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Experten-Beiträge
Ärzte, Betroffene und Angehörige über Diagnose, Therapie
und den Umgang mit Lungenkrebs
Experten-Beiträge
Inhalt
1.
Diagnose: „Zuverlässige Verfahren machen auch kleine Tumoren sichtbar“
Dr. David F. Heigener, Krankenhaus Großhansdorf
2. Operation: „Operationen verlaufen heute schonender“
Dr. Gunda Leschber, Evangelische Lungenklinik, Berlin (ELK)
3. Chemotherapie: „Fortschritt dank neuer Therapieoptionen“
Prof. Martin Wolf, Klinikum Kassel
4. Strahlentherapie: „Die Möglichkeiten der Strahlentherapie sind noch nicht
ausgeschöpft“
PD Dr. Ursula Nestle, Strahlenthrapeutin, Uniklinik Freiburg
5. Rehabilitation: „Patienten sind aktiver Partner des Therapeuten“
Prof. Oliver Rick, Klinik Reinhardshöhe, Bad Wildungen
6. Atemtherapie: „Atemtherapie verbessert auch das Wohlbefinden“
Dr. Anett Reißhauer, Charité-Universitätsmedizin Berlin
7. Psychoonkologie: „Ein lückenloses Angebot ist wichtig“
Dr. Andrea Petermann-Meyer, Praxis mit Schwerpunkt Psychoonkologie, Aachen
Dr. David F. Heigener, Krankenhaus Großhansdorf
„Zuverlässige Verfahren machen
auch kleine Tumoren sichtbar“
Bei Lungenkrebs stehen verschiedene Diagnosemöglichkeiten zur Verfügung
Bei Lungenkrebs ist es enorm wichtig, die Tumore rechtzeitig zu entdecken und eine
eindeutige Diagnose zu stellen. Je eher die Krankheit bemerkt wird und je exakter wir
sie beschreiben, desto gezielter und erfolgreicher lässt sie sich behandeln. Hierfür
gibt es in der Pneumologie – also der Lungenheilkunde – mittlerweile zuverlässige
Verfahren, die im Gegensatz zu früher auch sehr kleine Tumore sichtbar machen und
uns den Krankheitsgrad genau einschätzen lassen.
Eine spezielle Röntgenuntersuchung etwa – die sogenannte Positronen-EmissionsTomografie (PET) – macht es sich zunutze, dass Tumore einen erhöhten
Stoffwechsel aufweisen. Eine vorab gespritzte radioaktive Zuckerlösung reichert sich
speziell in diesem Gewebe an. Im Röntgenbild ist es so klar von gesundem Gewebe
unterscheidbar. Auch Fernmetastasen lassen sich so feststellen. Eine Gewebeprobe
ersetzt die Methode jedoch nicht.
Daher ist die Entnahme von Tumorgewebe mittels der Bronchoskopie
entscheidend. Denn um die Diagnose zu sichern und die Krankheit weiter
einzugrenzen, muss immer auch Gewebe im Labor analysiert werden. Die Menge,
die wir hierbei entnehmen, ist heute noch relativ klein. Ideal wäre ein Verfahren, dass
mehr Material liefert. Das ist manchmal mit Hilfe der starren Bronchoskopie möglich,
die in Vollnarkose durchgeführt wird. Es ist ein Verfahren, dass hohe Kompetenz
erfordert. Hierbei können größere Proben entnommen werden, so dass ausreichend
Tumorgewebe für verschiedene Untersuchungen über einen längeren Zeitraum zur
Verfügung steht. Im Verlauf der Krankheit kann beispielsweise der Einsatz von so
genannten zielgerichteten Therapien in Frage kommen, für die die Krebszellen auf
bestimmte Veränderungen im Erbgut getestet werden. Den Patienten bleibt dann
eine erneute Gewebeentnahme erspart.
