Geotemperatur in 2 000 m Tiefe Das Temperaturfeld der Erdkruste wird von verschiedenen Faktoren – von dem aus dem Erdinneren aufsteigenden Wärmefluss, von radiogener Wärmeproduktion, von geo- und hydrodynamischen Prozessen und nicht zuletzt von der Wärmeleitfähigkeit der Gesteine – geprägt und ist damit neben seiner Tiefenabhängigkeit regional wie lokal differenziert. Die Zunahme der Temperatur mit der Tiefe wird als geothermischer oder Temperaturgradient (°C/100 m; K/100 m) oder als geothermische Tiefenstufe (m/1 °C; m/1 K) angegeben. In Brandenburg liegt die Wiege dieser Erkenntnis. Durch Bergrat E. Dunker wurde mit Temperaturmessungen in der Bohrung Sperenberg I (südlich Berlins) im Jahr 1871 die geothermische Tiefenstufe (33 m/1 K) entdeckt. Die Bohrung war mit 1 271,6 m die damals tiefste Bohrung der Welt. Die Kenntnis der Temperaturverteilung ist von hohem wissen­ schaftlichen und wirtschaft­lichem Interesse. Sie liefert z. B. Beiträge zur Bewertung geodynamischer Prozesse und des geologischen Tiefenbaus und bildet auch eine wesentliche Grundlage für die Nutzung des Geopotenzials Erdwärme. Temperaturwerte werden vorrangig durch Messungen in Tief­ bohrungen – durch kontinuierliche Temperaturmessungen und andere Einzelmessungen – erhalten. Von etwa 140 Bohrungen im Land Brandenburg liegen kontinuierliche Messungen vor, die bis in Tiefen von 5 500 m reichen. Für die dargestellte Karte der Temperatur­verteilung in 2 000 m Tiefe konnten etwa 70 Bohrungen berücksichtigt werden, die mehrheitlich (etwa 50 Bohrungen) den Nordteil repräsentieren. Im mittleren und südöstlichen Landesteil stehen etwa 20 Bohrungen in unregelmäßiger Verteilung zur Verfügung. Im Süden/Südwesten liegen keine Mess­ergebnisse vor; hier kann die Temperaturverteilung nur als Trend dargestellt werden. Die beim Niederbringen der Bohrungen gemessenen Temperaturwerte repräsentieren nicht die wirkliche Temperaturverteilung. Während des Bohraufschlusses wird im Bereich des Bohrlochs vor allem durch den Spülungsumlauf das initiale Temperaturfeld gestört. Deshalb sind die Messwerte im oberen Bohrungsabschnitt überhöht; im unteren Bereich werden sie zwangsläufig zu niedrig gemessen. Die Abweichungen vom ungestörten Temperaturfeld sind um so höher, je kürzer die Standzeit bis zur Messung und je größer die Aufschlusstiefe (= Auf­schlussdauer) sind. Statistische Auswertungen der Standzeiten und Wiederholungs­messungen in Bohrungen (z. T. nach mehreren Jahren) ermöglichen eine näherungsweise Korrektur, die für die dargestellte Karte berücksichtigt wurde. Aus Übersichtsgründen wurde ein Isothermen­abstand von 10 °C verwendet. Als Beispiel wurde die Temperaturverteilung in 2 000 m Tiefe (unter Gelände) gewählt, um einerseits eine ausreichende Datenba124 sis verfügbar zu haben, andererseits neben den Beziehungen zum salinar­tektonisch geprägten Deckgebirgsbau auch Zusammenhänge zum tiefengeologischen Bauplan erkennen zu können. In 2 000 m Tiefe sind korrigierte Temperaturen von z. T. deutlich über 90 °C im Bereich von Salzstrukturen (Salzstöcke, Salzkissen) und bis weniger als 70 °C im Süden des Landes bestimmt worden. Auffallend ist eine NNE-SSW gerichtete Temperaturzonierung im Nord­westen des Landes. Das zeigt einerseits die Beziehung zum altangelegten und jünger aktivierten Bauplan (Tiefenstörungen), belegt im lokalen Rahmen jedoch auch deutlich die Zusammenhänge zum salinaren Strukturbau. Prägnant ist eine im 5 °C-Abstand dargestellte, flächenhaft verbreitete Zone im Temperaturbereich > 85 °C, die sich vom Nordosten des Landes bis in den Berliner Raum erstreckt und zahlreiche Salzstrukturen (Steinsalzmaxima mit mehr als 1 500 m Mächtigkeit) umschließt. Weitere belegte oder interpretierte lokale Temperaturanomalien der 85 °C-Iso­therme sind nicht dargestellt. Im