21. Juni 1999 u Vorlesung Pathophysiologie SS 1999 Block Kardiologie Prof. T.F. Lüscher unter Mitarbeit von: PD Dr. G. Noll PD Dr. R. Candinas Prof. R. Jenni Dr. Z. Yang Kardiologie, Universitätsspital Zürich und Kardiovaskuläre Forschung, Institut für Physiologie, Universität Zürich-Irchel, Schweiz Korrespondenzaddresse: Prof. Thomas F. Lüscher Abteilungsleiter Kardiologie Universitätsspital CH-8091 Zürich Telephon: Telefax: E-mail: Homepage Kardiologie: 01 255 21 21 01 255 42 51 [email protected] www.kardiologie.unizh.ch 1 Inhaltsverzeichnis 1. BEDEUTUNG DER HERZ- UND KREISLAUFERKRANKUNGEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. KREISLAUFFUNKTION . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 3. KARDIOVASKULÄRE RISIKOFAKTOREN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 . 1 . HYPERTONIE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 3 . 2 . HYPERCHOLESTERINÄMIE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 3 . 3 . DIABETES. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 3 . 4 . ANDERE RISIKOFAKTOREN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 4. KORONARE HERZKRANKHEIT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 0 5. HERZINSUFFIZIENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 7 6. KARDIOMYOPATHIEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 2 7. RHYTHMUSSTÖRUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 4 7 . 1 . SUPRAVENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 5 7 . 2 . VENTRIKULÄRE RHYTHMUSSTÖRUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 6 8. KLAPPENFEHLER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 9 8 . 2 . AORTENINSUFFIZIENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2 8 . 3 . MITRALSTENOSE. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 4 8 . 4 . MITRALINSUFFIZIENZ. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 6 9. HYPOTENSION UND SCHOCK. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 8 2 1. Bedeutung der Herz- und Kreislauferkrankungen Herz- und Kreislauferkrankungen sind in westlichen Ländern - so auch der Schweiz - häufig. So sterben fast die Hälfte der Schweizer an dieser Krankheitsgruppe (Abb. 1). Auch im Universitätsspital Zürich werden im Departement Innere Medizin rund die Hälfte der Patienten aufgrund dieser Diagnosen hospitalisiert (Abb. 1). Todesursachen Tumoren (26.9%) Unfälle, Gewalt (5.3%) Respiratorisch (7.6%) Gastrointestinal (3.0%) Stoffwechsel, Blutkrankheiten (2.9%) Suizide (2.3%) Nervensystem (2.0%) Infektionen (1.8%) Übrige (4.8%) Abb. 1: Spitaleintritte Tumoren (15%) Respiratorisch (5%) Gastrointestinal (5%) Blutkrankheiten (1%) Stoffwechsel (4%) Infektionen (4%) Übrige (13%) Kardiovaskulär (43.4%) Kardiovaskulär (53%) Häufigste Todes- und Hospitalisationsursachen in der Schweiz. Myokardinfarkt Koronarthrombose Myokardischämie Hirnschlag Arrhythmie stumme Ischämie Angina pectoris Hibernation KHK Niereninsuffizienz Arteriosklerose LVH Periphere arterielle Verschlusskrankheit Risikofaktoren (Hypercholesterinämie,Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen Blutplättchen, Fibrinogen) Abb. 2: plötzlicher Herztod Remodeling Ventrikuläre Dilatation Herzinsuffizienz Terminale Herzinsuffizienz Klinische Ereignisskette der Risikofaktoren, Arteriosklerose und deren Folgeerkankungen in der Zerebral- und Kororarzirkulation sowie peripheren Gefässen. 3 Die klinische Ereigniskette der Herz- und Kreislaufserkrankungen umfasst die Risikofaktoren (Hypertonie, Lipidstoffwechselstörungen, Diabetes, Rauchen u.a.m.), welche keine eigentlichen Krankheiten darstellen, aber dennoch behandlungsbedürftig sind, sowie die Folgen der Arteriosklerose wie transient-ischämische Attacken, Hirnschlag, die koronare Herzkranheit und ihre Folgen wie Angina pectoris, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz und plötzlicher Tod bezw. Pumpversagen (Abb. 2). Neben diesen Gefässerkrankungen spielen auch Erkankungen des Myokards und der Herzklappen eine wichtige Rolle (Tab. 1). Tabelle 1: Formen der Her- und Kreislauferkrankungen Kardiovaskuläre Risikofaktoren Hypertonie Lipidstoffwechselstörungen Diabetes mellitus Rauchen körperliche Inaktivität männliches Geschlecht Andere (Homocysteinämie, Lipoprotein(a), andere) Arteriosklerose Transient-ischämische Attacke (TIA) Koronare Herzkrankheit Niereninsuffizienz, renovaskuläre Hypertonie Claudicatio intermittens Kardiomyopathien Hypertrophe Kardiomyopathie Dilatative Kardiomyopathie Restriktive Kardiomyopathie Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie Andere Formen Rhythmusstörungen Supraventrikuläre Rhythmusstörungen (Vorhofflimern, Sick Sinus Syndrom, AVreentry, WPW-Syndrom etc.) Ventrikuläre Rhythmusstörungen Klappenerkankungen Aortenstenose Aorteninsuffizienz Mitralstenose Mitralinsuffizienz Congenitale Vitien Kreislaufstörungen Arterielle Hypertonie Pulmonale Hypertonie Arterielle Hypotonie Kreislaufschock Seltene Erkrankungen _________________________________________________________________________________ 4 2. Kreislauffunktion Für eine normale Funtion des Kreislaufes ist eine normal Kontraktiliät des linken und rechten Ventrikels, der Herzklappen sowie der Überleitungs- und Widerstandsgefässe des systemischen und pulmonalen Kreislaufes notwendig. Die normale Herzfunktion ist in Abbildung 3 dargestellt. Abb. 3: Druckverlauf deslinken und rechten Ventrikel sowie linksventrikuläres Volumen sowie aortaler und pulmonaler Fluss. MC=Mitralklappenschluss; AO=Aortenklappenöffnung; AC=Aortenklappenschluss; MO=Mitralklappenöffnung; PO=Pulmonalklappen-öffnung; PC=Pulmonalklappenschluss; TO=Tricus-pidalklappenöffnung; TC=Tricuspidalklappenschluss 5 Der Herzzyklus ist durch fünf Phasen isovolumetrische ventrikuläre Kontraktion gekennzeichnet, nämliche atriale Systole (1), (2), ventrikuläre Ejektion (3), isovolumetrische ventrikuläre Relaxation (4) und ventrikuläre Füllung (5). Die Druckwerte sind in der linken Herzkammer um ein mehrfaches höher als in der rechten Herzkammer. Die normalen hämodynamischen Werte sind in Tabelle 2 angegeben. Tabelle 2: Normale hämodynamische Werte beim Menschen Anatomischer Ort Mittelwert (mmHg) Bereich (mmHg) Rechter Vorhof A-Welle V-Welle Mittelwert 6 5 3 2-7 2-7 1-5 Rechter Ventrikel systolischer Druck enddiastolischer Druck 25 4 15-30 1-7 Pulmonalarterie systolischer Druck enddiastolischer Druck Mitteldruck 25 9 15 15-30 4-12 9-19 Kapillardruck Mittelwert 9 4-12 Linker Vorhof A-Welle V-Welle Mittelwert 10 12 8 4-16 6-21 2-12 Linker Ventrikel systolischer Druck enddiastolischer Druck 130 8 90-140 5-12 Zentrale Aorta systolischer Druck 130 90-140 enddiastolischer Druck 70 60-90 Mitteldruck 85 70-105 _________________________________________________________________________________ Aus dem Herzminutenvolumen (HMV) und dem peripheren Widerstand entsteht der Blutdruck. Das HMV setzt sich aus dem Schlagvolumen (SV) und der Herzfrequenz (HF) zusammen. Der systemische vaskuläre Widerstand beträgt im Mittel 1100 dyn.sek x cm-5 (Bereich 700-1600), der totale pulmonale Widerstand 200 dyn.sek x cm-5 (Bereich 100-300), der pulmonale vaskuläre Widerstand im Mittel 70 dyn.sek. x cm -5 (Bereich 20-130). Bei erhöhten Druckwerten in der Pulmonalzirkulation spricht man von pulmonaler Hypertonie, in der systemischen Zirkulation von arterieller Hypertonie. 