Auch wenn wir immer zuverlässigere Verfahren zur Diagnose von Lungenkrebs
haben – sie kommen erst dann zum Einsatz, wenn bereits ein Verdacht besteht. Eine
effektive Methode zur Früherkennung gibt es heute noch nicht. Die sogenannte LowDose-Computertomografie, also eine Computertomografie (CT) mit reduzierten
Strahlen, wird in diesem Bereich zurzeit erprobt. Sie ist etwas ungenauer als die
klassische CT, aber durch die geringere Strahlendosis für regelmäßige
Untersuchungen besser geeignet. Aktuell laufen Studien, in denen starke Raucher
einmal jährlich per Low-Dose-CT untersucht werden. Meiner Meinung nach ist sie
jedoch auch noch nicht ideal, da sie sehr aufwendig ist und die Patienten weiterhin
einer beträchtlichen Strahlendosis ausgesetzt sind.
Anders hingegen ein neuer Gentest auf zirkulierende, also wandernde Tumorzellen
im Blut, dessen Nutzen Wissenschaftler derzeit prüfen. Aus einer Milliarde Zellen
kann hierbei eine einzelne Tumorzelle herausgefiltert werden. Ich halte es für
denkbar, dass sich hieraus eine schonende Methode zur Früherkennung und
Diagnose entwickelt. Das Verfahren birgt keine Risiken und ersetzt möglicherweise
langfristig sogar eine Gewebeprobe. Zusätzlich kann der Nachweis und die Menge
der Tumorzellen im Blut Aufschluss darüber geben, wie eine geplante Therapie
anschlägt und ob sie im individuellen Fall sinnvoll ist. Wir könnten also rasch
feststellen, ob eine Therapie hilft oder ob wir besser eine andere wählen. Wenn sich
der Bluttest bewährt, wäre das für die Bekämpfung von Lungenkrebs ein wichtiger
Fortschritt.
Dr. med. David F. Heigener
Oberarzt Onkologischer Schwerpunkt, Zentrum für Pneumologie und
Thoraxchirurgie, Krankenhaus Großhansdorf
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Dr. Gunda Leschber, Evangelische Lungenklinik, Berlin (ELK)
„Operationen verlaufen
heute schonender“
Durch neue Methoden können Patienten sich schneller erholen
Die wirkungsvollste Therapie bei Lungenkrebs ist nach wie vor, den Tumor durch
eine Operation vollständig zu entfernen – vorausgesetzt dieser ist noch nicht zu groß
und hat nicht in andere Organe gestreut. Etwa ein Drittel der Patienten kommt für
einen Eingriff in Frage. Wichtig ist aber auch der Allgemeinzustand der Betroffenen.
Besonders bei weiteren Krankheiten, eingeschränkter Lungenfunktion oder höherem
Lebensalter wägen wir sorgfältig den Nutzen einer Operation gegen deren Risiken
ab.
Eine Lungenoperation ist ein großer Eingriff, bei dem wir je nach Größe und Lage
des Tumors einzelne Lungenlappen oder auch einen ganzen Lungenflügel entfernen.
Damit keine Krebszellen im Körper verbleiben, entnehmen wir um den Tumor herum
zusätzlich immer etwas gesundes Gewebe. Nach der Operation bleiben die
Patienten etwa sieben bis zehn Tage im Krankenhaus, da sie häufig unter
Schmerzen beim Atmen oder Husten leiden. Diese können wir aber mit
Medikamenten gut behandeln.
Um die Heilungszeit zu verkürzen und Beschwerden zu mildern, hat sich in den
letzten Jahren einiges getan: Besonders schonend ist die minimal-invasive
Operation, auch „Schlüsselloch-Operation“ genannt. Hier wird der Eingriff über zwei
bis drei kleine Schnitte mit besonders feinen Instrumenten sowie einer Videokamera
ausgeführt. Trotz der kleineren Operationswunde kann bis zu ein Lungenlappen
entfernt werden. Für die Patienten hat diese Operation den Vorteil, dass sie deutlich
weniger Schmerzen verspüren und sich schneller erholen: Schon nach wenigen
Tagen verlassen die meisten das Krankenhaus wieder. Das ist ein großer Fortschritt,
da wir durch die geringere Belastung nun auch ältere Patienten und Menschen mit
eingeschränkter Lungenfunktion oder anderen Krankheiten operieren können.