Bereich des RheinsbergNeuruppiner Tiefenbruchs z. B. sind NNE-SSW streichende Temperaturminima (< 80 °C) ausgebildet, die mit Salzabwanderungs­zonen (Steinsalzminima, z. T. steinsalzfrei) deutlich korrelieren. Umgekehrt belegt das einge­s chlossene Temperaturmaximum Tiefe (m) WNW Kotz 4/74 Kotz3/74 (proj.) (> 80 °C) die Salzakkumulationszone. Die an die Mächtig­ keitsverteilung des Steinsalzes gebundene Temperaturzonierung ist in der hohen spezifischen Wärmeleitfähigkeit des Steinsalzes („Schornstein“-Effekt) begründet (vgl. Abb. 47). Eine deutliche Änderung in der Streichrichtung der Temperatur­ anomalien zeichnet sich im mittleren Landesteil ab. Es dominieren im Süden WNW-ESE-, z. T. E-W-Richtungen. Diese stehen in engem Zusammenhang mit der strukturtektonischen Gliederung in diesem Raum (Randeinfluss der Norddeutschen Senke). Mit regional abnehmender und weniger differenzierter Steinsalzmächtigkeit nach Süden und dem Anstieg der Zechsteinoberfläche über das Bezugsniveau von 2 000 m nehmen die Beziehungen zum salinaren Strukturbau ab. Die Temperaturen sind hier mit < 70 °C (minimal < 60 °C) am niedrigsten. Sehr differenzierte Temperaturverteilungen sind im Bereich mesozoisch aktiver Störungs­zonen mit hoher salinartektonischer Intensität im SE des Landes zu erwarten (Groß Köris-Merzdorfer und Guben-Fürstenwalder Störungszone). Positive Temperaturanomalien (> 80 °C) im Grenzbereich zur Republik Polen können z. T. auf Einschaltungen von einigen 100 m mächtigem Werrasteinsalz zurückgeführt werden. Kotz1/69 Kotz2/72 (proj.) Kotz 5/74 ESE Legende Känozoikum 20˚C Oberkreide Unterkreide 1000 Malm 40˚C Dogger Lias 60˚C Keuper 2000 Muschelkalk 80˚C Buntsandstein 100˚C 3000 115˚C Zechstein Rotliegend 120˚C Oberkarbon 140˚C 4000 80˚C 160˚C 5000 Tiefe des korrigierten T-Wertes 180˚C Abb. 47 Temperaturverteilung im Bereich des Salzdiapirs Kotzen tiefenbezogene Isotherme Geotemperatur in 2 000 m Tiefe 1 : 1 000 000 12°30' 12°00' 11°30' 13°00' 13°30' 14°30' 14°00' 53° 30' 53° 30' Ue ck er Kölpinsee Plauer See M e c k l e n b u r g - V o r p o m m e r n < 60 Müritzsee 60 - 70 Prenzlau r Elde 70 - 80 Od e Eld e Temperatur in °C 80 - 90 St e El 85 - 90 Perleberg be 53° 00' p e n i tz 53° 00' Nieder- Rhin sachsen Ha P O L E N Dos se vel Isotherme Werbellinsee Neuruppin K an a l H a v e l- Oder- Hav Eberswalde el Mächtigkeitsdifferenzierung des oberen Zechsteins Oranienburg Rhin Od H av el- Rathenow er Maximum Kanal Minimum B e r l i n S a c h s e n - Sp A n h a l t 52° 30' > 90 52° 30' Seelow ree Beetzsee Hav el Tiefenlage der Zechsteinoberfläche 2 000 m unter NN Potsdam Brandenburg a. d. Havel Frankfurt/Oder na l Sp re e- Ka nal e l- Ka O d e r- wichtige Tiefenstörung El be -H av Schwielowsee Scharmützelsee Belzig Spr ee -2 00 Schwielochsee 0 -2 0 00 -2000 52° 00' -2 Saale Lübben/Spreewald 0 e Elb Lau si tz Bode 00 0 Luckenwalde 52° 00' Beeskow 0 D ahme -2 00 -2000 l 00 a na -2 e-K 0 -E l b th e se r -2 00 Nu We er Nei ß e Muld S c h w a r z e El s t er e Cottbus Forst/Lausitz Herzberg/Elster 51° 30' S pr ee 51° 30' Senftenberg Atlas zur Geologie von Brandenburg - Karte 41 $WODV]XU*HRORJLHYRQ%UDQGHQEXUJ.DUWH Kleinmachnow 2002 ©LGRB, /%*5&RWWEXV S a c h s e n 0 11°30' 10 20 30 40 12°00' 50km NP P u l s ni t z 12°30' Kartengrundlage: Topographische Karte, Land Brandenburg, Maßstab 1 : 1 000 000 Nutzung mit Genehmigung des Landesvermessungsamtes Brandenburg, Nummer: GB 107/01 13°00' 13°30' 14°00' Verwendete Unterlagen: BEER, H. : Temperaturmessungen in Tiefbohrungen - Repräsentanz und Möglichkeit einer näherungsweisen Korrektur; Brandenburgische Geowissenschaftliche Beiträge S. 28 - 34, Kleinmachnow, 1996 HURTIG, E. : Temperaturdaten und Temperaturkurven, Land Brandenburg, (1994, unveröffentlicht) Archivunterlagen des LBGR 14°30' Beer, H. 125