Wiederherstellung des Vertrauens erforderlich

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Die Weltwirtschaft
Wiederherstellung des
Vertrauens erforderlich
Eine Beruhigung an den Finanzmärkten setzt voraus, dass die
Banken wieder bereit sind, sich gegenseitig Geld zu leihen.
Von Jacob Graven
Es fing als eine so genannte Subprime-Krise
unter den US-Hausbesitzern mit schlechter
Bonität an; in den letzten Wochen ist daraus
eine weltweite Liquiditätskrise geworden.
Die Banken wagen es einfach nicht, sich
gegenseitig Geld zu leihen, weil sie befürchten, dass die Kreditnehmer infolge von aus
Subprime-Hypotheken resultierenden Verlusten in Konkurs geraten.
Jüngst war dies im Zusammenhang mit
den Problemen der britischen Hypothekenbank, Northern Rock, die am Rande des Konkurses schlingert, zu erkennen. Nicht weil die
Bank erhebliche Verluste aus Subprime-Hypotheken erlitten hat, sondern weil die Tätigkeit
der Bank auf die Aufnahme kurzfristiger Kredite bei anderen Bank ausgerichtet ist. Da
aber keine Banken bereit sind, anderen Ban-
ken Kredite einzuräumen, ist Northern Rock
die Liquidität ausgegangen.
Grundsätzlich können alle Banken vom
fehlenden Vertrauen betroffen werden und
ein generell verschärftes Vorgehen bei der
Kreditvergabe an Verbraucher und Unternehmen liegt daher auf der Hand. Dadurch
könnten sämtliche Teile der Wirtschaft in
Mitleidenschaft gezogen werden und
schlimmstenfalls könnte die Liquiditätskrise
zur Dämpfung der Weltkonjunktur führen.
Kaum dramatische Folgen
Wir sind jedoch nach wie vor der klaren
Auffassung, dass sich die langfristigen Folgen
der Finanzmarktturbulenzen als geringer
erweisen werden als von vielen Marktbeobachtern befürchtet. Unser Optimismus baut
vor allem darauf, dass die Probleme auf die
US-Subprime-Hypotheken zurückzuführen
Abbildung 1
Globale Leitzinsen
Abbildung 2
Leitzinsen in den USA und Euroland (Deutschland
vor 1999)
Abbildung 3
EUR/USD
7
10
1,5
9
6
1,3
6
5
3
USA
1,2
1,1
4
Euroland
2
3
1,0
2
1
0
1,4
7
Großbritannien
4
Euroland
8
USA
5
sind, die nur noch etwa 15 % der gesamten
Hypothekenkredite in den USA ausmachen.
Und nur bei der Hälfte davon – d. h. bei den
variabel verzinslichen Darlehen – sind Probleme aufgetaucht.
Aus einer reinen volkswirtschaftlichen
Erwägung heraus dürfte ein abgegrenztes
Segment wie der US-Subprime-Sektor die
amerikanische Volkswirtschaft nicht ins Stocken bringen bzw. eine weltwirtschaftliche
Konjunkturflaute hervorrufen können. Vor
allem weil die Dynamik der Weltkonjunktur
hoch ist. Die Unsicherheit bezüglich der wirtschaftlichen Wirkungen der Liquiditätskrise
ist aber groß. Je länger die Krise anhält,
umso größer wird die Wahrscheinlichkeit,
dass sie auf die ganze Wirtschaft übergreift.
