arbeitspapier der kommissionsdienststellen bericht über die

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KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN
Brüssel, 3.04.2003
ARBEITSPAPIER DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN
BERICHT ÜBER DIE FORSCHUNG AN
HUMANEN EMBRYONALEN STAMMZELLEN*
* Inoffizielle Übersetzung von SEC(2003)441
INHALT
ZUSAMMENFASSUNG....................................................................................................... 3
Einleitung ........................................................................................................................... 14
Kapitel 1: Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen und das
Anwendungspotenzial der Stammzellenforschung.............................................................. 16
1.1 Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen...........................................................16
1.2 Die Plastizität humaner Stammzellen ..................................................................................18
1.3 Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen.......................................19
1.4 Neuartige Stammzelltherapien .............................................................................................21
1.5 Wissenschaftliche und technische Hürden, die vor der klinischen Anwendung der
neuartigen Therapie mit humanen embryonalen Stammzellen zu überwinden sind ...............22
1.6 Beispiele für neuartige Stammzelltherapien, die derzeit Gegenstand umfangreicher
Forschungsarbeiten sind ............................................................................................................23
Kapitel 2: Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen.................................... 26
2.1 Herkunft und Eigenschaften der humanen embryonalen Stammzellen.............................. 26
2.2 Möglichkeiten, humane embryonale Stammzellen zu gewinnen .........................................26
2.3 Kultivierung von humanen embryonalen Stammzellen im Labor ......................................27
2.4 Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler Stammzellen und somatischer
Stammzellen für die Therapie wie sie sich derzeit darstellen....................................................28
2.5 Frage der Notwendigkeit neuer humaner embryonaler Stammzelllinien...........................30
2.6 Entwicklungen beim Aufbau von Stammzellenbanken und Registern ...............................31
Kapitel 3: Umgang mit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ............... 35
3.1 Die ethischen Fragen.............................................................................................................35
3.2. Einschlägige Rechtsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten..............................................39
3.3. Neue Gesetze in den EU-Mitgliedstaaten in Vorbereitung ................................................46
3.4 Einschlägige Rechtsvorschriften in einigen Drittländern....................................................48
3.5. Handhabung der Stammzellenforschung im RP6...............................................................50
3.6 Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog ................................................................................53
Kapitel 4: Sozioökonomische Aspekte ................................................................................. 55
Glossar ................................................................................................................................ 58
Anhang A: Biologie der Entwicklung des Menschen.......................................................... 62
Anhang B: Möglichkeiten zur Überwindung der Immunabwehr bei der
Stammzellentherapie........................................................................................................... 65
Anhang C: Beispiele für vorhandene humane embryonale Stammzelllinien ..................... 67
Anhang D: Einzelheiten zu den einschlägigen Vorschriften in Drittländern ..................... 69
Anhang E: Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Beratungsgruppe für Ethik ............. 73
Anhang F: Ratsprotokoll vom 30. September 2002............................................................. 87
2
ZUSAMMENFASSUNG
Hintergrund:
Die Stammzellenforschung ist eines der vielversprechenden Gebiete der Biotechnologie, das die
Entwicklung neuer Methoden in Aussicht stellt, mit denen Gewebe oder Zellen, die durch
Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden, wiederhergestellt oder ersetzt und schwere
chronische Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson und chronische Herzinsuffizienz sowie
Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen behandelt werden können. Die Stammzellenforschung dürfte für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über die Grundlagen der
Zelldifferenzierung und des Zellwachstums von ebenso großer Bedeutung sein wie für andere
spezielle medizinische Anwendungen, wie z. B. Fragen der Krankheitsentwicklung und die
Erforschung sicherer und wirksamerer Arzneimittel. Wissenschaftler arbeiten intensiv an der
Aufdeckung der grundlegenden Eigenschaften der Stammzellen.
Eine Möglichkeit, Stammzellen zu gewinnen, sind humane Embryonen in der
Präimplantationsphase. Bei der Verwendung humaner Embryonen stellt sich allerdings die
Frage nach den ethischen Werten, die hier berührt werden, und nach den Grenzen und
Bedingungen für derartige Forschungsarbeiten.
Die Vielschichtigkeit dieses Problems und der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen
ethischen
Fragen
waren
auch
bei
der
Verabschiedung
des
Sechsten
Forschungsrahmenprogramms (RP6) und seiner Spezifischen Programme ein wichtiges
Thema, das gesondert erörtert wurde.
Im 6. Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft fällt die Förderung der Forschung an
Stammzellen unter den vorrangigen Themenbereich 1 „Biowissenschaften, Genomik und
Biotechnologie im Dienste der Gesundheit“, Abschnitt i) „Fortgeschrittene Genomik und ihre
Anwendungen für die Gesundheit“. Vor allem die „Entwicklung und Erprobung neuer
Präventions- und Therapiewerkzeuge sowie somatische Gene, Zelltherapien (insbesondere
Stammzelltherapie)“ ... stehen im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten“1.
Die Kommission wird bis zur Verabschiedung detaillierter Durchführungsbestimmungen
spätestens Ende 2003 keine Forschungsprojekte fördern, bei denen humane Embryonen bzw.
humane embryonale Stammzellen verwendet werden, es sei denn, es handelt sich um
Projekte, die in Zellkulturen isolierte oder in Zellbanken konservierte embryonale
Stammzellen zum Gegenstand haben. Die Kommission hat ihre Absicht bekundet, dem Rat
und dem Europäischen Parlament einen Bericht über die Forschung an humanen embryonalen
Stammzellen vorzulegen, der die Diskussionsgrundlage für ein interinstitutionelles Seminar
über Bioethik bilden wird 2.
Der jetzt vorliegende Bericht ist eine Momentaufnahme der wissenschaftlichen, ethischen,
rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Forschung an humanen
Stammzellen und humanen embryonalen Stammzellen.
1
2
ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 10.
Siehe Anhang F.
3
Zweck des Berichts ist die Zusammenstellung von Informationen für einen offenen und
sachlichen Gedankenaustausch auf dem oben genannten interinstitutionellen Seminar3.
Auf der Grundlage des Seminarergebnisses wird die Kommission einen Vorschlag vorlegen,
der weitere Leitlinien für die Vergabe von gemeinschaftlichen Fördermitteln für Projekte
enthalten wird, die Forschungsarbeiten an menschlichen Embryonen und embryonalen
Stammzellen beinhalten.
Inhalt des Berichts
Eigenschaften humaner Stammzellen
Stammzellen verfügen über drei Eigenschaften, die sie von anderen Zelltypen unterscheiden:
- sie sind nicht ausdifferenziert (nicht spezialisiert),
- sie können sich in ihrem undifferenzierten Zustand über einen langen Zeitraum hinweg teilen
und selbst erneuern.
- unter bestimmten physiologischen oder experimentellen Bedingungen können sie
spezialisiertere, ausdifferenzierte Zellen, wie Nervenzellen, Muskelzellen oder Insulin
produzierende Zellen bilden.
Stammzellen finden sich im frühen Stadium des Embryos, im Fötus und im Blut der
Nabelschnur sowie in vielen Geweben des Körpers nach der Geburt und bei Erwachsenen.
Diese Stammzellen, aus denen sich die Gewebe und Organe des Fötus entwickeln, sind auch
verantwortlich für Wachstum und Reparatur im Körper von Neugeborenen und Erwachsenen.
Ab dem Blastozystenstadium (5-7 Tage nach der Befruchtung) nimmt der Anteil an
Stammzellen in den verschiedenen Geweben sowie deren Fähigkeit zur Ausdifferenzierung in
verschiedene Zelltypen, zumindest solange sie sich in ihrer natürlichen Umgebung befinden,
mit fortschreitender Entwicklung ab.
Klassifizierung humaner Stammzellen
In diesem Bericht wird, je nach ihrer Herkunft und der Art ihrer Gewinnung, zwischen drei
Gruppen von Stammzellen unterschieden:
1. Humane embryonale Stammzellen, die aus Embryonen im Blastozystenstadium in der
Präimplantationsphase gewonnen werden.
2. Humane embryonale Keimzellen, die aus den primordialen Keimzellen des Fötus isoliert
werden können.
3. Humane somatische Stammzellen, die aus adulten oder fötalen Geweben oder Organen
oder aus dem Nabelschnurblut isoliert werden können.
Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen
Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (aus Knochenmark, peripherem Blut oder
dem Nabelschnurblut eines gesunden Spenders) wird bereits seit über zehn Jahren eingesetzt,
um z. B. hämatologische Krankheitsbilder, wie Leukämie oder angeborene Immunschwächen
3
Wissenschaftliche Begriffe werden im Glossar erläutert.
4
zu behandeln. Um das Knochenmark von Patienten zu retten, die einer hochdosierten
Chemotherapie ausgesetzt waren, wurde die autologe Transplantation (die Transplantation
von Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut des Patienten) eingeführt.
Sie findet jetzt verstärkt Einsatz als Erstbehandlung anderer Krebsarten, wie z. B. bei
Brustkrebs und Neuroblastomen. Die autologe Stammzelltransplantation wird darüber hinaus
experimentell zur Behandlung schwerer Autoimmunkrankheiten und als Vektor für die
Gentherapie eingesetzt. Heute werden an über 350 Einrichtungen in Europa jährlich über
18.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt4.
Untersucht werden auch neuartige Stammzelltherapien (häufig als regenerative Medizin oder
als Zelltherapien bezeichnet), um neue Verfahren zur Wiederherstellung oder für den Ersatz
von Geweben oder Zellen, die durch Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden, entwickeln
und schwere chronische Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson, chronische Herzinsuffizienz
sowie Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen behandeln zu können. Die
Stammzellenforschung dürfte sich jedoch ebenso bedeutend für die Grundlagenforschung wie
für andere spezifische medizinische Anwendungen erweisen.
•
Entwicklung neuartiger Stammzellentherapien. Derzeit werden drei therapeutische
Ansätze verfolgt:
- Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen ausdifferenzierten Zellen:
Stammzellen lassen sich kultivieren und so steuern, dass sie sich im Labor zu
bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren und dann implantiert werden können (z. B. zu
Insulin produzierende Zellen zur Behandlung von Diabetes, zu Herzmuskelzellen zur
Behandlung von Herzinsuffizienz oder zu Dopamin produzierenden Neuronen zur
Behandlung der Parkinson-Krankheit usw.). Die jeweiligen ausdifferenzierten
Zelltypen könnten aus embryonalen oder somatischen Stammzellen, auch aus den
körpereigenen Stammzellen des Patienten, gewonnen werden.
- Direkte Zuführung von Stammzellen: In manchen Fällen kann es möglich und/oder
notwendig sein, dem Patienten Stammzellen direkt zuzuführen, so dass sie sich im
Körper an einer bestimmten Stelle ausbreiten und sich dort weiter in die gewünschten
Zelltypen ausdifferenzieren (d. h. durch systemisches “Homing”).
-
Stimulierung endogener Stammzellen: Geforscht wird auch an der Möglichkeit, die
eigene Stammzellpopulation eines Individuums so anzuregen, dass die
Selbstregenerierung in Gang gesetzt oder verstärkt wird, indem z. B.
Wachstumsfaktoren zugeführt werden.
Diese neuartigen Stammzelltherapien befinden sich noch in einem sehr frühen
Entwicklungsstadium. Vor allem die Transplantation ausdifferenzierter Zellen, die aus
Stammzellen isoliert wurden, wirft wissenschaftliche und technische Fragen auf, die es zu
lösen gilt, bevor diese Therapien zur klinischen Anwendung kommen können, wie z. B.:
-
4
Erkenntnisse über die Steuerungsmechanismen für Wachstum, Verbleib,
Differenzierung und Dedifferenzierung.
Ausschaltung des Risikos der Entwicklung von Zellen, die nicht in dem
gewünschten Maß differenziert oder kanzerogen sind. Vor allem bei der
A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ
2000;321:433-437.
5
•
Verwendung humaner embryonaler Stammzellen besteht ein Tumorrisiko, da diese
Stammzellen Teratome entwickeln.
Sicherstellung der Funktions- und Lebensfähigkeit der Stammzellen oder ihrer
Abkömmlinge über die gesamte Lebensdauer des Empfängers.
Lösung des Problems der Immunabwehr (das in den Fällen nicht besteht, in denen
die körpereigenen Stammzellen des Patienten verwendet werden).
Herstellung menschlicher Zelllinien zur Verwendung in der präklinischen
Arzneimittelforschung und in der Toxikologie. Aus humanen embryonalen
Stammzellen gewonnene normale humane Zelltypen können gentechnisch oder
pharmakologisch verändert und in der Arzneimittelforschung verwendet werden. Für
Arzneimittelprüfungen sind diese Zelllinien als biologisches System möglicherweise
klinisch relevanter als Tiermodelle und dürften deshalb dazu beitragen, dass sicherere und
wirksamere Humanarzneimittel entwickelt werden, was letztendlich zu einer Reduzierung
der Tierversuche führen wird. Darüber hinaus lassen sich aus ihnen bessere In-vitroModelle für die Gefahrenidentifizierung von Chemikalien entwickeln. Möglicherweise
erweist sich dieser Bereich der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen als das
zunächst größte Anwendungsgebiet in der Medizin, da hier die Probleme der
Immunabwehr, der Lebensfähigkeit und des Tumorrisikos nicht zum Tragen kommen.
• Erforschung der Entwicklung des Menschen. Humane embryonale Stammzellen dürften
Einblicke in Entwicklungsschritte liefern, die sich nicht direkt am intakten menschlichen
Embryo beobachten lassen, die jedoch von großer Bedeutung für klinische Bereiche sind,
wie angeborene Fehlbildungen, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten.
• Erforschung der grundlegenden Mechanismen der Zelldifferenzierung und
-proliferation. Erkenntnisse über Gene und Moleküle, Wachstumsfaktoren und
Nährstoffe, die in der Embryonalentwicklung eine Rolle spielen, können bei der
Kultivierung von Stammzellen im Labor und bei der Steuerung ihrer Weiterentwicklung
zu spezialisierten Zelltypen eingesetzt werden. Einige der schwersten medizinischen
Probleme, wie Krebs, sind auf eine abnorme Zellteilung und -differenzierung
zurückzuführen. Weitergehende Erkenntnisse über die genetischen und molekularen
Steuerungsmechanismen dieser Prozesse könnten Informationen darüber liefern, wie diese
Krankheiten entstehen und dazu beitragen, neue Therapiestrategien zu entwickeln.
Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler und somatischer
Stammzellen, wie sie sich zum jetzigen Zeitpunkt darstellen, sowie der Bedarf an neuen
humanen embryonalen Stammzelllinien
Nach heutigem Wissensstand bergen humane embryonale und somatische Stammzellen
jeweils Vor- und Nachteile hinsichtlich ihres potentiellen Einsatzes in der
Grundlagenforschung und für neuartige Stammzelltherapien.
In der Wissenschaft herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob humane
embryonale Stammzellen ein größeres Potenzial als humane somatische Stammzellen haben
(die aus fötalem oder adultem Gewebe isoliert wurden). Derzeit gilt das besondere
Augenmerk den humanen embryonalen Stammzellen, da sie das Potenzial haben, sich in alle
Zelltypen des Körpers ausdifferenzieren zu können (sie sind pluripotent). Neueste Studien5,
5
e.g. Jiang, Yuehua et al., Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow, in:
Nature Vol. 418, 04/07/2002, pages 41-49.
6
die nahe legen, dass somatische Stammzellen ein sehr viel größeres Potenzial zur
Differenzierung haben könnten als bislang angenommen (z. B. könnten sich unter bestimmten
experimentellen Bedingungen Stammzellen des Knochenmarks in Nerven-, Skelett- und
Herzmuskelzellen ausdifferenzieren), werfen die Frage nach der Notwendigkeit der
Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen und der Gewinnung neuer humaner
embryonaler Stammzelllinien zu diesem Zeitpunkt auf. Trotz des Optimismus, der in jüngster
Zeit durch die Forschungsberichte über die Pluripotenz humaner somatischer Stammzellen
geweckt wurde, ist die große Mehrheit der Wissenschaftler, auch die, die sich mit der
Forschung an somatischen Stammzellen befassen, der Auffassung, dass die Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen fortgeführt und ausgeweitet werden sollte und die
Forschung nicht auf die somatischen Stammzellen beschränkt werden dürfe 6.
In ihren Schlussfolgerungen kommen viele Berichte7 zu dem Ergebnis, dass zum jetzigen
Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, welche wichtigen Erkenntnisse die Forschung an
embryonalen oder somatischen Stammzellen hervorbringen wird und welche Stammzellen am
besten geeignet sein werden, die Bedürfnisse der Grundlagenforschung und der klinischen
Anwendungen zu erfüllen.
Bezüglich des Bedarfs an neuen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden
unterschiedlichste Argumente vorgebracht. So wird insbesondere hervorgehoben, dass die
Forschung an humanen embryonalen Stammzellen so neu ist, dass die Wissenschaftler noch
nicht sagen können, ob sie die bestmöglichen Verfahren für die Isolierung bzw. Kultivierung
humaner embryonaler Stammzellen entwickelt haben. Berichten zufolge wurden viele der
vorhandenen embryonalen Stammzelllinien in den USA patentiert, was zu Abhängigkeiten
von Privatunternehmen in anderen Teilen der Welt führen kann.8.
6
7
8
Dr. Catherine Verfaillie, Universität von Minnesota Medical School, stellte in ihrem Vortrag vor
dem vom US-Präsidenten einberufenen Bioethik-Rat am 25. April 2002 fest:
http://www.bioethics.gov/ “Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen steckt noch in
den Kinderschuhen, das gleiche gilt für die Biologie von adulten Stammzellen, weshalb ich nicht
glaube, dass wir an irgendeiner Stelle kurz davor ständen, neue Therapien vorweisen zu können.
Ich möchte auch nochmals betonen, dass, auch wenn mein Labor und unsere Gruppe an adulten
Stammzellen arbeiten, wir derzeit aktiv auch Forschung an embryonalen Stammzellen, und zwar
humanen embryonalen Stammzellen, betreiben, so dass wir innerhalb derselben Einrichtung
Labors haben, in denen die eine Zelle und andere Labors, in denen die andere Zelle erforscht
wird, so dass wir in der Lage sind, das Potenzial der verschiedenen Zellpopulationen zu
vergleichen und gegeneinander zu stellen, ich halte das für sehr wichtig”.
Stem Cells: scientific progress and future research directions, National Institutes of Health (NIH),
Bethesda, USA, June 2001.
Schweizer Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin: Stellungnahme zur Forschung
an humanen embryonalen Stammzellen, Juni 2002.
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von
Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002.
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
House of Lords Select Committee UK– Bericht über Stammzellenforschung, Februar 2002.
http:/:www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm
Schwedische Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Forschung an embryonalen
Stammzellen, 17.01.2002, http://www.smer.gov.se/
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von
Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002.
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
7
Umgang mit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen
Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen wirft vielfältige ethische Fragen auf.
Die Frage, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen ethisch vertretbar ist, lässt sich als
Konflikt zwischen unterschiedlichen Werten, zwischen den Rechten und Pflichten
verschiedener Akteure oder zwischen kurz- und langfristigen Interessen verschiedener
Gruppen beschreiben. Einerseits ist das Interesse an neuen Erkenntnissen groß, die die
Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten ermöglichen können. Werden bei der Forschung
humane Embryonen verwendet, stellt sich andererseits die Frage nach der ethischen
Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen für diese Forschung9. Die
Meinungen zur Legitimität der Versuche mit und an humanen Embryonen sind je nach
ethischem, philosophischem und religiösem Hintergrund geteilt. Die Mitgliedstaaten der EU
haben sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen bezogen, womit bestätigt wird, dass in der Europäischen Union die
verschiedensten Ansichten darüber bestehen, was als ethisch vertretbar gilt und was nicht.
Die ethischen Fragen:
Wie bereits in der am 14. November 2000 abgegebenen Stellungnahme Nr. 1510 der
Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der
Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung
menschlicher Stammzellen” dargelegt, gelten für die Forschung an humanen Stammzellen die
folgenden ethischen Grundsätze:
• Der Grundsatz der Achtung der Menschenwürde;
• Der Grundsatz der Autonomie des Betreffenden (der die Einwilligung nach Aufklärung, die
Achtung der Privatsphäre und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten beinhaltet);
• Der Grundsatz der Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere im Hinblick auf die
Verbesserung der Gesundheit und den Gesundheitsschutz);
• Der Grundsatz der Freiheit der Forschung (der gegenüber anderen Grundrechten
abzuwägen ist);
• Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (die Forschungsverfahren müssen zum Erreichen
der angestrebten Ziele unerlässlich sein, und es stehen keine geeigneteren Alternativen
zur Verfügung).
„Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht
ausgerichteten Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie
deren Verwendung für den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen“.
Zur Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke stellt die EGE fest, dass “die
Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken (bedenklich ist), da dies einen
weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet” und hält “die
Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung von Stammzellen
(für) ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen als Quelle zur Verfügung
stehen.”
9
10
Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen
Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”.
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm
Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen
Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”.
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm
8
Ferner ist die EGE der Auffassung, dass “die Erzeugung von Embryonen durch den
Kerntransfer somatischer Zellen derzeit insofern verfrüht (wäre), als sich der Wissenschaft
ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen
(überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte Stammzellen) bietet.”
Zur ethischen Vertretbarkeit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen im
Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft vertritt die EGE
die Ansicht, dass “..sich kein Argument gegen die Finanzierung dieser Art von Forschung
aus dem Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen (lässt), solange
sichergestellt ist, dass die Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und
rechtlichen Anforderungen entspricht”.
Hierzu stellt die EGE weiter fest, dass “die Gemeinschaft ... für die Stammzellforschung, bei
der alternative Quellen (überzählige Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene
Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen Forschungshaushalt vorsehen (sollte). Die
Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der Validität der jüngsten Erfindungen
zum Differenzierungspotential von erwachsenen Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte
zur Auflage machen, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht
aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden.”
Die EGE nennt die folgenden Bedingungen, an die die Forschung an humanen embryonalen
Stammzellen und die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus überzähligen
Embryonen geknüpft werden sollte:
• Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Spenderpaares oder der
spendenden Frau.
• Genehmigung der Forschung durch eine Behörde.
• Kein finanzieller Anreiz für die Spender.
• Anonymität der Spender und Schutz der Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten der
Spender.
• Transparenz der Forschungsergebnisse.
Für die klinische Forschung hebt die EGE folgende Aspekte hervor:
• Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Patienten.
• Risiko-Nutzen-Analyse.
• Schutz der Gesundheit der an den klinischen Versuchen beteiligten Personen.
9
Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen in den Mitgliedstaaten
der EU11
Die Mitgliedstaaten der EU haben bereits sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der
Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen und bereiten
derzeit neue Rechtsvorschriften vor. Im März 2003 ergibt sich hierbei folgendes Bild:
• Die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist
unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt: Finnland, Griechenland, die
Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich.
• Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus humanen Embryonen, wobei
unter bestimmten Bedingungen der Import humaner embryonaler Stammzelllinien
gesetzlich erlaubt ist. Deutschland. Der Import und die Verwendung von humanen
embryonalen Stammzellen ist in Österreich, Dänemark und Frankreich nicht ausdrücklich
verboten, über die Genehmigung wird derzeit noch beraten.
• Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen:
Österreich, Dänemark, Frankreich, Irland und Spanien. Die Rechtsprechung in Spanien
erlaubt unter bestimmten Bedingungen nur die Gewinnung humaner embryonaler
Stammzellen aus nicht lebensfähigen humanen Embryonen .
• Keine besonderen Vorschriften für die Forschung an und mit humanen Embryonen
oder humanen embryonalen Stammzellen: Belgien, Italien, Luxemburg und Portugal.
• Erzeugung von humanen Embryonen für Forschungszwecke ist gesetzlich erlaubt:
Das Vereinigte Königreich ist derzeit der einzige Mitgliedstaat, der die Erzeugung
humaner Embryonen, entweder durch die Befruchtung einer Eizelle durch einen
Spermatozyten oder durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (SCNT, auch als
therapeutisches Klonen bezeichnet), für die Gewinnung von Stammzellen erlaubt. Im
belgischen Parlament wird derzeit eine Gesetzesvorlage beraten, mit der die Erzeugung
humaner Embryonen für Forschungszwecke, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers
somatischer Zellen, genehmigt werden soll. Das niederländische Embryonengesetz von
2002 sieht für die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke, auch mit Hilfe
des SCNT, ein Moratorium für die Dauer von fünf Jahren vor.
• Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und für die
Gewinnung von Stammzellen per Gesetz oder durch Ratifizierung der Konvention
des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin, die am 4. April 1997 in
Oviedo unterzeichnet wurde: Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland,
Griechenland, Irland, die Niederlande, Portugal und Spanien.
Vorschriften, die in den EU-Mitgliedstaaten derzeit beraten werden:
Belgien: Zur Zeit ist das Parlament mit einer Gesetzesvorlage zur Regelung der Forschung an
humanen Embryonen in vitro befasst, die der belgische Senat 2002 genehmigt hat. Der
Gesetzesentwurf sieht vor, die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen
Embryonen unter bestimmten Bedingungen zu genehmigen und hierzu eine „Föderale
11
Europäischen Kommission, GD Forschung, Direktion E: “Survey on opinions from National Ethics
Committtees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human
embryonic stem cell research and use” (letzte Aktualisierung März 2003).
“Survey on the National Regulations in the European Union regarding Research on Human
Embryos” - B. Gratton - veröffentlicht vom Sekretariat der EGE - Europäische Kommission - Juli
2002
10
Kommission für die wissenschaftlich-medizinische In-vitro-Forschung an Embryonen“
einzusetzen.
Dänemark: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften für die Gewinnung
humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird derzeit geprüft.
Frankreich: Eine Neufassung des Gesetzes zur Bioethik aus dem Jahr 1994 wurde vom
Senat im Januar 2003 gebilligt und dürfte im ersten Halbjahr 2003 in der
Nationalversammlung erörtert werden. Vorgeschlagen wird, die Forschung an überzähligen
humanen Embryonen und die die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen für die
Dauer von 5 Jahren unter bestimmten Auflagen zu genehmigen. Eine zentrale
Genehmigungsbehörde wird eingerichtet.
Italien: Ein Gesetz zur In-vitro-Fertilisierung wird derzeit erörtert.
Portugal: In Portugal wurde ein Ausschuss eingesetzt, um ein Gesetz zur Regelung der
Forschung an humanen Embryonen und an humanen embryonalen Stammzellen
auszuarbeiten.
Spanien: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft.
1998 wurde der nationale Ausschuss für die künstliche Befruchtung beim Menschen
eingesetzt. In seiner zweiten, 2002 abgegebenen Stellungnahme empfiehlt der Ausschuss, bei
der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen überzählige Embryonen zu verwenden,
von denen es in Spanien schätzungsweise 30.000 gibt.
Im April 2002 wurde der Beratungsausschuss für ethische Fragen in der wissenschaftlichen
und technologischen Forschung eingerichtet, der im Februar seine erste Stellungnahme zur
Forschung an Stammzellen abgab. Er sprach die Empfehlung an die Regierung aus,
Forschungsarbeiten sowohl an adulten wie auch an embryonalen Stammzellen zu genehmigen
und die Rechtsprechung so zu ändern, dass die Isolierung humaner embryonaler Stammzellen
aus überzähligen Embryonen erlaubt ist.
Schweden: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft. Der
Parlamentsausschuss, der sich mit Fragen der genetischen Integrität befasst, schlug in seinem
am 29. Januar 2003 veröffentlichten Bericht vor, die Erzeugung befruchteter Eizellen für
Forschungszwecke nicht generell zu verbieten. Nach Auffassung des Ausschusses sei die
Erzeugung von Embryonen durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (das sogenannte
therapeutische Klonen) genauso zu behandeln und sollte deshalb grundsätzlich erlaubt sein.
Vorschriften in den Ländern, die der Europäischen Union beitreten werden
Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, die Slowakische Republik, und
Slowenien haben die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte
ratifiziert.
In den Beitrittsländern wurden bislang keine besonderen Vorschriften für die Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen umgesetzt. Estland, Ungarn, Lettland und Slowenien
haben Gesetze verabschiedet, die die Forschung an humanen Embryonen unter bestimmten
Bedingungen genehmigen. In Litauen, Polen und der Slowakischen Republik ist die
Forschung an humanen Embryonen verboten. In Zypern, Malta und der Tschechischen
Republik gibt es keine speziell für die Forschung an Embryonen erlassenen Gesetze. In der
Tschechischen Republik ist ein Gesetz in Vorbereitung.
11
Handhabung der Stammzellenforschung im RP6
Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union besagt:
“1. Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind
allen Mitgliedstaaten gemeinsam.
2. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom
unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts ergeben.
3. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten.
4. Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur
Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.”
Gemäß dem EG-Vertrag fällt die Regelung ethischer Fragen ausschließlich in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf Gemeinschaftsebene wurden ethische Grundsätze mit
Blick auf die Forschungsförderung durch das Forschungsrahmenprogramm festgelegt.
Für das RP6 wurden folgende ethischen Grundsätze festgelegt12:
• “Bei der Durchführung ... sind die ethischen Grundprinzipien ... zu beachten. Diese
umfassen ... die Prinzipien, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union ergeben, den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens ... ”
• “… in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht”
• “…geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in
denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.”
• “Folgende Forschungsgebiete werden innerhalb dieses Programms nicht finanziert:
- Forschungstätigkeiten zum Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken;
- Forschungstätigkeiten zur Veränderung des genetischen Erbguts des Menschen, durch
die solche Änderungen vererbbar werden könnten 13
- Forschungstätigkeiten zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu
Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer
somatischer Zellen.
• “Außerdem ist die Finanzierung von Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten
verboten sind, unter allen Umständen ausgeschlossen.”
• “Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und eingedenk der Vielfalt der Ansätze in Europa
müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten geltende Rechtsvorschriften, Regelungen
und ethische Regeln der Länder, in denen die Forschung durchgeführt wird, erfüllen.”
12
13
ABl. L 232 vom 29.8.2002,S.4.
ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8.
Forschungstätigkeiten mit dem Ziel der Krebsbehandlung an den Gonaden können finanziert
werden.
12
• “Einzelstaatliche Vorschriften kommen in jedem Fall zur Anwendung und es werden keine
Forschungsmaßnahmen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat verboten sind, in diesem
Mitgliedstaat aus Gemeinschaftsmitteln gefördert.”
• “Gegebenenfalls müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten vor der Aufnahme von
FTE-Tätigkeiten Genehmigungen der zuständigen nationalen oder lokalen
Ethikausschüsse einholen. Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen führt die
Kommission systematisch eine ethische Prüfung durch, insbesondere im Hinblick auf
Vorschläge, bei denen es mit um die Verwendung menschlicher Embryonen und humaner
embryonaler Stammzellen geht.”
• Im Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002 ist festgehalten14: “Der Rat
und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte Durchführungsvorschriften
betreffend die Verwendung humaner Embryos und humaner embryonaler Stammzellen,
die unter dem 6. Rahmenprogramm finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003
festgelegt werden.
Die Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der detaillierten
Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher Forschungstätigkeiten nicht
vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung von in Banken bestehenden oder in
Kulturen isolierten humanen embryonalen Stammzellen.”
Sozioökonomische Aspekte
Auch wenn zunächst größtenteils von den Hochschulen und ihrem akademischen Umfeld
aufgezeigt wurde, welches Potenzial in den Stammzellen steckt, sind für die
Weiterentwicklung dieser Technologie, z. B. für die Entwicklung therapeutischer Produkte,
die Unternehmen gefragt. Ihr Engagement wird z. B. benötigt, wenn es darum geht, Zelllinien
in großem Stil und nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis zu erzeugen,
multizentrische, klinische Studien durchzuführen und das Marketing und den Vertrieb zu
unterstützen.
Im Jahr 2001 waren etwa 30 öffentliche und private Biotech-Unternehmen auf dem Gebiet der
Stammzellenforschung tätig, und ein Dutzend Unternehmen erforschen gegenwärtig das
Potenzial sowohl somatischer als auch embryonaler Stammzellen. Wenn überhaupt,
investieren nur wenige Unternehmen ausschließlich in die Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen.
Trotz der beachtlichen für die Stammzellenforschung zur Verfügung stehenden Gelder, fallen
die Erträge bislang eher bescheiden aus. Daran zeigt sich, dass sich diese Forschungsarbeiten
noch mit den Grundlagen befassen. So versuchen die kommerziellen Interessen, sich
angesichts der in Zukunft erwarteten großen Gewinne zu positionieren, auch wenn die
Forschungsperspektiven ebenso wie die therapeutischen Möglichkeiten noch recht ungewiss
sind und ein rechtliches Umfeld geschaffen wird, das von ethischen Überlegungen und
öffentlichen Bedenken geprägt ist.
14
Anhang F.
13
EINLEITUNG
Der vorliegende, von den Kommissionsdienststellen verfasste Bericht soll einen Überblick
über folgende Punkte geben:
• Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen und das Anwendungspotenzial der
Stammzellenforschung.
• Forschung an humanen embryonalen Stammzellen (auf die Forschung an somatischen
Stammzellen wird nur dann eingegangen, wenn dies für die Erörterung der Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen relevant ist).
