Gendermedizin im Bereich Kardiologie - CME

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Gendermedizin
Gendermedizin im Bereich Kardiologie
In der Kardiologie betreffen die Geschlechterunterschiede alle Teil­be­
reiche der Medizin. Es ist deshalb unumgänglich, die Kategorien Sex
und Gender in der medizinischen Lehre und Praxis zu berücksichtigen.
(MONICA/KORA Herzinfarktregister Augsburg) [Abb.
2] und in den USA[2]. Allerdings ist die frühe Mortalität
nach MI bei jüngeren Frauen (< 60. LJ) [3, 4], insbesondere
zwischen 35 und 44 Jahren[5] höher als bei Männern. Präventionsmaßnahmen zur Verminderung von beeinflussbaren Risikofaktoren wie Hypertonie, Hypercholesterinämie,
Rauchen und körperlicher Bewegung in der Bevölkerung
sowie eine verbesserte Evidenz basierte Medizin bei der
Versorgung des akuten MI könnten insgesamt zu dem positiven Trend beigetragen haben. Da insbesondere die jüngeren Frauen von diesen Maßnahmen nicht profitiert haben,
besteht hier ein dringender Handlungsbedarf bzgl. geschlechter- und altersspezifischer Präventionsmaßnahmen.
Genetik und Hormone
Einleitung
Bisher wurden das medizinische Wissen und dessen
praktische Umsetzung sehr „geschlechter-neutral“ gelehrt
und im klinischen Alltag angewandt. Viele Studien und
Statistiken zeigen jedoch, dass es eine Vielzahl von Erkrankungen gibt, die bei gleichen Therapiestrategien und
getrennter Auswertung der Daten nach dem Geschlecht
ein sehr unterschiedliches Ergebnis aufweisen. Diese Unterschiede beziehen sich bei der koronaren Herzerkrankung z.B. auf alle Teilbereiche der Medizin wie der Epidemiologie, Pathophysiologie, Diagnostik, Klinik, Therapie
und Prognose.
Aus diesen Gründen ist es sinnvoll, unser medizinisches Wissen und Handeln bewusst aus einem Sex/Gender-Blickwinkel zu betrachten.
Definition
„Sex“ = biologisches Geschlecht
„Gender“ = soziokulturelles Geschlecht
Herzkreislauferkrankungen, insbesondere die koronare Herzerkrankung, sind die häufigsten Todesursachen
bei Frauen unabhängig von deren ethnischer Herkunft und
führen häufiger zum Tod als Schlaganfall, COPD, Lungenund Brustkrebs zusammen[1]. [Abb. 1]
Insgesamt sinkt die Anzahl von Männern und Frauen,
die an einem Myokardinfarkt (MI) sterben in Deutschland
Eines von 46 Chromosomen, die die genetische
Grundlage für den Menschen bilden, unterscheidet Männer (XY) von Frauen (XX). Aufgrund dieses genetischen
Unterschiedes entstehen unterschiedliche Hormonprofile
und dadurch Krankheiten mit verschiedenen Verlaufsformen und psychosozialen Verhaltensmustern sowie Reaktionen auf Umwelteinflüsse, welche ein Individuum
entweder sensibel für eine kardiovaskuläre Erkrankung
machen oder einen schützenden Einfluss besitzen.
Der protektive Einfluss von weiblichem Geschlecht und
endogenen Geschlechtshormonen, wie dem Östrogen, auf
das kardiovaskuläre System ist in vielen grundlagenwissenschaftlichen, als auch klinischen Studien überzeugend
gezeigt worden. Für einen Einfluss dieses biologischen
Faktors spricht auch die Tatsache, dass Frauen 8-10 Jahre
später im Vergleich zu Männern, meistens in der post-menopausalen Phase, ein kardiovaskuläres Ereignis erleben.
Diese Daten sind weltweit reproduzierbar[6]. Umso erstaunlicher ist es, dass eine Substitutionstherapie mit Östrogen
nach der Menopause nicht den gewünschten protektiven
Effekt auf das kardiovaskuläre System bei Frauen zeigt [7,8].
Stabile Koronare Herzerkrankung
Die bekannten Risikofaktoren, die eine KHK begünstigen, sind im Grunde bei beiden Geschlechtern vergleichbar. Allerdings kann man aufgrund der Daten eine Gewichtung der Risikofaktoren nach Geschlecht vornehmen.
Bedeutende Risikofaktoren für eine KHK/MI bei Frauen
sind Diabetes mellitus, Hypertonie, Nierenfunktionsstörung, Adipositas und Depression. Diese Erkrankungen
sollten erkannt und Evidenz basiert behandelt werden.
