Die Weltwirtschaft Die Zinsen stehen kurz vor ihrem Höhepunkt Der robuste Aufschwung in Euroland hat die dänischen Zinsen signifikant nach oben getrieben, der Gipfel dürfte aber bald erreicht sein. Von Jacob Graven Seit Mitte März sind die dänischen Zinsen über fast der gesamten Zinskurve um ca. 50 Bp. gestiegen. Dies erscheint dramatisch, es ist aber ziemlich unwahrscheinlich, dass sich dieses Zinserhöhungs-Tempo im weiteren Jahresverlauf fortsetzt. Die Zinssteigerungen der letzten Monate sind zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Zinsen durch die finanziellen Unruhen im Februar und März nach unten getrieben wurden, und zwar mehr als die makroökonomische Entwicklung rechtfertigen konnte. Die heutigen Zinsniveaus zeigen daher unserer Einschätzung nach eher ein der tatsächlichen Wirtschaftslage entsprechendes Bild. Es ist allerdings fraglich, ob die Zinssteigerungen allmählich überzogen sind. Wie im Artikel Monatsrückblick auf Seite 6-7 erwähnt sind die US-Kennzahlen der letzten Wochen gemischt ausgefallen, was auf jeden Fall nicht eindeutig einen Anstieg der Zinsen signalisiert. nenfalls dämpfend auf die Wirtschaftsaktivität auswirken. Derzeit sind voraussichtliche Zinsanhebungen im sowohl Juni als auch September durch die EZB bereits in den Preisen enthalten, so wie eine weitere Zinserhöhung gegen Ende des Jahres ebenfalls fast voll einkalkuliert ist. Jedoch rechnen wir nicht damit, dass die EZB so aggressiv vorgehen wird, und Falls sich unsere Erwartungen bewahrheiten, dürften nach 3 bis 6 Monaten die Zinsanhebungen eingestellt werden, was leicht rückläufige Anleiherenditen bewirken könnte. bank Folge leisten. Die weitere Entwicklung bietet eine höhere Unsicherheit, allerdings erscheint eine weitere Zinserhöhung – voraussichtlich im September – durchaus wahrscheinlich. Dadurch dürften die Leitzinsen in Euroland die 4,25 %-Marke und in Dänemark die 4,50 %-Marke erreichen, was von den meisten als leicht restriktiv bezeichnet wird – d. h. das Zinsniveau wird sich gegebe- erwarten deshalb nach Zinsanhebungen im Juni bzw. September eine längere Periode unveränderter Leitzinsen. Sollten sich unsere Erwartungen bewahrheiten, dürften nach 3 bis 6 Monaten die Zinsanhebungen eingestellt werden, was leicht rückläufige Anleihenrenditen bewirken könnte. Es herrscht aber selbstverständlich eine hohe Unsicherheit und vieles hängt von der Abbildung 1 Globale Leitzinsen Abbildung 2 10-jährige Rendite in Deutschland und den USA Abbildung 3 Industrievertrauensindex in den USA und in Euroland 7 7,00 65 6 6,50 5 Großbritannien 5,50 USA Euroland 2 01 02 03 04 Anlageinfo – Mai 2007 05 06 07 3,00 15 10 5 50 4,50 -5 -10 45 3,50 Japan USA 0 4,00 1 20 55 USA 5,00 3 0 60 6,00 4 Weitere Zinserhöhungen stehen an Einer der wichtigsten Faktoren für die Entwicklung der dänischen Zinsen in den kommenden Monaten sind die Aussichten der von der Europäischen Zentralbank (EZB) verfolgten Zinspolitik. Alles deutet darauf hin, dass die Leitzinsen am 6. Juni um weitere 25 Bp. angehoben werden. Diesem Zinsschritt dürfte die Dänische National- Deutschland 00 01 02 03 04 05 06 07 Euroland (rechts) 40 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 05 06 -15 -20 Die Weltwirtschaft makroökonomischen Entwicklung in Euroland und in den USA sowie ferner von der Entwicklung des EUR-Kurses ab. In einem Punkt hat die Unsicherheit jedoch nachgegeben; die ersten Ergebnisse der Tarifverhandlungen in Deutschland führten nicht zur befürchteten Explosion der Löhne, die der EZB zu über den Erwartungen liegenden Zinsanhebungen hätte veranlassen können. Wenn bei den noch ausstehenden Verhandlungen auch jährliche Lohn- und Gehaltssteigerungen von ca. 3,5 % vereinbart werden, dürfte die Wahrscheinlichkeit kräftiger Zinserhöhungen abnehmen. Euroland an der Spitze Eine entscheidende Frage ist, ob sich die Konjunktur in Euroland weiterhin robust entwickeln wird, falls die US-Wirtschaft das gemächliche Tempo beibehalten sollte. Historisch gesehen sind die USA immer Antriebskraft der Weltwirtschaft gewesen und haben das Tempo für die sonstigen Volkswirtschaften bestimmt. Phasen der konjunkturellen Abkühlung haben bislang in der Regel in den USA angefangen und sich mit