Allerdings ist für die minimal-invasive Operation sehr viel Erfahrung nötig. Der
Chirurg muss optimal mit den feinen Instrumenten umgehen können. Zu empfehlen
sind Kliniken, die aufgrund bestimmter Qualitätsstandards, hoher Erfahrungswerte
und einer großen Anzahl an durchgeführten Operationen von Fachgesellschaften
oder der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert wurden. Sie haben bewiesen, dass
Lungenkrebspatienten hier die bestmögliche Versorgung erhalten und dürfen sich
daher zertifiziertes „Lungenkrebszentrum“ oder „Thoraxzentrum“ nennen.
Nicht bei allen Lungenkrebs-Patienten ist jedoch die Schlüsselloch-Operation
möglich. Insbesondere größere Tumore oder solche, die schwerer zu erreichen sind,
erfordern nach wie vor die Öffnung des Brustraums. Diese Entscheidung trifft aber
nicht der behandelnde Arzt alleine, sondern wir besprechen im Team, welches
Verfahren in Frage kommt. In regelmäßigen Tumorkonferenzen erstellen Chirurgen,
Onkologen, Pneumologen und Strahlentherapeuten gemeinsam für jeden einzelnen
Patienten ein Konzept für die bestmögliche Therapie.
Als Chirurgin wünsche ich mir natürlich, dass in Zukunft die Anzahl der Patienten
steigt, denen wir mit einer Operation helfen können. Je früher die Patienten zu uns
kommen und je kleiner die Tumore sind, desto besser sind die Heilungschancen.
Ergebnisse einer großen amerikanischen Studie zur Früherkennung von
Lungenkrebs per Lowdose-CT – einer Computertomographie mit geringerer
Strahlendosis – lassen hoffen, dass dies in Zukunft der Fall sein wird.
Dr. med. Gunda Leschber
Fachärztin für Chirurgie und Thoraxchirurgie, Chefärztin der Klinik für Thoraxchirurgie,
Evangelische Lungenklinik Berlin (ELK), Zertifiziertes Thoraxzentrum (Deutsche
Gesellschaft für Thoraxchirurgie (DGT), Zertifiziertes Lungenkrebszentrum (Deutsche
Krebsgesellschaft (DKG)
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Prof. Dr. Martin Wolf, Klinikum Kassel
„Fortschritt dank neuer
Therapieoptionen“
Die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten bringt Hoffnung
In den letzten zehn Jahren hat sich in der Therapie von Lungenkrebs viel getan. Die
wichtigste Neuerung ist sicher die Gabe einer Chemotherapie im Anschluss an eine
Operation, die sogenannte adjuvante Chemotherapie. Hier wissen wir, dass dadurch
die Heilungschance der Patienten mit größeren Tumoren oder bei Befall von
Lymphknoten deutlich besser ist.
Ein zweiter wichtiger Fortschritt ist die Verbesserung der klassischen Chemotherapie.
Hier gibt es inzwischen Medikamente mit einer gezielten Wirksamkeit bei
Unterformen von Lungenkrebs, sodass die Auswahl der Chemotherapie von der Art
und den biologischen Eigenschaften des Tumors abhängig ist.
Der dritte wichtige Fortschritt wurde durch die Einführung zielgerichteter
Therapieverfahren erreicht. Diese Medikamente hemmen gezielt das
Tumorwachstum oder stoppen die Blutversorgung des Tumors. Durch die Zugabe
oder den alleinigen Einsatz dieser Medikamente kann die Überlebenszeit von
Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs verlängert werden.
Zielgerichtete Substanzen sind momentan unser wichtigstes Forschungsfeld. Wir
versuchen, die Krankheit immer besser zu verstehen und die Faktoren zu
identifizieren, die das Wachstum eines Tumors begünstigen. Kennen wir diese
Faktoren, sind wir in der Lage, Medikamente zu entwickeln, die ihnen gezielt
entgegen wirken. Einige solcher Substanzen gibt es bereits, andere werden noch
erforscht.
Meiner Einschätzung nach wird ihre Zahl in den nächsten Jahren stark ansteigen.
Um neue Therapien zu entwickeln, sind klinische Studien notwendig. Ich empfehle
meinen Patienten immer, an einer Studie teilzunehmen. Zum einen profitieren sie
selber direkt davon, da sie in Studien neueste Therapien erhalten und optimal
versorgt werden. Zum anderen ist medizinischer Fortschritt nur möglich, wenn uns
die Patienten unterstützen.
