Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz

Werbung
Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz
Institut für Fundamentaltheologie und Dogmatik
Seminar „Ansätze der Christologie“
Sommersemester 2008
Leitung: Univ. Prof. Dr. Franz Gruber, Univ.-Ass. Dr. Ansgar Kreutzer
CHRISTOPRAXIS
DIE PERSON UND DAS LEBEN JESU
ALS KRITERIUM CHRISTLICHER PRAXIS
Andrea Mayer-Edoloeyi
Scharitzerstr. 10, 4020 Linz
Linz, Mai 2008
2
INHALTSVERZEICHNIS
Inhaltsverzeichnis..............................................................................................................2
1. Einleitung .....................................................................................................................3
2. Was ist kommunikative Handlungstheorie?..................................................................3
..........................................................................................................................................3
2.1. Kommunikatives Handeln..........................................................................................3
2.2. Kommunikative Rationalität .....................................................................................5
2.3. Ethik und Diskurs - Rechtfertigung eines Richtigkeitsanspruchs von Normen ........5
2.4. Wahrheit und Konsens - Begründung des Wahrheitsanspruchs von Aussagen.........6
3. Theologische Relevanz,
Rezeption und Kritik der
kommunikativen Handlungstheorie ..................................................................................7
4. Biblische Grundlagen
theologischer Handlungstheorie........................................................................................8
4.1. Die kommunikative Struktur des Evangeliums .........................................................8
4.2. Kommunikative Handlungen Jesu im Kontext der Botschaft des Gottesreiches.....10
4.3. Kommunikatives Handeln der JüngerInnen und Gemeinden Jesu Christi...............12
5. Handlungstheoretische Christologie
.........................................................................................................................................13
5.1. Bezeugen und Bekennen
in systematisch-praktischer Perspektive..........................................................................14
5.2. Dimensionen christologischer Rede ........................................................................15
6. Schlussbemerkung.......................................................................................................17
Literaturverzeichnis.........................................................................................................18
3
1. EINLEITUNG
In dieser Arbeit geht es um Christopraxis, ein Ansatz der theologische Reflexion mit der
christlicher Praxis verbindet. Dabei geht es grundlegend um die Frage, wie heute die
Person und Praxis Jesu reflektiert werden kann und welche Konsequenzen daraus für
eine christlich motivierte Praxis zu ziehen sind. Jesu Person und Praxis ist das Kriterium
für seine Nachfolge heute. Ich folge in meiner Darlegung weitgehend den
Ausführungen von Edmund Arens (geb.1953), Fundamentaltheologe in
Luzern/Schweiz.
Im ersten Teil der Arbeit versuche ich zu rekonstruieren, was kommunikative
Handlungstheorie ist. Diese wurde von Jürgen Habermas entwickelt. Nach einem
kurzen Abschnitt mit der Frage nach der theologischen Relevanz dieses Ansatzes folgt
ein Abschnitt über die Grundlegung einer theologischen Handlungstheorie in der Bibel,
im Neuen Testament. Dann kommt die Frage nach einer handlungstheoretischen
Christologie anhand der Begriffe Bezeugen und Bekennen und in der Rekonstruktion
christologischer Rede in handlungstheoretischer Perspektive.
2. WAS IST KOMMUNIKATIVE HANDLUNGSTHEORIE?
Die Diskursethik von Jürgen Habermas (geb. 1929) steht zum einen in der Tradition
Kants und wurde zum anderen auf dem Hintergrund der und als Antwort auf die
Kritische Theorie entwickelt. Einen weiteren Hintergrund bilden die
transzendentalpragmatische Kommunikationsethik von Karl-Otto Apel (geb. 1922)1 und
die analytische Sprachphilosophie.
2.1. KOMMUNIKATIVES HANDELN
Formale und universale Pragmatik rekonstruiert und reflektiert „die allgemeinen und
formalen Bedingungen menschlichen Handelns, dessen Grundorientierungen, die darin
erhobenen Geltungsansprüche sowie die Art und Weise ihrer Einlösung“2.
1
vgl. ANZENBACHER, Arno, Einführung in die Ethik, Düsseldorf 1992, 244
ARENS, Edmund, Christopraxis, Grundzüge theologischer Handlungstheorie, Freiburg im Breisgau/Basel/Wien
1992, 18
2
4
Jürgen Habermas unterscheidet drei Handlungstypen:3 Unter instrumentalem Handeln
ist Handeln in nicht-sozialer Handlungssituation zu verstehen, es ist auf Objekte
bezogen und gerichtet auf das Eintreten beabsichtigter Wirkungen und damit auf den
Erfolg der Handlung. Strategisches Handeln ist auch erfolgsorientiert, aber ein auf
andere Menschen bezogenes soziales Handeln, es folgt den Regeln rationaler Wahl.
Kommunikatives Handeln findet in sozialen Situationen statt; die Handelnden
koordinieren ihre Akte der Verständigung jedoch nicht über Erfolgskalküle, sondern im
Blick auf die zu erreichende gegenseitige Verständigung.
Kommunikativ erzieltes Einverständnis besitzt eine rationale Grundlage, weil sie
„auf der Zustimmung zu den in den Sprachakten gemachten Angeboten basiert, woraus
sich eine gemeinsame Überzeugung ergibt“4. Verständigung wohnt als Telos der
menschlichen Sprache inne – damit ist der Verständigungsmodus der Originalmodus der
Sprache.