ca. sechsmonatiger Verzögerung auf Europa ausgeweitet, vgl. Abb. 3. Gegenwärtig herrscht in den USA seit einem Jahr eine konjunkturelle Abschwächung, die jedoch nicht den Aufschwung in Euroland wesentlich beeinträchtigt hat. Es ist zwar ungewöhnlich, aber unseres Erachtens könnte sich diese Entwicklung durchaus fortsetzen. Die derzeitige Lage unterscheidet sich nämlich in folgenden Punkten maßgeblich Abbildung 4 Verbrauchervertrauensindex und Wachstum des Privatverbrauchs, in %, Euroland 5 4,50 4,00 Vertrauen (links) 0 3,50 -5 3,00 2,50 -10 Privatverbrauch 2,00 -15 1,50 1,00 -20 -25 0,50 00 01 02 03 04 05 06 0 von früheren Phasen: • Die Wachstumsschwäche in den USA verläuft mäßig – nicht dramatisch. • Die Abkühlung in den USA ist auf spezifische US-amerikanische Faktoren im Immobilien- und Industriesektor – und nicht auf globale Verhältnisse wie eine Ölkrise oder Aktienkursrückgänge zurückzuführen. • Der Export mancher Länder in die USA macht heute einen geringeren Anteil des Gesamtexports aus als früher. In Euroland ist der Anteil von über 17 % im Jahr 2000 auf gut 14 % im Jahr 2006 gefallen. • Bisher war der private Konsum in Euroland verhältnismäßig schwach. Vor dem Hintergrund der markant rückläufigen Arbeitslosigkeit, der Aussicht auf eine merkliche Zunahme der Reallöhne und - Es sind selbstverständlich Faktoren vorhanden, die eine schwächere Entwicklung bewirken könnten. Vor allem gilt, dass Euroland und der Rest der Welt mit großer Sicherheit in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sich die Abkühlung in den USA zu einer Rezession entwickelt. Ferner möchten wir betonen, dass Zinsund Wechselkursänderungen erst nach 1-2 Jahren mit vollem Effekt auf die Wirtschaft durchschlagen. Die Zinssteigerung und die EUR-Aufwertung der letzten anderthalb Jahre dürften daher in Zukunft dazu beitragen, die Konjunktur zu dämpfen. Vor allem könnte der Immobilienmarkt durch die anziehenden Zinsen in Mitleidenschaft gezogen werden. Jüngst zeichnen sich am spanischen Immobilienmarkt, der seit Jahren durch hohe s ist unsicher, ob der Tiefstand am Immobilienmarkt erreicht E ist. Es ist aber eine Tatsache, dass der Wohnungsbau bereits so kräftig gebremst worden ist, dass ein weiterer signifikanter Rückgang unwahrscheinlich ist. gehälter und angesichts des steigenden Optimismus der Verbraucher, vgl. Abb. 4, könnte sich der Aufschwung in Euroland als selbsttragend erweisen. Wir schätzen daher, dass sich der Aufschwung in Euroland 2007 mit einem BIPWachstum von etwa 2,5 % stabilisieren und 2008 ein wenig niedriger ausfallen wird. Preissteigerungen gekennzeichnet ist, Probleme ab. In anderen Ländern sind die in den letzten Jahren erfolgten Preissteigerungen bedeutend niedriger ausgefallen als in Spanien – besonders in Deutschland, wo die Preise im Großen und Ganzen unverändert blieben. Unseres Erachtens sind die Probleme vor allem ein auf Spanien beschränktes Phänomen. Steigende Zinsen könnten den Immobilienmarkt beeinträchtigen Mäßige Abkühlung in den USA hält an Die Entwicklung in den USA ist wie erwähnt Abbildung 5 Wachstum des BIP und des Privatverbrauchs, in %, USA Abbildung 6 Sparquote, USA, in % des verfügbaren Einkommens 6 10 BIP 8 5 4 6 Privatverbrauch 4 3 2 2 0 1 0 -2 2006 2007 -4 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Anlageinfo – Mai 2007 Die Weltwirtschaft 10 Anlageinfo – Mai 2007 Die Weltwirtschaft für die Wachstumsaussichten der übrigen Welt und somit auch für die Entwicklung der dänischen Zinsen von Bedeutung. Wir vertreten schon lange die Meinung, dass sich die gegenwärtige Abkühlung noch eine ganze Weile fortsetzen wird, dass aber eine harte Landung mit Rezession vermeidbar sein müsste. Die Entwicklung der letzten Wochen hat diese Erwartung unverändert belassen. Wir bleiben bei unserer Prognose eines BIP-Wachstums von etwa 2 % in den beiden Jahren 2007 und 2008. Das Wachstum muss sich somit vom sehr niedrigen Niveau von 1,3 % im ersten Quartal aus beschleunigen, wobei das Wachstum bei der kommenden Revision voraussichtlich nach unten auf etwa 1 % korrigiert wird. Viele werden sicherlich fragen, was wohl eine solche Beschleunigung hervorrufen für die kommenden Quartale höheres Wachstum signalisiert, siehe