KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN Brüssel, 3.04.2003 ARBEITSPAPIER DER KOMMISSIONSDIENSTSTELLEN BERICHT ÜBER DIE FORSCHUNG AN HUMANEN EMBRYONALEN STAMMZELLEN* * Inoffizielle Übersetzung von SEC(2003)441 INHALT ZUSAMMENFASSUNG....................................................................................................... 3 Einleitung ........................................................................................................................... 14 Kapitel 1: Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen und das Anwendungspotenzial der Stammzellenforschung.............................................................. 16 1.1 Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen...........................................................16 1.2 Die Plastizität humaner Stammzellen ..................................................................................18 1.3 Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen.......................................19 1.4 Neuartige Stammzelltherapien .............................................................................................21 1.5 Wissenschaftliche und technische Hürden, die vor der klinischen Anwendung der neuartigen Therapie mit humanen embryonalen Stammzellen zu überwinden sind ...............22 1.6 Beispiele für neuartige Stammzelltherapien, die derzeit Gegenstand umfangreicher Forschungsarbeiten sind ............................................................................................................23 Kapitel 2: Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen.................................... 26 2.1 Herkunft und Eigenschaften der humanen embryonalen Stammzellen.............................. 26 2.2 Möglichkeiten, humane embryonale Stammzellen zu gewinnen .........................................26 2.3 Kultivierung von humanen embryonalen Stammzellen im Labor ......................................27 2.4 Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler Stammzellen und somatischer Stammzellen für die Therapie wie sie sich derzeit darstellen....................................................28 2.5 Frage der Notwendigkeit neuer humaner embryonaler Stammzelllinien...........................30 2.6 Entwicklungen beim Aufbau von Stammzellenbanken und Registern ...............................31 Kapitel 3: Umgang mit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ............... 35 3.1 Die ethischen Fragen.............................................................................................................35 3.2. Einschlägige Rechtsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten..............................................39 3.3. Neue Gesetze in den EU-Mitgliedstaaten in Vorbereitung ................................................46 3.4 Einschlägige Rechtsvorschriften in einigen Drittländern....................................................48 3.5. Handhabung der Stammzellenforschung im RP6...............................................................50 3.6 Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog ................................................................................53 Kapitel 4: Sozioökonomische Aspekte ................................................................................. 55 Glossar ................................................................................................................................ 58 Anhang A: Biologie der Entwicklung des Menschen.......................................................... 62 Anhang B: Möglichkeiten zur Überwindung der Immunabwehr bei der Stammzellentherapie........................................................................................................... 65 Anhang C: Beispiele für vorhandene humane embryonale Stammzelllinien ..................... 67 Anhang D: Einzelheiten zu den einschlägigen Vorschriften in Drittländern ..................... 69 Anhang E: Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Beratungsgruppe für Ethik ............. 73 Anhang F: Ratsprotokoll vom 30. September 2002............................................................. 87 2 ZUSAMMENFASSUNG Hintergrund: Die Stammzellenforschung ist eines der vielversprechenden Gebiete der Biotechnologie, das die Entwicklung neuer Methoden in Aussicht stellt, mit denen Gewebe oder Zellen, die durch Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden, wiederhergestellt oder ersetzt und schwere chronische Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson und chronische Herzinsuffizienz sowie Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen behandelt werden können. Die Stammzellenforschung dürfte für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn über die Grundlagen der Zelldifferenzierung und des Zellwachstums von ebenso großer Bedeutung sein wie für andere spezielle medizinische Anwendungen, wie z. B. Fragen der Krankheitsentwicklung und die Erforschung sicherer und wirksamerer Arzneimittel. Wissenschaftler arbeiten intensiv an der Aufdeckung der grundlegenden Eigenschaften der Stammzellen. Eine Möglichkeit, Stammzellen zu gewinnen, sind humane Embryonen in der Präimplantationsphase. Bei der Verwendung humaner Embryonen stellt sich allerdings die Frage nach den ethischen Werten, die hier berührt werden, und nach den Grenzen und Bedingungen für derartige Forschungsarbeiten. Die Vielschichtigkeit dieses Problems und der in diesem Zusammenhang aufgeworfenen ethischen Fragen waren auch bei der Verabschiedung des Sechsten Forschungsrahmenprogramms (RP6) und seiner Spezifischen Programme ein wichtiges Thema, das gesondert erörtert wurde. Im 6. Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft fällt die Förderung der Forschung an Stammzellen unter den vorrangigen Themenbereich 1 „Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit“, Abschnitt i) „Fortgeschrittene Genomik und ihre Anwendungen für die Gesundheit“. Vor allem die „Entwicklung und Erprobung neuer Präventions- und Therapiewerkzeuge sowie somatische Gene, Zelltherapien (insbesondere Stammzelltherapie)“ ... stehen im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten“1. Die Kommission wird bis zur Verabschiedung detaillierter Durchführungsbestimmungen spätestens Ende 2003 keine Forschungsprojekte fördern, bei denen humane Embryonen bzw. humane embryonale Stammzellen verwendet werden, es sei denn, es handelt sich um Projekte, die in Zellkulturen isolierte oder in Zellbanken konservierte embryonale Stammzellen zum Gegenstand haben. Die Kommission hat ihre Absicht bekundet, dem Rat und dem Europäischen Parlament einen Bericht über die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen vorzulegen, der die Diskussionsgrundlage für ein interinstitutionelles Seminar über Bioethik bilden wird 2. Der jetzt vorliegende Bericht ist eine Momentaufnahme der wissenschaftlichen, ethischen, rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekte der Forschung an humanen Stammzellen und humanen embryonalen Stammzellen. 1 2 ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 10. Siehe Anhang F. 3 Zweck des Berichts ist die Zusammenstellung von Informationen für einen offenen und sachlichen Gedankenaustausch auf dem oben genannten interinstitutionellen Seminar3. Auf der Grundlage des Seminarergebnisses wird die Kommission einen Vorschlag vorlegen, der weitere Leitlinien für die Vergabe von gemeinschaftlichen Fördermitteln für Projekte enthalten wird, die Forschungsarbeiten an menschlichen Embryonen und embryonalen Stammzellen beinhalten. Inhalt des Berichts Eigenschaften humaner Stammzellen Stammzellen verfügen über drei Eigenschaften, die sie von anderen Zelltypen unterscheiden: - sie sind nicht ausdifferenziert (nicht spezialisiert), - sie können sich in ihrem undifferenzierten Zustand über einen langen Zeitraum hinweg teilen und selbst erneuern. - unter bestimmten physiologischen oder experimentellen Bedingungen können sie spezialisiertere, ausdifferenzierte Zellen, wie Nervenzellen, Muskelzellen oder Insulin produzierende Zellen bilden. Stammzellen finden sich im frühen Stadium des Embryos, im Fötus und im Blut der Nabelschnur sowie in vielen Geweben des Körpers nach der Geburt und bei Erwachsenen. Diese Stammzellen, aus denen sich die Gewebe und Organe des Fötus entwickeln, sind auch verantwortlich für Wachstum und Reparatur im Körper von Neugeborenen und Erwachsenen. Ab dem Blastozystenstadium (5-7 Tage nach der Befruchtung) nimmt der Anteil an Stammzellen in den verschiedenen Geweben sowie deren Fähigkeit zur Ausdifferenzierung in verschiedene Zelltypen, zumindest solange sie sich in ihrer natürlichen Umgebung befinden, mit fortschreitender Entwicklung ab. Klassifizierung humaner Stammzellen In diesem Bericht wird, je nach ihrer Herkunft und der Art ihrer Gewinnung, zwischen drei Gruppen von Stammzellen unterschieden: 1. Humane embryonale Stammzellen, die aus Embryonen im Blastozystenstadium in der Präimplantationsphase gewonnen werden. 2. Humane embryonale Keimzellen, die aus den primordialen Keimzellen des Fötus isoliert werden können. 3. Humane somatische Stammzellen, die aus adulten oder fötalen Geweben oder Organen oder aus dem Nabelschnurblut isoliert werden können. Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (aus Knochenmark, peripherem Blut oder dem Nabelschnurblut eines gesunden Spenders) wird bereits seit über zehn Jahren eingesetzt, um z. B. hämatologische Krankheitsbilder, wie Leukämie oder angeborene Immunschwächen 3 Wissenschaftliche Begriffe werden im Glossar erläutert. 4 zu behandeln. Um das Knochenmark von Patienten zu retten, die einer hochdosierten Chemotherapie ausgesetzt waren, wurde die autologe Transplantation (die Transplantation von Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut des Patienten) eingeführt. Sie findet jetzt verstärkt Einsatz als Erstbehandlung anderer Krebsarten, wie z. B. bei Brustkrebs und Neuroblastomen. Die autologe Stammzelltransplantation wird darüber hinaus experimentell zur Behandlung schwerer Autoimmunkrankheiten und als Vektor für die Gentherapie eingesetzt. Heute werden an über 350 Einrichtungen in Europa jährlich über 18.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt4. Untersucht werden auch neuartige Stammzelltherapien (häufig als regenerative Medizin oder als Zelltherapien bezeichnet), um neue Verfahren zur Wiederherstellung oder für den Ersatz von Geweben oder Zellen, die durch Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden, entwickeln und schwere chronische Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson, chronische Herzinsuffizienz sowie Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen behandeln zu können. Die Stammzellenforschung dürfte sich jedoch ebenso bedeutend für die Grundlagenforschung wie für andere spezifische medizinische Anwendungen erweisen. • Entwicklung neuartiger Stammzellentherapien. Derzeit werden drei therapeutische Ansätze verfolgt: - Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen ausdifferenzierten Zellen: Stammzellen lassen sich kultivieren und so steuern, dass sie sich im Labor zu bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren und dann implantiert werden können (z. B. zu Insulin produzierende Zellen zur Behandlung von Diabetes, zu Herzmuskelzellen zur Behandlung von Herzinsuffizienz oder zu Dopamin produzierenden Neuronen zur Behandlung der Parkinson-Krankheit usw.). Die jeweiligen ausdifferenzierten Zelltypen könnten aus embryonalen oder somatischen Stammzellen, auch aus den körpereigenen Stammzellen des Patienten, gewonnen werden. - Direkte Zuführung von Stammzellen: In manchen Fällen kann es möglich und/oder notwendig sein, dem Patienten Stammzellen direkt zuzuführen, so dass sie sich im Körper an einer bestimmten Stelle ausbreiten und sich dort weiter in die gewünschten Zelltypen ausdifferenzieren (d. h. durch systemisches “Homing”). - Stimulierung endogener Stammzellen: Geforscht wird auch an der Möglichkeit, die eigene Stammzellpopulation eines Individuums so anzuregen, dass die Selbstregenerierung in Gang gesetzt oder verstärkt wird, indem z. B. Wachstumsfaktoren zugeführt werden. Diese neuartigen Stammzelltherapien befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Vor allem die Transplantation ausdifferenzierter Zellen, die aus Stammzellen isoliert wurden, wirft wissenschaftliche und technische Fragen auf, die es zu lösen gilt, bevor diese Therapien zur klinischen Anwendung kommen können, wie z. B.: - 4 Erkenntnisse über die Steuerungsmechanismen für Wachstum, Verbleib, Differenzierung und Dedifferenzierung. Ausschaltung des Risikos der Entwicklung von Zellen, die nicht in dem gewünschten Maß differenziert oder kanzerogen sind. Vor allem bei der A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ 2000;321:433-437. 5 • Verwendung humaner embryonaler Stammzellen besteht ein Tumorrisiko, da diese Stammzellen Teratome entwickeln. Sicherstellung der Funktions- und Lebensfähigkeit der Stammzellen oder ihrer Abkömmlinge über die gesamte Lebensdauer des Empfängers. Lösung des Problems der Immunabwehr (das in den Fällen nicht besteht, in denen die körpereigenen Stammzellen des Patienten verwendet werden). Herstellung menschlicher Zelllinien zur Verwendung in der präklinischen Arzneimittelforschung und in der Toxikologie. Aus humanen embryonalen Stammzellen gewonnene normale humane Zelltypen können gentechnisch oder pharmakologisch verändert und in der Arzneimittelforschung verwendet werden. Für Arzneimittelprüfungen sind diese Zelllinien als biologisches System möglicherweise klinisch relevanter als Tiermodelle und dürften deshalb dazu beitragen, dass sicherere und wirksamere Humanarzneimittel entwickelt werden, was letztendlich zu einer Reduzierung der Tierversuche führen wird. Darüber hinaus lassen sich aus ihnen bessere In-vitroModelle für die Gefahrenidentifizierung von Chemikalien entwickeln. Möglicherweise erweist sich dieser Bereich der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen als das zunächst größte Anwendungsgebiet in der Medizin, da hier die Probleme der Immunabwehr, der Lebensfähigkeit und des Tumorrisikos nicht zum Tragen kommen. • Erforschung der Entwicklung des Menschen. Humane embryonale Stammzellen dürften Einblicke in Entwicklungsschritte liefern, die sich nicht direkt am intakten menschlichen Embryo beobachten lassen, die jedoch von großer Bedeutung für klinische Bereiche sind, wie angeborene Fehlbildungen, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten. • Erforschung der grundlegenden Mechanismen der Zelldifferenzierung und -proliferation. Erkenntnisse über Gene und Moleküle, Wachstumsfaktoren und Nährstoffe, die in der Embryonalentwicklung eine Rolle spielen, können bei der Kultivierung von Stammzellen im Labor und bei der Steuerung ihrer Weiterentwicklung zu spezialisierten Zelltypen eingesetzt werden. Einige der schwersten medizinischen Probleme, wie Krebs, sind auf eine abnorme Zellteilung und -differenzierung zurückzuführen. Weitergehende Erkenntnisse über die genetischen und molekularen Steuerungsmechanismen dieser Prozesse könnten Informationen darüber liefern, wie diese Krankheiten entstehen und dazu beitragen, neue Therapiestrategien zu entwickeln. Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler und somatischer Stammzellen, wie sie sich zum jetzigen Zeitpunkt darstellen, sowie der Bedarf an neuen humanen embryonalen Stammzelllinien Nach heutigem Wissensstand bergen humane embryonale und somatische Stammzellen jeweils Vor- und Nachteile hinsichtlich ihres potentiellen Einsatzes in der Grundlagenforschung und für neuartige Stammzelltherapien. In der Wissenschaft herrschen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob humane embryonale Stammzellen ein größeres Potenzial als humane somatische Stammzellen haben (die aus fötalem oder adultem Gewebe isoliert wurden). Derzeit gilt das besondere Augenmerk den humanen embryonalen Stammzellen, da sie das Potenzial haben, sich in alle Zelltypen des Körpers ausdifferenzieren zu können (sie sind pluripotent). Neueste Studien5, 5 e.g. Jiang, Yuehua et al., Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow, in: Nature Vol. 418, 04/07/2002, pages 41-49. 6 die nahe legen, dass somatische Stammzellen ein sehr viel größeres Potenzial zur Differenzierung haben könnten als bislang angenommen (z. B. könnten sich unter bestimmten experimentellen Bedingungen Stammzellen des Knochenmarks in Nerven-, Skelett- und Herzmuskelzellen ausdifferenzieren), werfen die Frage nach der Notwendigkeit der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen und der Gewinnung neuer humaner embryonaler Stammzelllinien zu diesem Zeitpunkt auf. Trotz des Optimismus, der in jüngster Zeit durch die Forschungsberichte über die Pluripotenz humaner somatischer Stammzellen geweckt wurde, ist die große Mehrheit der Wissenschaftler, auch die, die sich mit der Forschung an somatischen Stammzellen befassen, der Auffassung, dass die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen fortgeführt und ausgeweitet werden sollte und die Forschung nicht auf die somatischen Stammzellen beschränkt werden dürfe 6. In ihren Schlussfolgerungen kommen viele Berichte7 zu dem Ergebnis, dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, welche wichtigen Erkenntnisse die Forschung an embryonalen oder somatischen Stammzellen hervorbringen wird und welche Stammzellen am besten geeignet sein werden, die Bedürfnisse der Grundlagenforschung und der klinischen Anwendungen zu erfüllen. Bezüglich des Bedarfs an neuen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden unterschiedlichste Argumente vorgebracht. So wird insbesondere hervorgehoben, dass die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen so neu ist, dass die Wissenschaftler noch nicht sagen können, ob sie die bestmöglichen Verfahren für die Isolierung bzw. Kultivierung humaner embryonaler Stammzellen entwickelt haben. Berichten zufolge wurden viele der vorhandenen embryonalen Stammzelllinien in den USA patentiert, was zu Abhängigkeiten von Privatunternehmen in anderen Teilen der Welt führen kann.8. 6 7 8 Dr. Catherine Verfaillie, Universität von Minnesota Medical School, stellte in ihrem Vortrag vor dem vom US-Präsidenten einberufenen Bioethik-Rat am 25. April 2002 fest: http://www.bioethics.gov/ “Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen steckt noch in den Kinderschuhen, das gleiche gilt für die Biologie von adulten Stammzellen, weshalb ich nicht glaube, dass wir an irgendeiner Stelle kurz davor ständen, neue Therapien vorweisen zu können. Ich möchte auch nochmals betonen, dass, auch wenn mein Labor und unsere Gruppe an adulten Stammzellen arbeiten, wir derzeit aktiv auch Forschung an embryonalen Stammzellen, und zwar humanen embryonalen Stammzellen, betreiben, so dass wir innerhalb derselben Einrichtung Labors haben, in denen die eine Zelle und andere Labors, in denen die andere Zelle erforscht wird, so dass wir in der Lage sind, das Potenzial der verschiedenen Zellpopulationen zu vergleichen und gegeneinander zu stellen, ich halte das für sehr wichtig”. Stem Cells: scientific progress and future research directions, National Institutes of Health (NIH), Bethesda, USA, June 2001. Schweizer Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin: Stellungnahme zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, Juni 2002. Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 House of Lords Select Committee UK– Bericht über Stammzellenforschung, Februar 2002. http:/:www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm Schwedische Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Forschung an embryonalen Stammzellen, 17.01.2002, http://www.smer.gov.se/ Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 7 Umgang mit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen wirft vielfältige ethische Fragen auf. Die Frage, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen ethisch vertretbar ist, lässt sich als Konflikt zwischen unterschiedlichen Werten, zwischen den Rechten und Pflichten verschiedener Akteure oder zwischen kurz- und langfristigen Interessen verschiedener Gruppen beschreiben. Einerseits ist das Interesse an neuen Erkenntnissen groß, die die Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten ermöglichen können. Werden bei der Forschung humane Embryonen verwendet, stellt sich andererseits die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen für diese Forschung9. Die Meinungen zur Legitimität der Versuche mit und an humanen Embryonen sind je nach ethischem, philosophischem und religiösem Hintergrund geteilt. Die Mitgliedstaaten der EU haben sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen, womit bestätigt wird, dass in der Europäischen Union die verschiedensten Ansichten darüber bestehen, was als ethisch vertretbar gilt und was nicht. Die ethischen Fragen: Wie bereits in der am 14. November 2000 abgegebenen Stellungnahme Nr. 1510 der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen” dargelegt, gelten für die Forschung an humanen Stammzellen die folgenden ethischen Grundsätze: • Der Grundsatz der Achtung der Menschenwürde; • Der Grundsatz der Autonomie des Betreffenden (der die Einwilligung nach Aufklärung, die Achtung der Privatsphäre und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten beinhaltet); • Der Grundsatz der Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Gesundheit und den Gesundheitsschutz); • Der Grundsatz der Freiheit der Forschung (der gegenüber anderen Grundrechten abzuwägen ist); • Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (die Forschungsverfahren müssen zum Erreichen der angestrebten Ziele unerlässlich sein, und es stehen keine geeigneteren Alternativen zur Verfügung). „Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht ausgerichteten Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie deren Verwendung für den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen“. Zur Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke stellt die EGE fest, dass “die Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken (bedenklich ist), da dies einen weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet” und hält “die Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung von Stammzellen (für) ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen als Quelle zur Verfügung stehen.” 9 10 Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”. http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”. http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm 8 Ferner ist die EGE der Auffassung, dass “die Erzeugung von Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen derzeit insofern verfrüht (wäre), als sich der Wissenschaft ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen (überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte Stammzellen) bietet.” Zur ethischen Vertretbarkeit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen im Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft vertritt die EGE die Ansicht, dass “..sich kein Argument gegen die Finanzierung dieser Art von Forschung aus dem Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen (lässt), solange sichergestellt ist, dass die Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und rechtlichen Anforderungen entspricht”. Hierzu stellt die EGE weiter fest, dass “die Gemeinschaft ... für die Stammzellforschung, bei der alternative Quellen (überzählige Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen Forschungshaushalt vorsehen (sollte). Die Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der Validität der jüngsten Erfindungen zum Differenzierungspotential von erwachsenen Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte zur Auflage machen, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden.” Die EGE nennt die folgenden Bedingungen, an die die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen geknüpft werden sollte: • Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Spenderpaares oder der spendenden Frau. • Genehmigung der Forschung durch eine Behörde. • Kein finanzieller Anreiz für die Spender. • Anonymität der Spender und Schutz der Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten der Spender. • Transparenz der Forschungsergebnisse. Für die klinische Forschung hebt die EGE folgende Aspekte hervor: • Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Patienten. • Risiko-Nutzen-Analyse. • Schutz der Gesundheit der an den klinischen Versuchen beteiligten Personen. 9 Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen in den Mitgliedstaaten der EU11 Die Mitgliedstaaten der EU haben bereits sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen und bereiten derzeit neue Rechtsvorschriften vor. Im März 2003 ergibt sich hierbei folgendes Bild: • Die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt: Finnland, Griechenland, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich. • Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus humanen Embryonen, wobei unter bestimmten Bedingungen der Import humaner embryonaler Stammzelllinien gesetzlich erlaubt ist. Deutschland. Der Import und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen ist in Österreich, Dänemark und Frankreich nicht ausdrücklich verboten, über die Genehmigung wird derzeit noch beraten. • Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen: Österreich, Dänemark, Frankreich, Irland und Spanien. Die Rechtsprechung in Spanien erlaubt unter bestimmten Bedingungen nur die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus nicht lebensfähigen humanen Embryonen . • Keine besonderen Vorschriften für die Forschung an und mit humanen Embryonen oder humanen embryonalen Stammzellen: Belgien, Italien, Luxemburg und Portugal. • Erzeugung von humanen Embryonen für Forschungszwecke ist gesetzlich erlaubt: Das Vereinigte Königreich ist derzeit der einzige Mitgliedstaat, der die Erzeugung humaner Embryonen, entweder durch die Befruchtung einer Eizelle durch einen Spermatozyten oder durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (SCNT, auch als therapeutisches Klonen bezeichnet), für die Gewinnung von Stammzellen erlaubt. Im belgischen Parlament wird derzeit eine Gesetzesvorlage beraten, mit der die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen, genehmigt werden soll. Das niederländische Embryonengesetz von 2002 sieht für die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke, auch mit Hilfe des SCNT, ein Moratorium für die Dauer von fünf Jahren vor. • Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und für die Gewinnung von Stammzellen per Gesetz oder durch Ratifizierung der Konvention des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin, die am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde: Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, die Niederlande, Portugal und Spanien. Vorschriften, die in den EU-Mitgliedstaaten derzeit beraten werden: Belgien: Zur Zeit ist das Parlament mit einer Gesetzesvorlage zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen in vitro befasst, die der belgische Senat 2002 genehmigt hat. Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen unter bestimmten Bedingungen zu genehmigen und hierzu eine „Föderale 11 Europäischen Kommission, GD Forschung, Direktion E: “Survey on opinions from National Ethics Committtees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human embryonic stem cell research and use” (letzte Aktualisierung März 2003). “Survey on the National Regulations in the European Union regarding Research on Human Embryos” - B. Gratton - veröffentlicht vom Sekretariat der EGE - Europäische Kommission - Juli 2002 10 Kommission für die wissenschaftlich-medizinische In-vitro-Forschung an Embryonen“ einzusetzen. Dänemark: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften für die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird derzeit geprüft. Frankreich: Eine Neufassung des Gesetzes zur Bioethik aus dem Jahr 1994 wurde vom Senat im Januar 2003 gebilligt und dürfte im ersten Halbjahr 2003 in der Nationalversammlung erörtert werden. Vorgeschlagen wird, die Forschung an überzähligen humanen Embryonen und die die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen für die Dauer von 5 Jahren unter bestimmten Auflagen zu genehmigen. Eine zentrale Genehmigungsbehörde wird eingerichtet. Italien: Ein Gesetz zur In-vitro-Fertilisierung wird derzeit erörtert. Portugal: In Portugal wurde ein Ausschuss eingesetzt, um ein Gesetz zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen und an humanen embryonalen Stammzellen auszuarbeiten. Spanien: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft. 1998 wurde der nationale Ausschuss für die künstliche Befruchtung beim Menschen eingesetzt. In seiner zweiten, 2002 abgegebenen Stellungnahme empfiehlt der Ausschuss, bei der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen überzählige Embryonen zu verwenden, von denen es in Spanien schätzungsweise 30.000 gibt. Im April 2002 wurde der Beratungsausschuss für ethische Fragen in der wissenschaftlichen und technologischen Forschung eingerichtet, der im Februar seine erste Stellungnahme zur Forschung an Stammzellen abgab. Er sprach die Empfehlung an die Regierung aus, Forschungsarbeiten sowohl an adulten wie auch an embryonalen Stammzellen zu genehmigen und die Rechtsprechung so zu ändern, dass die Isolierung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt ist. Schweden: Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft. Der Parlamentsausschuss, der sich mit Fragen der genetischen Integrität befasst, schlug in seinem am 29. Januar 2003 veröffentlichten Bericht vor, die Erzeugung befruchteter Eizellen für Forschungszwecke nicht generell zu verbieten. Nach Auffassung des Ausschusses sei die Erzeugung von Embryonen durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (das sogenannte therapeutische Klonen) genauso zu behandeln und sollte deshalb grundsätzlich erlaubt sein. Vorschriften in den Ländern, die der Europäischen Union beitreten werden Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, die Slowakische Republik, und Slowenien haben die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte ratifiziert. In den Beitrittsländern wurden bislang keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen umgesetzt. Estland, Ungarn, Lettland und Slowenien haben Gesetze verabschiedet, die die Forschung an humanen Embryonen unter bestimmten Bedingungen genehmigen. In Litauen, Polen und der Slowakischen Republik ist die Forschung an humanen Embryonen verboten. In Zypern, Malta und der Tschechischen Republik gibt es keine speziell für die Forschung an Embryonen erlassenen Gesetze. In der Tschechischen Republik ist ein Gesetz in Vorbereitung. 11 Handhabung der Stammzellenforschung im RP6 Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union besagt: “1. Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. 2. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. 3. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten. 4. Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.” Gemäß dem EG-Vertrag fällt die Regelung ethischer Fragen ausschließlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf Gemeinschaftsebene wurden ethische Grundsätze mit Blick auf die Forschungsförderung durch das Forschungsrahmenprogramm festgelegt. Für das RP6 wurden folgende ethischen Grundsätze festgelegt12: • “Bei der Durchführung ... sind die ethischen Grundprinzipien ... zu beachten. Diese umfassen ... die Prinzipien, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben, den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens ... ” • “… in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht” • “…geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.” • “Folgende Forschungsgebiete werden innerhalb dieses Programms nicht finanziert: - Forschungstätigkeiten zum Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken; - Forschungstätigkeiten zur Veränderung des genetischen Erbguts des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden könnten 13 - Forschungstätigkeiten zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer somatischer Zellen. • “Außerdem ist die Finanzierung von Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten verboten sind, unter allen Umständen ausgeschlossen.” • “Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und eingedenk der Vielfalt der Ansätze in Europa müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten geltende Rechtsvorschriften, Regelungen und ethische Regeln der Länder, in denen die Forschung durchgeführt wird, erfüllen.” 