Top-Thema: Gendermedizin dzkf 9/10-2011
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Gendermedizin
Top-Thema
Herzkreislauferkrankungen sind die häufigsten Todesursachen
bei Frauen und Männern
Tod (absolute Zahl)
50.000
45.000
Frauen
40.000
Männer
35.000
30.000
25.000
20.000
15.000
10.000
5.000
0
KHK
HI
AMI
Insult
Brust-Ca
Hypert.HE Lungen-Ca
Abbildung 1
Daten aus: Statistisches Bundesamt, Robert Koch-Institut Berlin. Gesundheitsberichterstattung 2007. Insgesamt versterben mehr Frauen an einer chronisch
ischämischen Herzerkrankung als Männer. An einem akuten Myokardinfarkt
versterben in absoluten Zahlen mehr Männer als Frauen.
KHK = koronare Herzerkrankung, HI = Herzinsuffizienz, AMI = akuter Myokardinfarkt, Insult = Schlaganfall, Brust-Ca = Brust-Karzinom, HypertHE = hypertensive Herzerkrankung, Lungen-C = Lungenkarzinom
Letalität des Myokardinfarkt in Deutschland
% je 100.000 Einwohner
60
1987 Männer
2007 Männer
50
1987 Frauen
2007 Frauen
40
30
20
10
che Alter, bei Männern die einen MI oder einen Schlaganfall erleiden, liegt zwischen 73 und 77 Jahren, bei Frauen
zwischen 80 und 82 Jahren.
Familienanamnese
Die KHK und die Wahrscheinlichkeit, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu versterben, haben eine
erbliche Komponente [9, 10]. Bei dem größten Teil der
koronaren Herzerkrankungen spielen wahrscheinlich
mehrere Gene eine Rolle, die alle in unterschiedlichem
Ausmaß zu der Entwicklung einer Atherosklerose beitragen. Genomweite Assoziationsstudien werden unternommen, um weitere Erkenntnisse in diesem Bereich zu
erlangen. Ob es Geschlechterunterschiede in der Häufigkeit von Polymorphismen gibt, die Einfluss auf das
Vorkommen kardiovaskulärer Ereignisse haben, ist derzeit noch nicht geklärt. Dass abhängig vom Geschlecht
unterschiedliche Signaltransduktionswege bei der Entwicklung einer Athero­sklerose genutzt werden, ist sehr
wahrscheinlich.
Beeinflussbare Risikofaktoren:
Arterielle Hypertonie
Die Prävalenz, an einer Hypertonie zu erkranken
steigt mit dem Alter an. Da die Krankheitshäufigkeit
um das 50. Lebensjahr bei Frauen schneller ansteigt als
bei Männern, bedürfen mehr Frauen als Männer im Alter einer Hypertoniebehandlung. Im jüngeren Alter bis 35
Jahre ist es umgekehrt, hier erkranken mehr Männer als
Frauen an einer Hypertonie.
Ein bedeutender Geschlechterunterschied besteht im
Bereich der ärztlichen Therapie und Kontrolle des Erfolges einer Blutdrucksenkung. Eine amerikanische Umfragestudie mit 65 Millionen Teilnehmern in den Jahren
1988-1994 und 1999-2000 zeigte, dass sich die Hypertoniebehandlung bei den Männern deutlich verbesserte, bei
den Frauen jedoch keine wesentliche Verbesserung in der
Versorgung zu verzeichnen war [11].
0
45 bis 49
50 bis 54
55 bis 59
60 bis 64
65 bis 69
70 bis 74
Alter in Jahren
Abbildung 2
Daten von 1987 und 2007 aus dem MONICA/KORA Herzinfarktregister Augsburg. In: Statistisches Bundesamt, Robert Koch-Institut Berlin. Gesundheitsberichterstattung. Die Letalität nach Myokardinfarkt ist bei jüngeren Frauen
(< 60. LJ) höher als bei Männern.
Das Rauchen, insbesondere in Kombination mit einer Hyperlipidämie, ist ein starker Risikofaktor für KHK/MI bei
Männern.
Nicht beeinflussbare Risikofaktoren:
Alter
Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz bei beiden
Geschlechtern, an einer KHK zu erkranken. Frauen sind
im Durchschnitt 8 - 10 Jahre älter im Vergleich zu Männern, wenn sie symptomatisch werden. Das durchschnittli-
72
dzkf 9/10-2011 Top-Thema: Gendermedizin
Diabetes mellitus
Die Diabetesprävalenz in Deutschland wird auf ca.
10 % (8 Millionen Einwohner) geschätzt. Durch die Zunahme von Adipositas und durch verminderte körperliche Aktivität in den westlichen Industrienationen steigt
die Prävalenz in den westlichen Industriestaaten weiter
rasch an. Einen signifikanten Unterschied zwischen den
Geschlechtern gibt es beim Typ-2-Diabetes nicht. Beim
„Prä-Diabetes“ gibt es allerdings Unterschiede: Männer
fallen häufiger durch einen abnormen Nüchternglukosewert auf, Frauen dagegen haben eher eine gestörte Glukosetoleranz. Das bedeutet in der Praxis, dass Frauen mit einem oralen Glukose-Toleranztest getestet werden sollten,
eine einfache Nüchternblutzuckermessung zur Diagnose
reicht häufig nicht aus.
