Heilung am Teich Siloah - bei der EMK Romanshorn

Werbung
Predigt Joh 9,1-7: Heilung am Teich Siloah
Es gibt nicht nur die Erfahrung wie ich sie eingangs beschrieben habe. Es gibt
genau die andere auch: die uralte Frage nach dem Leid in der Welt und dem
gleichzeitig liebenden Gott. Warum lässt Gott das Leid zu? Es gibt kaum eine
häufigere, menschliche Frage. Wir denken dabei vielleicht an…... Immer wieder
taucht die Frage mit einer gewissen Regelmässigkeit auf: was soll das und warum tut
der Allmächtige nichts dagegen?
Wir haben im NT eine ganz konkrete Situation Jesu mit seinen Jüngern, die diese
alte Frage der Menschheit aufgreift:
Lesung Joh 9,1-7:
„Und Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war. 2
Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Meister, wer hat gesündigt, dieser
oder seine Eltern, dass er blind geboren ist? 3 Jesus antwortete: Es hat weder
dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes
offenbar werden an ihm. 4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich
gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken
kann. 5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. 6 Als er das
gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich
den Brei auf die Augen des Blinden. 7 Und er sprach zu ihm: Geh zum Teich
Siloah - das heißt übersetzt: gesandt - und wasche dich! Da ging er hin und
wusch sich und kam sehend wieder.“
Hier geht es also um einen Blindgeborenen. Und bis heute stellen da Menschen die
Frage: warum wird nun der eine blind geboren und der andere mit sehenden Augen?
Warum geschieht ihm das und dem andern nicht?
Habt ihr die Antwort der Jünger gehört? Sie stellen zwar eigentlich eine Frage, aber
darin ist bereits eine Antwort zu finden:
„Rabbi, wer hat gesündigt, er oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde?“ Es ist
für sie schon mal klar: Wenn Krankheit da ist, dann muss auch Sünde da sein. Ich
weiss nicht, ob ihr das auch so seht. In der jüdisch-pharisäischen Umgebung
jedenfalls hat man das so gesehen: bei Krankheit muss jemand schuld sein, d.h. es
ist Sünde da, ob nun die Eltern dafür verantwortlich sind oder der Blindgeborene
selber. Und die Folge dieser Sünde ist eine Strafe: eben die Krankheit. Die Jünger
sind also ganz in ihrer Kultur verwurzelt und stellen darum diese Frage.
Und diese landläufige Meinung war geprägt von den Mächtigen der Zeit. Sie
konnten so ihre Macht unterstreichen, indem sie sagten: jemand hat halt gesündigt
und nun muss er es auch ausbaden: die Folge ist Armut und Ausgrenzung. Sie
warfen ihn damit mit ihren theologischen Argumenten in die Gosse. Das hat sich in
der Geschichte der Menschheit x-mal wiederholt.
Ganz so weit entfernt sind wir von diesem Denken heute noch immer nicht. Beim
herumgebotenen Begriff „Scheininvalidität“ höre ich etwas von diesem Denken
heraus: wer krank oder behindert ist, ist eigentlich selber schuld und soll selber
schauen, wie er da wieder rauskommt.
Oder bestimmte christliche Kreise, die propagieren, dass wer genug glaubt, auch
geheilt wird. Krankheit ist dann nichts anderes als ein Ausdruck von Unglauben. Man
muss halt glauben und beten und festhalten daran und dann ist man gesund.
Jetzt ist aber ja interessiert, wie Jesus die Situation des Blindgeborenen sieht.
Schauen wir mal auf die Antwort von Jesus:
„Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es
sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.“
Ich finde mich sehr darin, dass Jesus diesen Zusammenhang von Sünde und
Krankheit nicht akzeptiert. Jesus widerspricht diesem Gedanken. Es fällt Licht auf
dieses dunkle und ausgestossene Leben: Jesus gibt seinen Jüngern eine ganz
andere Sicht der Dinge und ermöglicht es dem Blindgeborenen, sein eigenes Leben
völlig neu wahrzunehmen. Und er stützt das Machtgefälle nicht: hier die Kranken und
Behinderten und dort die Normalen, Religiösen und Guten. Nein, es muss hier nicht
eine Strafe abgesessen werden. Es ist sogar grad anders herum: Krankheit und
Leid soll dazu dienen, dass Gott verherrlicht werden kann. Gott wendet sich also
diesem Ausgestossenen zu und darin sollen die Sehenden etwas erkennen.
Es gibt an dieser Antwort aber auch kritische Anfragen: es soll nun also ein Mensch
und mit ihm unzählige Menschen leiden, nur damit Gott seine Herrlichkeit beweisen
kann? Und wir wissen ja, wie oft es keine Wunder gibt, die einen Menschen von
seinem Leiden erlösen. Die Antwort Jesu tönt also auch etwas hart; sie kann
sicherlich nicht allgemein gültig verstanden werden.
