Aufgaben erfüllt werden können. Entsprechend
muss im Rahmen der Kreislaufregulation zum
einen die Herzleistung bei Bedarf erhöht werden; zum anderen müssen durch gleichzeitige
Umverteilung der Blutmengen in die einzelnen Organe aber die Anforderungen an das
Herz und der Druck auf die Arterienwände
minimal gehalten werden. Dies wird durch
Veränderung der Auswurfleistung des Herzens
einerseits, durch Variation der Gefäßweiten
andererseits erreicht. Bei diesen komplizierten,
noch keineswegs in allen Einzelheiten verstandenen und hier vereinfacht dargestellten Regulationsmechanismen wirken u. a. das vege-
tative Nervensystem, endokrine Drüsen und
schließlich lokale Faktoren in den einzelnen
Organen mit.
Das in aller Regel – außer in den seltenen Fällen von Situs inversus – im linken Brustkorb
gelegene Herz ist ein großer Hohlmuskel, der
durch eine muskuläre Zwischenwand, das
Septum, in eine linke und eine rechte Hälfte
unterteilt wird. In jeder dieser Hälften ist
durch eine vornehmlich bindegewebige zweite
Zwischenwand ein kranial lokalisierter, kleinerer Vorhof (Atrium) von einer kaudalen
Kammer (Ventrikel) getrennt. Die zwischen
rechtem Vorhof und rechter Kammer gelegene Trikuspidalklappe lässt in bestimmten
Aktionsphasen das Blut in den Ventrikel passieren und verhindert in anderen Phasen seinen Rückstrom in das rechte Atrium. Die
gleiche Aufgabe leistet im linken Herz die zwischen Vorhof und Kammer gelegene Mitralklappe. Weitere Klappen befinden sich am
Ausgang der Aorta (der Hauptschlagader) aus
dem linken Ventrikel (Aortenklappe) und am
Ausgang der Pulmonalarterie aus der rechten
Kammer (Pulmonalklappe). Beide Klappen
öffnen sich, wenn durch Muskelkontraktion
die Kammern Blut auswerfen; danach sind
sie geschlossen, um einen Rückstrom zu verhindern.
Die Herzmuskulatur (das Myokard) wird
durch die Koronararterien (»Herzkranzgefäße«) gut mit Blut versorgt. Sie entspringen aus
der Aorta, umziehen ringförmig das Herz (daher der Name) und senden von dort mehrere
Äste in Richtung Herzspitze. Bei Verengung
dieser Gefäße kommt es oft zu belastungsabhängigen Schmerzen (Angina pectoris), bei
6.1 Herz-Kreislauf-System
Verschluss zur Zerstörung von Muskelgewebe
(Herzinfarkt; s. Kap. 6.1.4).
Die Hohlräume im Herzinneren sind von der
glatten Bindegewebsschicht des Endokards
ausgekleidet; ihre Entzündung (Endokarditis)
führt zur Verminderung der Herzleistung und
kann als irreversible Spätfolgen Klappendefekte mit Beeinträchtigung der Ventilfunktion
hinterlassen. Außen umgibt das Herz die Bindegewebsschicht des Perikards, welche eine
geschlossene Hülle bildet (Herzbeutel), die
lediglich von den Gefäßen durchbrochen wird.
Tritt, z. B. durch Ruptur des Myokards im Rahmen eines Herzinfarkts, Blut aus den Kammern
aus, füllt sich diese Hülle mit Blut und behindert die Ausdehnung des Herzens (»Herzbeuteltamponade«).
Das mit Sauerstoff angereicherte Blut aus der
Lunge gelangt über den linken Vorhof in die
linke Herzkammer, von wo es in die Aorta ausgeworfen wird. Die pro Minute ausgeschüttete Blutmenge, das Herzzeitvolumen (HZV),
hängt einerseits von der Schlagfrequenz ab
(Puls-, Herzfrequenz), andererseits von der
mit jedem Pulsschlag ausgeworfenen Menge,
dem Schlagvolumen. Aus der Aorta entspringen Arterien zu einzelnen Organen; die aus
ihnen unter Verzweigung hervorgehenden
kleineren Arterien, die Arteriolen, enthalten in
ihrer Wand glatte Muskulatur, die sich verengen oder erschlaffen kann und so Gefäßdurchmesser und durchströmende Blutmenge
steuert. Von den Arteriolen zweigen schließlich die kleinen Haargefäße (Kapillaren; von
lat. capilla = Haar) ab, die engmaschig die Organe durchziehen. Dort findet der Austausch
mit der Umgebung statt: So diffundiert u. a.