Es gibt Hinweise, dass weibliche Adipozyten sensibler auf Insulin und den Fettstoffwechsel reagieren als
männliche Fettzellen – eine mögliche Erklärung für eine
Top-Thema
Gendermedizin
Frauen
Männer
Symptomatik
„Atypische Symptome“:
Retrosternale Beschwerden müssen nicht als Schmerz
wahrgenommen werden. Rücken- oder kraniofasciale
Schmerzen, Müdigkeit / Schwäche, Luftnot, vagale
Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Schwitzen
Retrosternaler Brustschmerz mit Ausstrahlung in den
linken Arm. Verschlimmerung unter körperlicher
Belastung, Kälte / Hitze, emotionalem Stress
Plötzlicher Tod
Herzstillstand, kardiogener Schock
Ventrikuläre Arrhythmien
Auslösender Faktor für MI
Emotionaler und sozialer Stress
Schwere körperliche Arbeit
Verbalisierung der Beschwerden
Umschreibende, differenziertere Darstellung
verschiedenster Symptome
Nitroglycerin
Weniger starke Besserung der Beschwerden. Oft persistieren die Beschwerden auch bei körperlicher Ruhe.
Besserung der Beschwerden. Oft verschwinden die
Symptome bei körperlicher Ruhe.
Sensitivität diagnostischer
Verfahren
Bildgebende Verfahren sollten bevorzugt werden, da
Belastungs-EKG häufig falsch positiv ist.
Laborwerte wie CK, Troponine hoch sensitiv.
Hohe Sensitivität und Spezifität von Symptomen +
Belastungs-EKG.
Laborwerte wie CK, Troponine hoch sensitiv.
Management
Längere Zeit bis Diagnostik eingeleitet wird.
Weniger invasive Diagnostik wird durchgeführt.
Oft kurze Zeit zwischen Symptombeginn und Diagnose
Tabelle 1
Geschlechterunterschiede in Klinik und Diagnostik bei „Angina pectoris“-Symptomatik
insgesamt bessere Insulinempfindlichkeit bei Frauen [12].
Männer haben eine ausgeprägtere Insulinresistenz und
häufiger eine Fettleber [13].
Diabetiker haben ein höheres Risiko, mikrovaskuläre Komplikationen (Retinopathie, Nephro- und Neuropathie), als auch kardiale- und cerebrovaskuläre Komplikationen zu erleiden. Der Typ-2-Diabetes ist ein starker
Risikofaktor bei Frauen, da er mit einer höheren kardiovaskulären Mortalität assoziiert ist als bei Männern. Frauen mit Diabetes mellitus haben im Vergleich zu Frauen
ohne Diabetes mellitus ein ca. 4-fach erhöhtes Risiko, einen MI zu erleiden. Bei Männern ist das Risiko nur doppelt so hoch .[55]
Hyperlipidämie
Das Lipidprofil ändert sich mit der Menopause [14]. In
der Perimenopause ist die Höhe der Triglyzeride (TG)
sehr wechselhaft. Insgesamt steigen die TG, ebenso wie
Gesamtcholesterin und LDL-Cholesterin an, bis die Werte im Durchschnitt 10 % höher liegen als 6 Monate vor
der Menopause. Die HDL-Cholesterin-Konzentration im
Serum wird weniger stark beeinflusst. Die postmenopausal beobachteten Änderungen des Lipidprofils könnten im
Zusammenhang mit dem erhöhten kardiovaskulären Risiko bei Frauen in der Postmenopause stehen.
Die Prävalenz von Hypercholesterinämien ist bei beiden Geschlechtern gleich, auch die Bedeutung als Risikofaktor für eine KHK/MI.
Adipositas
Die Krankheitshäufigkeit der Adipositas ist bei Frauen höher als bei Männern. Schwangerschaft und Menopause sind Risikofaktoren für eine Adipositas. Das Ausmaß der Fettleibigkeit wird über den BMI bestimmt (>
25 kg/m 2 = Übergewicht, > 30 kg/m 2 = Fettleibigkeit).
Als Maß für die Fettverteilung wird das Verhältnis
von Taillen- und Hüftumfang (Waist-to-hip-Ratio) ver-
wendet. Ab einem Verhältnis > 0.9 (Frauen) bzw. > 1.0
(Männer) spricht man vom viszeralen oder abdominellen Fettverteilungsmuster. Die Körperfettverteilung ist
geschlechtsabhängig. Männer haben eher ein zentrales
Fettverteilungsmuster und Frauen ein glutealfemorales Muster. Die zentrale Adipositas ist durch eine Vermehrung des viszeralen Fettes charakterisiert und geht
bei Männern und Frauen mit einem erhöhten Risiko für
kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus
einher [15]. Das subkutane Fett stellt dagegen keinen Risikofaktor für Herzkreislauferkrankungen dar. Die Geschlechtshormone üben einen direkten Effekt auf das
Fettgewebe aus und scheinen auch die Nahrungsaufnahme und den Energieverbrauch zu beeinflussen, so dass
sich Ernährungsverhalten und körperliche Aktivität unterschiedlich auf die Körperfettverteilung bei Männern
und Frauen auswirken.