12 13 ABl. L 232 vom 29.8.2002,S.4. ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8. Forschungstätigkeiten mit dem Ziel der Krebsbehandlung an den Gonaden können finanziert werden. 12 • “Einzelstaatliche Vorschriften kommen in jedem Fall zur Anwendung und es werden keine Forschungsmaßnahmen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat verboten sind, in diesem Mitgliedstaat aus Gemeinschaftsmitteln gefördert.” • “Gegebenenfalls müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten vor der Aufnahme von FTE-Tätigkeiten Genehmigungen der zuständigen nationalen oder lokalen Ethikausschüsse einholen. Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen führt die Kommission systematisch eine ethische Prüfung durch, insbesondere im Hinblick auf Vorschläge, bei denen es mit um die Verwendung menschlicher Embryonen und humaner embryonaler Stammzellen geht.” • Im Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002 ist festgehalten14: “Der Rat und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte Durchführungsvorschriften betreffend die Verwendung humaner Embryos und humaner embryonaler Stammzellen, die unter dem 6. Rahmenprogramm finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003 festgelegt werden. Die Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der detaillierten Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher Forschungstätigkeiten nicht vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung von in Banken bestehenden oder in Kulturen isolierten humanen embryonalen Stammzellen.” Sozioökonomische Aspekte Auch wenn zunächst größtenteils von den Hochschulen und ihrem akademischen Umfeld aufgezeigt wurde, welches Potenzial in den Stammzellen steckt, sind für die Weiterentwicklung dieser Technologie, z. B. für die Entwicklung therapeutischer Produkte, die Unternehmen gefragt. Ihr Engagement wird z. B. benötigt, wenn es darum geht, Zelllinien in großem Stil und nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis zu erzeugen, multizentrische, klinische Studien durchzuführen und das Marketing und den Vertrieb zu unterstützen. Im Jahr 2001 waren etwa 30 öffentliche und private Biotech-Unternehmen auf dem Gebiet der Stammzellenforschung tätig, und ein Dutzend Unternehmen erforschen gegenwärtig das Potenzial sowohl somatischer als auch embryonaler Stammzellen. Wenn überhaupt, investieren nur wenige Unternehmen ausschließlich in die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen. Trotz der beachtlichen für die Stammzellenforschung zur Verfügung stehenden Gelder, fallen die Erträge bislang eher bescheiden aus. Daran zeigt sich, dass sich diese Forschungsarbeiten noch mit den Grundlagen befassen. So versuchen die kommerziellen Interessen, sich angesichts der in Zukunft erwarteten großen Gewinne zu positionieren, auch wenn die Forschungsperspektiven ebenso wie die therapeutischen Möglichkeiten noch recht ungewiss sind und ein rechtliches Umfeld geschaffen wird, das von ethischen Überlegungen und öffentlichen Bedenken geprägt ist. 14 Anhang F. 13 EINLEITUNG Der vorliegende, von den Kommissionsdienststellen verfasste Bericht soll einen Überblick über folgende Punkte geben: • Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen und das Anwendungspotenzial der Stammzellenforschung. • Forschung an humanen embryonalen Stammzellen (auf die Forschung an somatischen Stammzellen wird nur dann eingegangen, wenn dies für die Erörterung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen relevant ist). • Handhabung der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, einschließlich des Umgangs mit ethischen Fragen, in den EU-Mitgliedstaaten geltende Vorschriften, Handhabung der Stammzellenforschung im RP6 sowie gesellschaftliche Kontrolle und Dialog • Sozioökonomische Aspekte der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und deren Verwendung . Der Bericht wird durch die folgenden Anhänge ergänzt: A B C D E F Biologie der Entwicklung des Menschen Möglichkeiten zur Überwindung der Immunabwehr bei der Stammzellentherapie Beispiele für vorhandene humane embryonale Stammzelllinien Einzelheiten zu den Vorschriften in Drittländern für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”, die am 14. November 2000 abgegeben wurde. Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002. In dem Bericht wurde Folgendes berücksichtigt: - - - - - Das Meinungsbild in EU- und Drittländern, das sich im Rahmen einer Erhebung abgezeichnet hat, bei der nationale Ethikausschüsse oder ähnlichen Gremien, öffentliche Erörterungen und die einzelstaatliche Rechtsprechung zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und deren Verwendung berücksichtigt wurden. Die Umfrage wurde von der Europäischen Kommission, GD Forschung, Direktion E durchgeführt (letzte Aktualisierung März 2003); Stellungnahmen und Berichte der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen Technologien an die Europäische Kommission http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm Bericht und Ergebnisse der Konferenz über “Stammzellen: Therapien der Zukunft?”, die von der Europäischen Kommission, GD Forschung unter der Ägide der Europäischen Gruppe für Biowissenschaften im Dezember 2001 veranstaltet wurde. http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/stemcells.html In den Bewerberländern geltende Vorschriften über ethische Belange in Wissenschaft und Forschung - Ergebnisse des Workshop vom 8.-10. Dezember 2002 - Brüssel veranstaltet von der Europäischen Kommission- GD Forschung – Direktion C Dokumente des Nationalen Gesundheitsinstituts der USA (National Institute of Health NIH) zum Thema Stammzellen 14 - http://nih.gov/news/stemcell/ Überblick über die neueste wissenschaftliche Literatur; Vorträge und Mitteilungen aus Wissenschaftskreisen. 15 KAPITEL 1: HERKUNFT STAMMZELLEN UND UND DAS EIGENSCHAFTEN HUMANER ANWENDUNGSPOTENZIAL DER STAMMZELLENFORSCHUNG 1.1 Herkunft und Eigenschaften humaner Stammzellen 15 Stammzellen unterscheiden sich von anderen Zelltypen des Körpers durch ihre einzigartigen Eigenschaften: 1) sie können sich über lange Zeiträume hinweg teilen und selbst erneuern, 2) sie sind nicht spezialisiert und 3) aus ihnen können sich spezialisierte Zelltypen bilden. Sie finden sich im frühen Stadium des Embryos, im Fötus und im Blut der Nabelschnur sowie in einigen (möglicherweise in vielen) Geweben des Körpers nach der Geburt und bei Erwachsenen. Diese Stammzellen, aus denen sich die Gewebe und Organe des Fötus entwickeln, sind auch verantwortlich für Wachstum und Reparatur im Körper von Neugeborenen und Erwachsenen. Ab dem Blastozystenstadium nimmt der Anteil an Stammzellen mit fortschreitender Entwicklung nach und nach ab. Auch ihre Fähigkeit zur Differenzierung in verschiedene Zelltypen nimmt zumindest dann ab, wenn sie sich in ihrer natürlichen Umgebung befinden (siehe auch 1.2). Bild 1 Fertilisation Tag 0 Spermatozyten Oocyte HERKUNFT UND KLASSIFIZIERUNG VON STAMMZELLEN Tag 3-4 Embryonale Stammzellen Tag 5-7 Fötale pluripotente Stammzellen (aus Keimbahngewebe) Ab 8. Woche nach Fertilisation + Nabelschnur blut Somatische Stammzellen Erwachsener 15 Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm 16 Klassifizierung humaner Stammzellen: Die Diskussionen über die Klassifizierung von Stammzellen dauern noch an. Die Verwendung unterschiedlicher Definitionen, sowohl in der wissenschaftlichen Literatur als auch bei öffentlichen Erörterungen, ist häufig verwirrend. In diesem Bericht wird, je nach ihrer Herkunft und der Art ihrer Gewinnung, zwischen drei Gruppen von Stammzellen unterschieden16: 1. Humane embryonale Stammzellen Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus Embryonen in der Präimplantationsphase isolieren (Einzelheiten siehe Kapital 2). 2. Humane embryonale Keimzellen Stammzellen mit embryonalen Eigenschaften konnten auch aus primordialen Keimzellen des Fötus in den Wochen 5-10 isoliert werden. Aus diesen embryonalen Keimzellen entwickeln sich im Normfall die Gameten (Eizellen bzw. Spermatozyten). Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass aus Keimzellen gewonnene Stammzellen über die Fähigkeit verfügen, sich in unterschiedlichste Zelltypen auszudifferenzieren, wenngleich sie in dieser Hinsicht sehr viel eingeschränkter sind als embryonale Stammzellen17. Allerdings müssen diese Forschungsergebnisse noch von anderen Wissenschaftlern bestätigt werden, und die Diskussionen über die Stabilität des Genmaterials der Zellen sind noch nicht abgeschlossen. 3. Humane somatische Stammzellen Eine somatische Stammzelle ist eine nicht ausdifferenzierte Stammzelle, die sich in einem Gewebe oder Organ unter differenzierten Zellen nachweisen lässt und die sich selbst vermehren und ausdifferenzieren kann, um den Großteil der gewebs- oder organspezifischen Zelltypen hervorzubringen. Wenn somatische Stammzellen auch selten vorkommen, enthalten viele, wenn nicht die meisten Gewebe des Fötus und des menschlichen Körpers Stammzellen, die in ihrer normalen Umgebung über ein begrenztes Differenzierungspotenzial verfügen, um das Gewebe zu erneuern, dem sie angehören. Diese als somatisch definierten Stammzellen werden in der Regel als “multipotent” bezeichnet. Wissenschaftler haben somatische Stammzellen in sehr viel mehr Geweben nachgewiesen, als sie dies ursprünglich für möglich gehalten hatten. Zum Beispiel sollen in der Leber, in der Bauchspeicheldrüse, im Gehirn, im Knochenmark, in den Muskeln, im Riechepithel, im Fettgewebe und in der Haut Stammzellen nachgewiesen worden sein18. Einige Stammzellen bleiben nach der Geburt sehr aktiv (z. B. hämatopoetische Stammzellen, Stammzellen der Haut und des Darms), andere sind offenbar eher inaktiv (Stammzellen des Gehirns). An dieser Stelle sei erwähnt, dass jüngste Daten darauf 16 17 18 Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002.. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm Shamblott MJ et all, Human embryonic germ cell derivates express a broad range of developmentally distinct markers and proliferate extensively in vitro. Proc Natl Acad Sci USA 2001; 98:113-8 Jiang Y, et al Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow. Nature, 2002 ;418 :41-49 17 schließen lassen, dass zum Beispiel Zellen der Leber und sogar des Gehirns von Erwachsenen versuchen, bei Verletzungen Zellen zu ersetzen19. Möglichkeiten, humane somatische Stammzellen zu gewinnen: - Adulte Gewebe und Organe: Somatische Stammzellen lassen sich mit Hilfe invasiver Eingriffe gewinnen, vergleichbar den Eingriffen bei der Spende von Knochenmark. Hämatopoetische Stammzellen werden routinemäßig aus peripherem Blut gewonnen. Stammzellen lassen sich wohl auch nach einer Autopsie zum Beispiel post mortem aus dem Hirngewebe gewinnen. - Fötale Organe oder Gewebe: Fötale Gewebe oder Organe, die nach einem Schwangerschaftsabbruch entnommen wurden, können für die Gewinnung von Stammzellen verwendet werden. So können z. B. neurale Stammzellen aus dem Neuralgewebe des Fötus isoliert und in Kultur vermehrt werden. - Nabelschnurblut: Hämatopoetische Stammzellen können bei der Geburt aus dem Nabelschnurblut entnommen werden. Möglicherweise enthält das Nabelschnurblut auch Stammzellen, die andere Gewebe bilden können. 1.2 Die Plastizität humaner Stammzellen Bild 2 PLASTIZITÄT VON STAMMZELLEN Stammzelle Dedifferenzierung? Transdifferenzierung? Vorläuferzelle Differenzierung Differenzierte Zelle Angelehnt an D. Steindler, Universität Florida 19 z. B. Blut Oder Hirnzellen Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet 2002;359(9311):1047-1054 18 Jüngsten Berichten zufolge ist es wohl möglich, dass - Stammzellen des Gehirns sich zu Blutzellen ausdifferenzieren20 - Stammzellen des Knochenmarks sich in vitro zu Nerven-, Skelett- und Herzmuskelzellen sowie zu Leberzellen ausdifferenzieren usw. 21 Letzteres ließe sich dadurch erklären, dass einige wenige pluripotente Stammzellen ein Leben lang erhalten bleiben und unter normalen Bedingungen “ruhen “. Allerdings werden auch andere Hypothesen aufgestellt. Das Potenzial einer Stammzelle ist möglicherweise nicht ein für alle Mal festgelegt, sondern hängt von der Zellumgebung ab. So könnte eine somatische Stammzelle in der Lage sein, auf einem der folgenden Wege mehr als ein Gewebe zu bilden: In einer veränderten Umgebung könnte sich die ursprüngliche Stammzelle dedifferenzieren und dann so neu programmiert werden, dass sie andere Zelltypen hervorbringt. Oder Die ursprüngliche Zelle könnte direkt einen anderen Zelltyp annehmen, ohne den Zwischenschritt der Dedifferenzierung zu durchlaufen, ein Vorgang der mitunter als “Transdifferenzierung” bezeichnet wird. Dies grenzt an eine Revolution im Verständnis der Biologie der Zellentwicklung, die bisher davon ausging, dass im Gegensatz zu Pflanzen und niedrigeren Mikroorganismen in den Zellen von Säugern der Prozess der Differenzierung irreversibel ist. Einige Wissenschaftler haben Zweifel an der Plastizität von Stammzellen22. Derzeit laufen Forschungsarbeiten, mit denen festgestellt werden soll, welche Mechanismen der Plastizität von somatischen Stammzellen zugrunde liegen. Lassen sich diese Mechanismen identifizieren und steuern, könnten Stammzellen aus gesundem Gewebe angeregt werden, sich zu vermehren und krankes Gewebe zu ersetzen23. 1.3 Anwendungspotenzial der Forschung an humanen Stammzellen Die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen (aus Knochenmark, peripherem Blut oder dem Nabelschnurblut eines gesunden Spenders) wird bereits seit über zehn Jahren eingesetzt, um z. B. hämatologische Krankheitsbilder, wie Leukämie oder angeborene Immunschwächen zu behandeln. Um das Knochenmark von Patienten zu retten, die einer hochdosierten Chemotherapie ausgesetzt waren, wurde die autologe Transplantation (die Transplantation von Stammzellen aus dem Knochenmark oder dem peripheren Blut des Patienten) eingeführt. Sie findet jetzt verstärkt Einsatz als Erstbehandlung anderer Krebsarten, wie z. B. bei 20 21 22 23 Bjornson, C et al Turning brain into blood: a hematopoietic fate adopted by adult neural stem cells in vivo. Science 283, 354-357 (1999) Jiang Y, et al Pluripotency of mesenchymal stem cells derived from adult marrow. Nature, 2002 ;418 :41-49 Orlic, D et al Bone marrow cell regenerate infarcted myocardium. Nature (2001) 410, 701-705 Petersen, B.E. et al. Bone marrow as a potential source of hepatic oval cells. Science (1999) 284, 1168-1170 Wagers A.J. et al. Little evidence for developmental plasticity of adult haematopoïetic stem cells. Science , 297, 2256 2259 (2002) De Witt and Knight; Biologists question adult stem cell versality. Nature 416(2002):354 US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm 19 Brustkrebs und Neuroblastomen. Die autologe Stammzelltransplantation wird darüber hinaus experimentell zur Behandlung schwerer Autoimmunkrankheiten und als Vektor für die Gentherapie eingesetzt. Heute werden an über 350 Einrichtungen in Europa jährlich über 18.000 Knochenmarktransplantationen durchgeführt24. Die Forschung an humanen Stammzellen dürfte für verschiedene Bereiche der Wissenschaft und Medizin von Interesse sein25: • Zur Entwicklung einer neuartigen Stammzelltherapie. Die neuartigen Stammzelltherapien (häufig auch als regenerative Medizin oder Zelltherapien bezeichnet) werden auch im Hinblick auf die Entwicklung neuer Verfahren erforscht, mit denen Gewebe oder Zellen, die durch Verletzung oder Krankheit geschädigt wurden, wiederhergestellt oder ersetzt und schwere chronische Krankheiten, wie Diabetes, Parkinson, chronische Herzinsuffizienz sowie Schlaganfall und Rückenmarksverletzungen behandelt werden können. (Nähere Einzelheiten siehe Kapitel 1.4). • Zur Herstellung menschlicher Zelllinien für die Verwendung in der präklinischen Arzneimittelforschung und in der Toxikologie. Aus humanen embryonalen Stammzellen gewonnene normale humane Zelltypen können gentechnisch oder pharmakologisch verändert und in der Arzneimittelforschung verwendet werden. Sie versetzen Wissenschaftler in die Lage, unter sorgfältig kontrollierten Bedingungen das Wachstum und die Entwicklung vieler verschiedener Zelltypen des Menschen zu untersuchen, die bei Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Schlaganfall, Herzkrankheiten usw. eine Rolle spielen. Für Arzneimittelprüfungen sind diese Zelllinien als biologisches System möglicherweise klinisch relevanter als Tiermodelle und dürften deshalb dazu beitragen, dass sicherere und wirksamere Humanarzneimittel entwickelt werden. Zum Beispiel gibt es derzeit kein Labormodell für das menschliche Herz, weshalb es sehr schwierig (ja unmöglich) ist, die Auswirkungen von Arzneimitteln auf das Herz genau zu bestimmen, bevor Tests am Menschen durchgeführt wurden. Das Fehlen humaner Zellen, die normale Funktionen nachahmen, war bislang der wichtigste limitierende Faktor für den Ersatz von Tierversuchen in der Pharmakotoxikologie. Möglicherweise erweist sich dieser Bereich der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen als das zunächst größte Anwendungsgebiet in der Medizin. In einigen Gebieten der In-vitro-Toxikologie gibt es bislang nur unzureichende Verfahren zur Vorhersage der Toxizität auf das Zielorgan. Auf anderen Gebieten, wie der Embryo-Toxizität, werfen die Unterschiede zwischen den Arten große Probleme auf, weshalb die Verwendung von Humansystemen (humanised systems) die Gefahrenidentifizierung von Chemikalien verbessern könnten. • Die Verwendung von Stammzellen in der Gentherapie: Stammzellen ließen sich als Vektoren, d. h. als Träger genetischer Informationen für die Gentherapie einsetzen. Ein Problem bei der Erforschung der Gentherapie besteht darin, sichere Vektoren für die Einschleusung der Informationen zu entwickeln, und hier könnten die Stammzellen die Lösung sein. Derzeit laufen gentherapeutische Versuche zur Behandlung von Krankheiten des Blutsystems. Ziel dieser Versuche ist es, neue gesunde Gene in die Blut bildenden Stammzellen einzuschleusen, die dann die unterschiedlichsten Arten von Blutzellen 24 25 A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ 2000;321:433-437. US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm Anhang E - Stellungnahme Nr° 15 der Europäischen Gruppe für Ethik http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis15_EN.pdf 20 hervorbringen können und die darüber hinaus in der Lage sind, sich selbst zu erneuern und damit eine Heilung auf Dauer ermöglichen. • Zur Erforschung der Entwicklung des Menschen. Forschungsarbeiten zu humanen embryonalen und fötalen Stammzellen können zu einem besseren Verständnis der Evolutionsbiologie und der Entwicklung vom Embryo zum Menschen beitragen. Humane embryonale Stammzellen dürften Einblicke in Entwicklungsschritte liefern, die sich nicht direkt am intakten menschlichen Embryo beobachten lassen, die jedoch von großer Bedeutung für klinische Bereiche sind, wie angeborene Fehlbildungen, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten. Vor allem für die Zeit kurz nach der Implantation bleibt das Wissen über die normale menschliche Entwicklung im Großen und Ganzen auf die Beschreibung einer begrenzten Zahl sektionierter Embryonen und auf Analogien aus der experimentellen Embryologie anderer Arten beschränkt. Wenngleich die Maus das wichtigste Versuchstier für die experimentelle Embryologie bei Säugern ist, gibt es doch erhebliche Unterschiede z. B. bei den frühen Strukturen der Plazenta, der extraembryonalen Membranen, des Eizylinders im Vergleich mit der entsprechenden Struktur des menschlichen Embroys. • Zur Erforschung der grundlegenden Mechanismen der Zelldifferenzierung und -proliferation. Ein Hauptanliegen dieser Forschungsarbeiten ist es herauszufinden, wie sich aus undifferenzierten Stammzellen bestimmte, differenzierte Zelltypen entwickeln. Wissenschaftler wissen bereits, dass hierbei dem An- und Abschalten von Genen eine zentrale Bedeutung zukommt und dass Gene und Moleküle, Wachstumsfaktoren und Nährstoffe in der Embryonalentwicklung auch eine Rolle spielen. Diese Erkenntnisse können bei der Kultivierung von Stammzellen unterschiedlichster Herkunft im Labor und bei der Steuerung ihrer Ausdifferenzierung zu spezialisierten Zelltypen eingesetzt werden. Einige der schwersten medizinischen Probleme, wie Krebs, sind auf eine abnorme Zellteilung oder -differenzierung zurückzuführen. Weitergehende Erkenntnisse über die genetischen und molekularen Steuerungsmechanismen dieser Prozesse könnten Informationen darüber liefern, wie diese Krankheiten entstehen und dazu beitragen, neue Therapiestrategien zu entwickeln. 1.4 Neuartige Stammzelltherapien Derzeit werden drei therapeutische Ansätze verfolgt: 26: - Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen ausdifferenzierten Zellen: Stammzellen lassen sich kultivieren und so steuern, dass sie sich im Labor zu bestimmten Zelltypen ausdifferenzieren und dann implantiert werden können (z. B. zu Insulin produzierende Zellen zur Behandlung von Diabetes, zu Herzmuskelzellen zur Behandlung von Herzinsuffizienz oder zu Dopamin produzierenden Neuronen zur Behandlung der Parkinson-Krankheit usw.). Die jeweiligen ausdifferenzierten Zelltypen könnten aus embryonalen oder somatischen Stammzellen, auch aus den körpereigenen Stammzellen des Patienten, gewonnen werden. 26 Zur Forschung an embryonalen Stammzellen, Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin , Stellungnahme Nr. 3/2002 Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet 2002;359(9311):1047-1054 21 - Direkte Zuführung von Stammzellen: In manchen Fällen kann es möglich und/oder notwendig sein, dem Patienten Stammzellen direkt zuzuführen, so dass sie sich im Körper an einer bestimmten Stelle ausbreiten und sich dort weiter in die gewünschten Zelltypen ausdifferenzieren (d. h. durch systemisches “Homing”). - Stimulierung endogener Stammzellen: Geforscht wird auch an der Möglichkeit, die eigene Stammzellpopulation eines Individuums so anzuregen, dass die Selbstregenerierung in Gang gesetzt oder verstärkt wird, indem z. B. Wachstumsfaktoren zugeführt werden. Bild 3 Drei potenzielle Ansätze für die Stammzelltherapie bei Hirnschäden Injektion von aus Stammzellen gewonnenen differenzierten Nervenzellen in das Gehirn Stimulierung der eigenen Stammzellen des Patienten durch Wachstumsfaktoren wie “Neuropoietins ” Direkte Zuführung von Stammzellen ,d. h. systemisches “Homing” In Anlehnung an D. Peace und D. Steindler 1.5 Wissenschaftliche und technische Hürden, die vor der klinischen Anwendung der neuartigen Therapie mit humanen embryonalen Stammzellen zu überwinden sind Diese neuartigen Stammzelltherapien befinden sich noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Vor allem die Transplantation ausdifferenzierter Zellen, die aus Stammzellen isoliert wurden, wirft wissenschaftliche und technische Fragen auf, die es zu lösen gilt, bevor diese Therapien zur klinischen Anwendung kommen können, wie z. B.: 27: • 27 Differenzierung, Dedifferenzierung und Transdifferenzierung: Es besteht noch ein großer Forschungsbedarf, um Erkenntnisse über die Mechanismen zu gewinnen, die das US NIH “Stem Cells: A primer” September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm House of Lords Select Committee – Report on Stem cell research, February 2002 http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm The Health Council of the Netherlands’ report on 'Stem cells for tissue repair. Research on therapy using somatic and embryonic stem cells' June 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 22 Wachstum, die Migration, den Verbleib und die Differenzierung der Stammzellen steuern, um so eine kontrollierte und stabile Differenzierung gewährleisten zu können. Wissenschaftler müssen in der Lage sein, den Prozess der Dedifferenzierung, mit dem das normale Potenzial somatischer Stammzellen gesteigert werden soll, zu steuern. • Nicht gewünschte Gewebeentwicklung: Ein potenzielles Risiko der klinischen Anwendung der Stammzelltransplantation besteht darin, dass die Zellen nicht einfach zu Ersatz- oder Bindegewebe heranwachsen, sondern Gewebe herausbilden, die nicht in dem gewünschten Maße differenziert ist. • Tumorrisiko: Die Entwicklung von Tumoren stellt kein großes Risiko dar, vor allem weil bei der direkten Transplantation humaner embryonaler Stammzellen diese keine Teratome bilden. • Isolierung und Purifikation: Die Isolierung vieler adulter Stammzellen gestaltet sich noch als schwierig. Verfahren zur Purifikation müssen noch entwickelt werden, um die Transplantation nicht gewünschter Zellen zu verhindern. • Immunabwehr: Der menschliche Körper verfügt über eine Immunsystem, das körperfremde Zellen erkennt und sie zum Beispiel nach der Transplantation von Organen, Geweben oder Zellen, die von einem anderen Individuum stammen, abstößt (heterogene Transplantation). Die Immunabwehr ist die häufigste Ursache für die Abstoßung eines Transplantats und stellt eines der Probleme dar, die bei der Stammzellentherapie gelöst werden müssen, es sei denn, es können körpereigene Stammzellen des Patienten verwendet werden. Derzeit werden unterschiedliche Ansätze verfolgt, um die Immunabwehr zu unterdrücken, wie etwa durch Immunsuppressiva, Induktion von Immuntoleranz, Verwendung von übereinstimmendem Gewebe oder durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (d. h. therapeutisches Klonen) (siehe Anhang B). • Funktions- und Lebensfähigkeit: Die Funktionsfähigkeit der Stammzellen oder ihrer Abkömmlinge muss über die gesamte Lebensdauer des Empfängers gewährleistet sein und nach einer Transplantation müssen diese Zellen im Empfänger überleben. Es werden Verfahren benötigt, mit denen die Lebens- und Funktionsfähigkeit der ausdifferenzierten Zellen erhöht und genauer bewertet werden können. • Kulturbedingungen: Für die Gewinnung und Differenzierung spezialisierter Zelltypen gilt es, bewährte Herstellungsverfahren, wie z. B. keimfreie Kulturbedingungen, festzulegen. 1.6 Beispiele für neuartige Stammzelltherapien, die derzeit Gegenstand umfangreicher Forschungsarbeiten sind Neurologische Krankheiten und Störungen (siehe auch Bild 3) Die Parkinson-Krankheit wird durch eine fortschreitende Degenerierung und den Schwund von Dopamin produzierenden Nervenzellen (dopaminergene DA-Neuronen) verursacht, die zu Tremor, Rigor und Hypokinese (abnorm verminderte Spontanmotorik) führen. Wissenschaftler arbeiten an einer Reihe von Strategien, um im Labor Dopamin produzierende Nervenzellen aus humanen Stammzellen zu züchten oder auch Dopamin produzierende Nervenzellen aus abgetriebener Föten zu verwenden, die Parkinson-Patienten transplantiert 23 werden können. In den letzten zehn Jahren wurden vor allem in Schweden und den USA klinische Versuche bei etwa 200 Patienten mit der Parkinson-Krankheit durchgeführt. Die Versuche zeigten, dass die Transplantation von aus menschlichen Föten gewonnenen Nervenzellen therapeutische Wirkung zeigte, da die Krankheitssymptome bei den behandelten Patienten stark zurückgingen28. Allerdings steht fötales Neuralgewebe nur sehr begrenzt zur Verfügung. Derzeit werden Anstrengungen unternommen, fötale neurale Stammzellen zu vermehren und deren Ausdifferenzierung in dopaminergene DA-Neuronen zu steuern. In jüngst durchgeführten Studien haben Wissenschaftler embryonale Stammzellen von Mäusen mit Hilfe von Wachstumsfaktoren und durch Einschleusung des Gens Nurr1 in DANeuronen ausdifferenzieren lassen. Diese aus Stammzellen gewonnenen DA-Neuronen wurden in die Gehirne von Versuchsratten mit Parkinson-Syndrom transplantiert, reinnervierten die Gehirne der Versuchstiere, gaben Dopamin ab und verbesserten die Motorik29. Derzeit wird die Möglichkeit untersucht, die körpereigenen Stammzellen des Patienten im Gehirn zu stimulieren. Hierzu könnten Neuro-Poetine - kleine selektive Wachstumsfaktoren, die Reparaturprozesse durch die körpereigenen Stammzellen eines Individuums in Gang setzen - eingesetzt werden, um die Selbstheilung anzuregen oder zu steigern30. Herzinsuffizienz Werden z. B. infolge eines Herzinfarkts Herzmuskelzellen (Kardiomyozyten) zerstört, wird der funktionale kontraktierende Herzmuskel durch nichtfunktionales Narbengewebe ersetzt. Es besteht die Hoffnung, gesunde, in Laborkulturen gezüchtete Herzmuskelzellen zu transplantieren, um so Patienten mit z. B. chronischen Herzkrankheiten zu behandeln. Jüngste Versuche mit Mäusen zeigen, dass Kardiomyozyten, die aus embryonalen Stammzellen von Mäusen gezüchtet wurden und die in ein geschädigtes Herz implantiert wurden, Herzmuskelzellen entwickeln und erfolgreich neues Herzgewebe bilden können. Diese Ergebnisse legen nahe, dass aus humanen embryonalen Stammzellen gezüchtete Kardiomyozyten zur Transplantation im Rahmen der Zelltherapie für die Behandlung von Menschen mit Herzinsuffizienz weiterentwickelt werden könnten31. Von Tierversuchen wird berichtet, dass Stammzellen des Knochenmarks 32 zur Regenerierung nach einem Herzinfarkt eingesetzt werden können. Die Transplantation autologer Knochenmarkszellen (die Transplantation körpereigener Stammzellen des Patienten) in das geschädigte Herz war Gegenstand von zwei nicht randomisierten Studien33. 28 29 30 31 32 33 Bjorklund A; et Lindvall O. Cell repacement therapies for central nervous system disorders. Nature Neuroscience 3, 537-544( 2000) Björklund, L. M. et al. Embryonic stem cells develop into functional dopaminergic neurons after transplantation in a Parkinson rat model. Proc. Natl. Acad. Sci. USA 99, 2344-2349 (2002) Kim J-H et al.Dopamine neurons derived from embryonic stem cells function in an animal model of Parkinson’s disease. Nature 418. 50-56 ( 2002) Steindler D.A. and Pincus D.W., Stem cells and neuropoiesis in the adult brain, Lancet 2002;359(9311):1047-1054 Kehat et al Human embryonic stem cells can differentiate into myocytes with structural and functional properties. J Clin Invest 2001 103:407-14 Orlic, D. et al. Bone marrow cells regenerate infarcted myocardium. Nature 410, 701-705 (2001) Orlic, D. et al. Mobilized bone marrow cells repair the infacted heart, improving function and survival. Proc Natl Acad Sci USA 2001;98: 10344-9 Assmus B, et al. Transplantation of progenitor cells and regeneration enhancement in acute myocardial infarction (TOPCARE-AMI). Circulation (2002) 106: R53-R61 Strauer BE et al. Repair of infarcted myocardium by autologous intracoronary mononuclear bone narrow cell transplantation in humans. Circulation (2002) 106: 1913-1918 24 Diabetes Bei Menschen, die unter Diabetes Typ I leiden, zerstört das eigene Immunsystem des Patienten die Zellen der Bauchspeicheldrüse, die normalerweise das Insulin produzieren. Auch wenn Diabetiker mit täglichen Insulininjektionen behandelt werden können, erlaubt dies keine ständige Blutzuckerkontrolle. Deshalb leiden viele Diabetes-Patienten unter einer chronischen Degeneration vieler Organe, wie z. B. der Augen, der Nieren, der Nerven und der Blutgefäße. In einigen Fällen wurden Diabetes-Patienten mit einer Inselbetazelltransplantation behandelt. Allerdings lässt die geringe Zahl geeigneter Inselbetazelltransplantate von Post mortem-Spendern diese Vorgehensweise als wenig praktikabel für die wachsende Zahl von Diabetikern erscheinen. Um dieses Problem zu umgehen, wurden unter anderem folgende Wege zur Gewinnung von Inselzellen beschritten: - Humane adulte Zellen der Bauchspeicheldrüse wurden erfolgreich in vitro kultiviert und zur Differenzierung angeregt, es gibt aber noch keinen Nachweis darüber, dass diese Zellen in der Lage sind, in vivo den Blutzuckerspiegel zu regulieren. Dieser vielversprechende Weg wird in mehreren Laboratorien verfolgt. - Beta-Vorläuferzellen der Bauchspeicheldrüse von Föten. Die Identifizierung endokriner Vorläuferzellen in der sich entwickelnden Bauchspeicheldrüse und die Steuerung ihrer Differenzierung über einen besonderen zellulären Pathway lässt es möglich erscheinen, endokrine Vorläuferzellen, die von abgetriebenen Föten stammen oder die mit Hilfe adulter Zellen der Bauchspeicheldrüse gewonnen wurden, in vitro zu kultivieren und ausdifferenzieren zu lassen34. Embryonale Stammzellen. Versuche mit Mäusen haben gezeigt, dass sich Stammzellen von Mäuseembryonen in Insulin produzierende Zellen oder sonstige Zellen ausdifferenzieren können, die endokrine Hormone der Bauchspeicheldrüse exprimieren. Die Zellen formen dreidimensionale Cluster, die in ihrer Topologie normalen Inselzellen der Bauchspeicheldrüse ähneln. Nachdem diese Zellen in diabetische Versuchstiere transplantiert wurden, war eine Verbesserung ihres Zustands feststellbar35. Neue Studien deuten darauf hin, dass es möglich sein könnte, die Ausdifferenzierung humaner embryonaler Stammzellen in Kulturen so zu steuern, dass Insulin produzierende Zellen entstehen. 