• Handhabung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, einschließlich des
Umgangs mit ethischen Fragen, in den EU-Mitgliedstaaten geltende Vorschriften,
Handhabung der Stammzellenforschung im RP6 sowie gesellschaftliche Kontrolle und
Dialog
• Sozioökonomische Aspekte der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und
deren Verwendung .
Der Bericht wird durch die folgenden Anhänge ergänzt:
A
B
C
D
E
F
Biologie der Entwicklung des Menschen
Möglichkeiten zur Überwindung der Immunabwehr bei der Stammzellentherapie
Beispiele für vorhandene humane embryonale Stammzelllinien
Einzelheiten zu den Vorschriften in Drittländern für die Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen
Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im
Bereich der Wissenschaft und der Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen
Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”, die am 14.
November 2000 abgegeben wurde.
Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002.
In dem Bericht wurde Folgendes berücksichtigt:
-
-
-
-
-
Das Meinungsbild in EU- und Drittländern, das sich im Rahmen einer Erhebung
abgezeichnet hat, bei der nationale Ethikausschüsse oder ähnlichen Gremien, öffentliche
Erörterungen und die einzelstaatliche Rechtsprechung zur Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen und deren Verwendung berücksichtigt wurden. Die Umfrage
wurde von der Europäischen Kommission, GD Forschung, Direktion E durchgeführt
(letzte Aktualisierung März 2003);
Stellungnahmen und Berichte der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im
Bereich der Wissenschaft und der neuen Technologien an die Europäische Kommission
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm
Bericht und Ergebnisse der Konferenz über “Stammzellen: Therapien der Zukunft?”, die
von der Europäischen Kommission, GD Forschung unter der Ägide der Europäischen
Gruppe für Biowissenschaften im Dezember 2001 veranstaltet wurde.
http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/stemcells.html
In den Bewerberländern geltende Vorschriften über ethische Belange in Wissenschaft
und Forschung - Ergebnisse des Workshop vom 8.-10. Dezember 2002 - Brüssel veranstaltet von der Europäischen Kommission- GD Forschung – Direktion C
Dokumente des Nationalen Gesundheitsinstituts der USA (National Institute of Health NIH) zum Thema Stammzellen
14
-
http://nih.gov/news/stemcell/
Überblick über die neueste wissenschaftliche Literatur;
Vorträge und Mitteilungen aus Wissenschaftskreisen.
15
KAPITEL
1:
HERKUNFT
STAMMZELLEN
UND
UND
DAS
EIGENSCHAFTEN
HUMANER
ANWENDUNGSPOTENZIAL
DER
STAMMZELLENFORSCHUNG
1.1 Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen 15
Stammzellen unterscheiden sich von anderen Zelltypen des Körpers durch ihre einzigartigen
Eigenschaften: 1) sie können sich über lange Zeiträume hinweg teilen und selbst erneuern, 2)
sie sind nicht spezialisiert und 3) aus ihnen können sich spezialisierte Zelltypen bilden. Sie
finden sich im frühen Stadium des Embryos, im Fötus und im Blut der Nabelschnur sowie in
einigen (möglicherweise in vielen) Geweben des Körpers nach der Geburt und bei
Erwachsenen. Diese Stammzellen, aus denen sich die Gewebe und Organe des Fötus
entwickeln, sind auch verantwortlich für Wachstum und Reparatur im Körper von
Neugeborenen und Erwachsenen. Ab dem Blastozystenstadium nimmt der Anteil an
Stammzellen mit fortschreitender Entwicklung nach und nach ab. Auch ihre Fähigkeit zur
Differenzierung in verschiedene Zelltypen nimmt zumindest dann ab, wenn sie sich in ihrer
natürlichen Umgebung befinden (siehe auch 1.2).
Bild 1
Fertilisation
Tag 0
Spermatozyten
Oocyte
HERKUNFT UND
KLASSIFIZIERUNG
VON STAMMZELLEN
Tag 3-4
Embryonale Stammzellen
Tag 5-7
Fötale pluripotente Stammzellen
(aus Keimbahngewebe)
Ab 8.
Woche
nach
Fertilisation
+ Nabelschnur blut
Somatische Stammzellen
Erwachsener
15
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von
Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002.
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
16
Klassifizierung humaner Stammzellen:
Die Diskussionen über die Klassifizierung von Stammzellen dauern noch an. Die
Verwendung unterschiedlicher Definitionen, sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als
auch bei öffentlichen Erörterungen, ist häufig verwirrend. In diesem Bericht wird, je nach
ihrer Herkunft und der Art ihrer Gewinnung, zwischen drei Gruppen von Stammzellen
unterschieden16:
1. Humane embryonale Stammzellen
Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus Embryonen in der Präimplantationsphase isolieren (Einzelheiten siehe Kapital 2).
2. Humane embryonale Keimzellen
Stammzellen mit embryonalen Eigenschaften konnten auch aus primordialen Keimzellen des
Fötus in den Wochen 5-10 isoliert werden. Aus diesen embryonalen Keimzellen entwickeln
sich im Normfall die Gameten (Eizellen bzw. Spermatozyten). Forschungsarbeiten haben
gezeigt, dass aus Keimzellen gewonnene Stammzellen über die Fähigkeit verfügen, sich in
unterschiedlichste Zelltypen auszudifferenzieren, wenngleich sie in dieser Hinsicht sehr viel
eingeschränkter sind als embryonale Stammzellen17. Allerdings müssen diese
Forschungsergebnisse noch von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden, und die
Diskussionen über die Stabilität des Genmaterials der Zellen sind noch nicht abgeschlossen.
3. Humane somatische Stammzellen
Eine somatische Stammzelle ist eine nicht ausdifferenzierte Stammzelle, die sich in einem
Gewebe oder Organ unter differenzierten Zellen nachweisen lässt und die sich selbst
vermehren und ausdifferenzieren kann, um den Großteil der gewebs- oder
organspezifischen Zelltypen hervorzubringen. Wenn somatische Stammzellen auch selten
vorkommen, enthalten viele, wenn nicht die meisten Gewebe des Fötus und des
menschlichen Körpers Stammzellen, die in ihrer normalen Umgebung über ein begrenztes
Differenzierungspotenzial verfügen, um das Gewebe zu erneuern, dem sie angehören.
Diese als somatisch definierten Stammzellen werden in der Regel als “multipotent”
bezeichnet. Wissenschaftler haben somatische Stammzellen in sehr viel mehr Geweben
nachgewiesen, als sie dies ursprünglich für möglich gehalten hatten. Zum Beispiel sollen in
der Leber, in der Bauchspeicheldrüse, im Gehirn, im Knochenmark, in den Muskeln, im
Riechepithel, im Fettgewebe und in der Haut Stammzellen nachgewiesen worden sein18.
Einige Stammzellen bleiben nach der Geburt sehr aktiv (z. B. hämatopoetische
Stammzellen, Stammzellen der Haut und des Darms), andere sind offenbar eher inaktiv
(Stammzellen des Gehirns). An dieser Stelle sei erwähnt, dass jüngste Daten darauf
16
17
18
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von
Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002..
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
Shamblott MJ et all, Human embryonic germ cell derivates express a broad range of
developmentally distinct markers and proliferate extensively in vitro. Proc Natl Acad Sci USA
2001; 98:113-8
Jiang Y, et al Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow. Nature,
2002 ;418 :41-49
17
schließen lassen, dass zum Beispiel Zellen der Leber und sogar des Gehirns von
Erwachsenen versuchen, bei Verletzungen Zellen zu ersetzen19.
Möglichkeiten, humane somatische Stammzellen zu gewinnen:
- Adulte Gewebe und Organe: Somatische Stammzellen lassen sich mit Hilfe invasiver
Eingriffe gewinnen, vergleichbar den Eingriffen bei der
Spende von Knochenmark. Hämatopoetische Stammzellen
werden routinemäßig aus peripherem Blut gewonnen.
Stammzellen lassen sich wohl auch nach einer Autopsie zum
Beispiel post mortem aus dem Hirngewebe gewinnen.
- Fötale Organe oder Gewebe: Fötale Gewebe oder Organe, die nach einem
Schwangerschaftsabbruch entnommen wurden, können für
die Gewinnung von Stammzellen verwendet werden. So
können z. B. neurale Stammzellen aus dem Neuralgewebe
des Fötus isoliert und in Kultur vermehrt werden.
- Nabelschnurblut:
Hämatopoetische Stammzellen können bei der Geburt aus
dem Nabelschnurblut entnommen werden. Möglicherweise
enthält das Nabelschnurblut auch Stammzellen, die andere
Gewebe bilden können.
1.2 Die Plastizität humaner Stammzellen
Bild 2
PLASTIZITÄT VON STAMMZELLEN
Stammzelle
Dedifferenzierung?
Transdifferenzierung?
Vorläuferzelle
Differenzierung
Differenzierte Zelle
Angelehnt an
D. Steindler,
Universität Florida
19
z. B. Blut
Oder Hirnzellen
Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet
2002;359(9311):1047-1054
18
Jüngsten Berichten zufolge ist es wohl möglich, dass
- Stammzellen des Gehirns sich zu Blutzellen ausdifferenzieren20
- Stammzellen des Knochenmarks sich in vitro zu Nerven-, Skelett- und Herzmuskelzellen
sowie zu Leberzellen ausdifferenzieren usw. 21
Letzteres ließe sich dadurch erklären, dass einige wenige pluripotente Stammzellen ein Leben
lang erhalten bleiben und unter normalen Bedingungen “ruhen “. Allerdings werden auch
andere Hypothesen aufgestellt. Das Potenzial einer Stammzelle ist möglicherweise nicht ein
für alle Mal festgelegt, sondern hängt von der Zellumgebung ab. So könnte eine somatische
Stammzelle in der Lage sein, auf einem der folgenden Wege mehr als ein Gewebe zu bilden:
In einer veränderten Umgebung könnte sich die ursprüngliche Stammzelle dedifferenzieren
und dann so neu programmiert werden, dass sie andere Zelltypen hervorbringt.
Oder
Die ursprüngliche Zelle könnte direkt einen anderen Zelltyp annehmen, ohne den
Zwischenschritt der Dedifferenzierung zu durchlaufen, ein Vorgang der mitunter als
“Transdifferenzierung” bezeichnet wird.
Dies grenzt an eine Revolution im Verständnis der Biologie der Zellentwicklung, die bisher
davon ausging, dass im Gegensatz zu Pflanzen und niedrigeren Mikroorganismen in den
Zellen von Säugern der Prozess der Differenzierung irreversibel ist.
Einige Wissenschaftler haben Zweifel an der Plastizität von Stammzellen22. Derzeit laufen
Forschungsarbeiten, mit denen festgestellt werden soll, welche Mechanismen der Plastizität
von somatischen Stammzellen zugrunde liegen. Lassen sich diese Mechanismen identifizieren
und steuern, könnten Stammzellen aus gesundem Gewebe angeregt werden, sich zu
vermehren und krankes Gewebe zu ersetzen23.
1.3 Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen
Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (aus Knochenmark, peripherem Blut oder
dem Nabelschnurblut eines gesunden Spenders) wird bereits seit über zehn Jahren eingesetzt,
um z. B. hämatologische Krankheitsbilder, wie Leukämie oder angeborene Immunschwächen
zu behandeln. Um das Knochenmark von Patienten zu retten, die einer hochdosierten
Chemotherapie ausgesetzt waren, wurde die autologe Transplantation (die Transplantation
von Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut des Patienten) eingeführt.
Sie findet jetzt verstärkt Einsatz als Erstbehandlung anderer Krebsarten, wie z. B. bei
20
21
22
23
Bjornson, C et al Turning brain into blood: a hematopoietic fate adopted by adult neural stem cells
in vivo. Science 283, 354-357 (1999)
Jiang Y, et al Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow. Nature,
2002 ;418 :41-49
Orlic, D et al Bone marrow cell regenerate infarcted myocardium. Nature (2001) 410, 701-705
Petersen, B.E. et al. Bone marrow as a potential source of hepatic oval cells. Science (1999) 284,
1168-1170
Wagers A.J. et al. Little evidence for developmental plasticity of adult haematopoïetic stem cells.
Science , 297, 2256 2259 (2002)
De Witt and Knight; Biologists question adult stem cell versality. Nature 416(2002):354
US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
19
Brustkrebs und Neuroblastomen. Die autologe Stammzelltransplantation wird darüber hinaus
experimentell zur Behandlung schwerer Autoimmunkrankheiten und als Vektor für die
Gentherapie eingesetzt. Heute werden an über 350 Einrichtungen in Europa jährlich über
18.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt24.
Die Forschung an humanen Stammzellen dürfte für verschiedene Bereiche der Wissenschaft
und Medizin von Interesse sein25:
• Zur Entwicklung einer neuartigen Stammzelltherapie. Die neuartigen
Stammzelltherapien (häufig auch als regenerative Medizin oder Zelltherapien bezeichnet)
werden auch im Hinblick auf die Entwicklung neuer Verfahren erforscht, mit denen
Gewebe oder Zellen, die durch Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden,
wiederhergestellt oder ersetzt und schwere chronische Krankheiten, wie Diabetes,
Parkinson, chronische Herzinsuffizienz sowie Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen
behandelt werden können. (Nähere Einzelheiten siehe Kapitel 1.4).
•
Zur Herstellung menschlicher Zelllinien für die Verwendung in der präklinischen
Arzneimittelforschung und in der Toxikologie. Aus humanen embryonalen
Stammzellen gewonnene normale humane Zelltypen können gentechnisch oder
pharmakologisch verändert und in der Arzneimittelforschung verwendet werden. Sie
versetzen Wissenschaftler in die Lage, unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen das
Wachstum und die Entwicklung vieler verschiedener Zelltypen des Menschen zu
untersuchen, die bei Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Schlaganfall, Herzkrankheiten
usw. eine Rolle spielen. Für Arzneimittelprüfungen sind diese Zelllinien als biologisches
System möglicherweise klinisch relevanter als Tiermodelle und dürften deshalb dazu
beitragen, dass sicherere und wirksamere Humanarzneimittel entwickelt werden. Zum
Beispiel gibt es derzeit kein Labormodell für das menschliche Herz, weshalb es sehr
schwierig (ja unmöglich) ist, die Auswirkungen von Arzneimitteln auf das Herz genau zu
bestimmen, bevor Tests am Menschen durchgeführt wurden. Das Fehlen humaner Zellen,
die normale Funktionen nachahmen, war bislang der wichtigste limitierende Faktor für
den Ersatz von Tierversuchen in der Pharmakotoxikologie. Möglicherweise erweist sich
dieser Bereich der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen als das zunächst
größte Anwendungsgebiet in der Medizin. In einigen Gebieten der In-vitro-Toxikologie
gibt es bislang nur unzureichende Verfahren zur Vorhersage der Toxizität auf das
Zielorgan. Auf anderen Gebieten, wie der Embryo-Toxizität, werfen die Unterschiede
zwischen den Arten große Probleme auf, weshalb die Verwendung von Humansystemen
(humanised systems) die Gefahrenidentifizierung von Chemikalien verbessern könnten.
•
Die Verwendung von Stammzellen in der Gentherapie: Stammzellen ließen sich als
Vektoren, d. h. als Träger genetischer Informationen für die Gentherapie einsetzen. Ein
Problem bei der Erforschung der Gentherapie besteht darin, sichere Vektoren für die
Einschleusung der Informationen zu entwickeln, und hier könnten die Stammzellen die
Lösung sein. Derzeit laufen gentherapeutische Versuche zur Behandlung von Krankheiten
des Blutsystems. Ziel dieser Versuche ist es, neue gesunde Gene in die Blut bildenden
Stammzellen einzuschleusen, die dann die unterschiedlichsten Arten von Blutzellen
24
25
A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ
2000;321:433-437.
US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
Anhang E - Stellungnahme Nr° 15 der Europäischen Gruppe für Ethik
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis15_EN.pdf
20
hervorbringen können und die darüber hinaus in der Lage sind, sich selbst zu erneuern und
damit eine Heilung auf Dauer ermöglichen.
• Zur Erforschung der Entwicklung des Menschen. Forschungsarbeiten zu humanen
embryonalen und fötalen Stammzellen können zu einem besseren Verständnis der
Evolutionsbiologie und der Entwicklung vom Embryo zum Menschen beitragen. Humane
embryonale Stammzellen dürften Einblicke in Entwicklungsschritte liefern, die sich nicht
direkt am intakten menschlichen Embryo beobachten lassen, die jedoch von großer
Bedeutung für klinische Bereiche sind, wie angeborene Fehlbildungen, Unfruchtbarkeit
und Fehlgeburten. Vor allem für die Zeit kurz nach der Implantation bleibt das Wissen
über die normale menschliche Entwicklung im Großen und Ganzen auf die Beschreibung
einer begrenzten Zahl sektionierter Embryonen und auf Analogien aus der
experimentellen Embryologie anderer Arten beschränkt. Wenngleich die Maus das
wichtigste Versuchstier für die experimentelle Embryologie bei Säugern ist, gibt es doch
erhebliche Unterschiede z. B. bei den frühen Strukturen der Plazenta, der
extraembryonalen Membranen, des Eizylinders im Vergleich mit der entsprechenden
Struktur des menschlichen Embroys.
• Zur Erforschung der grundlegenden Mechanismen der Zelldifferenzierung und
-proliferation. Ein Hauptanliegen dieser Forschungsarbeiten ist es herauszufinden, wie
sich aus undifferenzierten Stammzellen bestimmte, differenzierte Zelltypen entwickeln.
Wissenschaftler wissen bereits, dass hierbei dem An- und Abschalten von Genen eine
zentrale Bedeutung zukommt und dass Gene und Moleküle, Wachstumsfaktoren und
Nährstoffe in der Embryonalentwicklung auch eine Rolle spielen. Diese Erkenntnisse
können bei der Kultivierung von Stammzellen unterschiedlichster Herkunft im Labor und
bei der Steuerung ihrer Ausdifferenzierung zu spezialisierten Zelltypen eingesetzt werden.
Einige der schwersten medizinischen Probleme, wie Krebs, sind auf eine abnorme
Zellteilung oder -differenzierung zurückzuführen. Weitergehende Erkenntnisse über die
genetischen und molekularen Steuerungsmechanismen dieser Prozesse könnten
Informationen darüber liefern, wie diese Krankheiten entstehen und dazu beitragen, neue
Therapiestrategien zu entwickeln.
1.4 Neuartige Stammzelltherapien
Derzeit werden drei therapeutische Ansätze verfolgt: 26:
- Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen ausdifferenzierten Zellen:
Stammzellen lassen sich kultivieren und so steuern, dass sie sich im Labor zu
bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren und dann implantiert werden können (z. B. zu
Insulin produzierende Zellen zur Behandlung von Diabetes, zu Herzmuskelzellen zur
Behandlung von Herzinsuffizienz oder zu Dopamin produzierenden Neuronen zur
Behandlung der Parkinson-Krankheit usw.). Die jeweiligen ausdifferenzierten
Zelltypen könnten aus embryonalen oder somatischen Stammzellen, auch aus den
körpereigenen Stammzellen des Patienten, gewonnen werden.
26
Zur Forschung an embryonalen Stammzellen, Nationale Ethikkommission im Bereich der
Humanmedizin , Stellungnahme Nr. 3/2002
Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet
2002;359(9311):1047-1054
21
- Direkte Zuführung von Stammzellen: In manchen Fällen kann es möglich und/oder
notwendig sein, dem Patienten Stammzellen direkt zuzuführen, so dass sie sich im
Körper an einer bestimmten Stelle ausbreiten und sich dort weiter in die gewünschten
Zelltypen ausdifferenzieren (d. h. durch systemisches “Homing”).
- Stimulierung endogener Stammzellen: Geforscht wird auch an der Möglichkeit, die
eigene Stammzellpopulation eines Individuums so anzuregen, dass die
Selbstregenerierung in Gang gesetzt oder verstärkt wird, indem z. B.
Wachstumsfaktoren zugeführt werden.
Bild 3
Drei potenzielle Ansätze für die Stammzelltherapie
bei Hirnschäden
Injektion von aus Stammzellen
gewonnenen differenzierten
Nervenzellen in das Gehirn
Stimulierung der eigenen
Stammzellen des Patienten
durch Wachstumsfaktoren
wie “Neuropoietins ”
Direkte Zuführung von
Stammzellen ,d. h.
systemisches “Homing”
In Anlehnung an D. Peace
und D. Steindler
1.5 Wissenschaftliche und technische Hürden, die vor der klinischen
Anwendung der neuartigen Therapie mit humanen embryonalen
Stammzellen zu überwinden sind
Diese neuartigen Stammzelltherapien befinden sich noch in einem sehr frühen
Entwicklungsstadium. Vor allem die Transplantation ausdifferenzierter Zellen, die aus
Stammzellen isoliert wurden, wirft wissenschaftliche und technische Fragen auf, die es zu
lösen gilt, bevor diese Therapien zur klinischen Anwendung kommen können, wie z. B.: 27:
•
27
Differenzierung, Dedifferenzierung und Transdifferenzierung: Es besteht noch ein
großer Forschungsbedarf, um Erkenntnisse über die Mechanismen zu gewinnen, die das
US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
House of Lords Select Committee – Report on Stem cell research, February 2002
http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm
The Health Council of the Netherlands’ report on 'Stem cells for tissue repair. Research on
therapy using somatic and embryonic stem cells' June 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
22
Wachstum, die Migration, den Verbleib und die Differenzierung der Stammzellen steuern,
um so eine kontrollierte und stabile Differenzierung gewährleisten zu können.
Wissenschaftler müssen in der Lage sein, den Prozess der Dedifferenzierung, mit dem das
normale Potenzial somatischer Stammzellen gesteigert werden soll, zu steuern.
•
Nicht gewünschte Gewebeentwicklung: Ein potenzielles Risiko der klinischen
Anwendung der Stammzelltransplantation besteht darin, dass die Zellen nicht einfach zu
Ersatz- oder Bindegewebe heranwachsen, sondern Gewebe herausbilden, die nicht in dem
gewünschten Maße differenziert ist.
•
Tumorrisiko: Die Entwicklung von Tumoren stellt kein großes Risiko dar, vor allem weil
bei der direkten Transplantation humaner embryonaler Stammzellen diese keine Teratome
bilden.
•
Isolierung und Purifikation: Die Isolierung vieler adulter Stammzellen gestaltet sich
noch als schwierig. Verfahren zur Purifikation müssen noch entwickelt werden, um die
Transplantation nicht gewünschter Zellen zu verhindern.
•
Immunabwehr: Der menschliche Körper verfügt über eine Immunsystem, das
körperfremde Zellen erkennt und sie zum Beispiel nach der Transplantation von Organen,
Geweben oder Zellen, die von einem anderen Individuum stammen, abstößt (heterogene
Transplantation). Die Immunabwehr ist die häufigste Ursache für die Abstoßung eines
Transplantats und stellt eines der Probleme dar, die bei der Stammzellentherapie gelöst
werden müssen, es sei denn, es können körpereigene Stammzellen des Patienten
verwendet werden. Derzeit werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, um die
Immunabwehr zu unterdrücken, wie etwa durch Immunsuppressiva, Induktion von
Immuntoleranz, Verwendung von übereinstimmendem Gewebe oder durch den
Zellkerntransfer somatischer Zellen (d. h. therapeutisches Klonen) (siehe Anhang B).
•
Funktions- und Lebensfähigkeit: Die Funktionsfähigkeit der Stammzellen oder ihrer
Abkömmlinge muss über die gesamte Lebensdauer des Empfängers gewährleistet sein
und nach einer Transplantation müssen diese Zellen im Empfänger überleben. Es werden
Verfahren benötigt, mit denen die Lebens- und Funktionsfähigkeit der ausdifferenzierten
Zellen erhöht und genauer bewertet werden können.
•
Kulturbedingungen: Für die Gewinnung und Differenzierung spezialisierter Zelltypen
gilt es, bewährte Herstellungsverfahren, wie z. B. keimfreie Kulturbedingungen,
festzulegen.
1.6 Beispiele für neuartige Stammzelltherapien, die derzeit Gegenstand
umfangreicher Forschungsarbeiten sind
Neurologische Krankheiten und Störungen (siehe auch Bild 3)
Die Parkinson-Krankheit wird durch eine fortschreitende Degenerierung und den Schwund
von Dopamin produzierenden Nervenzellen (dopaminergene DA-Neuronen) verursacht, die
zu Tremor, Rigor und Hypokinese (abnorm verminderte Spontanmotorik) führen.
Wissenschaftler arbeiten an einer Reihe von Strategien, um im Labor Dopamin produzierende
Nervenzellen aus humanen Stammzellen zu züchten oder auch Dopamin produzierende
Nervenzellen aus abgetriebener Föten zu verwenden, die Parkinson-Patienten transplantiert
23
werden können. In den letzten zehn Jahren wurden vor allem in Schweden und den USA
klinische Versuche bei etwa 200 Patienten mit der Parkinson-Krankheit durchgeführt. Die
Versuche zeigten, dass die Transplantation von aus menschlichen Föten gewonnenen
Nervenzellen therapeutische Wirkung zeigte, da die Krankheitssymptome bei den behandelten
Patienten stark zurückgingen28. Allerdings steht fötales Neuralgewebe nur sehr begrenzt zur
Verfügung. Derzeit werden Anstrengungen unternommen, fötale neurale Stammzellen zu
vermehren und deren Ausdifferenzierung in dopaminergene DA-Neuronen zu steuern.
In jüngst durchgeführten Studien haben Wissenschaftler embryonale Stammzellen von
Mäusen mit Hilfe von Wachstumsfaktoren und durch Einschleusung des Gens Nurr1 in DANeuronen ausdifferenzieren lassen. Diese aus Stammzellen gewonnenen DA-Neuronen
wurden in die Gehirne von Versuchsratten mit Parkinson-Syndrom transplantiert,
reinnervierten die Gehirne der Versuchstiere, gaben Dopamin ab und verbesserten die
Motorik29.
Derzeit wird die Möglichkeit untersucht, die körpereigenen Stammzellen des Patienten im
Gehirn zu stimulieren. Hierzu könnten Neuro-Poetine - kleine selektive Wachstumsfaktoren,
die Reparaturprozesse durch die körpereigenen Stammzellen eines Individuums in Gang
setzen - eingesetzt werden, um die Selbstheilung anzuregen oder zu steigern30.
Herzinsuffizienz
Werden z. B. infolge eines Herzinfarkts Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) zerstört, wird
der funktionale kontraktierende Herzmuskel durch nichtfunktionales Narbengewebe ersetzt.
Es besteht die Hoffnung, gesunde, in Laborkulturen gezüchtete Herzmuskelzellen zu
transplantieren, um so Patienten mit z. B. chronischen Herzkrankheiten zu behandeln.
Jüngste Versuche mit Mäusen zeigen, dass Kardiomyozyten, die aus embryonalen
Stammzellen von Mäusen gezüchtet wurden und die in ein geschädigtes Herz implantiert
wurden, Herzmuskelzellen entwickeln und erfolgreich neues Herzgewebe bilden können.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass aus humanen embryonalen Stammzellen gezüchtete
Kardiomyozyten zur Transplantation im Rahmen der Zelltherapie für die Behandlung von
Menschen mit Herzinsuffizienz weiterentwickelt werden könnten31.
Von Tierversuchen wird berichtet, dass Stammzellen des Knochenmarks 32 zur Regenerierung
nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden können. Die Transplantation autologer
Knochenmarkszellen (die Transplantation körpereigener Stammzellen des Patienten) in das
geschädigte Herz war Gegenstand von zwei nicht randomisierten Studien33.
28
29
30
31
32
33
Bjorklund A; et Lindvall O. Cell repacement therapies for central nervous system disorders.
Nature Neuroscience 3, 537-544( 2000)
Björklund, L. M. et al. Embryonic stem cells develop into functional dopaminergic neurons after
transplantation in a Parkinson rat model. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 99, 2344-2349 (2002)
Kim J-H et al.Dopamine neurons derived from embryonic stem cells function in an animal model
of Parkinson’s disease. Nature 418. 50-56 ( 2002)
Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet
2002;359(9311):1047-1054
Kehat et al Human embryonic stem cells can differentiate into myocytes with structural and
functional properties. J Clin Invest 2001 103:407-14
Orlic, D. et al. Bone marrow cells regenerate infarcted myocardium. Nature 410, 701-705 (2001)
Orlic, D. et al. Mobilized bone marrow cells repair the infacted heart, improving function and
survival. Proc Natl Acad Sci USA 2001;98: 10344-9
Assmus B, et al. Transplantation of progenitor cells and regeneration enhancement in acute
myocardial infarction (TOPCARE-AMI). Circulation (2002) 106: R53-R61
Strauer BE et al. Repair of infarcted myocardium by autologous intracoronary mononuclear bone
narrow cell transplantation in humans. Circulation (2002) 106: 1913-1918
24
Diabetes
Bei Menschen, die unter Diabetes Typ I leiden, zerstört das eigene Immunsystem des
Patienten die Zellen der Bauchspeicheldrüse, die normalerweise das Insulin produzieren.
Auch wenn Diabetiker mit täglichen Insulininjektionen behandelt werden können, erlaubt dies
keine ständige Blutzuckerkontrolle. Deshalb leiden viele Diabetes-Patienten unter einer
chronischen Degeneration vieler Organe, wie z. B. der Augen, der Nieren, der Nerven und der
Blutgefäße. In einigen Fällen wurden Diabetes-Patienten mit einer Inselbetazelltransplantation
behandelt. Allerdings lässt die geringe Zahl geeigneter Inselbetazelltransplantate von Post
mortem-Spendern diese Vorgehensweise als wenig praktikabel für die wachsende Zahl von
Diabetikern erscheinen.
Um dieses Problem zu umgehen, wurden unter anderem folgende Wege zur Gewinnung von
Inselzellen beschritten:
- Humane adulte Zellen der Bauchspeicheldrüse wurden erfolgreich in vitro kultiviert und
zur Differenzierung angeregt, es gibt aber noch keinen Nachweis darüber, dass diese
Zellen in der Lage sind, in vivo den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Dieser
vielversprechende Weg wird in mehreren Laboratorien verfolgt.
- Beta-Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse von Föten. Die Identifizierung endokriner
Vorläuferzellen in der sich entwickelnden Bauchspeicheldrüse und die Steuerung ihrer
Differenzierung über einen besonderen zellulären Pathway lässt es möglich erscheinen,
endokrine Vorläuferzellen, die von abgetriebenen Föten stammen oder die mit Hilfe
adulter Zellen der Bauchspeicheldrüse gewonnen wurden, in vitro zu kultivieren und
ausdifferenzieren zu lassen34.
Embryonale Stammzellen. Versuche mit Mäusen haben gezeigt, dass sich Stammzellen
von Mäuseembryonen in Insulin produzierende Zellen oder sonstige Zellen
ausdifferenzieren können, die endokrine Hormone der Bauchspeicheldrüse exprimieren.
Die Zellen formen dreidimensionale Cluster, die in ihrer Topologie normalen Inselzellen
der Bauchspeicheldrüse ähneln. Nachdem diese Zellen in diabetische Versuchstiere
transplantiert wurden, war eine Verbesserung ihres Zustands feststellbar35. Neue Studien
deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, die Ausdifferenzierung humaner
embryonaler Stammzellen in Kulturen so zu steuern, dass Insulin produzierende Zellen
entstehen.
34
35
Serup P. et al Islet and stem cell transplantation for treating diabetes. BMJ 2001, 322:29-32.
Lumelsky N et al Differentiation of embryonic stem cells to insulin - secreting structures similar to
pancreas islets. Science 2001;292: 1389-94
25
KAPITEL 2: DIE FORSCHUNG AN HUMANEN EMBRYONALEN
STAMMZELLEN
Die ersten embryonalen Stammzellen wurden 1981 aus Mäusen isoliert, und viele der
Forschungsarbeiten wurden an embryonalen Stammzellen von Mäusen durchgeführt. 1998
begann mit der erstmaligen Entnahme embryonaler Stammzellen aus humanen Blastozysten
eine neue Ära der Stammzellenbiologie 36. Seither arbeiten verschiedene Forscherteams daran,
diese Zellen zu charakterisieren und die Verfahren für deren Kultivierung zu verbessern.
2.1 Herkunft und Eigenschaften der humanen embryonalen Stammzellen
Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus einem Embryo in der
Präimplantationsphase im Blastozystenstadium gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt, der etwa am
Tag 5 der Embryonalentwicklung erreicht ist, bildet sich eine Höhle aus 50 - 100 Zellen, die
sogenannte Blastozyste. Sie besteht aus der äußeren Zellschicht, die sich zur Plazenta
weiterentwickelt, der Keimhöhle, dem mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum in der Blastozyste
und der inneren Zellmasse, aus der die humanen embryonalen Stammzellen isoliert werden
können.
Humane embryonale Stammzellen verfügen unter anderem über folgende Eigenschaften:
- Sie können sich in verschiedenste Zelltypen des Körpers ausdifferenzieren (über 200 Typen
sind bekannt), auch nachdem sie länger kultiviert wurden. Die humanen embryonalen
Stammzellen werden als pluripotent bezeichnet.