Rauchen
Noch rauchen mehr Männer als Frauen. Die Statistiken zeigen jedoch, dass die Prävalenz des Rauchens bei
Männern schneller sinkt als bei Frauen. Das kardiovaskuläre Risiko wird durch die Nikotinexposition deutlich
erhöht, insbesondere bei prämenopausalen Frauen. Rauchen ist außerdem mit einem früheren Eintritt in die Menopause assoziiert.
Depression
Epidemiologische Studien weltweit haben gezeigt,
dass schwere Depressionen bei Frauen doppelt so häufig auftreten wie bei Männern. Besonders häufig sind
Depressionen bei Frauen mit kardiovaskulären Erkrankungen. Ursächlich sind wahrscheinlich biologische und
soziale Faktoren. Männer haben höhere Serotoninspiegel
als Frauen. Das Geschlechtshormone die Stimmung beeinflussen wird häufig während des Menstruationszyklus beobachtet.
Top-Thema: Gendermedizin dzkf 9/10-2011
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Gendermedizin
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Abbildung 3
Signaltransduktion bei Myokardhypertrophie mit Fokus auf Östrogenund Androgen-Rezeptor-modulierte
Wege.
Akt (protein kinase-B), CnA-β
(calcineurinA-β), ER (estrogen receptor), ERK (extracellular signal-regulated kinase), GSK3β (glycogen synthase kinase3β), HSL (hormone-sensitive
lipase), IGF (insulin-like growth factor), JNK (c-jun-N-terminal kinase),
LTCC (L-type Ca2+ channel), MAPK
(mitogen-activated protein kinase),
MCIP (myocyte-enriched calcineurin
interacting protein), MEF2 (myocyte
enhancer factor 2), mTOR (mammalian target of rapamycin), NF-AT (nuclear factor of activated T-cells), NF-κB
(nuclear factor of κ light chain gene
enhancer in B cells), NOS (nitric oxide
synthase), PGC-1 (peroxisome proliferative activated receptor γ coactivator 1), PI3K (phosphatidylinositol
3-kinase), PTEN (phosphatase and
tensin homolog).
Nach MI liegt die Krankheitshäufigkeit bei den Frauen um 20 % höher als bei Männern, nach einer Bypass-OP
steigt diese bis auf 43 %. Frauen mit einer HI leiden 3-5x
häufiger unter einer Depression im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung.
Symptome einer schweren Depression sollten ernst
genommen werden, da es sich sowohl um einen Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen handelt, als
auch um einen Prognosefaktor bezüglich Mortalität und
Lebensqualität bei Frauen mit KHK. Insbesondere im Zusammenhang mit einer chirurgischen koronaren Revaskularisation beeinflussen Depressionen den Krankheitsverlauf entscheidend [16, 17].
Akutes Koronarsyndrom/Myokardinfarkt
Symptome/Klinik
Da der akute MI nicht immer mit dem typischen
Brustschmerz einhergeht, werden Symptome wie
Kurzatmigkeit und starke Müdigkeit oft nicht als Frühsymptome eines MI wahrgenommen. Frauen werden
häufiger mit diesen sogenannten „atypischen“ Symptomen auffällig. Betroffene und Angehörige holen daher
medizinische Hilfe häufig zu spät. Eine über längere
Zeit angewandte Selbstmedikation trägt zusätzlich zu
einer verspäteten Diagnostik bei. Auch Ärzte sind sich
oft bei der Wertung der Symptome unsicher, welches
wiederum zu einer Verzögerung führt bis eine zielführende Diagnostik begonnen werden kann.
Frauen präsentieren sich bei Myokardischämien oft
mit sehr verschiedenen Symptomen, insbesondere solchen, die auf eine vagale Aktivierung zurückzuführen
sind wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Müdigkeit.
74
dzkf 9/10-2011 Top-Thema: Gendermedizin
Männer geben als auslösenden Faktor für einen MI
häufiger schwere körperliche Arbeit an, für Frauen ist sozialer Stress der bedeutendere auslösende Faktor.
Frauen mit MI erleiden häufiger einen Herzstillstand
oder einen kardiogenen Schock, während Männer häufiger eine ventrikuläre Tachykardie entwickeln.
Die unterschiedlichen Symptome bei der Myokard­
ischämie sind teilweise durch eine unterschiedliche Pathophysiologie der KHK zu erklären.
Pathophysiologie
Internationale Studien belegen, dass Frauen häufiger
einen MI bei „offenen“ Koronararterien in der Herzkatheter-Untersuchung erleiden als Männer [18, 19]. Zusätzlich zu der lokal stenosierenden epikardialen koronaren
Herzerkrankung gibt es eine weitere Verlaufsform, die
„nicht obstruktive Koronaropathie“. Dieses ist eine generalisierte arteriosklerotische Erkrankung der Koronararterien, welche das Gefäß in der Gesamtheit seiner
Länge einengt. Plaqueerosionen und Mikroembolien zusammen mit kontinuierlich abfallendem Koronarfluss bei
verengtem Gefäß führen zu einer Ischämie des abhängigen Myokards und Perfusionsausfällen in der Bildgebung.
