Geologischer Lehrkoffer des Bezirks Innsbruck Land Der Lehrkoffer und dieses Begleitheft wurden von Lucas Petschnig im Rahmen seiner Bachelorarbeit am Institut für Geologie und Paläontologie erstellt. Betreuung und redaktionelle Überarbeitung: Christoph Spötl 2011 2 Einleitung Geographische Abgrenzung des Gebietes Dieser Koffer befasst sich mit den Gesteinen des politischen Bezirkes Innsbruck Land. Sinnvollerweise wurden jedoch auch Gesteine aus dem Bezirk Innsbruck Stadt in diese Sammlung aufgenommen, da es sich nicht unbedingt lohnt, eine separate Sammlung für diesen kleinen Bezirk zu erstellen. Das betrachtete Gebiet liegt im Zentrum Tirols und erstreckt sich von der Gemeinde Telfs im Westen bis einschließlich der Gemeinde Wattens im Osten. Nach Norden und Süden wird der Bezirk von der deutschen bzw. von der italienischen Staatsgrenze eingerahmt. Abb. 1: Bezirk Innsbruck Land und Innsbruck Stadt. Datengrundlage: ÖK-CD Gesteine Ein Gestein ist ein natürlich vorkommendes Gemenge, welches aus einem oder verschiedenen Mineralen aufgebaut ist. Marmor etwa besteht aus nur einem Mineral, nämlich Kalzit (chemisch: Kalziumkarbonat, CaCO3). Im Gegensatz dazu ist Granit aus Feldspat, Quarz und Glimmer, also drei verschiedenen Mineralen, aufgebaut. Minerale wie Quarz oder Kalzit sind sozusagen die Bausteine, aus denen sich ein Gestein zusammensetzt. Die Minerale kommen in Form von Körnen in sehr unterschiedlicher 3 Größe vor. Manche Mineralkörner sind nicht einmal unter starker Vergrößerung mit einem Mikroskop erkennbar, andere wiederum können viele Zentimeter groß werden. Neben Mineralen können auch Bruchstücke von anderen Gesteinen (diese bestehen ebenfalls aus Mineralen), sowie Reste von ehemaligen Lebewesen, sogenannte Fossilien, enthalten sein. Des Weiteren ist wichtig, dass das Gestein durch natürliche Prozesse entstanden ist und nicht von Menschen erzeugt wurde. Beton oder Ziegel könnte man rein äußerlich für ein Gestein halten; da solche Materialen jedoch von Menschenhand hergestellt wurden handelt es sich nicht um Gesteine. Entstehung und Einteilung von Gesteinen Betrachtet man die verschiedenen Gesteine in diesem Koffer, so fällt auf, dass nicht jedes Gestein gleich aussieht. Der Grund dafür ist, dass sich jedes Stück dieser Sammlung auf eine charakteristische Art und Weise gebildet hat. Deshalb ist die Einteilung von Gesteinen eng mit ihrer Entstehungsgeschichte verknüpft. Es lassen sich drei Grundtypen von Gesteinen unterschieden. Magmatische Gesteine Magmatische Gesteine sind Gesteine, welche sich durch das Erstarren einer geschmolzenen Masse – dem Magma – gebildet haben. Daher werden sie auch Erstarrungsgesteine genannt. Magma findet sich in großer Tiefe in der Erdkruste und im Erdmantel, da dort die Temperaturen so hoch sind, dass Gesteine zu schmelzen beginnen. Damit dieser Zustand eintritt, muss die Temperatur mindestens 700°C betragen. Je nach Zusammensetzung kann es aber auch sein, dass Temperaturen von über 1000°C benötigt werden, um Gestein zu verflüssigen. Magma wird durch Bewegungen im Erdinneren in die Nähe bzw. ganz an die Erdoberfläche befördert. Erstarrt es bereits langsam unterhalb der Erdoberfläche, so nennt man die daraus gebildeten Gesteine Intrusivgesteine bzw. Plutonite. Kommt das Magma jedoch durch einen Vulkan an die Erdoberfläche, wird es Lava bezeichnet und erstarrt hier sehr rasch. Diese Gesteine werden dann Effusivgesteine oder Vulkanite genannt. Ein bekanntes Beispiel für ein Intrusivgestein ist Granit; Basalt wiederum ist ein Effusivgestein, das z.B. am Ozeanboden erstarrt, wenn Magma in Kontakt mit kaltem Meerwasser tritt. Sedimentgesteine Im Gegensatz zu magmatischen Gesteinen, die ihr Material aus den Tiefen der Erde beziehen, kommt das Ausgangsmaterial der Sedimentgesteine von der Erdoberfläche. Durch Verwitterung werden Gesteine zerbrochen, zerkleinert und durch Flüsse, Gletscher oder den Wind abtransportiert und an anderer Stelle abgelagert. Diesem Schicksal fallen ganze Gebirge zum Opfer, die über Jahrmillionen auf diese Art und Weise an Höhe abnehmen und eingeebnet werden. Deshalb entstehen gigantische Mengen an sogenanntem Sediment, also abgetragenem und abgelagertem Material. 