KHK-Prävention in Frage gestellt

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S P E K T R U M
AKUT
Östrogen-Gestagen-Substitution
KHK-Prävention
in Frage gestellt
D
ie Hormonsubstitution mit Östrogen-Gestagen-Kombinationen wird Frauen nicht nur
zur Linderung der Wechseljahresbeschwerden, sondern auch zur Prävention kardiovaskulärer
Erkrankungen (KHK) nahegelegt. Die Argumentation stützt sich auf Beobachtungsstudien, bei denen
hormonbehandelte Frauen seltener an Herzinfarkten erkrankt waren. Die erste plazebokontrollierte
Studie zur Frage der Sekundärprävention zeigt jedoch ein weniger rosiges Bild. An der Heart and
Estrogen-Progestin Replacement Study (HERS)
nahmen 2 763 Frauen teil, die bereits einen Herzinfarkt erlitten, sich einer Bypass-Operation oder einer
Angioplastie unterzogen hatten.
W
ie Stephen Hulley von der Universität San
Francisco in JAMA berichtet (1998; 280:
605–613), kam es zwar zu der erwarteten
Besserung der Cholesterinwerte (LDL minus elf Prozent, HDL plus zehn Prozent), dies hatte jedoch keinen Einfluß auf den Endpunkt der Studie. Während
des ersten Jahres traten in der Verumgruppe sogar
mehr KHK-Ereignisse auf als unter Plazebo. Außerdem erlitten die hormonbehandelten Frauen häufiger thromboembolische Zwischenfälle und Gallenerkrankungen. Ein möglicher Nutzen der Therapie
stellte sich erst nach drei bis vier Jahren ein. Jetzt
sank die Rate der kardiovaskulären Ereignisse deutlicher als in der Plazebogruppe. Nach einer mittleren
Beobachtungszeit von 4,1 Jahren hatten sich die Ergebnisse jedoch angeglichen: unter Hormontherapie
traten 172, unter Plazebo 176 KHK-Ereignisse auf.
D
ie Autoren vermuten, daß die Hormonbehandlung prothrombotische, proarrhythmische oder proischämische Wirkungen haben
könnte, welche eine Verringerung der Sterblichkeit
in den ersten Jahren verhindere. Eine Östrogen-Progestin-Behandlung zur Sekundärprävention der
KHK halten sie daher nicht weiter für empfehlenswert. Frauen, die schon länger Hormone einnehmen,
könnten die Therapie jedoch weiterführen, da längerfristig die protektiven Wirkungen überwiegen.
Wenn Frauen mit KHK die Therapie aus anderen
Gründen wünschten, sollten sie vorher kardiologisch
untersucht werden. Die American Heart Association
reagierte zurückhaltend auf die Ergebnisse. Auch
das US-National Heart, Lung, and Blood Institute
meinte, die Indikation müsse individuell gestellt werden. Endgültige Klarheit sei von der Fortsetzung von
HERS sowie den laufenden plazebokontrollierten
Studien zu erwarten.
Rüdiger Meyer
A-2584 (4) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 42, 16. Oktober 1998
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