Koronarspasmen aufgrund einer endothelialen Dysfunktion sind ein weiterer Grund für Myokardischä­mien. Die
mikrovaskuläre Dysfunktion des Myokards hat zwar eine
bessere Prognose als die stenosierende KHK, könnte aber
häufig ein Grund sein für die schlechtere Lebensqualität
und eingeschränkte körperliche Belastbarkeit bei Frauen.
Eine weitere Form der nicht typisch arteriosklerotisch bedingten KHK ist die Spontandissektion der
Koronararterie. Durch Einblutung in eine Gefäßwanddissektion meist zwischen Media und Adventitia des
Koronargefäßes, kommt es zu einem plötzlichen Gefäß-
Top-Thema
verschluss. An eine Koronargefäßdissektion als Ursache
für einen MI sollte man insbesondere bei Schwangeren
im letzten Trimenon und bis zu 3 Monate nach der Geburt denken [20].
Molekulare Grundlagen
Die dramatischste Komplikation während eines MI ist
die Ruptur des Myokards, die in etwa bei 10 % der Patienten mit schweren Infarkten erfolgt und für 5-25 %
der Todesfälle innerhalb der ersten Woche verantwortlich ist [21]. Verschiedene Faktoren führen zur Dilatation
der infarzierten Ventrikelwand und zu steigendem Wandstress, durch den das infarzierte Myokard gedehnt wird.
Weiterhin kommt es zu einer überhöhten Entzündungsreaktion und einem Anstieg der Aktivität von Matrix-Metalloproteinasen, die für die Entfernung nekrotischen Gewebes und die Degradation der Extrazellularmatrix des
Myokards verantwortlich sind [22].
In zahlreichen Tiermodellen wurde gezeigt, dass nach
Induktion eines Myokardinfarktes signifikant mehr männliche Tiere bereits in der akuten Phase versterben als weibliche Tiere, und dass die weiblichen Tiere insgesamt ein
besseres Outcome zeigen [23]. Dies wird auf eine weniger
stark ausgeprägte Inflammation und eine bessere reparative Fibrosierung bei weiblichen Tieren zurückgeführt [24].
Diagnostik
Alleine die Diagnose aufgrund der Anamnese stellen
zu wollen, ist bei Frauen schwieriger, da häufiger nicht
Myokardischämie bedingte Erkrankungen die Ursache
für Thoraxschmerzen bei Frauen sind.
Koronarangiographische Untersuchungen zeigen bei
Männern häufiger eine Koronare 3-Gefäß-Erkrankung
mit mehrfachen epikardialen Stenosierungen. Bei Frauen
liegt dagegen eher eine 1-Gefäß-KHK vor.
Sollten die Symptome und die Troponin-Diagnostik
auf eine Myokardischämie hinweisen, die invasive koronare Diagnostik jedoch keine epikardialen Stenosierungen zeigen, so hilft möglicherweise ein bildgebendes
Verfahren weiter, um z.B. mikrovaskuläre Ursachen zu
erkennen. Myokardiale Perfusionsausfälle können mit
der Myokardszintigraphie oder mittels MRT-Diagnostik
Gendermedizin
(subendotheliale Myokardischämien) diagnostiziert werden. Sollte eine endotheliale Dysfunktion als Ursache für
die akute Myokardischämie im Vordergrund stehen, lässt
sich die vasodilatierende Funktion der Koronarendothelien mittels intrakoronarer Tests mit Acetylcholin beurteilen. Bei „stabilen“ Patientinnen sollte zur Diagnose einer
KHK bei nicht aussagekräftiger Ergometrie eine StressEchokardiographie durchgeführt werden.
Therapie
Obwohl die existierenden Guidelines und Evidenzbasierten Empfehlungen „geschlechts-neutral“ geschrieben sind, erhalten Frauen weniger Medikamente und weniger invasive Prozeduren im Vergleich zu Männern. Bis
in die 90er Jahre wurden überwiegend Männer in die
großen Arzneimittelstudien eingeschlossen. Auch wenn
der Anteil an Frauen in den letzten Jahren gestiegen ist,
besteht immer noch eine große Diskrepanz zwischen
den prozentual betroffenen Frauen, die eine Erkrankung
erleiden und den prozentual in großen randomisierten
Studien eingeschlossenen Frauen. Dadurch fehlen Daten über Wirkungen und Nebenwirkungen von Arzneimitteln, so dass der Evidenzgrad der Empfehlungen der
Leitlinien, die sich auf Frauen beziehen, gering ist. Aufgrund der unterschiedlichen Pharmakokinetik ist bei
Frauen auf eine gewichtsadaptierte Dosierung, einen für
fettlösliche Substanzen größeren Verteilungsraum, eine
unterschiedliche Expression der CYP-Isoenzyme, eine
kürzere Magentransitzeit und auf eine niedrigere renale
Clearance zu achten, und bei der Wahl und Dosierung
des Arzneimittels zu bedenken.