4 Neben der Verwitterung am Festland können Sedimente im großen Maßstab auch durch Organismen und Pflanzen hauptsächlich im Ozean gebildet werden. Dort lebt eine Reihe von Organismen, die Minerale bilden, um sich zu schützen (z.B. Korallen, Muscheln). Diese Hartteile können nach dem Absterben erhalten bleiben und Sediment bilden. Betrachtet man diesen Prozess über einen sehr langen Zeitraum und berücksichtigt man die enorme Zahl vor allem mikroskopisch kleiner Organismen, so kann man verstehen, wie sich Sedimentschichten von mehreren tausend Metern bilden können. Die grauen Kalksteinschichten der Innsbrucker Nordkette sind ein eindrucksvolles Beispiel in diesem Bezirk. Sedimente, wie auch immer sie entstanden sind, sind das Ausgangsmaterial der Sedimentgesteine. Bei der Ablagerung werden die älteren Schichten sukzessive von neuen Sedimenten bedeckt was zur Folge hat, dass der Druck auf erstere zunimmt wird. Dadurch werden diese zusammengepresst und verfestigt, wodurch die winzigen Hohlräume zwischen den Sedimentbestandteilen verschwinden und das Sediment zunehmend kompakter wird. Damit tatsächlich aus einem losen Sediment (z.B. Sand) ein hartes Gestein (z.B. Sandstein) entsteht braucht es noch einen weiteren Prozess: Zwischen den Partikeln werden geringe Mengen an neuen Mineralen gebildet, die gewissermaßen als Kitt dienen. Dieser als Zementation bezeichnete Prozess braucht für gewöhnlich Millionen von Jahren und erklärt, warum geologisch „junge“ Sedimente, wie z.B. eiszeitliche Schotter, die „nur“ zehntausende Jahre alt sind, kaum bis gar nicht verfestigt sind. Metamorphe Gesteine Die dritte Gesteinsgruppe sind die metamorphen Gesteine, die auch als Metamorphite oder Umwandlungsgesteine bezeichnet werden. Das Ausgangsmaterial für diese Gruppe von Gesteinen können Magmatite, Sedimentgesteine sowie Metamorphite selbst sein. Denn wie der Name Metamorphite erahnen lässt, vollziehen die Ausgangsgesteine eine Metamorphose, also eine Umwandlung. Dabei passen sich Gesteine an veränderte Umgebungsbedingungen an. Wodurch ändern sich jedoch die Umgebungsbedingungen für ein Gestein? Dafür können verschiedene geologische Gründe verantwortlich sein. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass zwei Kontinentalplatten – wie etwa die europäische und die afrikanische Platte – kollidieren. Dadurch entsteht an der Stelle, an der sich die Platten übereinander schieben, ein enormer Druck (Stichwort Erdbeben) und als weitere Folge hohe Temperaturen, die einige Hundert Grad Celsius erreichen können. Da die Auswirkungen einer solchen Kollision sich über große Regionen erstrecken wird dies als Regionale Metamorphose bezeichnet. Ein anderer Grund kann sein, dass Magma aus dem Erdinneren an Schwächezonen aufsteigt. An der Stelle, an der das Magma mit den wesentlich kühleren Umgebungsgesteinen in Berührung kommt, werden die angrenzenden Gesteine umgewandelt, weshalb man von Kontaktmetamorphose spricht. In beiden Fällen ändern sich die Umgebungsbedingungen für die Gesteine. Für den Laien erscheinen Minerale wie z.B. Quarz als hart und extrem dauerhaft. Tatsächlich werden aber je nach den in der Erdkruste herrschenden Druck- und Temperaturbedingungen fast alle Minerale instabil, zerfallen, und es entstehen andere Minerale, die den neuen Bedingungen besser angepasst sind. Ein Beispiel ist der Granat, ein Halbedelstein, der sich typischerweise im Zuge der Metamorphose von tonigen Sedimentgesteinen bildet. 