Die Liquiditätsprobleme bestehen jetzt seit
mehr als einem Monat und Aussicht auf eine
baldige Lösung ist nicht zu erkennen. Es
0,9
1
Japan
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Anlageinfo – September 2007
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0
88 90 92 94 96 98 00 02 04 06
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Die Weltwirtschaft
Abbildung 4
10-jährige Renditen in Deutschland und den USA
Abbildung 5
Mtl. Änderung der Beschäftigung und Erstanträge,
1.000 Personen, USA
Abbildung 4
Neubaubeginne (1.000 Stück) und NAHB-Wohnungsbauindex, USA
7,0
250
80
6,5
300
6,0
500
Änderung der
Beschäftigung
USA
350
400
4,0
0
Erstanträge
(links, invers) -100
40
1400
02
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500
00 01 02 03 04 05 06 07
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1800
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3,5
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450
Deutschland
05 06 07
2200
50
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200
5,5
3,0
400
2400
NAHB
Neubaubeginne (rechts)
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800
90 92 94 96 98 00 02 04 06
600
Anlageinfo – September 2007
Die Weltwirtschaft
bedarf vermutlich in erster Linie Zeit und
Unruhen kaum in Kürze überwunden sein
hen höchst ungewöhnlich ist, dass die Zinsen
einer Reihe befriedigender Makrodaten – und
werden, erscheinen u. E. weitere Zinssenin Europa erhöht werden, wenn sich gleichgleichzeitig dürfen selbstverständlich keine
kungen von etwa 0,50 Prozentpunkten im
zeitig die Zinsen in den USA nach unten
weiteren schlechten Nachrichten in Form von
Laufe der kommenden Monate sehr wahrbewegen, vgl. Abb. 2.
konkursbedrohten Banken erscheinen.
scheinlich.
In jüngster Zeit haben sich die ZentralIn den letzten Tagen haben mehrere große
Wir rechnen jedoch nicht damit, dass
banken in Europa und den USA nur einmal,
internationale Finanzhäuser gute Ergebnisse
ganz 2008 durch Zinssenkungen gekennund zwar in der ersten Hälfte der Neunzigerfür das dritte Quartal vorgelegt. Es geht u. a.
zeichnet sein wird, weil sich nächstes Jahr
jahre, in die entgegen gesetzte Richtung
hervor, dass die Verluste aus Subprime-Hypodie Finanzmärkte voraussichtlich beruhigen
bewegt. Damals verlief die konjunkturelle
theken verhältnismäßig begrenzt waren. Sollten
werden und die Wirtschaft noch LebenszeiEntwicklung u. a. infolge der deutschen Wiein den kommenden
dervereinigung sehr
Monaten mehrere solche
Wir schätzen weiterhin, dass sich die langfristigen Folgen der unterschiedlich. Wir
Meldungen erscheinen,
gehen daher davon
Finanzmarktturbulenzen als geringer erweisen werden als von aus, dass die EZB in
dürften u. E. die Unruhen
vielen Marktbeobachtern befürchtet.
im Laufe des Herbstes
den kommenden 12
gedämpft werden.
Monaten die Leitzinsen
chen aufweisen dürfte.
unverändert lässt. Die Wahrscheinlichkeit
Weitere Zinssenkung durch die Fed – EZB
Vor dem Hintergrund der Zinssenkung
einer Zinserhöhung ist jedoch größer als die
verschiebt evtl. Zinsschritt
um 0,50 Prozentpunkte durch die Fed und
Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung.
Nach der Zinssenkung in den USA von 0,50
mit Aussicht auf weitere FinanzmarktturbuProzentpunkten steht fest, dass die Fed dem
lenzen in den kommenden Monaten halten
Gestärkter Euro beendet Zinssteigerungen
Risiko einer kräftigen Abschwächung der
wir es für sehr wahrscheinlich, dass der ZinsEin weiteres gewichtiges Argument dafür, dass
konjunkturellen Dynamik infolge der Finanzgipfel in Euroland, und damit auch in Dänedie EZB die Zinserhöhungen beenden wird,
marktturbulenzen und der Talfahrt am Immomark, erreicht ist. Dieses Szenario wird
ist, dass sich der Euro im Gleichschritt mit der
bilienmarkt große Bedeutung zumisst. Da die
dadurch unterstützt, dass es historisch geseEinengung des Zinsspreads gegenüber den
Abbildung 7
Zuwachs des Privatkonsums (%, YoY), Arbeitslosenquote und Verbrauchervertrauensindex, Euroland
-6,5
4,5
4,0
-7,0
Privatkonsum
3,5
Verbrauchervertrauen (indexiert)
3,0
Arbeitslosenquote
(rechts, invers)
-7,5
-8,0
2,5
-8,5
2,0
-9,0
1,5
-9,5
1,0
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-10,0
0
-10,5
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-11,0
Die Weltwirtschaft
USA aufwerten wird. Ein aufgewerteter Euro
Arbeitsmarktbericht für den Monat August
etwa 50-100.000 pro Monat liegen, was die
dürfte wegen niedrigerer Importpreise und
bereitet natürlich Sorgen; es besteht aber
Anzahl der Erstanträge so reichlich indiziert,
einer verringerten Wettbewerbsfähigkeit die
Grund zu der Annahme, dass es sich nur um
besteht in Bezug auf den Arbeitsmarkt kein
Inflation dämpfen, welches wiederum den
eine einmalige Erscheinung handelt. Einige
Grund zur Panik.