6 In der Koronarzirkulation fliesst - im Gegensatz zu anderen Gefässgebieten - aufgrund der Kontraktion des Muskels Blut vor allem in der Diastole und kaum in der Systole. Entsprechend wird der Blutfluss in das Koronarsystem durch (1) den Perfusionsdruck, (2) dem peripheren Widerstand sowie die (3) Herzfrequenz bestimmt, welche die Dauer der Diastole vorgibt. 3. Kardiovaskuläre Risikofaktoren Die Framingham Studie hat in den letzten vier Jahrzehnten gezeigt, dass gewisse Faktoren das Risiko für Hirnschlag, Herzinfarkt und andere kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht. Dazu gehören neben dem Alter und dem männlichen Geschlecht die Höhe des Blutdrucks (systolisch und/oder diastolisch), der Cholesterinspiegel, insbesondere diejenigen des Low Density Lipoproteins (LDL), Nikotinkonsum, ausgeprägtes Übergewicht und Diabetes mellitus. Zu den neueren kardiovaskulären Risikofaktoren gehören das Lipoprotein(a) sowie das Homocystein. Bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer Risikofaktoren wie Glukoseintoleranz, Lipidstoffwechselstörungen und Hypertonie spricht man von einem metabolischen Syndrom. Umgekehrt gibt es auch günstige Faktoren, so insbesondere weibliches Geschlecht, wobei hier wahrscheinlich Östrogene (u.a. das natürliche 17ß-Östradiol) eine besonders wichtige Rolle spielen. Entsprechend sind Herzinfarkt und Hirnschlag bei Frauen vor der Menopause recht selten. Ein gewisser Schutz vor der koronaren Herzkrankheit ergibt sich durch Alkoholkonsum, wobei mit dem Ausmass des Konsums (0-4 Gläser) das Risiko kontinuierlich abnimmt. Umgekehrt steigt mit zunehmenden Alkoholkonsum das Risiko einer arteriellen Hypertonie, einer alkholischen Kardiomyopathie und natürlich der Leberzirrose. 3.1. Hypertonie: Die arteriellen Blutdruckwerte werden in der Regel mit einer Blutdruckmanschette am linken oder rechten Arm mit einem Sphygmomanometer im Sitzen gemessen. Die heute gültigen Blutdruckwerte sind in Tabelle 3 aufgelistet. Tab. 3: Definition der Blutdruckwerte (JNC VI Klassifikation) Optimale Blutdruckwerte < 120/80 mmHg Normale Blutdruckwerte < 130/85 mmHg Hochnormale Blutdruckwerte < 140/90 mmHg (Normotonie) Grenzwerthypertonie < 160/95 mmHg (Grad 1 Hypertonie) Mässige Hypertonie < 180/110 mmHg (Grad 2 Hypertonie) Schwere Hypertonie > 180/110 mmHg (Grad 3 Hypertonie) Systolische Hypertonie > 140 / < 90 mmHg _________________________________________________________________________________ Generell gilt, dass das kardiovaskuläre Risiko praktisch linear mit dem Blutdruck ansteigt und sich ein normaler und pathologischer Bereich im strengen Sinne nicht unterscheiden lassen. Die 7 Definitionen des Normbereichs stützen sich einerseits auf die epidemiologischen Untersuchungen, vor allem bei Jüngeren, und das relativ geringe Risiko in diesem Bereich. Etwa 90% der Patienten weisen eine sogenannte essentielle Hypertonie auf, bei welcher eine eigentliche Ursache mit Sicherheit nicht gefunden werden kann. Wichtig sind insbesondere genetische Faktoren. So steigt das Risiko für eine arterielle Hypertonie an, je mehr Verwandte und insbesondere Eltern davon befallen sind. Ebenfalls hat sich gezeigt, dass gewisse Genmutationen, vor allem im Angiotensinogen-Gen mit höheren Blutdruckwerten assoziiert sind. S familiäre Hypertonieformen sind auch beschrieben. Schliesslich weisen gewisse Patienten eine sogenannte Salzsensitivität auf und entwickeln unter einer Salzdiät, wie sie in westlichen Gesellschaften üblich ist, einen erhöhten Blutdruck. Wahrscheinlich spielt auch das sympatische Nervensystem bei der Entwicklung der arteriellen Hypertonie eine Rolle. So zeigen bereits normotensive Kinder von Hypertonikern eine Überaktivierung des Sympathikus unter mentalem Stress. Wenige Prozent der Patienten (3-5%) weisen eine sekundäre Hypertonieform auf. Die renale Hypertonieform ist dabei die häufigste, so insbesondere die renovaskuläre Hypertonie und die renalparenchymatöse Hypertonie. Die renovaskuläre Hypertonie wird entweder durch eine fibromuskuläre Dysplasie (Perlenkettenstenosen) oder durch eine arteriosklerotische Plaque der grossen Nierenarterien verursacht. Arteriosklerotische Plaques befinden sich typischerweise am Abgang der Nierenarterien, fibromuskuläre Veränderungen etwas distal oder in den Nierenarterienästen. Die erstere Form ist häufiger bei Männern über 50 Jahren, die letztere besonders häufig bei schlanken Frauen zwischen 20 und 40 Jahren. Nicht selten lassen sich fibromuskuläre Veränderungen auch an den Karotiden und den Intestinal- und Beinarterien nachweisen. 3.2. Hypercholesterinämie: Das Risiko an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken steigt mit dem Cholesterinspiegel stetig an. Dabei scheint vor allem das LDL Cholesterin eine wichtige Rolle zu spielen (Abb. 4). Umgekehrt zeigt das HDL Cholesterin eine inverse Beziehung zum Risiko eine koronare Herzkrankheit zu entwickeln. Das HDL Cholesterin wird genetisch determiniert und durch Östrogene, Alkohol sowie körperliche Betätigung erhöht. 8 Risiko für eine koronare Herzkrankheit 4.0 3.0 2.0 1.0 100 Abb. 4: 150 25 200 45 (mg/dl) 250 Total-Cholesterin 65 HDL-Cholesterin Beziehung zwischen dem Risiko eine koronare Herzkrankheit zu erleiden und dem Gesamtcholesterin bzw. dem HDL Cholesterin Cholesterin wird in der Leber durch das Enzym HMG-Co-Enzyme-A-Reduktase aus Mevalonsäure synthetisiert (Abb. 5). Cholesterin wird in den Blutbahnen durch Lipoproteine transportiert (da es nicht wasserlöslich ist) und anschliessend über den LDL Rezeptor in der Leber wieder aufgenommen, abgebaut und über die Gallenwege ausgeschieden. Cholesterinmetabolismus LipoproteinLipase Chylomikro- Chylomikronen Gallensäuren Acetyl-CoA nenrest Cholesterin Gallensäuren HMG-CoAReduktase RNA LDL HDL LDL VLDL Membranen Cholesterin Hormone Abb. 5: LDL IDL oxLDL Stoffwechselweg der Cholesterinsynthese im Körper. 9 Die Statine sind eine Medikamentenklasse, welche das Enzym HMG-Co-Enzyme-A-Reduktase hemmen und damit die Cholesterinsynthese in der Leber. Dadurch kommt es zu einer Heraufregulation der LDL Rezeptoren in der Leber und zu einer verstärkten LDL Aufnahme und einem Abfall der Plasmacholesterinspiegel bzw. LDL Spiegel. Daneben weisen Statine möglicherweise noch andere antiatherogene Effekte auf Endothelzellen (erhöhte Nitric Oxide Synthase Expression), Gefässmuskelzellen (Proliferationshemmung) und Makrophagen auf. 3.3. Diabetes: Der Diabetes mellitus ist die "Krebserkrankung" der Gefässe. In der Tat verdoppelt das Vorhandensein eines Diabetes das kardiovaskuläre Risiko bei Frauen und verdoppelt bis verdreifacht es sich bei Männern. Möglicherweise kommt es beim Typ II Diabetes durch die hohen Blutglukosewerte zu Veränderungen der Endothelfunktion mit einer vermehrten Produktion der freien Sauerstoffradikale, Bildung von toxischen Abbauprodukten sowie zur Glykolisierung verschiedener wichtiger Proteine in der Gefässwand. Insbesondere ist auch die Permeabilität der Endothelzellen erhöht womit es zu einer verstärkten Eindringen von Lipoproteinen in die Gefässwand und damit zu einer Progression der Arteriosklerose kommt. Diabetische Blutgefässe sind auch besonders empfindlich auf erhöhte Blutdruckwerte. Entsprechend gelten bei Diabetikern tiefere Normwerte für den Blutdruck (120/80 mmHg oder darunter) als bei Nichtdiabetiker. 