Es gibt drei Geltungsansprüche, die ein/e SprecherIn im kommunikativen Handeln
erhebt5:

der Geltungsanspruch der Wahrheit einer Aussage

der Geltungsanspruch der Richtigkeit der mit dem Sprachakt intendierten
interpersonalen Beziehung

der Geltungsanspruch der Wahrhaftigkeit des Geäußerten.
Ein vierter Geltungsanspruch ist die Verständlichkeit – dieser ist aber vorausgesetzt,
damit das sprachliche Handeln überhaupt stattfinden kann.
Es geht um Einverständnis auf allen drei Ebenen: der Sprechakt muss auf allen drei
Ebenen akzeptiert werden. Ein „Ja“ bedeutet Einverständnis bezogen auf den Inhalt der
Äußerung, die sprechaktimmanenten Gewährleistungen und die
interaktionsfolgenrelevanten Verbindlichkeiten. Jeder der drei Geltungsansprüche ist
einlösbar oder bestreitbar – das Einverständnis ist rational motiviert6.
Das kommunikative Handeln liegt den Formen sozialer Interaktion zugrunde. Dieses ist
Grundlage für eine kritische Gesellschaftstheorie7: die Beurteilung und Bemessung der
Gesellschaften nach dem Grad der Entfaltung bzw. Beschränkung des Potentials
kommunikativer Verständigung und Rationalität.
3
vgl. ARENS, Christopraxis, 19
ARENS, Christopraxis, 19
5
vgl. ARENS, Christopraxis, 20
6
vgl. ARENS, Christopraxis, 21
7
vgl. ARENS, Christopraxis, 22
4
5
2.2. KOMMUNIKATIVE RATIONALITÄT
Vernunft wird im Rahmen der kommunikativen Rationalität nicht auf ihre kognitivinstrumentelle Dimension reduziert. Rationalität hat etwas damit zu tun, wie Subjekte
Wissen verwenden8. Habermas differenziert zwei Formen der Rationalität nach der Art
der Verwendung des Wissens: Rationalität, die auf die Wirksamkeit von Handlungen
und somit auf instrumentelle Verfügung gerichtet ist und die auf kommunikative
Verständigung abzielende Rationalität.
Für die kommunikative Rationalität ist es notwendig, Verfahren zu analysieren, wie
strittige Geltungsansprüche begründet werden können9. Allgemein erfolgt diese
Begründung durch Argumentation, d.h. die Fortsetzung des kommunikativen Handelns
mit reflexiven Mitteln. Kommunikative Rationalität ist das normative Kriterium der
Beurteilung und Kritik von Gesellschaften – im Blick auf Potentiale und Pathologien, in
denen das erreichte Rationalitätspotential nicht ausgeschöpft oder nur einseitig
verwirklicht wird10.
2.3. ETHIK UND DISKURS - RECHTFERTIGUNG EINES
RICHTIGKEITSANSPRUCHS VON NORMEN
Im praktischen Diskurs geht es um die Rechtfertigung des Richtigkeitsanspruchs von
Normen11 – das ist der Ausgangspunkt für die Diskursethik, die in Kantscher Tradition
steht und als vertragstheoretischer Ansatz verstanden werden kann12.
Diskursethik ist universalistisch, weil das Moralprinzip, nach dem „nur diejenigen
Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen finden
können, nicht nur auf eine bestimmte Kultur oder Epoche bezogen und für diese
einsichtig und gültig, sondern universal gültig ist. Das Erreichen des Konsenses über
eine strittige Norm im praktischen Diskurs garantiert und sichert intersubjektiv die
formalen Bedingungen des Diskurses. Moralisch verbindlich ist eine Norm, wenn sie
allgemeine Zustimmung findet13. Der diskursethische Grundsatz lautet, „daß jede
8
vgl. ARENS, Christopraxis, 23
vgl. ARENS, Christopraxis, 23 f.
10
vgl. ARENS, Christopraxis, 26
11
vgl. ARENS, Christopraxis, 26
12
vgl. MÜLLER, Anselm Winfried, Themen und Formen ethischer Theorie, in: HONNEFELDER, Ludger,
KRIEGER, Gerhard (Hgg.), Philosophische Propädeutik, Band 2: Ethik, Paderborn/München/Wien/Zürich 1996, 137
13
vgl. MÜLLER, 137
9
6
gültige Norm die Zustimmung aller Betroffenen, wenn diese nur an einem praktischen
Diskurs teilnehmen könnten, finden würde“14.
Robert Alexy hat im Anschluss an Habermas Regeln des praktischen Diskurses
aufgestellt, die Habermas übernimmt15. Dabei geht es darum, dass jedes
handlungsfähige Subjekt an Diskursen teilnehmen darf, jede Behauptung
problematisiert werden kann, jede Behauptung in den Diskurs einführt werden kann,
jede/r seine/ihre Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse äußern darf und kein/e
SprecherIn daran gehindert werden darf, seine/ihre festgelegten Rechte wahrzunehmen.