5 Neben der Mineralogie ändern sich im Zuge der Metamorphose auch das Aussehen und die Struktur eines Gesteins. Bekanntes Beispiel aus dem Nahbereich südlich von Innsbruck ist der Quarzphyllit. Dabei handelt es sich um einen Schiefer, ein blättrig aufgebautes Gestein mit einem hohen Anteil an winzigen, glänzenden Glimmer-Kristallen (das „Katzensilber“ des Volksmundes). Dieses blättrige Erscheinungsbild ist der Metamorphose zuzuschreiben. Doch wie kommen Gesteine, nachdem sie in großer Tiefe metamorph überprägt wurden, wieder an die Erdoberfläche? Der Hauptprozess ist der Auftrieb (Isostasie), den jene Gesteine verursachen, die im Zuge einer Plattenkollision zusammengeschoben und nach unten gepresst wurden. Diese sind leichter als die Gesteine, die normalerweise tiefe Teile der Erdkruste aufbauen und drängen aufgrund des Dichte-Unterschiedes nach oben. Analoges passiert, wenn man eine Luftmatratze unter die Wasseroberfläche drückt. Während diese bei Nachlassen des Druckes sofort nach oben springt lässt sich die Erde deutlich mehr Zeit, denn die betreffenden Gesteine in großer Tiefe reagieren sehr träge. Die höchsten Hebungsgeschwindigkeiten zeigen Gebirge, aber auch dort braucht man hochpräzise Instrumente, um diese Bewegung tatsächlich messen zu können. Am Alpenhauptkamm beträgt die Hebung etwa 1,5 mm pro Jahr. Beschleunigend wirkt sich die Tatsache aus, dass gerade in einem Gebirge wie den Alpen der Abtrag der Gesteine durch Erosion und Verwitterung besonders stark ist. Gesteine der westlichen Zillertaler Alpen, die den südöstlichen Teil des Bezirkes aufbauen, waren etwa noch vor 20 Millionen Jahren in einer Tiefe von rund 15 km und haben dort eine Metamorphose bei Temperaturen um 550°C erfahren. 6 Informationen zum Gesteinskoffer Geologischer Überblick Der Bezirk Innsbruck Land liegt zentral in den Alpen, genauer gesagt im westlichen Teil der Ostalpen. Nördlich des Inns findet man ausschließlich Sedimentgesteine, insbesondere Kalk- und Dolomitgestein (Karwendel Gebirge). Südlich des Inntales, welches eine große geologische Trennlinie bildet, kommt es im Untergrund zu einer drastischen Änderung. Es finden sich dort ausschließlich metamorphe Gesteine, wobei der Grad der Umwandlung lokal stark schwankt. Magmatite kommen im Bezirk nicht vor, da im Zuge der Bildung der Alpen sämtliche vorhandenen magmatischen Gesteine metamorph wurden. Wie der Blick auf die geologische Karte (Abb. 2) zeigt, ist der Bezirk bei genauerer Betrachtung aus recht unterschiedlichen geologischen Einheiten aufgebaut, die im Koffer jeweils mit den dort vorkommenden Hauptgesteinen repräsentiert sind. Diese Einheiten und einige ihrer Leitgesteine werden im Folgenden näher besprochen. Nördliche Kalkalpen Brennermesozoikum Ötztal-­‐ Stubai-­‐ Kristallin Innsbrucker Quarzphyllit Tauern-­‐ fenster Steinacher Decke Abb. 2: Geologische Übersicht des Bezirkes Innsbruck Land. Datengrundlage ÖK-CD 7 Nördliche Kalkalpen Nördlich des Inntals erstrecken sich über die gesamte Breite des Bezirkes die Nördlichen Kalkalpen. Dieser markante Gesteinskörper zieht sich auf einer West-Ost-Achse von etwa 400 km von Vorarlberg bis nach Niederösterreich. Das Karwendel- und das Wettersteingebirge sind Teile der Nördlichen Kalkalpen. Zwei Gesteine, die diese geologische Einheit im Koffer repräsentieren, sind der Wettersteinkalk und der Hauptdolomit. Außerdem befinden sich noch drei weitere Gesteine der Nördlichen Kalkalpen im Koffer: Seefelder Ölschiefer ist ein fast schwarzes Gestein, das im Hauptdolomit bei Seefeld an einigen Stellen vorkommt. Steinsalz kommt Abb. 3: Verbreitungsgebiet der Nördlichen Kalk-­‐ im oberen Halltal im sogenannten alpen im Bezirk Innsbruck Land Haselgebirge unterirdisch vor und gehört zu den ältesten Gesteinen des Karwendels. Die Höttinger Brekzie schließlich kommt nur am Nordrand der Stadt Innsbruck vor und ist ein geologisch gesehen sehr junges Gestein. Ötztal-Stubai-Kristallin Der Block des Ötztal-Stubai-Kristallins wird im Norden vom Inntal, und im Osten vom Wipptal begrenzt. Nach Westen hin erstreckt er sich