Bedarf an Zinserhöhungen vermindert. Wir
andere Arbeitsmarktindikatoren sind nämlich
bleiben bei unserer Erwartung einer weiteren
nicht entsprechend schwach. Beispielsweise
USA unbeschadet davongekommen
USD-Abschwächung. Weil der Zinsspread
indiziert die Anzahl von Erstanträgen auf
Eine andere wichtige Schachfigur im großen
aber voraussichtlich schneller als bisher angeArbeitslosenhilfe (jobless claims) bei weitem
Spiel um die Zukunftsaussichten der Weltnommen eingeengt wird, wird unsere EUR/
nicht eine so kräftige Verschlechterung der
wirtschaft ist die ursprüngliche Ursache für
USD Schätzung von 145 voraussichtlich
Beschäftigungslage, siehe Abb. 5.
die gegenwärtigen Unruhen: Die Flaute am
schneller erreicht werUS-Immobilienmarkt.
den, siehe Abb. 3.
Ein HoffnungsschimEs ist daher wahrscheinlich, dass sich künftig die RisikobereitDie langfristigen
mer ist hier kaum in
schaft auf einem niedrigeren Niveau als in den letzten Jahren
Zinsen waren während
Sicht und alles deutet
einpendeln wird.
der finanziellen Unruauf eine weitere
hen generell rückläufig.
Abschwächung dieses
Weil die Unruhen unserer Einschätzung nach
Es ist nicht unerwartet, dass der ArbeitsSegments hin.
allmählich nachlassen dürften, erwarten wir
markt nach etwa anderthalb Jahren bescheiAbb. 6 zeigt, dass die Neubaubeginne auf
einen leichten Anstieg der Langfristzinsen in
denen Wirtschaftswachstums Schwächezeidem tiefsten Stand seit mehr als 10 Jahren
den kommenden Monaten, siehe Abb. 4.
chen aufweist. In der Tat ist es aber unerwargesunken sind und dass die meisten Frühintet, dass die Abschwächung nicht früher
dikatoren – wie bespielsweise der NAHBArbeitsmarkt nicht so schwach wie befürchtet
gekommen ist. Im Vergleich zu den letzten
Wohnungsbauindex, der das Vertrauen der
Eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass
Jahren ist eine schwächere Entwicklung am
US-Bauunternehmer misst – weitere Rückdie US-Wirtschaft durchkommt, ist die EntArbeitsmarkt durchaus zu erwarten; wird
gänge signalisieren.
wicklung am Arbeitsmarkt. Der schwache
allerdings der Beschäftigungszuwachs bei
So lange aber andere Teile der Wirtschaft
Abbildung 8
BIP-Wachstum in Euroland, (%, YoY) und ZEW- und Ifo-Index, Deutschland
Abbildung 9
VIX-Index
110
5,0
BIP
4,5
Ifo (rechts)
40
105
4,0
ZEW, indexiert
(rechts)
3,5
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100
3,0
35
30
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Anlageinfo – September 2007
Fremdwährungsdarlehen
Die
Weltwirtschaft
ihre Dynamik aufrechterhalten können, und
so lange anderswo in der Welt hohes Wachstum zu verzeichnen ist, dürfte die US-Wirtschaft u. E. unbeschadet davonkommen und
sowohl 2007 als auch 2008 ein BIP-Wachstum von ca. 2 % erzielen.
Optimismus baut vor allem darauf, dass der
Aufschwung in Euroland bisher vor allem
durch den Export und durch Investitionen
getragen wurde, wohingegen sich die Verbraucher zurückhaltend verhielten. Bei der
positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt mit
cher Unruhen tatsächlich auf die Volkswirtschaften haben.