3.4. Andere Risikofaktoren: Ein weiterer Risikofaktor, welcher kürzlich entdeckt wurde, ist das Homocystein. Die familiäre Hyperhomocysteinämie ist mit einer massiven Arteriosklerose schon im Jugendalter assoziiert. Erhöhte Homocysteinwerte sind aber auch in der Allgemeinbevölkerung nicht selten und mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert. Folsäure senkt die Homocysteinspiegel; der klinische Nutzen dieser Therapie (ausser der Senkung des Homocysteinspiegels im Blut selbst) ist oder noch nicht belegt und wird derzeit untersucht. Ein weiterer Risikofaktor, welches ein wichtiger kardiovaskulärer Risikofaktor ist, ist das Lipoprotein(a). Dieses Lipoprotein, welches Ähnlichkeiten mit fibrinolytischen Faktoren aufweist, erhöht das Risiko für eine koronare Herzkrankheit, vor allem wenn gleichzeitig das LDL erhöht ist. Dies lässt sich mit konventionellen Medikamenten nicht behandeln. Einzig Östrogene senken die LP(a)-Spiegel. 4. Koronare Herzkrankheit Die koronare Herzkrankheit ist sowohl für die Morbidität wie Mortalität der meisten Patienten in westlichen Ländern die wichtigste Erkrankung (siehe Abb. 2, Seite 3). Der koronaren 10 Herzkrankzeit liegt bei fast allen Patienten eine Arteriosklerose der grossen epikardialen Koronararterien zugrunde. Die Arteriosklerose führt initial zu einer Verdickung der Gefässwand und Erweiterung der Gefässe (sogenanntes „Compensatory Remodeling“) und im weiteren Verlauf häufig zu einer Einengung der Gefässe (sogenanntes „Restrictive Remodeling“; Abb. 6). Mit der perkutanen transluminalen koronaren Angioplastie (PTCA) wird das Lumen erweitert. Bei einem Drittel der Patienten allerdings kommt es zum sogenannten „Restrictive Remodeling“ oder Schrumpfen des Gefässes mit Entwicklung einer Restenose. Bei einer Stentimplantation ist das Schrumpfen des Gefässes mechanisch unmöglich; eine deutliche Proliferation führt aber bei einem Viertel der Patienten dennoch zu einer Restenose (Abb. 6). Abb. 6: Remodeling der Gefässwand Stentimplantation. bei Arteriosklerose, nach PTCA bzw. nach Das entscheidende Ereignis bei der Entwicklung der koronaren Herzkrankheit ist einerseits eine Einengung des Gefässlumens mit Behinderung der Durchblutung (d.h. Ischämie) unter Belastung, sowie die akute Beeinträchtigung des Koronarflusses durch eine Plaqueruptur bzw. eine endotheliale Erosion, welche eine massive Behinderung des Koronarflusses oder sogar einen Koronarverschluss bewirkt. Eine Stenose der grossen Koronararterien führt zu Angina pectoris, während die Plaqueruptur bzw. die endotheliale Erosion mit akuten Koronarsyndromen assoziiert sind, d.h. instabile Angina pectoris und Herzinfarkt. Kommt es bei Vorliegen einer Koronarstenose zu einer Einengung des Lumens um über 50% bzw. der Koronarfläche um über 75%, so ist der Koronarflusses unter Belastung vermindert (Abb. 7). Entsprechend tritt Angina pectoris auf. Die wichtigsten Ursachen für die Ischämie sind (1) Verkürzung der Diastole (und damit des für die Koronardurchblutung verfügbaren Zeitintervals), (2) Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs (MVO2) aufgrund einer Erhöhung der Inotropie und des intrakavitären Drucks bzw. der Wandspannung und/oder (3) 11 funktionelle weitere Einengungen des Gefässes durch eine Vasokonstriktion. Obschon bei gewissen Patienten (Prinzmetal Angina) eine funktionelle Stenose (Vasospasmus) allein den Koronarfluss behindert, liegt bei den meisten Patienten eine Mischform vor. So werden Stenosen durch (1) Kältebelastung (Sympathikusaktivierung und Vasokonstriktion) (2) psychischen Stress durch (3) mechanische Kräfte (körperliche Belastung) funktionell verstärkt (morphologische Veränderungen plus Vasokonstriktion). Abb. 7: Entstehung der Myokardischämie durch erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch (rechts) oder Beeinträchtigung des Sauerstoffversorgung (links). Bei der Entstehung der Arteriosklerose spielen drei Hauptfaktoren eine wichtige Rolle, nämlich (1) eine verstärkte Vasokonstriktion (Spasmusneigung der Koronararterien), (2) strukturelle Wandveränderungen durch Aufnahme von Lipiden, Infiltration durch weisse Blutzellen wie Monozyten und Lymphozyten und Bildung von Schaumzellen sowie durch (3) Invasion und Proliferation von Gefässmuskelzellen aus der Media und (4) Thrombozytenadhäsion, - aggregation und Thrombusbildung. Bei der Entstehung der Arteriosklerose steht heute die Endotheldysfunktion im Vordergrund (Abb. 8). Endothelzellen kleiden die Innenseite von Gefässen aus und regulieren sowohl die Funktion zirkulierender Blutzellen wie Thrombozyten, Monozyten und Lymphozyten wie auch die darunter liegenden Gefässmuskelzellen in dem sie Gefässtonus und -struktur regulieren. Wichtige endotheliale Faktoren sind Stickstoffmonoxyd (Nitric Oxide = NO), Endothelin (ET1) sowie Proteine, welche die Adhäsion zirkulierender Blutzellen regulieren (ICAM1, VCAM1 u.a.m.) und Wachstumsfaktoren wie Platelet-derived Growth Factor (PDGF u.a.m.). Die Pathophysiologie der endothelialen Dysfunktion und ihre Beziehung zur Arteriosklerose ist in Abbildung 8 dargestellt. 12 Grundsätzlich lassen sich vier Phasen der Entwicklung der arteriosklerotischen Gefässerkrankungen unterscheiden, nämlich (1) abnorme Vasomotion mit Abschwächung der endothelialen Vasodilatation aufgrund einer vermehrten Inaktivation von NO (durch Superoxid; - O 2 ) und später einer verminderten Bildung von NO. Weiter wird vermehrt ET-1 gebildet; (2) Die vermehrte Bildung freier Sauerstoffradikale wie Superoxid (O2-) und die verminderte Produktion von NO führt zu einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors NFκB, welcher die Expression von Adhäsionsmolekülen reguliert. Dies führt zur Anlockung von Monozyten durch Monocyte Chemotractant Protein 1 (MCP1), sowie Expression von Adhäsionsmolekülen (ICAM-1, VCAM1) wie Selektine (welche das „rolling“ der Monozyten vermitteln) sowie der „Andock-Proteine“ ICAM1 und VCAM1. (3) In einer weiteren Phase der Arteriosklerose kommt es zur Migration und Proliferation von Gefässmuskelzellen von der Media in die Intima und Bildung von Matrixproteinen wie Kollagen u.a.m.. Dies führt zur Bildung der fibrösen Plaques. (4) Mit zunehmender Endotheldysfunktion und vor allem bei Endothelerosion und Plaqueruptur kommt es zur Adhäsion und zum Teil zu einer massiven Aggregation der Thrombozyten. Dies ist besonders bei akuten Koronarsyndromen typisch. Thrombozyten natives LDL ox LDL ox LDL Monozyten NO Thrombozyten Scavenger Rezeptor Scavenger Rezeptor LDL Rezeptor Endothel O2- MCP-1 ET CD31 ICAM-1 VCAM-1 NO NOS NO Selektine PDGF Schaumzelle ETB ETA Ca2+ cGMP glatte Gefässmuskelzellen Ch-EK Abb. 8: Die Endotheldysfunktion und Arteriosklerose (Abkürzungen siehe Text) Myokardischämie verursacht Angina pectoris und führt den Patienten aus symptomatischen Gründen zum Arzt. Der Schweregrad der Angina pectoris wird nach der Klassifizierung der New York Heart Association (NYHA) bzw. der Canadian Cardiac Society (CCS) eingeteilt (Tab. 4). Gelegentlich kann die Ischämie auch schwere Rhythmusstörungen auslösen und direkt zum plötzlichen Herztod führen. Insgesamt aber ist das kardiovaskuläre Risiko bei Patienten mit Angina pectoris relativ gering; so beträgt die jährliche Ereignisrate nur etwa 3-5%. 