bis nach Landeck und Richtung Süden reicht er bis nach Südtirol ins Vinschgau. Diese große Masse, die geographisch etwa den Stubaier und Ötztaler Alpen entspricht, wird im Koffer durch die folgenden drei Gesteine repräsentiert: Amphibolit, Paragneis und Orthogneis. Innsbrucker Quarzphyllit Abb. 4: Verbreitungsgebiet der geologischen Ein wichtiges Gestein des Bezirkes ist der Einheiten des Ötztal-­‐Stubai Kristallins westlich des Wipptales, sowie des Innsbrucker Quarz-­‐ sogenannte Innsbrucker Quarzphyllit. Sein phyllits und des Tauernfensters östlich davon Verbreitungsgebiet ist im Norden durch das Inntal und im Westen durch das Wipptal begrenzt. Im Süden stellt der Kontakt zum „Tauernfenster“ (s.u.) den Abschluss dar. Das Gestein, das dieses Gebiet im Wesentlichen aufbaut, ist schieferig und enthält häufig Einschlüsse von weißem Quarz, daher der Name Quarzphyllit. In diesem finden sich mancherorts Züge von Marmor, so z.B. südlich von Ampass, der sogenannte Ampasser Marmor, der auch im Koffer zu finden ist. Auch ein 8 junges Gestein ähnlich der Höttinger Brekzie, das Ampasser Konglomerat, kommt dort vor. Tauernfenster Das „Tauernfenster“ liegt im südöstlichen Teil des Bezirkes. Im Westen wird es vom Wipptal begrenzt, im Osten reicht es bis nach Kärnten. Nördlich davon liegt der Innsbrucker Quarzphyllit und im Süden wird es von der Defregger Gruppe abgeschlossen. Das „Tauernfenster“ stellt eine geologische Besonderheit in den Ostalpen dar. Hier wurde durch Bewegungen der Erdkruste im Zuge der Bildung der Alpen ein sogenanntes tektonisches Fenster geschaffen. Das bedeutet, dass mächtige Gesteinspakete im Zuge der Plattenkollision übereinander geschoben und durch spätere Erosion gewissermaßen ein gigantisches Loch in die obere Einheit gefressen wurde, sodass die darunter liegenden Gesteine fensterartig zum Vorschein kommen (aus der Vogelperspektive betrachtet). Das „Tauernfenster“ ist in diesem Koffer durch den Zentralgneis und die Bündner Schiefer vertreten. Brenner-Mesozoikum Darunter versteht man eine Gesteinseinheit, die westlich des Wipptales liegt und deren Gesteine im Erdmittelalter, auch Mesozoikum genannt, entstanden sind. Das Erdmittelalter ist jene erdgeschichtliche Zeit, die vor 250 Millionen Jahren begann und vor 66 Millionen Jahren (mit einem gewaltigen Meteoriteneinschlag) endete. Heute bildet diese geologische Einheit eine Reihe von Bergen, die wie Inseln auf dem Ötztal-Stubai-Kristallin aufliegen und auch ursprünglich dort entstanden sind. Dazu zählen die Kalkkögel, die Serles und die Tribulaune an der Grenze zu Südtirol. Als Leitgesteine finden sich der Untere Dolomit und die Raibler Schichten im Koffer. Abb. 5: Verbreitungsgebiet der Gesteine des Brenner-­‐Mesozoikums (hellblau) und der auflagernden Steinacher Decke westlich des Brenners (lila) Steinacher Decke Die letzten Gesteine, die in diesem Koffer enthalten sind, stammen von der Steinacher Decke. Diese geologische Einheit, die sich von Steinach über den Brenner mehrere Kilometer nach Südtirol erstreckt, grenzt im Westen an das Ötztal-Stubai-Kristallin und im Osten an das Wipptal. Die Gesteine der Steinacher Decke liegen ähnlich wie die des Brennermesozoikums auf der Ötztal-Stubai-Masse auf. Im Unterschied zum Brennermesozoikum sind die Gesteine der Steinacher Decke aber erst im Zuge der Gebirgsbildung in die heutige Position verfrachtet worden. Als repräsentatives Gestein wurde die Steinkohle vom Nößlachjoch in den Koffer aufgenommen. 