Zusätzlich hoffen wir, den Tumor durch eine Reihe von Gentests schon vor Beginn
der Therapie genauer zu charakterisieren, um ihn dann individuell zu behandeln. Hier
stehen wir noch ziemlich am Anfang. Einige Gentests verwenden wir bereits, um
beispielsweise zu prüfen, ob die Gabe bestimmter Wachstumshemmer
erfolgversprechend ist.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Chirurgie, Strahlentherapie und
Chemotherapie zwar Eckpfeiler der Lungenkrebserkrankung bleiben, vor allem aber
die Entwicklung von individuell zugeschnittenen und gezielt wirkenden Therapien
immer weiter voranschreitet.
Professor Dr. med. Martin Wolf
Facharzt für Hämatologie und Internistische Onkologie, Immunologie und Innere
Medizin, Chefarzt der Medizinischen Klinik IV, Klinikum Kassel
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PD Dr. Ursula Nestle, Universitätsklinikum Freiburg
„Die Möglichkeiten der Strahlentherapie sind noch nicht ausgeschöpft“
Neue Verfahren machen die Strahlentherapie wirksamer – und schonender
Bei der Therapie von Lungenkrebs spielt die Strahlentherapie eine wichtige Rolle.
Sie zerstört Krebszellen oder hindert sie daran, sich zu vermehren. Entscheidend ist,
den Tumor mit einer möglichst hohen Dosis zu bestrahlen, gleichzeitig aber das
umliegende Gewebe zu schonen. Bisher bestand das Problem darin, dass sich
beides miteinander nur schwer vereinbaren ließ.
Wählte man eine hohe Dosis, die notwendig ist, um den Tumor zu zerstören,
schädigten die Strahlen auch das Gewebe, das sie entweder auf dem Weg dorthin
durchquerten, oder das man vorsorglich bestrahlte, weil nicht eindeutig ersichtlich
war, wohin sich der Tumor bereits ausgebreitet hatte. Nahm man umgekehrt eine
niedrige Dosis, um solche Nebenwirkungen auszuschließen, verringerte sich die
Wirkung am Tumor.
Heute sind die Techniken zum Glück deutlich genauer und zielgerichteter. Die
sogenannte Stereotaxie, bei der man hochpräzise jeden Punkt im Körper erreichen
kann, ist zum Beispiel eine solche schonende Methode, um tiefliegende, inoperable
Tumore zu behandeln. Das bedeutet auch, dass Patienten, die als nahezu nicht
mehr therapierbar galten, nun sogar wieder eine Chance auf Heilung haben. Das ist
ein enormer Fortschritt.
Mit Hilfe von modernen bildgebenden Verfahren, wie beispielsweise der PositronenEmissions-Tomografie (PET), einem speziellen nuklearmedizinischen Verfahren, mit
dem ein Tumor aufgrund seines gestörten Stoffwechsels sehr exakt lokalisiert
werden kann, lassen sich auch weiter ausgebreitete Tumore zielgerichtet bestrahlen.
Hier können die Mediziner die genaue Ausbreitung des Tumors viel zuverlässiger
einschätzen und sich dadurch auf kleinere Bestrahlungsfelder beschränken.
Neben den modernen Therapieverfahren ist es entscheidend, dass die einzelnen
Wissenschaften zusammen arbeiten. Wir legen in unserer Klinik großen Wert darauf,
dass sich die unterschiedlichen Abteilungen beraten und ein gemeinsames Ziel
verfolgen. Die Patienten profitieren enorm davon, dass zum Beispiel die
Strahlentherapie und die Chirurgie kooperieren. So können die Strahlen einen
inoperablen Tumor so weitverkleinern, dass die Chirurgen ihn doch entfernen
können. Oder sie zerstören nach einer Operation verbliebene Krebszellen. Aber auch
ohne Operation besteht in vielen Fällen eine Heilungschance durch die Kombination
von Strahlen und Chemotherapie. Hier ist die Zusammenarbeit mit der Hämatologie
wichtig.