Abb. 2 im Artikel Monatsrückblick. könnte. Die Antwort lautet, dass die Faktoren, die bisher die Entwicklung kräftig nach unten getrieben haben, sich künftig weniger negativ auswirken werden. Vor allem werden sich in Zukunft die Investitionen am Wohnungsmarkt nicht in jedem Quartal um 20 % zurückbilden. Es ist unsicher, ob der Tiefstand am Immobilienmarkt erreicht ist. Es ist aber eine Tatsache, dass der Wohnungsbau bereits so kräftig gebremst worden ist, dass ein weiterer signifikanter Rückgang unwahrscheinlich ist. Ferner gibt es Anzeichen, dass im Industriesektor eine Trendwende einkehrt. Die Lagerbestände sind reduziert worden und der abgeschwächte USD stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Diese beiden Faktoren sind vermutlich einer der Hauptgründe dafür, dass u. a. der Stimmungsindikator für das Verarbeitende Gewerbe, der ISM-Index, erfolgte kräftige Eintrübung am Immobilienmarkt hat merkwürdigerweise noch keinen Eindruck bei den Verbrauchern hinterlassen. Abb. 7 zeigt, dass der historische Zusammenhang zwischen dem Privatverbrauch und der Stimmung im Wohnungsbausektor, gemessen am NAHB-Index, anscheinend nicht mehr besteht. Wir sind jedoch überzeugt, dass bei den Verbrauchern bald Schwächezeichen zu erkennen sein werden. Die jüngsten Einzelhandelsumsätze für April sind recht schwach ausgefallen mit einem Rückgang von 0,2 %, welches ein erstes Anzeichen dafür sein kann, dass der private Konsum einen niedrigeren Gang einlegen wird. Hinter unserer Erwartung eines BIPWachstums von ca. 2 % im kommenden Jahr verbirgt sich eine signifikant geänderte Wachstumszusammensetzung gegenüber den das Risiko eines niedrigen Wirtschaftswachstums. Unsere Erwartung eines anhaltend abnehmenden Inflationsdrucks wird davon gestützt, dass die Lohnsteigerungsrate von 4,3 % im Dezember auf 3,7 % im April gefallen ist, vgl. Abb. 8. Wir gehen grundsätzlich von zwei Zinssenkungen um jeweils 25 Bp. im Herbst und zwei weiteren in der ersten Jahreshälfte 2008 aus. In 12 Monaten dürften bei den Leitzinsen Senkungen um insgesamt 1 %Punkt erfolgt sein. Mit diesen Zinserwartungen dürfte eine weitere Einengung des Zinsspreads zwischen den USA und Euroland erfolgen und auf Sicht von 6-12 Monaten könnte der Zinsspread ganz beseitigt sein. Das könnte den USD weiter schwächen. Wir bleiben bei unserer Prognose, dass der EUR/USD auf Sicht von 12 Monaten auf etwa 1,45 zurückfallen wird, vgl. Abb. 9. ■ Abbildung 7 NAHB-Index und Wachstum des Privatverbrauchs, in %, USA Abbildung 8 Kerninflation und Lohnsteigerung, in %, YoY, USA Abbildung 9 EUR/USD 80 4,50 4,50 1,50 70 4,00 4,00 1,40 3,50 1,30 6 NAHB (rechts) 5 Schwächezeichen bei den Verbrauchern Andere Faktoren werden sich jedoch nachteilig auf die Entwicklung auswirken. Vor allem war das Verbrauchswachstum bis jetzt überraschend hoch und lag somit bei etwa 4 % in den beiden letzten Quartalen, siehe Abb. 5. Hier erwarten wir eine deutliche Änderung. Vor allem weil die US-Haushalte seit Jahren über ihre Verhältnisse leben und mehr Geld ausgeben, als sie verdienen, vgl. Abb. 6, die die negative Sparquote der USVerbraucher darlegt. Dies war primär angesichts der hohen Vermögensgewinne am Aktien- und Immobilienmarkt möglich. Die in den letzten 12 bis 18 Monaten Lohnsteigerung Vorquartalen. Künftig dürfte sich der private Konsum langsamer ausweiten, während sich der Bau- und Industriesektor sowie der Außenhandel nicht so negativ auswirken dürften wie bisher. Zinssenkungen in den USA wird den USD schwächen Falls sich unsere Erwartung eines BIP-Wachstums von ca. 2 % bewahrheitet, ist voraussichtlich Handlungsfreiheit für bescheidene Zinssenkungen in der zweiten Jahreshälfte gegeben. Entscheidend ist, dass der Inflationsdruck weiterhin abnimmt, so wie es in den letzten Monaten der Fall war. Gegebenenfalls dürfte sich die Fed im Laufe des Sommers einer ausgewogenen Rhetorik bedienen und somit ankündigen, dass das Risiko einer überhöhten Inflation nicht länger größer sei als 4 60 3,50 3 50 3,00 3,00 1,20 2 40 2,50 2,50 1,10 30 2,00 2,00 1,00 20 1,50 1,50 0,90 10 1,00 1,00 0,80 1 Privatverbrauch 0 -1 90 92 94 96 98 00 02 04 06 Kerninflation 00 01 02 03 04 05 06 00 01 02 03 04 05 06 07 Anlageinfo – Mai 2007 11