- Sie verfügen über die Fähigkeit, sich in ihrem undifferenzierten Stadium zu vermehren.
2.2 Möglichkeiten, humane embryonale Stammzellen zu gewinnen
Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus Embryonen im Präimplantationsstadium
(Blastozystenstadium) gewinnen, die durch unterschiedliche In-vitro-Techniken37 erzeugt
wurden (d. h. Embryonen, die außerhalb des menschlichen Körpers erzeugt wurden - diese
Embryonen können sich nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln, wenn sie
nicht in die Gebärmutter implantiert werden):
1. Überzählige Embryonen:
Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung überzähliger Embryonen. Hierbei handelt es
sich um Embryonen, die durch In-vitro-Fertilisierung (IVF) für reproduktionsmedizinische
Zwecke erzeugt wurden, dann aber nicht benötigt wurden. Beim weitaus größten Teil der
Fälle, in denen reproduktionsmedizinische Maßnahmen ergriffen werden, geht es um
Fertilitätsprobleme, weshalb überzählige Embryonen erzeugt werden, um die Erfolgschancen
der Behandlung zu erhöhen. In den Ländern, in denen die Präimplantationsdiagnostik erlaubt
ist, wird die IVF auch in diesem Zusammenhang eingesetzt, so dass sich humane embryonale
Stammzellen auch aus Embryonen gewinnen lassen, die nach einer PID abgetrieben wurden.
36
37
Thomson, J.A et al. Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. Science 282,
1145-1147 (1998)
Thomson, J.A et al. Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. Science 282,
1145-1147 (1998)
Annex E - Opinions n°15 and 16 of the European Group on Ethics
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis15_en.pdf
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis16_en.pdf
26
Diese überzähligen Embryonen könnten für Forschungszwecke gespendet werden, sofern die
betroffenen Paare nach umfassender Aufklärung ihre Einwilligung gegeben haben.
2. Embryonen, die durch IVF für Forschungszwecke und/oder zum Zwecke der
Gewinnung von Stammzellen erzeugt wurden 38:
Für Forschungszwecke erzeugte Embryonen können mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation aus
gespendeten Gameten, d. h. aus einer menschlichen Eizelle und einem menschlichen
Spermatozyten gewonnen werden.
3. Embryonen, die durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen für
Forschungszwecke und/oder zur Gewinnung von Stammzellen erzeugt werden 39:
Embryonen lassen sich mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen erzeugen, d. h. der
Kern einer adulten Körperzelle (z. B. einer Zelle des Patienten) wird in eine entkernte
menschliche Eizelle überführt, die ohne Fertilisierung zur Weiterentwicklung angeregt wird
(häufig als therapeutisches Klonen bezeichnet). Sobald das Blastozystenstadium erreicht ist,
lassen sich pluripotente Stammzellen isolieren und kultivieren. Diese so gewonnenen
Stammzellen haben den Vorteil, dass sie vom Immunsystem des Patienten akzeptiert werden.
Derzeit arbeiten Laboratorien daran, den Kern von kultivierten humanen embryonalen
Stammzellen durch den Kern von Körperzellen der Patienten zu ersetzen, um das Problem der
Abstoßungsreaktionen zu umgehen.
4. Weitere Möglichkeiten:
Es ist auch möglich, Embryonen auf dem Wege der Parthenogenese zu erzeugen (durch Invitro-Stimulierung einer Eizelle wird die Duplizierung der genetischen Informationen in Gang
gesetzt und die Zellteilung ausgelöst). Schließlich wird darüber spekuliert, ob sich Stammzellen
nicht gewinnen lassen, indem Zytoplasma aus Stammzellen oder Eizellen in Körperzellen
injiziert wird, wodurch sich diese in Stammzellen umwandeln (Ooplasma-Transfer).
Möglicherweise werden in Zukunft noch weitere Wege der Gewinnung von humanen
embryonalen Stammezellen erforscht.
2.3 Kultivierung von humanen embryonalen Stammzellen im Labor 40
Zur Gewinnung embryonaler Stammzellen wird die äußere Membran der Blastozyste
punktiert, die innere Zellmasse mit den Stammzellen abgesaugt und in eine Petrischale mit
Nährboden, dem sogenannten Nährmedium, übertragen. Während die Blastozyste dabei
zerstört wird und sich nicht weiterentwickeln kann, werden die isolierten humanen
embryonalen Stammzellen in vitro kultiviert und bilden Stammzelllinien. Die
38
39
40
Gemäß der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über die Verabschiedung der
spezifischen Programme zur Umsetzung des RP6 ist die Erzeugung von Embryonen zu
Forschungszwecken und für die Gewinnung von Stammzellen, auch mit Hilfe des
Zellkerntransfers somatischer Zellen (d. h. durch therapeutisches Klonen) von der Förderung
durch das 6. Forschungsrahmenprogramm ausgeschlossen. ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8.
Gemäß der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über die Verabschiedung der
spezifischen Programme zur Umsetzung des RP6 ist die Erzeugung von Embryonen zu
Forschungszwecken und für die Gewinnung von Stammzellen, auch mit Hilfe des
Zellkerntransfers somatischer Zellen (d. h. durch therapeutisches Klonen) von der Förderung
durch das 6. Forschungsrahmenprogramm ausgeschlossen. ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8..
US NIH Stem cells: a primer, September 2002
http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm
Schwedischer Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Stammzellenfoschung,
17.01.2002, http://www.smer.gov.se
27
Stammzelllinien können dann kryokonserviert und in einer Zellbank gelagert werden. Für
eine erfolgreiche Kultivierung müssen die Stammzellen nicht nur auf einem Nährboden,
sondern auch auf einer Schicht aus sogenannten Nährzellen oder Bindegewebszellen
aufgebracht werden. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden hierzu Fibroplasten von Mäusen
verwendet, mittlerweile sind Wissenschaftler aber in der Lage, humane embryonale
Stammzelllinien auf Schichten von Nährzellen menschlichen Ursprungs zu vermehren oder
sogar humane embryonale Stammzellen ohne Nährzellenschicht zu kultivieren. Damit wird
das Risiko, die menschlichen Zellen mit Viren oder Krankheitserregern aus den tierischen
Zellen (Mäusezellen) zu kontaminieren, ausgeschaltet.
Sind die Stammzellen von guter Qualität und zeigen keine Anzeichen von Alterung, kann aus
derselben Stammzelllinie eine unbegrenzte Zahl von Stammzellen gewonnen werden.
Abgesehen von ihrem breiten Differenzierungspotenzial haben sich embryonale
Stammzelllinien im Labor als überlebensfähiger als andere Stammzellen erwiesen. Während
des Prozesses der Erzeugung embryonaler Stammzelllinien prüfen die Wissenschaftler zu
verschiedenen Zeitpunkten, ob die Zellen die grundlegenden Eigenschaften embryonaler
Stammzellen besitzen. Bislang gibt es keine Standardprüfreihe zur Feststellung der
grundlegenden Eigenschaften von Zellen, doch werden verschiedene Prüfreihen, wie etwa der
Nachweis undifferenzierter Zellen anhand spezifischer Oberflächen- und Genmarker,
eingesetzt.
Folgende Unterscheidungen sind zu treffen:
•
•
•
Frisch aus einem Embryo gewonnene humane embryonale Stammzellen, die in
keinster Weise verändert wurden und für die der Nachweis als Stammzelllinien noch
erbracht werden muss.
Unveränderte (undifferenzierte) humane embryonale Stammzelllinien, die aus
kultivierten Zelllinien stammen, die aus ursprünglich frischen humanen embryonalen
Stammzellen über einen längeren Zeitraum hinweg vermehrt und ansonsten in keiner
Weise verändert wurden.
Veränderte (differenzierte) abgeleitete humane embryonale Stammzellen, die aus
kultivierten Zelllinien stammen, die aus abgeleiteten humanen embryonalen
Stammzellen oder humanen embryonalen Stammzelllinien gewonnen wurden und die
entweder durch gentechnische Eingriffe oder durch eine Behandlung (z. B. mit
Wachstumsfaktoren) so verändert wurden, dass sich die Zellen auf eine bestimmte
Weise ausdifferenziert haben, z. B. in Nerven- oder Muskelvorläuferzellen (Zellen, die
noch nicht vollständig ausdifferenziert sind, da sie sich sonst nicht vermehren
würden).
2.4 Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler Stammzellen
und somatischer Stammzellen für die Therapie wie sie sich derzeit
darstellen
Nach dem heutigen Wissensstand bergen humane embryonale und somatische Stammzellen
im Hinblick auf ihren Einsatz für die Grundlagenforschung und Stammzelltherapie Vor- und
Nachteile.
28
2.4.1 Humane embryonale Stammzellen
Vorteile:
• Humane embryonale Stammzellen verfügen über das Potenzial, unterschiedlichste
Zelltypen des Körpers herausbilden zu können (sie sind pluripotent).
• Humane embryonale Stammzellen sind derzeit die einzigen pluripotenten Stammzellen,
die sich leicht in ausreichend großen Mengen isolieren und kultivieren lassen.
Grenzen:
• Das wohl größte wissenschaftliche Problem für den therapeutischen Einsatz von humanen
embryonalen Stammzellen ist die Immunabwehr. Da die humanen embryonalen
Stammzellen in der Regel nicht von dem zu behandelnden Patienten stammen, besteht die
Gefahr von Abstoßungsreaktionen durch die Immunabwehr des Patienten. Anhang B
enthält einen Überblick über derzeit laufenden Forschungsansätze, die Immunabwehr zu
unterdrücken, wie z.B. Immunsuppressiva, Induzierung von Immuntoleranz, Verwendung
„übereinstimmender“ Gewebe oder der Zellkerntransfer somatischer Zellen (d. h.
therapeutisches Klonen).
• Da humane embryonale Stammzellen sich in alle Zelltypen ausdifferenzieren können, gibt
es Vorbehalte, dass es schwierig sein könnte, bei einem therapeutischen Einsatz
sicherzustellen, dass sich die Stammzellen nicht in einen unerwünschten Zelltyp
ausdifferenzieren oder Tumore entwickeln. Deshalb ist es unerlässlich, diese Risiken,
insbesondere die Entwicklung von Tumoren, auszuschließen.
• Die derzeitigen Verfahren zur Kultivierung von humanen embryonalen Stammzelllinien
eignen sich für Forschungszwecke, doch das Vorhandensein von tierischem Material in
den Kulturen humaner embryonaler Stammzellen, das für das Wachstum und die
Differenzierung benötigt wird, schließt eine therapeutische Verwendung aus.
Wissenschaftler arbeiten bereits daran, Stammzelllinien auf Nährböden menschlichen
Ursprungs oder ohne jeglichen Nährboden sowie in genau definierten Kulturmedien zu
kultivieren.
2.4.2 Humane somatische Stammzellen
Vorteile:
• Die Bedeutung somatischer Stammzellen für die Therapie lässt sich gut anhand der
Verwendung hämatopoetischer Stammzellen für die Behandlung von Leukämie und
anderen Blutkrankheiten aufzeigen.
• Jüngst durchgeführte Studien, die darauf schließen lassen, dass einige somatische
Stammzellen über ein sehr viel größeres Potenzial zur Differenzierung verfügen als
bislang angenommen, geben der Hoffnung Auftrieb, dass sich mit somatischen
Stammzellen noch andere Therapiemöglichkeiten eröffnen.
• Da Kulturen von körpereigenen Stammzellen des Patienten angelegt und diesem wieder
zugeführt werden können, werden die Zellen vom Immunsystem nicht abgestoßen. Dies
ist ein entscheidender Vorteil, da die Immunabwehr ein großes Problem darstellt.
• Möglicherweise lassen sich in Zukunft durch die systematische Zuführung von „Poetinen“
in-situ die Proliferation der körpereigenen somatischen Stammzellen eines Patienten
stimulieren und deren Verbleib kontrollieren.
29
Grenzen:
•
Bis heute haben sich die Isolierung, Kultivierung und Differenzierung adulter
Stammzellen als schwierig erwiesen. In der Regel stellen die Stammzellen nur einen
Bruchteil der Zellen in adulten Geweben dar. Auch wenn hämatopoetische Stammzellen
nur einen kleinen Teil der Zellen im peripheren Blut darstellen (d. h. bei den
hämatopoetischen Stammzellen: 1 von 100.000 weißen Blutkörperchen), werden sie für
die autologe Transplantation bei Erwachsenen bevorzugt 41.
• Leidet ein Patient unter einem genetischen Defekt oder einer bestimmte Krebsart,
enthalten die von dieser Person isolierten Stammzellen eben jene genetischen Defekte, die
der Krankheit zugrunde liegen und sind somit kaum von therapeutischem Nutzen - wie z.
B. bei Diabetes. Allerdings könnte der Gendefekt mit Hilfe der Gentherapie behoben
werden.
• Bislang ist nicht bekannt, ob somatische Stammzellen neue Zellen anderer Gewebearten
durch Transdifferenzierung oder durch Dedifferenzierung zu einer weniger differenzierten
Stammzelle entstehen lassen, die sich dann in einen neuen Zelltyp ausdifferenziert. Ein
sehr großes, bislang nicht beherrschtes Problem, ist die Steuerung und die Sicherheit der
Dedifferenzierung.
• Adulte Stammzellen können durch Sonneneinwirkung, Toxine und der im Laufe eines
Lebens aufgetretenen Replikationsfehler eine erhöhte Anzahl von DNA-Defekten
enthalten.
Die Frage, ob humane embryonale Stammzellen über ein größeres Potenzial verfügen als
humane somatische Stammzellen (die aus fötalen oder adulten Geweben isoliert wurden) ist
noch umstritten. Jüngst veröffentlichte Berichte über die Plastizität humaner somatischer
Stammzellen (siehe Kapitel 1.2) haben zu der Überlegung geführt, ob die Forschung an
embryonalen Stammzellen noch notwendig ist, wenn somatische Stammzellen zur Verfügung
stehen. Das Problem wurde in vielen Berichten nationaler Beratungsgremien, Ethikausschüsse
und wissenschaftlicher Gesellschaften sowie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen
ausgiebig erörtert. Diese in den letzten Monaten veröffentlichten Berichte kamen zu dem
Ergebnis, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, welche Erkenntnisse die embryonale
oder somatische Stammzellenforschung hervorbringen wird und welche Stammzellen die
Bedürfnisse der Grundlagenforschung und der klinischen Anwendung am besten erfüllen
werden42.
2.5 Frage der Notwendigkeit neuer humaner embryonaler Stammzelllinien
Entscheidend ist die Frage, ob es bereits genug embryonale Stammzelllinien gibt, die von den
Mitgliedstaaten als ethisch vertretbar erachtet werden. Wenngleich humane embryonale
Stammzelllinien, vor allem beim Nationale Institute of Health der USA registriert sind (siehe
41
42
A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ
2000;321:433-437
Stem Cells: scientific progress and future research directions, National Institutes of Health (NIH),
Bethesda, USA, June 2001 http://www.nih.gov/news/stemcell/scireport.htm
Schweizer Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin: Stellungnahme zur Forschung
an humanen embryonalen Stammzellen, Juni 2002.
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von
Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002..
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
House of Lords Select Committee UK– Report on Stem cell research, February 2002
http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm
Schwedischer Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Forschung an embryonalen
Stammzellen, 17.01.2002
30
2.6) 43, wurden verschiedene Argumente angeführt, weshalb es notwendig sei, neue humane
embryonale Stammzelllinien anzulegen44:
•
•
•
•
•
Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist so neu, dass die
Wissenschaftler noch nicht sagen können, ob sie die bestmöglichen Verfahren für die
Isolierung bzw. Konservierung der humanen embryonalen Stammzellen entwickelt haben.
Es könnte passieren, das alle derzeit vorhandenen Zelllinien untauglich sind, so wie dies
mit den ersten embryonalen Stammzelllinien von Mäusen der Fall war.
Viele der derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden nicht
ausreichend daraufhin getestet, ob sie die grundlegenden Eigenschaften embryonaler
Stammzellen auch aufweisen. Die sechs humanen embryonalen Stammzelllinien des
Karolinska Instituts, die beim NIH registriert sind, stehen nicht zur Verfügung und
wurden noch nicht vollständig charakterisiert45 (Einzelheiten siehe Anhang C).
Die meisten derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden in
Kontakt mit Mäusezellen kultiviert. Der Kontakt mit tierischen Zellen und
Serumbestandteilen birgt das nicht abschätzbare Risiko der Kontaminierung mit Viren
und anderen Krankheitserregern. Deshalb können solche Zelllinien nicht für die
Transplantation beim Menschen verwendet werden.
Die derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien haben nur eine geringe
genetische Variationsbreite. Entscheidend dabei ist, dass Zelllinien unterschiedlicher
genetischer Bausteine über unterschiedliche Merkmale verfügen.
Viele der vorhandenen embryonalen Stammzelllinien wurden in den USA patentiert.
Wichtig ist, nicht in die Abhängigkeit privater Unternehmen zu geraten.
Anhang C enthält Beispiele der derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien.
2.6 Entwicklungen beim Aufbau von Stammzellenbanken und Registern
Zellbanken humaner Stammzellen
Sowohl in Schweden wie auch im Vereinigten Königreich wurde die Notwendigkeit erkannt,
öffentliche Stammzellbanken, auch für humane embryonale Stammzellen, aufzubauen.
Im Herbst 2002 hat der britische Medical Research Council (MRC) in Zusammenarbeit mit
dem Biotechnology and Biological Science Council (BBSRC) und mit der vollen
Unterstützung durch die britische Regierung die Initiative ergriffen, die weltweit erste
umfangreiche, öffentlich finanzierte Stammzellenbank einzurichten. Die britische
43
44
45
http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html
Das US National Institutes of Health (NIH) hat bekannt gegeben, dass 78 humane embryonale
Stammzelllinien die Kriterien der Förderwürdigkeit in den USA erfüllen. Unklar sind das
Entwicklungsstadium und die Charakterisierung dieser humanen embryonalen Stammzellen. Das
NIH hat bislang 9 humane embryonale Stammzelllinien angegeben, die für die Weitergabe an
mehrere Laboratorien zur Verfügung stehen. (James Battery, Leiter des NIH-Gremiums für die
Verwaltung der Stammzellenforschung). Science 2003 (299) 1509. Die Wisconsin Alumni
Research Foundation, die fünf Stammzelllinien besitzt, behauptet, genug zu haben, um die
Wissenschaftler in aller Welt zu versorgen.
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben.
Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen'. Juni 2002
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
Mitteilung von Carlstedt-Duke, Forschungsdekan am Karolinska Institut, Schweden.
31
Stammzellenbank46 ist beim National Institute for Biological Standards and Control (NIBSC)
angesiedelt und hat am 1. Januar 2003 offiziell ihre Arbeit aufgenommen.
Ziel der britischen Stammzellenbank ist der Aufbau einer unabhängigen und fachlich
geeigneten Stelle für die Lagerung, Prüfung und Freigabe bestehender und neuer Bestände an
Stammzelllinien, die aus adulten, fötalen und embryonalen humanen Geweben gewonnen
wurden. Vorrangig geht es um die folgenden beiden Aufgaben:
1) Die Bereitstellung genau charakterisierter Stammzelllinien für Forschungszwecke im Inund Ausland. Diese Bestände werden nach gesetzlich genau festgelegten Bedingungen,
jedoch nicht nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis aufgebaut und für die
Grundlagenforschung zur Verfügung gestellt.
2) Die Bereitstellung von Stammzelllinien, deren Bestände nach den Prinzipien der guten
Herstellungspraxis aufgebaut wurden und die direkt für die Herstellung von Material für
Humantherapien verwendet werden können.
Im Februar 2002 hat die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA)
dem Imperial College in London und der Universität von Edinburg auf der Grundlage der im
Jahr 2001 erlassenen Vorschriften die ersten beiden Lizenzen für die Forschung an
Embryonen erteilt. Den genehmigten Protokollen zufolge werden aus ursprünglich durch IVF
erzeugten, dann aber der Forschung gespendeten Embryonen humane embryonale
Stammzelllinien angelegt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurden noch keine
humanen embryonalen Stammzellen entnommen. Sobald vorhanden, werden die
Stammzelllinien in der britischen Stammzellenbank gelagert. Dies ist eine Auflage der von
der HFEA erteilen Forschungslizenz.
Das Karolinska Institut in Stockholm plant ebenfalls, aus den verschiedenen Stammzelllinien,
die das Institut angelegt hat, eine Stammzellenbank aufzubauen (etwa 9 humane embryonale
Stammzelllinien dürften in den nächsten 12 Monaten zur Verfügung stehen). Diese Zelllinien
werden anderen Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung stehen47.
An humanen embryonalen Stammzellen wird in Schweden auch am Sahlgrenska
Universitätsklinikum der Universität Göteborg in Zusammenarbeit mit der Cell Therapeutics
Scandinavia AB, geforscht. Beide Zentren arbeiten daran, humane embryonale
Stammzelllinien anzulegen und differenzierte normale humane Zellen zu erzeugen. Bislang
wurden 21 humane embryonale Stammzelllinien angelegt. Vier davon wurden vollständig
charakterisiert und zwei erfüllen alle Kriterien für die Selbsterneuerung und Pluripotenz
humaner embryonaler Stammzellen. Die übrigen 17 Zelllinien wurden zum Teil
charakterisiert 48.
Außerhalb der Europäischen Union, vor allem in den USA, Australien, Israel, Singapur,
Korea und China laufen umfangreiche Forschungsprojekte zu humanen embryonalen
Stammzellen. Nach Kenntnis der Kommission planen bislang nur Großbritannien und
Schweden den Aufbau öffentlicher Stammzellenbanken.
46
47
48
http://www.nibsc.ac.uk/divisions/cbi/stemcell.html
Mitteilung von Carlstedt-Duke, Forschungsdekan am Karolinska Institut, Schweden
Mitteilung von Professor Hamberger, Universität Göteburg, Schweden.
32
Mit der Stammzellenbank soll nicht nur qualitativ hochwertiges Ausgangsmaterial für die
Entwicklung einer Stammzellentherapie bereitgestellt werden, sondern den Forschern eine
zentrale Anlaufstelle geboten werden, um so die Verwendung vorhandener humaner
embryonaler Stammzelllinien zu optimieren, wodurch die Zahl der humanen Embryonen, die
die einzelnen Forscherteams für die Gewinnung neuer Stammzelllinien benötigen, reduziert
wird. Sie ermöglicht auch die Sammlung von Stammzelllinien unterschiedlicher
Immunphänotypen. Zelllinien mit den phänotypisch größten Übereinstimmungen können zu
einem späteren Zeitpunkt für die Zell- oder Gewebetransplantation ausgewählt werden.
Register humaner embryonaler Stammzellen
Das US National Institutes of Health (NIH) hat im Herbst 2001 ein Register für humane
embryonale Stammzellen angelegt, in dem derzeit 78 humane embryonale Stammzelllinien
aufgeführt sind, die die Kriterien der Förderwürdigkeit in den USA erfüllen49. In dem Register
sind 14 Laboratorien bzw. Unternehmen weltweit aufgeführt, die humane embryonale
Stammzelllinien angelegt haben. Unklar sind die Verfügbarkeit und die Charakterisierung
dieser humanen embryonalen Stammzelllinien. Das Register für humane embryonale
Stammzellen des NIH wurde jüngst aktualisiert, damit erkennbar ist, welche Stammzelllinien
die Kriterien der Förderwürdigkeit mit Bundesmitteln erfüllen und derzeit zur Verfügung
gestellt werden können50. In dem Register sind die folgenden 9 Zelllinien erfasst:
2 humane embryonale Stammzelllinien von BresaGen, Inc. (Unternehmen mit Sitz in den
USA)
5 humane embryonale Stammzelllinien von ES Cell International (Unternehmen mit Sitz in
Singapur und Australien)
1 humane embryonale Stammzelllinie der University of California in San Francisco
1 humane embryonale Stammzelllinie der Wisconsin Alumni Research Foundation
Sowohl die Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen
Technologien51 als auch die Europäische Gruppe für Biowissenschaften52 haben darauf
hingewiesen, wie notwendig es ist, ein europäisches Register der Stammzelllinien
aufzubauen. Vor allem die EGE fordert in ihrer Stellungnahme Nr. 16 „Die ethischen Aspekte
der Patentierung von Erfindungen im Zusammenhang mit menschlichen Stammzellen“ die
Notwendigkeit die Schaffung eines EU-Registers für unveränderte humane Stammzelllinien.
49
50
51
52
http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html
Für die Förderwürdigkeit sind die folgenden Kriterien zu erfüllen:
- der Prozess der Gewinnung muss vor dem 9. August 2001 eingeleitet worden sein
- die Stammzellen müssen von einem Embryo stammen, der für Reproduktionszwecke erzeugt
wurde, aber für diesen Zweck nicht mehr benötigt wurde;
- für die Spende des Embryos muss eine informierte Einwilligung vorliegen;
- für die Spende des Embryos dürfen keine finanziellen Anreize bestanden haben.
http://escr.nih/
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis16_en.pdf
http://europa.eu.int/comm/research/life-sciences/egls/index_en.html
33
“Ein solches Register, das sowohl ES-(embryonale Stammzellen) als auch EG-(embryonale
Keimzellen) Stammzelllinien umfasst, sollte öffentlich zugänglich sein. Es sollte Transparenz
gewährleisten und damit für die Forschungsgemeinden Zugang zu dem benötigten
biologischen Material für weitere Forschungen sicherstellen.”51
34
KAPITEL 3: UMGANG MIT DER FORSCHUNG AN HUMANEN
EMBRYONALEN STAMMZELLEN
Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen wirft vielfältige ethische Fragen auf.
Hier treffen der wissenschaftliche Fortschritt und ethische Belange aufeinander, und in der
Öffentlichkeit wird heftig diskutiert, welche ethischen Maßstäbe hier gelten müssen und wo
die Grenzen dieser Forschung sind. Die Frage, ob die Forschung an embryonalen
Stammzellen ethisch vertretbar ist, lässt sich als Konflikt zwischen unterschiedlichen Werten,
zwischen den Rechten und Pflichten verschiedener Akteure oder zwischen kurz- und
langfristigen Interessen verschiedener Gruppen beschreiben. Einerseits ist das Interesse an
neuen Erkenntnissen groß, die die Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten ermöglichen
können. Werden bei der Forschung humane Embryonen verwendet, stellt sich andererseits die
Frage nach der ethischen Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen für diese
Forschung 53. Die Meinungen zur Legitimität der Versuche mit und an humanen Embryonen
sind je nach ethischem, philosophischem und religiösem Hintergrund geteilt. Die
Mitgliedstaaten der EU haben sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die
Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen, womit bestätigt wird, dass in der
Europäischen Union die verschiedensten Ansichten darüber bestehen, was als ethisch
vertretbar gilt und was nicht.
3.1 Die ethischen Fragen
Wie bereits in der am 14. November 2000 abgegebenen Stellungnahme Nr. 1554 der
Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der
Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung
menschlicher Stammzellen” dargelegt, gelten für die Forschung an humanen Stammzellen die
folgenden ethischen Grundsätze:
• Der Grundsatz der Achtung der Menschenwürde;
• Der Grundsatz der Autonomie des Betreffenden (der die Einwilligung nach Aufklärung, die
Achtung der Privatsphäre und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten beinhaltet);
• Der Grundsatz der Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere im Hinblick auf die
Verbesserung der Gesundheit und den Gesundheitsschutz);
• Der Grundsatz der Freiheit der Forschung (der gegenüber anderen Grundrechten
abzuwägen ist);
• Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (die Forschungsverfahren müssen zum Erreichen
der angestrebten Ziele unerlässlich sein, und es stehen keine geeigneteren Alternativen
zur Verfügung).
53
54
Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen
Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”.
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm
Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen
Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”.
http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm
35
„Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht
ausgerichteten Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie
deren Verwendung für den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen“.
Zur Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke stellt die EGE fest, dass “die
Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken (bedenklich ist), da dies einen
weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet” und hält “die
Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung von Stammzellen
(für) ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen 55 als Quelle zur Verfügung
stehen.”
Ferner ist die EGE der Auffassung, dass “die Erzeugung von Embryonen durch den
Kerntransfer somatischer Zellen derzeit insofern verfrüht (wäre), als sich der Wissenschaft
ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen
(überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte Stammzellen) bietet.”
Die ethische Vertretbarkeit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen im
Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft
In der gleichen Stellungnahme stellt die EGE fest, “dass einige Länder Embryonenforschung
verbieten. Wo diese Forschung zur Verbesserung der Infertilitätsbehandlung aber
zugelassen ist, spricht kaum etwas gegen die Ausweitung des Rahmens dieser Art von
Forschung, da sie auf neue Methoden für die Behandlung schwerer Krankheiten oder
Schädigungen abzielt. Ebenso wie die Infertilitätsforschung ist auch die Stammzellforschung
auf die Linderung großen menschlichen Leidens ausgerichtet. Die Zerstörung der für die
Forschung verwendeten Embryonen ist dabei unabwendbar. Folglich lässt sich kein
Argument gegen die Finanzierung dieser Art von Forschung aus dem
Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen, solange sichergestellt ist,
dass die Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und rechtlichen
Anforderungen entspricht.”
Hierzu stellt die EGE weiter fest, dass “die Gemeinschaft ... für die Stammzellforschung, bei
der alternative Quellen (überzählige Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene
Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen Forschungshaushalt vorsehen (sollte). Die
Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der Validität der jüngsten Erfindungen
zum Differenzierungspotential von erwachsenen Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte
zur Auflage machen, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht
aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden.
Auf europäischer Ebene kommt der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem
Forschungsrahmenprogramm besondere Verantwortung als Finanzgeber für ESForschungsvorhaben zu. Daher müssen geeignete Verfahren entwickelt und genügend Mittel
zur Verfügung gestellt werden, damit nicht nur vor dem Anlaufen solcher Vorhaben, sondern
auch in der Überwachungsphase eine Bewertung unter ethischen Aspekten gesichert ist.”
55
Die Bezeichnung “spare embryos” in der englischen Fassung ist gleichbedeutend mit
“supernumerary embryos” (überzählige Embryonen).
36
Grundlegende Anforderungen an die Forschung an und mit humanen embryonalen
Stammzellen
Zur Verwendung überzähliger humaner Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen
stellt die EGE in ihrer Stellungnahme fest, dass “die Gewinnung von Stammzellen aus
embryonalen Blastozysten ... die Frage nach dem ethischen Status des menschlichen Embryos
auf(wirft). Vor dem Hintergrund der in Europa herrschenden Pluralität liegt es im Ermessen
der einzelnen Mitgliedstaaten, Embryonenforschung zu verbieten oder zuzulassen. Im
letzteren Fall erfordert das Gebot der Achtung der Menschenwürde besondere Vorschriften
für die Embryonenforschung sowie Garantien gegen willkürliche Versuche und die
Instrumentalisierung menschlicher Embryonen.
Die EGE geht auch auf die Frauenrechte im Zusammenhang mit der Stammzellenforschung
ein und stellt fest, dass Frauen, die sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, einem
hohen psychischen und physischen Druck ausgesetzt sind. Die Gruppe weist auf die
Notwendigkeit hin, “sicherzustellen, dass Frauen durch die Nachfrage nach überzähligen
Embryonen und Eizellenspenden nicht noch mehr belastet werden.”
Die EGE nennt die folgenden Bedingungen, an die die Forschung an humanen embryonalen
Stammzellen und die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus überzähligen
Embryonen geknüpft werden sollte:
• Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Spenderpaares oder der
spendenden Frau.
Die EGE stellt fest: “Die freie Einwilligung nach Aufklärung muss nicht nur vom Spender,
sondern auch vom Empfänger erteilt werden, wie die Beratergruppe in ihrer
Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte. In jedem Fall ist der Spender (die
Frau bzw. das Paar) über die mögliche Verwendung der embryonalen Zellen für den hier
diskutierten spezifischen Zweck zu informieren, bevor um die Einwilligung ersucht wird.”
Die Auflagen können voneinander abweichen, je nachdem, welche Informationen
vorliegen und welche Personen ihre Einwilligung geben müssen (das Paar oder die Frau).
Artikel 3 Absatz 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union besagt:” Im Rahmen
der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: die freie
Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den
gesetzlich festgelegten Modalitäten,...”
• Genehmigung der Forschung durch eine Behörde.
Nach Auffassung der Gruppe, “muss die ES-Forschung in Ländern, in denen sie
zugelassen ist, einer strengen öffentlichen Kontrolle durch eine zentralisierte Einrichtung,
beispielsweise in der Art der britischen Zulassungsbehörde (Human Fertilisation and
Embryology Authority) unterstellt werden. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die
Genehmigungen für derartige Forschungsarbeiten äußerst selektiv und nur im Einzelfall
erteilt werden. Dabei ist für größtmögliche Transparenz Sorge zu tragen. Dies hat in
gleicher Weise für Forschungen öffentlicher oder privater Einrichtungen zu gelten.”
• Kein finanzieller Anreiz für die Spender.
Die EGE unterstreicht, dass “es .. nicht zu unterschätzen (ist), dass bei Vorhandensein
finanzieller Anreize stets die Gefahr besteht, dass Druck oder Zwang ausgeübt werden.