9 Die Gesteine im Detail 1 Wettersteinkalk Der Wettersteinkalk ist ein meist hellgrauer, Kalkstein. Das bedeutet, dass dieses Gestein zum Großteil aus dem Mineral Kalzit besteht. Dies ist ein Mineral der Karbonate, welche ihren Namen vom Element Kohlenstoff - auch Carbon bezeichnet - haben. Neben diesem sind noch die Elemente Sauerstoff und Kalzium in diesem Mineral enthalten. Kalksteine entstehen durch Ablagerungen, die sich durch Organismen in einem warmen, seichten Meer gebildet haben. Deshalb werden Kalksteine wie der Wettersteinkalk auch der Gruppe der Sedimentgesteine zugeordnet. Der Name Wettersteinkalk leitet sich vom Wettersteingebirge her, wo er viele Berge aufbaut. Im Bezirk Innsbruck Land bestehen noch viele weitere Berge aus diesem Gestein, etwa die Gipfel des Hafelekars, des Brandjochs oder der Frau Hitt nördlich von Innsbruck. Entstanden ist der Wettersteinkalk in der mittleren Trias. Abb. 6: Fundort der Wettersteinkalk-­‐Probe Abb. 7: Wettersteinkalk 10 2 Hauptdolomit Beim Hauptdolomit handelt es sich um ein dunkelgraues Gestein, das ebenfalls zur Gruppe der Karbonate zählt. Der Unterschied zwischen Kalkstein und Dolomit besteht darin, dass nicht Kalzit sondern Dolomit das häufigste Mineral in diesem Gestein ist. In diesem seltenen Fall ist tatsächlich der Name des Minerals (Dolomit) identisch mit dem des Gesteins (Dolomit). Im Vergleich zum Kalzit kommt neben Kohlenstoff, Sauerstoff und Kalzium auch noch das Element Magnesium in der Struktur des Dolomits vor. Entstanden ist dieses Gestein ebenfalls im Abb. 8: Fundort der Hauptdolomit-­‐Probe Meer, es ist also auch ein Sedimentgestein. Zeitlich gesehen ist es jünger als der Wettersteinkalk und wurde in der oberen Trias gebildet. Benannt wurde der Dolomit nach dem französischen Geologen Déodat de Dolomieu (1750-1801). Zu finden ist der Hauptdolomit in den Nördlichen Kalkalpen. So sind etwa die Berge östlich von Seefeld und oberhalb von Absam (Zunterköpfe) aus diesem Gestein aufgebaut. Die zahlreichen hellen Linien, die das Handstück durchkreuzen, sind Risse, die entstanden sind, als das Gestein durch Bewegungen im Zuge der Alpenbildung Abb. 9: Hauptdolomit zerbrochen wurde. Diese Risse wurden anschließend durch die Bildung neuer Minerale wieder „verheilt“. Im Handstück des Koffers sind Wettersteinkalk und Hauptdolomit optisch leicht auseinander zu halten. Dies fällt im Gelände oft deutlich schwerer, denn durch die Verwitterung sehen die Gesteine äußerlich oft ähnlich aus. Der Geologe führt deshalb in Zweifelsfällen einen kleinen Test im Gelände durch: Er tropft etwas verdünnte (zehnprozentige) Salzsäure auf das Gestein. Kommt es zu einer heftigen, brausenden Reaktion, so liegt ein Kalkstein vor. Reagiert die Säure nicht, so handelt es sich um Dolomit. Bei der Durchführung des Tests ist Vorsicht geboten: Hautkontakt vermeiden und das Gestein anschließend abwaschen. 11 3 Seefelder Ölschiefer Dieses interessante Gestein kommt im Raum östlich von Seefeld vor, und zwar als Lagen innerhalb des Hauptdolomits. Es handelt sich um ein fast schwarzes und vielfach feingeschichtetes Sedimentgestein marinen Ursprungs. Der Grund für diese dunkle Farbe ist Bitumen, welches im Gestein enthalten ist. Bitumen oder auch Erdpech genannt, entsteht auf ähnliche Weise wie Erdöl. Lebewesen, die das Meer bewohnten, starben ab und sanken zum Meeresgrund. Der Meeresbereich, in dem der Seefelder Ölschiefer abgelagert wurde, wies eine Abb. 10: Fundort der Ölschiefer-­‐Probe Besonderheit auf: Die tieferen Wasserschichten waren wie im heutigen Schwarzen Meer fast sauerstofffrei. Dieses Milieu verhinderte den normalen biologischen Abbau der Organismenreste und sicherte somit die Erhaltung von organischer Substanz, aus der in weiterer Folge Bitumen wurde. Dass es sich tatsächlich um ein Meer handelte, beweisen Funde von fossilen Meeresfischen im Seefelder Ölschiefer. Auch sie wären nicht erhalten geblieben, wäre damals dieses Meeresbeckens gut Abb. 11: Seefelder Ölschiefer durchlüftet gewesen. Wenn man das Handstück aus dem Koffer mit einem harten Gegenstand, am besten mit einem Messer, anritzt, kann man den teerähnlichen Geruch von Bitumen feststellen. Früher wurde in Seefeld der Ölschiefer bergmännisch abgebaut und das enthaltene Bitumen zum sogenannten Steinöl (Produktname Ichthyol), das im Volksmund auch als „Dirschenöl“ bekannt ist, verarbeitet und verkauft. Es wurde für medizinische Zwecke verwendet. Die Bezeichnung „Dirschenöl“ ist auf eine Sage aus dem Seefelder Raum zurückzuführen, bei dem sich zwei Riesen bekämpften. Bei dieser Auseinandersetzung wurde der Riese namens Thyrsus tödlich verletzt und sein Blut versickerte im Gestein und wurde dort zum „Dirschenöl“. Der Täter, Riese Haymon, bereute übrigens sodann seine Tat und gründete – ebenfalls der Sage nach – das Stift Wilten. Der Ölschiefer-Abbau in Seefeld wurde 1964 eingestellt, aber Ichthyol wird weiterhin dort hergestellt. Der Rohstoff wird nun allerdings aus Frankreich importiert. Ein dem Ichthyol von Seefeld vergleichbares Produkt wird heute noch im Bächental westlich des Achensees abgebaut und unter dem Produktnamen „Tiroler Steinöl“ verkauft. Das Gestein, aus dem dieses gewonnen wird, ist allerdings nicht der Seefelder Ölschiefer, sondern der ebenfalls bitumenhältiger Bächentaler Ölschiefer, der in der Jura-Zeit abgelagert wurde, also geologisch gesehen jünger ist als der Seefelder Ölschiefer. 12 4 Steinsalz Aus dem Halltal nördlich von Hall in Tirol stammt das Steinsalz (Kochsalz). Die gelbliche Farbe dieses Gesteins rührt von eisenhältigen Verunreinigungen her, die im Salz enthalten sind. Das Steinsalz entstand in einer erdgeschichtlichen Zeit vor etwa 260 Millionen Jahren (der obersten Perm-Zeit), als Meerwasser in eine seichte Bucht eindrang, die dem heutigen Persischen Golf vergleichbar ist. Das Klima zu dieser Zeit war heiß und trocken. Dadurch verdunstete das Wasser der Bucht und das Salz kristallisierte aus. Auf diese Weise Abb. 12: Fundort der Steinsalz-­‐Probe entstanden weltweit sehr große Lagerstätten, so auch das Salz der Alpen, das heute noch in Altaussee, Hallstatt und Bad Ischl abgebaut wird. Im oberen Halltal wurde seit dem 13. Jahrhundert Salz gewonnen. Dazu mussten Stollen vorgetrieben werden, denn Salz kommt aufgrund seiner sehr guten Löslichkeit nur unterirdisch vor. Die Knappen leiteten dazu Wasser in unterirdische Kavernen und erzeugten so eine konzentrierte Salzlösung (die Sole). Salz wurde also nie bergmännisch mit Abb. 13: Steinsalz Schlägel und Eisen abgebaut, sondern nur gelöst. Die Sole wurde dann in Holzrohren nach Hall geleitet. Dort wurde durch Erhitzen in der Saline das Wasser verdampft und das Salz als Feststoff gewonnen. Der Inn nahm dabei eine wichtige Funktion als Transportmedium für Salz und insbesondere für das Holz ein, denn zum Befeuern der Sudpfannen wurden riesige Mengen an Holz benötigt. Durch den Export des Salzes, das früher einen wesentlich höheren Wert besaß (das „Weiße Gold“), entwickelte sich die Stadt Hall im Mittelalter zum Zentrum Tirols. Unter anderem finanzierte der Landesfürst auch die Gründung der Universität Innsbruck im Jahre 1669 durch eine Steuer auf das Haller Salz. Im Jahre 1967 wurden der Salzbergbau und die Saline aus Rentabilitätsgründen geschlossen. Die Überreste des 700-jährigen Bergbaues, ohne den es die Stadt Hall in Tirol nicht gäbe, sind auch heute noch im oberen Halltal zu sehen. Wer daran zweifelt, dass es sich bei diesem Gesteinsstück tatsächlich um Salz handelt, kann gerne mit dem Finger daran reiben und eine Kostprobe nehmen! 13 5 Höttinger Brekzie Bei der Höttinger Brekzie handelt es sich um ein – geologisch gesehen - sehr junges Gestein. Es stammt aus dem Eiszeitalter (Quartär) und dürfte knapp 100.000 Jahre „am Buckel haben“. Sie setzt sich, wie Brekzien im Allgemeinen, aus Bruchstücken von anderen Gesteinen zusammen, die durch eine Art „Mörtel“ verklebt wurden. Die Höttinger Brekzie kommt nur in einem kleinen Bereich nördlich von Innsbruck vor und ist nach dem Stadtteil Hötting benannt. Am Handstück lassen sich die einzelnen Komponenten erkennen, die von Karbonatgesteinen stammen, die oberhalb des Vorkommens am Abhang der Nordkette zu finden sind (darunter auch der Wettersteinkalk). Ein farblich