13 Tab. 4: Schweregrad kardialer Symptome New York Heart Association (hauptsächlich Herzinsuffizienz aber auch Angina) NYHA I NYHA II Canadian Cardiology Society (nur Angina pectoris) Klinisch stumm bei starker Anstrengung CCS I bei schwerer Anstrengung CCS II geringe Beeinträchtigung bei mässiger Belastung NYHA III bei geringer Anstrengung CCS III erhebliche Beeinträchtigung bei mässiger Belastung NYHA IV in Ruhe CCSIV Beschwerden bei geringer Belastung oder Ruhe _________________________________________________________________________________ Das entscheidende Ereignis, welches die Prognose von Patienten mit koronarer Herzkrankheit massiv verschlechtert ist die Entwicklung eines Herzinfarktes (Abb. 2). Nach Herzinfarkt kommt es häufig zu einem plötzlichen Herztod, zum Remodeling des Ventrikels (ggf. mit Aneurysmabildung), vor allem bei grossen Vorderwandinfarkten, zur ventrikulären Dilatation und schliesslich zu Herzinsuffizienz und Tod. Ein Drittel der Patienten mit Herzinfarkt sterben bevor sie einen Arzt aufsuchen können (sogenannte „out of hospital death“). Bei Eintritt in den Spital beträgt heute die Mortalität nach Herzinfarkt zwischen 8 und 12%. Dies kontrastiert mit der hohen Mortalitätsrate in den 60-ger Jahren, welche bei rund 35% lag. Die wesentlichsten therapeutischen Fortschritte, welche zu dieser Reduktion geführt haben sind die Elektrokonversion bei Kammerflimmern, die Einführung von Aspirin, der Betablocker und vor allem die Thrombolyse mittels Streptokinase bzw. Gewebeplasminogenaktivator (TPA), welche durch eine Auflösung der Fibrinbrücken zu einer Auflösung intrakoronarer Gerinsel führen. Als Ursache liegt vielen akuten Koronarsyndromen eine Plaqueruptur (60%) bzw. eine Endothelerosion (40%) zugrunde. Plaquerupturen kommen vor allem bei lipidreichen Plaques vor, welche Monozyten enthalten. Man geht davon aus, dass die Monozyten Enzyme produzieren wie Metalloproteasen (MMP-1 und MMP-9), welche Kollagen abbauen und damit zu einer Destabilisierung der Plaque (Auflösung der Bindegewebskapsel) führen. Mechanische und andere Reize führen dann zur Plaqueruptur mit Exposition thrombogener subendothelialer Strukturen (Kollagen, von Willebrand Faktor, Lipidkern der Plaque), Thrombusbildung und zum Teil Gefässverschluss (Abb. 9). Das Risiko der instabilen Angina pectoris ist die Entwicklung eines Herzinfarkts bzw. Herztodes. Der Mechanismus ist die Erweiterung des initialen Thrombus (Propagationsthrombus) mit Freisetzung vasokonstriktorischer Substanzen (Thromboxan A 2 und Serotonin) aus den Thrombozyten und damit Beeinträchtigung des Blutflusses auch in der Mikrozirkulation. Damit wächst der Thrombus weiter und es kann sich ein Okklusionsthrombus bilden (Abb. 9). Die Klinik der instabilen Angina pectoris wird nach Braunwald eingeteilt (Tab. 5). 14 Tab. 5: Braunwald Klassifikation der instabilen Angina pectoris Schweregrad I Neuauftretende (≤ 2 Monate), schwere (bis 3 x/Tag) oder verstärkte AP II Anamnestisch AP in Ruhe (≥ 1 Episode im letzten Monat, aber keine AP in Ruhe in den letzten 48 h) III Akute AP in Ruhe (≥ 1 Episode in den letzten 24 h) Klinische Differenzierung A Sekundäre insabile AP (Anämie, Infekt, Fieber, Hypotension, Tachyarrhythmie, Thyreotoxikose, respiratorische Insuffizienz) B Primäre unstabile AP C Postinfarkt instabile AP (≤ 2 Wochen nach Infarkt) _____________________________________________________________________________________ Abb. 9: Mechanismus der instabilen Angina pectoris und ihr Übergang in einen Infarkt: Die Plaqueruptur führt zu einem initialen Thrombus innerhalb der Plaque, wobei vor allem der Lipidpool thrombogen wirkt. Anschliessend bildet sich ein Propagationsthrombus mit Freisetzung von Thromboxan A2 und Serotonin, welche in der Mikrozirkulation eine Kontraktion und damit Abnahme des Koronarflusses verursachen. Dies führt z u einer Erweiterung des Thrombus mit Verschluss. 15 Nicht jede Plaqueruptur oder endotheliale Erosion führt zu einem Gefässverschluss. Häufig kommt es sogar zum Abheilen der Plaques. Dies erklärt, dass nur rund 15% der Patienten mit instabiler Angina pectoris im Verlaufe von 6 Monaten einen Herzinfarkt entwickeln. Die Prognose der instabilen Angina pectoris wird (1) vom Alter des Patienten (je älter desto höher das Risiko), (2) den EKG-Veränderungen (T-Negativitäten, ST-Streckensenkungen) und (3) biochemischen Parametern bestimmt. Erhöhungen von Troponin I und Troponin C (ohne Erhöhung der Kreatininkinasen und anderer Enzyme) treten bei einem Teil der Patienten mit instabiler Angina pectoris auf. Sie haben ein erhöhtes Risiko für einen Infarkt. Ebenso weisen Patienten mit erhöhtem C-reaktivem Protein (CRP) und erhöhten Spiegeln anderer inflammatorischer Marker wie Interleukin-6 u.a.m. ein erhöhtes Risiko auf. Die Therapie der instabilen Angina pectoris richtet sich nach ihrer Pathophysiologie, d.h. Hemmung der Vasokonstriktion (Nitroglyzerin) sowie der Thrombusbildung (Aspirin, Heparin). Neue Medikamente sind die Low Molecular Weight Heparins (LMH), welche zum Teil eine leicht bessere oder zumindest gleichwertige Wirkung wie Heparin zeigen und subkutan verabreicht werden können, sowie die „Super Aspirine“, d.h. die Glykoprotein IIb/IIIa Hemmer. Die Glykoprotein IIb/IIIa Hemmer blockieren die Fibrinrezeptoren der Blutplättchen, welche eine Brückenbildung zwischen Thrombozyten und damit eine Verfestigung des Thrombus erlauben. Durch Hemmung dieser Rezeptoren kommt es zur Auflösung des Thrombus bzw. zur Verhütung seiner weiteren Bildung. Der akute Myokardinfarkt ist neben klinischen Symptomen wie Thoraxschmerz, Schwitzen, Hypotension und gegebenenfalls Bewusstlosigkeit mit Veränderungen des EKGs (ST- Erhebungen) sowie Enzymveränderungen (Anstieg der Kreatininkinase; CK, der MB-Fraktion; CK-MB, des Myoglobins und später der Laktatdehydrogenase; LDH) assoziiert. Man unterscheidet Vorderwandinfarkte (meist Verschluss des Ramus interventrikularis anterior), laterale und posteriore Myokardinfarkte (meist Verschluss des Ramus circumflexus; RCX) sowie Hinterwandinfarkte (meist Verschluss der rechten Koronararterie; RCA). Grosse Vorderwandinfarkte haben akut wie auch im Langzeitverlauf die schlechteste Prognose, da sie häufig mit ausgeprägtem Remodeling, Erweiterung des Ventrikels, Aneurysmabildung und Herzinsuffizienz assoziiert sind. Dem Herzinfarkt liegt ein Verschluss einer epikardialen Koronararterie zugrunde, wobei die Infarktgrösse durch die Lage des Verschlusses (je proximaler desto grösser der Infarkt) sowie das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein von Kollateralen bestimmt wird. Patienten, welche eine langsam wachsende Plaque aufweisen und damit Kollateralen entwickeln können, haben bei einem Koronarverschluss nur kleine oder gar keine Infarkte, während Patienten mit einem plötzlichen Verschluss einer grossen Koronararterie häufig grosse Infarkte entwickeln bzw. an 16 einem plötzlichen Herztod sterben. Die massive Ischämie, welche nach Verschluss einer grossen Koronararterie entsteht, bewirkt Angina pectoris und führt durch regionale Reizleitungsstörungen zu Rhythmusstörungen und gegebenenfalls zum plötzlichen Herztod. Eine weitere Konsequenz der Minderdurchblutung ist die Abnahme der Kontraktilität des linken Ventrikels und bei grossen Infarkten zu Hypotension und Schock (siehe Abbschnitt 9). 