34 35 Serup P. et al Islet and stem cell transplantation for treating diabetes. BMJ 2001, 322:29-32. Lumelsky N et al Differentiation of embryonic stem cells to insulin - secreting structures similar to pancreas islets. Science 2001;292: 1389-94 25 KAPITEL 2: DIE FORSCHUNG AN HUMANEN EMBRYONALEN STAMMZELLEN Die ersten embryonalen Stammzellen wurden 1981 aus Mäusen isoliert, und viele der Forschungsarbeiten wurden an embryonalen Stammzellen von Mäusen durchgeführt. 1998 begann mit der erstmaligen Entnahme embryonaler Stammzellen aus humanen Blastozysten eine neue Ära der Stammzellenbiologie 36. Seither arbeiten verschiedene Forscherteams daran, diese Zellen zu charakterisieren und die Verfahren für deren Kultivierung zu verbessern. 2.1 Herkunft und Eigenschaften der humanen embryonalen Stammzellen Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus einem Embryo in der Präimplantationsphase im Blastozystenstadium gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt, der etwa am Tag 5 der Embryonalentwicklung erreicht ist, bildet sich eine Höhle aus 50 - 100 Zellen, die sogenannte Blastozyste. Sie besteht aus der äußeren Zellschicht, die sich zur Plazenta weiterentwickelt, der Keimhöhle, dem mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum in der Blastozyste und der inneren Zellmasse, aus der die humanen embryonalen Stammzellen isoliert werden können. Humane embryonale Stammzellen verfügen unter anderem über folgende Eigenschaften: - Sie können sich in verschiedenste Zelltypen des Körpers ausdifferenzieren (über 200 Typen sind bekannt), auch nachdem sie länger kultiviert wurden. Die humanen embryonalen Stammzellen werden als pluripotent bezeichnet. - Sie verfügen über die Fähigkeit, sich in ihrem undifferenzierten Stadium zu vermehren. 2.2 Möglichkeiten, humane embryonale Stammzellen zu gewinnen Humane embryonale Stammzellen lassen sich aus Embryonen im Präimplantationsstadium (Blastozystenstadium) gewinnen, die durch unterschiedliche In-vitro-Techniken37 erzeugt wurden (d. h. Embryonen, die außerhalb des menschlichen Körpers erzeugt wurden - diese Embryonen können sich nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln, wenn sie nicht in die Gebärmutter implantiert werden): 1. Überzählige Embryonen: Eine Möglichkeit besteht in der Verwendung überzähliger Embryonen. Hierbei handelt es sich um Embryonen, die durch In-vitro-Fertilisierung (IVF) für reproduktionsmedizinische Zwecke erzeugt wurden, dann aber nicht benötigt wurden. Beim weitaus größten Teil der Fälle, in denen reproduktionsmedizinische Maßnahmen ergriffen werden, geht es um Fertilitätsprobleme, weshalb überzählige Embryonen erzeugt werden, um die Erfolgschancen der Behandlung zu erhöhen. In den Ländern, in denen die Präimplantationsdiagnostik erlaubt ist, wird die IVF auch in diesem Zusammenhang eingesetzt, so dass sich humane embryonale Stammzellen auch aus Embryonen gewinnen lassen, die nach einer PID abgetrieben wurden. 36 37 Thomson, J.A et al. Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. Science 282, 1145-1147 (1998) Thomson, J.A et al. Embryonic stem cell lines derived from human blastocysts. Science 282, 1145-1147 (1998) Annex E - Opinions n°15 and 16 of the European Group on Ethics http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis15_en.pdf http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis16_en.pdf 26 Diese überzähligen Embryonen könnten für Forschungszwecke gespendet werden, sofern die betroffenen Paare nach umfassender Aufklärung ihre Einwilligung gegeben haben. 2. Embryonen, die durch IVF für Forschungszwecke und/oder zum Zwecke der Gewinnung von Stammzellen erzeugt wurden 38: Für Forschungszwecke erzeugte Embryonen können mit Hilfe der In-vitro-Fertilisation aus gespendeten Gameten, d. h. aus einer menschlichen Eizelle und einem menschlichen Spermatozyten gewonnen werden. 3. Embryonen, die durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen für Forschungszwecke und/oder zur Gewinnung von Stammzellen erzeugt werden 39: Embryonen lassen sich mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen erzeugen, d. h. der Kern einer adulten Körperzelle (z. B. einer Zelle des Patienten) wird in eine entkernte menschliche Eizelle überführt, die ohne Fertilisierung zur Weiterentwicklung angeregt wird (häufig als therapeutisches Klonen bezeichnet). Sobald das Blastozystenstadium erreicht ist, lassen sich pluripotente Stammzellen isolieren und kultivieren. Diese so gewonnenen Stammzellen haben den Vorteil, dass sie vom Immunsystem des Patienten akzeptiert werden. Derzeit arbeiten Laboratorien daran, den Kern von kultivierten humanen embryonalen Stammzellen durch den Kern von Körperzellen der Patienten zu ersetzen, um das Problem der Abstoßungsreaktionen zu umgehen. 4. Weitere Möglichkeiten: Es ist auch möglich, Embryonen auf dem Wege der Parthenogenese zu erzeugen (durch Invitro-Stimulierung einer Eizelle wird die Duplizierung der genetischen Informationen in Gang gesetzt und die Zellteilung ausgelöst). Schließlich wird darüber spekuliert, ob sich Stammzellen nicht gewinnen lassen, indem Zytoplasma aus Stammzellen oder Eizellen in Körperzellen injiziert wird, wodurch sich diese in Stammzellen umwandeln (Ooplasma-Transfer). Möglicherweise werden in Zukunft noch weitere Wege der Gewinnung von humanen embryonalen Stammezellen erforscht. 2.3 Kultivierung von humanen embryonalen Stammzellen im Labor 40 Zur Gewinnung embryonaler Stammzellen wird die äußere Membran der Blastozyste punktiert, die innere Zellmasse mit den Stammzellen abgesaugt und in eine Petrischale mit Nährboden, dem sogenannten Nährmedium, übertragen. Während die Blastozyste dabei zerstört wird und sich nicht weiterentwickeln kann, werden die isolierten humanen embryonalen Stammzellen in vitro kultiviert und bilden Stammzelllinien. Die 38 39 40 Gemäß der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über die Verabschiedung der spezifischen Programme zur Umsetzung des RP6 ist die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken und für die Gewinnung von Stammzellen, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen (d. h. durch therapeutisches Klonen) von der Förderung durch das 6. Forschungsrahmenprogramm ausgeschlossen. ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8. Gemäß der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über die Verabschiedung der spezifischen Programme zur Umsetzung des RP6 ist die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken und für die Gewinnung von Stammzellen, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen (d. h. durch therapeutisches Klonen) von der Förderung durch das 6. Forschungsrahmenprogramm ausgeschlossen. ABl. L 294 vom 29.10.2002, S. 8.. US NIH Stem cells: a primer, September 2002 http://www.nih.gov./news/stemcell/primer.htm Schwedischer Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Stammzellenfoschung, 17.01.2002, http://www.smer.gov.se 27 Stammzelllinien können dann kryokonserviert und in einer Zellbank gelagert werden. Für eine erfolgreiche Kultivierung müssen die Stammzellen nicht nur auf einem Nährboden, sondern auch auf einer Schicht aus sogenannten Nährzellen oder Bindegewebszellen aufgebracht werden. Bis vor nicht allzu langer Zeit wurden hierzu Fibroplasten von Mäusen verwendet, mittlerweile sind Wissenschaftler aber in der Lage, humane embryonale Stammzelllinien auf Schichten von Nährzellen menschlichen Ursprungs zu vermehren oder sogar humane embryonale Stammzellen ohne Nährzellenschicht zu kultivieren. Damit wird das Risiko, die menschlichen Zellen mit Viren oder Krankheitserregern aus den tierischen Zellen (Mäusezellen) zu kontaminieren, ausgeschaltet. Sind die Stammzellen von guter Qualität und zeigen keine Anzeichen von Alterung, kann aus derselben Stammzelllinie eine unbegrenzte Zahl von Stammzellen gewonnen werden. Abgesehen von ihrem breiten Differenzierungspotenzial haben sich embryonale Stammzelllinien im Labor als überlebensfähiger als andere Stammzellen erwiesen. Während des Prozesses der Erzeugung embryonaler Stammzelllinien prüfen die Wissenschaftler zu verschiedenen Zeitpunkten, ob die Zellen die grundlegenden Eigenschaften embryonaler Stammzellen besitzen. Bislang gibt es keine Standardprüfreihe zur Feststellung der grundlegenden Eigenschaften von Zellen, doch werden verschiedene Prüfreihen, wie etwa der Nachweis undifferenzierter Zellen anhand spezifischer Oberflächen- und Genmarker, eingesetzt. Folgende Unterscheidungen sind zu treffen: • • • Frisch aus einem Embryo gewonnene humane embryonale Stammzellen, die in keinster Weise verändert wurden und für die der Nachweis als Stammzelllinien noch erbracht werden muss. Unveränderte (undifferenzierte) humane embryonale Stammzelllinien, die aus kultivierten Zelllinien stammen, die aus ursprünglich frischen humanen embryonalen Stammzellen über einen längeren Zeitraum hinweg vermehrt und ansonsten in keiner Weise verändert wurden. Veränderte (differenzierte) abgeleitete humane embryonale Stammzellen, die aus kultivierten Zelllinien stammen, die aus abgeleiteten humanen embryonalen Stammzellen oder humanen embryonalen Stammzelllinien gewonnen wurden und die entweder durch gentechnische Eingriffe oder durch eine Behandlung (z. B. mit Wachstumsfaktoren) so verändert wurden, dass sich die Zellen auf eine bestimmte Weise ausdifferenziert haben, z. B. in Nerven- oder Muskelvorläuferzellen (Zellen, die noch nicht vollständig ausdifferenziert sind, da sie sich sonst nicht vermehren würden). 2.4 Vorteile und Grenzen des Einsatzes humaner embryonaler Stammzellen und somatischer Stammzellen für die Therapie wie sie sich derzeit darstellen Nach dem heutigen Wissensstand bergen humane embryonale und somatische Stammzellen im Hinblick auf ihren Einsatz für die Grundlagenforschung und Stammzelltherapie Vor- und Nachteile. 28 2.4.1 Humane embryonale Stammzellen Vorteile: • Humane embryonale Stammzellen verfügen über das Potenzial, unterschiedlichste Zelltypen des Körpers herausbilden zu können (sie sind pluripotent). • Humane embryonale Stammzellen sind derzeit die einzigen pluripotenten Stammzellen, die sich leicht in ausreichend großen Mengen isolieren und kultivieren lassen. Grenzen: • Das wohl größte wissenschaftliche Problem für den therapeutischen Einsatz von humanen embryonalen Stammzellen ist die Immunabwehr. Da die humanen embryonalen Stammzellen in der Regel nicht von dem zu behandelnden Patienten stammen, besteht die Gefahr von Abstoßungsreaktionen durch die Immunabwehr des Patienten. Anhang B enthält einen Überblick über derzeit laufenden Forschungsansätze, die Immunabwehr zu unterdrücken, wie z.B. Immunsuppressiva, Induzierung von Immuntoleranz, Verwendung „übereinstimmender“ Gewebe oder der Zellkerntransfer somatischer Zellen (d. h. therapeutisches Klonen). • Da humane embryonale Stammzellen sich in alle Zelltypen ausdifferenzieren können, gibt es Vorbehalte, dass es schwierig sein könnte, bei einem therapeutischen Einsatz sicherzustellen, dass sich die Stammzellen nicht in einen unerwünschten Zelltyp ausdifferenzieren oder Tumore entwickeln. Deshalb ist es unerlässlich, diese Risiken, insbesondere die Entwicklung von Tumoren, auszuschließen. • Die derzeitigen Verfahren zur Kultivierung von humanen embryonalen Stammzelllinien eignen sich für Forschungszwecke, doch das Vorhandensein von tierischem Material in den Kulturen humaner embryonaler Stammzellen, das für das Wachstum und die Differenzierung benötigt wird, schließt eine therapeutische Verwendung aus. Wissenschaftler arbeiten bereits daran, Stammzelllinien auf Nährböden menschlichen Ursprungs oder ohne jeglichen Nährboden sowie in genau definierten Kulturmedien zu kultivieren. 2.4.2 Humane somatische Stammzellen Vorteile: • Die Bedeutung somatischer Stammzellen für die Therapie lässt sich gut anhand der Verwendung hämatopoetischer Stammzellen für die Behandlung von Leukämie und anderen Blutkrankheiten aufzeigen. • Jüngst durchgeführte Studien, die darauf schließen lassen, dass einige somatische Stammzellen über ein sehr viel größeres Potenzial zur Differenzierung verfügen als bislang angenommen, geben der Hoffnung Auftrieb, dass sich mit somatischen Stammzellen noch andere Therapiemöglichkeiten eröffnen. • Da Kulturen von körpereigenen Stammzellen des Patienten angelegt und diesem wieder zugeführt werden können, werden die Zellen vom Immunsystem nicht abgestoßen. Dies ist ein entscheidender Vorteil, da die Immunabwehr ein großes Problem darstellt. • Möglicherweise lassen sich in Zukunft durch die systematische Zuführung von „Poetinen“ in-situ die Proliferation der körpereigenen somatischen Stammzellen eines Patienten stimulieren und deren Verbleib kontrollieren. 29 Grenzen: • Bis heute haben sich die Isolierung, Kultivierung und Differenzierung adulter Stammzellen als schwierig erwiesen. In der Regel stellen die Stammzellen nur einen Bruchteil der Zellen in adulten Geweben dar. Auch wenn hämatopoetische Stammzellen nur einen kleinen Teil der Zellen im peripheren Blut darstellen (d. h. bei den hämatopoetischen Stammzellen: 1 von 100.000 weißen Blutkörperchen), werden sie für die autologe Transplantation bei Erwachsenen bevorzugt 41. • Leidet ein Patient unter einem genetischen Defekt oder einer bestimmte Krebsart, enthalten die von dieser Person isolierten Stammzellen eben jene genetischen Defekte, die der Krankheit zugrunde liegen und sind somit kaum von therapeutischem Nutzen - wie z. B. bei Diabetes. Allerdings könnte der Gendefekt mit Hilfe der Gentherapie behoben werden. • Bislang ist nicht bekannt, ob somatische Stammzellen neue Zellen anderer Gewebearten durch Transdifferenzierung oder durch Dedifferenzierung zu einer weniger differenzierten Stammzelle entstehen lassen, die sich dann in einen neuen Zelltyp ausdifferenziert. Ein sehr großes, bislang nicht beherrschtes Problem, ist die Steuerung und die Sicherheit der Dedifferenzierung. • Adulte Stammzellen können durch Sonneneinwirkung, Toxine und der im Laufe eines Lebens aufgetretenen Replikationsfehler eine erhöhte Anzahl von DNA-Defekten enthalten. Die Frage, ob humane embryonale Stammzellen über ein größeres Potenzial verfügen als humane somatische Stammzellen (die aus fötalen oder adulten Geweben isoliert wurden) ist noch umstritten. Jüngst veröffentlichte Berichte über die Plastizität humaner somatischer Stammzellen (siehe Kapitel 1.2) haben zu der Überlegung geführt, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen noch notwendig ist, wenn somatische Stammzellen zur Verfügung stehen. Das Problem wurde in vielen Berichten nationaler Beratungsgremien, Ethikausschüsse und wissenschaftlicher Gesellschaften sowie in wissenschaftlichen Veröffentlichungen ausgiebig erörtert. Diese in den letzten Monaten veröffentlichten Berichte kamen zu dem Ergebnis, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, welche Erkenntnisse die embryonale oder somatische Stammzellenforschung hervorbringen wird und welche Stammzellen die Bedürfnisse der Grundlagenforschung und der klinischen Anwendung am besten erfüllen werden42. 2.5 Frage der Notwendigkeit neuer humaner embryonaler Stammzelllinien Entscheidend ist die Frage, ob es bereits genug embryonale Stammzelllinien gibt, die von den Mitgliedstaaten als ethisch vertretbar erachtet werden. Wenngleich humane embryonale Stammzelllinien, vor allem beim Nationale Institute of Health der USA registriert sind (siehe 41 42 A; L Lennard and G H Jackson. Science, medicine and the future: Stem cell transplantation. BMJ 2000;321:433-437 Stem Cells: scientific progress and future research directions, National Institutes of Health (NIH), Bethesda, USA, June 2001 http://www.nih.gov/news/stemcell/scireport.htm Schweizer Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin: Stellungnahme zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen, Juni 2002. Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande über 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen' Juni 2002.. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 House of Lords Select Committee UK– Report on Stem cell research, February 2002 http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm Schwedischer Nationalrat für Ethik in der Medizin: Stellungnahme zur Forschung an embryonalen Stammzellen, 17.01.2002 30 2.6) 43, wurden verschiedene Argumente angeführt, weshalb es notwendig sei, neue humane embryonale Stammzelllinien anzulegen44: • • • • • Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist so neu, dass die Wissenschaftler noch nicht sagen können, ob sie die bestmöglichen Verfahren für die Isolierung bzw. Konservierung der humanen embryonalen Stammzellen entwickelt haben. Es könnte passieren, das alle derzeit vorhandenen Zelllinien untauglich sind, so wie dies mit den ersten embryonalen Stammzelllinien von Mäusen der Fall war. Viele der derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden nicht ausreichend daraufhin getestet, ob sie die grundlegenden Eigenschaften embryonaler Stammzellen auch aufweisen. Die sechs humanen embryonalen Stammzelllinien des Karolinska Instituts, die beim NIH registriert sind, stehen nicht zur Verfügung und wurden noch nicht vollständig charakterisiert45 (Einzelheiten siehe Anhang C). Die meisten derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien wurden in Kontakt mit Mäusezellen kultiviert. Der Kontakt mit tierischen Zellen und Serumbestandteilen birgt das nicht abschätzbare Risiko der Kontaminierung mit Viren und anderen Krankheitserregern. Deshalb können solche Zelllinien nicht für die Transplantation beim Menschen verwendet werden. Die derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien haben nur eine geringe genetische Variationsbreite. Entscheidend dabei ist, dass Zelllinien unterschiedlicher genetischer Bausteine über unterschiedliche Merkmale verfügen. Viele der vorhandenen embryonalen Stammzelllinien wurden in den USA patentiert. Wichtig ist, nicht in die Abhängigkeit privater Unternehmen zu geraten. Anhang C enthält Beispiele der derzeit vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien. 2.6 Entwicklungen beim Aufbau von Stammzellenbanken und Registern Zellbanken humaner Stammzellen Sowohl in Schweden wie auch im Vereinigten Königreich wurde die Notwendigkeit erkannt, öffentliche Stammzellbanken, auch für humane embryonale Stammzellen, aufzubauen. Im Herbst 2002 hat der britische Medical Research Council (MRC) in Zusammenarbeit mit dem Biotechnology and Biological Science Council (BBSRC) und mit der vollen Unterstützung durch die britische Regierung die Initiative ergriffen, die weltweit erste umfangreiche, öffentlich finanzierte Stammzellenbank einzurichten. Die britische 43 44 45 http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html Das US National Institutes of Health (NIH) hat bekannt gegeben, dass 78 humane embryonale Stammzelllinien die Kriterien der Förderwürdigkeit in den USA erfüllen. Unklar sind das Entwicklungsstadium und die Charakterisierung dieser humanen embryonalen Stammzellen. Das NIH hat bislang 9 humane embryonale Stammzelllinien angegeben, die für die Weitergabe an mehrere Laboratorien zur Verfügung stehen. (James Battery, Leiter des NIH-Gremiums für die Verwaltung der Stammzellenforschung). Science 2003 (299) 1509. Die Wisconsin Alumni Research Foundation, die fünf Stammzelllinien besitzt, behauptet, genug zu haben, um die Wissenschaftler in aller Welt zu versorgen. Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen'. Juni 2002 http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 Mitteilung von Carlstedt-Duke, Forschungsdekan am Karolinska Institut, Schweden. 31 Stammzellenbank46 ist beim National Institute for Biological Standards and Control (NIBSC) angesiedelt und hat am 1. Januar 2003 offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Ziel der britischen Stammzellenbank ist der Aufbau einer unabhängigen und fachlich geeigneten Stelle für die Lagerung, Prüfung und Freigabe bestehender und neuer Bestände an Stammzelllinien, die aus adulten, fötalen und embryonalen humanen Geweben gewonnen wurden. Vorrangig geht es um die folgenden beiden Aufgaben: 1) Die Bereitstellung genau charakterisierter Stammzelllinien für Forschungszwecke im Inund Ausland. Diese Bestände werden nach gesetzlich genau festgelegten Bedingungen, jedoch nicht nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis aufgebaut und für die Grundlagenforschung zur Verfügung gestellt. 2) Die Bereitstellung von Stammzelllinien, deren Bestände nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis aufgebaut wurden und die direkt für die Herstellung von Material für Humantherapien verwendet werden können. Im Februar 2002 hat die britische Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) dem Imperial College in London und der Universität von Edinburg auf der Grundlage der im Jahr 2001 erlassenen Vorschriften die ersten beiden Lizenzen für die Forschung an Embryonen erteilt. Den genehmigten Protokollen zufolge werden aus ursprünglich durch IVF erzeugten, dann aber der Forschung gespendeten Embryonen humane embryonale Stammzelllinien angelegt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts wurden noch keine humanen embryonalen Stammzellen entnommen. Sobald vorhanden, werden die Stammzelllinien in der britischen Stammzellenbank gelagert. Dies ist eine Auflage der von der HFEA erteilen Forschungslizenz. Das Karolinska Institut in Stockholm plant ebenfalls, aus den verschiedenen Stammzelllinien, die das Institut angelegt hat, eine Stammzellenbank aufzubauen (etwa 9 humane embryonale Stammzelllinien dürften in den nächsten 12 Monaten zur Verfügung stehen). Diese Zelllinien werden anderen Wissenschaftlern weltweit zur Verfügung stehen47. An humanen embryonalen Stammzellen wird in Schweden auch am Sahlgrenska Universitätsklinikum der Universität Göteborg in Zusammenarbeit mit der Cell Therapeutics Scandinavia AB, geforscht. Beide Zentren arbeiten daran, humane embryonale Stammzelllinien anzulegen und differenzierte normale humane Zellen zu erzeugen. Bislang wurden 21 humane embryonale Stammzelllinien angelegt. Vier davon wurden vollständig charakterisiert und zwei erfüllen alle Kriterien für die Selbsterneuerung und Pluripotenz humaner embryonaler Stammzellen. Die übrigen 17 Zelllinien wurden zum Teil charakterisiert 48. Außerhalb der Europäischen Union, vor allem in den USA, Australien, Israel, Singapur, Korea und China laufen umfangreiche Forschungsprojekte zu humanen embryonalen Stammzellen. Nach Kenntnis der Kommission planen bislang nur Großbritannien und Schweden den Aufbau öffentlicher Stammzellenbanken. 46 47 48 http://www.nibsc.ac.uk/divisions/cbi/stemcell.html Mitteilung von Carlstedt-Duke, Forschungsdekan am Karolinska Institut, Schweden Mitteilung von Professor Hamberger, Universität Göteburg, Schweden. 32 Mit der Stammzellenbank soll nicht nur qualitativ hochwertiges Ausgangsmaterial für die Entwicklung einer Stammzellentherapie bereitgestellt werden, sondern den Forschern eine zentrale Anlaufstelle geboten werden, um so die Verwendung vorhandener humaner embryonaler Stammzelllinien zu optimieren, wodurch die Zahl der humanen Embryonen, die die einzelnen Forscherteams für die Gewinnung neuer Stammzelllinien benötigen, reduziert wird. Sie ermöglicht auch die Sammlung von Stammzelllinien unterschiedlicher Immunphänotypen. Zelllinien mit den phänotypisch größten Übereinstimmungen können zu einem späteren Zeitpunkt für die Zell- oder Gewebetransplantation ausgewählt werden. Register humaner embryonaler Stammzellen Das US National Institutes of Health (NIH) hat im Herbst 2001 ein Register für humane embryonale Stammzellen angelegt, in dem derzeit 78 humane embryonale Stammzelllinien aufgeführt sind, die die Kriterien der Förderwürdigkeit in den USA erfüllen49. In dem Register sind 14 Laboratorien bzw. Unternehmen weltweit aufgeführt, die humane embryonale Stammzelllinien angelegt haben. Unklar sind die Verfügbarkeit und die Charakterisierung dieser humanen embryonalen Stammzelllinien. Das Register für humane embryonale Stammzellen des NIH wurde jüngst aktualisiert, damit erkennbar ist, welche Stammzelllinien die Kriterien der Förderwürdigkeit mit Bundesmitteln erfüllen und derzeit zur Verfügung gestellt werden können50. In dem Register sind die folgenden 9 Zelllinien erfasst: 2 humane embryonale Stammzelllinien von BresaGen, Inc. (Unternehmen mit Sitz in den USA) 5 humane embryonale Stammzelllinien von ES Cell International (Unternehmen mit Sitz in Singapur und Australien) 1 humane embryonale Stammzelllinie der University of California in San Francisco 1 humane embryonale Stammzelllinie der Wisconsin Alumni Research Foundation Sowohl die Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen Technologien51 als auch die Europäische Gruppe für Biowissenschaften52 haben darauf hingewiesen, wie notwendig es ist, ein europäisches Register der Stammzelllinien aufzubauen. Vor allem die EGE fordert in ihrer Stellungnahme Nr. 16 „Die ethischen Aspekte der Patentierung von Erfindungen im Zusammenhang mit menschlichen Stammzellen“ die Notwendigkeit die Schaffung eines EU-Registers für unveränderte humane Stammzelllinien. 49 50 51 52 http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html Für die Förderwürdigkeit sind die folgenden Kriterien zu erfüllen: - der Prozess der Gewinnung muss vor dem 9. August 2001 eingeleitet worden sein - die Stammzellen müssen von einem Embryo stammen, der für Reproduktionszwecke erzeugt wurde, aber für diesen Zweck nicht mehr benötigt wurde; - für die Spende des Embryos muss eine informierte Einwilligung vorliegen; - für die Spende des Embryos dürfen keine finanziellen Anreize bestanden haben. http://escr.nih/ http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/docs/avis16_en.pdf http://europa.eu.int/comm/research/life-sciences/egls/index_en.html 33 “Ein solches Register, das sowohl ES-(embryonale Stammzellen) als auch EG-(embryonale Keimzellen) Stammzelllinien umfasst, sollte öffentlich zugänglich sein. Es sollte Transparenz gewährleisten und damit für die Forschungsgemeinden Zugang zu dem benötigten biologischen Material für weitere Forschungen sicherstellen.”51 34 KAPITEL 3: UMGANG MIT DER FORSCHUNG AN HUMANEN EMBRYONALEN STAMMZELLEN Die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen wirft vielfältige ethische Fragen auf. Hier treffen der wissenschaftliche Fortschritt und ethische Belange aufeinander, und in der Öffentlichkeit wird heftig diskutiert, welche ethischen Maßstäbe hier gelten müssen und wo die Grenzen dieser Forschung sind. Die Frage, ob die Forschung an embryonalen Stammzellen ethisch vertretbar ist, lässt sich als Konflikt zwischen unterschiedlichen Werten, zwischen den Rechten und Pflichten verschiedener Akteure oder zwischen kurz- und langfristigen Interessen verschiedener Gruppen beschreiben. Einerseits ist das Interesse an neuen Erkenntnissen groß, die die Behandlung bislang unheilbarer Krankheiten ermöglichen können. Werden bei der Forschung humane Embryonen verwendet, stellt sich andererseits die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen für diese Forschung 53. Die Meinungen zur Legitimität der Versuche mit und an humanen Embryonen sind je nach ethischem, philosophischem und religiösem Hintergrund geteilt. Die Mitgliedstaaten der EU haben sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen, womit bestätigt wird, dass in der Europäischen Union die verschiedensten Ansichten darüber bestehen, was als ethisch vertretbar gilt und was nicht. 3.1 Die ethischen Fragen Wie bereits in der am 14. November 2000 abgegebenen Stellungnahme Nr. 1554 der Europäischen Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der Neuen Technologien (EGE) zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen” dargelegt, gelten für die Forschung an humanen Stammzellen die folgenden ethischen Grundsätze: • Der Grundsatz der Achtung der Menschenwürde; • Der Grundsatz der Autonomie des Betreffenden (der die Einwilligung nach Aufklärung, die Achtung der Privatsphäre und die Vertraulichkeit personenbezogener Daten beinhaltet); • Der Grundsatz der Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere im Hinblick auf die Verbesserung der Gesundheit und den Gesundheitsschutz); • Der Grundsatz der Freiheit der Forschung (der gegenüber anderen Grundrechten abzuwägen ist); • Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (die Forschungsverfahren müssen zum Erreichen der angestrebten Ziele unerlässlich sein, und es stehen keine geeigneteren Alternativen zur Verfügung). 53 54 Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”. http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm Anhang E - Stellungnahme Nr. 15 der Europäischen Gruppe für Ethik zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen”. http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm 35 „Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht ausgerichteten Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie deren Verwendung für den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen“. Zur Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke stellt die EGE fest, dass “die Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken (bedenklich ist), da dies einen weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet” und hält “die Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung von Stammzellen (für) ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen 55 als Quelle zur Verfügung stehen.” Ferner ist die EGE der Auffassung, dass “die Erzeugung von Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen derzeit insofern verfrüht (wäre), als sich der Wissenschaft ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen (überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte Stammzellen) bietet.” Die ethische Vertretbarkeit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen im Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm der Gemeinschaft In der gleichen Stellungnahme stellt die EGE fest, “dass einige Länder Embryonenforschung verbieten. Wo diese Forschung zur Verbesserung der Infertilitätsbehandlung aber zugelassen ist, spricht kaum etwas gegen die Ausweitung des Rahmens dieser Art von Forschung, da sie auf neue Methoden für die Behandlung schwerer Krankheiten oder Schädigungen abzielt. Ebenso wie die Infertilitätsforschung ist auch die Stammzellforschung auf die Linderung großen menschlichen Leidens ausgerichtet. Die Zerstörung der für die Forschung verwendeten Embryonen ist dabei unabwendbar. Folglich lässt sich kein Argument gegen die Finanzierung dieser Art von Forschung aus dem Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen, solange sichergestellt ist, dass die Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und rechtlichen Anforderungen entspricht.” Hierzu stellt die EGE weiter fest, dass “die Gemeinschaft ... für die Stammzellforschung, bei der alternative Quellen (überzählige Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen Forschungshaushalt vorsehen (sollte). Die Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der Validität der jüngsten Erfindungen zum Differenzierungspotential von erwachsenen Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte zur Auflage machen, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden. Auf europäischer Ebene kommt der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm besondere Verantwortung als Finanzgeber für ESForschungsvorhaben zu. Daher müssen geeignete Verfahren entwickelt und genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit nicht nur vor dem Anlaufen solcher Vorhaben, sondern auch in der Überwachungsphase eine Bewertung unter ethischen Aspekten gesichert ist.” 55 Die Bezeichnung “spare embryos” in der englischen Fassung ist gleichbedeutend mit “supernumerary embryos” (überzählige Embryonen). 