auffallender Bestandteil der Höttinger Brekzie im Bereich der Hungerburg ist der sogenannte Alpine Buntsandstein, ein meist dunkelroter, feiner Sandstein, der wesentlich zum warmen Farbton der Höttinger Brekzie beiträgt. Entstanden ist die Höttinger Brekzie durch gewaltige Muren, die diese Gesteinsstücke Abb. 14: Fundort der Probe der Höttinger Brekzie zusammen mit einer schlammigen Abb. 15: Höttinger Brekzie Grundmasse von den Steilhängen der Nordkette talwärts transportierten. Dieses Mur-Sediment verfestigte sich, sodass schließlich ein massives Gestein entstand. Auch wirtschaftlich wurde die Höttinger Brekzie über Jahrhunderte genutzt. So wurde sie im ehemaligen großen Steinbruch oberhalb von Innsbruck, der heute als Klettergarten verwendet wird, abgebaut und als Baustein an vielen Stellen in Innsbruck und der Umgebung verbaut. So verzieren noch heute zahlreiche Torbögen und Wände aus Höttinger Brekzie die Häuser in und um Innsbruck. Der Innsbrucker Dom oder die Triumphpforte bestehen im Wesentlichen aus diesem Dekorstein. 14 6 Amphibolit Der Amphibolit ist ein sehr hartes, grünliches Gestein, dessen Name sich von der Mineralgruppe der Amphibole ableitet. Die zählen zu den Silikaten, d.h. das Element Silizium ist ein wesentlicher Bestandteil. Amphibolite gehören zu den metamorphen Gesteinen. Ihr Ausgangsgestein ist meist Basalt, also ein vulkanisches Gestein, das z.B. weite Teile der Ozeanböden aufbaut. Amphibolite sind jene Gesteine in diesem Koffer, die den höchsten Grad an Metamorphose erreicht haben. Abb. 16: Fundort der Amphibolit-­‐Probe Abb. 17: Amphibolit 15 7 Paragneis Die Paragneise stellen zusammen mit den Glimmerschiefern den Hauptbestandteil des Ötztal-Stubai-Kristallins dar. Auch dieses Gestein wurde im Laufe seiner Entstehung metamorph überprägt. Das Ausgangsmaterial war ein sandig-kiesiges Sedimentgestein, das anschließend, so wie der gesamte Ötztal-Stubai-Komplex, mehrere Metamorphose-Phasen erlebte. Als Gneise werden im Allgemeinen metamorphe Gesteine bezeichnet, deren Gefüge eine Verformung erkennen lassen. So weisen in die Länge gestreckte Kristalle auf eine Dehnung des Gesteins hin. Die Abb. 18: Fundort der Paragneis-­‐Probe Vorsilbe „Para“ wird für Gneise verwendet, deren Ausgangsgestein ein Sedimentgestein war (vgl. Orthogneis). Abb. 19: Paragneis 16 8 Orthogneis Der Name Orthogneis weist bereits auf die metamorphe Entstehungsgeschichte dieses Gesteins hin. Die Vorsilbe „Ortho“ (nach dem griechischen Wort für „richtig“) bedeutet, dass im Gegensatz zu Paragneis vor der Metamorphose ein „richtiges“ magmatisches Ausgangsgestein vorhanden war. Die Strukturen des magmatischen Gesteins (relativ große Kristalle, meist von Feldspat) sind auch im Orthogneis oft noch gut zu erkennen. Der Orthogneis kommt an vielen Stellen im Ötztal-Stubai-Kristallin zusammen mit Abb. 20: Fundort der Orthogneis-­‐Probe den Paragneisen und Glimmerschiefern vor. Ursprünglich waren diese Orthogneise Magma, das zu einem Granit erstarrte, welcher später im Zuge der Plattenbewegungen in die Erdkruste verfrachtet und dort metamorph (zu Gneis) wurde. Als Folge der Hebung und Erosion wurden seither die überlagernden Gesteine abgetragen und diese einst heißen Gesteine bilden heute hohe Berge in den Stubaier und Ötztaler Alpen. Abb. 21: Orthogneis 17 9 Innsbrucker Quarzphyllit Wenn man das Handstück des Innsbrucker Quarzphyllits betrachtet erkennt man zwei verschiedene Bestandteile, aus denen er sich zusammensetzt. Einerseits grünlich, teils silbrig glänzenden Glimmer, die wie bereits erwähnt im Volksmund auch als „Katzensilber“ bekannt sind. Als Glimmer wird eine Gruppe von Mineralen bezeichnet, die zu den Silikaten gehört und als dünne Plättchen vorkommen. Der zweite Bestandteil ist ein weißes, Mineral, Quarz. Er kommt in vielen Gesteinen als wichtiges Mineral vor. Tritt er in schön kristallisierter Form z.B. in einer Abb. 22: Fundort der