Trotz der bisher großen Fortschritte sind die Möglichkeiten der Strahlentherapie noch
lange nicht ausgeschöpft. Die Stereotaxie kommt bisher nur speziell Patienten mit
kleinen, inoperablen Tumoren innerhalb der Lunge zu gute. Ziel muss sein, dass
auch andere Patientengruppen von dieser schonenden Methode profitieren. Wir
arbeiten auch daran, durch intelligenten Einsatz der modernen Bildgebung die
herkömmliche Strahlentherapie verträglicher zu machen.
Parallel finden gerade Studien zum sogenannten „Dose-Painting“ statt. Bei diesem
Verfahren sollen verschiedene Tumoranteile unterschiedliche Strahlendosen
erhalten. Das heißt, dass die Gesamtdosis in unterschiedlicher Intensität auf den
Tumor verteilt wird. Bereiche mit empfindlichem Gewebe werden so geschont, ohne
die Strahlendosis auf den Tumor insgesamt reduzieren zu müssen. Der Tumor lässt
sich so kontrollierter und mit weniger Nebenwirkungen behandeln.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass wir mehr Tumore in Frühstadien erkennen, in
denen wir sie – auch durch die hochpräzise Strahlentherapie – häufiger heilen
können.
Privatdozentin Dr. med. Ursula Nestle
Klinik für Strahlenheilkunde – Radiologische Klinik, Universitätsklinikum Freiburg
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Prof. Dr. Oliver Rick, Klinik Reinhardshöhe, Bad Wildungen
„Patienten sind aktiver Partner
des Therapeuten“
Bei der Rehabilitation stehen die individuellen Bedürfnisse im Vordergrund
Die Rehabilitation von Lungenkrebspatienten wird ständig weiterentwickelt und
verbessert. Hat man Patienten früher passiv in Form von Massagen oder Heilbädern
behandelt, sind sie heute aktiver Partner der Therapeuten. Sie entscheiden mit, was
sie erreichen möchten und welchen Einsatz sie zu leisten bereit sind. Hier sind wir
als Fachleute gefragt, die Patienten zu motivieren und ihnen realistische
Möglichkeiten aufzuzeigen – viele unterschätzen sich nämlich. Es ist viel
Fingerspitzengefühl seitens des Klinikpersonals nötig, um auf den Einzelnen optimal
einzugehen. Der gesamte Aufenthalt in einer Reha-Klinik läuft daher nicht mehr nach
einem Standardschema ab. Die individuellen Bedürfnisse stehen im Vordergrund,
denn jeder Patient ist anders und hat eigene Probleme, Vorstellungen und Wünsche.
In unserem Haus beginnt die Rehabilitation immer mit einem ausführlichen Gespräch
und der körperlichen Untersuchung der Patienten. Das ist wichtig, um den jeweiligen
Gesundheitszustand und auch die Anliegen der Patienten zu berücksichtigen. Darauf
aufbauend vereinbaren unsere Ärzte mit ihnen sogenannte Reha-Ziele und unsere
Therapeuten erstellen dann ein Programm, das optimal auf diese Ziele hinarbeitet.
Denn am wichtigsten für das Wohlbefinden der Patienten ist, dass sie nach der
kräftezehrenden Therapie möglichst bald wieder auf die Beine kommen – sowohl
psychisch als auch körperlich.
Letzteres ist gerade nach einer Operation wichtig. Viele leiden unter Atemproblemen
und sind weniger belastbar. Wir bieten hierfür eine spezielle Atemgymnastik an, die
die Leistungsfähigkeit der Lunge verbessert. Dabei trainieren wir gezielt das tiefe Einund Ausatmen, um Atemnot und Infekten vorzubeugen. Abwechslungsreiches und
leichtes Ausdauertraining unter-stützt die Lungenfunktion zusätzlich und stärkt den
gesamten Körper. Auf Schmerzen oder Nebenwirkungen der Chemotherapie gehen
wir im Rahmen der Rehabilitation ebenso ein.
Auch den psychischen Belastungen widmen wir uns heute sehr viel mehr als früher.