Embryonen und abgestorbenes fetales Gewebe dürfen nicht käuflich erworben oder
37
verkauft und noch nicht einmal zum Verkauf angeboten werden. Zur Verhinderung der
kommerziellen Nutzung sind Maßnahmen vorzusehen.”
Artikel 3 Absatz 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union besagt:” Im Rahmen
der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: das Verbot,
den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu
nutzen,..”
• Anonymität der Spender und Schutz der Vertraulichkeit der personenbezogenen
Daten der Spender in bezug auf die Spende humanen biologischen Materials. Die EGE
stellt hierzu fest: ”Es muss alles Notwendige getan werden, um bei der
Stammzellforschung und -verwendung die Identität von Spender und Empfänger zu
schützen und zu wahren. Wie die Beratergruppe dazu in ihrer Stellungnahme zu
Gewebebanken (21.7.1998) feststellte, verbietet die “Anonymität der Gewebespende die
Offenlegung von Informationen, die es ermöglichen, den Spender bzw. den Empfänger zu
identifizieren. In der Regel dürfen weder Spender noch Empfänger die Identität des
jeweils anderen kennen.” In den meisten Fällen werden die Spender nicht anonym sein,
da die Herkunft des Embryos bis zu den Spendern von Eizelle und Spermatozyte
zurückverfolgt werden kann. Auch wenn die Identität des Spenders in der Regel durch die
Codierung and sonstige Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit geschützt ist, machen
es die Sicherheits- und Qualitätsauflagen für die klinische Forschung notwendig, dass die
Spender nicht vollständig unkenntlich gemacht werden. Die Anonymität ist dann nicht
möglich.
• Transparenz der Forschungsergebnisse.
Die EGE empfiehlt ferner, dass “die EU ... zur Auflage machen (sollte), dass die gewonnenen
Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten
werden.
Für die klinische Forschung hebt die EGE folgende Aspekte hervor:
• Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Patienten und des Spenders.
• Risiko-Nutzen-Analyse.
“Das Abwägen von Risiko und Nutzen ist bei der Stammzellenforschung, wie bei jeder
anderen Forschung auch, unerlässlich, nur sind die Schwierigkeiten hier wegen der noch
vorhandenen Wissenslücken und der damit einhergehenden Unsicherheit ungleich größer.
Um die Risiken auf ein Mindestmaß zu begrenzen und den Nutzen zu steigern, müssten die
Sicherheitsstrategien optimiert werden. Es genügt nicht, die kultivierten Stammzellen oder die
aus ihnen gewonnenen Gewebe auf Bakterien, Viren oder Toxizität zu testen. Wenn es um die
Transplantation von genetisch modifizierten Zellen und die Gewinnung von Stammzellen aus
somatischen Zellen geht, ist es von allergrößter Bedeutung, dass sämtliche Sicherheitsaspekte
geprüft werden. So ist beispielsweise das Risiko, dass durch transplantierte Zellen Anomalien
hervorgerufen oder das Entstehen von Tumoren oder Krebs begünstigt werden, abzuwägen.
Der potentielle Nutzen für den Patienten sollte auf jeden Fall in Erwägung gezogen, jedoch
nicht überbewertet werden. Die Gründe, die für ein vorsichtiges Vorgehen sprechen, sind zu
berücksichtigen.”
• Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Versuchen teilnehmen.
“Es ist erforderlich, bei klinischen Anwendungen der Stammzellforschung das Risiko
irreversibler und gegebenenfalls schädlicher Veränderungen auf ein Mindestmaß zu
beschränken. Wenn möglich, sollten stets Techniken angewandt werden, die Aussichten auf
38
Reversibilität bieten. Würden bei der Transplantation beispielsweise genetisch modifizierte
Zellen, die eine Stimulierung des Nervenwachstumsfaktors bewirken sollen, eingekapselt,
könnte das Verfahren im Falle von Problemen rückgängig gemacht werden.”
Die Stellungnahme der EGE zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung
menschlicher Stammzellen” stammt zwar vom 14. November 2000, ist jedoch durchaus noch
als relevant anzusehen. Die Forschung an humanen Stammzellen und insbesondere die
Forschung an humanen embryonalen Stammzellen steckt immer noch in den Kinderschuhen,
weshalb die Fragen der ethischen Vertretbarkeit und die Anforderungen an die Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen noch immer von Belang sind.
Kapitel 3.2 enthält weitere Informationen über die in den EU-Mitgliedstaaten geltenden
Anforderungen an den Import und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen
und/oder die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen
Embryonen.
3.2. Einschlägige Rechtsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten56
Die Mitgliedstaaten der EU haben bereits sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der
Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen und bereiten
derzeit neue Rechtsvorschriften vor. Tabelle 1 gibt einen Überblick über den Stand im März
2003
Dabei ergibt sich folgendes Bild:
1. Die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist
unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt:
Finnland
Das 1999 erlassene Gesetz zur Medizinforschung enthält Auflagen und Vorschriften für die
Verwendung überzähliger humaner Embryonen bis zum Tag 14 der Embryonalentwicklung.
Die Erzeugung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist erlaubt.
Die mit der Embryonenforschung befassten Laboratorien benötigen eine Genehmigung der
nationalen Behörde für rechtsmedizinische Angelegenheiten. Die Forschungsprojekte müssen
von einem Ethikausschuss befürwortet werden. Die informierte Einwilligung beider
Gametenspender muss vorliegen.
Griechenland
Das erst jüngst erlassene Gesetz 3089/2002 über die medizinisch unterstützte humane
Reproduktion erlaubt die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen
Embryonen. Das Gesetz schreibt vor, dass die informierte Einwilligung beider
Gametenspender vorliegen muss und kein finanzieller Anreiz bestanden haben darf.
56
Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics
Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human
embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003)
“Survey on the National Regulations in the European Union regarding Research on Human
Embryos” - B. Gratton - veröffentlicht vom Sekretariat der EGE - Europäische Kommission - Juli
2002
39
Die Niederlande
Das Embryonengesetz vom September 2002 erlaubt die Verwendung überzähliger
Embryonen für Forschungszwecke sowie die Isolierung embryonaler Stammzellen aus diesen
Embryonen. Derartige Forschungsarbeiten bedürfen der befürwortenden Stellungnahme des
zentralen Ausschusses für die Forschung am Menschen. Die informierte Einwilligung der
Spender muss vorliegen. Das Forschungsprojekt muss zum Ziel haben, neue medizinischwissenschaftliche Erkenntnisse hervorzubringen.
Schweden
Das 1991 erlassene Gesetz über „Maßnahmen zum Zweck der Forschung und Behandlung
befruchteter menschlicher Eizellen“ und das Gesundheits- und Medizingesetz (18-982:763)
finden hier Anwendung. Nach dem Gesetz (1991:115) ist die In-vitro-Forschung an
Embryonen bis zu Tag 14 nach Befruchtung rechtlich gestattet, anschließend ist der Embryo
zu vernichten. Nach einigen Diskussionen herrscht Konsens, dass dieses Gesetz die
Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlaubt. Eine Überprüfung des Gesetzes
wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3).
Vereinigtes Königreich
Das Gesetz über die humane Fertilisation und Embryologie aus dem Jahr 1990 wurde 2001
durch die “Human Fertilisation and Embryology Research Purposes Regulation” (Verordnung
über die humane Fertilisierung und Embryologie für Forschungszwecke) ergänzt, mit der die
Möglichkeit eröffnet wurde, Embryonen in der Forschung zu verwenden, um neue
Erkenntnisse über schwere Krankheiten und deren Behandlung zu gewinnen. Zuständig für
die Genehmigung der Forschung an und mit humanen Embryonen ist die Human Fertilisation
and Embryology Authority. Die HFEA verlangt die informierte Einwilligung der Spender und
eine freiwillige Spende. Die ersten beiden Genehmigungen für die Stammzellenforschung
unter den 2001 erlassenen Verordnungen wurden von der HFEA im Februar 2002 erteilt.
2. Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus humanen Embryonen, wobei
unter bestimmten Bedingungen der Import humaner embryonaler Stammzelllinien
gesetzlich erlaubt ist.
Deutschland
Das Embryonenschutzgesetz von 1990 verbietet jegliche Forschung, die nicht zum Nutzen
des betreffenden Embryos ist.
Am 28. Juni 2002 wurde ein neues Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im
Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen –
StZG (Stammzellgesetz) verabschiedet.
Paragraph 4 „Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen“ legt fest:
(1) Die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen ist verboten.
(2)Abweichend von Absatz 1 sind die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen zu
Forschungszwecken unter den in § 6 genannten Voraussetzungen zulässig, wenn
1. zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass
a) die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland dort vor
dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden und in Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran
kryokonserviert gelagert werden (embryonale Stammzell-Linie),
b) die Embryonen, aus denen sie gewonnen wurden, im Wege der medizinisch unterstützten
extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden
sind, sie endgültig nicht mehr für diesen Zweck verwendet wurden und keine Anhaltspunkte dafür
40
vorliegen, dass dies aus Gründen erfolgte, die an den Embryonen selbst liegen,
c) für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung kein Entgelt oder sonstiger geldwerter
Vorteil gewährt oder versprochen wurde und
2.
der Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen sonstige gesetzliche Vorschriften,
insbesondere solche des Embryonenschutzgesetzes, nicht entgegenstehen.
(3) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gewinnung der embryonalen Stammzellen offensichtlich im
Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung erfolgt ist. Die Versagung kann nicht
damit begründet werden, dass die Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden.
Paragraph 5 „Forschung an embryonalen Stammzellen“ lautet:
Forschungsarbeiten an embryonalen Stammzellen dürfen nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftlich
begründet dargelegt ist, dass
1.
sie hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der
Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung
diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen dienen und
2. nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik
a) die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen so weit wie möglich bereits in In-vitroModellen mit tierischen Zellen oder in Tierversuchen vorgeklärt worden sind und
b) der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sich
voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt.
Paragraph 6 “Genehmigung” lautet:
(1) Jede Einfuhr und jede Verwendung embryonaler Stammzellen bedarf der Genehmigung durch die zuständige
Behörde.
(2) Der Antrag auf Genehmigung bedarf der Schriftform. Der Antragsteller hat in den Antragsunterlagen
insbesondere folgende Angaben zu machen:
1.
den Namen und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben verantwortlichen Person,
2. eine Beschreibung des Forschungsvorhabens einschließlich einer wissenschaftlich begründeten
Darlegung, dass das Forschungsvorhaben den Anforderungen nach § 5 entspricht,
3. eine Dokumentation der für die Einfuhr oder Verwendung vorgesehenen embryonalen Stammzellen
darüber, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 erfüllt sind; der Dokumentation steht ein
Nachweis gleich, der belegt, dass
a) die vorgesehenen embryonalen Stammzellen mit denjenigen identisch sind, die in einem
wissenschaftlich anerkannten, öffentlich zugänglichen und durch staatliche oder staatlich autorisierte
Stellen geführten Register eingetragen sind, und
b) durch diese Eintragung die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 erfüllt sind.
(3) Die zuständige Behörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags und der beigefügten Unterlagen
unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Sie holt zugleich die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für
Stammzellenforschung ein. Nach Eingang der Stellungnahme teilt sie dem Antragsteller die Stellungnahme und
den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Zentralen Ethik- Kommission für Stammzellenforschung mit.
(4) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn
1.
die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 erfüllt sind,
2. die Voraussetzungen nach § 5 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben in diesem Sinne ethisch
vertretbar ist und
3. eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung nach Beteiligung
durch die zuständige Behörde vorliegt.
(5) Liegen die vollständigen Antragsunterlagen sowie eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für
Stammzellenforschung vor, so hat die Behörde über den Antrag innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu
41
entscheiden. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für
Stammzellenforschung zu berücksichtigen. Weicht die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung von der
Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung ab, so hat sie die Gründe hierfür
schriftlich darzulegen.
(6) Die Genehmigung kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt und befristet werden, soweit dies zur
Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 erforderlich ist.
Treten nach Erteilung der Genehmigung Tatsachen ein, die der Genehmigung entgegenstehen, kann die
Genehmigung mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise widerrufen oder von der Erfüllung von Auflagen
abhängig gemacht oder befristet werden, soweit dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der
Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 erforderlich ist. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die
Rücknahme oder den Widerruf der Genehmigung haben keine aufschiebende Wirkung.
Die erste Genehmigung für die Einfuhr humaner embryonaler Stammzelllinien wurde im
Dezember 2002 erteilt.
3. Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen humanen
Embryonen:
Österreich
In dem 1992 verabschiedeten österreichischen Gesetz zur Reproduktionsmedizin ist
festgelegt, dass entwicklungsfähige Zellen nur für die medizinisch unterstützte Reproduktion
verwendet werden dürfen. Das Gesetz wird so ausgelegt, dass sowohl die Gewinnung von
Stammzellen aus Embryonalgeweben als auch die Forschung an importierten humanen
embryonalen Stammzelllinien verboten sind. Die Verwendung importierter humaner
embryonaler Stammzellen ist nicht ausdrücklich verboten, so dass die Diskussionen über die
Genehmigung noch andauern.
Dänemark
Das 1997 verabschiedete Gesetz über die Reproduktionsmedizin erlaubt nur die Erforschung
besserer Methoden für die In-vitro-Fertilisation oder Präimplantationsdiagnostik. Deshalb ist
die Isolierung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen
verboten. Der Import von humanen embryonalen Stammzellen ist nicht ausdrücklich
verboten. Die dänische Regierung wird im Frühjahr 2003 eine Stellungnahme zur Forschung
an humanen embryonalen Stammzellen abgeben und hat deshalb empfohlen, keine
Forschungsarbeiten an humanen embryonalen Stammzelllinien aufzunehmen, bis die
Regierung ihre Entscheidung dem Parlament vorgelegt hat. (Siehe auch Kapitel 3.3).
Frankreich
Nach dem 1994 erlassenen Bioethik-Gesetz ist die Forschung an humanen Embryonen in
vitro verboten, es sei denn die Forschung schädigt den Embryo nicht. Der Import und die
Verwendung humaner embryonaler Stammzelllinien, die aus überzähligen Embryonen
gewonnen wurden, ist nicht ausdrücklich verboten, doch über die Genehmigung wird noch
diskutiert. Eine Überarbeitung des Bioethik-Gesetzes wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3).
Irland
Es gibt kein Gesetz zur Regelung der Forschung an und mit Embryonen. Allerdings steht im
Verfassungstext von 1937 (geändert 1983), dass der Staat das Recht des Ungeborenen auf
Leben anerkennt und unter gebührender Berücksichtigung des gleichen Rechts auf Leben der
Mutter durch seine Gesetze gewährleistet, dieses Recht zu achten und es, soweit dies
durchführbar ist, mit seinen Gesetzen zu verteidigen und zu schützen.
42
Spanien
Die 1988 erlassenen Gesetze über die Techniken der Reproduktionsmedizin und die Spende
und Verwendung von Embryonen und Föten sowie der aus diesen gewonnenen Zellen
erlauben die Forschung in vitro an humanen Embryonen, die unter bestimmten Bedingungen
biologisch nicht lebensfähig sind, wobei die Begriffsbestimmung eines nicht lebensfähigen
Embryos nicht eindeutig festgelegt wird. Bei lebensfähigen humanen Embryonen wird nur die
Forschung zum Nutzen des betroffenen Embryos erlaubt. Eine Überarbeitung des Gesetzes
wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3).
4. Keine besonderen Vorschriften für die Forschung an und mit humanen Embryonen
Belgien
1999 wurden per königlichem Erlass die Anforderungen an Zentren für die In-vitroFertilisation festgelegt. Es gibt keine speziellen Gesetze zur Regelung der Forschung, doch es
ist derzeit gängige Praxis, dass diese Forschung nur bei Zentren für die In-vitro-Fertilisation
nach vorheriger Genehmigung durch lokale Ethikausschüsse durchgeführt wird (siehe Kapitel
3.3).
Italien
Italien hat kein Gesetz verabschiedet.
Der nationale Bioethik-Ausschuss Italiens hat eine Empfehlung für die „therapeutische
Verwendung von Stammzellen“ abgegeben. Darin erachtet eine Mehrheit seiner Mitglieder
die Forschung an humanen überzähligen Embryonen für die Gewinnung von humanen
embryonalen Stammzellen als legitim.
Luxemburg
Es gibt kein Gesetz zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen.
Portugal
Portugal hat kein Gesetz verabschiedet, jedoch die Konvention des Europarates über
Menschenrechte und Biomedizin ratifiziert, die am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnet
wurde und die die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke verbietet sowie das
Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen. Der nationale Ethikrat hat zu
diesen Fragen Stellungnahmen verabschiedet und darin die Auffassung vertreten, dass
Forschung ohne Nutzen für den betreffenden Embryo nicht legitim ist. Das
Wissenschaftsministerium hat 2002 einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der ein Gesetz zur
Regelung der Forschung an und mit humanen Embryonen und humanen embryonalen
Stammzellen ausarbeiten soll.
5. Erzeugung von humanen Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen ist
gesetzlich erlaubt
Das Vereinigte Königreich ist derzeit der einzige Mitgliedstaat, der ein Gesetz erlassen hat,
das die Erzeugung humaner Embryonen durch Befruchtung einer Eizelle mit einem
Spermatozyten oder durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen erlaubt. Das 1990
erlassene Gesetz und die 2001 verabschiedete Verordnung (siehe oben) erlauben die
Isolierung von Stammzellen für die in dem Gesetz genannten 8 Forschungsziele.
Mit dem niederländischen Embryogesetz von 2002 wird die Erzeugung humaner Embryonen
ausschließlich für Forschungszwecke grundsätzlich verboten. Allerdings ist dieses Verbot
43
nicht unumstößlich, da es durch königlichen Erlass innerhalb von fünf Jahren nach
Inkrafttreten des Gesetzes aufgehoben werden kann.
6. Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und für die
Gewinnung von Stammzellen per Gesetz oder durch Ratifizierung der Konvention des
Europarats über Menschenrechte und Biomedizin, die am 4. April 1997 in Oviedo
unterzeichnet wurde
Die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und die Gewinnung embryonaler
Stammzellen sind derzeit in Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland,
Griechenland, Irland, den Niederlanden, Portugal, Spanien und Schweden verboten.
44
3.3. Neue Gesetze in den EU-Mitgliedstaaten in Vorbereitung 57
Belgien
Zur Zeit ist das Parlament mit einer Gesetzesvorlage zur Regelung der Forschung an humanen
Embryonen in vitro befasst, die der belgische Senat 2002 genehmigt hat. Der Gesetzesentwurf
sieht vor, die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen unter
bestimmten Bedingungen zu genehmigen und hierzu eine „Föderale Kommission für die
wissenschaftlich-medizinische In-vitro-Forschung an Embryonen “ einzusetzen.
Mit der Gesetzesvorlage wird auch beabsichtigt, die Erzeugung humaner Embryonen für
Forschungszwecke, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen, zu genehmigen.
Artikel 3 schlägt vor, die Forschung an humanen Embryonen in vitro unter folgenden
Bedingungen zu genehmigen:
- Forschung für therapeutische Zwecke
- Grundlage ist der neueste wissenschaftliche Kenntnisstand
- Durchführung durch ein eingetragenes Labor
- Embryonen bis zum Tag 14 ihrer Entwicklung
- keine echten Alternativverfahren vorhanden
- Einwilligung der Spender
Darüber hinaus wird die Forschung auf kommunaler und föderaler Ebene kontrolliert.
Dänemark
Eine Überarbeitung der derzeitigen Rechtsprechung zur Genehmigung der Gewinnung
humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird derzeit erörtert.
Frankreich
Eine Neufassung des Gesetzes zur Bioethik aus dem Jahr 1994 wurde vom Senat im Januar
2003 gebilligt und dürfte im ersten Halbjahr 2003 in der Nationalversammlung erörtert
werden. Vorgeschlagen wird, die Forschung an überzähligen humanen Embryonen und die
die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen für die Dauer von 5 Jahren unter
bestimmten Auflagen zu genehmigen. Eine zentrale Genehmigungsbehörde wird eingerichtet.
Der Vorschlag zur Änderung des Bioethikgesetzes (in seiner vom Senat im Januar 2003
geänderten Fassung) sieht das Verbot der Forschung an und mit humanen Embryonen vor,
wenngleich dieses Verbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesetzt werden soll, um die
Forschung an überzähligen humanen Embryonen sowie die Gewinnung von humanen
embryonalen Stammzellen unter den folgenden Bedingungen zu erlauben:
- die Forschung sollte der Erzielung wichtiger therapeutischer Fortschritte dienen und darf
nur durchgeführt werden, wenn keine ebenso effizienten Alternativverfahren bestehen;
- die Embryonen müssen aus einer In-vitro-Fertilisation stammen und zum Zwecke der
medizinisch unterstützen Reproduktion erzeugt worden sein (überzählige Embryonen);
- die schriftliche Einwilligung des Paares, von dem die Embryonen stammen, muss
vorliegen;
- eine zentrale Genehmigungsbehörde ist einzurichten.
57
Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics
Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human
embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003)
46
Die Gesetzesvorlage sieht auch die Genehmigung des Imports fötaler oder embryonaler
Zellen oder Gewebe nach vorheriger Genehmigung durch die zentrale Behörde vor.
Italien
Ein neues Gesetz zur Regelung der In-vitro-Fertilisierung wird derzeit erörtert. Das
Gesundheitsministerium hat jüngst einen Bericht über die in Banken konservierten
Embryonen und Gameten erstellt.
Portugal
In Portugal wurde ein Ausschuss für die Vorbereitung eines Gesetzes über die Forschung an
humanen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen eingesetzt.
Spanien
Eine Überarbeitung der geltenden Vorschriften wird derzeit erörtert.
1998 wurde der nationale Ausschuss für die künstliche Befruchtung beim Menschen
eingesetzt. In seiner zweiten, 2002 abgegebenen Stellungnahme empfiehlt der Ausschuss, bei
der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen überzählige Embryonen zu verwenden,
von denen es in Spanien schätzungsweise 30.000 gibt.
Im April 2002 wurde der Beratungsausschuss für ethische Fragen in der wissenschaftlichen
und technologischen Forschung eingerichtet, der im Februar seine erste Stellungnahme zur
Forschung an Stammzellen abgab. Er sprach die Empfehlung an die Regierung aus,
Forschungsarbeiten sowohl an adulten wie auch an embryonalen Stammzellen zu genehmigen
und die Rechtsprechung so zu ändern, dass die Isolierung humaner embryonaler Stammzellen
aus überzähligen Embryonen erlaubt ist, und zwar unter folgenden Bedingungen: Die
informierte Einwilligung der Eltern liegt vor, falls das nicht möglich ist, die Genehmigung
des Zentrums für Reproduktionsmedizin, das nach der geltenden Rechtsprechung für die
Aufbewahrung der Embryonen zuständig ist. Ziel der Forschung muss sein, menschliches
Leid zu lindern und nicht nur rein kommerzielle Zwecke zu verfolgen. Die Arbeiten dürfen
nur von Forschergruppen mit nachgewiesener fachlicher Erfahrung durchgeführt
werden. Das Forschungsprotokoll muss im voraus durch Ethikausschüsse evaluiert
werden und steht unter deren Kontrolle. Deshalb wird die Kontrolle und Überwachung
dieser Forschungsarbeiten durch einen nationalen Ausschuss empfohlen.
Schweden
Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft. Der
Parlamentsausschuss, der sich mit Fragen der genetischen Integrität befasst, schlug in seinem
am 29. Januar 2003 veröffentlichten Bericht vor, die Erzeugung befruchteter Eizellen für
Forschungszwecke nicht generell zu verbieten. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass zum
Zwecke der Erforschung von Unfruchtbarkeit und der Entwicklung des befruchteten Eis
dieser Schritt möglich sein muss. Es sei nicht möglich, juristisch eindeutig die Grenzen
zwischen dem, was zulässig und unzulässig ist, festzulegen. Diese Abgrenzung solle eher im
Rahmen einer Einzelfallprüfung getroffen werden, bei der das jeweilige Forschungsprojekt
auf seine ethische Vertretbarkeit geprüft wird. Auch ist nach Auffassung des Ausschusses die
Erzeugung von Embryonen durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (das sogenannte
therapeutische Klonen) genauso zu behandeln und sollte deshalb grundsätzlich erlaubt sein.
47
3.4 Einschlägige Rechtsvorschriften in einigen Drittländern58
Länder, die der EU beitreten werden :
Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, die Slowakische Republik und
Slowenien haben die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte
ratifiziert 59.
In den Beitrittsländern wurden bislang noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung
an humanen embryonalen Stammzellen erlassen.
Zypern:
Zypern hat die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte ratifiziert.
Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen erlassen.
Tschechische Republik:
Die Tschechische Republik hat die Konvention des Europarates über Biomedizin und
Menschenrechte ratifiziert. Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die
Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlassen, allerdings ist ein Gesetz in
Vorbereitung.
Estland
Gemäß dem 1997 erlassenen Gesetz über den Schutz des Embryos und die künstliche
Befruchtung ist die Verwendung überzähliger humaner Embryonen für Forschungszwecke
erlaubt, sofern eine informierte Einwilligung vorliegt.
Ungarn
Nach dem 1997 verabschiedeten Gesetz über das Gesundheitswesen (Kapitel IX) ist die
Forschung an humanen Embryonen erlaubt, wenn es sich um überzählige Embryonen handelt,
die Tag 14 ihrer Entwicklung noch nicht überschritten haben. Die Forschung ist durch den
Ausschuss für die Humanreproduktion zu genehmigen.
Lettland
Im Januar 2002 hat Lettland ein Gesetz über die Reproduktions- und Sexualhygiene
verabschiedet. Die Forschung an humanen Embryonen kann mit folgenden Auflagen
genehmigt werden: es ist kein Alternativverfahren vorhanden, positive Bewertung des
wissenschaftlichen Nutzens und ethische Akzeptanz durch eine Behörde sowie die informierte
Einwilligung der Spender.
58
59
Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics
Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human
embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003)
“Candidate Countries legislation related to ethical issues in science and research” Proceedings of
the workshop of 8-10 December 2002 - Brussels - veranstaltet von der Europäischen
Kommission - GD Forschung - Referat C3 - Ethik und Wissenschaft"
“Use of embryonic stem cells for therapeutic research”– Bericht des Internationalen BioethikAusschusses–UNESCO – 6. April 2001
http://conventions.coe.int/treaty/en/treaties/html/164.htm
48
Litauen
Das Gesetz über die biomedizinische Forschung aus dem Jahr 2000 erlaubt nur eine
beobachtende Erforschung des humanen Embryos.
Malta
Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen
embryonalen Stammzellen erlassen.
Polen
Nach dem 1996 erlassenen Gesetz zum Arztberuf dürfen humane Embryonen nur für
therapeutische Forschungszwecke verwendet werden.
Slowenien
Das Gesetz über die Reproduktionsmedizin verbietet die Erzeugung von Embryonen für
Forschungszwecke sowie das Klonen von Embryonen und den Einsatz der In-vitroFertilisation zu anderen Zwecken als zur Zeugung eines Kindes. Das Gesetz beinhaltet strenge
Auflagen für die Verwendung überzähliger Embryonen in der Forschung. Geforscht werden
darf an Embryonen, die sich nicht für die Reproduktion oder Lagerung eignen oder an
Embryonen, die das Ende ihrer Lagerungszeit erreicht haben und sonst vernichtet würden. Die
Embryonen dürfen nicht älter als 14 Tage sein. Die Genehmigung des Nationalen
Ausschusses für Ethik in der Medizin muss vorliegen.
Slowakische Republik
Mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention über Menschenrechte und
Biomedizin sowie des Zusatzprotokolls über das Verbot des Klonens von Menschen und deren
Umsetzung in nationales Recht, insbesondere mit dem Verbot der „nichttherapeutischen
Forschung“ an humanen Embryonen und Föten, im Zusammenwirken mit älteren
Bestimmungen, die im Gesetz Nr. 277/1994 verankert sind, hat die Slowakische Republik
nach allgemeiner Auffassung de facto jegliches Klonen von Menschen verboten (das
sogenannte „reproduktive“ ebenso wie das „therapeutische“). Derzeit liegt ein Vorschlag der
Regierung vor, das Strafgesetzbuch der Slowakischen Republik entsprechend zu ändern damit würde das Klonen von Menschen in der Slowakei zu einem Straftatbestand (der
entsprechende Wortlaut wurde weitestgehend aus dem Protokoll und den Gesetzen zu seiner
Umsetzung in der Slowakei entnommen).
Sonstige Länder:
In Kanada und den USA gibt es keine Bundesgesetze zur Regelung der Forschung an
humanen Embryonen und/oder der Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen. Das
Unterhaus in Kanada berät derzeit einen Gesetzesentwurf, der derartige Forschungsarbeiten
regelt und die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen
Embryonen erlaubt.
Am 9. August 2001 erklärte der Präsident der Vereinigten Staaten60, dass Bundesmittel nur
dann für die Forschung an bereits vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien
bereitgestellt werden, wenn (1) der Prozess der Gewinnung der Stammzellen (der mit der
Entfernung der inneren Zellmasse aus der Blastozyste eingeleitet wird) vor dem Zeitpunkt
seiner Ankündigung bereits eingeleitet wurde und (2) das Embryo, von dem die Stammzellen
entnommen wurden, sich nicht mehr zu einem menschlichen Wesen entwickeln konnte.
60
http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html
49
Ferner legte der Präsident die folgenden Auflagen hierfür fest:
- Die Stammzellen müssen von Embryonen stammen, die für Reproduktionszwecke
erzeugt wurden.;
- Das Embryo wird hierfür nicht mehr benötigt;
- Für die Spende des Embryos muss eine Einwilligung nach vorheriger Aufklärung
vorliegen;
- Es dürfen keine finanziellen Anreize für die Spende bestanden haben.
Die Nationalen Gesundheitsinstitute haben zur Umsetzung der genannten Vorschriften u. a.
die folgenden Strategien für die Forschung an und mit Stammzellen entwickelt:
- Schaffung eines Registers für humane embryonale Stammzellen, aus denen hervorgeht,
welche humanen embryonalen Stammzellen die Kriterien der Förderwürdigkeit erfüllen,
- Förderung einer Anzahl von Wissenschaftlern, die sich auf das Gebiet der
Stammzellenforschung spezialisiert haben. Die NIH erkannten darin einen der
wichtigsten Faktoren für die Weiterentwicklung der Stammzellenforschung und bieten
deshalb finanzielle Unterstützung für Weiterbildungskurse an, um Wissenschaftler darin
weiterzubilden, wie sie aus bestehenden kultivierten Stammzellen am besten brauchbare
Stammzelllinien züchten können.
- Mit einer Reihe von Initiativen soll die Forschung an unterschiedlichsten Arten von
Stammzellen erleichtert werden. Die NIH fördern vor allem Forschungsarbeiten, mit
denen Erkenntnisse über das therapeutische Potenzial adulter Stammzellen gewonnen
werden sollen.
Im US-Kongress werden derzeit neue Bundesgesetze erörtert. Der Staat Kalifornien hat im
September 2002 ein Gesetz erlassen, das die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen
aus überzähligen Embryonen erlaubt. In den Staaten New Jersey und Massachusetts werden
neue Gesetzesvorlagen, die die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus
überzähligen Embryonen erlauben, derzeit beraten.
In Australien wird derzeit ein neues Gesetz beraten, das die Gewinnung humaner embryonaler
Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt.
Laboratorien in Singapur, Taiwan, Südkorea, China.... sind aktiv mit der Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen befasst. In einigen Ländern werden derzeit Vorschriften
bezüglich dieser Forschung beraten.
Weitere Einzelheiten zur Situation in den Drittländern sind in Anhang D enthalten.
3.5. Handhabung der Stammzellenforschung im RP6
Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union besagt:
“1. Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der
Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind
allen Mitgliedstaaten gemeinsam.
2. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom
unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen
Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts ergeben.
50
3. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten.
4. Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur
Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.”
Gemäß dem EG-Vertrag fällt die Regelung ethischer Fragen ausschließlich in die
Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf Gemeinschaftsebene wurden mit Blick auf die
Förderung durch das Forschungsrahmenprogramm ethische Grundsätze festgelegt.
Für das RP6 gelten somit folgende ethische Grundsätze:
Der Beschluss Nr. 1513/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni
2002 über das Sechste Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der
Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zur Verwirklichung
des Europäischen Forschungsraums und zur Innovation (2002 - 2006) legt u. a. fest 61:
• “Bei der Durchführung ... sind die ethischen Grundprinzipien ... zu beachten. Diese
umfassen ... die Prinzipien, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union ergeben, den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens ... ”
Die im Dezember 2000 in Nizza, Frankreich, verabschiedete Grundrechtecharta der
Europäischen Union untersagt ausdrücklich eugenische Praktiken und reproduktives
Klonen, äußert sich jedoch nicht ausdrücklich zur Forschung an Embryonen. (Artikel 3).
• … “und, soweit zutreffend, internationale Übereinkünfte,.... das am 4. April 1997 in
Oviedo unterzeichnete Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und
Biomedizin und das am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll über das
Verbot des Klonens von Menschen, ...."