Ich kann darin eine positive Sichtweise des Leides in der Welt sehen: in dieser
Geschichte sagt uns Jesus: suche nicht nach den Ursprüngen der Krankheit, sei also
nicht rückwärts gewandt, sondern schaue vorwärts. Auf Gottes gute Absicht,
sogar in deinem Leiden und dem Leiden anderer Menschen. Jesus sagt: „ich
bin das Licht“ - gerade für den Blindgeborenen. Ich bin für dich dieses Licht,
selbst wenn du körperlich gesehen nicht siehst, also nicht geheilt wirst. Auch
dann, wenn das Leiden nicht abnimmt oder die Frage nach dem Leid nicht
beantwortet wird. Dein Leben ist sinn-voll, lebens-wert, auch wenn Krankheit oder
Behinderung damit verbunden sind.
Es geht letztlich um eine tiefere Dimension in unserem Leben. Um das, was der
Blinde danach findet: den Glauben an Jesus Christus. Den er dann bekennt vor den
Pharisäern, die ihn argwöhnisch befragen. Er erhält die Kraft, dort das zu bekennen,
was er für wahr erkannt hat. Er schert sich nicht um die Zurechtweisung der
Pharisäer. Er kann sagen: „eins aber weiß ich: dass ich blind war und bin nun
sehend.“ Und er hat so nicht nur Heilung erfahren, sondern den Glauben an Jesus
Christus gefunden. Und das verhebt sogar dann, wenn ich keine Heilung erlebe und
doch Jesus Christus als meinen Begleiter in meinem Leiden erfahre.
In unserer Geschichte wird der Blindgeborene geheilt. Jesus erweist seine Vollmacht
durch ein weiteres Wunder. Das Heilungsritual wirkt auf uns vielleicht etwas fremd
mit dem Speichel und dem Brei, doch für damalige Zuhörer und Zuschauer weit
weniger. Dem Speichel sprach man im Altertum heilende Kraft zu. Mit dem Brei auf
den Augen wird er zum Teich geschickt. Der zu Heilende muss dabei einen Weg
gehen. Er wird auf das Wunder vorbereitet durch seinen Gang zum Teich. Das
Wunder geschieht nicht sofort. Auf dem Weg passiert mit ihm so einiges: was er sich
dabei wohl überlegt hat? Ob er sich nicht auch etwas komisch vorkam? So was
gemacht hat er sicherlich noch nie. Doch eigentlich hatte er ja wenig zu verlieren.
Um ein Wunder zu erleben, musste er sich auf das einlassen. Er hat nur die Zusage
dieses Jesus, zu gehen und sich darauf einzulassen. Das Ziel ist der Glaube: über
innere Grenzen gehen und Dinge tun oder sagen, für die man nicht mehr
Rückhalt hat als das Vertrauen, dass Christus da ist, dass er hilft und heilt.
Und das gilt auch dann, wenn eine Heilung nicht eintritt. Wenn wir mit unserem
Glauben den Weg gehen und doch nicht Heilung erfahren. Und die Frage nicht
geklärt wird: warum musste das geschehen?
Er ist unser Licht, der unseren Lebensweg beleuchtet. Wie auch immer wir ihn
gehen, ob wir verstehen, warum wir ihn so oder so gehen sollen. Er ist da, selbst
wenn wir scheinbar rückwärts gegangen sind und erst nach einer Weile erkannt
haben, wo es vorwärts geht. Wenn wir unterwegs verletzt wurden. Oder überfallen
wurden. Und hoffentlich auch ermutigt wurden. Und geniessen konnten, was uns am
Weg so alles begegnet ist.
Dann sind die Ereignisse auf unserem Lebensweg nicht Unterbrechungen und
Störungen des Eigentlichen, sondern die Einladung Gottes, durch diese Ereignisse
zu wachsen. Neue Erfahrungen zu machen. Auch bisher Unbekanntes zu tun oder
unseren Lebensstil zu ändern.
Unser Leben ist dazu da, Jesu Licht sichtbar zu machen. Es soll aufleuchten auf
den Stationen unseres Lebensweges. So unterschiedlich unsere Lebenswege auch
sind. Gerade wenn wir gar nicht merken, wo und wie wir Licht für andere sind. Jesus
sagt: „Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag
ist. ... Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.“ Nicht wir wirken die
Werke, sondern Christus durch uns. Und gerade an den Punkten unseres Lebens,
die mit Leid und Schwierigkeiten zu tun haben. Gerade dort leuchtet dieses Licht
Christi auf. Das ist unsere Lebens-hilfe: dass Christus uns in allem begleitet und wir
in allem zu ihm kommen können. Das wir nicht alleine wirken auf dieser Erde,
sondern zusammen mit ihm, wenn wir ihn nur einbeziehen. Denn wir glauben, dass
Christus allein das Licht der Welt ist, wie Jesus es gesagt hat.
In diesem Sinne können wir Kinder des Lichts sein.
Amen.
Herunterladen