2.4. WAHRHEIT UND KONSENS - BEGRÜNDUNG DES
WAHRHEITSANSPRUCHS VON AUSSAGEN
Wahrheit definiert Jürgen Habermas als einen Geltungsanspruch, der im konstativen
Sprachgebrauch im Blick auf Tatsachen in der objektiven Welt, die als bestehend
behauptet werden, explizit erhoben wird16. Wahrheit ist somit ein diskursiv
einzulösender Geltungsanspruch17. Zugleich erfolgt das Angebot, Gründe für das
Erheben dieses Anspruchs beizubringen und den Anspruch damit als rational
auszuweisen. Es geht um die intersubjektive Begründung des Wahrheitsanspruchs. Ziel
ist der argumentativ erreichte Konsens. Wahrheit hat damit eine praktische
Dimension, indem sie getan werden kann und muß18.
Wahrheit ist wesentlich auf Sprachsysteme und auf Aussagen bezogen sowie gebunden
an die potentielle Zustimmung aller zu diesen Aussagen19. Kriterium der Wahrheit ist
dann weder die Wiedergabe noch die Abbildung der Wirklichkeit noch die Evidenz von
Erfahrungen, sondern allein der vernünftige Konsens aller. Der Anspruch wird
intersubjektiv erreicht und gesichert durch die formalen Bedingungen des Diskurses in
einer idealen Sprechsituation20. Diese ideale Sprechsituation müssen wir nach Habermas
kontrafaktisch unterstellen wie die Zurechnungsfähigkeit der handelnden Subjekte der
Interaktion. Die ideale Sprechsituation beruht auf der Substraktion aller störenden und
14
HABERMAS, Jürgen, Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt am Main 1983, 132
vgl. ARENS, Christopraxis, 28
16
vgl. ARENS, Christopraxis, 30
17
vgl. ARENS, Christopraxis, 31
18
vgl. ARENS, Christopraxis, 110
19
vgl. ARENS, Christopraxis, 31
20
vgl. ARENS, Christopraxis, 31 f.
15
7
belastenden externen Bedingungen und internen Unzulässigkeiten21. Dieser
kontrafaktische Vorgriff auf eine ideale Sprechsituation gehört laut Habermas zur
Struktur möglicher Rede22.
3. THEOLOGISCHE RELEVANZ,
REZEPTION UND KRITIK DER
KOMMUNIKATIVEN HANDLUNGSTHEORIE
Theologische Handlungstheorie rezipiert, kritisiert und expliziert die kommunikative
Handlungstheorie von Jürgen Habermas23. Die kommunikative Handlungstheorie von
Jürgen Habermas ist nach Edmund Arens in dreifacher Weise relevant für die
Theologie24:

das Instrumentarium ist offen für einen theologischen Gebrauch und eignet
sich zur Aufnahme in die theologische Theoriebildung;

im Durchgang und im Aufweis von deren Aporetik eignet sich die
kommunikative Handlungstheorie zur wissenschafts- und
handlungstheoretischen Selbstreflexion und zum Aufweis einer theologischen
Handlungstheorie;

einzelne Elemente der Konzeption können theologisch rezipiert, kritisiert und
konstruktiv weitergeführt werden.
Kommunikative Handlungstheorie rekonstruiert und reflektiert die Grundstrukturen
menschlicher Praxis. Sie verbindet einen analytisch-rekonstruktiven Zugang unter
Berücksichtigung linguistischer und sozialwissenschaftlicher Forschung mit
philosophischer Reflexion25. Besonders relevant ist diese Theorie somit für die
fundamentaltheologische Reflexion, geht es dabei doch um eine interdisziplinäre
Auseinandersetzung mit anderen Wissenschaften und mit der Philosophie.
Mit der kommunikativen Handlungstheorie läßt sich fragen, ob der christliche Glaube
eine kommunikative Praxis darstellt und „ob und inwieweit die von der jüdisch-
21
vgl. ARENS, Christopraxis, 32
vgl. ARENS, Christopraxis, 33
23
vgl. ARENS, Christopraxis, 11 f.
24
vgl. ARENS, Christopraxis, 36 ff.
25
vgl. ARENS, Christopraxis, 37
22
8
christlichen Tradition reklamierte Rationalität und die Rationalität der Theologie den
Kriterien kommunikativer Rationalität entsprechen“26.
Kommunikative Handlungstheorie ist nach Edmund Arens keine beliebige,
austauschbare außertheologische Bezugstheorie der Theologie27: Es geht um die
Fundierung der Wissenschaft in der kommunikativen Praxis; die kommunikative
Handlungstheorie behandelt jene Probleme, die in der Theologie relevant sind:
Rationalität, Subjektivität, Intersubjektivität, Gesellschaft und Geschichte, Moderne und
Postmoderne . Zudem ist sie theologisch fruchtbar und fähig, zentrale theologische
Fragestellungen interdisziplinär und produktiv anzugehen und weiterzuführen.
Theologische Handlungstheorie ist von Helmut Peukert grundgelegt28. Handeln ist darin
ein zentraler theologischer Grundbegriff. Theologische Handlungstheorie gelangt zu
einem Verständnis von Theologie als Reflexion christlischen Glaubenshandelns, sie
verbindet interdisziplinär die theologischen Disziplinen29.
4. BIBLISCHE GRUNDLAGEN
THEOLOGISCHER HANDLUNGSTHEORIE
Ihr genuin theologisches Profil gewinnt die theologische Handlungstheorie durch die
Vergewisserung ihrer biblischen Grundlagen30.
4.1. DIE KOMMUNIKATIVE STRUKTUR DES EVANGELIUMS
Die kommunikative Struktur des Evangeliums zeigt sich in seiner intersubjektiven,
propositional-performativen, textualen, situativen und intentionalen Dimension31.