36 Grundlegende Anforderungen an die Forschung an und mit humanen embryonalen Stammzellen Zur Verwendung überzähliger humaner Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen stellt die EGE in ihrer Stellungnahme fest, dass “die Gewinnung von Stammzellen aus embryonalen Blastozysten ... die Frage nach dem ethischen Status des menschlichen Embryos auf(wirft). Vor dem Hintergrund der in Europa herrschenden Pluralität liegt es im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten, Embryonenforschung zu verbieten oder zuzulassen. Im letzteren Fall erfordert das Gebot der Achtung der Menschenwürde besondere Vorschriften für die Embryonenforschung sowie Garantien gegen willkürliche Versuche und die Instrumentalisierung menschlicher Embryonen. Die EGE geht auch auf die Frauenrechte im Zusammenhang mit der Stammzellenforschung ein und stellt fest, dass Frauen, die sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen, einem hohen psychischen und physischen Druck ausgesetzt sind. Die Gruppe weist auf die Notwendigkeit hin, “sicherzustellen, dass Frauen durch die Nachfrage nach überzähligen Embryonen und Eizellenspenden nicht noch mehr belastet werden.” Die EGE nennt die folgenden Bedingungen, an die die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen und die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen geknüpft werden sollte: • Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Spenderpaares oder der spendenden Frau. Die EGE stellt fest: “Die freie Einwilligung nach Aufklärung muss nicht nur vom Spender, sondern auch vom Empfänger erteilt werden, wie die Beratergruppe in ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte. In jedem Fall ist der Spender (die Frau bzw. das Paar) über die mögliche Verwendung der embryonalen Zellen für den hier diskutierten spezifischen Zweck zu informieren, bevor um die Einwilligung ersucht wird.” Die Auflagen können voneinander abweichen, je nachdem, welche Informationen vorliegen und welche Personen ihre Einwilligung geben müssen (das Paar oder die Frau). Artikel 3 Absatz 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union besagt:” Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: die freie Einwilligung der betroffenen Person nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Modalitäten,...” • Genehmigung der Forschung durch eine Behörde. Nach Auffassung der Gruppe, “muss die ES-Forschung in Ländern, in denen sie zugelassen ist, einer strengen öffentlichen Kontrolle durch eine zentralisierte Einrichtung, beispielsweise in der Art der britischen Zulassungsbehörde (Human Fertilisation and Embryology Authority) unterstellt werden. Außerdem ist zu gewährleisten, dass die Genehmigungen für derartige Forschungsarbeiten äußerst selektiv und nur im Einzelfall erteilt werden. Dabei ist für größtmögliche Transparenz Sorge zu tragen. Dies hat in gleicher Weise für Forschungen öffentlicher oder privater Einrichtungen zu gelten.” • Kein finanzieller Anreiz für die Spender. Die EGE unterstreicht, dass “es .. nicht zu unterschätzen (ist), dass bei Vorhandensein finanzieller Anreize stets die Gefahr besteht, dass Druck oder Zwang ausgeübt werden. Embryonen und abgestorbenes fetales Gewebe dürfen nicht käuflich erworben oder 37 verkauft und noch nicht einmal zum Verkauf angeboten werden. Zur Verhinderung der kommerziellen Nutzung sind Maßnahmen vorzusehen.” Artikel 3 Absatz 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union besagt:” Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen,..” • Anonymität der Spender und Schutz der Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten der Spender in bezug auf die Spende humanen biologischen Materials. Die EGE stellt hierzu fest: ”Es muss alles Notwendige getan werden, um bei der Stammzellforschung und -verwendung die Identität von Spender und Empfänger zu schützen und zu wahren. Wie die Beratergruppe dazu in ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte, verbietet die “Anonymität der Gewebespende die Offenlegung von Informationen, die es ermöglichen, den Spender bzw. den Empfänger zu identifizieren. In der Regel dürfen weder Spender noch Empfänger die Identität des jeweils anderen kennen.” In den meisten Fällen werden die Spender nicht anonym sein, da die Herkunft des Embryos bis zu den Spendern von Eizelle und Spermatozyte zurückverfolgt werden kann. Auch wenn die Identität des Spenders in der Regel durch die Codierung and sonstige Maßnahmen zum Schutz der Vertraulichkeit geschützt ist, machen es die Sicherheits- und Qualitätsauflagen für die klinische Forschung notwendig, dass die Spender nicht vollständig unkenntlich gemacht werden. Die Anonymität ist dann nicht möglich. • Transparenz der Forschungsergebnisse. Die EGE empfiehlt ferner, dass “die EU ... zur Auflage machen (sollte), dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden. Für die klinische Forschung hebt die EGE folgende Aspekte hervor: • Die freie und nach Aufklärung erteilte Genehmigung des Patienten und des Spenders. • Risiko-Nutzen-Analyse. “Das Abwägen von Risiko und Nutzen ist bei der Stammzellenforschung, wie bei jeder anderen Forschung auch, unerlässlich, nur sind die Schwierigkeiten hier wegen der noch vorhandenen Wissenslücken und der damit einhergehenden Unsicherheit ungleich größer. Um die Risiken auf ein Mindestmaß zu begrenzen und den Nutzen zu steigern, müssten die Sicherheitsstrategien optimiert werden. Es genügt nicht, die kultivierten Stammzellen oder die aus ihnen gewonnenen Gewebe auf Bakterien, Viren oder Toxizität zu testen. Wenn es um die Transplantation von genetisch modifizierten Zellen und die Gewinnung von Stammzellen aus somatischen Zellen geht, ist es von allergrößter Bedeutung, dass sämtliche Sicherheitsaspekte geprüft werden. So ist beispielsweise das Risiko, dass durch transplantierte Zellen Anomalien hervorgerufen oder das Entstehen von Tumoren oder Krebs begünstigt werden, abzuwägen. Der potentielle Nutzen für den Patienten sollte auf jeden Fall in Erwägung gezogen, jedoch nicht überbewertet werden. Die Gründe, die für ein vorsichtiges Vorgehen sprechen, sind zu berücksichtigen.” • Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Versuchen teilnehmen. “Es ist erforderlich, bei klinischen Anwendungen der Stammzellforschung das Risiko irreversibler und gegebenenfalls schädlicher Veränderungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Wenn möglich, sollten stets Techniken angewandt werden, die Aussichten auf 38 Reversibilität bieten. Würden bei der Transplantation beispielsweise genetisch modifizierte Zellen, die eine Stimulierung des Nervenwachstumsfaktors bewirken sollen, eingekapselt, könnte das Verfahren im Falle von Problemen rückgängig gemacht werden.” Die Stellungnahme der EGE zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen” stammt zwar vom 14. November 2000, ist jedoch durchaus noch als relevant anzusehen. Die Forschung an humanen Stammzellen und insbesondere die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen steckt immer noch in den Kinderschuhen, weshalb die Fragen der ethischen Vertretbarkeit und die Anforderungen an die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen noch immer von Belang sind. Kapitel 3.2 enthält weitere Informationen über die in den EU-Mitgliedstaaten geltenden Anforderungen an den Import und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen und/oder die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen. 3.2. Einschlägige Rechtsvorschriften in den EU-Mitgliedstaaten56 Die Mitgliedstaaten der EU haben bereits sehr unterschiedliche Positionen bezüglich der Auflagen für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bezogen und bereiten derzeit neue Rechtsvorschriften vor. Tabelle 1 gibt einen Überblick über den Stand im März 2003 Dabei ergibt sich folgendes Bild: 1. Die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist unter bestimmten Bedingungen gesetzlich erlaubt: Finnland Das 1999 erlassene Gesetz zur Medizinforschung enthält Auflagen und Vorschriften für die Verwendung überzähliger humaner Embryonen bis zum Tag 14 der Embryonalentwicklung. Die Erzeugung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen ist erlaubt. Die mit der Embryonenforschung befassten Laboratorien benötigen eine Genehmigung der nationalen Behörde für rechtsmedizinische Angelegenheiten. Die Forschungsprojekte müssen von einem Ethikausschuss befürwortet werden. Die informierte Einwilligung beider Gametenspender muss vorliegen. Griechenland Das erst jüngst erlassene Gesetz 3089/2002 über die medizinisch unterstützte humane Reproduktion erlaubt die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen. Das Gesetz schreibt vor, dass die informierte Einwilligung beider Gametenspender vorliegen muss und kein finanzieller Anreiz bestanden haben darf. 56 Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003) “Survey on the National Regulations in the European Union regarding Research on Human Embryos” - B. Gratton - veröffentlicht vom Sekretariat der EGE - Europäische Kommission - Juli 2002 39 Die Niederlande Das Embryonengesetz vom September 2002 erlaubt die Verwendung überzähliger Embryonen für Forschungszwecke sowie die Isolierung embryonaler Stammzellen aus diesen Embryonen. Derartige Forschungsarbeiten bedürfen der befürwortenden Stellungnahme des zentralen Ausschusses für die Forschung am Menschen. Die informierte Einwilligung der Spender muss vorliegen. Das Forschungsprojekt muss zum Ziel haben, neue medizinischwissenschaftliche Erkenntnisse hervorzubringen. Schweden Das 1991 erlassene Gesetz über „Maßnahmen zum Zweck der Forschung und Behandlung befruchteter menschlicher Eizellen“ und das Gesundheits- und Medizingesetz (18-982:763) finden hier Anwendung. Nach dem Gesetz (1991:115) ist die In-vitro-Forschung an Embryonen bis zu Tag 14 nach Befruchtung rechtlich gestattet, anschließend ist der Embryo zu vernichten. Nach einigen Diskussionen herrscht Konsens, dass dieses Gesetz die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlaubt. Eine Überprüfung des Gesetzes wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3). Vereinigtes Königreich Das Gesetz über die humane Fertilisation und Embryologie aus dem Jahr 1990 wurde 2001 durch die “Human Fertilisation and Embryology Research Purposes Regulation” (Verordnung über die humane Fertilisierung und Embryologie für Forschungszwecke) ergänzt, mit der die Möglichkeit eröffnet wurde, Embryonen in der Forschung zu verwenden, um neue Erkenntnisse über schwere Krankheiten und deren Behandlung zu gewinnen. Zuständig für die Genehmigung der Forschung an und mit humanen Embryonen ist die Human Fertilisation and Embryology Authority. Die HFEA verlangt die informierte Einwilligung der Spender und eine freiwillige Spende. Die ersten beiden Genehmigungen für die Stammzellenforschung unter den 2001 erlassenen Verordnungen wurden von der HFEA im Februar 2002 erteilt. 2. Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus humanen Embryonen, wobei unter bestimmten Bedingungen der Import humaner embryonaler Stammzelllinien gesetzlich erlaubt ist. Deutschland Das Embryonenschutzgesetz von 1990 verbietet jegliche Forschung, die nicht zum Nutzen des betreffenden Embryos ist. Am 28. Juni 2002 wurde ein neues Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen – StZG (Stammzellgesetz) verabschiedet. Paragraph 4 „Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen“ legt fest: (1) Die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen ist verboten. (2)Abweichend von Absatz 1 sind die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken unter den in § 6 genannten Voraussetzungen zulässig, wenn 1. zur Überzeugung der Genehmigungsbehörde feststeht, dass a) die embryonalen Stammzellen in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland dort vor dem 1. Januar 2002 gewonnen wurden und in Kultur gehalten werden oder im Anschluss daran kryokonserviert gelagert werden (embryonale Stammzell-Linie), b) die Embryonen, aus denen sie gewonnen wurden, im Wege der medizinisch unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden sind, sie endgültig nicht mehr für diesen Zweck verwendet wurden und keine Anhaltspunkte dafür 40 vorliegen, dass dies aus Gründen erfolgte, die an den Embryonen selbst liegen, c) für die Überlassung der Embryonen zur Stammzellgewinnung kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen wurde und 2. der Einfuhr oder Verwendung der embryonalen Stammzellen sonstige gesetzliche Vorschriften, insbesondere solche des Embryonenschutzgesetzes, nicht entgegenstehen. (3) Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gewinnung der embryonalen Stammzellen offensichtlich im Widerspruch zu tragenden Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung erfolgt ist. Die Versagung kann nicht damit begründet werden, dass die Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Paragraph 5 „Forschung an embryonalen Stammzellen“ lautet: Forschungsarbeiten an embryonalen Stammzellen dürfen nur durchgeführt werden, wenn wissenschaftlich begründet dargelegt ist, dass 1. sie hochrangigen Forschungszielen für den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn im Rahmen der Grundlagenforschung oder für die Erweiterung medizinischer Kenntnisse bei der Entwicklung diagnostischer, präventiver oder therapeutischer Verfahren zur Anwendung bei Menschen dienen und 2. nach dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik a) die im Forschungsvorhaben vorgesehenen Fragestellungen so weit wie möglich bereits in In-vitroModellen mit tierischen Zellen oder in Tierversuchen vorgeklärt worden sind und b) der mit dem Forschungsvorhaben angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn sich voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen lässt. Paragraph 6 “Genehmigung” lautet: (1) Jede Einfuhr und jede Verwendung embryonaler Stammzellen bedarf der Genehmigung durch die zuständige Behörde. (2) Der Antrag auf Genehmigung bedarf der Schriftform. Der Antragsteller hat in den Antragsunterlagen insbesondere folgende Angaben zu machen: 1. den Namen und die berufliche Anschrift der für das Forschungsvorhaben verantwortlichen Person, 2. eine Beschreibung des Forschungsvorhabens einschließlich einer wissenschaftlich begründeten Darlegung, dass das Forschungsvorhaben den Anforderungen nach § 5 entspricht, 3. eine Dokumentation der für die Einfuhr oder Verwendung vorgesehenen embryonalen Stammzellen darüber, dass die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 erfüllt sind; der Dokumentation steht ein Nachweis gleich, der belegt, dass a) die vorgesehenen embryonalen Stammzellen mit denjenigen identisch sind, die in einem wissenschaftlich anerkannten, öffentlich zugänglichen und durch staatliche oder staatlich autorisierte Stellen geführten Register eingetragen sind, und b) durch diese Eintragung die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 erfüllt sind. (3) Die zuständige Behörde hat dem Antragsteller den Eingang des Antrags und der beigefügten Unterlagen unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Sie holt zugleich die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung ein. Nach Eingang der Stellungnahme teilt sie dem Antragsteller die Stellungnahme und den Zeitpunkt der Beschlussfassung der Zentralen Ethik- Kommission für Stammzellenforschung mit. (4) Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn 1. die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 2 erfüllt sind, 2. die Voraussetzungen nach § 5 erfüllt sind und das Forschungsvorhaben in diesem Sinne ethisch vertretbar ist und 3. eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung nach Beteiligung durch die zuständige Behörde vorliegt. (5) Liegen die vollständigen Antragsunterlagen sowie eine Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung vor, so hat die Behörde über den Antrag innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu 41 entscheiden. Die Behörde hat bei ihrer Entscheidung die Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung zu berücksichtigen. Weicht die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung von der Stellungnahme der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung ab, so hat sie die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. (6) Die Genehmigung kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt und befristet werden, soweit dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 erforderlich ist. Treten nach Erteilung der Genehmigung Tatsachen ein, die der Genehmigung entgegenstehen, kann die Genehmigung mit Wirkung für die Zukunft ganz oder teilweise widerrufen oder von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht oder befristet werden, soweit dies zur Erfüllung oder fortlaufenden Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Absatz 4 erforderlich ist. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Rücknahme oder den Widerruf der Genehmigung haben keine aufschiebende Wirkung. Die erste Genehmigung für die Einfuhr humaner embryonaler Stammzelllinien wurde im Dezember 2002 erteilt. 3. Verbot der Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen humanen Embryonen: Österreich In dem 1992 verabschiedeten österreichischen Gesetz zur Reproduktionsmedizin ist festgelegt, dass entwicklungsfähige Zellen nur für die medizinisch unterstützte Reproduktion verwendet werden dürfen. Das Gesetz wird so ausgelegt, dass sowohl die Gewinnung von Stammzellen aus Embryonalgeweben als auch die Forschung an importierten humanen embryonalen Stammzelllinien verboten sind. Die Verwendung importierter humaner embryonaler Stammzellen ist nicht ausdrücklich verboten, so dass die Diskussionen über die Genehmigung noch andauern. Dänemark Das 1997 verabschiedete Gesetz über die Reproduktionsmedizin erlaubt nur die Erforschung besserer Methoden für die In-vitro-Fertilisation oder Präimplantationsdiagnostik. Deshalb ist die Isolierung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen verboten. Der Import von humanen embryonalen Stammzellen ist nicht ausdrücklich verboten. Die dänische Regierung wird im Frühjahr 2003 eine Stellungnahme zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen abgeben und hat deshalb empfohlen, keine Forschungsarbeiten an humanen embryonalen Stammzelllinien aufzunehmen, bis die Regierung ihre Entscheidung dem Parlament vorgelegt hat. (Siehe auch Kapitel 3.3). Frankreich Nach dem 1994 erlassenen Bioethik-Gesetz ist die Forschung an humanen Embryonen in vitro verboten, es sei denn die Forschung schädigt den Embryo nicht. Der Import und die Verwendung humaner embryonaler Stammzelllinien, die aus überzähligen Embryonen gewonnen wurden, ist nicht ausdrücklich verboten, doch über die Genehmigung wird noch diskutiert. Eine Überarbeitung des Bioethik-Gesetzes wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3). Irland Es gibt kein Gesetz zur Regelung der Forschung an und mit Embryonen. Allerdings steht im Verfassungstext von 1937 (geändert 1983), dass der Staat das Recht des Ungeborenen auf Leben anerkennt und unter gebührender Berücksichtigung des gleichen Rechts auf Leben der Mutter durch seine Gesetze gewährleistet, dieses Recht zu achten und es, soweit dies durchführbar ist, mit seinen Gesetzen zu verteidigen und zu schützen. 42 Spanien Die 1988 erlassenen Gesetze über die Techniken der Reproduktionsmedizin und die Spende und Verwendung von Embryonen und Föten sowie der aus diesen gewonnenen Zellen erlauben die Forschung in vitro an humanen Embryonen, die unter bestimmten Bedingungen biologisch nicht lebensfähig sind, wobei die Begriffsbestimmung eines nicht lebensfähigen Embryos nicht eindeutig festgelegt wird. Bei lebensfähigen humanen Embryonen wird nur die Forschung zum Nutzen des betroffenen Embryos erlaubt. Eine Überarbeitung des Gesetzes wird derzeit erörtert (siehe Kapitel 3.3). 4. Keine besonderen Vorschriften für die Forschung an und mit humanen Embryonen Belgien 1999 wurden per königlichem Erlass die Anforderungen an Zentren für die In-vitroFertilisation festgelegt. Es gibt keine speziellen Gesetze zur Regelung der Forschung, doch es ist derzeit gängige Praxis, dass diese Forschung nur bei Zentren für die In-vitro-Fertilisation nach vorheriger Genehmigung durch lokale Ethikausschüsse durchgeführt wird (siehe Kapitel 3.3). Italien Italien hat kein Gesetz verabschiedet. Der nationale Bioethik-Ausschuss Italiens hat eine Empfehlung für die „therapeutische Verwendung von Stammzellen“ abgegeben. Darin erachtet eine Mehrheit seiner Mitglieder die Forschung an humanen überzähligen Embryonen für die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen als legitim. Luxemburg Es gibt kein Gesetz zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen. Portugal Portugal hat kein Gesetz verabschiedet, jedoch die Konvention des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin ratifiziert, die am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde und die die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke verbietet sowie das Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen. Der nationale Ethikrat hat zu diesen Fragen Stellungnahmen verabschiedet und darin die Auffassung vertreten, dass Forschung ohne Nutzen für den betreffenden Embryo nicht legitim ist. Das Wissenschaftsministerium hat 2002 einen Lenkungsausschuss eingesetzt, der ein Gesetz zur Regelung der Forschung an und mit humanen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen ausarbeiten soll. 5. Erzeugung von humanen Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen ist gesetzlich erlaubt Das Vereinigte Königreich ist derzeit der einzige Mitgliedstaat, der ein Gesetz erlassen hat, das die Erzeugung humaner Embryonen durch Befruchtung einer Eizelle mit einem Spermatozyten oder durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen erlaubt. Das 1990 erlassene Gesetz und die 2001 verabschiedete Verordnung (siehe oben) erlauben die Isolierung von Stammzellen für die in dem Gesetz genannten 8 Forschungsziele. Mit dem niederländischen Embryogesetz von 2002 wird die Erzeugung humaner Embryonen ausschließlich für Forschungszwecke grundsätzlich verboten. Allerdings ist dieses Verbot 43 nicht unumstößlich, da es durch königlichen Erlass innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes aufgehoben werden kann. 6. Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und für die Gewinnung von Stammzellen per Gesetz oder durch Ratifizierung der Konvention des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin, die am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde Die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und die Gewinnung embryonaler Stammzellen sind derzeit in Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Griechenland, Irland, den Niederlanden, Portugal, Spanien und Schweden verboten. 44 3.3. Neue Gesetze in den EU-Mitgliedstaaten in Vorbereitung 57 Belgien Zur Zeit ist das Parlament mit einer Gesetzesvorlage zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen in vitro befasst, die der belgische Senat 2002 genehmigt hat. Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen unter bestimmten Bedingungen zu genehmigen und hierzu eine „Föderale Kommission für die wissenschaftlich-medizinische In-vitro-Forschung an Embryonen “ einzusetzen. Mit der Gesetzesvorlage wird auch beabsichtigt, die Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke, auch mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen, zu genehmigen. Artikel 3 schlägt vor, die Forschung an humanen Embryonen in vitro unter folgenden Bedingungen zu genehmigen: - Forschung für therapeutische Zwecke - Grundlage ist der neueste wissenschaftliche Kenntnisstand - Durchführung durch ein eingetragenes Labor - Embryonen bis zum Tag 14 ihrer Entwicklung - keine echten Alternativverfahren vorhanden - Einwilligung der Spender Darüber hinaus wird die Forschung auf kommunaler und föderaler Ebene kontrolliert. Dänemark Eine Überarbeitung der derzeitigen Rechtsprechung zur Genehmigung der Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen wird derzeit erörtert. Frankreich Eine Neufassung des Gesetzes zur Bioethik aus dem Jahr 1994 wurde vom Senat im Januar 2003 gebilligt und dürfte im ersten Halbjahr 2003 in der Nationalversammlung erörtert werden. Vorgeschlagen wird, die Forschung an überzähligen humanen Embryonen und die die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen für die Dauer von 5 Jahren unter bestimmten Auflagen zu genehmigen. Eine zentrale Genehmigungsbehörde wird eingerichtet. Der Vorschlag zur Änderung des Bioethikgesetzes (in seiner vom Senat im Januar 2003 geänderten Fassung) sieht das Verbot der Forschung an und mit humanen Embryonen vor, wenngleich dieses Verbot für die Dauer von fünf Jahren ausgesetzt werden soll, um die Forschung an überzähligen humanen Embryonen sowie die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen unter den folgenden Bedingungen zu erlauben: - die Forschung sollte der Erzielung wichtiger therapeutischer Fortschritte dienen und darf nur durchgeführt werden, wenn keine ebenso effizienten Alternativverfahren bestehen; - die Embryonen müssen aus einer In-vitro-Fertilisation stammen und zum Zwecke der medizinisch unterstützen Reproduktion erzeugt worden sein (überzählige Embryonen); - die schriftliche Einwilligung des Paares, von dem die Embryonen stammen, muss vorliegen; - eine zentrale Genehmigungsbehörde ist einzurichten. 57 Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003) 46 Die Gesetzesvorlage sieht auch die Genehmigung des Imports fötaler oder embryonaler Zellen oder Gewebe nach vorheriger Genehmigung durch die zentrale Behörde vor. Italien Ein neues Gesetz zur Regelung der In-vitro-Fertilisierung wird derzeit erörtert. Das Gesundheitsministerium hat jüngst einen Bericht über die in Banken konservierten Embryonen und Gameten erstellt. Portugal In Portugal wurde ein Ausschuss für die Vorbereitung eines Gesetzes über die Forschung an humanen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen eingesetzt. Spanien Eine Überarbeitung der geltenden Vorschriften wird derzeit erörtert. 1998 wurde der nationale Ausschuss für die künstliche Befruchtung beim Menschen eingesetzt. In seiner zweiten, 2002 abgegebenen Stellungnahme empfiehlt der Ausschuss, bei der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen überzählige Embryonen zu verwenden, von denen es in Spanien schätzungsweise 30.000 gibt. Im April 2002 wurde der Beratungsausschuss für ethische Fragen in der wissenschaftlichen und technologischen Forschung eingerichtet, der im Februar seine erste Stellungnahme zur Forschung an Stammzellen abgab. Er sprach die Empfehlung an die Regierung aus, Forschungsarbeiten sowohl an adulten wie auch an embryonalen Stammzellen zu genehmigen und die Rechtsprechung so zu ändern, dass die Isolierung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt ist, und zwar unter folgenden Bedingungen: Die informierte Einwilligung der Eltern liegt vor, falls das nicht möglich ist, die Genehmigung des Zentrums für Reproduktionsmedizin, das nach der geltenden Rechtsprechung für die Aufbewahrung der Embryonen zuständig ist. Ziel der Forschung muss sein, menschliches Leid zu lindern und nicht nur rein kommerzielle Zwecke zu verfolgen. Die Arbeiten dürfen nur von Forschergruppen mit nachgewiesener fachlicher Erfahrung durchgeführt werden. Das Forschungsprotokoll muss im voraus durch Ethikausschüsse evaluiert werden und steht unter deren Kontrolle. Deshalb wird die Kontrolle und Überwachung dieser Forschungsarbeiten durch einen nationalen Ausschuss empfohlen. Schweden Eine Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften wird derzeit geprüft. Der Parlamentsausschuss, der sich mit Fragen der genetischen Integrität befasst, schlug in seinem am 29. Januar 2003 veröffentlichten Bericht vor, die Erzeugung befruchteter Eizellen für Forschungszwecke nicht generell zu verbieten. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass zum Zwecke der Erforschung von Unfruchtbarkeit und der Entwicklung des befruchteten Eis dieser Schritt möglich sein muss. Es sei nicht möglich, juristisch eindeutig die Grenzen zwischen dem, was zulässig und unzulässig ist, festzulegen. Diese Abgrenzung solle eher im Rahmen einer Einzelfallprüfung getroffen werden, bei der das jeweilige Forschungsprojekt auf seine ethische Vertretbarkeit geprüft wird. Auch ist nach Auffassung des Ausschusses die Erzeugung von Embryonen durch den Zellkerntransfer somatischer Zellen (das sogenannte therapeutische Klonen) genauso zu behandeln und sollte deshalb grundsätzlich erlaubt sein. 47 3.4 Einschlägige Rechtsvorschriften in einigen Drittländern58 Länder, die der EU beitreten werden : Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Ungarn, Litauen, die Slowakische Republik und Slowenien haben die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte ratifiziert 59. In den Beitrittsländern wurden bislang noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlassen. Zypern: Zypern hat die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte ratifiziert. Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlassen. Tschechische Republik: Die Tschechische Republik hat die Konvention des Europarates über Biomedizin und Menschenrechte ratifiziert. Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlassen, allerdings ist ein Gesetz in Vorbereitung. Estland Gemäß dem 1997 erlassenen Gesetz über den Schutz des Embryos und die künstliche Befruchtung ist die Verwendung überzähliger humaner Embryonen für Forschungszwecke erlaubt, sofern eine informierte Einwilligung vorliegt. Ungarn Nach dem 1997 verabschiedeten Gesetz über das Gesundheitswesen (Kapitel IX) ist die Forschung an humanen Embryonen erlaubt, wenn es sich um überzählige Embryonen handelt, die Tag 14 ihrer Entwicklung noch nicht überschritten haben. Die Forschung ist durch den Ausschuss für die Humanreproduktion zu genehmigen. Lettland Im Januar 2002 hat Lettland ein Gesetz über die Reproduktions- und Sexualhygiene verabschiedet. Die Forschung an humanen Embryonen kann mit folgenden Auflagen genehmigt werden: es ist kein Alternativverfahren vorhanden, positive Bewertung des wissenschaftlichen Nutzens und ethische Akzeptanz durch eine Behörde sowie die informierte Einwilligung der Spender. 58 59 Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003) “Candidate Countries legislation related to ethical issues in science and research” Proceedings of the workshop of 8-10 December 2002 - Brussels - veranstaltet von der Europäischen Kommission - GD Forschung - Referat C3 - Ethik und Wissenschaft" “Use of embryonic stem cells for therapeutic research”– Bericht des Internationalen BioethikAusschusses–UNESCO – 6. April 2001 http://conventions.coe.int/treaty/en/treaties/html/164.htm 48 Litauen Das Gesetz über die biomedizinische Forschung aus dem Jahr 2000 erlaubt nur eine beobachtende Erforschung des humanen Embryos. Malta Bislang wurden noch keine besonderen Vorschriften für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen erlassen. Polen Nach dem 1996 erlassenen Gesetz zum Arztberuf dürfen humane Embryonen nur für therapeutische Forschungszwecke verwendet werden. Slowenien Das Gesetz über die Reproduktionsmedizin verbietet die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke sowie das Klonen von Embryonen und den Einsatz der In-vitroFertilisation zu anderen Zwecken als zur Zeugung eines Kindes. Das Gesetz beinhaltet strenge Auflagen für die Verwendung überzähliger Embryonen in der Forschung. Geforscht werden darf an Embryonen, die sich nicht für die Reproduktion oder Lagerung eignen oder an Embryonen, die das Ende ihrer Lagerungszeit erreicht haben und sonst vernichtet würden. Die Embryonen dürfen nicht älter als 14 Tage sein. Die Genehmigung des Nationalen Ausschusses für Ethik in der Medizin muss vorliegen. Slowakische Republik Mit der Unterzeichnung und Ratifizierung der Konvention über Menschenrechte und Biomedizin sowie des Zusatzprotokolls über das Verbot des Klonens von Menschen und deren Umsetzung in nationales Recht, insbesondere mit dem Verbot der „nichttherapeutischen Forschung“ an humanen Embryonen und Föten, im Zusammenwirken mit älteren Bestimmungen, die im Gesetz Nr. 277/1994 verankert sind, hat die Slowakische Republik nach allgemeiner Auffassung de facto jegliches Klonen von Menschen verboten (das sogenannte „reproduktive“ ebenso wie das „therapeutische“). Derzeit liegt ein Vorschlag der Regierung vor, das Strafgesetzbuch der Slowakischen Republik entsprechend zu ändern damit würde das Klonen von Menschen in der Slowakei zu einem Straftatbestand (der entsprechende Wortlaut wurde weitestgehend aus dem Protokoll und den Gesetzen zu seiner Umsetzung in der Slowakei entnommen). Sonstige Länder: In Kanada und den USA gibt es keine Bundesgesetze zur Regelung der Forschung an humanen Embryonen und/oder der Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen. Das Unterhaus in Kanada berät derzeit einen Gesetzesentwurf, der derartige Forschungsarbeiten regelt und die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. Am 9. August 2001 erklärte der Präsident der Vereinigten Staaten60, dass Bundesmittel nur dann für die Forschung an bereits vorhandenen humanen embryonalen Stammzelllinien bereitgestellt werden, wenn (1) der Prozess der Gewinnung der Stammzellen (der mit der Entfernung der inneren Zellmasse aus der Blastozyste eingeleitet wird) vor dem Zeitpunkt seiner Ankündigung bereits eingeleitet wurde und (2) das Embryo, von dem die Stammzellen entnommen wurden, sich nicht mehr zu einem menschlichen Wesen entwickeln konnte. 