Die vom Europarat 1997 verabschiedete Konvention zum Schutz der Menschenrechte und
der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin62 löst
nicht das Problem der Zulässigkeit der Forschung an Embryonen und überlässt es jedem
einzelnen Land, hierzu Rechtsvorschriften zu erlassen, wenngleich daran zwei
Bedingungen geknüpft werden: das Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für
Forschungszwecke und die Verabschiedung von Vorschriften, mit denen ein angemessener
Schutz des Embryos gewährleistet werden soll63. 1998 wurde ein Zusatzprotokoll zu der
Konvention über das Verbot des Klonens von Menschen gebilligt, das am 3. Januar 2001
in dreizehn Mitgliedstaaten des Europarats in Kraft trat64.
• “… in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht”
Auch einige EU-Richtlinien sind für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen
von Belang. Zum Beispiel legt die Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen
Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln unter
anderem fest: “Einer schriftlichen Genehmigung vor Beginn der Prüfung unterliegen
klinische Prüfungen im Zusammenhang mit Arzneimitteln für Gentherapie, somatische
Zelltherapie, einschließlich der xenogenen Zelltherapie, sowie mit allen Arzneimitteln, die
61
62
63
64
ABl. L232 vom 29.8.2002, S.4
http://conventions.coe.int/treaty/en/treaties/html/164.htm
Fünfzehn Länder haben die Europäische Konvention ratifiziert : Zypern, Tschechische Republik,
Dänemark, Estland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Litauen, Republik Moldau, Portugal,
Rumänien, San Marino, Slowakei, Slowenien und Spanien.
Zypern, Tschechische Republik, Estland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Litauen, Republik
Moldova, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien.
51
genetisch veränderte Organismen enthalten.” (Artikel 9 Absatz 6). Die Richtlinie 98/44
über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, die am 6. Juli 1998
verabschiedet wurde, legt fest, dass “Verfahren zum Klonen von menschlichen
Lebewesen” und die “Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder
kommerziellen Zwecken” “von der Patentierbarkeit ausgenommen” sind.
Auch der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur
Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung,
Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen ist für die
klinische Nutzung (auch für klinische Versuche) von (und mit) humanen embryonalen
Stammzellen und deren Abkömmlingen von Belang.
• “…geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in
denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.”
Auch in der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über ein spezifisches
Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration:
"Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006) wurden ethische
Grundsätze festgelegt65.
Zitat:
• “Folgende Forschungsgebiete werden innerhalb dieses Programms nicht finanziert:
- Forschungstätigkeiten zum Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken;
- Forschungstätigkeiten zur Veränderung des genetischen Erbguts des Menschen, durch
die solche Änderungen vererbbar werden könnten 66;
- Forschungstätigkeiten zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu
Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer
somatischer Zellen.
• “Außerdem ist die Finanzierung von Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten
verboten sind, unter allen Umständen ausgeschlossen.”
• “Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und eingedenk der Vielfalt der Ansätze in Europa
müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten geltende Rechtsvorschriften, Regelungen
und ethische Regeln der Länder, in denen die Forschung durchgeführt wird, erfüllen.
Einzelstaatliche Vorschriften kommen in jedem Fall zur Anwendung und es werden keine
Forschungsmaßnahmen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat verboten sind, in diesem
Mitgliedstaat aus Gemeinschaftsmitteln gefördert.”
• “Gegebenenfalls müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten vor der Aufnahme von
FTE-Tätigkeiten Genehmigungen der zuständigen nationalen oder lokalen
Ethikausschüsse einholen.”
•
65
66
“Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen führt die Kommission systematisch eine
ethische Prüfung durch, insbesondere im Hinblick auf Vorschläge, bei denen es mit um
die Verwendung menschlicher Embryonen und humaner embryonaler Stammzellen geht.”.
ABl. L294 vom 29.10.2002, S. 8.
Forschungstätigkeiten mit dem Ziel der Krebsbehandlung an den Gonaden können finanziert
werden.
52
Vorschläge für Forschungsvorhaben, die ethische Fragen aufwerfen, werden durch die
Europäische Kommission einer ethischen Prüfung unterzogen, bevor Fördermittel
freigegeben werden. Die Vorschläge werden von einem unabhängigen, multidisziplären
und transnationalen Gremium geprüft, das von der GD Forschung für jeden Aufruf zur
Einreichung von Vorschlägen eingesetzt wird. Die Prüfung erfolgt unabhängig vom
jeweiligen Forschungsprogramm und getrennt von der wissenschaftlichen Bewertung. Mit
der ethischen Prüfung soll sichergestellt werden, dass die Antragsteller alle Punkte
aufgeführt haben, aus denen sich ethische Fragen ergeben könnten, alle notwendigen
Maßnahmen ergriffen haben, um sämtliche ethischen und/oder rechtlichen nationalen und
europäischen Auflagen zu erfüllen und die für das 6. Forschungsrahmenprogramm
festgelegten ethischen Grundsätze berücksichtigt haben.
• Jedes Forschungsprojekt, bei dem menschliche Embryonen und humane embryonale
Stammzellen verwendet werden, wird im Anschluss an die vorgenannte ethische Prüfung
einem Regelungsausschuss vorgelegt.
• In Einzelfällen kann diese ethische Prüfung auch während der Durchführung des Projekts
vorgenommen werden.
• Im Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002 ist festgehalten67: “Der Rat
und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte Durchführungsvorschriften
betreffend die Verwendung humaner Embryos und humaner embryonaler Stammzellen,
die unter dem 6. Rahmenprogramm finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003
festgelegt werden.
Die Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der detaillierten
Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher Forschungstätigkeiten nicht
vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung von in Banken bestehenden oder in
Kulturen isolierten humanen embryonalen Stammzellen.”
3.6 Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog
In Europa gibt es durchaus noch große Unterschiede in den nationalen Ansichten über
bestimmte Techniken und Forschungsfelder. Vor allem die Forschung an und mit humanen
embryonalen Stammzellen hat in jüngster Zeit zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit
und zu scharfen politischen Auseinandersetzungen geführt. Die Biowissenschaften und die
Biotechnologie leisten einen erheblichen Beitrag zur Sicherung des persönlichen und
gesellschaftlichen Wohlstands und eröffnen neue Möglichkeiten für unsere
Volkswirtschaften. Gleichzeitig nehmen die Vorbehalte der breiten Öffentlichkeit gegenüber
diesen Fortschritten in Wissenschaft und Technologie angesichts der gesellschaftlichen und
ethischen Folgen und der den Optionen zugrunde liegenden Bedingungen zu.
In ihrer Stellungnahme zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung
menschlicher Stammzellen” betont die EGE, dass “es ... eines ständigen Dialogs und
fortlaufender Aufklärung (bedarf), um die Bürger, einschließlich der Patienten, in Bezug auf
die Wahlmöglichkeiten, die sich durch die neuen wissenschaftlichen Entwicklungen bieten, zu
beteiligen”.
67
Anhang F.
53
Die Notwendigkeit eines öffentlichen Dialogs über die wissenschaftlichen Fortschritte und
neuen Technologien wurde sowohl in der Mitteilung der Kommission über
“Biowissenschaften und Biotechnologie” (veröffentlicht am 27. Januar 200268) und dem
Aktionsplan der Kommission für “Wissenschaft und Gesellschaft” (veröffentlicht im
Dezember 200169) hervorgehoben.
In diesem Zusammenhang veranstaltete die von Forschungskommissar Philippe Busquin
eingesetzte Europäische Beratungsgruppe für Biowissenschaften vom 18. - 19. Dezember
2001 ein Forum mit dem Titel „Stammzellen: Therapien für die Zukunft?“ 70. Das Forum bot
Gelegenheit für einen Meinungsaustausch auf europäischer Ebene zwischen Wissenschaftlern
und Experten, die sich mit Fragen der Machbarkeit und den Folgen der
Stammzellenforschung befassen, einerseits, und Vertretern unterschiedlichster Gruppierungen
der Gesellschaft andererseits. An der Veranstaltung nahmen über 600 Personen teil 71. Bei den
öffentlichen Diskussionen, sowohl auf dem Forum selbst als auch über E-Mail, nahmen
ethische Fragestellungen, vor allem zur Verwendung humaner Embryonen, den größten Raum
ein.
Wie bei jeder potenziellen, neuen Behandlungsmethode könnten die Versprechungen der
Stammzellenforschung bei an einer unheilbaren Krankheit leidenden Patienten und deren
Familien hohe, mitunter unrealistische Erwartungen an die Wissenschaft auslösen, verbunden
mit dem Druck, alle möglichen Krankheiten auf diese Weise zu behandeln. Negative
Forschungsergebnisse werden häufig nicht veröffentlicht und verzerren so das Bild in den
Medien, was sich schließlich nachteilig auf den Dialog in der Gesellschaft auswirkt. Tritt die
versprochene Heilung nicht ein, hat dies äußerst negative Folgen für die Wahrnehmung von
Wissenschaft in der Öffentlichkeit, weshalb es wichtig ist, den Stand der Forschung und die
künftigen Möglichkeiten möglichst ehrlich und realistisch darzustellen. Je mehr die
Wissenschaft ihre Versprechen halten kann, desto größer ist die öffentliche Anerkennung, die
sie braucht, wenn der gesellschaftliche Fortschritt mit dem Zuwachs an Erkenntnissen Schritt
halten soll. Der/die Wissenschaftler/in steht in der gesellschaftlichen Verantwortung, die
Fortschritte in der Wissenschaft in ihrem Bedeutungszusammenhang darzustellen.
In der am 5. März 2003 veröffentlichten Mitteilung der Kommission (KOM (2003) 96 endg.)
„- Biowissenschaften und Biotechnologie: eine Strategie für Europa - Fortschrittsbericht und
Künftige Ausrichtung“ fordert die Kommission, Diskussionsforen als strategisches Element in
die Projektförderung des RP6 aufzunehmen. Die Meinungsbildung in der Gesellschaft über
ethische und gesellschaftliche Fragen sollte für Forschung und Entwicklung
selbstverständlich sein.
68
69
70
71
http://europa.eu.int/comm/biotechnology
http://www.cordis.lu/science-society
http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/genetics/en/13.html
http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/stemcells.html
54
KAPITEL 4: SOZIOÖKONOMISCHE ASPEKTE
Die Biotechnologie birgt ein enormes Potenzial für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. An
dieser Entwicklung hat auch die Stammzellenforschung ihren Anteil. Trotz der beachtlichen
für die Stammzellenforschung zur Verfügung stehenden Gelder, fallen die Erträge bislang
eher bescheiden aus. Daran zeigt sich, dass sich diese Forschungsarbeiten noch mit den
Grundlagen befassen. So versuchen die kommerziellen Interessen, sich angesichts der in
Zukunft erwarteten großen Gewinne zu positionieren, auch wenn die Forschungsperspektiven
ebenso wie die therapeutischen Möglichkeiten noch recht ungewiss sind und ein rechtliches
Umfeld geschaffen wird, das von ethischen Überlegungen und öffentlichen Bedenken geprägt
ist.
Für die Verwertung der Ergebnisse aus der Stammzellenforschung haben sich viele
Kooperationen gebildet, an denen eher kleine, speziell hierfür gegründete Unternehmen statt
große Arzneimittelhersteller beteiligt sind. Offenbar spielen kleine Unternehmen eine
entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Technologien aus der Grundlagenforschung in
industrielle Anwendungen zu übertragen. Einige dieser Start-up-Unternehmen sind aus
entsprechenden Hochschulbereichen hervorgegangen.
2001 waren etwa 30 Unternehmen auf dem Gebiet der Stammzellenforschung tätig, und ein
Dutzend Unternehmen erforschen gegenwärtig das Potenzial sowohl somatischer als auch
humaner embryonaler Stammzellen. Wenn überhaupt, investieren nur wenige Unternehmen
ausschließlich in die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen. Dem Gilder BiotechBericht vom Juni 2001 zufolge fließen die Risikokapitalgelder derzeit vorzugsweise in die
Forschung an humanen somatischen Stammzellen, die bereits näher an der therapeutischen
Anwendung sein soll als die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen72.
Die folgenden Anwendungsgebiete für Stammzellen sind dabei für die Unternehmen von
Interesse:
- Neuartige Stammzelltherapien: direkte Stammzelltransplantation, Transplantation von
aus Stammzellen gewonnenen differenzierten Zellen, Anregung der körpereigenen
Stammzellen z. B. mit Wachstumsfaktoren, Stammzellen in der Gentherapie.
- Arzneimittelforschung: Verwendung von Stammzellen im Arzneimittelscreening
- Dienstleistungen und Technologien: Screening, Isolierung von Stammzellen, Anlegen
von Stammzellkulturen in großem Maßstab, Konservierung von Stammzellen.
Einer der Faktoren, der die Stammzellenforschung und die Kommerzialisierung von
Stammzellentherapien beeinflusst, ist die Patentierung humaner embryonaler Stammzellen
und deren Abkömmlinge. Einerseits sind Patentrechte wichtig, um die immensen
Investitionen von Unternehmen in die innovative Forschung und Entwicklung zu schützen.
Andererseits bezieht die akademische Forschung ihre Anregungen aus dem freien und
ungehinderten Zugang zu diesen Zelllinien, da sie das wichtigste Ausgangsmaterial für deren
Forschung sind. Einige Wissenschaftler sind der Auffassung, dass humane embryonale
Stammzelllinien überhaupt nicht patentiert werden sollten. Die Frage wird heftig diskutiert
und spiegelt die ethischen Standpunkte im Zusammenhang mit dieser Forschung wider. Die
Europäische Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen
72
Gilder Biotech report, The American Spectator, June 2001, “Adult cells do it better”;
http://www.gilderbiotech.com/ArticlesByScott/Op%20Ed/AdultCells.htm
55
Technologien (EGE) 73 hat in ihrer Stellungnahme Nr. 16 über die Patentierung von humanen
Stammzellen folgende Empfehlung abgegeben:
Isolierte, nicht veränderte Stammzellen erfüllen als Produkt nicht die gesetzlichen
Voraussetzungen der Patentierbarkeit, insbesondere was die gewerbliche Anwendung betrifft.
Darüber hinaus sind derartige isolierte Zellen dem menschlichen Körper, dem Fötus oder
dem Embryo, von denen sie isoliert wurden, so nahe, dass ihre Patentierung als eine Form
der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers betrachtet werden kann.
Wenn unveränderte Stammzelllinien geschaffen werden, können sie kaum als patentfähiges
Produkt betrachtet werden. Derartige unveränderte Stammzelllinien haben denn auch
keinerlei spezifischen Nutzen, wohl aber ein sehr breites Spektrum potenzieller nicht
feststehender Anwendungsmöglichkeiten. Daher würde die Patentierung solcher
unveränderten Stammzelllinien auch zu einem zu umfassenden Patent führen.
Daher erfüllen nur Stammzelllinien die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Patentierbarkeit, die durch In-vitro-Behandlungen oder gentechnische Manipulation
verändert werden, wodurch sie Merkmale für spezifische gewerbliche Anwendungen erhalten.
Was die Patentierbarkeit von Verfahren im Zusammenhang mit menschlichen Stammzellen
betrifft, so gibt es, ungeachtet ihrer Quelle, kein spezielles ethisches Hindernis, sofern sie die
Voraussetzungen für die Patentierbarkeit (Neuheit, erfinderische Leistung und gewerbliche
Anwendung) erfüllen.
Die Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, die am 6.
Juli 1998 verabschiedet wurde, legt fest, dass eine Erfindung, die einen isolierten Bestandteil
des menschlichen Körpers oder einen auf eine andere Weise durch ein technisches Verfahren
erzeugten Bestandteil betrifft und gewerblich anwendbar ist, nicht von der Patentierbarkeit
ausgeschlossen ist, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem eines natürlichen
Bestandteils identisch ist. Ferner verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, Erfindungen,
deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen
würde, von der Patentierbarkeit auszunehmen. Verfahren zum Klonen von menschlichen
Lebewesen und die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder
kommerziellen Zwecken sind ausdrücklich von der Patentierbarkeit ausgenommen.
Die Kommission hat am 7. Oktober 2002 den ersten jährlichen Bericht (gemäß Artikel 16
Buchstabe c der Richtlinie) über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im
Bereich der Bio- und Gentechnologie vorgelegt. Der Bericht geht auf die Frage der
Patentierbarkeit humaner Stammzellen und die daraus gewonnenen Zelllinien ein.
Mit Blick auf die Erstellung künftiger Berichte im Sinne von Artikel 16 Buchstabe c der
Richtlinie hat die Kommission eine Gruppe von Sachverständigen aus Wissenschaft, Recht
und Wirtschaft sowie aus Vertretern des Europäischen Patentamts und der Weltorganisation
für geistiges Eigentum (WIPO) eingesetzt, die sich mit Fragen biotechnologischer
Erfindungen befassen wird. Ihre Aufgabe besteht darin, die Fragen, die sich im
Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen ergeben, zu analysieren. Sie wird sich
nicht mit ethischen Fragen befassen, mit denen sich die Europäische Gruppe für Ethik
beschäftigt, sondern sich auf die rechtlichen und technischen Aspekte sowie auf die
Wechselwirkungen zwischen Rechtsrahmen, Forschung und Innovationsraum konzentrieren.
73
Website : http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm#
56
Die „16c-Sachverständigengruppe“ wird im Mai 2003 zusammentreten, um die Patentierung
von Produkten und Verfahren zu erörtern, für die humane embryonale Stammzellen und aus
diesen abgeleitete Zellen verwendet werden. Der Bericht der 16c-Gruppe wird zum gleichen
Zeitpunkt veröffentlicht wie der jährliche Monitoring-Bericht für 2003, den die Kommission
gegen Ende des Jahres vorlegen wird.
Auch wenn zunächst größtenteils von den Hochschulen und ihrem akademischen Umfeld
aufgezeigt wurde, welches Potenzial in den Stammzellen steckt, sind für die
Weiterentwicklung dieser Technologie, z. B. für die Entwicklung therapeutischer Produkte,
die Unternehmen gefragt. Ihr Engagement wird z. B. benötigt, wenn es darum geht, Zelllinien
in großem Stil und nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis zu erzeugen,
multizentrische, klinische Studien durchzuführen und das Marketing und den Vertrieb zu
unterstützen.
57
GLOSSAR
Adulte Stammzellen: eine aus den Geweben oder Organen eines Organismus nach der
Geburt gewonnene Stammzelle (im Gegensatz zu embryonalen oder fötalen Stammzellen)
Blastozyste: eine Höhle von 50-100 Zellen, die sich nach etwa 5 Tagen Embryonalentwicklung bildet. Sie besteht aus dem äußeren Zellmantel (dem Trophektoderm), einem mit
Flüssigkeit gefüllten Hohlraum (dem Blastozoel) und einer Anhäufung von Zellen im Inneren
(der inneren Zellmasse, dem Embryoblast)
Zellkultur: Züchtung von Zellen in vitro in einer künstlichen Umgebung
Zelllinie: Zellen gleicher Deszendenz, die kontinuierlich im Labor kultiviert wurden
Chromosomen: die Träger von Genen, der Erbinformationen, die in der DNA gespeichert ist
Klon: eine Zelle oder ein Organismus, die bzw. der aus einer anderen Zelle oder einem
anderen Organismus gewonnen wurde und mit diesem genetisch identisch ist.
Klonen: Erzeugung eines Organismus, der mit einem anderen Organismus genetisch
identisch ist, oder einer Zelle, die mit einer anderen Zelle genetisch identisch ist,
vorausgesetzt, dass die sogenannten Mutter- und Tochterzellen anschließend getrennt werden
(siehe auch reproduktives und therapeutisches Klonen)
Klonen durch Zellkerntransfer somatischer Zellen: der Kern einer Eizelle wird durch den
Kern der adulten Zelle (oder einer embryonalen oder fötalen Zelle), die geklont werden soll,
ersetzt und anschließend die weitere Entwicklung der Eizelle ohne Fertilisierung in Gang
gesetzt. Die Eizelle programmiert den transferierten Zellkern genetisch so, dass er die
Entwicklung eines vollständigen neuen Organismus steuern kann (Reproduktives Klonen
durch Zellkerntransfer).
ODER die Entwicklung wird im Blastozystenstadium gestoppt und die embryonalen
Stammzellen werden aus der inneren Zellmasse entnommen. Diese Stammzellen lassen sich
mit Hilfe verschiedener Wachstums- und Differenzierungsfaktoren in das gewünschte
Gewebe ausdifferenzieren. Die auf diese Art gewonnenen Gewebe/Zellen könnten dann dem
ursprünglichen Spender des Zellkerns zurücktransplantiert werden, womit sich Abstoßungsreaktionen vermeiden lassen (Therapeutisches Klonen durch Zellkerntransfer).
Kulturmedium: die Nährlösung, die die Zellen in einer Petrischale bedeckt und die
Nährstoffe für die Zellen sowie andere Wachstumsfaktoren enthält, die hinzugefügt werden
können, um die gewünschten Veränderungen der Zelle auszulösen.
Dedifferenzierung: das Verfahren, eine spezialisierte Zelle zu veranlassen, sich in eine
weniger differenzierte Zelle zurückzuentwickeln
Differenzierung: der Vorgang, bei dem eine unspezialisierte Zelle die Merkmale einer
spezialisierten Zelle, wie die einer Herz-, Leber- oder Muskelzelle herausbildet.
DNS: Desoxyribonukleinsäure, das genetische Material; sie besteht aus einem Doppelstrang
von Nukleotiden, der Grundlage der Genetik
58
Embryo: beim Menschen der Organismus, der sich ab dem Zeitpunkt der Befruchtung
entwickelt und nach Ablauf der achten Woche als Fötus bezeichnet wird
Früher Embryo: die Bezeichnung “früher Embryo” bezieht sich auf die Entwicklungsstufen
bis zur Herausbildung des Primitivstreifens, d. h. bis zu Tag 14 nach der Befruchtung.
Embryonale Keimzelle: embryonale Keimzellen werden aus primordialen Keimzellen der
Genitalleiste in den Wochen 5-10 des Fötus isoliert.
Embryonale Stammzelllinien: embryonale Stammzellen, die in vitro unter Bedingungen
kultiviert wurden, die es ihnen ermöglichen, sich ohne Differenzierung über Monate und
Jahre hinweg zu vermehren.
Nährzellen: Zellen, die in Co-Kultur verwendet werden, um pluripotente Stammzellen in
Kultur zu halten
Fertilisation: der Vorgang der Verschmelzung weiblicher und männlicher Keimzellen
Fötus: ein in der Entwicklung befindlicher Mensch ab der achten Woche nach Befruchtung
bis zur Geburt
Fötale Stammzelle: eine aus Fötalgewebe gewonnene Stammzelle (biologisch betrachtet
erstreckt sich die Bezeichnung « Embryo » auf alle Phasen der Entwicklung bis zur achten
Schwangerschaftswoche, ab dann wird die Bezeichnung « Fötus » verwendet). Unterschieden
wird zwischen fötalen Keimzellen, aus denen sich die Gameten entwickeln, und den übrigen
fötalen Stammzellen, den fötalen Körperzellen.
Gamete: das männliche Spermatozyt oder die weibliche Eizelle
Gen: eine funktionale Einheit mit Erbinformationen, die in einem Segment der DNA an einer
bestimmten Stelle eines Chromosoms lokalisiert werden kann. Ein Gen steuert die Bildung
von Enzymen oder anderen Proteinen.
Keimzellen: Eizellen und Spermatozyten und ihre Vorläuferzellen
Hämatopoetische Stammzelle: eine Stammzelle, aus der sich alle roten und weißen
Blutkörperchen bilden
Humane embryonale Stammzelle: pluripotente Stammzelle, die aus der inneren Zellmasse
der Blastozyste stammt
Implantation: die Einnistung einer Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut. Bei
Menschen findet die Implantation 8 Tage nach der Befruchtung statt.
In vitro und in vivo: außerhalb und innerhalb des Körpers; in vitro (wörtlich im Glas)
bedeutet im allgemeinen im Labor
In-vitro-Fertilisation: die Befruchtung einer Eizelle mit einem Spermatozyten außerhalb des
Körpers
59
Multipotente (Zellen): Multipotente Stammzellen sind die Stammzellen, die in der Lage
sind, verschiedene gewebs- oder organspezifische Zellen herauszubilden
Oozyte: die weibliche Eizelle
Plastizität: die Fähigkeit einer Stammzelle eines Gewebes, differenzierte Zelltypen eines
anderen Gewebes hervorzubringen
Pluripotente Stammzelle: Eine einzige pluripotente Stammzelle verfügt über die Fähigkeit,
Zelltypen entstehen zu lassen, die sich aus den drei Zellschichten (dem Mesoderm, dem
Endoderm und dem Ektoderm) entwickeln, aus denen alle Zellen des Organismus entstehen.
Pluripotente Stammzellen verfügen über die Fähigkeit, sich in jeden Zelltyp eines Körpers
auszudifferenzieren, können sich jedoch nicht selbst zu einem Embryo entwickeln.
Embryo in der Präimplantationsphase: ein Embryo in der Phase vor der Implantation in die
Gebärmutterschleimhaut; ein Embryo kann sich ohne Implantation in die
Gebärmutterschleimhaut nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln.
Primitivstreifen: eine Anhäufung von Zellen, die sich etwa 14 Tage nach der Befruchtung
herausbildet und aus denen sich das Herz, Blut und das zentrale Nervensystem entwickelt.
Proliferation: Vermehrung einer Zellpopulation durch die fortlaufende Teilung einzelner
Zellen in zwei identische Tochterzellen
Redifferenzierung: das Verfahren, eine dedifferenzierte Zelle so zu steuern, dass sie sich in
einen (anderen) spezialisierten Zelltyp ausdifferenziert
Körperzelle: eine Zelle eines Körpers, die keine Eizelle oder Spermatozyt ist
Somatische Stammzelle: eine undifferenzierte Zelle, die sich unter differenzierten Zellen in
einem Gewebe oder Organ nachweisen lässt und die sich selbst erneuern und so
ausdifferenzieren kann, dass sie die wichtigsten gewebe- oder organspezifischen Zelltypen
hervorbringen kann.
Zellkerntransfer somatischer Zellen: die Übertragung eines Zellkerns in eine Eizelle (oder
eine andere Zelle), aus der der Zellkern entfernt wurde
Überzählige Embryonen: ein auf dem Wege der In-vitro-Fertilisation (IVF) für die
medizinisch unterstützte Reproduktion erzeugter Embryo, der jedoch dann nicht mehr
benötigt wurde.
Totipotente Zellen: Zwei bis drei Tage nach der Befruchtung besteht ein Embryo aus
identischen Zellen, die totipotent sind. Das bedeutet, dass sich jede Zelle zu einem Embryo
entwickeln könnte und so zum Beispiel identische Zwillinge oder Vierlinge entstehen
könnten. Sie sind vollständig unspezialisiert und verfügen über die Fähigkeit sich in jede
Zelle des Fötus, der Plazenta bzw. der Membrane, die den Fötus umschließen,
auszudifferenzieren.
Transdifferenzierung: die Beobachtung, dass Stammzellen aus einem Gewebe
möglicherweise in der Lage sind, in Zellen eines anderen Gewebes auszudifferenzieren.
60
Undifferenzierte (Zelle): der Zustand, in dem noch keine Veränderung hin zur
Spezialisierung eingetreten ist
61
ANHANG A: BIOLOGIE DER ENTWICKLUNG DES MENSCHEN
In seiner Entwicklung verändert sich der Embryo ständig und durchläuft dabei die folgenden
acht Phasen:
1. Tag 0: Fertilisation
Die weibliche Keim- oder Eizelle (die Oozyte) wird durch eine männliche Keimzelle oder
die Spermatozyte befruchtet. Die Eizelle und die Spermatozyte tragen jeweils die Hälfte
der Gene einer normalen Zelle. Die Befruchtung läuft in mehreren Schritten ab, die
letztendlich zur Herausbildung einer einzigen Zelle, der Zygote, führen. Die Zygote enthält
alle für die Entwicklung eines Individuums notwendigen Gene, die zur Hälfte von der
Mutter und zur Hälfte vom Vater stammen. Ein winzig kleiner Bestandteil von Genen ist in
den Mitochondrien enthalten und wird ausschließlich von der Mutter weitervererbt.
2. Tage 3-4:
Bis zum Vier-Zell-Stadium am Tag 3 - 4 sind alle Zellen im Wesentlichen identisch und
verfügen nach gängiger Auffassung über das Potenzial, sich - die passende Umgebung
vorausgesetzt - zu einem Individuum zu entwickeln, da die Zellen „totipotent“ sind (d. h.
sie haben die Eigenschaft, sich in alle Zelltypen entwickeln zu können, die für die
menschliche Entwicklung benötigt werden, ebenso wie das außerhalb des Embryos
liegende Gewebe wie die Plazenta und die Nabelschnur). So können sich aus der Teilung
der Zellen in diesem frühen Stadium identische Zwillinge entwickeln: sie sind genetisch
identisch, da sie aus derselben befruchteten Eizelle stammen (identische Zwillinge können
sich auch noch später bis zum Ablauf von 14 Tagen entwickeln).
3. Tage 4-5: Morula-Stadium
Vier bis fünf Tage nach der Befruchtung (Morula-Stadium) besteht der Embryo immer
noch aus unspezialisierten embryonalen Zellen, aus denen sich aber kein Embryo mehr
entwickeln kann.
4. Tage 5 – 7: Blastozystenstadium
Am Tag 5 nach der Fertilisation beginnen die Zellen des Embryos, sich in innere und
äußere Zellen zu differenzieren. Die äußeren Zellen entwickeln sich zu nichtembryonalem Gewebe weiter, wie der Plazenta oder die Nabelschnur. Aus der inneren
Zellmasse entwickelt sich der eigentliche Embryo. Werden die inneren Zellen isoliert und
mit Hilfe bestimmter chemischer Stoffe (Wachstumsfaktoren) zum Wachstum angeregt,
lassen sich pluripotente embryonale Stammzellen gewinnen. Die embryonalen
Stammzellen, die über das Potenzial verfügen, unterschiedlichste Zelltypen des Körpers
herausbilden zu können (über etwa 200 Zelltypen sind bekannt), werden als „pluripotent“
bezeichnet.
Ein Embryo in der Präimplantationsphase ist ein Embryo, der sich in einem Stadium vor
der Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut befindet. Ein Embryo kann sich ohne
Implantation in die Gebärmutterschleimhaut nicht über das Blastozystenstadium hinaus
weiterentwickeln.
62
5. Tag 8: Nidation
Etwa 8 Tage nach der Befruchtung nistet sich die Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut ein. Findet diese Implantation nicht statt, entwickelt sich die Blastozyste nicht
weiter, da sie keine entsprechenden biochemischen Signale und Nährstoffe von der Mutter
empfängt, die sie für die Weiterentwicklung braucht. Ein hoher Prozentsatz der
menschlichen Embryonen - viele Schätzungen gehen von bis zu 75 Prozent aus - gehen auf
natürliche Weise vor der Implantation verloren. Zu diesem Zeitpunkt sind die Zellen noch
relativ undifferenziert und es gibt noch keine Anzeichen menschlicher Strukturen wie etwa
eines Nervensystems.
6. Tage 14- 21: Gastrula-Stadium
Etwa 14 Tage nach der Befruchtung und nach der Implantation besteht der frühe Embryo
aus etwa 2000 Zellen. Erst zu diesem Zeitpunkt beginnen die Zellen, sich zu
spezialisierteren Zelltypen zu differenzieren. Ab Tag 15 beginnt der „Primitivstreifen“ sich
abzuzeichnen, aus dem sich das Herz und Blut sowie das Zentralnervensystem entwickeln.
Gegen Ende der dritten Woche der Embryonalentwicklung besteht der sich herausbildende
Organismus aus drei verschiedenen Zellschichten, dem Ektoderm, dem Mesoderm und
dem Endoderm. Jede Zellschicht ist so „programmiert“, dass sich aus ihr bestimmte
Gewebe und Organe entwickeln. Aus der „Außenschicht“ des Embryos, dem Ektoderm,
entstehen die folgenden Organe und Gewebe: zentrales Nervensystem (Gehirn,
Rückenmark) und das periphere Nervensystem; die Oberfläche bzw. die Haut des
Organismus, Hornhaut und Augenlinsen, das Epithelgewebe, das die Mund- und
Nasenhöhlen sowie den Analkanal auskleidet; das Epithelgewebe der Zirbeldrüse und der
Hypophyse sowie das Nebennierenmark; und die Zellen der Neuralleiste (aus der
verschiedene Gesichtsstrukturen, pigmentierte Hautzellen, sogenannte Melanozyten, und
die Spinalganglien, Ansammlungen von Nervenzellen entlang des Rückenmarks,
entstehen). Aus der mittleren Zellschicht des Embryos, dem Mesoderm, entstehen die
Skelettmuskulatur, die glatte Muskulatur und die Herzmuskulatur; die Strukturen des
Urogenitalsystems (Nieren, Harnleiter, Keimdrüsen und Geschlechtsorgane);
Knochenmark und Blut; Fett, Knochen und Knorpel; sonstige Bindegewebe sowie die
Auskleidung von Körperhohlräumen. Aus der inneren Schicht des Embryos, dem
Endoderm, entstehen das Epithelgewebe des gesamten Verdauungstrakts (mit Ausnahme
des Munds und des Analkanals); das Epithelgewebe des Respirationstrakts; die Strukturen
für den Verdauungstrakt (Leber und Pankreas); die Schilddrüse, die Nebenschilddrüse und
die Brustdrüse, das Epithelgewebe der Geschlechtsorgane und der Drüsen; das
Epithelgewebe der Harnröhre und der Harnblase.