5. Herzinsuffizienz Die Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom, welches typische Symptome, charakteristische klinische Untersuchungsbefunde und hämodynamische Veränderungen aufweist (Tab. 6). Das Ausmass der Beschwerden wird wie in Tabelle 4 dargestellt klassifiziert. Tab. 6: Charakteristika der Herzinsuffizienz Klinische Symptome Klinische Befunde Anstrengungsintoleranz 3. (oder 4.) Herzton Anstrengungsdyspnoe (NYHA II-IV) Lungenstauung Orthopnoe Halsvenenstauung Ödeme Nykturie _________________________________________________________________________________ Grundsätzlich lässt sich eine Linksherz- und Rechtsherzinsuffizienz unterscheiden. Die Linksherzinsuffizienz betrifft den linken Ventrikel. Dabei kann es entweder zu einer Beeinträchtigung der systolischen Funktion (zunehmendes Pumpversagen) mit Abnahme der Auswurffraktion kommen oder eine diastolische Dysfunktion kann im Vordergrund stehen. Dabei ist die Füllung des linken Ventrikels aufgrund einer linksventrikulären Hypertrophie oder Restriktion beeinträchtigt. Bei der Rechtsherzinsuffizienz bestehen diese Veränderungen im rechten Ventrikel. Die hämodynamischen Auswirkungen der Linkssherzinsuffizienz sind in Abb. 10 dargestellt. 17 Abb. 10: Hämodynamische Auswirkungen der Herzinsuffizienz 18 Die Auswirkungen der Herzinsuffizienz auf periphere Organe sind in Abb. 11 wiedergegeben. Abb. 11: Auswirkungen der Herzinsuffizienz auf die Funktion peripherer Organe Die Ursachen der Herzinsuffizienz sind vielfältig. Sie kann entweder primär aufgrund einer Dysfunktion des Herzmuskels, aufgrund einer schweren Klappendysfunktion oder Störungen des Herzrhthymus entstehen. Die verschiedenen Ursachen sind in Tabelle 7 dargestellt. 19 Tab. 7: Ursachen der Herzinsuffizienz Volumenüberlastung Klappeninsuffizienz „High Output Failure“ (Hyperthyreose, Anämie, AV-Fistel, Shunts, u.a.m.) Druckbelastung Arterielle Hypertonie Coarctatio aortae Aortenstenose Hypertrophe Kardiomyopathie [mit (HCM) oder ohne (HOCM) Beeinträchtigung des Ausflusstraktes] Myokardverlust Herzinfarkt Bindegewebserkrankungen Verlust der Kontraktilität Toxine (Adriamycin, u.a.m.) Infekte (viral, bakteriell) Füllungsbehinderung Mitral-, Trikuspidalstenose, Perikarderkrankungen Amyloidose _________________________________________________________________________________ Obschon als Ursache der Herzinsuffizienz primär eine Funktionsstörung des Herzens (Muskel, Klappen etc.) im Vordergrund steht, sind im Verlauf der Erkrankung, und mit der Entwicklung der typischen klinischen Befunde, Adaptationen des peripheren Kreislaufes sowie der neurohumoralen Systeme von besonderer Wichtigkeit. So kommt es bei Herzinsuffizienz zu einer Stimulation Nervenendigungen des Sympathikus und erhöhten mit vermehrter Aktivierung Plasmacatecholaminspiegeln. der Dies neuroadrenergen ist primär als kompensatorische Massnahme zu verstehen, wobei häufig eine überschiessende Aktivierung zu finden ist, welche sich prognostisch ungünstig auswirkt. So ist die Prognose von Patienten mit Herzinsuffizienz mit zunehmender Stimulation des Sympathikus zunehmend schlechter. Gleichzeitig kommt es zu einer Aktivierung des Renin Angiotensin Systems mit Anstieg der Plasmareninaktivitität im Blut sowie der Angiotensin I-, Angiotensin II- und Aldosteronspiegel. Diese neurohumorale Stimulation führt zu einer weiteren Vasokonstriktion, zentraler Stimulation des Sympathikus (über Angiotensin II und Aktivierung von AT1 Rezeptoren im Hypothalamus) sowie zu Natrium- und Wasserretention mit Ödembildung in der Lunge und in der Peripherie. Diese Wirkungen werden durch Aldosteron weiter verstärkt. Zudem kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Vasopressin, was die Wasserretention in den Sammelröhren der Nieren wie auch die Vasokonstriktion noch weiter ausprägt. Neuere Befunde zeigen zudem, dass die Plasmaendothelinspiegel mit zunehmender Herzinsuffizienz ansteigen und möglicherweise Endothelin ein wichtiger negativer prognostischer Marker das darstellt. Kompensatorisch kommt es vor allem aufgrund der erhöhten Druckwerte in den Vorhöfen zur 20 Freisetzung des atrialen natriuretischen Peptides, welches der Vasokonstriktion sowie Natriumund Wasserretention in den Nieren entgegenwirkt. Abb. 12: Remodeling des linken Ventrikels nach Herzinfarkt. Klinisch ist der Myokardinfarkt die wichtigste Ursache für die Herzinsuffizienz. Nach Herzinfarkt kommt es im Bereiche des Infarktes zu einer zunehmenden Ausweitung des linken Ventrikels und im verbleibenden gesunden Gewebe zu einer kompensatorischen myokardialen Hypertrophie. Dieser Umbau der Herzkammer wird Remodeling genannt (Abb. 12). Der Prozess ist in der Regel progressiv und führt zu einer zunehmenden Erweiterung der linken Herzkammer. Damit wird die Geometrie ungünstig beeinflusst und die Wandspannung erhöht. Es kommt anfänglich bei gleichbleibenden Schlagvolumen zu einer Abnahme der Auswurffraktion und mit zunehmender Schwere der Erkrankung zu einer Abnahme des Herzminutenvolumens. Beim Umbau des Ventrikels spielt das Renin Angiotensin Systems eine wichtige Rolle. Entsprechend hemmen oder verhindern Angiotensin Converting Enzyme (ACE) Hemmer diesen Prozess. Die Prognose der Herzinsuffizienz ist schlecht und mit dem Verlauf vieler Karzinome vergleichbar (Abb. 13). Die Prognose ist bei durch eine koronare Herzkrankheit verursachten Herzinsuffizienz in der Regel schlechter als bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie oder anderen Ursachen. 21 1.0 Überleben Bisoprolol n=1327 0.8 Plazebo n=1320 0.6 p<0.0001 RR 34% 0 0 200 400 600 Tage nach Einschluss 800 Abb. 13: Kaplan-Meyer Überlebenskurven von Patienten mit Herzinsuffizienz, welche mit einem Betablocker behandelt werden (CIBIS Studie). Obschon intuitiv eine Behandlung der verminderten myokardialen Kontraktilität der beste Ansatz wäre, haben sämtliche Medikamente, welche positiv inotrop wirken (mit Ausnahme von Digitalis) zu einer Übermortalität geführt, meist aufgrund einer Zunahme ventrikulärer Rhythmusstörungen. Umgekehrt haben medikamentöse Massnahmen, welche in erster Linie die neurohumorale Aktivierung bzw. den erhöhten Afterload (Nachlast) senken, zu einer Verbesserung der Symptome und der Prognose geführt. Dies gilt insbesondere für ACE-Hemmer, Betablocker (Abb. 13), Aldosteronantagonisten und wahrscheinlich auch Endothelinantagonisten. 6. Kardiomyopathien Kardiomyopathien sind Herzmuskelerkrankungen. Die wichtigsten Formen der Kardiomyopathien sind in Tabelle 8 dargestellt. Tab. 8: Formen der Kardiomyopathie (WHO-Klassifikation Dilatative Kardiomyopathie Abnahme der systolischen Funktion Ventrikelerweiterrung Ursachen unbekannt, möglicherweise genetische Komponenten. Hypertrophe Kardiomyopathie Mutationen von Eiweissen des kontraktilen Apparates, meist familiär. Bei Befall im Septumbereich (HOCM) mit Einschränkung des Ausflusses. Restriktive Kardiommyopathie Behinderung der Ventrikelfüllung Rechtsventrikuläre arrhythmogene Umbau des rechten Ventrikels mit 22 Kardiomyopathie Bildung von Binde- und Fettgewebe. Häufig maligne Rhythmusstörungen. Wahrscheinlich genetisch verursacht. Nicht-klassifizierbare Kardiomyopathien Non-Compaction (spongy myocardium) u.a.m. Spezifische (sekundäre) Kardiomyopathien Ischämische Kardiomyopathie Valvuläre Kardiomyopathie Hypertensive Kardiomyopathie Entzündlich Formen Metabolisch (endokrin, Speicherkrankheiten u.a.m.) Systemische Erkrankungen (Lupus, Bindegewebeerkrankungen etc.) Muskeldystrophie (Duchenne u.a.m.) Neuromuskuläre Erkrankungen Toxisch (Alkohol, Katecholamine, Bestrahlung) Peripartale