60 http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html 49 Ferner legte der Präsident die folgenden Auflagen hierfür fest: - Die Stammzellen müssen von Embryonen stammen, die für Reproduktionszwecke erzeugt wurden.; - Das Embryo wird hierfür nicht mehr benötigt; - Für die Spende des Embryos muss eine Einwilligung nach vorheriger Aufklärung vorliegen; - Es dürfen keine finanziellen Anreize für die Spende bestanden haben. Die Nationalen Gesundheitsinstitute haben zur Umsetzung der genannten Vorschriften u. a. die folgenden Strategien für die Forschung an und mit Stammzellen entwickelt: - Schaffung eines Registers für humane embryonale Stammzellen, aus denen hervorgeht, welche humanen embryonalen Stammzellen die Kriterien der Förderwürdigkeit erfüllen, - Förderung einer Anzahl von Wissenschaftlern, die sich auf das Gebiet der Stammzellenforschung spezialisiert haben. Die NIH erkannten darin einen der wichtigsten Faktoren für die Weiterentwicklung der Stammzellenforschung und bieten deshalb finanzielle Unterstützung für Weiterbildungskurse an, um Wissenschaftler darin weiterzubilden, wie sie aus bestehenden kultivierten Stammzellen am besten brauchbare Stammzelllinien züchten können. - Mit einer Reihe von Initiativen soll die Forschung an unterschiedlichsten Arten von Stammzellen erleichtert werden. Die NIH fördern vor allem Forschungsarbeiten, mit denen Erkenntnisse über das therapeutische Potenzial adulter Stammzellen gewonnen werden sollen. Im US-Kongress werden derzeit neue Bundesgesetze erörtert. Der Staat Kalifornien hat im September 2002 ein Gesetz erlassen, das die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. In den Staaten New Jersey und Massachusetts werden neue Gesetzesvorlagen, die die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlauben, derzeit beraten. In Australien wird derzeit ein neues Gesetz beraten, das die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. Laboratorien in Singapur, Taiwan, Südkorea, China.... sind aktiv mit der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen befasst. In einigen Ländern werden derzeit Vorschriften bezüglich dieser Forschung beraten. Weitere Einzelheiten zur Situation in den Drittländern sind in Anhang D enthalten. 3.5. Handhabung der Stammzellenforschung im RP6 Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union besagt: “1. Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. 2. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. 50 3. Die Union achtet die nationale Identität ihrer Mitgliedstaaten. 4. Die Union stattet sich mit den Mitteln aus, die zum Erreichen ihrer Ziele und zur Durchführung ihrer Politiken erforderlich sind.” Gemäß dem EG-Vertrag fällt die Regelung ethischer Fragen ausschließlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Auf Gemeinschaftsebene wurden mit Blick auf die Förderung durch das Forschungsrahmenprogramm ethische Grundsätze festgelegt. Für das RP6 gelten somit folgende ethische Grundsätze: Der Beschluss Nr. 1513/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2002 über das Sechste Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration als Beitrag zur Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums und zur Innovation (2002 - 2006) legt u. a. fest 61: • “Bei der Durchführung ... sind die ethischen Grundprinzipien ... zu beachten. Diese umfassen ... die Prinzipien, die sich aus der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben, den Schutz der Menschenwürde und des menschlichen Lebens ... ” Die im Dezember 2000 in Nizza, Frankreich, verabschiedete Grundrechtecharta der Europäischen Union untersagt ausdrücklich eugenische Praktiken und reproduktives Klonen, äußert sich jedoch nicht ausdrücklich zur Forschung an Embryonen. (Artikel 3). • … “und, soweit zutreffend, internationale Übereinkünfte,.... das am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnete Übereinkommen des Europarates über Menschenrechte und Biomedizin und das am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll über das Verbot des Klonens von Menschen, ...." Die vom Europarat 1997 verabschiedete Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin62 löst nicht das Problem der Zulässigkeit der Forschung an Embryonen und überlässt es jedem einzelnen Land, hierzu Rechtsvorschriften zu erlassen, wenngleich daran zwei Bedingungen geknüpft werden: das Verbot der Erzeugung humaner Embryonen für Forschungszwecke und die Verabschiedung von Vorschriften, mit denen ein angemessener Schutz des Embryos gewährleistet werden soll63. 1998 wurde ein Zusatzprotokoll zu der Konvention über das Verbot des Klonens von Menschen gebilligt, das am 3. Januar 2001 in dreizehn Mitgliedstaaten des Europarats in Kraft trat64. • “… in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht” Auch einige EU-Richtlinien sind für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen von Belang. Zum Beispiel legt die Richtlinie zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln unter anderem fest: “Einer schriftlichen Genehmigung vor Beginn der Prüfung unterliegen klinische Prüfungen im Zusammenhang mit Arzneimitteln für Gentherapie, somatische Zelltherapie, einschließlich der xenogenen Zelltherapie, sowie mit allen Arzneimitteln, die 61 62 63 64 ABl. L232 vom 29.8.2002, S.4 http://conventions.coe.int/treaty/en/treaties/html/164.htm Fünfzehn Länder haben die Europäische Konvention ratifiziert : Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Litauen, Republik Moldau, Portugal, Rumänien, San Marino, Slowakei, Slowenien und Spanien. Zypern, Tschechische Republik, Estland, Georgien, Griechenland, Ungarn, Litauen, Republik Moldova, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Spanien. 51 genetisch veränderte Organismen enthalten.” (Artikel 9 Absatz 6). Die Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, die am 6. Juli 1998 verabschiedet wurde, legt fest, dass “Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen” und die “Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken” “von der Patentierbarkeit ausgenommen” sind. Auch der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen ist für die klinische Nutzung (auch für klinische Versuche) von (und mit) humanen embryonalen Stammzellen und deren Abkömmlingen von Belang. • “…geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften und ethische Leitlinien der Länder, in denen die Forschungstätigkeiten durchgeführt werden.” Auch in der Entscheidung des Rates vom 30. September 2002 über ein spezifisches Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006) wurden ethische Grundsätze festgelegt65. Zitat: • “Folgende Forschungsgebiete werden innerhalb dieses Programms nicht finanziert: - Forschungstätigkeiten zum Klonen vom Menschen zu Reproduktionszwecken; - Forschungstätigkeiten zur Veränderung des genetischen Erbguts des Menschen, durch die solche Änderungen vererbbar werden könnten 66; - Forschungstätigkeiten zur Züchtung menschlicher Embryonen ausschließlich zu Forschungszwecken oder zur Gewinnung von Stammzellen, auch durch Kerntransfer somatischer Zellen. • “Außerdem ist die Finanzierung von Forschungstätigkeiten, die in allen Mitgliedstaaten verboten sind, unter allen Umständen ausgeschlossen.” • “Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip und eingedenk der Vielfalt der Ansätze in Europa müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten geltende Rechtsvorschriften, Regelungen und ethische Regeln der Länder, in denen die Forschung durchgeführt wird, erfüllen. Einzelstaatliche Vorschriften kommen in jedem Fall zur Anwendung und es werden keine Forschungsmaßnahmen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat verboten sind, in diesem Mitgliedstaat aus Gemeinschaftsmitteln gefördert.” • “Gegebenenfalls müssen die Teilnehmer an Forschungsprojekten vor der Aufnahme von FTE-Tätigkeiten Genehmigungen der zuständigen nationalen oder lokalen Ethikausschüsse einholen.” • 65 66 “Bei Vorschlägen zu ethisch sensiblen Themen führt die Kommission systematisch eine ethische Prüfung durch, insbesondere im Hinblick auf Vorschläge, bei denen es mit um die Verwendung menschlicher Embryonen und humaner embryonaler Stammzellen geht.”. ABl. L294 vom 29.10.2002, S. 8. Forschungstätigkeiten mit dem Ziel der Krebsbehandlung an den Gonaden können finanziert werden. 52 Vorschläge für Forschungsvorhaben, die ethische Fragen aufwerfen, werden durch die Europäische Kommission einer ethischen Prüfung unterzogen, bevor Fördermittel freigegeben werden. Die Vorschläge werden von einem unabhängigen, multidisziplären und transnationalen Gremium geprüft, das von der GD Forschung für jeden Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen eingesetzt wird. Die Prüfung erfolgt unabhängig vom jeweiligen Forschungsprogramm und getrennt von der wissenschaftlichen Bewertung. Mit der ethischen Prüfung soll sichergestellt werden, dass die Antragsteller alle Punkte aufgeführt haben, aus denen sich ethische Fragen ergeben könnten, alle notwendigen Maßnahmen ergriffen haben, um sämtliche ethischen und/oder rechtlichen nationalen und europäischen Auflagen zu erfüllen und die für das 6. Forschungsrahmenprogramm festgelegten ethischen Grundsätze berücksichtigt haben. • Jedes Forschungsprojekt, bei dem menschliche Embryonen und humane embryonale Stammzellen verwendet werden, wird im Anschluss an die vorgenannte ethische Prüfung einem Regelungsausschuss vorgelegt. • In Einzelfällen kann diese ethische Prüfung auch während der Durchführung des Projekts vorgenommen werden. • Im Protokoll des Rates zur Tagung vom 30. September 2002 ist festgehalten67: “Der Rat und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte Durchführungsvorschriften betreffend die Verwendung humaner Embryos und humaner embryonaler Stammzellen, die unter dem 6. Rahmenprogramm finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003 festgelegt werden. Die Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der detaillierten Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher Forschungstätigkeiten nicht vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung von in Banken bestehenden oder in Kulturen isolierten humanen embryonalen Stammzellen.” 3.6 Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog In Europa gibt es durchaus noch große Unterschiede in den nationalen Ansichten über bestimmte Techniken und Forschungsfelder. Vor allem die Forschung an und mit humanen embryonalen Stammzellen hat in jüngster Zeit zu heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit und zu scharfen politischen Auseinandersetzungen geführt. Die Biowissenschaften und die Biotechnologie leisten einen erheblichen Beitrag zur Sicherung des persönlichen und gesellschaftlichen Wohlstands und eröffnen neue Möglichkeiten für unsere Volkswirtschaften. Gleichzeitig nehmen die Vorbehalte der breiten Öffentlichkeit gegenüber diesen Fortschritten in Wissenschaft und Technologie angesichts der gesellschaftlichen und ethischen Folgen und der den Optionen zugrunde liegenden Bedingungen zu. In ihrer Stellungnahme zu den “Ethischen Aspekten der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen” betont die EGE, dass “es ... eines ständigen Dialogs und fortlaufender Aufklärung (bedarf), um die Bürger, einschließlich der Patienten, in Bezug auf die Wahlmöglichkeiten, die sich durch die neuen wissenschaftlichen Entwicklungen bieten, zu beteiligen”. 67 Anhang F. 53 Die Notwendigkeit eines öffentlichen Dialogs über die wissenschaftlichen Fortschritte und neuen Technologien wurde sowohl in der Mitteilung der Kommission über “Biowissenschaften und Biotechnologie” (veröffentlicht am 27. Januar 200268) und dem Aktionsplan der Kommission für “Wissenschaft und Gesellschaft” (veröffentlicht im Dezember 200169) hervorgehoben. In diesem Zusammenhang veranstaltete die von Forschungskommissar Philippe Busquin eingesetzte Europäische Beratungsgruppe für Biowissenschaften vom 18. - 19. Dezember 2001 ein Forum mit dem Titel „Stammzellen: Therapien für die Zukunft?“ 70. Das Forum bot Gelegenheit für einen Meinungsaustausch auf europäischer Ebene zwischen Wissenschaftlern und Experten, die sich mit Fragen der Machbarkeit und den Folgen der Stammzellenforschung befassen, einerseits, und Vertretern unterschiedlichster Gruppierungen der Gesellschaft andererseits. An der Veranstaltung nahmen über 600 Personen teil 71. Bei den öffentlichen Diskussionen, sowohl auf dem Forum selbst als auch über E-Mail, nahmen ethische Fragestellungen, vor allem zur Verwendung humaner Embryonen, den größten Raum ein. Wie bei jeder potenziellen, neuen Behandlungsmethode könnten die Versprechungen der Stammzellenforschung bei an einer unheilbaren Krankheit leidenden Patienten und deren Familien hohe, mitunter unrealistische Erwartungen an die Wissenschaft auslösen, verbunden mit dem Druck, alle möglichen Krankheiten auf diese Weise zu behandeln. Negative Forschungsergebnisse werden häufig nicht veröffentlicht und verzerren so das Bild in den Medien, was sich schließlich nachteilig auf den Dialog in der Gesellschaft auswirkt. Tritt die versprochene Heilung nicht ein, hat dies äußerst negative Folgen für die Wahrnehmung von Wissenschaft in der Öffentlichkeit, weshalb es wichtig ist, den Stand der Forschung und die künftigen Möglichkeiten möglichst ehrlich und realistisch darzustellen. Je mehr die Wissenschaft ihre Versprechen halten kann, desto größer ist die öffentliche Anerkennung, die sie braucht, wenn der gesellschaftliche Fortschritt mit dem Zuwachs an Erkenntnissen Schritt halten soll. Der/die Wissenschaftler/in steht in der gesellschaftlichen Verantwortung, die Fortschritte in der Wissenschaft in ihrem Bedeutungszusammenhang darzustellen. In der am 5. März 2003 veröffentlichten Mitteilung der Kommission (KOM (2003) 96 endg.) „- Biowissenschaften und Biotechnologie: eine Strategie für Europa - Fortschrittsbericht und Künftige Ausrichtung“ fordert die Kommission, Diskussionsforen als strategisches Element in die Projektförderung des RP6 aufzunehmen. Die Meinungsbildung in der Gesellschaft über ethische und gesellschaftliche Fragen sollte für Forschung und Entwicklung selbstverständlich sein. 68 69 70 71 http://europa.eu.int/comm/biotechnology http://www.cordis.lu/science-society http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/genetics/en/13.html http://europa.eu.int/comm/research/quality-of-life/stemcells.html 54 KAPITEL 4: SOZIOÖKONOMISCHE ASPEKTE Die Biotechnologie birgt ein enormes Potenzial für Wirtschaftswachstum und Wohlstand. An dieser Entwicklung hat auch die Stammzellenforschung ihren Anteil. Trotz der beachtlichen für die Stammzellenforschung zur Verfügung stehenden Gelder, fallen die Erträge bislang eher bescheiden aus. Daran zeigt sich, dass sich diese Forschungsarbeiten noch mit den Grundlagen befassen. So versuchen die kommerziellen Interessen, sich angesichts der in Zukunft erwarteten großen Gewinne zu positionieren, auch wenn die Forschungsperspektiven ebenso wie die therapeutischen Möglichkeiten noch recht ungewiss sind und ein rechtliches Umfeld geschaffen wird, das von ethischen Überlegungen und öffentlichen Bedenken geprägt ist. Für die Verwertung der Ergebnisse aus der Stammzellenforschung haben sich viele Kooperationen gebildet, an denen eher kleine, speziell hierfür gegründete Unternehmen statt große Arzneimittelhersteller beteiligt sind. Offenbar spielen kleine Unternehmen eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, Technologien aus der Grundlagenforschung in industrielle Anwendungen zu übertragen. Einige dieser Start-up-Unternehmen sind aus entsprechenden Hochschulbereichen hervorgegangen. 2001 waren etwa 30 Unternehmen auf dem Gebiet der Stammzellenforschung tätig, und ein Dutzend Unternehmen erforschen gegenwärtig das Potenzial sowohl somatischer als auch humaner embryonaler Stammzellen. Wenn überhaupt, investieren nur wenige Unternehmen ausschließlich in die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen. Dem Gilder BiotechBericht vom Juni 2001 zufolge fließen die Risikokapitalgelder derzeit vorzugsweise in die Forschung an humanen somatischen Stammzellen, die bereits näher an der therapeutischen Anwendung sein soll als die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen72. Die folgenden Anwendungsgebiete für Stammzellen sind dabei für die Unternehmen von Interesse: - Neuartige Stammzelltherapien: direkte Stammzelltransplantation, Transplantation von aus Stammzellen gewonnenen differenzierten Zellen, Anregung der körpereigenen Stammzellen z. B. mit Wachstumsfaktoren, Stammzellen in der Gentherapie. - Arzneimittelforschung: Verwendung von Stammzellen im Arzneimittelscreening - Dienstleistungen und Technologien: Screening, Isolierung von Stammzellen, Anlegen von Stammzellkulturen in großem Maßstab, Konservierung von Stammzellen. Einer der Faktoren, der die Stammzellenforschung und die Kommerzialisierung von Stammzellentherapien beeinflusst, ist die Patentierung humaner embryonaler Stammzellen und deren Abkömmlinge. Einerseits sind Patentrechte wichtig, um die immensen Investitionen von Unternehmen in die innovative Forschung und Entwicklung zu schützen. Andererseits bezieht die akademische Forschung ihre Anregungen aus dem freien und ungehinderten Zugang zu diesen Zelllinien, da sie das wichtigste Ausgangsmaterial für deren Forschung sind. Einige Wissenschaftler sind der Auffassung, dass humane embryonale Stammzelllinien überhaupt nicht patentiert werden sollten. Die Frage wird heftig diskutiert und spiegelt die ethischen Standpunkte im Zusammenhang mit dieser Forschung wider. Die Europäische Beratungsgruppe für ethische Fragen im Bereich der Wissenschaft und der neuen 72 Gilder Biotech report, The American Spectator, June 2001, “Adult cells do it better”; http://www.gilderbiotech.com/ArticlesByScott/Op%20Ed/AdultCells.htm 55 Technologien (EGE) 73 hat in ihrer Stellungnahme Nr. 16 über die Patentierung von humanen Stammzellen folgende Empfehlung abgegeben: Isolierte, nicht veränderte Stammzellen erfüllen als Produkt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen der Patentierbarkeit, insbesondere was die gewerbliche Anwendung betrifft. Darüber hinaus sind derartige isolierte Zellen dem menschlichen Körper, dem Fötus oder dem Embryo, von denen sie isoliert wurden, so nahe, dass ihre Patentierung als eine Form der Kommerzialisierung des menschlichen Körpers betrachtet werden kann. Wenn unveränderte Stammzelllinien geschaffen werden, können sie kaum als patentfähiges Produkt betrachtet werden. Derartige unveränderte Stammzelllinien haben denn auch keinerlei spezifischen Nutzen, wohl aber ein sehr breites Spektrum potenzieller nicht feststehender Anwendungsmöglichkeiten. Daher würde die Patentierung solcher unveränderten Stammzelllinien auch zu einem zu umfassenden Patent führen. Daher erfüllen nur Stammzelllinien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Patentierbarkeit, die durch In-vitro-Behandlungen oder gentechnische Manipulation verändert werden, wodurch sie Merkmale für spezifische gewerbliche Anwendungen erhalten. Was die Patentierbarkeit von Verfahren im Zusammenhang mit menschlichen Stammzellen betrifft, so gibt es, ungeachtet ihrer Quelle, kein spezielles ethisches Hindernis, sofern sie die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit (Neuheit, erfinderische Leistung und gewerbliche Anwendung) erfüllen. Die Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, die am 6. Juli 1998 verabschiedet wurde, legt fest, dass eine Erfindung, die einen isolierten Bestandteil des menschlichen Körpers oder einen auf eine andere Weise durch ein technisches Verfahren erzeugten Bestandteil betrifft und gewerblich anwendbar ist, nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, selbst wenn der Aufbau dieses Bestandteils mit dem eines natürlichen Bestandteils identisch ist. Ferner verpflichtet die Richtlinie die Mitgliedstaaten, Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, von der Patentierbarkeit auszunehmen. Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen und die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken sind ausdrücklich von der Patentierbarkeit ausgenommen. Die Kommission hat am 7. Oktober 2002 den ersten jährlichen Bericht (gemäß Artikel 16 Buchstabe c der Richtlinie) über die Entwicklung und die Auswirkungen des Patentrechts im Bereich der Bio- und Gentechnologie vorgelegt. Der Bericht geht auf die Frage der Patentierbarkeit humaner Stammzellen und die daraus gewonnenen Zelllinien ein. Mit Blick auf die Erstellung künftiger Berichte im Sinne von Artikel 16 Buchstabe c der Richtlinie hat die Kommission eine Gruppe von Sachverständigen aus Wissenschaft, Recht und Wirtschaft sowie aus Vertretern des Europäischen Patentamts und der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) eingesetzt, die sich mit Fragen biotechnologischer Erfindungen befassen wird. Ihre Aufgabe besteht darin, die Fragen, die sich im Zusammenhang mit biotechnologischen Erfindungen ergeben, zu analysieren. Sie wird sich nicht mit ethischen Fragen befassen, mit denen sich die Europäische Gruppe für Ethik beschäftigt, sondern sich auf die rechtlichen und technischen Aspekte sowie auf die Wechselwirkungen zwischen Rechtsrahmen, Forschung und Innovationsraum konzentrieren. 73 Website : http://europa.eu.int/comm/european_group_ethics/index_en.htm# 56 Die „16c-Sachverständigengruppe“ wird im Mai 2003 zusammentreten, um die Patentierung von Produkten und Verfahren zu erörtern, für die humane embryonale Stammzellen und aus diesen abgeleitete Zellen verwendet werden. Der Bericht der 16c-Gruppe wird zum gleichen Zeitpunkt veröffentlicht wie der jährliche Monitoring-Bericht für 2003, den die Kommission gegen Ende des Jahres vorlegen wird. Auch wenn zunächst größtenteils von den Hochschulen und ihrem akademischen Umfeld aufgezeigt wurde, welches Potenzial in den Stammzellen steckt, sind für die Weiterentwicklung dieser Technologie, z. B. für die Entwicklung therapeutischer Produkte, die Unternehmen gefragt. Ihr Engagement wird z. B. benötigt, wenn es darum geht, Zelllinien in großem Stil und nach den Prinzipien der guten Herstellungspraxis zu erzeugen, multizentrische, klinische Studien durchzuführen und das Marketing und den Vertrieb zu unterstützen. 57 GLOSSAR Adulte Stammzellen: eine aus den Geweben oder Organen eines Organismus nach der Geburt gewonnene Stammzelle (im Gegensatz zu embryonalen oder fötalen Stammzellen) Blastozyste: eine Höhle von 50-100 Zellen, die sich nach etwa 5 Tagen Embryonalentwicklung bildet. Sie besteht aus dem äußeren Zellmantel (dem Trophektoderm), einem mit Flüssigkeit gefüllten Hohlraum (dem Blastozoel) und einer Anhäufung von Zellen im Inneren (der inneren Zellmasse, dem Embryoblast) Zellkultur: Züchtung von Zellen in vitro in einer künstlichen Umgebung Zelllinie: Zellen gleicher Deszendenz, die kontinuierlich im Labor kultiviert wurden Chromosomen: die Träger von Genen, der Erbinformationen, die in der DNA gespeichert ist Klon: eine Zelle oder ein Organismus, die bzw. der aus einer anderen Zelle oder einem anderen Organismus gewonnen wurde und mit diesem genetisch identisch ist. Klonen: Erzeugung eines Organismus, der mit einem anderen Organismus genetisch identisch ist, oder einer Zelle, die mit einer anderen Zelle genetisch identisch ist, vorausgesetzt, dass die sogenannten Mutter- und Tochterzellen anschließend getrennt werden (siehe auch reproduktives und therapeutisches Klonen) Klonen durch Zellkerntransfer somatischer Zellen: der Kern einer Eizelle wird durch den Kern der adulten Zelle (oder einer embryonalen oder fötalen Zelle), die geklont werden soll, ersetzt und anschließend die weitere Entwicklung der Eizelle ohne Fertilisierung in Gang gesetzt. Die Eizelle programmiert den transferierten Zellkern genetisch so, dass er die Entwicklung eines vollständigen neuen Organismus steuern kann (Reproduktives Klonen durch Zellkerntransfer). ODER die Entwicklung wird im Blastozystenstadium gestoppt und die embryonalen Stammzellen werden aus der inneren Zellmasse entnommen. Diese Stammzellen lassen sich mit Hilfe verschiedener Wachstums- und Differenzierungsfaktoren in das gewünschte Gewebe ausdifferenzieren. Die auf diese Art gewonnenen Gewebe/Zellen könnten dann dem ursprünglichen Spender des Zellkerns zurücktransplantiert werden, womit sich Abstoßungsreaktionen vermeiden lassen (Therapeutisches Klonen durch Zellkerntransfer). Kulturmedium: die Nährlösung, die die Zellen in einer Petrischale bedeckt und die Nährstoffe für die Zellen sowie andere Wachstumsfaktoren enthält, die hinzugefügt werden können, um die gewünschten Veränderungen der Zelle auszulösen. Dedifferenzierung: das Verfahren, eine spezialisierte Zelle zu veranlassen, sich in eine weniger differenzierte Zelle zurückzuentwickeln Differenzierung: der Vorgang, bei dem eine unspezialisierte Zelle die Merkmale einer spezialisierten Zelle, wie die einer Herz-, Leber- oder Muskelzelle herausbildet. DNS: Desoxyribonukleinsäure, das genetische Material; sie besteht aus einem Doppelstrang von Nukleotiden, der Grundlage der Genetik 58 Embryo: beim Menschen der Organismus, der sich ab dem Zeitpunkt der Befruchtung entwickelt und nach Ablauf der achten Woche als Fötus bezeichnet wird Früher Embryo: die Bezeichnung “früher Embryo” bezieht sich auf die Entwicklungsstufen bis zur Herausbildung des Primitivstreifens, d. h. bis zu Tag 14 nach der Befruchtung. Embryonale Keimzelle: embryonale Keimzellen werden aus primordialen Keimzellen der Genitalleiste in den Wochen 5-10 des Fötus isoliert. Embryonale Stammzelllinien: embryonale Stammzellen, die in vitro unter Bedingungen kultiviert wurden, die es ihnen ermöglichen, sich ohne Differenzierung über Monate und Jahre hinweg zu vermehren. Nährzellen: Zellen, die in Co-Kultur verwendet werden, um pluripotente Stammzellen in Kultur zu halten Fertilisation: der Vorgang der Verschmelzung weiblicher und männlicher Keimzellen Fötus: ein in der Entwicklung befindlicher Mensch ab der achten Woche nach Befruchtung bis zur Geburt Fötale Stammzelle: eine aus Fötalgewebe gewonnene Stammzelle (biologisch betrachtet erstreckt sich die Bezeichnung « Embryo » auf alle Phasen der Entwicklung bis zur achten Schwangerschaftswoche, ab dann wird die Bezeichnung « Fötus » verwendet). Unterschieden wird zwischen fötalen Keimzellen, aus denen sich die Gameten entwickeln, und den übrigen fötalen Stammzellen, den fötalen Körperzellen. Gamete: das männliche Spermatozyt oder die weibliche Eizelle Gen: eine funktionale Einheit mit Erbinformationen, die in einem Segment der DNA an einer bestimmten Stelle eines Chromosoms lokalisiert werden kann. Ein Gen steuert die Bildung von Enzymen oder anderen Proteinen. Keimzellen: Eizellen und Spermatozyten und ihre Vorläuferzellen Hämatopoetische Stammzelle: eine Stammzelle, aus der sich alle roten und weißen Blutkörperchen bilden Humane embryonale Stammzelle: pluripotente Stammzelle, die aus der inneren Zellmasse der Blastozyste stammt Implantation: die Einnistung einer Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut. Bei Menschen findet die Implantation 8 Tage nach der Befruchtung statt. In vitro und in vivo: außerhalb und innerhalb des Körpers; in vitro (wörtlich im Glas) bedeutet im allgemeinen im Labor In-vitro-Fertilisation: die Befruchtung einer Eizelle mit einem Spermatozyten außerhalb des Körpers 59 Multipotente (Zellen): Multipotente Stammzellen sind die Stammzellen, die in der Lage sind, verschiedene gewebs- oder organspezifische Zellen herauszubilden Oozyte: die weibliche Eizelle Plastizität: die Fähigkeit einer Stammzelle eines Gewebes, differenzierte Zelltypen eines anderen Gewebes hervorzubringen Pluripotente Stammzelle: Eine einzige pluripotente Stammzelle verfügt über die Fähigkeit, Zelltypen entstehen zu lassen, die sich aus den drei Zellschichten (dem Mesoderm, dem Endoderm und dem Ektoderm) entwickeln, aus denen alle Zellen des Organismus entstehen. Pluripotente Stammzellen verfügen über die Fähigkeit, sich in jeden Zelltyp eines Körpers auszudifferenzieren, können sich jedoch nicht selbst zu einem Embryo entwickeln. Embryo in der Präimplantationsphase: ein Embryo in der Phase vor der Implantation in die Gebärmutterschleimhaut; ein Embryo kann sich ohne Implantation in die Gebärmutterschleimhaut nicht über das Blastozystenstadium hinaus entwickeln. Primitivstreifen: eine Anhäufung von Zellen, die sich etwa 14 Tage nach der Befruchtung herausbildet und aus denen sich das Herz, Blut und das zentrale Nervensystem entwickelt. Proliferation: Vermehrung einer Zellpopulation durch die fortlaufende Teilung einzelner Zellen in zwei identische Tochterzellen Redifferenzierung: das Verfahren, eine dedifferenzierte Zelle so zu steuern, dass sie sich in einen (anderen) spezialisierten Zelltyp ausdifferenziert Körperzelle: eine Zelle eines Körpers, die keine Eizelle oder Spermatozyt ist Somatische Stammzelle: eine undifferenzierte Zelle, die sich unter differenzierten Zellen in einem Gewebe oder Organ nachweisen lässt und die sich selbst erneuern und so ausdifferenzieren kann, dass sie die wichtigsten gewebe- oder organspezifischen Zelltypen hervorbringen kann. Zellkerntransfer somatischer Zellen: die Übertragung eines Zellkerns in eine Eizelle (oder eine andere Zelle), aus der der Zellkern entfernt wurde Überzählige Embryonen: ein auf dem Wege der In-vitro-Fertilisation (IVF) für die medizinisch unterstützte Reproduktion erzeugter Embryo, der jedoch dann nicht mehr benötigt wurde. Totipotente Zellen: Zwei bis drei Tage nach der Befruchtung besteht ein Embryo aus identischen Zellen, die totipotent sind. Das bedeutet, dass sich jede Zelle zu einem Embryo entwickeln könnte und so zum Beispiel identische Zwillinge oder Vierlinge entstehen könnten. Sie sind vollständig unspezialisiert und verfügen über die Fähigkeit sich in jede Zelle des Fötus, der Plazenta bzw. der Membrane, die den Fötus umschließen, auszudifferenzieren. Transdifferenzierung: die Beobachtung, dass Stammzellen aus einem Gewebe möglicherweise in der Lage sind, in Zellen eines anderen Gewebes auszudifferenzieren. 60 Undifferenzierte (Zelle): der Zustand, in dem noch keine Veränderung hin zur Spezialisierung eingetreten ist 61 ANHANG A: BIOLOGIE DER ENTWICKLUNG DES MENSCHEN In seiner Entwicklung verändert sich der Embryo ständig und durchläuft dabei die folgenden acht Phasen: 1. Tag 0: Fertilisation Die weibliche Keim- oder Eizelle (die Oozyte) wird durch eine männliche Keimzelle oder die Spermatozyte befruchtet. Die Eizelle und die Spermatozyte tragen jeweils die Hälfte der Gene einer normalen Zelle. Die Befruchtung läuft in mehreren Schritten ab, die letztendlich zur Herausbildung einer einzigen Zelle, der Zygote, führen. Die Zygote enthält alle für die Entwicklung eines Individuums notwendigen Gene, die zur Hälfte von der Mutter und zur Hälfte vom Vater stammen. Ein winzig kleiner Bestandteil von Genen ist in den Mitochondrien enthalten und wird ausschließlich von der Mutter weitervererbt. 2. Tage 3-4: Bis zum Vier-Zell-Stadium am Tag 3 - 4 sind alle Zellen im Wesentlichen identisch und verfügen nach gängiger Auffassung über das Potenzial, sich - die passende Umgebung vorausgesetzt - zu einem Individuum zu entwickeln, da die Zellen „totipotent“ sind (d. h. sie haben die Eigenschaft, sich in alle Zelltypen entwickeln zu können, die für die menschliche Entwicklung benötigt werden, ebenso wie das außerhalb des Embryos liegende Gewebe wie die Plazenta und die Nabelschnur). So können sich aus der Teilung der Zellen in diesem frühen Stadium identische Zwillinge entwickeln: sie sind genetisch identisch, da sie aus derselben befruchteten Eizelle stammen (identische Zwillinge können sich auch noch später bis zum Ablauf von 14 Tagen entwickeln). 