Wir wissen, dass gerade Krebspatienten enorm unter ihrer Krankheit leiden und
meiner Erfahrung nach hindern Angstgefühle sie in besonderer Weise daran, wieder
in den Alltag zurückzufinden. Gespräche mit Psychoonkologen helfen den Patienten
dabei, sich mit ihren seelischen Nöten auseinanderzusetzen. Sie entwickeln
gemeinsam Methoden, die Betroffene dabei unterstützen, mit dem Lungenkrebs
umzugehen.
Zusätzlich ist es meist sehr hilfreich im Rahmen des Klinikaufenthalts auf
Gleichgesinnte zu stoßen und sich auszutauschen. Dadurch hat sich schon so
mancher Blickwinkel geändert. In unserem Haus achten wir daher auch auf ein
breites nicht-medizinisches Angebot wie Kegeln oder Billard, bei dem die Patienten
ungezwungen aufeinandertreffen.
Professor Dr. med. Oliver Rick
Facharzt für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie
Chefarzt der Klinik Reinhardshöhe, Fachklinik für onkologische Rehabilitation, Bad
Wildungen
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Dr. Anett Reißhauer, Charité-Universitätsmedizin, Berlin
„Atemtherapie verbessert
auch das Wohlbefinden“
Spezielle Übungen und Techniken lenken die Atmung in die richtige Bahn
Die Atemtherapie hat in unserer Klinik einen hohen Stellenwert bei der Behandlung
von Patienten mit Lungenkrebs. Sie ist grundsätzlich ratsam, gleichgültig, ob eine
Operation stattgefunden hat oder die medikamentöse Therapie im Vordergrund steht.
Denn bei den meisten Betroffenen ist die Atemkapazität eingeschränkt und eine
Atemtherapie kann dem entgegenwirken.
Wird bei einer Operation Lungengewebe entfernt, muss die restliche Lunge diesen
Verlust so gut wie möglich ausgleichen. Die Patienten benötigen eine gewisse Zeit,
um sich an diese Umstellung zu gewöhnen. Daneben haben viele Betroffene nach
einer Operation Schmerzen und vermeiden auch deshalb, tief einzuatmen. Die
Atmung ist dann häufig zu flach. Gerade zu diesem Zeitpunkt ist es aber wichtig, die
Lunge gut zu belüften, auch damit der Schleim ausreichend abgehustet wird.
Geschieht dies nicht, ist die Gefahr einer Lungenentzündung hoch.
Atemübungen gehören daher in vielerlei Hinsicht zu einer umfassenden und
ganzheitlichen Behandlung. Auch fühlen sich Patienten während und nach der
Therapie meist schwächer und haben weniger Vertrauen in die Leistungsfähigkeit
ihres Körpers. Das verunsichert die Patienten im Alltag sehr. Durch den
Trainingseffekt einer konsequenten Atemtherapie verbessert sich die Atmung
langfristig und damit auch das Wohlbefinden. Neben speziellen Atemtechniken,
Haltungsübungen und Lagerungstechniken, bei denen der Patient in einer bestimmte
Position wie zum Beispiel der Dehnlage liegt um leichter atmen zu können, werden
Hilfsmittel wie die sogenannten Triflows genutzt. Hierbei bewegt man Kugeln durch
die Atmung in einer Röhre und schult so gezielt das tiefe Einatmen.
Neben den klassischen Atemübungen hat sich auch die reflektorische Atemtherapie
bewährt, die in Kombination mit Krankengymnastik, Bewegungstherapie,
thermischen Anwendungen und Massagen zum Einsatz kommt. Gezielt eingesetzte
Reize lenken die Atmung wieder in die richtige Bahn. Ziel ist es, den Patienten zu
einem möglichst natürlichen, tiefen und gesunden Atmen zu verhelfen, wie es für sie
vor der Krankheit selbstverständlich war. In meiner täglichen Arbeit beobachte ich,
dass Atemtherapie auch das Wohlbefinden der Betroffenen verbessert und ihnen
Vertrauen in ihren Körper zurückgibt. Neben Entspannungs- und Atemübungen ist
zusätzlich auch die Schmerztherapie sehr wichtig, denn nur schmerzfreie Patienten
können frei durchatmen.