Die Guidelines des American College of Cardiology
(ACC) und der American Heart Association (AHA) zur
Therapie des STEMI, NSTEMI [25] und auch die Guidelines
zur stabilen KHK [26] bilden die Grundlage der Therapie.
Geschlechterunterschiede werden hier allerdings nicht berücksichtigt. Hierbei sollte die Behandlung eines NSTEMI
konservativer durchgeführt werden, da bei der Antikoagulation mit GP-IIb/IIIa-Inhibitoren oft mehr Blutungskomplikationen bei Frauen auftreten (Crusade-Studie) [27]. Ob es
sich um einen biologischen Effekt oder um eine schlechtere
Überwachung der Frauen handelt, ist noch nicht bekannt.
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Top-Thema: Gendermedizin dzkf 9/10-2011
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Gendermedizin
Top-Thema
Operative Revaskularisation
Die Sterblichkeit von Frauen nach einer Bypass-Operation ist im Vergleich zu Männern höher [28]. Insbesondere jüngere Frauen haben eine deutlich höhere Frühmortalität als gleichaltrige Männer. Forschungsarbeiten zeigen
eine Vielzahl von möglichen Ursachen. Zum Zeitpunkt der
Operation sind Frauen älter und weisen mehr Komorbiditäten auf. Diese Kenntnis führte dazu, dass in allen wichtigen „Scoring“-Systemen zur präoperativen Risikostratifizierung vor Bypass-Operation das „weibliche Geschlecht“
als ein unabhängiger Risikofaktor geführt wird.
Im Durchschnitt zeigen die Studien, dass Frauen, die
einer Bypass-Operation mit extrakorporaler Zirkulation
(„on-pump“-Technik) unterzogen worden sind, eine Mortalität von 7.1 % vs. 3.3 % (Männer) haben [29].
Eifert et al. konnten in einer retrospektiven Studie mit
3.441 Patienten zeigen, dass die Operationstechnik einen
Einfluss auf die Mortalität hatte. Die 30-Tage-Mortalität
unter Verwendung der EKZ (“on-pump“) beträgt 5.2 %
bei den Frauen und 2.5 % bei den Männern. Unter „offpump“ Technik ist die 30-Tage- und 1-Jahr Mortalität mit
1.7 % bei den Frauen wesentlich geringer. Die Sterblichkeit bei den Männern beträgt hier nach 30 Tagen 2.1% und
3.7 % nach einem Jahr.
Unter Berücksichtigung, dass diese Ergebnisse noch
durch eine prospektive randomisierte Studie bestätigt
werden sollten, lässt sich resümieren, dass die frühe und
mittlere postoperative Sterblichkeit bei Frauen unter Verwendung der „off-pump“-Methode signifikant reduziert
ist und daher als Revaskularisationstechnik bei Frauen
bevorzugt werden sollte [30].
Prognose
Die Krankenhausletalität nach akutem MI und Schlaganfall ist bei Frauen höher als bei Männern (siehe oben).
Teilweise kann dieses erklärt werde durch ein höheres Alter bei Aufnahme und mehr Komorbiditäten wie Diabetes
mellitus und chronischer arterieller Hypertonie. Zusätzliche Faktoren sind die verzögerte Diagnosestellung und
die seltener durchgeführte invasive Diagnostik.
Herzinsuffizienz
Epidemiologie
Die HI ist eine der häufigsten Ursachen für Altersmorbidität weltweit. Als einer der wichtigsten Vorläufer
der HI gilt die Myokardhypertrophie (MH). Sie entsteht
als adaptive Stressantwort, z. B. bei Aortenklappenstenosen (AS) [31]. Mehr als 12.000 Patienten erhalten jährlich
in Deutschland einen Aortenklappenersatz. Mehr als 70 %
von ihnen sind älter als 60 Jahre, 52 % sind Männer und
48 % sind Frauen.
Pathophysiologie
Die klinische Manifestation einer HI unterscheidet
sich bei Frauen und Männern. Die Studie „EuroHeartFailure survey“ zeigte, dass Männer vorrangig eine
systolische HI mit einer Ejektionsfraktion (EF) < 50 %
76
dzkf 9/10-2011 Top-Thema: Gendermedizin
(HFREF) entwickeln, während sich bei weiblichen Patienten häufig eine HI mit erhaltener, systolischer Funktion (HFNEF) manifestiert [32, 33]. Hier steht die diastolische Relaxationsstörung des linken Ventrikels im
Vordergrund. Die Prognosen beider Formen der HI sind
jedoch ähnlich schlecht.
Formen der Herzinsuffizienz
HFNEF: “heart failure with normal ejection fraction”
Die echokardiographisch gemessene EF (Schwellenwert
35-40 %) ist noch erhalten. Im Vordergrund steht eine
diastolische Dysfunktion.