Abb. 8 zeigt, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex (misst, wie einige ausgewählte Unternehmen die Geschäftslage einschätzen und
wie ihre Erwartungen an die künftige Ent-
Der Privatverbrauch wird voraussichtlich
bedeutend langsamer zunehmen als in den
letzten Jahren, aber angesichts der wachsenden Investitionen und des gestärkten Außenhandels dürfte sich die Wirtschaft über Wasser halten können. Vor diesem Hintergrund
dürfte der weltweite Konjunkturaufschwung
anhalten können, obgleich in einem geringfügig niedrigeren Tempo als bisher.
einer Arbeitslosenquote von unter 7 % zum
ersten Mal seit 25 Jahren besteht Grund zu
der Annahme, dass die Verbraucher bald
dazu neigen werden, wieder Geld auszugeben. Dies wird dadurch gestützt, dass das
Verbrauchervertrauen auf das höchste
Niveau seit sechs Jahren gestiegen und nur
geringfügig von den finanziellen Turbulenzen
beeinflusst worden ist, vgl. Abb. 7.
Vereinzelt signalisieren einige Indikatoren, wie beispielsweise der deutsche ZEWKonjunkturindex, dass die negative Wirkung
der finanziellen Turbulenzen hoch ist. Dem
ZEW-Indikator, der die wirtschaftlichen
Erwartungen und Einschätzungen der Fi­­
nanzexperten misst, sollte u. E. allerdings
nicht zu hohe Bedeutung zugemessen werden. Finanzexperten lassen sich nämlich zu
sehr von finanzieller Unruhe beeinflussen im
Verhältnis dazu, welche Auswirkungen sol-
wicklung sind) seit Jahren ein weit besserer
Indikator des Wirtschaftswachstums ist. Trotz
eines bescheidenen Rückgangs der letzten
Monate verharrt der Ifo-Geschäftsklimaindex
nach wie vor auf einem historisch hohen
Niveau und es besteht deshalb Grund zu der
Annahme, dass das Wachstum sowohl 2007
als auch 2008 in Deutschland sowie in Euroland die Marke von 2 % überschreiten wird.
Euroland gut gerüstet
Der wichtigste Schlüssel für die künftige
weltwirtschaftliche Entwicklung liegt wie
oben angegeben in den USA. Aber natürlich
ist auch die Entwicklung des anderen traditionellen Kraftzentrums der Weltwirtschaft,
Euroland, von Bedeutung.
Grundsätzlich schätzen wir nach wie vor
die Möglichkeiten eines nachhaltigen Aufschwungs in Euroland als positiv ein. Unser
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Anlageinfo – September 2007
Anhaltend niedrigere Risikobereitschaft
Unsere verhältnismäßig optimistische Einschätzung, dass die langfristigen Auswirkungen der Liquiditätskrise moderat ausfallen werden, bedeutet jedoch nicht, dass wir
eine Rückkehr auf die vor dem Sommer zu
verzeichnende finanzielle Lage erwarten.
Wie bereits mehrmals in früheren Ausgaben von Anlageinfo erwähnt, waren die letzten Jahre durch eine außergewöhnlich hohe
Fremdwährungsdarlehen
Die Weltwirtschaft
Risikobereitschaft der Investoren gekennzeichnet. Dieses ist am VIX-Index (Abb. 9)
zu erkennen, zumal ein niedriger Index eine
hohe Risikobereitschaft indiziert.
Laut der Grafik war der Index während
der letzten Jahre außergewöhnlich niedrig
und stabil. Diese Entwicklung hat die Risikotitel unterstützt.
Wir erwarten, dass die finanziellen Turbulenzen der Vorwochen es den Investoren
deutlich gemacht haben, dass Anlagen mit
Risiken verbunden sind. Es ist daher wahrscheinlich, dass sich künftig die Risikobereitschaft auf einem niedrigeren Niveau als in
den letzten Jahren einpendeln wird.
Das heißt jedoch nicht, dass Risikotitel
nicht solide Erträge liefern werden. Das
dürfte kein Problem sein, es wäre aber naiv
sich vorzustellen, dass solche Werte in
Zukunft unverändert hohe Erträge erzielen
werden. Daher raten wir den Investoren, sich
selektiv zu verhalten, das Risiko zu streuen
und immer im Auge zu behalten, dass die
Ertragschancen mit dem Risiko einhergehen.
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Anlageinfo – September 2007
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