3. Tage 4-5: Morula-Stadium Vier bis fünf Tage nach der Befruchtung (Morula-Stadium) besteht der Embryo immer noch aus unspezialisierten embryonalen Zellen, aus denen sich aber kein Embryo mehr entwickeln kann. 4. Tage 5 – 7: Blastozystenstadium Am Tag 5 nach der Fertilisation beginnen die Zellen des Embryos, sich in innere und äußere Zellen zu differenzieren. Die äußeren Zellen entwickeln sich zu nichtembryonalem Gewebe weiter, wie der Plazenta oder die Nabelschnur. Aus der inneren Zellmasse entwickelt sich der eigentliche Embryo. Werden die inneren Zellen isoliert und mit Hilfe bestimmter chemischer Stoffe (Wachstumsfaktoren) zum Wachstum angeregt, lassen sich pluripotente embryonale Stammzellen gewinnen. Die embryonalen Stammzellen, die über das Potenzial verfügen, unterschiedlichste Zelltypen des Körpers herausbilden zu können (über etwa 200 Zelltypen sind bekannt), werden als „pluripotent“ bezeichnet. Ein Embryo in der Präimplantationsphase ist ein Embryo, der sich in einem Stadium vor der Einnistung in die Gebärmutterschleimhaut befindet. Ein Embryo kann sich ohne Implantation in die Gebärmutterschleimhaut nicht über das Blastozystenstadium hinaus weiterentwickeln. 62 5. Tag 8: Nidation Etwa 8 Tage nach der Befruchtung nistet sich die Blastozyste in die Gebärmutterschleimhaut ein. Findet diese Implantation nicht statt, entwickelt sich die Blastozyste nicht weiter, da sie keine entsprechenden biochemischen Signale und Nährstoffe von der Mutter empfängt, die sie für die Weiterentwicklung braucht. Ein hoher Prozentsatz der menschlichen Embryonen - viele Schätzungen gehen von bis zu 75 Prozent aus - gehen auf natürliche Weise vor der Implantation verloren. Zu diesem Zeitpunkt sind die Zellen noch relativ undifferenziert und es gibt noch keine Anzeichen menschlicher Strukturen wie etwa eines Nervensystems. 6. Tage 14- 21: Gastrula-Stadium Etwa 14 Tage nach der Befruchtung und nach der Implantation besteht der frühe Embryo aus etwa 2000 Zellen. Erst zu diesem Zeitpunkt beginnen die Zellen, sich zu spezialisierteren Zelltypen zu differenzieren. Ab Tag 15 beginnt der „Primitivstreifen“ sich abzuzeichnen, aus dem sich das Herz und Blut sowie das Zentralnervensystem entwickeln. Gegen Ende der dritten Woche der Embryonalentwicklung besteht der sich herausbildende Organismus aus drei verschiedenen Zellschichten, dem Ektoderm, dem Mesoderm und dem Endoderm. Jede Zellschicht ist so „programmiert“, dass sich aus ihr bestimmte Gewebe und Organe entwickeln. Aus der „Außenschicht“ des Embryos, dem Ektoderm, entstehen die folgenden Organe und Gewebe: zentrales Nervensystem (Gehirn, Rückenmark) und das periphere Nervensystem; die Oberfläche bzw. die Haut des Organismus, Hornhaut und Augenlinsen, das Epithelgewebe, das die Mund- und Nasenhöhlen sowie den Analkanal auskleidet; das Epithelgewebe der Zirbeldrüse und der Hypophyse sowie das Nebennierenmark; und die Zellen der Neuralleiste (aus der verschiedene Gesichtsstrukturen, pigmentierte Hautzellen, sogenannte Melanozyten, und die Spinalganglien, Ansammlungen von Nervenzellen entlang des Rückenmarks, entstehen). Aus der mittleren Zellschicht des Embryos, dem Mesoderm, entstehen die Skelettmuskulatur, die glatte Muskulatur und die Herzmuskulatur; die Strukturen des Urogenitalsystems (Nieren, Harnleiter, Keimdrüsen und Geschlechtsorgane); Knochenmark und Blut; Fett, Knochen und Knorpel; sonstige Bindegewebe sowie die Auskleidung von Körperhohlräumen. Aus der inneren Schicht des Embryos, dem Endoderm, entstehen das Epithelgewebe des gesamten Verdauungstrakts (mit Ausnahme des Munds und des Analkanals); das Epithelgewebe des Respirationstrakts; die Strukturen für den Verdauungstrakt (Leber und Pankreas); die Schilddrüse, die Nebenschilddrüse und die Brustdrüse, das Epithelgewebe der Geschlechtsorgane und der Drüsen; das Epithelgewebe der Harnröhre und der Harnblase. Der Begriff „früher Embryo“ bezieht sich auf die Entwicklungsstadien bis zum Auftreten des Primitivstreifens, d. h. bis etwa 14 Tage nach Befruchtung. 7. 8. Woche nach Befruchtung: Fötalstadium Nach etwa sieben Wochen, wenn einzelne Organe erkennbar werden und das Embryonalstadium abgeschlossen ist, kann der Embryo genaugenommen als Fötus bezeichnet werden. Unterschieden wird zwischen den fötalen Keimzellen, aus denen sich die Gameten (Eizellen und Spermatozyten) entwickeln und aus denen während eines kurzen Zeitraums der frühen Fötalentwicklung „pluripotente“ embryonale Stammzellen entnommen werden können, und dem übrigen fötalen Gewebe, aus dem sich „multipotente“ fötale somatische Stammzellen gewinnen lassen. 63 8. Neun Monate nach Befruchtung: Geburt Bei normalem Schwangerschaftsverlauf wird nach etwa 9 Monaten das Kind geboren. 64 ANHANG B: MÖGLICHKEITEN ZUR ÜBERWINDUNG DER IMMUNABWEHR BEI DER STAMMZELLENTHERAPIE Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Immunabwehr gegen transplantierte Zellen oder Gewebe zu vermeiden oder zu unterdrücken 74: 1) Verwendung von Immunsuppressiva Diese Arzneimittel, die die Abwehr des Immunsystems unterdrücken, wurden im Zuge der Transplantationsforschung über die Jahre immer ausgefeilter. Allerdings wirken sie nicht immer und müssen in der Regel vom Patienten ein Leben lang genommen werden, was den Patienten infektionsanfällig macht. 2) Verwendung von „übereinstimmenden“ Geweben Die Stärke der Abstoßungsreaktion hängt von der Differenz im HLA-System zwischen Spender und Empfänger ab. Deshalb sollte der Unterschied so gering wie möglich sein. Mitunter ist es bei einer Transplantation möglich, einen übereinstimmenden Gewebetyp, in der Regel von einem nahen Verwandten, zu erhalten. Dies wird häufig bei Knochenmarkstransplantationen versucht. Für die meisten Zelltherapien dürfte die Suche nach einem übereinstimmenden Spender kein sinnvoller Ansatz sein. Da jedoch Stammzellen in Kulturen prinzipiell unbegrenzt vermehrt werden können, ließen sich eventuell Stammzellenbanken aufbauen, die so groß sind, dass sie eine angemessene (wenngleich nie vollständige) Zahl von Stammzellen enthalten, die Übereinstimmungen mit der Mehrheit der Individuen einer Population aufweisen. Sollte sich dies als machbar erweisen, könnte die entsprechende übereinstimmende Stammzelle aus der Bank entnommen und in den für die Therapie benötigten Zelltyp ausdifferenziert werden. Hierfür würden tausende von Stammzelllinien benötigt, damit, vergleichbar mit Knochenmarktransplantaten, Zellen vorhanden sind, die mit der Mehrheit der Population übereinstimmen. 3) Induzierung einer Immuntoleranz. Die Abwehrreaktion kann auch durch die Induzierung einer Immuntoleranz abgeschwächt werden. Durch die vorherige Verabreichung von Embryonalmaterial oder hämatopoetischer Zellen aus den Stammzellen des Spenders könnte das Immunsystem des Patienten in gewisser Weise daran gewöhnt werden, so dass Immunsuppressiva nur noch in geringen Dosen oder überhaupt nicht verabreicht werden müssten. Ferner wird daran geforscht, inwieweit es möglich ist, die Immunreaktion dadurch zu verhindern, dass die zu transplantierenden Zellen mit inertem Material verkapselt werden. In der Regel eignet sich das Gehirn ganz besonders gut für Transplantationen, da das Gehirn kein Immunsystem kennt, das Abwehrreaktionen auslöst. Allerdings wird bei vielen pathologischen Situationen die Blut-Hirn-Schranke beeinträchtigt, weshalb das Gehirn im Hinblick auf die Immunabwehr möglicherweise nicht so günstig ist wie ursprünglich angenommen, da die Immunzellen über das Blut in das Gehirn gelangen können. 74 House of Lords Select Committee – Bericht über die Stammzellenforschung http://www.parliament.the-stationery-office.co.uk/pa/ld200102/ldselect/ldstem/83/8301.htm Bericht des Gesundheitsrats der Niederlande 'Stammzellen zur Wiederherstellung von Geweben. Forschung zur Therapie mit somatischen und embryonalen Stammzellen'. Juni 2002. http://www.gr.nl/pdf.php?ID=429 65 4) Verwendung körpereigener Zellen oder Gewebe Dies wäre zweifellos der sicherste Weg zur Vermeidung der Immunabwehr. Hierzu könnten adulte Stammzellen bei einem Individuum isoliert und dann zu dessen Behandlung eingesetzt werden, allerdings ist diese Möglichkeit nicht unter allen Umständen gangbar. Alternativ ließen sich mit Hilfe des Zellkerntransfers somatischer Zellen (in Eizellen oder in humane embryonale Stammzellen in Kultur) Zellen oder Gewebe erzeugen, die mit denen des Patienten übereinstimmen. 66 ANHANG C: BEISPIELE FÜR VORHANDENE HUMANE EMBRYONALE STAMMZELLLINIEN Schweden: Karolinska Institut: Das Register des National Institutes of Health der USA75 verzeichnete ursprünglich sechs humane embryonale Stammzelllinien vom Karolinska Institut in Stockholm. Diese Zelllinien stehen jedoch derzeit nicht zur Verfügung. Die sechs eingefrorenen Zelllinien werden jetzt aufgetaut, vermehrt und charakterisiert. Zwei dieser Zelllinien wurden auf Nährzellen von Mäusen gezüchtet. Die anderen vier Präparate, die zu einem früheren Zeitpunkt eingefroren wurden, sind mit humanen Nährzellen statt mit Mäusezellen kultiviert worden, weshalb sie für künftige Anwendungen besonders wertvoll sind. Die ursprünglich im NIH registrierten und aufgetauten Zelllinien dürften anderen Wissenschaftlern innerhalb der nächsten 12 Monate zur Verfügung stehen. Abgesehen von diesen ursprünglichen Zelllinien befinden sich derzeit drei weitere Stammzelllinien in Kultur. Eine dieser Zelllinien ist vollständig charakterisiert und wurde soweit vermehrt, dass sie jetzt verschiedenen Gruppen für Verbundstudien angeboten werden können. Die Charakterisierung der anderen beiden Zelllinien dürfte in Kürze abgeschlossen sein. Aus den verschiedenen im Karolinska Institut angelegten Stammzelllinien wird eine Zellbank aufgebaut, zu der auch andere Wissenschaftler Zugang haben werden76. Universitätsklinikum Sahlgrenska, Universität von Göteborg in Zusammenarbeit mit Cell Therapeutics Scandinavia, AB: Bislang wurden 21 humane embryonale Stammzelllinien angelegt. Vier davon wurden bereits vollständig charakterisiert und zwei dieser vier Zelllinien erfüllen alle Kriterien der Selbsterneuerung und Pluripotenz humaner embryonaler Stammzellen. Die restlichen 17 Zelllinien wurden zum Teil charakterisiert77. Israel: Sechs humane embryonale Stammzelllinien wurden beim Rambam Medical Center des israelischen Technologieinstituts angelegt und charakterisiert. Vier Zelllinien stehen zur Verfügung und wurden beim NIH registriert. Das Institut verfügt auch über Zelllinien, die ursprünglich in Wisconsin hergestellt wurden und jetzt für Verbundstudien zur Verfügung stehen78. Australien: Der australische Senat verabschiedete am 5. Dezember 2002 das Gesetz zur Forschung an und mit humanen Embryonen, das die Vernichtung humaner Embryonen zu Forschungszwecken sowie die Gewinnung embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. Das Gesetz dürfte nach der Ratifizierung durch das nationale Parlament und die territorialen Parlamente Anfang 2003 in Kraft treten. Es ist davon auszugehen, dass unter anderem am Monash Institut Wissenschaftler damit beginnen werden, neue humane embryonale 75 76 77 78 http://escr.nih.gov/eligibilitycriteria.html Mitteilung von Professor Carlstedt- Duke, Forschungsdekan, Karolinska -Institut, Schweden Mitteilung von Professor Hamberger, Universität Göteburg, Schweden. Mitteilung von Professor Itskovitz-Eldor, Rambam Medical Centre, Israel. 67 Stammzelllinien aus überzähligen Embryonen anzulegen, die allerdings erst 2004 zur Verfügung stehen werden79. 79 Communication from Professor Pera, Monash Institute, Australia. 68 ANHANG D: EINZELHEITEN ZU DEN EINSCHLÄGIGEN VORSCHRIFTEN IN DRITTLÄNDERN Beispiele für Vorschriften in einigen Ländern, die mit dem 6. Forschungsrahmenprogramm assoziiert sind 80 Island Die Forschung an humanen Embryonen wird mit dem 1996 verabschiedeten Gesetz über die künstliche Befruchtung geregelt. Die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke ist ebenso verboten wie das Klonen. Die Forschung an humanen überzähligen Embryonen ist erlaubt: - wenn dies Teil einer Fertilisationsbehandlung in vitro ist, - wenn damit beabsichtigt wird, Erbkrankheiten im Embryo selbst zu diagnostizieren, - wenn damit Fortschritte in der Fertilitätsbehandlung erzielt werden sollen oder - wenn damit die Ursachen von Erbkrankheiten und Fehlgeburten besser erforscht werden sollen. Israel Die derzeit geltenden Verordnungen zur öffentlichen Gesundheit (extrakorporale Befruchtung) von 1997 befassen sich weder mit der Frage des Verbleibs der Embryonen nach Ablauf der Kryokonservierung noch mit der Frage der überzähligen Embryonen (d. h. der Embryonen, die ursprünglich für eine Fertilisationsbehandlung erzeugt wurden und dann, aus welchen Gründen auch immer, nicht implantiert wurden). Auch der derzeit vorliegende Gesetzesvorschlag zur Regelung der Eizellenspende zum Zwecke der In-vitro-Fertilisation beinhaltet keine Vorschriften zur Verwendung von Embryonen in der Stammzellenforschung. 1999 hat das israelische Parlament das Gesetz über das Verbot gentechnischer Eingriffe 19995759 verabschiedet (Klonen von Menschen sowie Eingriffe in die Keimbahn). Das Gesetz untersagt ausdrücklich das reproduktive Klonen von Menschen, geht aber nicht auf nichtreproduktive Zwecke des Klonens ein, wie z. B. die Gewinnung von embryonalen Stammzellen. Der Beratungsausschuss für Bioethik der israelischen National Academy of Sciences and Humanities verabschiedete am 8. August 2001 die Empfehlung, dass die Spende von humanen überzähligen Embryonen für Forschungszwecke, die nicht mehr für die Implantation benötigt werden, unter z. B. folgenden Bedingungen erlaubt sein sollte: - freiwillige und informierte Einwilligung, - kein Verkauf oder Kauf humaner Embryonen, - keine In-vitro-Kultivierung von humanen Embryonen länger als zwei Wochen. - Trennung zwischen den Forscherteams, die mit der IVF-Behandlung und mit Stammzellen befasst sind. Der Beratungsausschuss hält es ferner für ethisch vertretbar, mit neuen Technologien für die Gewinnung von embryonalen Stammzellen zu experimentieren, wie dem Kerntransfer (dem sogenannten therapeutischen Klonen ohne reproduktive Zwecke). 80 Europäische Kommission, GD Forschung, Direktion E: Survey on opinions from National Ethics Committees or similar bodies, public debate and national legislation in relation to human embryonic stem cell research and use (letzte Aktualisierung März 2003) 69 Der Beratungsausschuss empfiehlt ferner, dass der „Helsinki-Ausschuss für die Genforschung am Menschen“ des israelischen Gesundheitsministeriums die Forschungsprotokolle prüfen sollte. Im November 2002 hat der nationale Helsinki-Ausschuss die Anwendung der beiden oben genannten Kategorien im Grundsatz genehmigt. Norwegen Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes Nr. 56 vom 5. August 1994 über die Anwendung der Biotechnologie in der Medizin wurde vom König am 13. Dezember 2002 unterzeichnet. Die Änderungen traten am 1. Januar 2003 in Kraft und präzisieren, dass das Verbot der Forschung an humanen Embryonen auch die Forschung an Stammzelllinien beinhaltet, die auf dem Wege der Isolierung und Kultivierung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Das Gesetz verbietet auch das therapeutische Klonen. Schweiz Das am 18. Dezember 1998 verabschiedete Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung regelt die Forschung an Embryonen. Die Forschung an Embryonen ist ebenso verboten wie die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Das Verbot der Spende von Embryonen ist verfassungsrechtlich verankert (Artikel 119). Ende Mai 2002 lag ein Entwurf des schweizerischen “Bundesgesetzes über die Forschung an überzähligen Embryonen und embryonalen Stammzellen” (EFG, Embryonenschutzgesetz) zur Beratung vor. Ende November 2002 leitete der Bundesrat den Vorschlag an das Parlament weiter. Das Parlament hat sich zum Ziel gesetzt, das Gesetz vor Ende 2003 in Kraft treten zu lassen. Der Gesetzesentwurf sieht vor, die Forschung an überzähligen Embryonen aus der In-vitroFertilisation zum Zwecke hochrangiger Forschungsziele im Zusammenhang mit der Reproduktionsmedizin oder der Entwicklungsbiologie bis zum Tag 14 nach Befruchtung [nicht aber für jedwede Ziele] sowie die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus überzähligen Embryonen für Forschungszwecke zu erlauben. Der EFG-Entwurf definiert den Embryo als „die Frucht von der Kernverschmelzung bis zum Abschluss der Organentwicklung“. In Auslegung des Verfassungsartikels, der jegliche Art von Klonen verbietet, untersagt das Gesetz ausdrücklich das therapeutische Klonen. Beispiele für gesetzliche Regelungen in Drittländern Australien 2002 wurde im Senat über ein neues Gesetz abgestimmt, das die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen aus überzähligen humanen Embryonen gestattet. Anfang 2003 dürfte über das Gesetz im Unterhaus abgestimmt werden. Kanada Bislang gibt es hierzu kein Gesetz. Zur Zeit wird im Unterhaus ein Gesetzesentwurf beraten, der sich mit Fragen der Forschung an humanen Embryonen befasst. Vorgeschlagen wird ein Verbot der Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Allerdings soll die Forschung an überzähligen Embryonen sowie die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt sein. Ferner wird die informierte Einwilligung der Gametenspender gefordert. Das kanadische Institute for Health hat Leitlinien für die Forschung an humanen Stammzellen aufgestellt. Das Institut hält die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen für förderwürdig. 70 Indien 81 Der nationale Bioethikrat, der vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie und dessen Amt für Biotechnologie eingesetzt wurde, hat neue Leitlinien für die Forschung am Humangenom erlassen, die sich auch auf die Gewinnung und Verwendung humaner embryonaler Stammzellen beziehen. Nach den Empfehlungen des Rates sollten die Embryonen nicht älter als 14 Tage sein, beide Spender ihre informierte Einwilligung geben haben und alle Projekte vom nationalen Bioethikrat genehmigt werden. Embryonen sollten nicht für Forschungszwecke erzeugt werden. Im Falle einer kommerziellen Nutzung sollten die Spender am Gewinn beteiligt werden. Japan Das Japanische Parlament verabschiedete am 30. November 2000 das Gesetz zur Regulierung des Klonens von Menschen. Das Gesetz erlaubt die Forschung an humanen Embryonen in vitro sowie die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen. Die Einzelheiten der Umsetzung dieses Gesetzes werden in Verwaltungsrichtlinien geregelt. Singapur82 In Singapur hat der Beratende Ausschuss für Bioethik empfohlen, das reproduktive Klonen von Menschen vollständig zu verbieten und die Forschung an humanen Stammzellen und das therapeutische Klonon unter strengen Auflagen zu genehmigen. Der Rechtsrahmen sollte folgende Bestimmungen enthalten: - die informierte, freiwillige Einwilligung der Spender, - Verbot der Kommerzialisierung und Verkauf gespendeten Materials, insbesondere von überzähligen Embryonen, - Festlegung, dass niemand dazu verpflichtet werden kann, an jeglicher Form der Forschung an humanen Stammzellen mitzuwirken, wenn er Gewissensgründe geltend macht. Die Regierung hat angekündigt, dass sie den Empfehlungen des Bioethik-Ausschusses, die am 21. Juni 2002 veröffentlicht wurden, folgen wird. Für die Genehmigung dieser Forschungsarbeiten ist der Gesundheitsminister zuständig. Südkorea Die Regierung hat angekündigt, dass sie die Verwendung von Embryonen, die noch keine 14 Tage als sind, für die Stammzellenforschung genehmigen wird. USA Nur die öffentlich geförderte Forschung ist geregelt. Am 9. August 2001 erklärte Präsident Bush, dass Bundesmittel nur dann für die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen bereitgestellt werden, wenn bestimmte Auflagen83 erfüllt sind. Derartige Forschungsarbeiten können jetzt mit Bundesmitteln gefördert werden, sofern der Prozess der Gewinnung der Stammzellen (der zu dem Zeitpunkt einsetzt, an dem der Embryo vernichtet wird) vor dem Stichtag 8. August 2001 eingeleitet wurde. Die Stammzellen müssen von Embryonen stammen, die für Reproduktionszwecke erzeugt wurden und hierfür nicht mehr benötigt werden. Ferner muss für die Spende eine Einwilligung nach vorheriger Aufklärung vorliegen und dürfen keine finanziellen Anreize bestanden haben. Beim NIH wurde ein Register für humane embryonale Stammzellen eingerichtet und aktualisiert, damit erkennbar ist, welche Stammzelllinien die Kriterien der Förderwürdigkeit mit Bundesmitteln erfüllen (siehe auch 81 82 83 http://dbtindia.nic.in/consent.html http://www.bioethics-singapore.org/bac/index.jsp http://grants.nih.gov/grants/stem_cells.htm 71 Kapitel 2.6). Kein Bundesgesetz regelt die Forschung an humanen Embryonen und die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen im Privatsektor. Allerdings hat der Staat Kalifornien im September 2002 ein Gesetz erlassen, das die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlaubt. In den Staaten New Jersey und Massachusetts werden neue Gesetzesvorlagen, die die Gewinnung humaner embryonaler Stammzellen aus überzähligen Embryonen erlauben, derzeit beraten. 72 ANHANG E: STELLUNGNAHME NR. 15 DER EUROPÄISCHEN BERATUNGSGRUPPE FÜR ETHIK STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN BERATUNGSGRUPPE FÜR ETHIK IM BEREICH DER WISSENSCHAFT UND DER NEUEN TECHNOLOGIEN Nr. 15 14. November 2000 *************************************************************************************** ETHISCHE ASPEKTE DER ERFORSCHUNG UND VERWENDUNG MENSCHLICHER STAMMZELLEN Bezug: Initiative der Gruppe Berichterstatter: Anne McLaren und Göran Hermerén ************************************************************************* Die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien (EGE), gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, geändert durch den Vertrag von Amsterdam, insbesondere auf Artikel 6 (ex-Artikel F) mit Bestimmungen zu den Grundrechten, auf Artikel 152 (ex-Artikel 129) EG-Vertrag über das Gesundheitswesen, insbesondere auf Artikel 152 Nummer 4 Buchstabe a mit Hinweis auf Substanzen menschlichen Ursprungs, sowie auf Artikel 163-173 (ex-Artikel 130f-130p) über die Forschung und technologische Entwicklung; gestützt auf die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 16. Januar 1965 und die geänderte Richtlinie 75/319/EWG vom 20. Mai 1975 über Arzneispezialitäten; gestützt auf die Richtlinie 90/220/EG vom 23. April 1990 über die absichtliche Freisetzung genetisch veränderter Organismen in die Umwelt; gestützt auf die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte sowie die Richtlinie 98/79/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über In-vitro-Diagnostika, insbesondere auf Artikel 1 Absatz 4, der Bezug auf die Ethik nimmt und die Achtung der in dem Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin verankerten Prinzipien im Hinblick auf die Entnahme, Sammlung und Verwendung von Geweben, Zellen und Stoffen menschlichen Ursprungs fordert; gestützt auf die Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen, insbesondere auf Artikel 6 über bestimmte von der Patentierbarkeit ausgenommene Erfindungen, sowie auf Artikel 7, dem zufolge die Europäische Gruppe für Ethik "die ethischen Aspekte der Biotechnologie" zu bewerten hat; gestützt auf den Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Dezember 1998 über das Fünfte Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration (1998-2002), insbesondere auf Artikel 7 über die Vereinbarkeit mit den ethischen Grundprinzipien; 73 gestützt auf den Beschluss des Rates vom 25. Januar 1999 über ein spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration für die Verbesserung der Lebensqualität und des Managements der Bioressourcen, insbesondere auf die in Anhang II genannten ethischen Anforderungen; gestützt auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 28. September 2000, die am 14. Oktober 2000 vom Europäischen Rat in Biarritz gebilligt wurde, insbesondere auf Artikel 1 betreffend die “Würde des Menschen”, Artikel 3 betreffend das “Recht auf Unversehrtheit”, in dem der Grundsatz der "freien Einwilligung nach vorheriger Aufklärung" und das Verbot des "reproduktiven Klonens von Menschen" verankert sind, sowie auf Artikel 22 betreffend die "Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen"; gestützt auf das am 4. April 1997 in Oviedo unterzeichnete Übereinkommen des Europarats über Menschenrechte und Biomedizin, insbesondere auf Artikel 18 zur Embryonenforschung, sowie das am 12. Januar 1998 in Paris unterzeichnete Zusatzprotokoll zu dem Übereinkommen über das Verbot des Klonens von menschlichen Lebewesen; gestützt auf die Allgemeine Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 11. Dezember 1998, insbesondere auf Artikel 11, der das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen empfiehlt, sowie auf Artikel 13 betreffend die Verantwortung der Wissenschaftler und der öffentlichen Entscheidungsträger im Bereich der Wissenschaft; gestützt auf einzelstaatliche Rechtsvorschriften zur Stammzell- und Embryonenforschung sowie auf einschlägige Stellungnahmen nationaler Ethikkommissionen in der Europäischen Union; gestützt auf Berichte des National Bioethics Advisory Committee der Vereinigten Staaten vom 13. September 1999 über "Ethical Issues on Human Stem Cell Research", die diesbezüglichen Anhörungen im amerikanischen Kongress vom April 2000 sowie die von der Clinton-Administration am 26. August 2000 veröffentlichten Leitlinien, die 2001 einer wissenschaftlichen Prüfung durch die National Institutes of Health (NIH) unterzogen werden sollen; gestützt auf die von der Gruppe am 26. Juni 2000 in Brüssel veranstalteten Rundtischgespräche mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments, Rechtssachverständigen, Philosophen, Naturwissenschaftlern, Wirtschaftsvertretern, Repräsentanten verschiedener Religionen sowie Vertretern von Patientenvereinigungen und internationalen Organisationen (Europarat, UNESCO, WHO); gestützt auf die Sachverständigen-Anhörungen vom 6. Juni und 2. Oktober 2000 sowie auf die Anhörungen der Vertreter verschiedener Religionen vom 8. September 2000; nach Anhörung der Berichterstatter, Anne McLaren und Goran Hermerén, 1 - in Erwägung nachstehender Gründe: WISSENSCHAFTLICHER SACHVERHALT 1.1 Definition der Stammzellen Stammzellen sind teilungsfähige Zellen, die entweder identische Zellen oder Zellen eines oder mehrerer bestimmter differenzierter Typen bilden können. Stammzellen sind noch nicht vollständig differenziert und können somit ein oder mehrere Gewebe bilden. 1.2 Arten von Stammzellen Je nach Differenzierungspotential werden drei Arten von Stammzellen unterschieden: progenitorische, multipotente oder pluripotente Stammzellen. 74 • Progenitorische Stammzellen: Die ausdifferenzierten Zellen dieser Stammzellen bilden nur einen einzigen Zelltyp; so können sich beispielsweise Epidermisstammzellen oder spermatogene Stammzellen ausschließlich zu Keratinozyten bzw. Spermatozoen weiterentwickeln. • Multipotente Stammzellen: Aus diesen Stammzellen können mehrere ausdifferenzierte Zelltypen entstehen, die ein bestimmtes Gewebe oder Organ bilden. Beispiele sind Hautstammzellen, die sich zu Epidermiszellen, Schweißdrüsen und Haarfollikeln entwickeln können, hämatopoetische Stammzellen, aus denen sämtliche Arten von Blutzellen entstehen (Erythrozyten, Lymphozyten, Antikörper bildende Zellen usw.), und neurale Stammzellen, die sämtliche Zelltypen des Nervensystems einschließlich Glia sowie die zahlreichen Arten von Neuronen bilden. • Pluripotente Stammzellen können in vitro sämtliche Zelltypen, jedoch selbst keinen Embryo bilden. Pluripotente Stammzellen, die aus primordialen Keimzellen des Fetus isoliert werden, werden als embryonale Keimzellen ("EG-Zellen"), die aus der inneren Zellmasse eines Embryos im Blastozysten-Stadium isolierten pluripotenten Stammzellen als embryonale Stammzellen ("ESZellen"), bezeichnet. Die Forscher sind sich bisher nicht über die für diese Arten von Stammzellen zu verwendende Terminologie einig geworden, da über sie noch nicht viel bekannt ist. 1.3 Merkmale der unterschiedlichen Stammzellen Progenitorische und multipotente Stammzellen können während der gesamten Lebensdauer des Organismus fortbestehen. Im Fetus spielen sie eine wesentliche Rolle bei der Bildung von Gewebe und Organen. Beim Erwachsenen erneuern sie Gewebe, dessen Zellen, z.B. Haut-, Darmund hämatopoetische Stammzellen, nur eine begrenzte Lebensdauer haben. Ohne Stammzellen würde das Gewebe unaufhaltsam verschleißen und der Mensch sterben. Die Stammzellen kommen im Fetus in weitaus größerer Menge vor als beim Erwachsenen. So lassen sich zwar aus erwachsenem Knochenmark hämatopoetische Stammzellen gewinnen, doch nur in Nabelschnurblut sind sie reichlich vorhanden. Pluripotente Stammzellen kommen nicht natürlich im Körper vor und unterscheiden sich darin von progenitorischen und multipotenten Stammzellen. 1.4 Quellen für Stammzellen Potentiell können Stammzellen aus dem erwachsenen Organismus und aus Feten und Embryonen gewonnen werden. Somit ergeben sich drei Arten von Stammzellen: • Adulte Stammzellen: Der Organismus des Erwachsenen enthält progenitorische und multipotente Stammzellen. Bei Säugetieren kommen wahrscheinlich rund 20 Arten von somatischen Stammzellen vor, aus denen Organe und Gewebe wie Leber, Bauchspeicheldrüse, Knoch en und Knorpel gebildet werden können, doch sind diese Stammzellen relativ schwer aufzufinden und zu isolieren. So ist beispielsweise der Zugang zu neuralen Stammzellen begrenzt, da diese im Gehirn angesiedelt sind. Hämatopoetische Stammzellen kommen im Blut vor, können allerdings erst nach Stimulierung des Spendermarks "abgeerntet" werden. Insgesamt sind erwachsene Stammzellen selten und besitzen nicht dasselbe Entwicklungspotential wie embryonale oder fetale Stammzellen. • Fetale Stammzellen: - Hämatopoetische Stammzellen können aus Nabelschnurblut gewonnen werden. - Aus dem Gewebe von abgetriebenen Feten lassen sich multipotente Stammzellen wie neurale Stammzellen gewinnen, die aus dem neuralen Gewebe des Fetus isoliert und künstlich vermehrt werden können, allerdings nur von begrenzter Lebensdauer sind. Aus fetalem Gewebe lassen sich auch pluripotente EG-Zellen gewinnen, die aus den primordialen Keimzellen des Fetus isoliert werden. • Embryonale Stammzellen: Als pluripotente ES-Zellen werden jene bezeichnet, die aus einem Embryo im Blastozysten-Stadium gewonnen werden. Embryonen könnten entweder durch In-vitro- 75 Fertilisation (IVF) oder durch Verpflanzung eines erwachsenen Zellkerns in ein entkerntes Ei oder eine Oozyte (Kerntransfer somatischer Zellen) erzeugt werden. 