Frauen sind häufiger betroffen.
HFREF: „heart failure with reduced ejection fraction”
Die echokardiographisch gemessene EF liegt unter
35-40 %.
Männer sind häufiger betroffen.
Die MH aufgrund einer AS entwickelt sich bei Männern und Frauen unterschiedlich. Frauen entwickeln vorwiegend eine eher konzentrische Form der Hypertrophie
mit kleineren linken Ventrikeln und weniger Ventrikeldilatation im Vergleich zu Männern, die eher zu einer exzentrischen Form der linksventrikulären Hypertrophie
neigen [34, 35]. Begleitet wird die MH nach AS von einem
Anstieg der interstitiellen Fibrose, von Kollagenen sowie
der Expression von Matrix-Metallproteinasen (MMPs),
welche in männlichen Herzen stärker ausgeprägt ist [36, 37].
Die Verminderung der Druckbelastung durch einen Aortenklappenersatz führt zur Verbesserung der Hämodynamik des Myokards und eine Verminderung der linksventrikulären Hypertrophie. Die postoperative Regression
der MH wurde bereits ausführlich untersucht [38, 39]. Unsere prospektive Studie an 92 Patienten konnte zeigen, dass
Frauen mit AS häufiger eine LV-Hypertrophie entwickelten als Männer (Frauen 86 %, Männer: 56 %) [39]. Postoperativ nach Aortenklappenersatz jedoch wurden vergrößerte linke Ventrikel nur noch bei 12 % der Frauen im
Gegensatz zu 34 % der Männer festgestellt. Die Analyse
von Myokardbiopsien zeigte im Einklang mit den Tiermodellen eine signifikant höhere Expression von Kollagenen
und MMPs bei Männern im Vergleich zu Frauen.
Molekulare Grundlagen
Die Geschlechterunterschiede in der Entstehung und
klinischen Manifestation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden vor allem den Sexualhormonen und deren Rezeptoren zugeschrieben. Sie sind im Myokard präsent und
führen zur koordinierten Regulation funktional relevanter Signaltransduktionswege. So wurde in verschiedenen
Studien gezeigt, dass Östrogen die Entwicklung einer MH
verhindern oder mildern kann [40, 41]. Schlüsselenzyme des
Glucose- und Fettsäuremetabolismus, wie z. B. die PPARs
(peroxisome proliferator-activated receptors), werden
durch Östrogen reguliert [42, 43]. Effekte von Östrogen und
Progesteron auf die mitochondriale Respiration und die
Top-Thema
Generierung von Sauerstoffradikalen wurden bereits im
Gehirn gezeigt, und werden derzeit auch in kardialem Gewebe untersucht.
Sowohl Studien humanen Gewebes als auch die Analyse von Tiermodellen stützen die Hypothese, dass die
Interaktion des weiblichen Geschlechts mit Östrogen die
Fibrosierung in weiblichen druckbelasteten Herzen durch
Reduktion der Fibroblasten-Proliferation und der Genexpression von Kollagen I und III in Zellen von weiblichen
Tieren vermindern kann [44, 45, 46]. Östrogen ist auch für die
Reduktion des Matrix-Turn­over durch die Verminderung
der Expression von MMPs verantwortlich.
Die nukleären Östrogenrezeptoren (ER) α und β werden bei MH und HI vermehrt exprimiert, wobei die Her-
Gendermedizin
aufregulation von ERβ im weiblichen Herzen stärker als
im männlichen Herzen ist [47, 48]. Hormon-modulierte Signaltransduktionswege, die in die Entwicklung der MH
und HI involviert sind und von Sexualhormonen reguliert
werden, sind u.a. der IGF/Akt-Signalweg, der zu einer geschlechterabhängigen Stimulation von NOS führen kann.
Andere Östrogen-sensitive Signalwege schließen Schlüsselfaktoren wie AKT, mTOR, GSK3β, β-Catenin und deren downstream gelegenen Interaktionspartner ein. Besonders hervorzuheben ist hierbei der PPARγ-Koaktivator
(PGC-1α), der als zentraler Aktivator der Mitochondrienbiogenese und -funktion gilt. Testosteron beeinflusst das
myokardiale Remodeling nach MI umgekehrt. Durch die
Aktivierung von NK-κB (nuclear factor-κB) trägt es zu
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77
Gendermedizin
Entzündungsprozessen sowie zur Herabregulation der
Fettsäureoxidation bei MH und HI bei [49]. [Abb. 3]
Therapie
Aufgrund der Komplexität des Themas werden an dieser Stelle drei wichtige Substanzgruppen exemplarisch im
Hinblick auf Geschlechterunterschiede dargestellt.
ACE-Hemmer:
Die Reduktion der Mortalität bei Frauen, insbesondere in älteren Herzinsuffizienzstudien, fiel prozentual geringer aus als bei Männern (ca. 5 % versus 30-40 %) [33].