Der Begriff „früher Embryo“ bezieht sich auf die Entwicklungsstadien bis zum Auftreten
des Primitivstreifens, d. h. bis etwa 14 Tage nach Befruchtung.
7. 8. Woche nach Befruchtung: Fötalstadium
Nach etwa sieben Wochen, wenn einzelne Organe erkennbar werden und das
Embryonalstadium abgeschlossen ist, kann der Embryo genaugenommen als Fötus
bezeichnet werden. Unterschieden wird zwischen den fötalen Keimzellen, aus denen sich
die Gameten (Eizellen und Spermatozyten) entwickeln und aus denen während eines
kurzen Zeitraums der frühen Fötalentwicklung „pluripotente“ embryonale Stammzellen
entnommen werden können, und dem übrigen fötalen Gewebe, aus dem sich
„multipotente“ fötale somatische Stammzellen gewinnen lassen.
63
8. Neun Monate nach Befruchtung: Geburt
Bei normalem Schwangerschaftsverlauf wird nach etwa 9 Monaten das Kind geboren.
64
ANHANG B: MÖGLICHKEITEN ZUR ÜBERWINDUNG DER
IMMUNABWEHR BEI DER STAMMZELLENTHERAPIE
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Immunabwehr gegen transplantierte Zellen oder
Gewebe zu vermeiden oder zu unterdrücken 74:
1) Verwendung von Immunsuppressiva
Diese Arzneimittel, die die Abwehr des Immunsystems unterdrücken, wurden im Zuge der
Transplantationsforschung über die Jahre immer ausgefeilter. Allerdings wirken sie nicht
immer und müssen in der Regel vom Patienten ein Leben lang genommen werden, was den
Patienten infektionsanfällig macht.
2) Verwendung von „übereinstimmenden“ Geweben
Die Stärke der Abstoßungsreaktion hängt von der Differenz im HLA-System zwischen
Spender und Empfänger ab. Deshalb sollte der Unterschied so gering wie möglich sein.
Mitunter ist es bei einer Transplantation möglich, einen übereinstimmenden Gewebetyp, in
der Regel von einem nahen Verwandten, zu erhalten. Dies wird häufig bei
Knochenmarkstransplantationen versucht. Für die meisten Zelltherapien dürfte die Suche
nach einem übereinstimmenden Spender kein sinnvoller Ansatz sein. Da jedoch Stammzellen
in Kulturen prinzipiell unbegrenzt vermehrt werden können, ließen sich eventuell
Stammzellenbanken aufbauen, die so groß sind, dass sie eine angemessene (wenngleich nie
vollständige) Zahl von Stammzellen enthalten, die Übereinstimmungen mit der Mehrheit der
Individuen einer Population aufweisen. Sollte sich dies als machbar erweisen, könnte die
entsprechende übereinstimmende Stammzelle aus der Bank entnommen und in den für die
Therapie benötigten Zelltyp ausdifferenziert werden. Hierfür würden tausende von
Stammzelllinien benötigt, damit, vergleichbar mit Knochenmarktransplantaten, Zellen
vorhanden sind, die mit der Mehrheit der Population übereinstimmen.
3) Induzierung einer Immuntoleranz.
Die Abwehrreaktion kann auch durch die Induzierung einer Immuntoleranz abgeschwächt
werden. Durch die vorherige Verabreichung von Embryonalmaterial oder hämatopoetischer
Zellen aus den Stammzellen des Spenders könnte das Immunsystem des Patienten in gewisser
Weise daran gewöhnt werden, so dass Immunsuppressiva nur noch in geringen Dosen oder
überhaupt nicht verabreicht werden müssten. Ferner wird daran geforscht, inwieweit es
möglich ist, die Immunreaktion dadurch zu verhindern, dass die zu transplantierenden Zellen
mit inertem Material verkapselt werden.
In der Regel eignet sich das Gehirn ganz besonders gut für Transplantationen, da das Gehirn
kein Immunsystem kennt, das Abwehrreaktionen auslöst. Allerdings wird bei vielen
pathologischen Situationen die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigt, weshalb das Gehirn im
Hinblick auf die Immunabwehr möglicherweise nicht so günstig ist wie ursprünglich
angenommen, da die Immunzellen über das Blut in das Gehirn gelangen können.
74
House of Lords Select Committee – Bericht über die Stammzellenforschung
http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm
Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben.
Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen'. Juni 2002.
http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429
65
4) Verwendung körpereigener Zellen oder Gewebe
Dies wäre zweifellos der sicherste Weg zur Vermeidung der Immunabwehr. Hierzu könnten
adulte Stammzellen bei einem Individuum isoliert und dann zu dessen Behandlung eingesetzt
werden, allerdings ist diese Möglichkeit nicht unter allen Umständen gangbar. Alternativ
ließen sich mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen (in Eizellen oder in humane
embryonale Stammzellen in Kultur) Zellen oder Gewebe erzeugen, die mit denen des
Patienten übereinstimmen.
66
ANHANG C: BEISPIELE FÜR VORHANDENE HUMANE
EMBRYONALE STAMMZELLLINIEN
Schweden:
Karolinska Institut:
Das Register des National Institutes of Health der USA75 verzeichnete ursprünglich sechs
humane embryonale Stammzelllinien vom Karolinska Institut in Stockholm. Diese Zelllinien
stehen jedoch derzeit nicht zur Verfügung. Die sechs eingefrorenen Zelllinien werden jetzt
aufgetaut, vermehrt und charakterisiert. Zwei dieser Zelllinien wurden auf Nährzellen von
Mäusen gezüchtet. Die anderen vier Präparate, die zu einem früheren Zeitpunkt eingefroren
wurden, sind mit humanen Nährzellen statt mit Mäusezellen kultiviert worden, weshalb sie
für künftige Anwendungen besonders wertvoll sind. Die ursprünglich im NIH registrierten
und aufgetauten Zelllinien dürften anderen Wissenschaftlern innerhalb der nächsten 12
Monate zur Verfügung stehen.
Abgesehen von diesen ursprünglichen Zelllinien befinden sich derzeit drei weitere
Stammzelllinien in Kultur. Eine dieser Zelllinien ist vollständig charakterisiert und wurde
soweit vermehrt, dass sie jetzt verschiedenen Gruppen für Verbundstudien angeboten werden
können. Die Charakterisierung der anderen beiden Zelllinien dürfte in Kürze abgeschlossen
sein. Aus den verschiedenen im Karolinska Institut angelegten Stammzelllinien wird eine
Zellbank aufgebaut, zu der auch andere Wissenschaftler Zugang haben werden76.
Universitätsklinikum Sahlgrenska, Universität von Göteborg in Zusammenarbeit mit
Cell Therapeutics Scandinavia, AB:
Bislang wurden 21 humane embryonale Stammzelllinien angelegt. Vier davon wurden bereits
vollständig charakterisiert und zwei dieser vier Zelllinien erfüllen alle Kriterien der
Selbsterneuerung und Pluripotenz humaner embryonaler Stammzellen. Die restlichen 17
Zelllinien wurden zum Teil charakterisiert77.
Israel:
Sechs humane embryonale Stammzelllinien wurden beim Rambam Medical Center des
israelischen Technologieinstituts angelegt und charakterisiert. Vier Zelllinien stehen zur
Verfügung und wurden beim NIH registriert. Das Institut verfügt auch über Zelllinien, die
ursprünglich in Wisconsin hergestellt wurden und jetzt für Verbundstudien zur Verfügung
stehen78.
Australien:
Der australische Senat verabschiedete am 5. Dezember 2002 das Gesetz zur Forschung an und
mit humanen Embryonen, das die Vernichtung humaner Embryonen zu Forschungszwecken
sowie die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. Das
Gesetz dürfte nach der Ratifizierung durch das nationale Parlament und die territorialen
Parlamente Anfang 2003 in Kraft treten. Es ist davon auszugehen, dass unter anderem am
Monash Institut Wissenschaftler damit beginnen werden, neue humane embryonale
75
76
77
78
http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html
Mitteilung von Professor Carlstedt- Duke, Forschungsdekan, Karolinska -Institut, Schweden
Mitteilung von Professor Hamberger, Universität Göteburg, Schweden.
Mitteilung von Professor Itskovitz-Eldor, Rambam Medical Centre, Israel.
67
Stammzelllinien aus überzähligen Embryonen anzulegen, die allerdings erst 2004 zur
Verfügung stehen werden79.
79
Communication from Professor Pera, Monash Institute, Australia.
68
ANHANG
D:
EINZELHEITEN
ZU
DEN
EINSCHLÄGIGEN
VORSCHRIFTEN IN DRITTLÄNDERN
Beispiele für Vorschriften in einigen Ländern, die mit dem 6.
Forschungsrahmenprogramm assoziiert sind 80
Island
Die Forschung an humanen Embryonen wird mit dem 1996 verabschiedeten Gesetz über die
künstliche Befruchtung geregelt. Die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke ist
ebenso verboten wie das Klonen. Die Forschung an humanen überzähligen Embryonen ist
erlaubt:
- wenn dies Teil einer Fertilisationsbehandlung in vitro ist,
- wenn damit beabsichtigt wird, Erbkrankheiten im Embryo selbst zu diagnostizieren,
- wenn damit Fortschritte in der Fertilitätsbehandlung erzielt werden sollen oder
- wenn damit die Ursachen von Erbkrankheiten und Fehlgeburten besser erforscht werden
sollen.
Israel
Die derzeit geltenden Verordnungen zur öffentlichen Gesundheit (extrakorporale
Befruchtung) von 1997 befassen sich weder mit der Frage des Verbleibs der Embryonen nach
Ablauf der Kryokonservierung noch mit der Frage der überzähligen Embryonen (d. h. der
Embryonen, die ursprünglich für eine Fertilisationsbehandlung erzeugt wurden und dann, aus
welchen Gründen auch immer, nicht implantiert wurden). Auch der derzeit vorliegende
Gesetzesvorschlag zur Regelung der Eizellenspende zum Zwecke der In-vitro-Fertilisation
beinhaltet keine Vorschriften zur Verwendung von Embryonen in der Stammzellenforschung.
1999 hat das israelische Parlament das Gesetz über das Verbot gentechnischer Eingriffe 19995759 verabschiedet (Klonen von Menschen sowie Eingriffe in die Keimbahn). Das Gesetz
untersagt ausdrücklich das reproduktive Klonen von Menschen, geht aber nicht auf
nichtreproduktive Zwecke des Klonens ein, wie z. B. die Gewinnung von embryonalen
Stammzellen.
Der Beratungsausschuss für Bioethik der israelischen National Academy of Sciences and
Humanities verabschiedete am 8. August 2001 die Empfehlung, dass die Spende von
humanen überzähligen Embryonen für Forschungszwecke, die nicht mehr für die Implantation
benötigt werden, unter z. B. folgenden Bedingungen erlaubt sein sollte:
- freiwillige und informierte Einwilligung,
- kein Verkauf oder Kauf humaner Embryonen,
- keine In-vitro-Kultivierung von humanen Embryonen länger als zwei Wochen.
- Trennung zwischen den Forscherteams, die mit der IVF-Behandlung und mit Stammzellen
befasst sind.
Der Beratungsausschuss hält es ferner für ethisch vertretbar, mit neuen Technologien für die
Gewinnung von embryonalen Stammzellen zu experimentieren, wie dem Kerntransfer (dem
sogenannten therapeutischen Klonen ohne reproduktive Zwecke).
80
Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics
Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human
embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003)
69
Der Beratungsausschuss empfiehlt ferner, dass der „Helsinki-Ausschuss für die Genforschung
am Menschen“ des israelischen Gesundheitsministeriums die Forschungsprotokolle prüfen
sollte. Im November 2002 hat der nationale Helsinki-Ausschuss die Anwendung der beiden
oben genannten Kategorien im Grundsatz genehmigt.
Norwegen
Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 56 vom 5. August 1994 über die Anwendung der
Biotechnologie in der Medizin wurde vom König am 13. Dezember 2002 unterzeichnet. Die
Änderungen traten am 1. Januar 2003 in Kraft und präzisieren, dass das Verbot der Forschung
an humanen Embryonen auch die Forschung an Stammzelllinien beinhaltet, die auf dem
Wege der Isolierung und Kultivierung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen
gewonnen wurden. Das Gesetz verbietet auch das therapeutische Klonen.
Schweiz
Das am 18. Dezember 1998 verabschiedete Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte
Fortpflanzung regelt die Forschung an Embryonen. Die Forschung an Embryonen ist ebenso
verboten wie die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Das Verbot der Spende
von Embryonen ist verfassungsrechtlich verankert (Artikel 119). Ende Mai 2002 lag ein
Entwurf des schweizerischen “Bundesgesetzes über die Forschung an überzähligen
Embryonen und embryonalen Stammzellen” (EFG, Embryonenschutzgesetz) zur Beratung
vor. Ende November 2002 leitete der Bundesrat den Vorschlag an das Parlament weiter. Das
Parlament hat sich zum Ziel gesetzt, das Gesetz vor Ende 2003 in Kraft treten zu lassen.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Forschung an überzähligen Embryonen aus der In-vitroFertilisation zum Zwecke hochrangiger Forschungsziele im Zusammenhang mit der
Reproduktionsmedizin oder der Entwicklungsbiologie bis zum Tag 14 nach Befruchtung
[nicht aber für jedwede Ziele] sowie die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus
überzähligen Embryonen für Forschungszwecke zu erlauben. Der EFG-Entwurf definiert den
Embryo als „die Frucht von der Kernverschmelzung bis zum Abschluss der
Organentwicklung“. In Auslegung des Verfassungsartikels, der jegliche Art von Klonen
verbietet, untersagt das Gesetz ausdrücklich das therapeutische Klonen.
Beispiele für gesetzliche Regelungen in Drittländern
Australien
2002 wurde im Senat über ein neues Gesetz abgestimmt, das die Gewinnung von humanen
embryonalen Stammzellen aus überzähligen humanen Embryonen gestattet. Anfang 2003
dürfte über das Gesetz im Unterhaus abgestimmt werden.
Kanada
Bislang gibt es hierzu kein Gesetz. Zur Zeit wird im Unterhaus ein Gesetzesentwurf beraten,
der sich mit Fragen der Forschung an humanen Embryonen befasst. Vorgeschlagen wird ein
Verbot der Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Allerdings soll die Forschung
an überzähligen Embryonen sowie die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus
überzähligen Embryonen erlaubt sein. Ferner wird die informierte Einwilligung der
Gametenspender gefordert.
Das kanadische Institute for Health hat Leitlinien für die Forschung an humanen Stammzellen
aufgestellt. Das Institut hält die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus
überzähligen Embryonen für förderwürdig.
70
Indien 81
Der nationale Bioethikrat, der vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie und
dessen Amt für Biotechnologie eingesetzt wurde, hat neue Leitlinien für die Forschung am
Humangenom erlassen, die sich auch auf die Gewinnung und Verwendung humaner
embryonaler Stammzellen beziehen. Nach den Empfehlungen des Rates sollten die
Embryonen nicht älter als 14 Tage sein, beide Spender ihre informierte Einwilligung geben
haben und alle Projekte vom nationalen Bioethikrat genehmigt werden. Embryonen sollten
nicht für Forschungszwecke erzeugt werden. Im Falle einer kommerziellen Nutzung sollten
die Spender am Gewinn beteiligt werden.
Japan
Das Japanische Parlament verabschiedete am 30. November 2000 das Gesetz zur Regulierung
des Klonens von Menschen. Das Gesetz erlaubt die Forschung an humanen Embryonen in
vitro sowie die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen. Die Einzelheiten der
Umsetzung dieses Gesetzes werden in Verwaltungsrichtlinien geregelt.
Singapur82
In Singapur hat der Beratende Ausschuss für Bioethik empfohlen, das reproduktive Klonen
von Menschen vollständig zu verbieten und die Forschung an humanen Stammzellen und das
therapeutische Klonon unter strengen Auflagen zu genehmigen.
Der Rechtsrahmen sollte folgende Bestimmungen enthalten:
- die informierte, freiwillige Einwilligung der Spender,
- Verbot der Kommerzialisierung und Verkauf gespendeten Materials, insbesondere von
überzähligen Embryonen,
- Festlegung, dass niemand dazu verpflichtet werden kann, an jeglicher Form der Forschung
an humanen Stammzellen mitzuwirken, wenn er Gewissensgründe geltend macht.
Die Regierung hat angekündigt, dass sie den Empfehlungen des Bioethik-Ausschusses, die
am 21. Juni 2002 veröffentlicht wurden, folgen wird. Für die Genehmigung dieser
Forschungsarbeiten ist der Gesundheitsminister zuständig.
Südkorea
Die Regierung hat angekündigt, dass sie die Verwendung von Embryonen, die noch keine 14
Tage als sind, für die Stammzellenforschung genehmigen wird.
USA
Nur die öffentlich geförderte Forschung ist geregelt. Am 9. August 2001 erklärte Präsident
Bush, dass Bundesmittel nur dann für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen
bereitgestellt werden, wenn bestimmte Auflagen83 erfüllt sind. Derartige Forschungsarbeiten
können jetzt mit Bundesmitteln gefördert werden, sofern der Prozess der Gewinnung der
Stammzellen (der zu dem Zeitpunkt einsetzt, an dem der Embryo vernichtet wird) vor dem
Stichtag 8. August 2001 eingeleitet wurde. Die Stammzellen müssen von Embryonen
stammen, die für Reproduktionszwecke erzeugt wurden und hierfür nicht mehr benötigt
werden. Ferner muss für die Spende eine Einwilligung nach vorheriger Aufklärung vorliegen
und dürfen keine finanziellen Anreize bestanden haben. Beim NIH wurde ein Register für
humane embryonale Stammzellen eingerichtet und aktualisiert, damit erkennbar ist, welche
Stammzelllinien die Kriterien der Förderwürdigkeit mit Bundesmitteln erfüllen (siehe auch
81
82
83
http://dbtindia.nic.in/consent.html
http://www.bioethics-singapore.org/bac/index.jsp
http://grants.nih.gov/grants/stem_cells.htm
71
Kapitel 2.6). Kein Bundesgesetz regelt die Forschung an humanen Embryonen und die
Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen im Privatsektor.
Allerdings hat der Staat Kalifornien im September 2002 ein Gesetz erlassen, das die
Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. In den
Staaten New Jersey und Massachusetts werden neue Gesetzesvorlagen, die die Gewinnung
humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlauben, derzeit beraten.
72
ANHANG E: STELLUNGNAHME NR. 15 DER EUROPÄISCHEN
BERATUNGSGRUPPE FÜR ETHIK
STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN BERATUNGSGRUPPE FÜR ETHIK IM
BEREICH DER WISSENSCHAFT UND DER NEUEN TECHNOLOGIEN
Nr. 15
14. November 2000
***************************************************************************************
ETHISCHE ASPEKTE DER ERFORSCHUNG UND VERWENDUNG MENSCHLICHER
STAMMZELLEN
Bezug:
Initiative der Gruppe
Berichterstatter: Anne McLaren und Göran Hermerén
*************************************************************************
Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE),
gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, geändert durch den Vertrag von Amsterdam,
insbesondere auf Artikel 6 (ex-Artikel F) mit Bestimmungen zu den Grundrechten, auf Artikel 152
(ex-Artikel
129)
EG-Vertrag
über
das
Gesundheitswesen,
insbesondere
auf
Artikel 152 Nummer 4 Buchstabe a mit Hinweis auf Substanzen menschlichen Ursprungs, sowie
auf Artikel 163-173 (ex-Artikel 130f-130p) über die Forschung und technologische Entwicklung;
gestützt auf die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 16. Januar 1965 und die geänderte Richtlinie
75/319/EWG vom 20. Mai 1975 über Arzneispezialitäten;
gestützt auf die Richtlinie 90/220/EG vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung
genetisch veränderter Organismen in die Umwelt;
gestützt auf die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte sowie
die Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über
In-vitro-Diagnostika, insbesondere auf Artikel 1 Absatz 4, der Bezug auf die Ethik nimmt und die
Achtung der in dem Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin
verankerten Prinzipien im Hinblick auf die Entnahme, Sammlung und Verwendung von Geweben,
Zellen und Stoffen menschlichen Ursprungs fordert;
gestützt auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998
über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, insbesondere auf Artikel 6 über
bestimmte von der Patentierbarkeit ausgenommene Erfindungen, sowie auf Artikel 7, dem zufolge
die Europäische Gruppe für Ethik "die ethischen Aspekte der Biotechnologie" zu bewerten hat;
gestützt auf den Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember 1998
über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung,
technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002), insbesondere auf Artikel 7 über die
Vereinbarkeit mit den ethischen Grundprinzipien;
73
gestützt auf den Beschluss des Rates vom 25. Januar 1999 über ein spezifisches Programm für
Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration für die Verbesserung der
Lebensqualität und des Managements der Bioressourcen, insbesondere auf die in Anhang II
genannten ethischen Anforderungen;
gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 28. September 2000, die am
14. Oktober 2000 vom Europäischen Rat in Biarritz gebilligt wurde, insbesondere auf Artikel 1
betreffend die “Würde des Menschen”, Artikel 3 betreffend das “Recht auf Unversehrtheit”, in dem
der Grundsatz der "freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung" und das Verbot des
"reproduktiven Klonens von Menschen" verankert sind, sowie auf Artikel 22 betreffend die "Vielfalt
der Kulturen, Religionen und Sprachen";
gestützt auf das am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnete Übereinkommen des Europarats über
Menschenrechte und Biomedizin, insbesondere auf Artikel 18 zur Embryonenforschung, sowie das
am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen über das
Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen;
gestützt auf die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der
Vereinten Nationen vom 11. Dezember 1998, insbesondere auf Artikel 11, der das Verbot des
reproduktiven Klonens von Menschen empfiehlt, sowie auf Artikel 13 betreffend die Verantwortung
der Wissenschaftler und der öffentlichen Entscheidungsträger im Bereich der Wissenschaft;
gestützt auf einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Stammzell- und Embryonenforschung sowie
auf einschlägige Stellungnahmen nationaler Ethikkommissionen in der Europäischen Union;
gestützt auf Berichte des National Bioethics Advisory Committee der Vereinigten Staaten vom
13. September 1999 über "Ethical Issues on Human Stem Cell Research", die diesbezüglichen
Anhörungen im amerikanischen Kongress vom April 2000 sowie die von der Clinton-Administration
am 26. August 2000 veröffentlichten Leitlinien, die 2001 einer wissenschaftlichen Prüfung durch die
National Institutes of Health (NIH) unterzogen werden sollen;
gestützt auf die von der Gruppe am 26. Juni 2000 in Brüssel veranstalteten Rundtischgespräche
mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Rechtssachverständigen, Philosophen,
Naturwissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern, Repräsentanten verschiedener Religionen sowie
Vertretern von Patientenvereinigungen und internationalen Organisationen (Europarat, UNESCO,
WHO);
gestützt auf die Sachverständigen-Anhörungen vom 6. Juni und 2. Oktober 2000 sowie auf die
Anhörungen der Vertreter verschiedener Religionen vom 8. September 2000;
nach Anhörung der Berichterstatter, Anne McLaren und Goran Hermerén,
1 - in Erwägung nachstehender Gründe:
WISSENSCHAFTLICHER SACHVERHALT
1.1
Definition der Stammzellen
Stammzellen sind teilungsfähige Zellen, die entweder identische Zellen oder Zellen eines oder
mehrerer bestimmter differenzierter Typen bilden können. Stammzellen sind noch nicht vollständig
differenziert und können somit ein oder mehrere Gewebe bilden.
1.2
Arten von Stammzellen
Je nach Differenzierungspotential werden drei Arten von Stammzellen unterschieden: progenitorische,
multipotente oder pluripotente Stammzellen.
74
• Progenitorische Stammzellen: Die ausdifferenzierten Zellen dieser Stammzellen bilden nur einen
einzigen Zelltyp; so können sich beispielsweise Epidermisstammzellen oder spermatogene
Stammzellen ausschließlich zu Keratinozyten bzw. Spermatozoen weiterentwickeln.
• Multipotente Stammzellen: Aus diesen Stammzellen können mehrere ausdifferenzierte Zelltypen
entstehen, die ein bestimmtes Gewebe oder Organ bilden. Beispiele sind Hautstammzellen, die
sich zu Epidermiszellen, Schweißdrüsen und Haarfollikeln entwickeln können, hämatopoetische
Stammzellen, aus denen sämtliche Arten von Blutzellen entstehen (Erythrozyten, Lymphozyten,
Antikörper bildende Zellen usw.), und neurale Stammzellen, die sämtliche Zelltypen des
Nervensystems einschließlich Glia sowie die zahlreichen Arten von Neuronen bilden.
• Pluripotente Stammzellen können in vitro sämtliche Zelltypen, jedoch selbst keinen Embryo
bilden. Pluripotente Stammzellen, die aus primordialen Keimzellen des Fetus isoliert werden,
werden als embryonale Keimzellen ("EG-Zellen"), die aus der inneren Zellmasse eines Embryos
im Blastozysten-Stadium isolierten pluripotenten Stammzellen als embryonale Stammzellen ("ESZellen"), bezeichnet.
Die Forscher sind sich bisher nicht über die für diese Arten von Stammzellen zu verwendende
Terminologie einig geworden, da über sie noch nicht viel bekannt ist.
1.3
Merkmale der unterschiedlichen Stammzellen
Progenitorische und multipotente Stammzellen können während der gesamten Lebensdauer
des Organismus fortbestehen. Im Fetus spielen sie eine wesentliche Rolle bei der Bildung von
Gewebe und Organen. Beim Erwachsenen erneuern sie Gewebe, dessen Zellen, z.B. Haut-, Darmund hämatopoetische Stammzellen, nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Ohne Stammzellen
würde das Gewebe unaufhaltsam verschleißen und der Mensch sterben. Die Stammzellen kommen
im Fetus in weitaus größerer Menge vor als beim Erwachsenen. So lassen sich zwar aus
erwachsenem Knochenmark hämatopoetische Stammzellen gewinnen, doch nur in Nabelschnurblut
sind sie reichlich vorhanden.
Pluripotente Stammzellen kommen nicht natürlich im Körper vor und unterscheiden sich darin
von progenitorischen und multipotenten Stammzellen.
1.4
Quellen für Stammzellen
Potentiell können Stammzellen aus dem erwachsenen Organismus und aus Feten und Embryonen
gewonnen werden. Somit ergeben sich drei Arten von Stammzellen:
• Adulte Stammzellen: Der Organismus des Erwachsenen enthält progenitorische und multipotente
Stammzellen. Bei Säugetieren kommen wahrscheinlich rund 20 Arten von somatischen
Stammzellen vor, aus denen Organe und Gewebe wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Knoch en und
Knorpel gebildet werden können, doch sind diese Stammzellen relativ schwer aufzufinden und zu
isolieren. So ist beispielsweise der Zugang zu neuralen Stammzellen begrenzt, da diese im
Gehirn angesiedelt sind. Hämatopoetische Stammzellen kommen im Blut vor, können allerdings
erst nach Stimulierung des Spendermarks "abgeerntet" werden. Insgesamt sind erwachsene
Stammzellen selten und besitzen nicht dasselbe Entwicklungspotential wie embryonale oder fetale
Stammzellen.
• Fetale Stammzellen:
- Hämatopoetische Stammzellen können aus Nabelschnurblut gewonnen werden.
- Aus dem Gewebe von abgetriebenen Feten lassen sich multipotente Stammzellen wie neurale
Stammzellen gewinnen, die aus dem neuralen Gewebe des Fetus isoliert und künstlich vermehrt
werden können, allerdings nur von begrenzter Lebensdauer sind. Aus fetalem Gewebe lassen sich
auch pluripotente EG-Zellen gewinnen, die aus den primordialen Keimzellen des Fetus isoliert
werden.
• Embryonale Stammzellen: Als pluripotente ES-Zellen werden jene bezeichnet, die aus einem
Embryo im Blastozysten-Stadium gewonnen werden. Embryonen könnten entweder durch In-vitro-
75
Fertilisation (IVF) oder durch Verpflanzung eines erwachsenen Zellkerns in ein entkerntes Ei oder
eine Oozyte (Kerntransfer somatischer Zellen) erzeugt werden.
1.5
Menschliche Embryonalentwicklung
• Zwei bis drei Tage nach der Befruchtung besteht ein Embryo aus identischen, totipotenten
Zellen. Jede kann sich zu einem Embryo entwickeln, aus dem beispielsweise eineiige Zwillinge
oder Vierlinge hervorgehen können. Die Zellen sind in keiner Weise spezialisiert und können sich
in jeden beliebigen Zelltyp differenzieren, der an der Bildung des Fetus und der ihn umgebenden
Plazenta und Membrane beteiligt ist.
• Vier bis fünf Tage nach der Befruchtung (Morulastadium) besteht der Embryo immer noch aus
unspezialisierten embryonalen Zellen, aus denen sich aber kein Embryo mehr entwickeln kann.
• Fünf bis sieben Tage nach der Befruchtung (Blastozysten-Stadium) entsteht im Zentrum der
Morula eine Hohlkugel, und die Zellen, die den Embryo bilden, beginnen sich in innere und äußere
Zellen zu differenzieren:
- Die äußeren Zellen bilden die den Fetus umgebenden Gewebe, einschließlich der Plazenta.
- Aus den inneren Zellen (20 bis 30 Zellen) entstehen der Fetus und ein Teil der ihn umgebenden
Gewebe. Werden diese Zellen isoliert und unter Einsatz bestimmter Wachstumsfaktoren gezüchtet,
lassen sich pluripotente ES-Zellen gewinnen. Diese Zellen sind pluri- und nicht totipotent, da sie
sich nicht allein zu einem Embryo entwickeln können. Nach einer Verpflanzung in den Uterus käme
es zu keiner Einnistung und folglich zu keinem Embryo.
ENTWICKLUNG DER FORSCHUNG
1.6
Forschung an Tieren
• Embryonale Stammzellen
Bereits seit über 20 Jahren werden in vitro Forschungen mit embryonalen Stammzellen der Maus
betrieben. Dabei entdeckten die Wissenschaftler rasch die bemerkenswerte Teilungsfähigkeit
dieser Zellen. Einige ES-Zelllinien der Maus werden seit mehr als zehn Jahren gezüchtet und
konnten ihre Differenzierungsfähigkeit bewahren. Inzwischen lässt sich aufgrund von Tiermodellen
mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass multipotente Stammzellen für die somatische Therapie
geeignet sind. Überzeugende Beweise liegen bisher jedoch nur für die aus ES-Zellen gewonnenen
multipotenten somatischen Zellen, nicht für die aus adulten Zellen gewonnenen somatischen
Zellen vor. Neurale differenzierte ES-Zellen der Maus, die einer Ratte einige Tage nach einer
traumatischen Verletzung in die Wirbelsäule eingepflanzt werden, können beispielsweise zur
Bildung von neuem Nervengewebe und dadurch zur (partiellen) Wiederherstellung der
koordinierten Motilität der hinteren Gliedmaßen führen. Ebenso können bestimmte aus sich
differenzierenden ES-Zellen erhaltene Kardiomyozyten nach Transplantation in das Herz
dystrophischer Mäuse Myokardreparaturen bewirken. Ob dieselben Zellderivate, wenn sie aus
adulten Stammzellen gewonnen werden, die in diesen Tiermodellen induzierten Defekte korrigieren
könnten, ist bisher nicht erwiesen.
Ein großer Teil der Forschungsarbeiten an ES-Zellen von Mäusen ist auf die Schaffung
transgener Tiere gerichtet, die insbesondere als Krankheitsmodelle zur Erforschung
humangenetischer Störungen dienen.
• Adulte Stammzellen
Forschungsarbeiten finden auch an erwachsenen Mäuse-Stammzellen statt. Nachdem viele
Forscher bisher angenommen hatten, dass diese Zellen auf die Bildung von bestimmten Geweben
programmiert sind und keine anderen Gewebearten mehr bilden können, deuten neuere
Forschungsergebnisse doch auf eine größere Wandlungsfähigkeit adulter Stammzellen hin.
So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass sich aus neuralen Stammzellen von
Mäusen unter spezifischen Kulturbedingungen Zellen anderer Organe wie Blut, Muskeln, Darm,
76
Leber und Herz entwickeln können. Aus Knochenmarksstromazellen können Astrozyten, eine
nicht-neuronale Art von Zellen des Zentralnervensystems, und aus hämatopoetischen
Stammzellen Myozyten entstehen.