26
ARENS, Christopraxis, 38
vgl. ARENS, Christopraxis, 13
28
vgl. ARENS, Edmund, Einleitung, in: ARENS, Edmund (Hg.), Gottesrede – Glaubenspraxis, Perspektiven
theologischer Handlungstheorie, Darmstadt 1994, 1 – Edmund Arens bezieht sich auf PEUKERT, Helmut,
Wissenschaftstheorie – Handlungstheorie – Fundamentale Theologie, Frankfurt/Main, 21998
29
vgl. ARENS, Edmund, Einleitung, 2
30
vgl. ARENS, Christopraxis, 45
31
vgl. ARENS, Christopraxis, 61
27
9
Intersubjektivität des Evangeliums: Schon im Begriff des Evangeliums kommt eine
intersubjektive Dimension zum Ausdruck, indem das zentrale Subjekt, der Bote Jesus,
im Blick auf seine Adressaten eine Botschaft überbringt32. Sowohl die mündliche
Überlieferung der Evangelien als auch die Verschriftlichung ist ein kommunikatives
Unternehmen, da das Ganze immer im Blick auf die Gemeinde geschieht33.
Propositional-performative Dimension des Evangeliums: Das Evangelium hat eine
Doppelstruktur: einerseits wird inhaltlich etwas verkündet, Jesus Christus und die
Gottesherrschaft, anderseits erweist sich das Verkünden als eine kommunikative
Handlung34. In der kommunikativen Praxis Jesu ist die Gottesherrschaft angebrochen35.
Textualität des Evangeliums: Textualität ist sowohl mündlich wie schriftlich zu
denken. Das Evangelium wird von seinen Subjekten überbracht. Zentral bedeutsam sind
die Gleichnisse Jesu als narrative Texte. Die Textualität kommt durch die Autoren- und
Redaktionsleitung im Blick auf die AdressatInnen zum Ausdruck36.
Situativer Charakter des Evangeliums: „Texte sind in bestimmten Situationen
lokalisiert, sie werden von Subjekten in Situationen verwendet, sind für diese produziert
und werden darin rezipiert“37. In der formgeschichtlichen Ermittlung des „Sitzes im
Lebens“ geht es um die „typischen, wiederkehrenden Ursprungs- und
Gebrauchssituationen urchristlicher Texte“38. Zu nennen und zu unterscheiden sind
typische Sprach- und Handlungssituationen Jesu, typische Situationen der Gemeinden
und die Situationen, in denen die schriftlichen Texte der Evangelien entstehen bzw. in
die sie hineinwirken wollen und in denen sie Verwendung finden39.
Intentionale Dimension des Evangeliums: Was Absicht und Ziel des Boten ist, hängt
von der Situation der AdressatInnen ab. Die Botschaft zielt darauf ab, dass sie
bekanntgemacht und verstanden wird, aber auch zugleich angenommen und damit
wirksam zu werden. Die Basileia-Botschaft Jesu will Menschen diese Erfahrung
vermitteln und sie in die Praxis der Gottesherrschaft einladen. In der Situation der
Mission wird diese auf Verständigung zielende, einladende Botschaft kerygmatischmissionarisch zugespitzt – damit tritt der identitäts- und gemeindebildende Aspekt in
den Vordergrund, der sich in Bekenntnisformeln artikuliert. Die verschriftlichten
32
vgl. ARENS, Christopraxis, 49
vgl. ARENS, Christopraxis, 53
34
vgl. ARENS, Christopraxis, 53 ff.
35
vgl. ARENS, Christopraxis, 56
36
vgl. ARENS, Christopraxis, 56 ff.
37
ARENS, Christopraxis, 58
38
ARENS, Christopraxis, 59
39
vgl. ARENS, Christopraxis, 59
33
10
Evangelien wollen die Praxis Jesu erschließen, zur Verständigung der Gemeinden
beitragen, Überzeugungen und Identität stärken und konsolidieren. Sie verbinden
missionarische, paränetische, pastorale und antihäretische Zielsetzungen – eingebunden
in das Angebot und die Einladung der Gottesherrschaft40.
4.2. KOMMUNIKATIVE HANDLUNGEN JESU IM KONTEXT DER
BOTSCHAFT DES GOTTESREICHES
Jesu Krankenheilungen und Exorzismen sind als kommunikative Handlungen zu
verstehen, weil sie konkret helfende und heilende Zuwendung für AußenseiterInnen
der Gesellschaft sind41. Mit gesellschaftlich Diskriminierten setzt Jesus Handlungen
von hohem symbolischen Gehalt, wenn er Gastfreundschaft, gemeinsames Essen und
Tischgemeinschaft mit ihnen übt42. Seinen KonkurrentInnen und GegnerInnen
gegenüber zeigt Jesus Interesse und Gesprächbereitschaft, er führt theologische
Streitgespräche über Fragen praktischer Relevanz und misst die Lehre, z.B. der
Pharisäer, an ihrem tatsächlichen Handeln43. Jesus beruft aus seinem
SympathisantInnen seine JüngerInnen autoritativ in eine dauernde
Lebensgemeinschaft, die an die Stelle ihrer alten Familienbindungen tritt. Der
Zwölferkreis macht zeichenhaft deutlich, dass Jesu kommunikative Praxis Israel als
Ganzes meint. Die Zusammensetzung seines JüngerInnenkreises aus Männern und
Frauen, Marginalisierten und Frommen, Zöllnern und Zeloten steht für das
Durchbrechen gesellschaftlicher Kommunikationsbarrieren und die Realisierung einer
kommunikativen Gemeinschaft44. Beim Blick auf das Volk überhaupt wird deutlich,
dass sich der besitzlose Wandercharismatiker Jesus mit jenen, die weder politische noch
gesellschaftliche noch ökonomische Macht haben, solidarisiert und identifiziert. Er teilt
ihre Existenz45.