Kardiomyopathie _________________________________________________________________________________ Die dilatative Kardiomyopathie führt zu einer Erweiterung des linken und (später) rechten Ventrikels und einer systolischen Funktionsstörung mit typischen Symptomen wie Anstrengungsintoleranz und Atemnot. Das Ausmass dieser Beschwerden wird wie in Tabelle 4 dargestellt klassifiziert. Häufig sind auch Thromboembolien, maligne Rhythmusstörungen und plötzlicher Herztod. Die hypertrophe Kardiomyopathie führt meist dann zu Beschwerden, wenn der Septumbereich involviert und damit der Ausflusstrakt eingeengt ist (=hyperthrophe obstruktive Kardiomyopathie; HOCM). Typische Symptome sind anstrengungsinduzierte Dyspnoe oder Schwindel, Synkopen. Die Erkrankung ist genetisch verursacht durch Mutationen in Genen für die leichten Myosinketten, Troponin u.a.m.. Die Prognose ist je nach Genmutation recht unterschiedlich, aber durchwegs durch das - meist bei Anstrengung (Sympathikus) - Auftreten von ventrikulären Rhythmusstörungen bedingt. Bei allen Kardiomyopathien kann Angina pectoris (wahrscheinlich aufgrund einer eingeschränkten Koronarreserve bei Hypertrophie) auftreten; eine diastolische Dysfunktion mit beeinträchtigter Füllung des linken Ventrikels und klinisch Dyspnoe ist ebenfalls häufig. Bei den hypertrophen Kardiomyopathien treten Rhythmusstörungen vor allem während Sympathikusstimulation, d.h. bei Belastung auf (plötzlicher Herztod bei Sport u.a.m.). Die rechtsventrikuläre Veränderungen (negative arrhythmogene Kardiomyopathie zeichnet T in V1 und V2) sowie maligne sich durch EKG Rhythmusstörungen aus. Morphologisch kommt es zu einem Umbau des rechten und z.T. auch linken Ventrikels durch 23 fibröses und Fettgewebe. Meist ist das Septum ausgespart. Eine autosomal-dominante Vererbung ist typisch. Die Non-Compaction ("Spongy Myocardium") ist eine seltene Kardiomyopathie, bei welcher die “Verfestigung” des linken Ventrikels gestört ist und es im linken Ventrikel zur Spaltbildung des linken Ventrikels kommt. Typische Symptome sind Thrombusbildung in den Spalten (ggf. mit Embolien ins Hirn und Peripherie), maligne Rhythmusstörungen und später Linksherzversagen. Wahrscheinlich liegt eine genetische Ursache vor; entsprechend besteht eine familiäre Häufung. 7. Rhythmusstörungen Rhythmusstörungen sind Veränderungen des Herzrhythmus entweder in (1) der Frequenz, (2) der Regularität oder (3) des Usprungs der Erregung. Eine Erhöhung des Rhythmus wird Tachykardie genannt (über 100 Herzfrequenz), eine Erniedrigung (unter 60/min.) Bradykardie (Tabelle 9). Schwere Bradykardien, in der Regel unter 30/min. führen zu Schwindel oder Synkopen. Schwere Tachykardien können Angina pectoris, Schwindel, Palpitationen bis hin zum kardialen Schock und Tod verursachen. Tab. 9: Ursachen von Rhythmusstörungen I. Bradykardie II. Tachykardie Verminderte Automatizität Kranker Sinusknoten (Sick-SinusSyndrom=SSS) Vagus (Schlaf, Karotissinusmassage, „common faint“) Alter Medikamente (Betablocker, Kalziumantagonisten u.a.m.) Blockierungen SA-Block (sinuatrial) AV-Block (I-III) (atrioventrikulär) Erhöhte Automatizität selten „Triggered Activity“ z.B. Digitalisintoxikation Reentry AV-Knoten-Reentry WPW-Syndrom (Delta-Welle) mit Kreiserregung via akzessorische Bahn Vorhofflattern Kammertachykardie _________________________________________________________________________________ Eine Veränderung der Regularität des Rhythmus wird physiologisch durch die Atmung bewirkt, häufig aber sind auch Extrasystolen supraventrikulären oder ventrikulären Ursprungs. Eine absolute Arrhythmie besteht beim Vorhorflimmern. 24 Der Ausgangspunkt von Rhythmusstörungen liegt entweder im Sinusknoten, im Vorhof, im Reizleitungssystem oder im Ventrikel. Entsprechend spricht man von supraventrikulären, oder ventrikulären Rhythmusstörungen (Abb. 14). SK-Tachykardie SK-RT SK Vorhofflimmern Vorhofflattern Ektope/Multifokale Vorhoftachykardie Vorhof AVK AV-Knoten-RT AV-Bypasstrakt-RT Kent His RS LS LP LA Kammer Bundlebranch RT Kammertachykardie Kammerflattern Kammerflimmern SK:Sinusknoten , AV:Atrio-ventrikulär AVK:AV-Knoten, Kent: akzessorische Bahn RT: Reentrytachykardie zeigt Neurale Zellen Abb. 14: Anatomie des Herzens und Ursprungsort der Tachykardien 7.1. Supraventrikuläre Rhythmusstörungen: Die Ursachen für Bradykardien sind in Tabelle 9 aufgeführt. Ohnmachtsanfälle („common faint“) sind auf einen verstärkten Vagotonus (d.h. neurokardiogen) zurückzuführen, ebenso die Bradykardie in Ruhe und im Schlaf. Im Alter ist eine reduzierte Automatizität des Sinusknotens häufig (“Sick-Sinus-Syndrom“) sowie Überleitungsstörungen (AV-Block). Der AV-Block wird wie folgt klassifiziert: I.: verlängerte PQ-Zeit (› 200 msec); II: von Schlag zu Schlag zunehmende Verlängerung der PQ-Zeit mit Aussetzen der Überleitung (Wenckebach Typ) oder plötzliche Blockierung der Überleitung (Mobitz Typ); III.: Totaler AV-Block (AV-Dissoziation). 25 Die häufigste Rhythmusstörung ist die supraventrikuläre Tachykardie, welche anfallsmässig, d.h. paroxysmal auftritt. Der Patient spürt ein Herzrasen, gelegentlich bis in den Hals hinauf, bei höheren Frequenzen auch Brustschmerzen, Schwindel und selten Kollaps. Ursachen für eine supraventrikuläre Tachykardie sind eine ektope Reizbildung im Vorhof (10%), AV-KnotenReentry (60%) und die sogenannten Präexitationssyndrome (30%), welche aufgrund einer abnormen extranodalen Verbindung zwischen dem Vorhof und dem Ventrikel (Kent Bündel) zu Reentry-Tachykardien führen können (siehe Abb. 14). Die Prognose der supraventikulären Tachykardien ist an sich gut; bei sehr häufigen Anfällen kann aber eine Beeinträchtigung der linksventrikulären Funktion auftreten. Mittels eines Herzkatheters können die meisten Formen geheilt werden. 7.2. Ventrikuläre Rhythmusstörungen: Die häufigsten ventrikulären Rhythmusstörungen sind ventrikuläre Extrasystolen (VES), welche entweder im rechten oder linken Ventrikel entstehen. Entsprechend besteht ein Links- bzw. Rechtsschenkelblockbild. Beim Auftreten von zwei ventrikulären Extrasystolen spricht man von Bigeminie, bei dreien und mehr spricht man von einer kurzen ventrikulären Tachykardie. Dauern diese länger als 30 Sek., spricht man von einer anhaltenden Kammertachykardie (Abb. 15). Dabei unterscheiden wir zwischen monomorphen (jeder QRS-Komplex ist identisch konfiguriert) und polymorphe VES bzw. Kammertachykardien. Ist die polymorphe Kammertachykardie mit einem verlängerten QT-Intervall vergesellschaftet, (z.B. bedingt durch Kinidin, Antihistaminika etc. oder auch angeboren, z.B. Romano Ward Syndrom) spricht man von “Torsades de pointes”, mit Drehung der elektrischen Herzachse Beim Kammerflimmern besteht eine chaotische Erregung der Herzkammer und entsprechend ein Fehlen einer koordinierten Kontraktion und damit eines relevanten Schlagvolumens. Kammerflimmern führt ohne umgehende Reanimationsmassnahmen (Massage und Defibrillation) zum Herzkreislaufstillstand und Tod. 26 Abb. 15: A: Normokarder Sinusrhythmus unterbrochen mit einer VES (ventrikuläre Extrasystole). B: Sinusrhythmus mit ca. 60 Frequenz, wobei nur jede zweite P-Welle übergeleitet ist (AV-Block II), verbreiterte QRS-Komplexe (160 msec) als Hinweis auf eine intraventrikuläre Reizleitungsstörung (Schenkelblock-Bild). C: Supraventrikuläre Tachykardie. Beachte, dass die QRS-Komplexe schmal sind (< 120 msec). HF 162/Min. D: Kammertachykardie, HF 220/Min. QRS-Komplex < 120 msec (in diesem Fall 190 m/sec). E: Kammerflimmern. 