Die Dauer und die Art der Atemtherapie richten sich nach der individuellen Situation
der Betroffenen: Sie erhalten jeweils ein auf sie zugeschnittenes Programm, welches
sie langfristig auch zu Hause regelmäßig nutzen sollten. Wir legen besonderen Wert
darauf, die Atemübungen mit den Patienten frühzeitig zu trainieren, nach Möglichkeit
schon vor einer Operation, um hinterher den bestmöglichen Erfolg zu erzielen.
Dr. med. Anett Reißhauer
Leiterin des Arbeitsbereiches für Physikalische Medizin und Rehabilitation,
Charité-Universitätsmedizin Berlin
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Dr. Andrea Petermann-Meyer,
Praxis mit Schwerpunkt Psychoonkologie, Aachen
„Ein lückenloses Angebot ist wichtig“
Psychoonkologische Unterstützung hilft, die Erkrankung zu verarbeiten
Die direkten Folgen der Krankheit, die Angst vor einem Rückfall und nicht zuletzt die
Hilflosigkeit bei einer potenziell tödlichen Krankheit lähmen viele Patienten. Sie
fühlen sich mitunter machtlos, wütend und verzweifelt. Bei Lungenkrebs kommt
gerade bei Rauchern oft ein weiteres negatives Gefühl hinzu: Schuld. Viele Patienten
erleben eine Stigmatisierung und machen sich Vorwürfe.
Bei einem psychoonkologischen Gespräch gebe ich den Betroffenen Raum, diese
Gefühle auszudrücken und zu verarbeiten. Dies kann an regelmäßigen Terminen
stattfinden oder je nach Bedarf in größeren Abständen. Die Patienten lernen hier, mit
den krankheitsbedingten Problemen umzugehen. Das sieht im Einzelfall sehr
unterschiedlich aus und hängt von den persönlichen Bedürfnissen ab. Inhaltlich geht
es beispielsweise um den Schock der Diagnose, die Reaktion der Familie oder um
eigene Ängste und Anliegen. Auch Gespräche, in denen wir den Partner mit
einbinden, können helfen, die neue Situation zu meistern.
Je nach Patientenwunsch unterstützen wir neben der psychoonkologischen Hilfe
auch dabei, sich für einen bestimmten Therapieverlauf zu entscheiden, beraten
Angehörige und vermitteln Methoden, um sich zu entspannen oder das Rauchen
aufzugeben. In jedem Fall erhalten Betroffene und Angehörige in allen Phasen ihrer
Krankheit Hilfe von psycho-onkologischer Seite.
Die Psychoonkologie ist ein relativ neuer Teil der Krebstherapie. Es gibt sie noch
nicht lange als eigenständige wissenschaftliche Disziplin. Sie beschäftigt sich mit den
seelischen Problemen, die mit einer Krebserkrankung einhergehen. Hierbei beraten
vorwiegend Psychologen, Psychotherapeuten oder Mediziner, die sich
psychoonkologisch weitergebildet haben, die hilfe-suchenden Patienten.
Die behandelnden Ärzte empfehlen ein solches Angebot und man findet es
mittlerweile in zahlreichen Kliniken. Es ist aber wünschenswert, dass hierüber
tatsächlich jeder Patientin jeder Klinik ausführlich informiert wird. Denn heute müssen
sich immer noch viele Patienten selbst um psychoonkologische Hilfe bemühen oder
nutzen sie nicht aus Scham oder Unwissen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass
sich die Betroffenen zusätzlich zu ihrer Krebserkrankung nicht auch noch als
psychisch krank fühlen wollen. Oft werden diese Gespräche nämlich als
Psychotherapie missverstanden. Der Unterschied ist jedoch, dass hier nicht die
Vergangenheit des Patienten erforscht, sondern das Verarbeiten der
Krebserkrankung angesprochen wird. Ich denke, dass diese Berührungsängste und
Vorurteile nur durch vermittelnde Ärzte und ein noch lückenloseres Angebot weiter
abnehmen.
Dr. med. Andrea Petermann-Meyer
Fachärztin für Allgemeinmedizin, Psychosoziale Onkologie und Psychotherapeutin in
eigener Praxis mit dem Schwerpunkt Psychoonkologie in Aachen
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