Edmund Arens spricht davon, dass im kommunikativen Handeln Jesu, in seiner
herrschaftsfreien Kommunikation, Gottes Herrschaft schon da ist. „Wo Gott herrscht,
können Menschen nicht mehr über Menschen herrschen“46. In der kommunikativen
40
vgl. ARENS, Christopraxis, 60 f.
vgl. ARENS, Christopraxis,64 f.
42
vgl. ARENS, Christopraxis, 65 f.
43
vgl. ARENS, Christopraxis, 66 ff.
44
vgl. ARENS, Christopraxis, 69 f.
45
vgl. ARENS, Christopraxis, 70 f.
46
ARENS, Christopraxis, 71
41
11
Praxis Jesu ereignet sich eine kommunikative Orientierung auf den/die Andere hin. Die
Jesusbewegung zielt auf „Heilung gesellschaftlicher Antagonismen und
Unheilsstrukturen, auf Solidarität, Gleichheit und Heil“47.
Jesu kommunikatives Handeln ist geleitet von der Erfahrung der Wirklichkeit, der
Herrschaft und der Auslegung des Willens Gottes. Die Gegenwart ist Ort der Erfahrung
der Gottesherrschaft, seine kommunikativen Handlungen konzentrieren sich auf
darauf48, doch gleichzeitig weisen seine Zeichenhandlungen „über sich selbst hinaus auf
noch Ausstehendendes, das sie zugleich anzeigen“49. Jesu Gleichnisse sind
kommunikative Handlungen Jesu. In ihnen wird deutlich, dass Gott handelt, wo
Menschen seinen Willen tun – ohne dass von Gott explizit die Rede ist50. Die
Gottesherrschaft wird indirekt und praktisch thematisiert51.
Jesus geht es um die Verständigung mit seinen JüngerInnen und SympathisantInnen als
auch mit seinen opponierenden AdressatInnen52. Bei seiner Einladung in die
Gottesherrschaft ist die Form nicht von der Sache zu trennen. Nach Edmund Arens hat
Jesus dabei offensichtlich mit zwei Geltungsansprüchen zu tun, „der Wahrheit seiner
Aussagen und der Richtigkeit seiner Handlungen bzw. der diesen zugrunde liegenden
Normen“53. Den Streit um die Legitimität des Handelns Jesus, der zugleich ein Streit
über die Wahrheit seiner theologischen Aussagen ist, versucht Jesus mittels seiner
Gleichnisse aufzulösen und zum Konsens zu kommen54. In diesem Quasi-Diskurs bringt
Jesus das Argument, dass die Randexistenzen substantiellen Beistands bedürfen, er
durchbricht im kommunikativen Handeln tradierte Verhaltensnormen und begründet den
Wahrheitsanspruch seiner Aussagen über Gott und die Gottesherrschaft, indem er sein
kommunikatives Handeln gegenüber den Diskrimininierten als Grund seines Tuns
aufzeigt55. Jesus ringt in antizipierender Weise um Verständigung und zeigt auf, dass es
angesichts der heranbrechenden Gottesherrschaft nicht um ein Festhalten an
partikularen Interessen und Normen gehen kann.
Jesus hat sein Ziel nicht erreicht. Edmund Arens nimmt an, dass die Gerichtslogien am
Ende des Lebens Jesu, bei verstärkten Konflikten, die Einladung in die Gottesherrschaft
47
ARENS, Christopraxis, 71
vgl. ARENS, Christopraxis, 74
49
ARENS, Christopraxis, 73
50
vgl. ARENS, Christopraxis, 76
51
vgl. ARENS, Christopraxis, 84
52
vgl. ARENS, Christopraxis, 85
53
vgl. ARENS, Christopraxis, 85
54
vgl. ARENS, Christopraxis, 85 f.
55
vgl. ARENS, Christopraxis, 86
48
12
durchhalten, aber noch stärker die Dringlichkeit einer Praxis, die dieser Einladung
entspricht, zum Ausdruck bringen56. Jesu Abschiedsmahl ist eine verdichtete
kommunikative Zeichenhandlung, in der sein Leben und seine Praxis der Basileia zum
Ausdruck kommt57. Das gewaltsame, schändliche Ende Jesu am Kreuz drängte den
JüngerInnen die Frage auf, ob die kommunikative Praxis Jesu absurd sei und widerlegt
wurde oder ob die Botschaft der befreienden Wirklichkeit Gottes durchgehalten werden
könne angesichts des Todes.
4.3. KOMMUNIKATIVES HANDELN DER JÜNGERINNEN UND
GEMEINDEN JESU CHRISTI
Die nachösterliche urchristliche Gemeinschaft brachte zum Ausdruck, dass für sie durch
Jesu Hinrichtung seine Person und Praxis nicht zunichte gemacht wurde, sondern dass
Jesus von Gott endgültig bestätigt, ins Recht gesetzt und gerettet worden war.