1.7
Erste Transplantationen von menschlichen fetalen Zellen
Stammzellen in Geweben wie Haut oder Blut besitzen während der gesamten Lebensdauer die
Fähigkeit zur Reparatur der Gewebe. Dagegen ist die Regenerationsfähigkeit des Nervensystems
sehr begrenzt, weil sich im erwachsenen Gehirn nur geringe Mengen an neuralen Stammzellen
befinden, die kaum neue Neuronen beispielsweise zur Reparatur von Verletzungen bilden können.
Nach vielversprechenden Ergebnissen in Experimenten mit Nagetieren und Primaten wurden in den
letzten zehn Jahren vor allem in Schweden und den USA klinische Versuche mit rund
200 Parkinson-Kranken durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Transplantation von neuralen
Zellen aus dem menschlichen Fetus einen therapeutischen Nutzen bewirken und die
Krankheitssymptome bei den Betroffenen signifikant verringern kann. Die Dauer der klinischen
Besserung betrug zwischen sechs und 24 Monaten, in Einzelfällen fünf bis zehn Jahre nach der
Transplantation. Unlängst wurde nachgewiesen, dass die verpflanzten neuralen Zellen noch zehn
Jahre nach dem Eingriff lebten und das im Gehirn von Parkinson-Patienten unzureichend vorhandene
Dopamin produzierten.
Dieser Therapieansatz ist allerdings noch rein experimentell. Zudem steht nur sehr wenig neurales
fetales Gewebe zur Verfügung. Für die Behandlung eines einzigen Parkinson-Kranken sind immerhin
fünf bis sechs abgetriebene Feten erforderlich. Deshalb wurden in einigen Ländern, wie USA und
Schweden, neue Quellen für neurale Zellen erforscht. Ziel ist es, fetale neurale Stammzellen zu
gewinnen, die in Kultur zur Vermehrung angeregt werden und wesentlich größere Mengen an
neuralem Gewebe bilden können, das für Transplantationen zur Verfügung stünde.
1.8
Transplantation menschlicher hämatopoetischer Stammzellen
Menschliche hämatopoetische Stammzellen werden routinemäßig Leukämie-Kranken oder Personen
mit aplastischer Anämie infolge einer Chemotherapie transplantiert, damit die Produktion der
Blutzellen wieder aufgenommen werden kann. Für hämatopoetische Stammzellen gibt es zwei
Quellen:
• Adulte Stammzellen: Sie werden dem Knochenmark eines Spenders oder des Patienten selbst
(vor der Chemotherapie) unter Anästhesie entnommen. Hämatopoetische Stammzellen lassen
sich auch unmittelbar aus dem Blut gewinnen; dazu müssen die Zellen angeregt werden, aus dem
Knochenmark aus- und in den Blutkreislauf einzutreten.
• Fetale Stammzellen: Hämatopoetische Stammzellen lassen sich aus dem Nabelschnurblut
Neugeborener gewinnen; dabei muss allerdings gewährleistet sein, dass das Neugeborene selbst
eine ausreichende Menge an Nabelschnurblut erhält. Es gibt bereits Nabelschnur-Blutbanken, die
die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen erleichtern sollen. Inzwischen werden sogar
Überlegungen zu einer routinemäßigen Entnahme und Kryokonservierung von Nabelschnurblut
bei der Geburt angestellt, damit bei Bedarf autologe Stammzellen zur Verfügung stehen. Bei
fetalen Stammzellen ist das Risiko einer Abstoßung geringer als bei erwachsenen Stammzellen.
1.9
Entdeckungen an menschlichen Stammzellen
Ende der siebziger Jahre ermöglichten Fortschritte bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung erstmals
die Geburt eines Kindes nach In-vitro-Fertilisation. Da es nunmehr möglich ist, menschliche
Embryonen im Rahmen einer Infertilitätsbehandlung im Reagenzglas zu erzeugen, kann jetzt die
menschliche Embryogenese nach der Fertilisation erforscht werden. Daraus lassen sich neue
Erkenntnisse über das Verhalten und die Merkmale embryonaler Zellen in einem sehr frühen
Entwicklungsstadium gewinnen.
77
Seit 1998 besteht die Möglichkeit, embryonale und fetale pluripotente Stammzellen des
Menschen zu gewinnen und zu kultivieren, ein Verfahren, das nie zuvor mit menschlichen Zellen
erfolgreich war. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der University of Wisconsin in Madison (USA)
teilte im November 1998 mit, dass es gelungen war, Zellen aus 14 menschlichen Blastozysten,
gewonnen aus in vitro erzeugten gespendeten überzähligen Embryonen, zu isolieren und über
mehrere Monate in Kultur zu halten. Die Gruppe stellte fünf embryonale ES-Zelllinien her, die sich
fortlaufend weiterentwickeln ließen, ohne dass sie ihre Fähigkeit zur Differenzierung in die
unterschiedlichen Zelltypen des Körpers verloren. Gleichzeitig berichteten Forscher von der Johns
Hopkins University in Baltimore (USA), dass sie fetale primordiale Keimzellen aus den Gonaden von
abgetriebenen Feten gewonnen und zwecks Erzeugung von EG-Zellen kultiviert hatten. Aus diesen
Zellen erhaltene Zelllinien wurden über viele Monate weitergezüchtet und behielten wie die ESZelllinien ihr Differenzierungspotential.
1999 ergab die Forschung an erwachsenen Stammzellen, dass ihre Plastizität weitaus höher ist als
bislang angenommen. Es wurde berichtet, dass aus reifen neuralen Stammzellen gelegentlich andere
Zelltypen einschließlich Blutzellen entstehen können. Wie Forschungsarbeiten an der University of
Minnesota in Minneapolis (USA) gezeigt haben, konnten sich aus dem Knochenmark von
Erwachsenen oder Kindern entnommene Zellen zu neuralen oder Muskelzellen entwickeln.
Knochenmarkszellen mit dieser außerordentlichen Fähigkeit sind allerdings extrem selten. In jedem
Fall müssen diese Forschungsergebnisse noch erhärtet werden.
Die große Zukunftsherausforderung besteht darin, die Differenzierung von menschlichen
Stammzellen zu steuern. Wie die Forschung an Tieren gezeigt hat, kann durch Kultivierung von
Stammzellen unter Verwendung bestimmter chemischer Substanzen, bezeichnet als
"Wachstumsfaktoren", eine Differenzierung spezifischer Zelltypen induziert werden. Die Experimente
an menschlichen Stammzellen sind noch nicht sehr weit fortgeschritten, doch bilden Versuche zur
Steuerung der Differenzierung derzeit einen aktiven Forschungsschwerpunkt.
1.10 Relevanz und Aussichten der Stammzellforschung
Die Stammzellforschung wird u.a. für folgende Bereiche von Nutzen sein:
• Grundlagen der Entwicklungsbiologie: Die Kultivierung menschlicher Stammzellen ermöglicht
Einsichten, die sich nicht unmittelbar am menschlichen Embryo untersuchen lassen oder an
Tiermodellen verständlich werden. So hat die Grundlagenforschung an Stammzellen dazu
beigetragen, die Ursachen von Geburtsschäden, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten aufzuhellen.
Sie könnte auch das Verständnis der normalen menschlichen Entwicklung und von
Entwicklungsanomalien erleichtern.
• Erforschung von Krankheiten des Menschen am Tiermodell. In ES-Zellen von Mäusen lassen
sich beispielsweise mit bestimmten Krankheiten assoziierte mutierte menschliche Gene
einbringen; diese Zellen werden sodann zur Herstellung von transgenen Mäusen verwendet.
Kommt in den Mäusen die menschliche Krankheit zum Ausdruck, bestätigt dies die Hypothese,
dass das Gen bei der Ätiologie dieser Krankheit eine Rolle spielt. Diese Strategie liefert außerdem
ein homologes Tiermodell der menschlichen Krankheit, das zumeist eine wesentlich bessere
Prognose für den Menschen zulässt als die herkömmlichen Tiermodelle. Besonders eindrucksvoll
ist, dass diese Methode für die Erforschung der Alzheimerschen Krankheit eingesetzt wird.
• Kultivierung
von
spezifischen
differenzierten
Zelllinien
zur
Verwendung
in
pharmakologischen Studien und toxikologischen Versuchen. Hier bestehen die größten
Aussichten auf die baldige biomedizinische Anwendung, die ein rasches Screening
Hunderttausender von Chemikalien ermöglichen wird. Durch Messungen wird sich ermitteln
lassen, wie reine Populationen spezifischer differenzierter Zellen auf potentielle Medikamente
reagieren; entsprechend können Medizinprodukte dann als nützlich oder problematisch für die
Anwendung in der Humanmedizin eingestuft werden.
• Einsatz von Stammzellen in der Gentherapie. Stammzellen könnten als Vektoren in der
Gentherapie genutzt werden. Gegenwärtig werden im Rahmen klinischer Versuche
hämatopoetische Stammzellen eingesetzt, die genetisch modifiziert werden, damit sie eine
Resistenz gegen das AIDS-Virus (HIV) entwickeln.
78
• Erzeugung von spezifischen Zelllinien zur therapeutischen Transplantation. Sofern
realisierbar, bestünden hier die besten Aussichten für die therapeutische Nutzung von ES-Zellen.
In derzeit laufenden Forschungsarbeiten (überwiegend an der Maus) wird versucht, die
Differenzierung pluripotenter Stammzellen auf die Erzeugung reiner Populationen bestimmter
Zelltypen hin zu steuern, die für die Reparatur von krankem oder geschädigtem Gewebe
verwendbar wären. Auf diese Weise könnten beispielsweise Herzmuskelzellen in der Behandlung
ischämisch bedingter Herzkrankheiten, pankreatische Inselzellen in der Behandlung von Diabetes
(juvenile Form des Diabetes mellitus), Leberzellen zur Hepatitisbehandlung und Nervenzellen in
der Behandlung neurodegenerativer Krankheiten wie Parkinson und möglicherweise sogar Zellen
zur Behandlung bestimmter Krebsformen eingesetzt werden. Die Transplantation von
Stammzellen könnte z.B. auch im Falle von Wirbelsäulenverletzungen praktiziert werden, die
häufig durch Traumata (wie Autounfälle) hervorgerufen werden und zu Querschnittslähmung
führen. Die Ergebnisse dieser Art von Zelltherapie bei Tieren geben Anlass zu Hoffnung, doch ist
die klinische Anwendung noch auf lange Zeit nicht absehbar. Bis eventuell vollständige
Organe in vitro erzeugt werden können, wird es möglicherweise noch Jahrzehnte dauern; kann
man aber Gewebe erzeugen, mit dem sich Organe heilen lassen, würde dies wesentlich dazu
beitragen, den derzeit nicht zu deckenden Bedarf an Spenderorganen für Transplantationen zu
verringern. Sollte sich eine potentiell unbegrenzte Quelle für spezifische, klinisch wichtige Zellen
wie Knochen-, Muskel-, Leber- oder Blutzellen erschließen lassen, könnte der Einsatz von
menschlichen Stammzellen den Weg zu einer neuen "regenerativen Medizin" ebnen.
1.11 Argumente für den Kerntransfer somatischer Zellen
Abgesehen von seiner Bedeutung für die Grundlagenforschung gilt der Kerntransfer somatischer
Zellen in der "regenerativen Medizin" als eine Möglichkeit zur Vermeidung immunologischer
Probleme nach der Transplantation. Mitunter gelingt es, neurales Gewebe von einem Menschen auf
einen anderen zu übertragen, ohne dass es dabei zu einer immunologisch bedingten Abstoßung
kommt. Bei allen übrigen Geweben müsste die Stammzelltherapie jedoch mit einer
Langzeitbehandlung mit Immunosuppressiva einhergehen, die ein größeres Infektions- und sogar
Krebsrisiko bedeuten.
• Ein mögliches Vorgehen zur Umgehung immunologischer Reaktionen bietet das genetische
Engineering der Stammzellen mit dem Ziel, die Bildung von Antikörpern zu unterdrücken, oder die
immunologische Manipulation des Patienten zur Erhöhung seiner Toleranz.
• Einen anderen Ansatz bietet der Kerntransfer somatischer Zellen. Dabei werden den Körperzellen
des Patienten entnommene Zellkerne in unbefruchtete entkernte Spendereizellen menschlicher
oder sogar tierischer Herkunft eingebracht. Würden diese rekonstruierten Eizellen beispielsweise
elektrisch stimuliert, damit sie sich zu Blastozysten entwickeln, könnten aus ihnen pluripotente
Stammzellen gewonnen werden, die mit dem Patienten genetisch identische Zellen bilden. Eine
Abstoßung der übertragenen Zellen wäre folglich ausgeschlossen.
• Durch eine damit verwandte Methode könnten Menschen geklont werden, wenn die
rekonstruierten Embryonen in den Uterus eingepflanzt würden. Dies ist allerdings nach dem
Gemeinschaftsrecht, wie auch den Rechtsordnungen der meisten europäischen Staaten,
verboten.
1.12 Mögliche Herkunftsquellen für Embryonen in Ländern, die Embryonenforschung
zulassen
• "Überzählige Embryonen", die im Rahmen der Infertilitätsbehandlung zwecks Verbesserung der
Erfolgsaussichten erzeugt und nicht mehr gebraucht werden. Sie werden normalerweise zerstört,
können aber von den betreffenden Paaren auch der Forschung gespendet werden.
• Forschungsembryonen: ausschließlich zu Forschungszwecken erzeugte Embryonen. Die
Erzeugung kann auf zweierlei Arten erfolgen:
- mit gespendeten Gameten, d.h. durch In-vitro-Fertilisation einer menschlichen Oozyte mit einer
menschlichen Samenzelle,
79
- durch Embryo-Splitting oder Zellkerntransfer. Bei Letzterem wird der Kern einer adulten
somatischen Zelle in eine entkernte menschliche Oozyte eingebracht (gelegentlich
fälschlicherweise als "Embryo-Klonen" oder "therapeutisches Klonen" bezeichnet).
RECHTLICHER HINTERGRUND
1.13 Rechtslage in den Mitgliedstaaten
Auf nationaler Ebene ist die Stammzellforschung als solche rechtlich nicht geregelt.
Für die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist daher auf die allgemeinen Rechtsvorschriften
zur Embryonenforschung Bezug zu nehmen. Diesbezüglich stellt sich die Lage in den
Mitgliedstaaten unterschiedlich dar:
- Irland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, dessen Verfassung das Lebensrecht des "Ungeborenen"
bekräftigt und dieses Recht dem der Mutter gleichsetzt.
- In einigen Mitgliedstaaten (Belgien und die Niederlande) gibt es keine Vorschriften zur
Embryonenforschung; in diesen Ländern findet Embryonenforschung statt. Auch Portugal verfügt
über keine einschlägigen Vorschriften, doch wird in dem Land offenbar keine Embryonenforschung
betrieben. Allem Anschein nach findet auch in Italien keine Embryonenforschung statt, doch ist die
Technik der künstlichen Fortpflanzung weit verbreitet.
- In Ländern, die Rechtsvorschriften zur Embryonenforschung erlassen haben, ist entweder
jegliche Art von Embryonenforschung verboten (Deutschland, Österreich) oder nur unter
bestimmten Bedingungen zugelassen (Finnland, Schweden, Spanien und Vereinigtes Königreich).
In Frankreich ist Embryonenforschung noch verboten. Das Gesetz lässt aber Untersuchungen am
Embryo und die Präimplantationsdiagnostik zu; die Unversehrtheit des Embryos darf dadurch nicht
in Frage gestellt werden.
- In einigen Ländern waren die Verfassungsgerichte mit der Frage der Verwendung menschlicher
Embryonen befasst (Entscheidung des französischen Verfassungsgerichts vom 27. Juli 1994 zur
Bioethik; Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts vom 10. Juli 1999 zu
Rechtsvorschriften zur assistierten Fortpflanzung).
In zahlreichen europäischen Ländern ändert sich gegenwärtig die Rechtslage. Neue Gesetze
werden ausgearbeitet, um insbesondere den Herausforderungen, die sich durch die
Stammzellforschung stellen, gewachsen zu sein.
- Einige Länder entwerfen Vorschriften, die die Forschung an Stammzellen, die aus überzähligen
Embryonen nach In-vitro-Fertilisation gewonnen werden, zulassen (Niederlande).
- Gesetzesentwürfe anderer Länder sehen die Erzeugung von Embryonen durch Zellkerntransfer
einzig für die Zwecke der Stammzellforschung vor. Dies ist der Fall in Belgien und dem Vereinigten
Königreich. (Im VK wurde die Schaffung von Embryonen für Forschungszwecke erlaubt, doch
muss die Forschung mit Infertilitätsbehandlung, Empfängnisregelung oder der Vermeidung von
Erbkrankheiten in Zusammenhang stehen.) In Frankreich werden neue Rechtsvorschriften
vorbereitet.
1.14 Europäische Rechtsvorschriften
Auf Ebene des Europarats: Nach Artikel 18 des Übereinkommens über Menschenrechte und
Biomedizin, das 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde, kann jeder Staat nach eigenem Ermessen
Embryonenforschung erlauben oder verbieten. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein: ein
"angemessener Schutz des Embryos" muss gewährleistet sein, d.h. der Staat muss
Rechtsvorschriften erlassen, in denen die Bedingungen und Grenzen dieser Forschung festgelegt
sind, und "die Erzeugung menschlicher Embryonen für Forschungszwecke" muss verboten sein. Zur
Einhaltung des Übereinkommens sind nur jene Länder verpflichtet, deren Parlamente die Konvention
ratifiziert haben. In der Europäischen Union haben bisher nur drei Staaten das Verfahren
abgeschlossen, einige andere werden es in absehbarer Zeit tun.
80
Auf EU-Ebene besteht keine Rechtsetzungsbefugnis im Forschungsbereich, auch wenn in
einigen Richtlinien die Frage der Embryonenforschung und Verwendung von Embryonen
berührt wird: So bestimmt die Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer
Erfindungen (Patentierung von Leben), dass "Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen"
und "Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" als
"nicht patentierbar" gelten. Im Sinne der Richtlinie 97/79/EG über In-vitro-Diagnostika (therapeutische
Nutzung von menschlichem Gewebe) "unterliegt die Entnahme, Sammlung und Verwendung von
Gewebe, Zellen und Stoffen menschlichen Ursprungs in ethischer Hinsicht den Grundsätzen des
Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im
Hinblick auf die Anwendung der Biologie und der Medizin und den einschlägigen Regelungen der
Mitgliedstaaten."
Ebenfalls auf EU-Ebene: Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die am
13. Oktober 2000 vom Europäischen Rat in Biarritz (Frankreich) gebilligt wurde, verbietet einige
Praktiken, die einen möglichen Bezug zur Embryonenforschung aufweisen können, namentlich
"eugenische Praktiken, insbesondere diejenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben"
sowie "das reproduktive Klonen von Menschen".
1.15 Von anderen Ländern verfolgte Ansätze in der Embryonen- und Stammzellforschung
In den Vereinigten Staaten stellt sich die Lage anders als in Europa dar. Ein wesentlicher
Unterschied ergibt sich daraus, dass eine klare Trennung zwischen dem öffentlichen und dem
privaten Sektor besteht. Seit 1995 enthält das Haushaltsgesetz, das alljährlich vom Kongress
verabschiedet wird, eine Bestimmung, die die Bereitstellung öffentlicher Gelder für die
Embryonenforschung untersagt. Folglich können die National Institutes of Health keine
Embryonenforschung betreiben, die mangels entsprechender Gesetze frei und Sache des keiner
Kontrolle unterliegenden Privatsektors ist.
Nachdem es bei der Kultivierung menschlicher Stammzellen zu neuen Entdeckungen kam, wurde die
Debatte
1998 wieder aufgenommen. Das National Bioethics Advisory Committee legte im
September 1999 einen Bericht zu dieser Problematik vor, im zuständigen Kongress-Ausschuss
fanden 1999 und 2000 mehrere Anhörungen statt. Schließlich regte die Clinton-Administration an,
unter bestimmten Bedingungen die Finanzierung von Forschungstätigkeiten zur Gewinnung und
Untersuchung von humanen embryonalen Stammzellen zuzulassen. Im August 2000 veröffentlichten
die NIH neue Leitlinien, die die staatliche Unterstützung der Forschung an menschlichen embryonalen
Stammzellen unter zwei Voraussetzungen zulassen. Zum einen müssen die Zellen aus gefrorenen
Embryonen entnommen werden, die bei der Infertilitätsbehandlung in spezialisierten Kliniken anfallen
und in jedem Fall vernichtet würden; zum anderen dürfen keine staatlichen Mittel für die Vernichtung
der Embryonen zur Gewinnung von Zellen verwendet werden; die öffentlich geförderte Forschung ist
also auf Embryonen angewiesen, die ihnen aus Privatmitteln unterstützte Forscher zur Verfügung
stellen.
ETHISCHER HINTERGRUND
1.16 Ethische Grundfragen der Stammzellforschung
Die Forschung an menschlichen Stammzellen verdeutlicht den Wertekonflikt in der Bioethik.
Für die Forschung sprechen die Aussichten auf neue, wenn auch vielleicht erst in ferner Zukunft
realisierbare Behandlungsmethoden und insbesondere die Alternative zur Organ- und
Gewebespende. Werden bei der Forschung menschliche Embryonen verwendet, stellt sich
andererseits die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen
dieser Forschung. Die Embryonenforschung wurde bereits eingehend im Kontext der
Forschungsarbeiten zur Verbesserung der In-vitro-Fertilisation als Behandlung der Unfruchtbarkeit
diskutiert. Die Forschung an embryonalen Stammzellen wirft zusätzliche ethische Fragen auf, die
Folgendes berühren:
Neue Arten von Forschung am menschlichen Embryo. Bislang waren Forschungsarbeiten, bei
denen Embryonen "verbraucht" werden, allenfalls streng auf die Bereiche Reproduktion,
Kontrazeption oder genetische Krankheiten begrenzt. Die Forschung an humanen Stammzellen
erstreckt sich auf ein wesentlich breiteres Gebiet.
81
Die Verwendung von ES-Zellen und Stammzelllinien für therapeutische Zwecke. Bisher wurden
menschliche Embryonen, die für Forschungszwecke genutzt wurden, nach Abschluss der Arbeiten
zerstört, also nicht mehr in der Infertilitätsbehandlung verwendet. Übrig blieben einzig neue
Erkenntnisse. Bei der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen geht es hingegen um die
Erzeugung von Zelllinien mit bestimmten Reinheits- und Spezifizitätsmerkmalen. Die Kontinuität vom
Embryo bis hin zu dem durch Kultur gewonnenen therapeutischen Material ist die Folge.
Die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Dieses heikle Thema steht nun erneut zur
Debatte, da sich für ein solches Vorgehen wissenschaftliche Argumente anführen lassen. So bietet
sich die Möglichkeit, Stammzellen zu erzeugen, die mit denen des Patienten identisch sind, so dass
das Problem der Abstoßung in der "regenerativen Medizin" künftig vermieden werden kann.
Gleichzeitig ergeben sich durch die Erzeugung von menschlichen Embryonen neue ethische
Fragestellungen. Die Vertretbarkeit der Stammzellforschung hängt nicht nur von den damit verfolgten
Zielen, sondern auch von der Herkunft der Stammzellen ab. Jede dieser Quellen wirft teilweise
unterschiedliche ethische Fragen auf. Für Gegner der Embryonenforschung ist diese Unterscheidung
insgesamt unannehmbar, während sie für diejenigen, die Embryonenforschung für zulässig halten,
große Bedeutung hat.
1.17 Ethische Aspekte der Transplantation von Stammzellen
Die klinische Forschung wie auch die potentiellen künftigen Anwendungen in diesem Bereich
konfrontieren uns mit den gleichen ethischen Fragen, die die Gruppe in ihrer Stellungnahme
"Humangewebe: Ethische Aspekte der Gewebebanken" (21.7.1998) behandelt hat, d.h. Achtung des
Patienten, der über die Verwendung der Spenderzellen aufzuklären ist und dem es dann frei steht,
seine Einwilligung zu geben, Achtung der Autonomie der Patienten, Recht auf Sicherheit und Schutz
der Privatsphäre sowie Recht auf fairen und gleichberechtigten Zugang zu neuen Therapien.
2 - STELLUNGNAHME
Die Gruppe gibt folgende Stellungnahme ab:
GELTUNGSBEREICH DER STELLUNGNAHME
2.1
Ethische Fragen der Stammzellforschung und ihrer Nutzung für klinische Zwecke
Gegenstand der Stellungnahme ist die Auseinandersetzung mit den ethischen Fragen der
Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen im Rahmen der Forschungspolitik und der
gesundheitspolitischen Kompetenz der Europäischen Union, deren Ziel es ist, die menschliche
Gesundheit zu verbessern und hohe Standards für die Sicherheit von Substanzen menschlicher
Herkunft festzulegen.
Die besonderen ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Patentierung von Erfindungen, bei
denen menschliche Stammzellen verwertet werden, waren für Präsident Prodi Anlass, am 18. Oktober
eine Stellungnahme der Beratergruppe anzufordern, die zu einem späteren Zeitpunkt in Brüssel
veröffentlicht wird. Deshalb wird die Frage der Patentierbarkeit noch nicht in dieser Stellungnahme
behandelt.
ALLGEMEINER ANSATZ
2.2
Wesentliche ethische Grundsätze
Einige der fundamentalen Prinzipien, die in diesem Bereich zum Tragen kommen, wurden von der
EGE bereits in früheren Stellungnahmen ausgeführt, insbesondere folgende:
-Achtung der Menschenwürde
-Autonomie des Betreffenden (einschließlich der Einwilligung nach
Aufklärung, Achtung der Privatsphäre, Vertraulichkeit personenbezogener Daten)
- Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere was die Verbesserung der Gesundheit und den
Gesundheitsschutz anbelangt)
- Freiheit der Forschung (die gegen andere wesentliche Grundsätze abgewägt werden muss)
82
- Verhältnismäßigkeit (die Forschungsmethoden müssen zum Erreichen der verfolgten Ziele
erforderlich sein, und es stehen keine annehmbareren Methoden zur Verfügung).
Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht ausgerichteten
Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie deren Verwendung für
den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen.
2.3
Pluralismus und europäische Ethik
Pluralismus, ein besonderes Merkmal der Europäischen Union, spiegelt den Reichtum ihrer
Traditionen wider und erfordert gegenseitige Achtung und Toleranz. Die ethische Dimension des
Aufbaus einer demokratischen europäischen Gesellschaft impliziert die Achtung
unterschiedlicher philosophischer, moralischer und rechtlicher Konzepte sowie verschiedener
Kulturen.
In rechtlicher Hinsicht steht die Achtung des Pluralismus in Einklang mit Artikel 22 ("Vielfalt der
Kulturen, Religionen und Sprachen") der EU-Grundrechtscharta und mit Artikel 6 des Vertrags von
Amsterdam, der auf Unionsebene den Schutz der Grundrechte insbesondere nach Maßgabe
internationaler Rechtsinstrumente und der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen gewährleistet
und die notwendige Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten herausstellt.
GRUNDLAGENFORSCHUNG AN MENSCHLICHEN STAMMZELLEN
2.4
Wesentliche Forderungen je nach der Herkunft der Stammzellen
• Für die Gewinnung von erwachsenen Stammzellen gelten die gleichen Bedingungen wie für die
Gewebespende, d.h. die Achtung der körperlichen Unversehrtheit des Spenders und die frei und
nach Aufklärung erteilte Einwilligung.
• Voraussetzung für die Entnahme von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut des Neugeborenen
ist die Information der Spender (der betreffenden Frau bzw. des betreffenden Paares) über die
mögliche Verwendung für diesen bestimmten Forschungszweck sowie deren Einwilligung.
• Voraussetzung für die Entnahme von fetalem Gewebe zur Gewinnung von Stammzellen ist neben
der nach Aufklärung erteilten Einwilligung, dass kein Abbruch eingeleitet wird, um Gewebe zu
gewinnen, und dass die geplante Entnahme weder den Zeitpunkt des Abbruchs noch die gewählte
Methode beeinflusst.
• Die Gewinnung von Stammzellen aus embryonalen Blastozysten wirft die Frage nach dem
ethischen Status des menschlichen Embryos auf. Vor dem Hintergrund der in Europa
herrschenden Pluralität liegt es im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten, Embryonenforschung
zu verbieten oder zuzulassen. Im letzteren Fall erfordert das Gebot der Achtung der Menschwürde
besondere Vorschriften für die Embryonenforschung sowie Garantien gegen willkürliche Versuche
und die Instrumentalisierung menschlicher Embryonen.
2.5
Ethische Vertretbarkeit dieses Forschungsgebiets
Die Gruppe stellt fest, dass einige Länder Embryonenforschung verbieten. Wo diese Forschung zur
Verbesserung der Infertilitätsbehandlung aber zugelassen ist, spricht kaum etwas gegen die
Ausweitung des Rahmens dieser Art von Forschung, da sie auf neue Methoden für die
Behandlung schwerer Krankheiten oder Schädigungen abzielt. Ebenso wie die Infertilitätsforschung ist
auch die Stammzellforschung auf die Linderung großen menschlichen Leidens ausgerichtet. Die
Zerstörung der für die Forschung verwendeten Embryonen ist dabei unabwendbar. Folglich lässt sich
kein
Argument
gegen
die
Finanzierung
dieser
Art
von
Forschung
aus
dem
Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen, solange sichergestellt ist, dass die
Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und rechtlichen Anforderungen entspricht.
2.6
Öffentliche Kontrolle der Forschung an embryonalen Stammzellen
Die Beratergruppe hält es für unerlässlich, darauf hinzuweisen, wie heikel die Verwendung
embryonaler Stammzellen ist, da sich durch diese Praxis unsere Sichtweise von der dem
menschlichen Embryo gebührenden Achtung verändern könnte.
83
Nach Auffassung der Gruppe muss die ES-Forschung in Ländern, in denen sie zugelassen ist, einer
strengen öffentlichen Kontrolle durch eine zentralisierte Einrichtung, beispielsweise in der Art
der britischen Zulassungsbehörde (Human Fertilisation and Embryology Authority) unterstellt werden.
Außerdem ist zu gewährleisten, dass Genehmigungen für derartige Forschungsarbeiten äußerst
selektiv und nur im Einzelfall erteilt werden. Dabei ist für größtmögliche Transparenz Sorge zu tragen.
Dies hat in gleicher Weise für Forschungen öffentlicher oder privater Einrichtungen zu gelten.
2.7
Alternativen zur Erzeugung von Embryonen für die Stammzellforschung
Die Beratergruppe hält die Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken für bedenklich,
da dies einen weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet.
• Für die Gruppe ist die Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung
von Stammzellen ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen als Quelle zur
Verfügung stehen.
• Die Gruppe nimmt zur Kenntnis, dass der Kerntransfer somatischer Zellen im Hinblick auf das
Ziel relevant ist, die Voraussetzungen für die "Umprogrammierung" von erwachsenen
Stammzellen zu untersuchen. Ihr ist bewusst, dass mit Blick auf eine künftige Zelltherapie die
Erzeugung von Embryonen mit Hilfe dieser Technik möglicherweise das wirkungsvollste
Verfahren zur Gewinnung pluripotenter, mit den Zellen des Patienten genetisch identischer
Stammzellen und somit zur Gewinnung völlig histokompatibler Gewebe darstellt, so dass die
Abstoßung nach einer Transplantation vermieden werden kann. Diese noch vagen
therapeutischen Aussichten sind jedoch gegen die Gefahr einer Trivialisierung der
Verwendung von Embryonen und die Gefahr, dass Frauen als mögliche Lieferantinnen von
Oozyten unter Druck gesetzt und somit zunehmend instrumentalisiert werden, abzuwägen.
Angesichts der Tatsache, dass die Erfolgsquote beim Kerntransfer somatischer Zellen
gegenwärtig außerordentlich gering ist, wären große Mengen weiblicher Oozyten für die
Schaffung von Zelllinien erforderlich.
• Die Gruppe vertritt die Ansicht, dass bei einer derart sensiblen Materie das
Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Konzept der Vorsicht zum Tragen kommen müssen. Es
genügt nicht zu prüfen, inwieweit das Ziel, menschliches Leiden zu vermindern, legitim ist, wenn
nicht auch die angewandten Mittel einer strengen Prüfung unterzogen werden. Besonders die in
die regenerative Medizin gesetzten Erwartungen sind noch äußerst spekulativ und unter
Wissenschaftlern umstritten. Die Gruppe mahnt daher zur Zurückhaltung. Ihrer Auffassung nach
wäre die Erzeugung von Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen derzeit
insofern verfrüht, als sich der Wissenschaft ein weites Feld für Forschungen mit alternativen
Quellen für menschliche Stammzellen (überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte
Stammzellen) bietet.
2.8
Stammzellforschung als Bestandteil des europäischen Forschungsrahmenprogramms
Die Gemeinschaft sollte für die Stammzellforschung, bei der alternative Quellen (überzählige
Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen
Forschungshaushalt vorsehen. Die Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der
Validität der jüngsten Erfindungen zum Differenzierungspotential von erwachsenen
Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte zur Auflage machen, dass die gewonnenen
Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten
werden.