1.5 Menschliche Embryonalentwicklung • Zwei bis drei Tage nach der Befruchtung besteht ein Embryo aus identischen, totipotenten Zellen. Jede kann sich zu einem Embryo entwickeln, aus dem beispielsweise eineiige Zwillinge oder Vierlinge hervorgehen können. Die Zellen sind in keiner Weise spezialisiert und können sich in jeden beliebigen Zelltyp differenzieren, der an der Bildung des Fetus und der ihn umgebenden Plazenta und Membrane beteiligt ist. • Vier bis fünf Tage nach der Befruchtung (Morulastadium) besteht der Embryo immer noch aus unspezialisierten embryonalen Zellen, aus denen sich aber kein Embryo mehr entwickeln kann. • Fünf bis sieben Tage nach der Befruchtung (Blastozysten-Stadium) entsteht im Zentrum der Morula eine Hohlkugel, und die Zellen, die den Embryo bilden, beginnen sich in innere und äußere Zellen zu differenzieren: - Die äußeren Zellen bilden die den Fetus umgebenden Gewebe, einschließlich der Plazenta. - Aus den inneren Zellen (20 bis 30 Zellen) entstehen der Fetus und ein Teil der ihn umgebenden Gewebe. Werden diese Zellen isoliert und unter Einsatz bestimmter Wachstumsfaktoren gezüchtet, lassen sich pluripotente ES-Zellen gewinnen. Diese Zellen sind pluri- und nicht totipotent, da sie sich nicht allein zu einem Embryo entwickeln können. Nach einer Verpflanzung in den Uterus käme es zu keiner Einnistung und folglich zu keinem Embryo. ENTWICKLUNG DER FORSCHUNG 1.6 Forschung an Tieren • Embryonale Stammzellen Bereits seit über 20 Jahren werden in vitro Forschungen mit embryonalen Stammzellen der Maus betrieben. Dabei entdeckten die Wissenschaftler rasch die bemerkenswerte Teilungsfähigkeit dieser Zellen. Einige ES-Zelllinien der Maus werden seit mehr als zehn Jahren gezüchtet und konnten ihre Differenzierungsfähigkeit bewahren. Inzwischen lässt sich aufgrund von Tiermodellen mit einiger Wahrscheinlichkeit sagen, dass multipotente Stammzellen für die somatische Therapie geeignet sind. Überzeugende Beweise liegen bisher jedoch nur für die aus ES-Zellen gewonnenen multipotenten somatischen Zellen, nicht für die aus adulten Zellen gewonnenen somatischen Zellen vor. Neurale differenzierte ES-Zellen der Maus, die einer Ratte einige Tage nach einer traumatischen Verletzung in die Wirbelsäule eingepflanzt werden, können beispielsweise zur Bildung von neuem Nervengewebe und dadurch zur (partiellen) Wiederherstellung der koordinierten Motilität der hinteren Gliedmaßen führen. Ebenso können bestimmte aus sich differenzierenden ES-Zellen erhaltene Kardiomyozyten nach Transplantation in das Herz dystrophischer Mäuse Myokardreparaturen bewirken. Ob dieselben Zellderivate, wenn sie aus adulten Stammzellen gewonnen werden, die in diesen Tiermodellen induzierten Defekte korrigieren könnten, ist bisher nicht erwiesen. Ein großer Teil der Forschungsarbeiten an ES-Zellen von Mäusen ist auf die Schaffung transgener Tiere gerichtet, die insbesondere als Krankheitsmodelle zur Erforschung humangenetischer Störungen dienen. • Adulte Stammzellen Forschungsarbeiten finden auch an erwachsenen Mäuse-Stammzellen statt. Nachdem viele Forscher bisher angenommen hatten, dass diese Zellen auf die Bildung von bestimmten Geweben programmiert sind und keine anderen Gewebearten mehr bilden können, deuten neuere Forschungsergebnisse doch auf eine größere Wandlungsfähigkeit adulter Stammzellen hin. So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass sich aus neuralen Stammzellen von Mäusen unter spezifischen Kulturbedingungen Zellen anderer Organe wie Blut, Muskeln, Darm, 76 Leber und Herz entwickeln können. Aus Knochenmarksstromazellen können Astrozyten, eine nicht-neuronale Art von Zellen des Zentralnervensystems, und aus hämatopoetischen Stammzellen Myozyten entstehen. 1.7 Erste Transplantationen von menschlichen fetalen Zellen Stammzellen in Geweben wie Haut oder Blut besitzen während der gesamten Lebensdauer die Fähigkeit zur Reparatur der Gewebe. Dagegen ist die Regenerationsfähigkeit des Nervensystems sehr begrenzt, weil sich im erwachsenen Gehirn nur geringe Mengen an neuralen Stammzellen befinden, die kaum neue Neuronen beispielsweise zur Reparatur von Verletzungen bilden können. Nach vielversprechenden Ergebnissen in Experimenten mit Nagetieren und Primaten wurden in den letzten zehn Jahren vor allem in Schweden und den USA klinische Versuche mit rund 200 Parkinson-Kranken durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass die Transplantation von neuralen Zellen aus dem menschlichen Fetus einen therapeutischen Nutzen bewirken und die Krankheitssymptome bei den Betroffenen signifikant verringern kann. Die Dauer der klinischen Besserung betrug zwischen sechs und 24 Monaten, in Einzelfällen fünf bis zehn Jahre nach der Transplantation. Unlängst wurde nachgewiesen, dass die verpflanzten neuralen Zellen noch zehn Jahre nach dem Eingriff lebten und das im Gehirn von Parkinson-Patienten unzureichend vorhandene Dopamin produzierten. Dieser Therapieansatz ist allerdings noch rein experimentell. Zudem steht nur sehr wenig neurales fetales Gewebe zur Verfügung. Für die Behandlung eines einzigen Parkinson-Kranken sind immerhin fünf bis sechs abgetriebene Feten erforderlich. Deshalb wurden in einigen Ländern, wie USA und Schweden, neue Quellen für neurale Zellen erforscht. Ziel ist es, fetale neurale Stammzellen zu gewinnen, die in Kultur zur Vermehrung angeregt werden und wesentlich größere Mengen an neuralem Gewebe bilden können, das für Transplantationen zur Verfügung stünde. 1.8 Transplantation menschlicher hämatopoetischer Stammzellen Menschliche hämatopoetische Stammzellen werden routinemäßig Leukämie-Kranken oder Personen mit aplastischer Anämie infolge einer Chemotherapie transplantiert, damit die Produktion der Blutzellen wieder aufgenommen werden kann. Für hämatopoetische Stammzellen gibt es zwei Quellen: • Adulte Stammzellen: Sie werden dem Knochenmark eines Spenders oder des Patienten selbst (vor der Chemotherapie) unter Anästhesie entnommen. Hämatopoetische Stammzellen lassen sich auch unmittelbar aus dem Blut gewinnen; dazu müssen die Zellen angeregt werden, aus dem Knochenmark aus- und in den Blutkreislauf einzutreten. • Fetale Stammzellen: Hämatopoetische Stammzellen lassen sich aus dem Nabelschnurblut Neugeborener gewinnen; dabei muss allerdings gewährleistet sein, dass das Neugeborene selbst eine ausreichende Menge an Nabelschnurblut erhält. Es gibt bereits Nabelschnur-Blutbanken, die die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen erleichtern sollen. Inzwischen werden sogar Überlegungen zu einer routinemäßigen Entnahme und Kryokonservierung von Nabelschnurblut bei der Geburt angestellt, damit bei Bedarf autologe Stammzellen zur Verfügung stehen. Bei fetalen Stammzellen ist das Risiko einer Abstoßung geringer als bei erwachsenen Stammzellen. 1.9 Entdeckungen an menschlichen Stammzellen Ende der siebziger Jahre ermöglichten Fortschritte bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung erstmals die Geburt eines Kindes nach In-vitro-Fertilisation. Da es nunmehr möglich ist, menschliche Embryonen im Rahmen einer Infertilitätsbehandlung im Reagenzglas zu erzeugen, kann jetzt die menschliche Embryogenese nach der Fertilisation erforscht werden. Daraus lassen sich neue Erkenntnisse über das Verhalten und die Merkmale embryonaler Zellen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium gewinnen. 77 Seit 1998 besteht die Möglichkeit, embryonale und fetale pluripotente Stammzellen des Menschen zu gewinnen und zu kultivieren, ein Verfahren, das nie zuvor mit menschlichen Zellen erfolgreich war. Eine Gruppe von Wissenschaftlern der University of Wisconsin in Madison (USA) teilte im November 1998 mit, dass es gelungen war, Zellen aus 14 menschlichen Blastozysten, gewonnen aus in vitro erzeugten gespendeten überzähligen Embryonen, zu isolieren und über mehrere Monate in Kultur zu halten. Die Gruppe stellte fünf embryonale ES-Zelllinien her, die sich fortlaufend weiterentwickeln ließen, ohne dass sie ihre Fähigkeit zur Differenzierung in die unterschiedlichen Zelltypen des Körpers verloren. Gleichzeitig berichteten Forscher von der Johns Hopkins University in Baltimore (USA), dass sie fetale primordiale Keimzellen aus den Gonaden von abgetriebenen Feten gewonnen und zwecks Erzeugung von EG-Zellen kultiviert hatten. Aus diesen Zellen erhaltene Zelllinien wurden über viele Monate weitergezüchtet und behielten wie die ESZelllinien ihr Differenzierungspotential. 1999 ergab die Forschung an erwachsenen Stammzellen, dass ihre Plastizität weitaus höher ist als bislang angenommen. Es wurde berichtet, dass aus reifen neuralen Stammzellen gelegentlich andere Zelltypen einschließlich Blutzellen entstehen können. Wie Forschungsarbeiten an der University of Minnesota in Minneapolis (USA) gezeigt haben, konnten sich aus dem Knochenmark von Erwachsenen oder Kindern entnommene Zellen zu neuralen oder Muskelzellen entwickeln. Knochenmarkszellen mit dieser außerordentlichen Fähigkeit sind allerdings extrem selten. In jedem Fall müssen diese Forschungsergebnisse noch erhärtet werden. Die große Zukunftsherausforderung besteht darin, die Differenzierung von menschlichen Stammzellen zu steuern. Wie die Forschung an Tieren gezeigt hat, kann durch Kultivierung von Stammzellen unter Verwendung bestimmter chemischer Substanzen, bezeichnet als "Wachstumsfaktoren", eine Differenzierung spezifischer Zelltypen induziert werden. Die Experimente an menschlichen Stammzellen sind noch nicht sehr weit fortgeschritten, doch bilden Versuche zur Steuerung der Differenzierung derzeit einen aktiven Forschungsschwerpunkt. 1.10 Relevanz und Aussichten der Stammzellforschung Die Stammzellforschung wird u.a. für folgende Bereiche von Nutzen sein: • Grundlagen der Entwicklungsbiologie: Die Kultivierung menschlicher Stammzellen ermöglicht Einsichten, die sich nicht unmittelbar am menschlichen Embryo untersuchen lassen oder an Tiermodellen verständlich werden. So hat die Grundlagenforschung an Stammzellen dazu beigetragen, die Ursachen von Geburtsschäden, Unfruchtbarkeit und Fehlgeburten aufzuhellen. Sie könnte auch das Verständnis der normalen menschlichen Entwicklung und von Entwicklungsanomalien erleichtern. • Erforschung von Krankheiten des Menschen am Tiermodell. In ES-Zellen von Mäusen lassen sich beispielsweise mit bestimmten Krankheiten assoziierte mutierte menschliche Gene einbringen; diese Zellen werden sodann zur Herstellung von transgenen Mäusen verwendet. Kommt in den Mäusen die menschliche Krankheit zum Ausdruck, bestätigt dies die Hypothese, dass das Gen bei der Ätiologie dieser Krankheit eine Rolle spielt. Diese Strategie liefert außerdem ein homologes Tiermodell der menschlichen Krankheit, das zumeist eine wesentlich bessere Prognose für den Menschen zulässt als die herkömmlichen Tiermodelle. Besonders eindrucksvoll ist, dass diese Methode für die Erforschung der Alzheimerschen Krankheit eingesetzt wird. • Kultivierung von spezifischen differenzierten Zelllinien zur Verwendung in pharmakologischen Studien und toxikologischen Versuchen. Hier bestehen die größten Aussichten auf die baldige biomedizinische Anwendung, die ein rasches Screening Hunderttausender von Chemikalien ermöglichen wird. Durch Messungen wird sich ermitteln lassen, wie reine Populationen spezifischer differenzierter Zellen auf potentielle Medikamente reagieren; entsprechend können Medizinprodukte dann als nützlich oder problematisch für die Anwendung in der Humanmedizin eingestuft werden. • Einsatz von Stammzellen in der Gentherapie. Stammzellen könnten als Vektoren in der Gentherapie genutzt werden. Gegenwärtig werden im Rahmen klinischer Versuche hämatopoetische Stammzellen eingesetzt, die genetisch modifiziert werden, damit sie eine Resistenz gegen das AIDS-Virus (HIV) entwickeln. 78 • Erzeugung von spezifischen Zelllinien zur therapeutischen Transplantation. Sofern realisierbar, bestünden hier die besten Aussichten für die therapeutische Nutzung von ES-Zellen. In derzeit laufenden Forschungsarbeiten (überwiegend an der Maus) wird versucht, die Differenzierung pluripotenter Stammzellen auf die Erzeugung reiner Populationen bestimmter Zelltypen hin zu steuern, die für die Reparatur von krankem oder geschädigtem Gewebe verwendbar wären. Auf diese Weise könnten beispielsweise Herzmuskelzellen in der Behandlung ischämisch bedingter Herzkrankheiten, pankreatische Inselzellen in der Behandlung von Diabetes (juvenile Form des Diabetes mellitus), Leberzellen zur Hepatitisbehandlung und Nervenzellen in der Behandlung neurodegenerativer Krankheiten wie Parkinson und möglicherweise sogar Zellen zur Behandlung bestimmter Krebsformen eingesetzt werden. Die Transplantation von Stammzellen könnte z.B. auch im Falle von Wirbelsäulenverletzungen praktiziert werden, die häufig durch Traumata (wie Autounfälle) hervorgerufen werden und zu Querschnittslähmung führen. Die Ergebnisse dieser Art von Zelltherapie bei Tieren geben Anlass zu Hoffnung, doch ist die klinische Anwendung noch auf lange Zeit nicht absehbar. Bis eventuell vollständige Organe in vitro erzeugt werden können, wird es möglicherweise noch Jahrzehnte dauern; kann man aber Gewebe erzeugen, mit dem sich Organe heilen lassen, würde dies wesentlich dazu beitragen, den derzeit nicht zu deckenden Bedarf an Spenderorganen für Transplantationen zu verringern. Sollte sich eine potentiell unbegrenzte Quelle für spezifische, klinisch wichtige Zellen wie Knochen-, Muskel-, Leber- oder Blutzellen erschließen lassen, könnte der Einsatz von menschlichen Stammzellen den Weg zu einer neuen "regenerativen Medizin" ebnen. 1.11 Argumente für den Kerntransfer somatischer Zellen Abgesehen von seiner Bedeutung für die Grundlagenforschung gilt der Kerntransfer somatischer Zellen in der "regenerativen Medizin" als eine Möglichkeit zur Vermeidung immunologischer Probleme nach der Transplantation. Mitunter gelingt es, neurales Gewebe von einem Menschen auf einen anderen zu übertragen, ohne dass es dabei zu einer immunologisch bedingten Abstoßung kommt. Bei allen übrigen Geweben müsste die Stammzelltherapie jedoch mit einer Langzeitbehandlung mit Immunosuppressiva einhergehen, die ein größeres Infektions- und sogar Krebsrisiko bedeuten. • Ein mögliches Vorgehen zur Umgehung immunologischer Reaktionen bietet das genetische Engineering der Stammzellen mit dem Ziel, die Bildung von Antikörpern zu unterdrücken, oder die immunologische Manipulation des Patienten zur Erhöhung seiner Toleranz. • Einen anderen Ansatz bietet der Kerntransfer somatischer Zellen. Dabei werden den Körperzellen des Patienten entnommene Zellkerne in unbefruchtete entkernte Spendereizellen menschlicher oder sogar tierischer Herkunft eingebracht. Würden diese rekonstruierten Eizellen beispielsweise elektrisch stimuliert, damit sie sich zu Blastozysten entwickeln, könnten aus ihnen pluripotente Stammzellen gewonnen werden, die mit dem Patienten genetisch identische Zellen bilden. Eine Abstoßung der übertragenen Zellen wäre folglich ausgeschlossen. • Durch eine damit verwandte Methode könnten Menschen geklont werden, wenn die rekonstruierten Embryonen in den Uterus eingepflanzt würden. Dies ist allerdings nach dem Gemeinschaftsrecht, wie auch den Rechtsordnungen der meisten europäischen Staaten, verboten. 1.12 Mögliche Herkunftsquellen für Embryonen in Ländern, die Embryonenforschung zulassen • "Überzählige Embryonen", die im Rahmen der Infertilitätsbehandlung zwecks Verbesserung der Erfolgsaussichten erzeugt und nicht mehr gebraucht werden. Sie werden normalerweise zerstört, können aber von den betreffenden Paaren auch der Forschung gespendet werden. • Forschungsembryonen: ausschließlich zu Forschungszwecken erzeugte Embryonen. Die Erzeugung kann auf zweierlei Arten erfolgen: - mit gespendeten Gameten, d.h. durch In-vitro-Fertilisation einer menschlichen Oozyte mit einer menschlichen Samenzelle, 79 - durch Embryo-Splitting oder Zellkerntransfer. Bei Letzterem wird der Kern einer adulten somatischen Zelle in eine entkernte menschliche Oozyte eingebracht (gelegentlich fälschlicherweise als "Embryo-Klonen" oder "therapeutisches Klonen" bezeichnet). RECHTLICHER HINTERGRUND 1.13 Rechtslage in den Mitgliedstaaten Auf nationaler Ebene ist die Stammzellforschung als solche rechtlich nicht geregelt. Für die Forschung mit embryonalen Stammzellen ist daher auf die allgemeinen Rechtsvorschriften zur Embryonenforschung Bezug zu nehmen. Diesbezüglich stellt sich die Lage in den Mitgliedstaaten unterschiedlich dar: - Irland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, dessen Verfassung das Lebensrecht des "Ungeborenen" bekräftigt und dieses Recht dem der Mutter gleichsetzt. - In einigen Mitgliedstaaten (Belgien und die Niederlande) gibt es keine Vorschriften zur Embryonenforschung; in diesen Ländern findet Embryonenforschung statt. Auch Portugal verfügt über keine einschlägigen Vorschriften, doch wird in dem Land offenbar keine Embryonenforschung betrieben. Allem Anschein nach findet auch in Italien keine Embryonenforschung statt, doch ist die Technik der künstlichen Fortpflanzung weit verbreitet. - In Ländern, die Rechtsvorschriften zur Embryonenforschung erlassen haben, ist entweder jegliche Art von Embryonenforschung verboten (Deutschland, Österreich) oder nur unter bestimmten Bedingungen zugelassen (Finnland, Schweden, Spanien und Vereinigtes Königreich). In Frankreich ist Embryonenforschung noch verboten. Das Gesetz lässt aber Untersuchungen am Embryo und die Präimplantationsdiagnostik zu; die Unversehrtheit des Embryos darf dadurch nicht in Frage gestellt werden. - In einigen Ländern waren die Verfassungsgerichte mit der Frage der Verwendung menschlicher Embryonen befasst (Entscheidung des französischen Verfassungsgerichts vom 27. Juli 1994 zur Bioethik; Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts vom 10. Juli 1999 zu Rechtsvorschriften zur assistierten Fortpflanzung). In zahlreichen europäischen Ländern ändert sich gegenwärtig die Rechtslage. Neue Gesetze werden ausgearbeitet, um insbesondere den Herausforderungen, die sich durch die Stammzellforschung stellen, gewachsen zu sein. - Einige Länder entwerfen Vorschriften, die die Forschung an Stammzellen, die aus überzähligen Embryonen nach In-vitro-Fertilisation gewonnen werden, zulassen (Niederlande). - Gesetzesentwürfe anderer Länder sehen die Erzeugung von Embryonen durch Zellkerntransfer einzig für die Zwecke der Stammzellforschung vor. Dies ist der Fall in Belgien und dem Vereinigten Königreich. (Im VK wurde die Schaffung von Embryonen für Forschungszwecke erlaubt, doch muss die Forschung mit Infertilitätsbehandlung, Empfängnisregelung oder der Vermeidung von Erbkrankheiten in Zusammenhang stehen.) In Frankreich werden neue Rechtsvorschriften vorbereitet. 1.14 Europäische Rechtsvorschriften Auf Ebene des Europarats: Nach Artikel 18 des Übereinkommens über Menschenrechte und Biomedizin, das 1997 in Oviedo unterzeichnet wurde, kann jeder Staat nach eigenem Ermessen Embryonenforschung erlauben oder verbieten. Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein: ein "angemessener Schutz des Embryos" muss gewährleistet sein, d.h. der Staat muss Rechtsvorschriften erlassen, in denen die Bedingungen und Grenzen dieser Forschung festgelegt sind, und "die Erzeugung menschlicher Embryonen für Forschungszwecke" muss verboten sein. Zur Einhaltung des Übereinkommens sind nur jene Länder verpflichtet, deren Parlamente die Konvention ratifiziert haben. In der Europäischen Union haben bisher nur drei Staaten das Verfahren abgeschlossen, einige andere werden es in absehbarer Zeit tun. 80 Auf EU-Ebene besteht keine Rechtsetzungsbefugnis im Forschungsbereich, auch wenn in einigen Richtlinien die Frage der Embryonenforschung und Verwendung von Embryonen berührt wird: So bestimmt die Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (Patentierung von Leben), dass "Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen" und "Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" als "nicht patentierbar" gelten. Im Sinne der Richtlinie 97/79/EG über In-vitro-Diagnostika (therapeutische Nutzung von menschlichem Gewebe) "unterliegt die Entnahme, Sammlung und Verwendung von Gewebe, Zellen und Stoffen menschlichen Ursprungs in ethischer Hinsicht den Grundsätzen des Übereinkommens des Europarates zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung der Biologie und der Medizin und den einschlägigen Regelungen der Mitgliedstaaten." Ebenfalls auf EU-Ebene: Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union, die am 13. Oktober 2000 vom Europäischen Rat in Biarritz (Frankreich) gebilligt wurde, verbietet einige Praktiken, die einen möglichen Bezug zur Embryonenforschung aufweisen können, namentlich "eugenische Praktiken, insbesondere diejenigen, welche die Selektion von Personen zum Ziel haben" sowie "das reproduktive Klonen von Menschen". 1.15 Von anderen Ländern verfolgte Ansätze in der Embryonen- und Stammzellforschung In den Vereinigten Staaten stellt sich die Lage anders als in Europa dar. Ein wesentlicher Unterschied ergibt sich daraus, dass eine klare Trennung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor besteht. Seit 1995 enthält das Haushaltsgesetz, das alljährlich vom Kongress verabschiedet wird, eine Bestimmung, die die Bereitstellung öffentlicher Gelder für die Embryonenforschung untersagt. Folglich können die National Institutes of Health keine Embryonenforschung betreiben, die mangels entsprechender Gesetze frei und Sache des keiner Kontrolle unterliegenden Privatsektors ist. Nachdem es bei der Kultivierung menschlicher Stammzellen zu neuen Entdeckungen kam, wurde die Debatte 1998 wieder aufgenommen. Das National Bioethics Advisory Committee legte im September 1999 einen Bericht zu dieser Problematik vor, im zuständigen Kongress-Ausschuss fanden 1999 und 2000 mehrere Anhörungen statt. Schließlich regte die Clinton-Administration an, unter bestimmten Bedingungen die Finanzierung von Forschungstätigkeiten zur Gewinnung und Untersuchung von humanen embryonalen Stammzellen zuzulassen. Im August 2000 veröffentlichten die NIH neue Leitlinien, die die staatliche Unterstützung der Forschung an menschlichen embryonalen Stammzellen unter zwei Voraussetzungen zulassen. Zum einen müssen die Zellen aus gefrorenen Embryonen entnommen werden, die bei der Infertilitätsbehandlung in spezialisierten Kliniken anfallen und in jedem Fall vernichtet würden; zum anderen dürfen keine staatlichen Mittel für die Vernichtung der Embryonen zur Gewinnung von Zellen verwendet werden; die öffentlich geförderte Forschung ist also auf Embryonen angewiesen, die ihnen aus Privatmitteln unterstützte Forscher zur Verfügung stellen. ETHISCHER HINTERGRUND 1.16 Ethische Grundfragen der Stammzellforschung Die Forschung an menschlichen Stammzellen verdeutlicht den Wertekonflikt in der Bioethik. Für die Forschung sprechen die Aussichten auf neue, wenn auch vielleicht erst in ferner Zukunft realisierbare Behandlungsmethoden und insbesondere die Alternative zur Organ- und Gewebespende. Werden bei der Forschung menschliche Embryonen verwendet, stellt sich andererseits die Frage nach der ethischen Vertretbarkeit sowie nach den Grenzen und Bedingungen dieser Forschung. Die Embryonenforschung wurde bereits eingehend im Kontext der Forschungsarbeiten zur Verbesserung der In-vitro-Fertilisation als Behandlung der Unfruchtbarkeit diskutiert. Die Forschung an embryonalen Stammzellen wirft zusätzliche ethische Fragen auf, die Folgendes berühren: Neue Arten von Forschung am menschlichen Embryo. Bislang waren Forschungsarbeiten, bei denen Embryonen "verbraucht" werden, allenfalls streng auf die Bereiche Reproduktion, Kontrazeption oder genetische Krankheiten begrenzt. Die Forschung an humanen Stammzellen erstreckt sich auf ein wesentlich breiteres Gebiet. 81 Die Verwendung von ES-Zellen und Stammzelllinien für therapeutische Zwecke. Bisher wurden menschliche Embryonen, die für Forschungszwecke genutzt wurden, nach Abschluss der Arbeiten zerstört, also nicht mehr in der Infertilitätsbehandlung verwendet. Übrig blieben einzig neue Erkenntnisse. Bei der Forschung an humanen embryonalen Stammzellen geht es hingegen um die Erzeugung von Zelllinien mit bestimmten Reinheits- und Spezifizitätsmerkmalen. Die Kontinuität vom Embryo bis hin zu dem durch Kultur gewonnenen therapeutischen Material ist die Folge. Die Erzeugung von Embryonen für Forschungszwecke. Dieses heikle Thema steht nun erneut zur Debatte, da sich für ein solches Vorgehen wissenschaftliche Argumente anführen lassen. So bietet sich die Möglichkeit, Stammzellen zu erzeugen, die mit denen des Patienten identisch sind, so dass das Problem der Abstoßung in der "regenerativen Medizin" künftig vermieden werden kann. Gleichzeitig ergeben sich durch die Erzeugung von menschlichen Embryonen neue ethische Fragestellungen. Die Vertretbarkeit der Stammzellforschung hängt nicht nur von den damit verfolgten Zielen, sondern auch von der Herkunft der Stammzellen ab. Jede dieser Quellen wirft teilweise unterschiedliche ethische Fragen auf. Für Gegner der Embryonenforschung ist diese Unterscheidung insgesamt unannehmbar, während sie für diejenigen, die Embryonenforschung für zulässig halten, große Bedeutung hat. 1.17 Ethische Aspekte der Transplantation von Stammzellen Die klinische Forschung wie auch die potentiellen künftigen Anwendungen in diesem Bereich konfrontieren uns mit den gleichen ethischen Fragen, die die Gruppe in ihrer Stellungnahme "Humangewebe: Ethische Aspekte der Gewebebanken" (21.7.1998) behandelt hat, d.h. Achtung des Patienten, der über die Verwendung der Spenderzellen aufzuklären ist und dem es dann frei steht, seine Einwilligung zu geben, Achtung der Autonomie der Patienten, Recht auf Sicherheit und Schutz der Privatsphäre sowie Recht auf fairen und gleichberechtigten Zugang zu neuen Therapien. 2 - STELLUNGNAHME Die Gruppe gibt folgende Stellungnahme ab: GELTUNGSBEREICH DER STELLUNGNAHME 2.1 Ethische Fragen der Stammzellforschung und ihrer Nutzung für klinische Zwecke Gegenstand der Stellungnahme ist die Auseinandersetzung mit den ethischen Fragen der Erforschung und Verwendung menschlicher Stammzellen im Rahmen der Forschungspolitik und der gesundheitspolitischen Kompetenz der Europäischen Union, deren Ziel es ist, die menschliche Gesundheit zu verbessern und hohe Standards für die Sicherheit von Substanzen menschlicher Herkunft festzulegen. Die besonderen ethischen Fragen im Zusammenhang mit der Patentierung von Erfindungen, bei denen menschliche Stammzellen verwertet werden, waren für Präsident Prodi Anlass, am 18. Oktober eine Stellungnahme der Beratergruppe anzufordern, die zu einem späteren Zeitpunkt in Brüssel veröffentlicht wird. Deshalb wird die Frage der Patentierbarkeit noch nicht in dieser Stellungnahme behandelt. ALLGEMEINER ANSATZ 2.2 Wesentliche ethische Grundsätze Einige der fundamentalen Prinzipien, die in diesem Bereich zum Tragen kommen, wurden von der EGE bereits in früheren Stellungnahmen ausgeführt, insbesondere folgende: -Achtung der Menschenwürde -Autonomie des Betreffenden (einschließlich der Einwilligung nach Aufklärung, Achtung der Privatsphäre, Vertraulichkeit personenbezogener Daten) - Gerechtigkeit und Benefizienz (insbesondere was die Verbesserung der Gesundheit und den Gesundheitsschutz anbelangt) - Freiheit der Forschung (die gegen andere wesentliche Grundsätze abgewägt werden muss) 82 - Verhältnismäßigkeit (die Forschungsmethoden müssen zum Erreichen der verfolgten Ziele erforderlich sein, und es stehen keine annehmbareren Methoden zur Verfügung). Nach Auffassung der Gruppe sind darüber hinaus im Sinne eines auf Vorsicht ausgerichteten Vorgehens mögliche langfristige Folgen der Forschung an Stammzellen sowie deren Verwendung für den Einzelnen und die Gesellschaft in Betracht zu ziehen. 2.3 Pluralismus und europäische Ethik Pluralismus, ein besonderes Merkmal der Europäischen Union, spiegelt den Reichtum ihrer Traditionen wider und erfordert gegenseitige Achtung und Toleranz. Die ethische Dimension des Aufbaus einer demokratischen europäischen Gesellschaft impliziert die Achtung unterschiedlicher philosophischer, moralischer und rechtlicher Konzepte sowie verschiedener Kulturen. In rechtlicher Hinsicht steht die Achtung des Pluralismus in Einklang mit Artikel 22 ("Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen") der EU-Grundrechtscharta und mit Artikel 6 des Vertrags von Amsterdam, der auf Unionsebene den Schutz der Grundrechte insbesondere nach Maßgabe internationaler Rechtsinstrumente und der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen gewährleistet und die notwendige Achtung der nationalen Identität der Mitgliedstaaten herausstellt. GRUNDLAGENFORSCHUNG AN MENSCHLICHEN STAMMZELLEN 2.4 Wesentliche Forderungen je nach der Herkunft der Stammzellen • Für die Gewinnung von erwachsenen Stammzellen gelten die gleichen Bedingungen wie für die Gewebespende, d.h. die Achtung der körperlichen Unversehrtheit des Spenders und die frei und nach Aufklärung erteilte Einwilligung. • Voraussetzung für die Entnahme von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut des Neugeborenen ist die Information der Spender (der betreffenden Frau bzw. des betreffenden Paares) über die mögliche Verwendung für diesen bestimmten Forschungszweck sowie deren Einwilligung. • Voraussetzung für die Entnahme von fetalem Gewebe zur Gewinnung von Stammzellen ist neben der nach Aufklärung erteilten Einwilligung, dass kein Abbruch eingeleitet wird, um Gewebe zu gewinnen, und dass die geplante Entnahme weder den Zeitpunkt des Abbruchs noch die gewählte Methode beeinflusst. • Die Gewinnung von Stammzellen aus embryonalen Blastozysten wirft die Frage nach dem ethischen Status des menschlichen Embryos auf. Vor dem Hintergrund der in Europa herrschenden Pluralität liegt es im Ermessen der einzelnen Mitgliedstaaten, Embryonenforschung zu verbieten oder zuzulassen. Im letzteren Fall erfordert das Gebot der Achtung der Menschwürde besondere Vorschriften für die Embryonenforschung sowie Garantien gegen willkürliche Versuche und die Instrumentalisierung menschlicher Embryonen. 2.5 Ethische Vertretbarkeit dieses Forschungsgebiets Die Gruppe stellt fest, dass einige Länder Embryonenforschung verbieten. Wo diese Forschung zur Verbesserung der Infertilitätsbehandlung aber zugelassen ist, spricht kaum etwas gegen die Ausweitung des Rahmens dieser Art von Forschung, da sie auf neue Methoden für die Behandlung schwerer Krankheiten oder Schädigungen abzielt. Ebenso wie die Infertilitätsforschung ist auch die Stammzellforschung auf die Linderung großen menschlichen Leidens ausgerichtet. Die Zerstörung der für die Forschung verwendeten Embryonen ist dabei unabwendbar. Folglich lässt sich kein Argument gegen die Finanzierung dieser Art von Forschung aus dem Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union anführen, solange sichergestellt ist, dass die Forschung den in dem Programm festgelegten ethischen und rechtlichen Anforderungen entspricht. 2.6 Öffentliche Kontrolle der Forschung an embryonalen Stammzellen Die Beratergruppe hält es für unerlässlich, darauf hinzuweisen, wie heikel die Verwendung embryonaler Stammzellen ist, da sich durch diese Praxis unsere Sichtweise von der dem menschlichen Embryo gebührenden Achtung verändern könnte. 83 Nach Auffassung der Gruppe muss die ES-Forschung in Ländern, in denen sie zugelassen ist, einer strengen öffentlichen Kontrolle durch eine zentralisierte Einrichtung, beispielsweise in der Art der britischen Zulassungsbehörde (Human Fertilisation and Embryology Authority) unterstellt werden. Außerdem ist zu gewährleisten, dass Genehmigungen für derartige Forschungsarbeiten äußerst selektiv und nur im Einzelfall erteilt werden. Dabei ist für größtmögliche Transparenz Sorge zu tragen. Dies hat in gleicher Weise für Forschungen öffentlicher oder privater Einrichtungen zu gelten. 2.7 Alternativen zur Erzeugung von Embryonen für die Stammzellforschung Die Beratergruppe hält die Erzeugung von Embryonen einzig zu Forschungszwecken für bedenklich, da dies einen weiteren Schritt zur Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet. • Für die Gruppe ist die Erzeugung von Embryonen mit Hilfe von Spendergameten zur Gewinnung von Stammzellen ethisch unannehmbar, wenn bereits überzählige Embryonen als Quelle zur Verfügung stehen. • Die Gruppe nimmt zur Kenntnis, dass der Kerntransfer somatischer Zellen im Hinblick auf das Ziel relevant ist, die Voraussetzungen für die "Umprogrammierung" von erwachsenen Stammzellen zu untersuchen. Ihr ist bewusst, dass mit Blick auf eine künftige Zelltherapie die Erzeugung von Embryonen mit Hilfe dieser Technik möglicherweise das wirkungsvollste Verfahren zur Gewinnung pluripotenter, mit den Zellen des Patienten genetisch identischer Stammzellen und somit zur Gewinnung völlig histokompatibler Gewebe darstellt, so dass die Abstoßung nach einer Transplantation vermieden werden kann. Diese noch vagen therapeutischen Aussichten sind jedoch gegen die Gefahr einer Trivialisierung der Verwendung von Embryonen und die Gefahr, dass Frauen als mögliche Lieferantinnen von Oozyten unter Druck gesetzt und somit zunehmend instrumentalisiert werden, abzuwägen. Angesichts der Tatsache, dass die Erfolgsquote beim Kerntransfer somatischer Zellen gegenwärtig außerordentlich gering ist, wären große Mengen weiblicher Oozyten für die Schaffung von Zelllinien erforderlich. • Die Gruppe vertritt die Ansicht, dass bei einer derart sensiblen Materie das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Konzept der Vorsicht zum Tragen kommen müssen. Es genügt nicht zu prüfen, inwieweit das Ziel, menschliches Leiden zu vermindern, legitim ist, wenn nicht auch die angewandten Mittel einer strengen Prüfung unterzogen werden. Besonders die in die regenerative Medizin gesetzten Erwartungen sind noch äußerst spekulativ und unter Wissenschaftlern umstritten. Die Gruppe mahnt daher zur Zurückhaltung. Ihrer Auffassung nach wäre die Erzeugung von Embryonen durch den Kerntransfer somatischer Zellen derzeit insofern verfrüht, als sich der Wissenschaft ein weites Feld für Forschungen mit alternativen Quellen für menschliche Stammzellen (überzählige Embryonen, fetales Gewebe, adulte Stammzellen) bietet. 