Die kommunikative Praxis der JüngerInnen und der urchristlichen Gemeinden läßt sich
nach Edmund Arens als Bezeugen und Bekennen bestimmen. Bezeugen ist ein
politischer, öffentlicher Akt und richtet sich auf Verständigung. Bekennen zielt nicht auf
Einverständnis, vielmehr drückt es dieses aus und vollzieht es58.
Die UrzeugInnen stehen mit Jesus in einer qualifizierten Beziehung, die Begegnungen
mit dem Auferstandenen sind die Basis dafür. „Ihr kommunikatives Handeln läßt sich
daher als Christopraxis bezeichnen, das die jesuanische Praxis der Basileia weiterführt
und im Blick auf die Person des Auferstandenen zugleich christo-logisch wie -praktisch
transformiert“59. Die Urzeugen sind gleichzeitig auch AdressantInnen der Botschaft des
Auferstandenen, das gleiche gilt für Paulus.
Die Gemeinden sind primär die Subjekte des Bekennens, das im Taufbekenntnis zum
Ausdruck kommt60. Jesus Christus wird vor allem im regelmässigen Gottesdienst
bekannt. Das (ur-)christliche Bezeugen hat primär Jesus Christus zum Inhalt. „Das
Handeln des Zeugen ist darauf aus, das Bezeugte, das nicht anders als über die Person
des Zeugen zugänglich ist, zur Geltung zu bringen“61. Ziel des Bezeugens ist das
Öffentlichmachen der Botschaft „Jesus Christus ist auferstanden“.
56
vgl. ARENS, Christopraxis, 89
vgl. ARENS, Christopraxis, 92
58
vgl. ARENS, Christopraxis, 95 f.
59
ARENS, Christopraxis, 96
60
vgl. ARENS, Christopraxis, 99
61
ARENS, Christopraxis, 100
57
13
Bezeugen und Bekennen sind textual vermittelt, zunächst ausschließlich mündlich,
später entstehen fixierte Texte62. In kerygmatisch-missionarischen Handlungssituationen
teilen die UrzeugInnen ihre Erfahrung mit Anderen. Bekennen passiert in ritualisierter
Form in Gottesdiensten, im Zuge von Verfolgungen und in der antihäretischen
Auseinandersetzung um die Identität und Integrität der Gemeinde63.
Ziel des Bezeugens ist nach Edmund Arens das Überzeugen, Ziel des Bekennens die
gemeinsame Artikulation eines erzielten Konsenses.
5. HANDLUNGSTHEORETISCHE CHRISTOLOGIE
„Eine handlungstheoretisch ansetzende Christologie sucht die Person Jesu Christi über
seine Praxis zu erschließen“64, so erschließt sich auch die inhärente Theorie. Es geht
dabei weder darum, objektivistisch danach zu fragen, wer Jesus an sich ist, noch
subjektivistisch zu fragen, wer er exklusiv für mich ist – vielmehr ist
handlungstheoretische Christologie von vornherein intersubjektiv konzipiert65.
Wahrheit ist dabei immer „eine kommunikative Größe, die in der kommunikativen
Praxis gemeinsam gesucht und konsensuell gefunden wird“66.
Für Edmund Arens ist das Verhältnis von Glaube und Handeln eine theologische
Kernfrage. Sie berührt das Verhältnis von Glaube und Wirklichkeit in
erkenntnistheoretischer, hermeneutischer und praktischer Hinsicht. Sie markiert den Ort,
den die Praxis in der Glaubenskonzeption einnimmt und macht grundsätzlich sichtbar,
welcher Ansatz von Theologie praktiziert wird67. Johann Baptist Metz hat einen
praktischen Begriff des Glaubens: „Der Glaube der Christen ist eine Praxis in
Geschichte und Gesellschaft, die sich versteht als solidarische Hoffnung auf den Gott
Jesu als den Gott der Lebenden und der Toten, der alle ins Subjektsein vor seinem
Angesicht ruft“68. Helmut Peukert nennt Glauben, bezugnehmend auf kommunikatives
62
vgl. ARENS, Christopraxis, 103
vgl. ARENS, Christopraxis, 106 f.
64
ARENS, Edmund, Leitlinien einer handlungstheoretischen Christologie, in: ARENS, Edmund (Hg.), Gottesrede –
Glaubenspraxis, Perspektiven theologischer Handlungstheorie, Darmstadt 1994, 29
65
vgl. ARENS, Leitlinien, 29
66
ARENS, Christopraxis, 110
67
vgl. ARENS, Christopraxis, 121
68
METZ, Johann Baptist, Glaube in Geschichte und Gesellschaft, 51992, 70, zit. n. ARENS, Christopraxis, 129
63
14
Handeln, eine Praxis in sich selbst: Gott wird für die Anderen behauptet und sucht sich
im Handeln zu bewähren69.
5.1. BEZEUGEN UND BEKENNEN
IN SYSTEMATISCH-PRAKTISCHER PERSPEKTIVE
Entscheidend in diesem kommunikativen Handeln ist die Bezugnahme auf die Person
und Praxis Jesu70 – das macht den Glauben aus. Charakterisierend dafür sind nach
Edmund Arens die Begriffe Bezeugen und Bekennen als kommunikative Handlungen71
des Glaubens – das ist Christopraxis. Bezeugen und Bekennen lassen sich systematischpraktisch entfalten:
Kerygmatisch-missionarisches Bezeugen: „Kerygmatisch-missionarische Zeugen
bringen in ihrer Christopraxis das Evangelium zur Sprache und den darin Bezeugten zu
seinen Adressanten“72.