Auf europäischer Ebene kommt der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem
Forschungsrahmenprogramm
besondere
Verantwortung
als
Finanzgeber
für
ESForschungsvorhaben zu. Daher müssen geeignete Verfahren entwickelt und genügend Mittel zur
Verfügung gestellt werden, damit nicht nur vor dem Anlaufen solcher Vorhaben, sondern auch in der
Überwachungsphase eine Bewertung unter ethischen Aspekten gesichert ist.
2.9
Stammzellforschung und Frauenrechte
Durch die laufenden Forschungsarbeiten wird uns bewusst, welch hohem psychischen und
physischen Druck Frauen ausgesetzt sind, die sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen.
84
Die Gruppe weist auf die Notwendigkeit hin, sicherzustellen, dass Frauen durch die Nachfrage
nach überzähligen Embryonen und Eizellenspenden nicht noch mehr belastet werden.
KLINISCHE FORSCHUNG AN MENSCHLICHEN STAMMZELLEN
In der ganzen Welt entwickelt sich die Forschung rasant auf Experimente mit Stammzellen in
Patienten zu (auch wenn Versuche mit der Transplantation von embryonalen Stammzellen in
absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich sind). Klinische Versuche mit anderen als embryonalen
Stammzellen, die an Patienten z.B. mit der Parkinsonschen Krankheit, Herzkrankheiten oder Diabetes
durchgeführt werden, setzen eine Auseinandersetzung mit folgenden Aspekten voraus:
2.10 Freie und nach Aufklärung erteilte Einwilligung
Die freie Einwilligung nach Aufklärung muss nicht nur vom Spender, sondern auch vom Empfänger
erteilt werden, wie die Beratergruppe in ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998)
feststellte. In jedem Fall ist der Spender (die Frau bzw. das Paar) über die mögliche Verwendung der
embryonalen Zellen für den hier diskutierten spezifischen Zweck zu informieren, bevor um die
Einwilligung ersucht wird.
2.11 Abwägung von Risiko und Nutzen
Das Abwägen von Risiko und Nutzen ist bei der Stammzellforschung, wie bei jeder anderen
Forschung auch, unerlässlich, nur sind die Schwierigkeiten hier wegen der noch vorhandenen
Wissenslücken und der damit einhergehenden Unsicherheit ungleich größer. Um die Risiken auf ein
Mindestmaß zu begrenzen und den Nutzen zu steigern, müssten die Sicherheitsstrategien optimiert
werden. Es genügt nicht, die kultivierten Stammzellen oder die aus ihnen gewonnenen Gewebe auf
Bakterien, Viren oder Toxizität zu testen. Wenn es um die Transplantation von genetisch modifizierten
Zellen und die Gewinnung von Stammzellen aus somatischen Zellen geht, ist es von allergrößter
Bedeutung, dass sämtliche Sicherheitsaspekte geprüft werden. So ist beispielsweise das Risiko, dass
durch transplantierte Zellen Anomalien hervorgerufen oder das Entstehen von Tumoren oder Krebs
begünstigt werden, abzuwägen. Der potentielle Nutzen für den Patienten sollte auf jeden Fall in
Erwägung gezogen, jedoch nicht überbewertet werden. Die Gründe, die für ein vorsichtiges Vorgehen
sprechen, sind zu berücksichtigen.
2.12 Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Versuchen teilnehmen
Es ist erforderlich, bei klinischen Anwendungen der Stammzellforschung das Risiko irreversibler und
gegebenenfalls schädlicher Veränderungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Wenn möglich,
sollten stets Techniken angewandt werden, die Aussichten auf Reversibilität bieten. Würden bei der
Transplantation beispielsweise genetisch modifizierte Zellen, die eine Stimulierung des
Nervenwachstumsfaktors bewirken sollen, eingekapselt, könnte das Verfahren im Falle von
Problemen rückgängig gemacht werden.
2.13 Wissenschaftliche Bewertung der Verwendung von Stammzellen zu therapeutischen
Zwecken
Es sind dringend Strategien und besondere Anforderungen für die optimale Bewertung einer ethisch
unbedenklichen Nutzung von Stammzellen als therapeutisches Mittel (z.B. in der Gentherapie oder für
Transplantationen) zu entwickeln. Eine solche Evaluierung sollte gemeinsam mit der Europäischen
Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln vorgenommen werden.
2.14 Anonymität der Spende
Es muss alles Notwendige getan werden, um bei der Stammzellforschung und -verwendung die
Identität von Spender und Empfänger zu schützen und zu wahren. Wie die Beratergruppe dazu in
ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte, verbietet die "Anonymität der
Gewebespende die Offenlegung von Informationen, die es ermöglichen, den Spender bzw. den
Empfänger zu identifizieren. In der Regel dürfen weder Spender noch Empfänger die Identität des
jeweils anderen kennen."
85
2.15 Stammzellbanken und Sicherheit
Die Bereitstellung und Lagerung von Stammzellen in Stammzellbanken hat zur Folge, dass immer
größere Mengen an Daten über Individuen und Familien gesammelt und gespeichert werden. Für
Zellbanken sollten europäische Regelungen geschaffen werden, um das Konzept der Vorsicht besser
umsetzen zu können. Bei Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen müsste die Möglichkeit gegeben
sein, Spender und Empfänger aufzufinden und Zugriff auf ihre Krankenunterlagen zu erhalten. Auf
nationaler oder europäischer Ebene soll eine Genehmigung von Zellbanken nur erteilt werden können,
wenn die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist.
2.16 Stammzellbanken und Vertraulichkeit
Um die Forderung der Rückverfolgbarkeit und den notwendigen Schutz der Rechte des Spenders ärztliche Schweigepflicht und Recht auf Privatsphäre - miteinander in Einklang zu bringen, müssen
Zellbanken alles tun, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten.
2.17 Verbot des Handels mit Embryonen und abgestorbenem fetalem Gewebe
Es ist nicht zu unterschätzen, dass bei Vorhandensein finanzieller Anreize stets die Gefahr besteht,
dass Druck oder Zwang ausgeübt werden. Embryonen und abgestorbenes fetales Gewebe dürfen
nicht käuflich erworben oder verkauft und noch nicht einmal zum Verkauf angeboten werden. Zur
Verhinderung der kommerziellen Nutzung sind Maßnahmen vorzusehen.
2.18 Ausfuhr und Einfuhr von Stammzellprodukten
Die Genehmigung von Stammzelleinfuhren und -ausfuhren sollte nur von nationalen oder
europäischen Behörden erteilt werden können. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung
wären Ethik- und Sicherheitsvorschriften.
2.19 Aufklärung und Dialog
Es bedarf eines ständigen Dialogs und fortlaufender Aufklärung, um die Bürger, einschließlich der
Patienten, verstärkt an der wissenschaftlichen Entscheidungsfindung, namentlich in Bezug auf die
Wahlmöglichkeiten, die sich durch die neuen wissenschaftlichen Entwicklungen bieten, zu beteiligen.
Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien:
Mitglieder
Paula Martinho da Silva
Ina Wagner
Anne McLaren
Goran Hermerén
Dietmar Mieth
Octavi Quintana Trias
Egbert Schroten
Peter Whittaker
Marja Sorsa
Gilbert Hottois
Stefano Rodota
Vorsitzende
Noëlle LENOIR
86
ANHANG F: RATSPROTOKOLL VOM 30. SEPTEMBER 2002
RAT DER
EUROPÄISCHEN UNION
Brüssel, den 21. Oktober 2002 (31.10)
(OR. fr)
12523/02
ADD 1 REV 1
LIMITE
PV/CONS 48
MI 186
IND 65
RECH 150
ADDENDUM ZUM ENTWURF EINES PROTOKOLLS 84
Betr.:
2451. Tagung des Rates der Europäischen Union "WETTBEWERBSFÄHIGKEIT"
(Binnenmarkt, Industrie und Forschung) vom Montag, 30. September 2002 in
Brüssel
84
Der im vorliegenden Addendum enthaltene Teil des Protokolls des Rates unterliegt nicht der
Geheimhaltung und wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
87
INHALT
Seite
A-PUNKTE
Punkt 5 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates überVersicherungsvermittlung ...... 3
B-PUNKTE
Punkt 3
a)
Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der
Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Integration
und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006).......................... 4
Punkt 3
b)
Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der
Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration:
"Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006)....................... 4
Punkt 3
c)
Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle
durch direkte Aktionen durchzuführendes spezifisches Programm für
Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-2006) ........... 4
Punkt 3
d)
Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm (Euratom) für
Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie (2002-2006) ........... 4
Punkt 3
e)
Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle
durch direkte Aktionen für die Europäische Atomgemeinschaft
durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung und Ausbildung
(2002-2006)......................................................................................................... 4
Tagesordnungspunkte, die die endgültige Annahme von Rechtsakten des Rates
betreffen:
Der Öffentlichkeit zugänglicher Teil des Protokolls
A-Punkte (Liste: Dok. 12355/2/02 REV 2 PTS A 45)
Bei der endgültigen Annahme der A-Punkte, die Rechtsetzungsakte betreffen, ist der Rat
übereingekommen, folgenden Text in das vorliegende Protokoll aufzunehmen:
Punkt 5 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates überVersicherungsvermittlung
Dok. PE-CONS 3639/02 SURE 34 CODEC 834
+ COR 1 (de,en,el,pt,sv)
88
Der Rat hat die Abänderungen des Europäischen Parlaments an dem
Gemeinsamen Standpunkt gebilligt. Damit gilt die Richtlinie als in der so
abgeänderten Fassung des Gemeinsamen Standpunkts erlassen. (Rechtsgrundlage:
Artikel 47 Absatz 2 und Artikel 55 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft).
1. Gemeinsame Erklärung der Kommission und des Rates zu Artikel 1
Absatz 3 Unterabsatz 2
"Der Rat und die Kommission erklären, dass mit Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 2
klar gestellt werden soll, dass nach dem Gemeinschaftsrecht ein Mitgliedstaat, der
in seinem Hoheitsgebiet eine Versicherungsvermittlungstätigkeit zulässt, die von
in einem Drittland niedergelassenen Versicherungs- und
Rückversicherungsvermittlern und von außerhalb der Gemeinschaft ausgeübt
wird, keine Regelung vorsehen darf, mit der diesen Vermittlern eine günstigere
Behandlung gewährt wird, als sie den gemeinschaftlichen Versicherungs- und
Rückversicherungsvermittlern, die in seinem Hoheitsgebiet nach dem
Niederlassungsrecht oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs tätig sind,
gemäß dieser Richtlinie gewährt wird."
B-Punkte (Tagesordnung: Dok. 12252/02 OJ/CONS 49 MI 179 IND 61 RECH 148)
Punkt 3 a) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der
Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Integration
und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006)
Dok. 11385/02 RECH 139
Der Rat hat die oben genannte Entscheidung gegen die Stimme der italienischen
Delegation angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 166 des Vertrags zur
Gründung der Europäischen Gemeinschaft).
Punkt 3 b) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der
Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration:
"Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006)
Dok. 11386/02 RECH 140
Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage:
Artikel 166 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft).
Punkt 3 c) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle
durch direkte Aktionen durchzuführendes spezifisches Programm für
Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-2006)
Dok. 11384/02 RECH 138
Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage:
Artikel 166 Absatz 4 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft).
Punkt 3 d) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm (Euratom) für
Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie (2002-2006)
89
Dok. 11382/02 RECH 136 ATO 103
+ COR 1 (nl,en,sv)
Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage:
Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Atomgemeinschaft).
Punkt 3 e) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle
durch direkte Aktionen für die Europäische Atomgemeinschaft
durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung und Ausbildung
(2002-2006)
Dok. 11383/02 RECH 137 ATO 104
Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage:
Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Atomgemeinschaft).
ERKLÄRUNGEN
2. Spezifische Programme "Integration und Stärkung des Europäischen
Forschungsraums" und "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums"
Zur Programmverwaltung
a) Erklärung des Rates und der Kommission:
Der Programmausschuss jedes spezifischen Programms wird je nach Art der zu
behandelnden Fragen in unterschiedlichen Zusammensetzungen zusammentreten.
Ungeachtet der Zusammensetzung hat der Ausschuss immer die Zuständigkeiten
des Programmausschusses nach Artikel 7 der Entscheidung über das jeweilige
spezifische Programm.
Die Kommissionsdienststellen werden die Effizienz der Arbeit des Ausschusses
insgesamt gewährleisten und je nach Zusammensetzung und Tagesordnung der
einzelnen Sitzungen des Ausschusses spezifische Unterstützung leisten. Sie
stellen sicher, dass die Tagesordnungen für die jeweiligen Ausschusssitzungen
dergestalt und so rechtzeitig erstellt werden, dass die Delegationen der
Mitgliedstaaten die geeigneten Vertreter für alle Tagesordnungspunkte bestimmen
und so sicherstellen können, dass das geeignete spezielle Fachwissen gegeben ist,
wobei die Besonderheiten der speziellen Fachgebiete zu berücksichtigen und
insbesondere folgende Bereiche abzudecken sind:
i) betreffend das spezifische Programm "Integration und Stärkung des
Europäischen Forschungsraums":
?
?
?
Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der
Gesundheit;
Technologien für die Informationsgesellschaft;
Nanotechnologien und -wissenschaften, wissensbasierte
multifunktionale Werkstoffe sowie neue Produktionsverfahren und –
90
?
?
?
?
anlagen;
Luft- und Raumfahrt;
Lebensmittelqualität und –sicherheit;
nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme;
Bürger und Staat in der Wissensgesellschaft;
ii) betreffend das spezifische Programm "Ausgestaltung des Europäischen
Forschungsraums":
?
?
?
?
Forschung und Innovation;
Humanressourcen und Mobilität;
Forschungsinfrastrukturen;
Wissenschaft und Gesellschaft.
Dabei sollte die Tagesordnung für eine bestimmte Tagung spezielles Fachwissen
für nicht mehr als eines der genannten Themen erfordern.
Der Programmausschuss für jedes spezifische Programm wird sich mit Entwürfen
für übergreifende Maßnahmen befassen, die das Programm insgesamt betreffen,
einschließlich Fragen der Gesamtstrategie und Gesamtkohärenz des Programms.
Beim spezifischen Programm "Integration und Stärkung des Europäischen
Forschungsraums" wird sich der Ausschuss auch mit allen Entwürfen für
übergreifende Maßnahmen im Rahmen des Kapitels "Spezielle Maßnahmen auf
einem breiteren Feld der Forschung" sowie mit Entwürfen für besondere
Maßnahmen in den Forschungsbereichen "Unterstützungsmaßnahmen und
Planung im Vorgriff auf den künftigen Wissenschafts- und Technologiebedarf",
"Horizontale Forschungsmaßnahmen unter Beteiligung von KMU", "Spezielle
Maßnahmen zur Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit" sowie im
Bereich "Stärkung des Europäischen Forschungsraums" befassen, wobei zu
berücksichtigen ist, dass erforderlichenfalls das Vorhandensein des geeigneten
speziellen Fachwissens sichergestellt werden muss.
In den spezifischeren Zusammensetzungen wird sich der Ausschuss des
jeweiligen Programms mit dem einschlägigen Teil der Arbeitsprogramme und
ihrer regelmäßigen Überprüfung befassen, einschließlich der Nutzung der
Umsetzungsinstrumente, etwaiger nachfolgender Anpassungen ihrer Nutzung, des
Inhalts der Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen sowie der Entwürfe
für Durchführungsmaßnahmen betreffend die Billigung der Finanzierung von
FTE-Maßnahmen innerhalb des einschlägigen Bereichs.
Was Themen anbelangt, die sich über mehr als einen Bereich erstrecken, so sollte
die Tagesordnung in einer Weise festgelegt werden, bei der, soweit angezeigt, die
Gesamtkohärenz und die speziellere Abstimmung zwischen Themen und
Fachwissen sichergestellt sind. Dies sollte insbesondere dann gelten, wenn
Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen und die Projektfinanzierung
auf der Tagesordnung stehen.
Die Kostenerstattung für einen Vertreter und einen Experten/Berater aus jedem
Mitgliedstaat, die an den Tagungen des Programmausschusses teilnehmen, wird
aus den Haushaltsmitteln für das jeweilige spezifische Programm bestritten, wobei
91
der Finanzrahmen uneingeschränkt einzuhalten ist. Die Kostenerstattung für die
zweite Person (Experte/Berater) stellt keinen Präzedenzfall für Ausschüsse auf
anderen Gebieten der Gemeinschaftspolitik dar.
b) Erklärung der Kommission:
Um die Effizienz und die Transparenz der Durchführung zu gewährleisten, wird
die Kommission dem Programmausschuss umfassende Informationen über alle
erhaltenen Vorschläge für FTE-Maßnahmen sowie über alle tatsächlich
finanzierten Maßnahmen systematisch zur Verfügung stellen, unabhängig vom
Umfang der Projekte.
Die Kommission wird diese Informationen in benutzerfreundlicher Form,
einschließlich in elektronischer Form, soweit dies möglich ist, so rechtzeitig zur
Verfügung stellen, dass der Ausschuss sie gebührend berücksichtigen kann, und
zwar mindestens zwei Wochen vorher bei Fragen, zu denen der Ausschuss eine
Stellungnahme abgibt, und eine Woche vorher, wenn es sich lediglich um eine
Unterrichtung handelt.
Zusätzlich zu den Informationen, die regelmäßig im Rahmen des Jahresberichts
nach Artikel 173 des Vertrags sowie im Rahmen der Überprüfungsberichte und
der Berichte über die Bewertung nach fünf Jahren veröffentlicht werden, werden
Angaben für jeden vorrangigen Themenbereich im Laufe des letzten Quartals
jedes Jahres zur Verfügung gestellt, die in einer konsolidierten Darstellung die
Informationen über die Durchführung des Programms und die Abrufung der
Mittel umfassen, die den Ausschüssen regelmäßig erteilt werden.
Diese Informationen werden alle Stadien abdecken, vom Aufruf zur Einreichung
von Vorschlägen über die Evaluierung der vorgeschlagenen FTE-Maßnahmen,
ihre Auswahl sowie die Unterzeichnung der Verträge und deren anschließende
Durchführung.
Sie werden insbesondere für jeden Aufruf und für jeden Vorschlag folgende
Angaben beinhalten:
? Zusammenfassung;
? Bewertung und zusammenfassende Berichte des Evaluierungsgremiums;
? Absichten der Kommission in Bezug darauf, welche Vorschläge abgelehnt
werden und über welche verhandelt werden soll;
? Gesamtmittel und beantragter Gemeinschaftsbeitrag.
Die Kommission wird regelmäßig, mindestens jedoch jährlich, folgende
Informationen vorlegen:
? unterzeichnete Verträge (einschließlich Partner, Bereiche, Inhalte, Ressourcen
und Beteiligung der Mitgliedstaaten) und deren wichtigste Entwicklungen,
zusammen mit
? Übersichten über die Fortschritte bei den Programmen und
Durchführungsergebnisse sowie
? die Liste der Personen, die im abgelaufenen Zeitraum als Evaluierer tätig
waren, sobald alle Beschlüsse zum einschlägigen Aufruf gefasst sind.
92
3. Spezifisches Programm "Integration und Stärkung des Europäischen
Forschungsraums"
Zu Artikel 3, Anwendung ethischer Grundsätze
Der Rat und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte
Durchführungsvorschriften betreffend die Verwendung humaner Embryos und
humaner embryonaler Stammzellen, die unter dem 6. Rahmenprogramm
finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003 festgelegt werden. Die
Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der
detaillierten Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher
Forschungstätigkeiten nicht vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung
von in Banken bestehenden oder in Kulturen isolierten humanen embryonalen
Stammzellen. Die Kommission wird die wissenschaftlichen Fortschritte und
Bedürfnisse, sowie die Entwicklung der internationalen und nationalen
Gesetzgebung, Vorschriften und ethischer Regeln betreffend dieses Thema genau
beobachten, auch unter Einbeziehung der Stellungnahmen der Europäischen
Gruppe von Beratern betreffend die ethischen Implikationen der Biotechnologie
(1991-1997) und der Stellungnahmen der Europäischen Gruppe betreffend Ethik
in der Wissenschaft und neuen Technologien (seit 1998), und dem Europäischen
Parlament und dem Rat bis September 2003 berichten.
Der Rat erklärt, dass es seine Absicht ist, dieses Thema auf einer Tagung im
September 2003 zu diskutieren.
Im Rahmen der Überprüfung jedes künftigen dem Rat vorzulegenden Vorschlages
in Anwendung von Artikel 5 der Entscheidung 1999/468/EG erinnert die
Kommission an ihre Erklärung betreffend Artikel 5 der Entscheidung
1999/468/EG, nach der die Kommission es im Bemühen um eine ausgewogene
Lösung vermeiden wird, sich einem im Rat vorherrschenden Standpunkt zur
Ablehnung der Zweckmäßigkeit einer Durchführungsmaßnahme
entgegenzustellen (vgl. ABl. C 203 vom 17.7.1999, S. 1).
Der Rat nimmt die Absicht der Kommission zur Kenntnis, dem im Rahmen des
spezifischen Forschungsprogramms "Integration und Stärkung des Europäischen
Forschungsraums" eingesetzten Programmausschuss nach Artikel 6 Absatz 3
erster Gedankenstrich Verfahrensmodalitäten für Forschungstätigkeiten an
menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen vorzulegen.
Ferner nimmt der Rat zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, dem Rat
und dem Parlament im Frühjahr 2003 einen Bericht über die Forschung an
humanen embryonalen Stammzellen vorzulegen, der als Grundlage der
Erörterungen im Rahmen eines interinstitutionellen Seminars über Bioethik
dienen wird.
Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Seminars wird die Kommission nach
Artikel 166 Absatz 4 des Vertrags einen Vorschlag für die Festlegung weiterer
Leitlinien in Bezug auf die Grundsätze, die bei der Beschlussfassung über die
Gemeinschaftsmittel für Forschungsvorhaben im Zusammenhang mit
93
menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen zum Tragen
kommen, vorlegen.
Der Rat und die Kommission werden mit Unterstützung des Europäischen
Parlaments alles tun, um die Rechtsetzungsverfahren baldmöglichst, spätestens
aber im Dezember 2003, abzuschließen.
Der Rat und die Kommission gehen davon aus, dass das oben genannte Seminar
entsprechend dem Vorschlag des Europäischen Parlaments zu einem
europaweiten und gut strukturierten Diskussionsprozess über die ethischen Fragen
im Zusammenhang mit der modernen Biotechnologie, insbesondere in Bezug auf
humane embryonale Stammzellen, beitragen wird, um das Verständnis der
Öffentlichkeit zu fördern.
Der Rat und die Kommission stellen fest, dass die ethische Akzeptanz
verschiedener Forschungsgebiete mit den unterschiedlichen Situationen der
Mitgliedstaaten im Zusammenhang steht und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip
dem einzelstaatlichen Recht unterliegt. Ferner stellt die Kommission fest, dass die
Forschung an menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen
in mehreren, aber nicht in allen Mitgliedstaaten freigegeben ist.
Zu COST
Der Rat und die Kommission teilen die im jüngsten Bericht der COSTBewertungsgruppe vertretene Auffassung, dass COST langjährige Erfahrung bei
der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Koordinierung national
finanzierter FTE-Maßnahmen aufweist, was ein Plus mit direkter Bedeutung für
den Aufbau des Europäischen Forschungsraums darstellt; gleichzeitig erkennen
sie an, dass es Raum für erhebliche Änderungen der Organisation von COST gibt.
Darüber hinaus nimmt der Rat zur Kenntnis, dass die Kommission für COSTAktionen, die im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms begonnen werden,
kein Verwaltungs- und Wissenschaftssekretariat zur Verfügung stellen wird. Er
nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Kommission einräumt, dass ein neues COSTSekretariat bis Ende 2002 möglicherweise noch nicht voll einsatzfähig ist, und sie
daher bereit ist, während einer Übergangszeit von wenigen Monaten die
Sekretariatsgeschäfte für COST-Aktionen weiterzuführen.
Der Rat und die Kommission stellen fest, dass sich COST in einem
Reformprozess befindet, und sie erkennen an, dass nach einer erfolgreichen
Reform und angesichts der jüngsten Erweiterung von COST und der gestiegenen
Anzahl von Aktionen ein wesentlicher Beitrag aus dem Sechsten
Rahmenprogramm gerechtfertigt sein könnte.
Der Rat begrüßt die Absicht der Kommission, COST-Partner zu werden, um die
Synergie zwischen dem Rahmenprogramm und COST weiter auszubauen. Der
Rat ersucht die Kommission, geeignete Schritte in dieser Hinsicht zu
unternehmen.
4. Spezifisches Programm "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums"
94
Zu Humanressourcen und Mobilität
Die Kommission erklärt, dass bei der Durchführung der Tätigkeit
Humanressourcen und Mobilität im Rahmen dieses spezifischen Programms auch
familiäre Umstände, wie Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub, gemäß den
einzelstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden, so dass den
möglichen Begünstigten durch diese Umstände keine Nachteile entstehen.
5. Spezifisches Programm "Direkte Aktionen der GFS" (EG)
Die Kommission ist der Auffassung, dass die GFS gemäß ihrem Auftrag und auf
Aufforderung das Europäische Parlament bei der Konzipierung und Durchführung
von EU-Politiken unterstützen sollte. Deshalb begrüßt die Kommission die
Absicht des EP, einen Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, der eine entsprechende
Schnittstelle zur GFS bilden soll.
Die Kommission bestätigt, dass das mehrjährige Arbeitsprogramm der GFS auf
der folgenden Website der GFS zur Verfügung stehen wird: http://www.jrc.org.
6. Spezifisches Programm "Kernenergie" (Euratom)
Zu den Stimmrechten im Beratenden Ausschuss
Der Rat und die Kommission bestätigen die einmütige Zustimmung des
Beratenden Ausschusses für Fusionsforschung (CCE-FU) zu der folgenden
Stimmgewichtung bei Abstimmungen innerhalb des Ausschusses nach Artikel 6.2
bei der Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit der Kernfusion.
Demgemäß wird die Kommission die geeigneten Schritte im Hinblick auf die
Änderung des Beschlusses des Rates vom 16. Dezember 1980, zuletzt geändert
durch den Beschluss des Rates 95/1/EG, Euratom, EGKS vom 1. Januar 1995, zur
Einrichtung des Beratenden Ausschusses für das Kernfusionsprogramm,
ergreifen.
Belgien
Dänemark
Deutschland
Griechenland
Spanien
Frankreich
Irland
Italien
Luxemburg
Niederlande
Österreich
Portugal
Finnland
Schweden
Schweiz
Vereinigtes Königreich
________________
Insgesamt
2
2
5
2
3
5
2
5
1
2
2
2
2
2
2
5
44
95
Zur Annahme einer Stellungnahme ist eine Mehrheit von 23 Ja-Stimmen von
mindestens 8 Delegationen erforderlich.
7. Einseitige und bilaterale Erklärungen zu den Spezifischen Programmen
a) Deutschland und Österreich (zu Art. 3 des Spezifischen Programms
"Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums")
"Deutschland und Österreich weisen darauf hin, dass sie an ihrer Position
festhalten, dass auch nach Ablauf des Moratoriums im Dezember 2003
Forschungsarbeiten mit menschlichen Embryonen und mit menschlichen
embryonalen Stammzellen mit Ausnahme derjenigen Stammzellen, die derzeit
bereits in Banken existieren oder in Kultur isoliert sind, nicht durch das
6. Rahmenprogramm finanziert werden sollten. Deutschland und Österreich gehen
im Übrigen davon aus, dass die Kommission im zweiten spezifischen Programm
"Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" keine Forschungsarbeiten
finanzieren wird, die aufgrund der Protokollerklärungen zum 1. Spezifischen
Programm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" von
der Finanzierung ausgeschlossen sind."
b) Irland (Bioethik)
"Irland verweist bei seiner Zustimmung zur Annahme der Spezifischen
Programme zur Durchführung des Sechsten Forschungsrahmenprogramms auf
seine Erklärungen betreffend Forschungen, die in Irland nicht durchgeführt
werden können. Irland erinnert ferner an die Erklärung des Rates sowie an die
gemeinsame Erklärung von Irland, Italien, Deutschland, Portugal und Österreich
betreffend die weitere Ausarbeitung detaillierter Leitlinien zu ethischen Aspekten.
Irland begrüßt
? die bisher erzielten Fortschritte bei der Ausarbeitung detaillierter
Durchführungsbestimmungen;
? die Anerkennung der Anwendbarkeit der irischen Gesetze, Regelungen und
Leitlinien auf jegliche Forschung, die in Irland durchgeführt wird;
? die Erklärung der Kommission, dass sie die Finanzierung von Forschungsmaßnahmen mit menschlichen Embryonen oder menschlichen embryonalen
Stammzellen im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms nicht
vorschlagen wird;
? die Absicht der Kommission, im Jahre 2003 einen Vorschlag vorzulegen, mit
dem weitere Leitlinien zu den Grundsätzen festgelegt werden sollen, nach
denen über die gemeinschaftliche Finanzierung von Forschungsprojekten
entschieden wird, bei denen menschliche Embryonen oder menschliche
embryonale Stammzellen verwendet werden. In diesem Prozess wird Irland,
das einige der von Italien, Deutschland, Portugal und Österreich geäußerten
Bedenken teilt, sich weiterhin auf die Notwendigkeit konzentrieren, die
uneingeschränkte Achtung des menschlichen Lebens und den Schutz der
96
Menschenwürde sicherzustellen;
? die Einrichtung eines Regelungsausschusses, der über alle Vorschläge für die
Finanzierung von Forschungsvorhaben in ethisch sensiblen Bereichen
berät."
c) Italien (Bioethik und Finanzierung ds ITER-Programms)
"Italien nimmt Kenntnis von den Erklärungen, die vom Rat und von der
Kommission im Zusammenhang mit der "bioethischen Frage" bei der Annahme
der spezifischen Programme zur Durchführung des Sechsten Rahmenprogramms
im Bereich der Forschung 2002-2006 abgegeben worden sind. Diese Erklärungen
stellen wesentliche Fortschritte beim Bemühen um eine einvernehmliche Position
dar. In diesem Zusammenhang kommen nach der Auffassung Italiens für die
Finanzierung durch die Gemeinschaft nur diejenigen Forschungsprojekte in
Betracht, bei denen Stammzellen verwendet werden, die menschlichen Embryos
vor dem heutigen Datum bzw. vor dem Datum der Einleitung des Sechsten
Rahmenprogramms entnommen wurden.
Was das spezifische Forschungsprogramm "Integration und Stärkung des
Europäischen Forschungsraums" anbelangt, so bleibt Italien bei seinem
ablehnenden Votum. Im Sinne des Standpunkts, den Italien bereits auf den
Tagungen des Rates "Forschung" vom 10. Dezember 2001 und vom 3. Juni 2002
in Bezug auf die Menschenwürde und den Schutz des menschlichen Lebens
bezogen hat, müssten Forschungsarbeiten an menschlichen Embryos, bei denen
der Embryo selbst mittelbar oder unmittelbar vernichtet wird, aus Sicht Italiens
von der Finanzierung im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms
ausgeschlossen werden.
Das spezifische Forschungs- und Ausbildungsprogramm (Euratom) auf dem
Gebiet der Kernenergie wird von Italien befürwortet; Italien weist jedoch darauf
hin, dass die Bewilligung der für die Einrichtung des ITER vorgesehenen
Finanzierung nicht unbedingt als Zustimmung zu den bei der Planung dieser
Anlage in Aussicht genommenen wissenschaftlichen und technischen Optionen zu
betrachten ist. Italien ist nämlich der Auffassung, dass diese Optionen im Hinblick
auf eine endgültige Entscheidung über die Durchführbarkeit des ITER-Programms
aus wissenschaftlicher Sicht weiter zu prüfen sind."
d) Portugal (Bioethik)
"Portugal dankt dem Vorsitz für seine Bemühungen im Bereich der Bioethik, ohne
die es nicht möglich gewesen wäre, das Sechste Rahmenprogramm für Forschung
und technologische Entwicklung und die entsprechenden spezifischen Programme
zu lancieren.
Portugal kann dem erzielten Kompromiss insofern zustimmen, als dieser aus
seiner Sicht der Bedeutung, die Portugal den mit Bioethik und Forschung
zusammenhängenden Fragen beimisst, sowie dem heiklen Charakter der Frage
einer etwaigen künftigen Finanzierung von Forschungstätigkeiten im Bereich
humane embryonale Zellen und embryonale Stammzellen Rechnung trägt.
97
Portugal weist darauf hin, dass dieser Standpunkt von vielen anderen
Mitgliedstaaten geteilt wird und dass sich Portugal vielen der im Rat von Italien
vorgebrachten Anliegen anschließt.
Portugal betont zudem, dass die Forschung, insbesondere im Wege des Rahmenprogramms, eine wichtige Rolle für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und
sozialen Zusammenhalt, namentlich im Rahmen einer Wissensgesellschaft und
einer wissensbasierten Wirtschaft, zu spielen hat."
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