2.8 Stammzellforschung als Bestandteil des europäischen Forschungsrahmenprogramms Die Gemeinschaft sollte für die Stammzellforschung, bei der alternative Quellen (überzählige Embryonen, Gewebe von Feten und erwachsene Stammzellen) genutzt werden, einen besonderen Forschungshaushalt vorsehen. Die Unterstützung der EU wäre vor allem zur Prüfung der Validität der jüngsten Erfindungen zum Differenzierungspotential von erwachsenen Stammzellen zu verwenden. Die EU sollte zur Auflage machen, dass die gewonnenen Forschungsergebnisse weit verbreitet und nicht aus kommerziellen Interessen zurückgehalten werden. Auf europäischer Ebene kommt der Europäischen Union im Zusammenhang mit dem Forschungsrahmenprogramm besondere Verantwortung als Finanzgeber für ESForschungsvorhaben zu. Daher müssen geeignete Verfahren entwickelt und genügend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit nicht nur vor dem Anlaufen solcher Vorhaben, sondern auch in der Überwachungsphase eine Bewertung unter ethischen Aspekten gesichert ist. 2.9 Stammzellforschung und Frauenrechte Durch die laufenden Forschungsarbeiten wird uns bewusst, welch hohem psychischen und physischen Druck Frauen ausgesetzt sind, die sich einer Unfruchtbarkeitsbehandlung unterziehen. 84 Die Gruppe weist auf die Notwendigkeit hin, sicherzustellen, dass Frauen durch die Nachfrage nach überzähligen Embryonen und Eizellenspenden nicht noch mehr belastet werden. KLINISCHE FORSCHUNG AN MENSCHLICHEN STAMMZELLEN In der ganzen Welt entwickelt sich die Forschung rasant auf Experimente mit Stammzellen in Patienten zu (auch wenn Versuche mit der Transplantation von embryonalen Stammzellen in absehbarer Zeit eher unwahrscheinlich sind). Klinische Versuche mit anderen als embryonalen Stammzellen, die an Patienten z.B. mit der Parkinsonschen Krankheit, Herzkrankheiten oder Diabetes durchgeführt werden, setzen eine Auseinandersetzung mit folgenden Aspekten voraus: 2.10 Freie und nach Aufklärung erteilte Einwilligung Die freie Einwilligung nach Aufklärung muss nicht nur vom Spender, sondern auch vom Empfänger erteilt werden, wie die Beratergruppe in ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte. In jedem Fall ist der Spender (die Frau bzw. das Paar) über die mögliche Verwendung der embryonalen Zellen für den hier diskutierten spezifischen Zweck zu informieren, bevor um die Einwilligung ersucht wird. 2.11 Abwägung von Risiko und Nutzen Das Abwägen von Risiko und Nutzen ist bei der Stammzellforschung, wie bei jeder anderen Forschung auch, unerlässlich, nur sind die Schwierigkeiten hier wegen der noch vorhandenen Wissenslücken und der damit einhergehenden Unsicherheit ungleich größer. Um die Risiken auf ein Mindestmaß zu begrenzen und den Nutzen zu steigern, müssten die Sicherheitsstrategien optimiert werden. Es genügt nicht, die kultivierten Stammzellen oder die aus ihnen gewonnenen Gewebe auf Bakterien, Viren oder Toxizität zu testen. Wenn es um die Transplantation von genetisch modifizierten Zellen und die Gewinnung von Stammzellen aus somatischen Zellen geht, ist es von allergrößter Bedeutung, dass sämtliche Sicherheitsaspekte geprüft werden. So ist beispielsweise das Risiko, dass durch transplantierte Zellen Anomalien hervorgerufen oder das Entstehen von Tumoren oder Krebs begünstigt werden, abzuwägen. Der potentielle Nutzen für den Patienten sollte auf jeden Fall in Erwägung gezogen, jedoch nicht überbewertet werden. Die Gründe, die für ein vorsichtiges Vorgehen sprechen, sind zu berücksichtigen. 2.12 Gesundheitsschutz der Personen, die an klinischen Versuchen teilnehmen Es ist erforderlich, bei klinischen Anwendungen der Stammzellforschung das Risiko irreversibler und gegebenenfalls schädlicher Veränderungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. Wenn möglich, sollten stets Techniken angewandt werden, die Aussichten auf Reversibilität bieten. Würden bei der Transplantation beispielsweise genetisch modifizierte Zellen, die eine Stimulierung des Nervenwachstumsfaktors bewirken sollen, eingekapselt, könnte das Verfahren im Falle von Problemen rückgängig gemacht werden. 2.13 Wissenschaftliche Bewertung der Verwendung von Stammzellen zu therapeutischen Zwecken Es sind dringend Strategien und besondere Anforderungen für die optimale Bewertung einer ethisch unbedenklichen Nutzung von Stammzellen als therapeutisches Mittel (z.B. in der Gentherapie oder für Transplantationen) zu entwickeln. Eine solche Evaluierung sollte gemeinsam mit der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln vorgenommen werden. 2.14 Anonymität der Spende Es muss alles Notwendige getan werden, um bei der Stammzellforschung und -verwendung die Identität von Spender und Empfänger zu schützen und zu wahren. Wie die Beratergruppe dazu in ihrer Stellungnahme zu Gewebebanken (21.7.1998) feststellte, verbietet die "Anonymität der Gewebespende die Offenlegung von Informationen, die es ermöglichen, den Spender bzw. den Empfänger zu identifizieren. In der Regel dürfen weder Spender noch Empfänger die Identität des jeweils anderen kennen." 85 2.15 Stammzellbanken und Sicherheit Die Bereitstellung und Lagerung von Stammzellen in Stammzellbanken hat zur Folge, dass immer größere Mengen an Daten über Individuen und Familien gesammelt und gespeichert werden. Für Zellbanken sollten europäische Regelungen geschaffen werden, um das Konzept der Vorsicht besser umsetzen zu können. Bei Auftreten unerwünschter Nebenwirkungen müsste die Möglichkeit gegeben sein, Spender und Empfänger aufzufinden und Zugriff auf ihre Krankenunterlagen zu erhalten. Auf nationaler oder europäischer Ebene soll eine Genehmigung von Zellbanken nur erteilt werden können, wenn die Rückverfolgbarkeit gewährleistet ist. 2.16 Stammzellbanken und Vertraulichkeit Um die Forderung der Rückverfolgbarkeit und den notwendigen Schutz der Rechte des Spenders ärztliche Schweigepflicht und Recht auf Privatsphäre - miteinander in Einklang zu bringen, müssen Zellbanken alles tun, um die Vertraulichkeit der Daten zu gewährleisten. 2.17 Verbot des Handels mit Embryonen und abgestorbenem fetalem Gewebe Es ist nicht zu unterschätzen, dass bei Vorhandensein finanzieller Anreize stets die Gefahr besteht, dass Druck oder Zwang ausgeübt werden. Embryonen und abgestorbenes fetales Gewebe dürfen nicht käuflich erworben oder verkauft und noch nicht einmal zum Verkauf angeboten werden. Zur Verhinderung der kommerziellen Nutzung sind Maßnahmen vorzusehen. 2.18 Ausfuhr und Einfuhr von Stammzellprodukten Die Genehmigung von Stammzelleinfuhren und -ausfuhren sollte nur von nationalen oder europäischen Behörden erteilt werden können. Voraussetzung für die Erteilung der Genehmigung wären Ethik- und Sicherheitsvorschriften. 2.19 Aufklärung und Dialog Es bedarf eines ständigen Dialogs und fortlaufender Aufklärung, um die Bürger, einschließlich der Patienten, verstärkt an der wissenschaftlichen Entscheidungsfindung, namentlich in Bezug auf die Wahlmöglichkeiten, die sich durch die neuen wissenschaftlichen Entwicklungen bieten, zu beteiligen. Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien: Mitglieder Paula Martinho da Silva Ina Wagner Anne McLaren Goran Hermerén Dietmar Mieth Octavi Quintana Trias Egbert Schroten Peter Whittaker Marja Sorsa Gilbert Hottois Stefano Rodota Vorsitzende Noëlle LENOIR 86 ANHANG F: RATSPROTOKOLL VOM 30. SEPTEMBER 2002 RAT DER EUROPÄISCHEN UNION Brüssel, den 21. Oktober 2002 (31.10) (OR. fr) 12523/02 ADD 1 REV 1 LIMITE PV/CONS 48 MI 186 IND 65 RECH 150 ADDENDUM ZUM ENTWURF EINES PROTOKOLLS 84 Betr.: 2451. Tagung des Rates der Europäischen Union "WETTBEWERBSFÄHIGKEIT" (Binnenmarkt, Industrie und Forschung) vom Montag, 30. September 2002 in Brüssel 84 Der im vorliegenden Addendum enthaltene Teil des Protokolls des Rates unterliegt nicht der Geheimhaltung und wird der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 87 INHALT Seite A-PUNKTE Punkt 5 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates überVersicherungsvermittlung ...... 3 B-PUNKTE Punkt 3 a) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006).......................... 4 Punkt 3 b) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006)....................... 4 Punkt 3 c) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle durch direkte Aktionen durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-2006) ........... 4 Punkt 3 d) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm (Euratom) für Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie (2002-2006) ........... 4 Punkt 3 e) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle durch direkte Aktionen für die Europäische Atomgemeinschaft durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung und Ausbildung (2002-2006)......................................................................................................... 4 Tagesordnungspunkte, die die endgültige Annahme von Rechtsakten des Rates betreffen: Der Öffentlichkeit zugänglicher Teil des Protokolls A-Punkte (Liste: Dok. 12355/2/02 REV 2 PTS A 45) Bei der endgültigen Annahme der A-Punkte, die Rechtsetzungsakte betreffen, ist der Rat übereingekommen, folgenden Text in das vorliegende Protokoll aufzunehmen: Punkt 5 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates überVersicherungsvermittlung Dok. PE-CONS 3639/02 SURE 34 CODEC 834 + COR 1 (de,en,el,pt,sv) 88 Der Rat hat die Abänderungen des Europäischen Parlaments an dem Gemeinsamen Standpunkt gebilligt. Damit gilt die Richtlinie als in der so abgeänderten Fassung des Gemeinsamen Standpunkts erlassen. (Rechtsgrundlage: Artikel 47 Absatz 2 und Artikel 55 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). 1. Gemeinsame Erklärung der Kommission und des Rates zu Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 2 "Der Rat und die Kommission erklären, dass mit Artikel 1 Absatz 3 Unterabsatz 2 klar gestellt werden soll, dass nach dem Gemeinschaftsrecht ein Mitgliedstaat, der in seinem Hoheitsgebiet eine Versicherungsvermittlungstätigkeit zulässt, die von in einem Drittland niedergelassenen Versicherungs- und Rückversicherungsvermittlern und von außerhalb der Gemeinschaft ausgeübt wird, keine Regelung vorsehen darf, mit der diesen Vermittlern eine günstigere Behandlung gewährt wird, als sie den gemeinschaftlichen Versicherungs- und Rückversicherungsvermittlern, die in seinem Hoheitsgebiet nach dem Niederlassungsrecht oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs tätig sind, gemäß dieser Richtlinie gewährt wird." B-Punkte (Tagesordnung: Dok. 12252/02 OJ/CONS 49 MI 179 IND 61 RECH 148) Punkt 3 a) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006) Dok. 11385/02 RECH 139 Der Rat hat die oben genannte Entscheidung gegen die Stimme der italienischen Delegation angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 166 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Punkt 3 b) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm im Bereich der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration: "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" (2002-2006) Dok. 11386/02 RECH 140 Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 166 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Punkt 3 c) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle durch direkte Aktionen durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-2006) Dok. 11384/02 RECH 138 Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 166 Absatz 4 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Punkt 3 d) Entscheidung des Rates über ein spezifisches Programm (Euratom) für Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Kernenergie (2002-2006) 89 Dok. 11382/02 RECH 136 ATO 103 + COR 1 (nl,en,sv) Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft). Punkt 3 e) Entscheidung des Rates über ein von der Gemeinsamen Forschungsstelle durch direkte Aktionen für die Europäische Atomgemeinschaft durchzuführendes spezifisches Programm für Forschung und Ausbildung (2002-2006) Dok. 11383/02 RECH 137 ATO 104 Der Rat hat die oben genannte Entscheidung angenommen (Rechtsgrundlage: Artikel 7 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft). ERKLÄRUNGEN 2. Spezifische Programme "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" und "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" Zur Programmverwaltung a) Erklärung des Rates und der Kommission: Der Programmausschuss jedes spezifischen Programms wird je nach Art der zu behandelnden Fragen in unterschiedlichen Zusammensetzungen zusammentreten. Ungeachtet der Zusammensetzung hat der Ausschuss immer die Zuständigkeiten des Programmausschusses nach Artikel 7 der Entscheidung über das jeweilige spezifische Programm. Die Kommissionsdienststellen werden die Effizienz der Arbeit des Ausschusses insgesamt gewährleisten und je nach Zusammensetzung und Tagesordnung der einzelnen Sitzungen des Ausschusses spezifische Unterstützung leisten. Sie stellen sicher, dass die Tagesordnungen für die jeweiligen Ausschusssitzungen dergestalt und so rechtzeitig erstellt werden, dass die Delegationen der Mitgliedstaaten die geeigneten Vertreter für alle Tagesordnungspunkte bestimmen und so sicherstellen können, dass das geeignete spezielle Fachwissen gegeben ist, wobei die Besonderheiten der speziellen Fachgebiete zu berücksichtigen und insbesondere folgende Bereiche abzudecken sind: i) betreffend das spezifische Programm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums": ? ? ? Biowissenschaften, Genomik und Biotechnologie im Dienste der Gesundheit; Technologien für die Informationsgesellschaft; Nanotechnologien und -wissenschaften, wissensbasierte multifunktionale Werkstoffe sowie neue Produktionsverfahren und – 90 ? ? ? ? anlagen; Luft- und Raumfahrt; Lebensmittelqualität und –sicherheit; nachhaltige Entwicklung, globale Veränderungen und Ökosysteme; Bürger und Staat in der Wissensgesellschaft; ii) betreffend das spezifische Programm "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums": ? ? ? ? Forschung und Innovation; Humanressourcen und Mobilität; Forschungsinfrastrukturen; Wissenschaft und Gesellschaft. Dabei sollte die Tagesordnung für eine bestimmte Tagung spezielles Fachwissen für nicht mehr als eines der genannten Themen erfordern. Der Programmausschuss für jedes spezifische Programm wird sich mit Entwürfen für übergreifende Maßnahmen befassen, die das Programm insgesamt betreffen, einschließlich Fragen der Gesamtstrategie und Gesamtkohärenz des Programms. Beim spezifischen Programm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" wird sich der Ausschuss auch mit allen Entwürfen für übergreifende Maßnahmen im Rahmen des Kapitels "Spezielle Maßnahmen auf einem breiteren Feld der Forschung" sowie mit Entwürfen für besondere Maßnahmen in den Forschungsbereichen "Unterstützungsmaßnahmen und Planung im Vorgriff auf den künftigen Wissenschafts- und Technologiebedarf", "Horizontale Forschungsmaßnahmen unter Beteiligung von KMU", "Spezielle Maßnahmen zur Unterstützung der internationalen Zusammenarbeit" sowie im Bereich "Stärkung des Europäischen Forschungsraums" befassen, wobei zu berücksichtigen ist, dass erforderlichenfalls das Vorhandensein des geeigneten speziellen Fachwissens sichergestellt werden muss. In den spezifischeren Zusammensetzungen wird sich der Ausschuss des jeweiligen Programms mit dem einschlägigen Teil der Arbeitsprogramme und ihrer regelmäßigen Überprüfung befassen, einschließlich der Nutzung der Umsetzungsinstrumente, etwaiger nachfolgender Anpassungen ihrer Nutzung, des Inhalts der Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen sowie der Entwürfe für Durchführungsmaßnahmen betreffend die Billigung der Finanzierung von FTE-Maßnahmen innerhalb des einschlägigen Bereichs. Was Themen anbelangt, die sich über mehr als einen Bereich erstrecken, so sollte die Tagesordnung in einer Weise festgelegt werden, bei der, soweit angezeigt, die Gesamtkohärenz und die speziellere Abstimmung zwischen Themen und Fachwissen sichergestellt sind. Dies sollte insbesondere dann gelten, wenn Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen und die Projektfinanzierung auf der Tagesordnung stehen. Die Kostenerstattung für einen Vertreter und einen Experten/Berater aus jedem Mitgliedstaat, die an den Tagungen des Programmausschusses teilnehmen, wird aus den Haushaltsmitteln für das jeweilige spezifische Programm bestritten, wobei 91 der Finanzrahmen uneingeschränkt einzuhalten ist. Die Kostenerstattung für die zweite Person (Experte/Berater) stellt keinen Präzedenzfall für Ausschüsse auf anderen Gebieten der Gemeinschaftspolitik dar. b) Erklärung der Kommission: Um die Effizienz und die Transparenz der Durchführung zu gewährleisten, wird die Kommission dem Programmausschuss umfassende Informationen über alle erhaltenen Vorschläge für FTE-Maßnahmen sowie über alle tatsächlich finanzierten Maßnahmen systematisch zur Verfügung stellen, unabhängig vom Umfang der Projekte. Die Kommission wird diese Informationen in benutzerfreundlicher Form, einschließlich in elektronischer Form, soweit dies möglich ist, so rechtzeitig zur Verfügung stellen, dass der Ausschuss sie gebührend berücksichtigen kann, und zwar mindestens zwei Wochen vorher bei Fragen, zu denen der Ausschuss eine Stellungnahme abgibt, und eine Woche vorher, wenn es sich lediglich um eine Unterrichtung handelt. Zusätzlich zu den Informationen, die regelmäßig im Rahmen des Jahresberichts nach Artikel 173 des Vertrags sowie im Rahmen der Überprüfungsberichte und der Berichte über die Bewertung nach fünf Jahren veröffentlicht werden, werden Angaben für jeden vorrangigen Themenbereich im Laufe des letzten Quartals jedes Jahres zur Verfügung gestellt, die in einer konsolidierten Darstellung die Informationen über die Durchführung des Programms und die Abrufung der Mittel umfassen, die den Ausschüssen regelmäßig erteilt werden. Diese Informationen werden alle Stadien abdecken, vom Aufruf zur Einreichung von Vorschlägen über die Evaluierung der vorgeschlagenen FTE-Maßnahmen, ihre Auswahl sowie die Unterzeichnung der Verträge und deren anschließende Durchführung. Sie werden insbesondere für jeden Aufruf und für jeden Vorschlag folgende Angaben beinhalten: ? Zusammenfassung; ? Bewertung und zusammenfassende Berichte des Evaluierungsgremiums; ? Absichten der Kommission in Bezug darauf, welche Vorschläge abgelehnt werden und über welche verhandelt werden soll; ? Gesamtmittel und beantragter Gemeinschaftsbeitrag. Die Kommission wird regelmäßig, mindestens jedoch jährlich, folgende Informationen vorlegen: ? unterzeichnete Verträge (einschließlich Partner, Bereiche, Inhalte, Ressourcen und Beteiligung der Mitgliedstaaten) und deren wichtigste Entwicklungen, zusammen mit ? Übersichten über die Fortschritte bei den Programmen und Durchführungsergebnisse sowie ? die Liste der Personen, die im abgelaufenen Zeitraum als Evaluierer tätig waren, sobald alle Beschlüsse zum einschlägigen Aufruf gefasst sind. 92 3. Spezifisches Programm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" Zu Artikel 3, Anwendung ethischer Grundsätze Der Rat und die Kommission stimmen darin überein, dass detaillierte Durchführungsvorschriften betreffend die Verwendung humaner Embryos und humaner embryonaler Stammzellen, die unter dem 6. Rahmenprogramm finanziert werden können, bis zum 31. Dezember 2003 festgelegt werden. Die Kommission erklärt, dass während dieser Zeit und bis zur Festlegung der detaillierten Durchführungsvorschriften sie die Finanzierung solcher Forschungstätigkeiten nicht vorschlagen wird, ausgenommen die Untersuchung von in Banken bestehenden oder in Kulturen isolierten humanen embryonalen Stammzellen. Die Kommission wird die wissenschaftlichen Fortschritte und Bedürfnisse, sowie die Entwicklung der internationalen und nationalen Gesetzgebung, Vorschriften und ethischer Regeln betreffend dieses Thema genau beobachten, auch unter Einbeziehung der Stellungnahmen der Europäischen Gruppe von Beratern betreffend die ethischen Implikationen der Biotechnologie (1991-1997) und der Stellungnahmen der Europäischen Gruppe betreffend Ethik in der Wissenschaft und neuen Technologien (seit 1998), und dem Europäischen Parlament und dem Rat bis September 2003 berichten. Der Rat erklärt, dass es seine Absicht ist, dieses Thema auf einer Tagung im September 2003 zu diskutieren. Im Rahmen der Überprüfung jedes künftigen dem Rat vorzulegenden Vorschlages in Anwendung von Artikel 5 der Entscheidung 1999/468/EG erinnert die Kommission an ihre Erklärung betreffend Artikel 5 der Entscheidung 1999/468/EG, nach der die Kommission es im Bemühen um eine ausgewogene Lösung vermeiden wird, sich einem im Rat vorherrschenden Standpunkt zur Ablehnung der Zweckmäßigkeit einer Durchführungsmaßnahme entgegenzustellen (vgl. ABl. C 203 vom 17.7.1999, S. 1). Der Rat nimmt die Absicht der Kommission zur Kenntnis, dem im Rahmen des spezifischen Forschungsprogramms "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" eingesetzten Programmausschuss nach Artikel 6 Absatz 3 erster Gedankenstrich Verfahrensmodalitäten für Forschungstätigkeiten an menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen vorzulegen. Ferner nimmt der Rat zur Kenntnis, dass die Kommission beabsichtigt, dem Rat und dem Parlament im Frühjahr 2003 einen Bericht über die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen vorzulegen, der als Grundlage der Erörterungen im Rahmen eines interinstitutionellen Seminars über Bioethik dienen wird. Unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Seminars wird die Kommission nach Artikel 166 Absatz 4 des Vertrags einen Vorschlag für die Festlegung weiterer Leitlinien in Bezug auf die Grundsätze, die bei der Beschlussfassung über die Gemeinschaftsmittel für Forschungsvorhaben im Zusammenhang mit 93 menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen zum Tragen kommen, vorlegen. Der Rat und die Kommission werden mit Unterstützung des Europäischen Parlaments alles tun, um die Rechtsetzungsverfahren baldmöglichst, spätestens aber im Dezember 2003, abzuschließen. Der Rat und die Kommission gehen davon aus, dass das oben genannte Seminar entsprechend dem Vorschlag des Europäischen Parlaments zu einem europaweiten und gut strukturierten Diskussionsprozess über die ethischen Fragen im Zusammenhang mit der modernen Biotechnologie, insbesondere in Bezug auf humane embryonale Stammzellen, beitragen wird, um das Verständnis der Öffentlichkeit zu fördern. Der Rat und die Kommission stellen fest, dass die ethische Akzeptanz verschiedener Forschungsgebiete mit den unterschiedlichen Situationen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang steht und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip dem einzelstaatlichen Recht unterliegt. Ferner stellt die Kommission fest, dass die Forschung an menschlichen Embryonen und humanen embryonalen Stammzellen in mehreren, aber nicht in allen Mitgliedstaaten freigegeben ist. Zu COST Der Rat und die Kommission teilen die im jüngsten Bericht der COSTBewertungsgruppe vertretene Auffassung, dass COST langjährige Erfahrung bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Koordinierung national finanzierter FTE-Maßnahmen aufweist, was ein Plus mit direkter Bedeutung für den Aufbau des Europäischen Forschungsraums darstellt; gleichzeitig erkennen sie an, dass es Raum für erhebliche Änderungen der Organisation von COST gibt. Darüber hinaus nimmt der Rat zur Kenntnis, dass die Kommission für COSTAktionen, die im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms begonnen werden, kein Verwaltungs- und Wissenschaftssekretariat zur Verfügung stellen wird. Er nimmt ferner zur Kenntnis, dass die Kommission einräumt, dass ein neues COSTSekretariat bis Ende 2002 möglicherweise noch nicht voll einsatzfähig ist, und sie daher bereit ist, während einer Übergangszeit von wenigen Monaten die Sekretariatsgeschäfte für COST-Aktionen weiterzuführen. Der Rat und die Kommission stellen fest, dass sich COST in einem Reformprozess befindet, und sie erkennen an, dass nach einer erfolgreichen Reform und angesichts der jüngsten Erweiterung von COST und der gestiegenen Anzahl von Aktionen ein wesentlicher Beitrag aus dem Sechsten Rahmenprogramm gerechtfertigt sein könnte. Der Rat begrüßt die Absicht der Kommission, COST-Partner zu werden, um die Synergie zwischen dem Rahmenprogramm und COST weiter auszubauen. Der Rat ersucht die Kommission, geeignete Schritte in dieser Hinsicht zu unternehmen. 4. Spezifisches Programm "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" 94 Zu Humanressourcen und Mobilität Die Kommission erklärt, dass bei der Durchführung der Tätigkeit Humanressourcen und Mobilität im Rahmen dieses spezifischen Programms auch familiäre Umstände, wie Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub, gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden, so dass den möglichen Begünstigten durch diese Umstände keine Nachteile entstehen. 5. Spezifisches Programm "Direkte Aktionen der GFS" (EG) Die Kommission ist der Auffassung, dass die GFS gemäß ihrem Auftrag und auf Aufforderung das Europäische Parlament bei der Konzipierung und Durchführung von EU-Politiken unterstützen sollte. Deshalb begrüßt die Kommission die Absicht des EP, einen Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, der eine entsprechende Schnittstelle zur GFS bilden soll. Die Kommission bestätigt, dass das mehrjährige Arbeitsprogramm der GFS auf der folgenden Website der GFS zur Verfügung stehen wird: http://www.jrc.org. 6. Spezifisches Programm "Kernenergie" (Euratom) Zu den Stimmrechten im Beratenden Ausschuss Der Rat und die Kommission bestätigen die einmütige Zustimmung des Beratenden Ausschusses für Fusionsforschung (CCE-FU) zu der folgenden Stimmgewichtung bei Abstimmungen innerhalb des Ausschusses nach Artikel 6.2 bei der Behandlung von Fragen im Zusammenhang mit der Kernfusion. Demgemäß wird die Kommission die geeigneten Schritte im Hinblick auf die Änderung des Beschlusses des Rates vom 16. Dezember 1980, zuletzt geändert durch den Beschluss des Rates 95/1/EG, Euratom, EGKS vom 1. Januar 1995, zur Einrichtung des Beratenden Ausschusses für das Kernfusionsprogramm, ergreifen. Belgien Dänemark Deutschland Griechenland Spanien Frankreich Irland Italien Luxemburg Niederlande Österreich Portugal Finnland Schweden Schweiz Vereinigtes Königreich ________________ Insgesamt 2 2 5 2 3 5 2 5 1 2 2 2 2 2 2 5 44 95 Zur Annahme einer Stellungnahme ist eine Mehrheit von 23 Ja-Stimmen von mindestens 8 Delegationen erforderlich. 7. Einseitige und bilaterale Erklärungen zu den Spezifischen Programmen a) Deutschland und Österreich (zu Art. 3 des Spezifischen Programms "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums") "Deutschland und Österreich weisen darauf hin, dass sie an ihrer Position festhalten, dass auch nach Ablauf des Moratoriums im Dezember 2003 Forschungsarbeiten mit menschlichen Embryonen und mit menschlichen embryonalen Stammzellen mit Ausnahme derjenigen Stammzellen, die derzeit bereits in Banken existieren oder in Kultur isoliert sind, nicht durch das 6. Rahmenprogramm finanziert werden sollten. Deutschland und Österreich gehen im Übrigen davon aus, dass die Kommission im zweiten spezifischen Programm "Ausgestaltung des Europäischen Forschungsraums" keine Forschungsarbeiten finanzieren wird, die aufgrund der Protokollerklärungen zum 1. Spezifischen Programm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" von der Finanzierung ausgeschlossen sind." b) Irland (Bioethik) "Irland verweist bei seiner Zustimmung zur Annahme der Spezifischen Programme zur Durchführung des Sechsten Forschungsrahmenprogramms auf seine Erklärungen betreffend Forschungen, die in Irland nicht durchgeführt werden können. Irland erinnert ferner an die Erklärung des Rates sowie an die gemeinsame Erklärung von Irland, Italien, Deutschland, Portugal und Österreich betreffend die weitere Ausarbeitung detaillierter Leitlinien zu ethischen Aspekten. Irland begrüßt ? die bisher erzielten Fortschritte bei der Ausarbeitung detaillierter Durchführungsbestimmungen; ? die Anerkennung der Anwendbarkeit der irischen Gesetze, Regelungen und Leitlinien auf jegliche Forschung, die in Irland durchgeführt wird; ? die Erklärung der Kommission, dass sie die Finanzierung von Forschungsmaßnahmen mit menschlichen Embryonen oder menschlichen embryonalen Stammzellen im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms nicht vorschlagen wird; ? die Absicht der Kommission, im Jahre 2003 einen Vorschlag vorzulegen, mit dem weitere Leitlinien zu den Grundsätzen festgelegt werden sollen, nach denen über die gemeinschaftliche Finanzierung von Forschungsprojekten entschieden wird, bei denen menschliche Embryonen oder menschliche embryonale Stammzellen verwendet werden. In diesem Prozess wird Irland, das einige der von Italien, Deutschland, Portugal und Österreich geäußerten Bedenken teilt, sich weiterhin auf die Notwendigkeit konzentrieren, die uneingeschränkte Achtung des menschlichen Lebens und den Schutz der 96 Menschenwürde sicherzustellen; ? die Einrichtung eines Regelungsausschusses, der über alle Vorschläge für die Finanzierung von Forschungsvorhaben in ethisch sensiblen Bereichen berät." c) Italien (Bioethik und Finanzierung ds ITER-Programms) "Italien nimmt Kenntnis von den Erklärungen, die vom Rat und von der Kommission im Zusammenhang mit der "bioethischen Frage" bei der Annahme der spezifischen Programme zur Durchführung des Sechsten Rahmenprogramms im Bereich der Forschung 2002-2006 abgegeben worden sind. Diese Erklärungen stellen wesentliche Fortschritte beim Bemühen um eine einvernehmliche Position dar. In diesem Zusammenhang kommen nach der Auffassung Italiens für die Finanzierung durch die Gemeinschaft nur diejenigen Forschungsprojekte in Betracht, bei denen Stammzellen verwendet werden, die menschlichen Embryos vor dem heutigen Datum bzw. vor dem Datum der Einleitung des Sechsten Rahmenprogramms entnommen wurden. Was das spezifische Forschungsprogramm "Integration und Stärkung des Europäischen Forschungsraums" anbelangt, so bleibt Italien bei seinem ablehnenden Votum. Im Sinne des Standpunkts, den Italien bereits auf den Tagungen des Rates "Forschung" vom 10. Dezember 2001 und vom 3. Juni 2002 in Bezug auf die Menschenwürde und den Schutz des menschlichen Lebens bezogen hat, müssten Forschungsarbeiten an menschlichen Embryos, bei denen der Embryo selbst mittelbar oder unmittelbar vernichtet wird, aus Sicht Italiens von der Finanzierung im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms ausgeschlossen werden. Das spezifische Forschungs- und Ausbildungsprogramm (Euratom) auf dem Gebiet der Kernenergie wird von Italien befürwortet; Italien weist jedoch darauf hin, dass die Bewilligung der für die Einrichtung des ITER vorgesehenen Finanzierung nicht unbedingt als Zustimmung zu den bei der Planung dieser Anlage in Aussicht genommenen wissenschaftlichen und technischen Optionen zu betrachten ist. Italien ist nämlich der Auffassung, dass diese Optionen im Hinblick auf eine endgültige Entscheidung über die Durchführbarkeit des ITER-Programms aus wissenschaftlicher Sicht weiter zu prüfen sind." d) Portugal (Bioethik) "Portugal dankt dem Vorsitz für seine Bemühungen im Bereich der Bioethik, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, das Sechste Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung und die entsprechenden spezifischen Programme zu lancieren. Portugal kann dem erzielten Kompromiss insofern zustimmen, als dieser aus seiner Sicht der Bedeutung, die Portugal den mit Bioethik und Forschung zusammenhängenden Fragen beimisst, sowie dem heiklen Charakter der Frage einer etwaigen künftigen Finanzierung von Forschungstätigkeiten im Bereich humane embryonale Zellen und embryonale Stammzellen Rechnung trägt. 97 Portugal weist darauf hin, dass dieser Standpunkt von vielen anderen Mitgliedstaaten geteilt wird und dass sich Portugal vielen der im Rat von Italien vorgebrachten Anliegen anschließt. Portugal betont zudem, dass die Forschung, insbesondere im Wege des Rahmenprogramms, eine wichtige Rolle für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und sozialen Zusammenhalt, namentlich im Rahmen einer Wissensgesellschaft und einer wissensbasierten Wirtschaft, zu spielen hat." ________________________ 98