Diakonisches Bezeugen: Dort, wo sich Menschen „anderen zuwenden, für sie
einstehen, ihnen in ihrer Not beistehen und Hilfe leisten“73, findet diakonisches
Bezeugen statt, das nicht unbedingt die Person und Praxis Jesu ausdrücklich zur
Sprache bringen muss. Vielmehr bildet Person und Praxis Jesu das Fundament und den
Horizont für dieses Handeln74.
Prophetisches Bezeugen: „Der prophetische Zeuge stellt die herrschenden Verhältnisse
vor Gottes Gericht [...] und verkündet zusammen mit Gottes Einspruch seine
Verheißung einer neuen, gerechten und menschenfreundlichen Ordnung. Dieses Neue
zeigen prophetische Zeugen symbolisch in ihrem Handeln auf und antizipieren es, wie
Jesus dies in seiner prophetisch-solidarischen Praxis getan hat“75.
Pathisches Bezeugen: Pathisches Bezeugen bedeutet die Nachfolge Jesu auf seinem
Leidensweg, wenn Menschen wegen ihres Glaubens auch heute verfolgt, gefoltert und
getötet werden76.
69
vgl. PEUKERT, Helmut, Sprache und Freiheit, Zur Pragmatik ethischer Rede, in: Kamphaus F., Zerfaß R. (Hgg.),
Ethische Predigt und Alltagsverhalten, München – Mainz 1977, 66, zit. n. ARENS, Christopraxis, 129 f
70
vgl. ARENS, Christopraxis, 130
71
vgl. auch Abschnitt 4.3.
72
ARENS, Christopraxis, 131
73
ARENS, Christopraxis, 133
74
vgl. ARENS, Christopraxis, 134
75
ARENS, Christopraxis, 135
76
vgl. ARENS, Christopraxis, 136
15
Gottesdienstliches Bekennen: Die Gemeinde bekennt öffentlich und verbindlich ihre
bewußt vollzogene Zugehörigkeit zur Geschichte Gottes mit den Menschen77.
Lehrendes Bekennen: Die Kirche als Subjekt reagiert im Rahmen von Konzilien und
Synoden oder in reformatorischen Bekenntnisschriften auf aktuelle Herausforderungen.
Diese sind (sollten sein?) das Ergebnis verbindlicher Konsensbildung78.
Situatives Bekennen: Situationsbezogenes Bekennen in einer brisanten Situation, wo
Kirche um ihrer eigenen Identität, Integrität oder Mission willen gezwungen ist, „ja“
oder „nein“ zu sagen, nennt Edmund Arens situatives Bekennen. Als ein Beispiel nennt
er die Barmer Theologische Erklärung aus dem Jahr 1934 gegen die Häresie und
Härepraxis der Deutschen Christen79.
Edmund Arens versteht Kirche als Kommunikationsgemeinschaft. „In ihr und durch sie
vermittelt wird Jesus Christus kommuniziert“80. Kirche ist Subjekt, Ort und Inhalt der
Kommunikation Christi81, die Kirche ist „Gemeinschaft christopraktischer
Kommunikation“82. Die theologische Aussage, dass Kirche Communio ist, muss sich in
ihrer Struktur und Praxis bewahrheiten83. Solidarität ist dafür der entscheidende Begriff
und die entscheidende Praxis.
5.2. DIMENSIONEN CHRISTOLOGISCHER REDE
Es geht in einer handlungstheoretischen Christologie darum, den intersubjektiven,
propositionalen, textualen, kontextuellen und intentionalen Charakter christologischer
Rede zu eruieren und explizieren84.
Christologische Rede geschieht immer im Kontext. Nach Edmund Arens betont diese
Kontextualität besonders Edward Schillebeeckx, der bei der Hermeneutik des ganzen
Lebens Jesu ansetzt. Seine Geschichte ist die Geschichte Gottes mit den Menschen. Da
jede Wirklichkeit sprachlich konstruiert ist, ist es Aufgabe der Christologie, das in der
Sprache der Bibel artikulierte Jesus-Ereignis zu verstehen und mit unseren
77
vgl. ARENS, Christopraxis, 138
vgl. ARENS, Christpraxis, 141
79
vgl. ARENS, Christopraxis, 144 f.
80
ARENS, Christopraxis, 155
81
vgl. ARENS, Christopraxis, 158
82
ARENS, Christopraxis, 159
83
vgl. ARENS, Christopraxis, 162
84
vgl. ARENS, Leitlinien, 46
78
16
gegenwärtigen Erfahrungen zusammenzubringen. Kriterium dafür ist, ob diese
Interpretation dem historischen Jesus entspricht85.
Kontextualität braucht eine gesellschaftskritische Analyse der politischen, sozialen und
kulturellen Position der AdressantInnen86. Das leistet die politische und
Befreiungstheologie, die von der Praxis her konzipiert ist und sich primär auf die Praxis
Jesu bezieht. Jesu prophetische Praxis benennt Unterdrückung und Ausbeutung und
kann darum handlungsleitend sein. Jesu Auferstehung wird verstanden als Gottes
solidarisches Handeln an ihm, als Bestätigung seiner Person und seiner befreienden
Praxis87.