27 Während ventrikuläre Extrasystolen auch bei gesunden Menschen häufig vorkommen, sind ventrikuläre Tachykardien meist Ausdruck einer Herzerkrankung. Am häufigsten ist die koronare Herzkrankheit, wobei es in der (Rand)zone des Infarktes zu einer regional abnormen Reizausbreitung und der Erregbarkeit der Myozyten kommt. Als häufigster Mechanismus werden ein, oder mehrere „Reentry“ Mechanismen angenommen, welche mit Kreisströmen assoziiert sind und rasche ventrikuläre Rhythmen unterhalten (Abb. 16). Abb. 16: Randgebiet eines grossen Infarktes mit mehreren kleineren Myokardinfarktnarben. Dazwischen kleinere Gebiete von “geschädigten” Myokardzellen, die jedoch elektrisch noch aktiv sind. Die unterschiedlichen Erregungszeiten erlauben einen elektrischen Impuls auf der einen Seite (“Exit”) auszutreten und nach Depolarisation des gesunden Myokards Leitungsgeschwindigkeit wieder im geschädigten, einzutreten d.h. (“proximal”). arrhythmogenen Myokard Die ist gegenüber dem gesunden Myokard mehrfach verzögert. Mit einem signalgemittelten EKG (“late potentials”) kann diese visualisiert werden. Rhythmusstörungen treten ebenfalls bei Patienten mit Kardiomyopathien, insbesondere bei hypertropher Kardiomyopathie auf. Bei dieser Erkrankung ist der plötzlicher Herztod eine häufige Komplikation (besonders bei körperlicher Belastung; Todesfälle junger Sportler). Plötzlicher Herztod spielt aber auch bei Patienten mit dilatativer Kardiomyopathie eine wichtige Rolle. Auch Patienten mit linksventrikulärer Hypertrophie aufgrund einer Hypertonie oder Aortenstenose haben eine erhöhte Inzidenz ventrikulärer Rhythmusstörungen und des plötzlichen Herztodes. Seltene genetisch determinierte Erkrankungen sind das “Long QTSyndrom” (Mutationen im Gen für Kalium- oder Natriumkanäle) und das Brugada-Syndrom. 28 8. Klappenfehler Klappenfehler können an allen vier Herzklappen auftreten. Entweder handelt es sich um eine Stenose (behinderter Auswurf oder Füllung und damit Druckbelastung des linken Ventrikels) oder um eine Insuffizienz (welche zu einer Regurgitation und damit zu einer Volumenbelastung des involvierten Ventrikels führt). Nicht selten liegt eine Stenose zusammen mit einer Insuffizienz vor. 8.1. Aortenstenose: Die Aortenstenose ist eine häufige Erkrankung. Im höheren Alter ist die Aortenstenose die häufigste Klappenerkrankung überhaupt. Die Ursachen der Aortenstenose sind in Tabelle 10 aufgeführt. Tab. 10: Ursachen der Aortenstenose 1. Congenital: unicuspid, bicuspid, tricuspid quadrocuspid Symptome < 30 Jahre 2. Rheumatisch1): Inflammatorisch Symptome 30-70 Jahre Häufig auch AI Nicht selten auch Mitral 3. Degenerativ: Kalzifizierung der Klappen Symptome > 70 Jahre Häufig bei Diabetikern _________________________________________________________ 1) Selten als Aortenstenose, meist steht die Insuffizienz im Vordergrund 29 Abb. 17: Darstellung der Aortenstenose mit Verdickung der Klappen und Hypertrophie des linken Ventrikels. Die Aortenstenose führt zu einer Behinderung der Entleerung des linken Ventrikels und entsprechend zu erhöhten Druckwerten in der linken Kammer. Die erhöhten Druckwerte in der linken Kammer führen zu einer erhöhten Wandspannung (T = p x r2/d; P=intraventrikulärer Druck; r=Radius linke Kammer; d=Wanddicke), welche dann in der Folge eine linksventrikuläre Hypertrophie verursacht (womit sich die Wandspanung wieder normalisiert). Das Ausmass und der Schweregrad der Aortenstenose wird durch den Druckgradienten über der Aortenklappe bestimmt (Abb. 18). 30 Abb. 18: Druckkurve bei Aortenstenose mit Phonokardiogramm und EKG. Rechts ist die Druckvolumenkurve dargestellt. Bei der Aortenstenose ist das Myokard des linken Ventrikels verdickt und daher schlechter dehnbar (verminderte Compliance). Dies schiebt die diastolische Druckvolumenkurve nach oben und nach rechts, was zu einem erhöhten linksventrikulären enddiastolischen Druck führt (a'). Da der linke Ventrikel gegen einen fixen Gradienten pumpen muss (erhöhter Afterload durch die Aortenstenose) wird der Endpunkt der isovolumetrischen Kontraktion (b) nach oben und rechts verschoben (b'). Da der hypertrophe Ventrikel eine vermehrte inotropische Kraft entwickelt, ist die isovolumetrische Druckkurve ebenfalls verschoben (c', Abb. 18). Die klinischen Symptome der Aortenstenose sind Angina pectoris, welche durch einen erhöhten myokardialen Sauerstoffverbrauch (durch die Hypertrophie intraventrikulären Zusätzlich Druckwerte), bedingt ist. ist und die die erhöhten Koronarreserve (hyperämischer/Ruhefluss vor und nach intrakoronarer Stimulation mit Adenosine, Papaverin oder Dipyridamol) bei dieser Erkrankung vermindert. Selten kann auch eine Kalziumembolie (ausgehend von den Klappen) zur Minderdurchblutung beitragen. Häufiger allerdings ist (besonders bei älteren Patienten eine begleitende koronare Herzkrankheit. Typisch ist ebenfalls Atemnot (durch die diastolische Dysfunktion des hypertrophen linken Ventrikels und Anstieg der pulmonalen Druckwerte unter Belastung) sowie Schwindel bei Anstrengung. Bei schwerer Aortenstenose kann es auch zu Synkopen kommen. 31 8.2. Aorteninsuffizienz: Die Aorteninsuffizienz tritt häufig als Begleiterkrankung der Aortenstenose, gelegentlich aber auch isoliert, auf. Die Ursachen sind in Tabelle 11 dargestellt. Tab. 11: Ursachen der Aorteninsuffizienz 1. Valvuläre Ursachen: Klappenfehler Endokarditis Rheumtische Fieber Ankylosierende Spondylitis Kongenital Seltene Ursachen 2. Aortale Ursachen: Erweiterung Aortenaneurysma Bindegewebserkrankungen (Marfan, Ehlers-Danlos, Osteognesis imperfecta) Entzündungen Aortitis (Takayashu) Syphilis Arthitische Erkrankungen: Ankylosierende Spondylitis Reiter‘s Syndrome Rheumatoide Arthritis Systemischer Lupus erythematosus Aortendissektion Zystische Medianekrose (Erdheim-Gsell) Traumatisch Ruptur _________________________________________________________ Die Aorteninsuffizienz und die zugrunde liegenden Klappenveränderungen sowie Veränderungen des Myokards sind in Abbildung 19 dargestellt. 32 Abb. 19: Aorteninsuffizienz und Auswirkungen auf das Herz Die Aorteninsuffizienz führt zu einer Volumenüberlastung des linken Ventrikels. Angiographisch wird von Aorteninsuffizienz I bis IV (I=minimale Regurgitation; II=Füllung des linken Ventrikels mit Kontrasmittel, jedoch Auswaschen innerhalb weniger Schläge; III=Akkumulation des Kontrastmittels im linken Ventrikel; IV=Füllung des linken Ventrikels im ersten Schlag). Echokardiographisch wird von leichter, mittelschwerer und schwerer Aorteninsuffizienz gesprochen. Eine bedeutende Aorteninsuffizienz führt zu einer zunehmenden Erweiterung des linken Ventrikels (exzentrische Hypertrophie). Das Leitsymptom bei Aorteninsuffizienz ist Dyspnoe bei Anstrengung. Die hämodynamischen Befunde bei Aorteninsuffizienz sind Abbildung 20 dargestellt. 33 Abb. 20: Hämodynamische Befunde bei Aorteninsuffizienz (links) sowie Druckvolumenkurve bei diesem Leiden (rechts). Beachte die Vergrösserung des linksventrikulären Volumens und die Verschiebung der Druck-Volumenkurve nach rechts. 