Sauerstoff ins Gewebe, während umgekehrt
Kohlendioxid – Konzentrationsunterschieden
folgend – ins Blut übertritt. Ebenso werden
Nährstoffe, Stoffwechselprodukte und Hormone zwischen Blut und Geweben ausgetauscht. Das Blut aus den Kapillaren sammelt
sich in kleinen Venen (Venolen), von denen es
in größere und schließlich in die beiden großen Hohlvenen (Venae cavae) fließt, die im
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rechten Vorhof enden. Von dort gelangt das
nun sauerstoffarme, kohlendioxidreiche Blut
in die rechte Herzkammer, welche es in die
zur Lunge ziehenden Pulmonalarterien auswirft. Nachdem es sich dort in den Alveolen
wieder mit O2 angereichert und von CO2 befreit hat, erreicht es über die Pulmonalvenen
den linken Vorhof. Der Weg von der rechten
Herzkammer über die Lunge bis in den linken Vorhof wird als kleiner oder Lungenkreislauf bezeichnet – im Gegensatz zum großen
oder Körperkreislauf, der in der linken Herzkammer beginnt und im rechten Vorhof endet.
Die Gefäße sind innen stets mit Endothelzellen ausgekleidet, variieren aber sonst deutlich
im Aufbau. Während die Wand der Aorta und
größerer Arterien hauptsächlich aus elastischem Gewebe besteht, ist die der Arteriolen
reich an glatter Muskulatur, die mit ⁄ - und
A -Rezeptoren besetzt ist; damit lässt sich ihr
Durchmesser verändern. Die Kapillarwände
werden im Wesentlichen nur durch die Endothelschicht gebildet; deshalb findet der Austausch mit dem Gewebe so gut wie ausschließlich dort statt.
6.1.2 Aktionsphasen des Herzens –
Elektrokardiogramm
Die rhythmische Herztätigkeit lässt sich in
zwei Phasen untergliedern:
쐌 In der Systole wird das Blut aus den Kammern ausgeworfen.
쐌 In der Diastole füllen sich die Kammern
wieder.
Die Diastole beginnt mit Erschlaffung der
Kammermuskulatur und setzt sich mit der Füllung der Kammern durch Blut aus den Vorhöfen fort. Dieser Herzzyklus läuft etwa 70-mal
pro Minute ab. Die dazu notwendigen Kontraktionen der Vorhöfe und Kammern sind
Prozesse, die durch diverse Einflüsse modifiziert werden können, aber im Wesentlichen
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6 Herz-Kreislauf-System – Niere – Atmungsapparat
Der QRS-Komplex entspricht der
Depolarisation der Kammermuskulatur.
Spannung (mV)
a
Der RR-Abstand ist
ein reziprokes Maß der
Pulsfrequenz.
R-Zacke
RR-Abstand
Zeit
Q-Zacke
S-Zacke
Die P-Welle entspricht
der Vorhoferregung
(Vorhofdepolarisation).
Die isoelektrische Linie (PQ-Strecke) entspricht der
Die T-Welle ist Ausdruck
Überleitung der Erregung im AV-Knoten und
der Erregungsrückbildung
His-Bündel (isoelektrisch, weil der Vorhof bereits vollder Kammer
ständig erregt ist, die Kammermuskulatur noch gar nicht). (Kammerrepolarisation).
b
P
P
P
P
P
P
P
P
P
P
P
Ventrikuläre Extrasystole:
fehlende P-Welle,
veränderter QRS-Komplex
Supraventrikuläre Extrasystole:
veränderte oder fehlende P-Welle,
normaler QRS-Komplex
Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern; keine P-Wellen,
in unregelmäßigen Abständen normale QRS-Komplexe
Abb. 6-1 Normales EKG (a) und einige Herzrhythmusstörungen (b)
vom Herz selbst ausgehen; auch ein denerviertes Herz schlägt weiter.
Diese sogenannte Herzautonomie ist auf die
Existenz von Schrittmachern zurückzuführen,
die in bestimmten Abständen Erregung der
Herzmuskulatur und damit ihre Kontraktion
veranlassen. Physiologischer Schrittmacher ist
dabei eine Ansammlung von spezialisierten
Zellen der rechten Vorhofmuskulatur, der Sinusknoten. Sie bilden spontan etwa 70-mal
pro Minute Depolarisationen aus, die sich auf
die Vorhöfe ausbreiten und diese zur Kontraktion veranlassen (Grundlage der P-Welle im
EKG; s. Abb. 6-1). Von dort zieht die Erregung
zum Atrioventrikularknoten (AV-Knoten), der
zwischen Vorhöfen (Atrien) und Kammern
(Ventrikeln) gelegen ist und sie über das HisBündel (mit je einem »Schenkel« für die linke
und rechte Kammer) zur Arbeitsmuskulatur
der Kammern leitet.
In dieser Phase ist die Muskulatur der Vorhöfe
gleichmäßig, die der Kammern noch gar nicht
erregt, sodass im EKG eine isoelektrische Linie
(die PQ-Strecke) auftritt. Die Erregung der
Kammermuskulatur (Grundlage des QRSKomplexes) führt zu ihrer Kontraktion und
zum Auswurf des Blutes. Bei gleichmäßig erregter Kammer zeigt sich im EKG eine iso-
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