Die Geschichte des Propheten Jona einmal anders Jona und der Wal Eileen Spinelli (Text), Giuliano Ferri (Illustrationen), Katrin Göring-Eckardt (Übersetzung) Gabriel Verlag, 2013 Bilderbücher über die Erzählung des biblischen Buches Jona gibt es viele, durchaus auch neueren Datums. Wer aber die bekannte Geschichte einmal aus einer anderen Perspektive vorlesen oder erzählen möchte, kann auf dieses Bilderbuch zurückgreifen. Hier ist es nämlich der Wal, aus dessen Sicht wir den Auftrag des Jona miterleben. Oder, mit dem Bilderbuch und durchaus nicht ohne biblisches Fundament gefragt: Hat nicht der Wal vielleicht sogar einen eigenen Auftrag von Gott? Nun hat sich inzwischen natürlich allgemein herumgesprochen, dass der Wal nur durch einen Übersetzungsfehler überhaupt seinen Weg in die Erzählung des Jona-Buches gefunden hat; im hebräischen Originaltext ist es eigentlich ein „grosser Fisch“, der den über Bord geworfenen Propheten dem Ziel seines göttlichen Auftrags, der Stadt Ninive, entgegentransportiert. Nun sind Wale aber heute zu echten Sympathieträgern und zu einem Faszinosum gerade für Kinder Haute Ecole pédagogique [email protected] www.hepfr.ch Rue de Morat 36 CH-1700 Fribourg Tél. +41 (0)26 305 71 11 avanciert. Dies nutzt die Autorin Eileen Spinelli, um der bekannten Jona-Erzählung eine ungewohnte, sympathische und für Kinder ansprechende Perspektive abzugewinnen. Pädagogische Hochschule [email protected] www.phfr.ch Murtengasse 36 CH-1700 Freiburg Tel. +41 (0)26 305 71 11 Und warum auch nicht? Auch der ebenfalls fehlübersetzte Apfel ist schliesslich aus der Bildwelt zur Illustration biblischer Erzählungen, konkret der Paradiesesgeschichte, nicht mehr wegzudenken und darf von daher durchaus auch seinen Ort in Bibelerzählungen für Kinder haben – bleibt die eigentliche Stossrichtung der Geschichte doch von einem solchen Detail letztlich unberührt. Kann auch ein Wal einen Auftrag von Gott haben? Die mehrfach preisgekrönte Kinderbuchautorin Eileen Spinelli greift in ihrer Interpretation des Jona-Buches nur einen Teil von dessen vielschichtiger und komplexer Aussageabsicht auf, nämlich die Frage nach dem Umgang mit einem Auftrag Gottes. Im Gegensatz zu Jona zögert der Wal nämlich nicht, sondern befolgt umgehend Gottes Befehl, den über Bord geworfenen Jona zu retten. Aber ihm stellt sich in den Tagen danach die unsichere Frage, was Gott weiter von ihm erwartet. So durchlebt der Leserkreis mit dem Wal die Situation, auf eine Weisung Gottes zu hoffen und zu horchen, aber erst nach einer Weile von dieser Unsicherheit erlöst zu werden. Anstelle der fehlenden Elemente der Jonageschichte greift die Erzählerin weitere Facetten auf, deren biblischer Rückhalt ausserhalb des Buches Jona zu finden ist. Eröffnet wird die Erzählung nämlich mit einer Schilderung der Schöpfung des Wales, die teils der Menschenschöpfung nachempfunden ist, teils den Geist des Schöpfungspsalms 104 atmet: Gott, so die Botschaft der ersten Seiten des Bilderbuchs, sorgt für seine Geschöpfe und gibt ihnen alles, was sie zu einem gelingenden und erfüllten Leben benötigen. Welchen Fortgang der Auftrag des Jona in Ninive nimmt, erfährt der Wal (und der Leserkreis) nicht mehr; mit dem Transport des Propheten an die Küste und dem Trost, den der Walgesang in einer Situation der Angst und Unsicherheit spendet, ist der Auftrag des Wals abgeschlossen. Das Buch eignet sich also nicht dazu, eine komplette Einführung der Jonageschichte vorzunehmen. Sein Fokus liegt stattdessen auf dem Aspekt der Mitgeschöpflichkeit der Tiere, die von dem fürsorglichen Schöpfer genauso bedacht werden wie der Mensch und die ebenfalls eine Rolle in Gottes Heilsplan spielen können. Diese Gedanken aber werden – freilich in ungewohntem Rahmen – auf sehr berührende, schöne Weise zum Ausdruck gebracht. Zielgruppe: Zyklus 1 und 2 Signatur: PHFR 222.6 Ein freier und durchaus ungewohnter Umgang mit der Jonaerzählung – zugleich aber auch eine wunderbar illustrierte, kindgerechte Darstellung biblischer Schöpfungsspiritualität. Haute Ecole pédagogique [email protected] www.hepfr.ch Rue de Morat 36 CH-1700 Fribourg Tél. +41 (0)26 305 71 11 Pädagogische Hochschule [email protected] www.phfr.ch Murtengasse 36 CH-1700 Freiburg Tel. +41 (0)26 305 71 11