8.3. Mitralstenose: Die Mitralstenose hat in ihrer klinischen Bedeutung seit der Behandlung des rheumatischen Fiebers stark abgenommen. Während sie früher einer der häufigsten Klappenerkrankungen war, tritt sie heute vor allem bei Emigranten aus südlichen und asiatischen Ländern auf. Die Ursachen der Mitralstenose sind in Tabelle 12 dargestellt. Tab. 12: Ursachen der Mitralstenose 1. Rheumatisch: Häufigste Form (20 Jahre nach Erkrankung) Entzündliche Fusion der Klappen, Schrumpfung 2. Verkalkungen: MI häufiger bei dieser Form 3. Kongenital: Meist Symptome in der Kindheit 4. Kollagenerkankungen: Systemischer Lupus erythomatodes Rheumatoide Arthritis (selten) _________________________________________________________ Der anatomische Befund einer Mitralstenose sowie die Auswirkungen auf den linken Ventrikel sind in Abbildung 21, die hämodynamischen Befunde in Abbildung 22 dargestellt. 34 Abb. 21: Darstellung einer Mitralstenose und ihrer Auswirkungen auf das linke Herz. Abb. 22: Hämodynamische Befunde bei Mitralstenose (linke Seite) sowie Druckvolumenkurven bei diesem Leiden (rechte Seite). Die Mitralstenose hat als Leitsymptome Atemnot (bis zum Lungenödem), unregelmässigen Puls (Auftreten von Vorhofflimmern) und vor allem bei gleichzeitiger Insuffizienz auch Embolien (Thrombusbildung im linken Vorhof). 35 Die Behandlung der Mitralinstenose ist mechanisch entweder durch eine Ballondilatation (transseptale Punktion mit Einführung eines doppellumingem Inoueballons) oder chirurgischer Klappenersatz. 8.4. Mitralinsuffizienz: Die Mitralinsuffizienz ist nach der Aortenstenose das bedeutendste Klappenleiden. Die Ursachen sind in Tabelle 13 dargestellt. Tab. 13: Ursachen der Mitralinsuffizienz 1. Akute Form: Chordaruptur Infektiöse Endokarditis Trauma Akutes rheumatisches Fieber Spontan (Mitraklappenprolaps) Papillarmuskeln Ischämie Myokardinfarkt Trauma Myokardabszess Segelperforation 2. Chronische Form: Entzündlich 3. Kongenitale Form: Infektiöse Endokarditis Trauma Rheumatisches Fieber Kollagenerkankungen Infektiös Infektiöse Endokarditis Degenerativ Myxomatöse Degeneration (Mitralklappenprolaps; = häufigste Form) Anuluskalzifikation Papillarmuskel- und Chordaeruptur Infektiöse Endokarditis Trauma Rheumatisches Fieber Spontan Ischämie Myokardinfarkt Myokardabszess Entwicklungsstörungen _________________________________________________________ Die Mitralinsuffizienz äusserst sich klinisch mit Dyspnoe bis zum Lungenödem (vor allem wenn sie rasch oder akut auftritt). Häufig ist auch Vorhofflimmern und die Bildung von Thromben im linken Vorhof mit Embolien ins Hirn oder in periphere Organe. Der anatomische Befund der Mitralinsuffizienz und seine Auswirkungen auf den linken Ventrikel sind in Abbildung 23 dargestellt. Die kardiodynamischen Befunde sind in Abbildung 24 aufgeführt. 36 Abb. 23: Anatomischer Befund der Mitralinsuffizienz Abb. 24: Hämodynamische Befunde bei Druckvolumenkurven (rechte Seite). Mitralinsuffizienz (linke Seite) und Die Therapie der Mitralinsuffizienz besteht in erster Linie darin, die Volumenüberlastung zu reduzieren (Diuretika) und damit die Druckwerte in der Lungenzirkulation zu senken sowie den Afterload des systemischen Kreislaufs zu reduzieren, da sich damit auch das 37 Regurgitationsvolumen reduziert (ACE-Hemmer oder Angiotensin II-Rezeptorantagonisten). Dadurch kann die progressive Vergrösserung des linken Ventrikels und die Zunahme der Mitralinsuffizienz verzögert werden. Häufig allerdings muss früher oder später ein chirurgischer Eingriff vorgenommen werden (Mitralklappenrekonstruktion oder Mitralklappenersatz). 9. Hypotension und Schock Zur Aufrechterhaltung der Durchblutung vitaler Organe wie des Hirns, des Herzens und der Nieren muss ein bestimmter mittlerer arterieller Blutdruck erhalten sein. In der Regel liegt dieser Druckwert bei 60-70 mmHg. Darunter kommt es zu einer Minderdurchblutung vitaler Organe mit eingeschränkter Nierenfunktion und Tubulusnekrose, Niereninsuffizienz, Einschränkung der zerebralen Funktion mit Schwindel und Bewusstseinsverlust, im Extremfall Ischämie und eingeschränkter linksventrikulärer Funktion mit fatalem Ausgang. Der Begriff Kreislaufschock bezeichnet die Unfähigkeit des Kreislaufs eine angemessene Durchblutung vitaler Organe aufrecht zu erhalten und hat mit dem in der Umgangssprache verwendeten Begriff nichts zu tun. Die Arten des Kreislaufschocks sind in Tabelle 14 dargestellt. Tab. 14: Arten des Kreislaufschocks 1. Hypovolämischer Schock: Hämorrhagisch Traumatisch Chirurgisch (postoperativ) Verbrennungen Flüssigkeitsverlust(Erbrechen, Durchfall) 2. Distributionsschock (vasogener oder niedrig Widerstandschock): Neurogener Schock Anaphylaktischer Schock Septischer Schock 3. Kardiogener Schock: Myokardinfarkt Herzinsuffizienz Arrhythmien 4. Obstruktiver Schock: Spannungspneumothorax Pulmonale Embolie (v.a. zentrale Form) Herztumor Herztamponade _________________________________________________________ Bei Abfall des Blutdrucks versucht der Körper durch kompensatorische Mechanismen die Durchblutung vitaler Organe aufrecht zu erhalten (Tab. 15). Die wichtigsten Rezeptoren für dem Blutdruck befinden sich im Carotissinus sowie im Aortenbogen. Diese vermitteln über die Medulla oblongata (Nucleus tractus solitarius; Kreislaufzentren) eine verstärkte Aktivierung des 38 Sympathikus, welche viele der kompensatorischen Mechanismen, welche in Tabelle 16 aufgeführt sind, erklärt. Tab. 15: Kompensatorische Mechanismen bei Kreislaufschock - Vasokonstriktion (Blässe, Durchblutungsstörungen der Organe u.a.m.) Tachykardie (Reflextachykardie über Baroreflexmechanismen) Venoconstriktion Tachypnoe Unruhe Humorale Aktivierung (Renin-Angiotensin System, Vasopressin, Glukokortikoide, Erythropoetin, Proteinsynthese u.a.m.) - Verschiebung der Flüssigkeit in das Kapillarbett _________________________________________________________ Der klinische Schweregrad des Schocks wird klinisch mit der von Killip eingeführten Klassifizierung angegeben (Tab. 16). Tab. 16: Killip Klassifizierung I keine Herzinsuffizienz II geringe bis mittelgradige Herzinsuffizienz (Rasselgeräusche, 3. Herzton, Halsvenen- oder Leberstauung) III schwere Herzinsuffizienz, Lungenödem IV kardiogener Schock (sBD < 90 mmHg, Oligurie, Zyanose, Schwitzen) _____________________________________________________________________________________ Die Behandlung des Kreislaufschocks zielt sich in erster Linie darauf einen adequaten Blutdruck wieder herzustellen. Dies geschieht einerseits durch Zuführung von Volumen (vor allem bei Blutverlust bzw. Flüssigkeitsverlust) sowie durch Erhöhung des peripheren arteriellen Widerstandes durch Gabe von vasokonstriktorischen Substanzen (Catecholamine: Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin). Beim Myokardinfarkt kann zusätzlich eine intraaortale Ballonpumpe eingesetzt werden (IABP), welche vor allem in der Diastole durch die Gegenpulsation die Herzdurchblutung verbessert. Arrhythmien müssen spezifisch entweder mit Defibrillation (hämodynamisch relevante Kammertachykardie bzw. Kammerflimmern) oder Antiarrhythmika (Lidocain u.a.m.) behandelt werden. Beim obstruktiven Schock müssen spezifische Massnahmen vorgenommen werden, so beim Spannungspneumothorax eine Punktion der Thoraxhöhle zur Entlastung des erhöhten Drucks und Einsetzen eines Ventils. Bei pulmonaler Embolie, vor allem bei der zentralen Form, kann eine akute chirurgische oder kathetertechnische Intervention erwogen werden. Die Herztampanade erfordert eine sofortige Punktion und Entleerung des Perikardraumes. 39