Für die christologische Reflexion muss es darum gehen, RezipientInnen in
AdressatInnen zu verwandeln88 – es geht um die Begegnung mit Christus. In der
transzendentalen Christologie von Karl Rahner geht es um die Erhellung der
anthropologischen Voraussetzungen, wie Menschen von Christus erreicht, von seiner
Botschaft und Person angesprochen werden können. Das Christentum behauptet Rahner
zufolge Christus als Gottes kategorische Antwort auf die menschliche
Selbsttranszendenz. Als Selbstmitteilung Gottes ist er die Vollendung menschlicher
Kommunikation, die auf Gott hin transzendiert. Nächstenliebe ist auf Gott hin offen.
Das Christusgeschehen wird im Vollzug der eigenen Existenz angeeignet und realisiert
sich in einer persönlichen Beziehung zu und in der Begegnung mit Christus89. Christus
begegnen hat eine existentielle, intersubjektive, öffentliche und politische Dimension.
Um Zugang zu gewinnen braucht es authentische BotInnen – genau das ist es, was
ZeugInnen tun90.
Christologische Reflexion handelt von etwas, hat einen propositionalen Gehalt. Dieser
umfasst die mit Jesu Praxis, Theologie und Person erhobenen Geltungsansprüche und
das Drama des Lebens Jesu. Hans Urs von Balthasar hat eine dramatische Christologie
entwickelt: Jesus Christus ist darin der Schauspieler im göttlichen Drama, dessen Autor
Gott ist und bei dem der Geist Regie führt91.
85
vgl. ARENS, Leitlinien, 31 f.
vgl. ARENS, Leitlinien, 47
87
vgl. ARENS, Leitlinien, 33
88
vgl. ARENS, Leitlinien, 47
89
vgl. ARENS, Leitlinien, 30 f.
90
vgl. ARENS, Leitlinien, 47
91
vgl. ARENS, Leitlinien, 32
86
17
Der propositionale Gehalt bezieht sich auch auf Wahrheitsansprüche der ersten
ChristInnen und der gesamten Tradition. „Im Anschluss an das Johannesevangelium
lässt sich behaupten, daß Jesus nicht nur die Wahrheit sagt, wahrhaftig ist und die
Wahrheit tut, sondern daß er die Wahrheit ist und dass seine Person durch den Geist
gegenwärtig und wirksam ist“92.
Christologische Rede untersucht den textualen Charakter der Rede von Jesus Christus.
Zuerst erfolgte dieses Bekennen gottesdienstlich, dann lehrhaft, heute meist situaitiv93.
Christologische Reflexion ist intentional, denn sie „dient den Intentionen derer, die
Christus bezeugen und bekennen, deren Intention sie wieder in den Dienst seiner
eigenen Intentionen gestellt haben“94.Entsprechend der Praxis Jesu geht es dabei um die
Überwindung politischer, sozialer und kultureller Herrschaft und die Vermittlung des
befreienden Handelns Gottes. Ihre Intention ist einladend95.
6. SCHLUSSBEMERKUNG
Im Zuge der Arbeit ist deutlich geworden, dass die kommunikative Handlungstheorie
für theologische Fragestellungen sehr fruchtbar ist. Sie bietet einen möglichen Ansatz,
sich Jesus Christus anzunähern und mittels dieser Annäherung theologische Fragen der
Gegenwart zu stellen. Die ethische Brisanz der Frage nach Jesus zeigt sich darin
deutlich.
Allerdings bietet dieser Ansatz keine unmittelbaren Antworten auf praktische
Herausforderungen, sei es in der Pastoral und/oder im politischen Handeln. Die
theologische Handlungstheorie kann als Regel oder Anleitung für das Sprechen über
Christologie verstanden werden und ist insofern eine Meta-Theorie. Dem
philosophischen Konzept von Jürgen Habermas bzw. der theologischen Theorie von
Helmut Peukert und Edmund Arens zu folgen, hat aber durchaus praktische
Konsequenzen: Damit kommt der/die Andere als zentrale Herausforderung und
Maßstab für das Handeln von ChristInnen deutlich in den Blick.
92
ARENS, Leitlinien, 48
vgl. ARENS, Leitlinien, 48
94
ARENS, Leitlinien, 48
95
vgl. ARENS, Leitlinien, 48
93
18
LITERATURVERZEICHNIS
ANZENBACHER, Arno, Einführung in die Ethik, Düsseldorf 1992
ARENS, Edmund, Christopraxis, Grundzüge theologischer Handlungstheorie, Freiburg
im Breisgau/Basel/Wien 1992 (Quaestiones disputatae 139)
ARENS, Edmund, Einleitung, in: ARENS, Edmund (Hg.), Gottesrede –
Glaubenspraxis, Perspektiven theologischer Handlungstheorie, Darmstadt 1994, 1 - 5
ARENS, Edmund, Leitlinien einer handlungstheoretischen Christologie, in: ARENS,
Edmund (Hg.), Gottesrede – Glaubenspraxis, Perspektiven theologischer
Handlungstheorie, Darmstadt 1994, 29 – 48
HABERMAS, Jürgen, Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt am
Main 1983
MÜLLER, Anselm Winfried, Themen und Formen ethischer Theorie, in:
HONNEFELDER, Ludger, KRIEGER, Gerhard (Hgg.), Philosophische Propädeutik,
Band 2: Ethik, Paderborn/München/Wien/Zürich 1996, 71 -158
Zugehörige Unterlagen
Herunterladen