Andere Studien wie AIRE und HOPE zeigten auch einen
Nutzen für Frauen bei der Sekundärprävention kardiovaskulärer Ereignisse insbesondere bei Risikopatientinnen [50].
In vielen ACE-Hemmer-Studien wurden mehr signifikante Nebenwirkungen wie Reizhusten, Hypotonie, gastrointestinale Symptome usw. bei Frauen registriert. Es ist
nicht auszuschließen, dass der unterschiedliche Hormonstatus der therapierten Frauen Einfluss auf die Effekte der
ACE-Hemmer hatte, da endogene Östrogene direkt das
Renin-Angiotensin-System beeinflussen. Alternativ werden AT1-Antagonisten angewandt. Große Studien zeigten
hier keine Geschlechterunterschiede. In der CHARM-Studie ist die Risikoreduktion durch weibliches Geschlecht
allerdings stärker ausgeprägt als durch den AT1-Antagonisten [51].
ß-Blocker:
Therapie mit Bisoprolol, Carvedilol und Metoprolol führen zu einer Verbesserung der linksventrikulären
Funktion und reduzieren die Gesamtmortalität bei Männern und Frauen. Auch hier zeigt sich das weibliche Geschlecht per se als starker protektiver Faktor [52].
Unter Genderaspekten ist eine Dosistitration bei der
Einleitung der Therapie sinnvoll, da Frauen aufgrund der
unterschiedlichen Bioverfügbarkeit häufiger überdosiert
werden. Weiterhin ist zu beachten, dass es zu einer gesteigerten Plasmakonzentration von Metoprolol kommen
kann bei gleichzeitiger Einnahme eines oralen Kontrazeptivums [53].
Diuretika:
Eine Hyponatriämie und eine Hypokaliämie wurden
bei Frauen häufiger beobachtet als bei Männern. Da Frauen eine längere „korrigierte“ QT-Zeit im EKG aufweisen,
ist die Überwachung der Elektrolyte besonders wichtig,
um Arrhythmien zu vermeiden.
Tako-Tsubo-Kardiomyopathie
Eine Differentialdiagnose zur koronaren Herzerkrankung und eine besondere Form der HI ist die Tako-TsuboKardiomyopathie (TTC). In 91 % der Fälle sind Frauen betroffen. Eine Erklärung für die Geschlechterungleichheit
gibt es bisher nicht. Auslösender Faktor für diese schwere
HI in der akuten Phase ist meistens massiver emotionaler
Stress. Ein plötzlicher Anstieg der endogenen Katechol-
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dzkf 9/10-2011 Top-Thema: Gendermedizin
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amine könnte für die akute myokardiale Schädigung mit
ursächlich sein. Klinisch imponiert die TTC wie ein akutes Koronarsyndrom mit „Angina pectoris“-Symptomatik, Luftnot und Zeichen des Kreislaufschocks bei schwerer Verlaufsform mit massiver Einschränkung der EF des
linken Ventrikels [54]. EKG-Veränderungen (ST-Hebungen,
T-Inversion) und ein marginaler Anstieg der Herzenzyme (Troponin, CK, CK-MB) führen häufig zu einer zeitnahen koronarinvasiven Diagnostik mittels Herzkatheter.
Der fehlende Nachweis epikardialer Koronarstenosen und
das typische Muster in der Laevokardiographie mit apikalem Balooning bei hypo- bis akinetischem Apex und basaler Hyperkontraktilität des Herzens führen zur Diagnose
einer TTC. Aufgrund einer Ähnlichkeit des laevokardiographischen Bildes mit einem Fanggerät für Tintenfische
in Japan erhielt die Erkrankung ihren Namen. Weitere Bezeichnungen sind „broken-heart syndrome“ oder „akute
stressbedingte Kardiomyopathie“. Das alleinige Auftreten
isolierter Wandbewegungsstörungen im Bereich der mittventrikulären Segmente ist auch möglich. Echokardiographisch sind die Störungen der Wandbewegung, und deren
meist vollständige Restitution im Verlauf sehr gut zu kontrollieren. Die Mortalität im Krankenhaus ist unter symptomatischer Therapie niedrig. Die Prävalenz der TTC beträgt
2 % aller Patienten mit akutem Koronarsyndrom.
Verzeichnis der Abkürzungen
AS = Aortenklappenstenose
COPD = chronic obstructive pulmonary disease
EF = Ejektionsfraktion
HI = Herzinsuffizienz
KHK = Koronare Herzerkrankung
MMP = Matrix-Metalloproteinasen
MH = Myokardhypertrophie
MI = Myokardinfarkt
BMI = body mass index
Autoren
Ute Seeland
Carola Schubert
Vera Regitz-Zagrosek
Dr. med. Ute Seeland
Institut für Geschlechterforschung in der Medizin (GiM)
Charité-Universitätsmedizin Berlin
Luisenstraße 65, D-10117 Berlin
Tel.: +49 30 450539089
E-Mail: [email protected]
http://gender.charite.de
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Top-Thema: Gendermedizin dzkf 9/10-2011
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