Innsbrucker Quarzphyllit-­‐Probe Kluft auf, so wird er auch als Bergkristall bezeichnet. Entstanden ist der Innsbrucker Quarzphyllit durch die metamorphe Umwandlung von ehemaligen tonigen Sedimenten, die in einem Ozean abgelagert wurden. Abb. 24 zeigt unter welchen Bedingungen gewisse metamorphe Gesteine gebildet wurden: Abb. 23: Innsbrucker Q uarzphyllit 7000 6000 Amphibolit Druck in Bar 5000 Innsbrucker Quarzphyllit 4000 3000 2000 1000 0 0 100 200 300 400 500 600 700 Temperatur in °C Abb. 24: Der linke Punkt repräsentiert die Bedingungen, unter denen der Innsbrucker Quarzphyllit metamorph wurde; der rechte Punkt zeigt an, unter welchen Druck-Temperatur-Bedingungen Amphibolitgestein aus dem Ötztal-Stubai Kristallin in der Erdkruste umgewandelt wurde, bevor es wieder langsam an die Oberfläche kam. 18 Wie man aus dem Diagramm ablesen kann, handelt es sich um Drucke von mehreren Tausend Bar und Temperaturen von etlichen hundert Grad. Das bedeutet, dass auf jeden Quadratzentimeter des Amphibolits einst 6 Tonnen gedrückt haben. Dies entspricht etwa dem Gewicht von vier Autos auf der Fläche einer Briefmarke. 19 10 Ampasser Marmor Südöstlich von Innsbruck liegt die Gemeinde Ampass, von wo die MarmorProbe aus diesem Koffer stammt. Marmor ist ein metamorphes Gestein, das ursprünglich meist als Kalkstein im Meer entstanden ist. Deshalb ist auch das Mineral Kalzit der wichtigste Bestandteil dieses Gesteins. Kalzit ist zwar bis zu hohen Temperaturen und Drucken stabil, dennoch verändert sich im Zuge der Metamorphose des Kalksteins seine Kristallstruktur (sie wird gröber). Viele Marmore zeigen daher eine zuckerkörnige Struktur wenn sie angebrochen werden. Abb. 25: Fundort der Probe des Ampasser Marmors Der Ampasser Marmor ist von der Güte und Reinheit her nicht mit dem berühmten Marmor von Carrara (in der Toskana) oder dem von Laas (im Vinschgau Südtirols) vergleichbar. Seine Farbe variiert von selten weiß (wie die Probe im Koffer) bis meist hellgrau. Auch die Mächtigkeit des Vorkommens bei Ampass ist bescheiden. Dennoch wurde er früher abgebaut und als Baustein in manchen Kirchen und Gebäuden Nordtirols verwendet. Der kleine ehemalige Steinbruch ist auch heute am Südrand des Ortes zu sehen. Abb. 26: Ampasser Marmor 20 11 Ampasser Konglomerat Das Konglomerat von Ampass wirkt auf den ersten Blick wie eine Art Beton. Es besteht aus gerundeten Gesteinsstücken, die in einer feineren Grundmasse eingebettet sind. Die gute Rundung der Komponenten ist auch das Merkmal aller Konglomerate. Diese Sedimentgesteine stellen nichts anderes als Fluss-Schotter dar, die nach der Ablagerung verkittet und zu Gestein wurden. Im Unterschied zu Brekzien (vgl. Höttinger Brekzie) wurden die Komponenten (Kiesel) der Konglomerate kilometerweit durch fließendes Wasser transportiert. Diese Gesteinsmasse bildet am westlichen Abb. 27: Fundort der Probe des Ampasser Konglomerats Ortseingang zwei markante Hügel, an denen südlich die ehemalige Römerstraße vorbeiführt. Auf dem Konglomerat wurde eine Wallfahrtskirche und etwas oberhalb ein Glockenturm errichtet. Entlang des Fußweges zu diesem Glockenturm gibt es mehrere Stellen, an denen das Konglomerat gut zu sehen ist. Entstanden ist diese interessante Ablagerung im Eiszeitalter, als die Bäche und Flüsse stark aufschotterten und wenig Vegetation im Inntal vorhanden war. Konglomerate werden mancherorts abgebaut und z.B. als Dekorstein verwendet. Das Ampasser Konglomerat ist Abb. 28: Ampasser Konglomerat aber nur mäßig verfestigt und eignet sich deshalb nicht als Bau- oder Dekorstein. Die Probe im Koffer wurde mit Lack versiegelt, ansonsten würde sie zerfallen. Brekzie oder Konglomerat? Da die Ähnlichkeit von Höttinger Brekzie und Ampasser Konglomerat erwähnt wurde, soll kurz der Unterschied zwischen Brekzie und Konglomerat erläutert werden. Das entscheidende Merkmal einer Brekzie ist, dass die Komponenten, die von der feinen Grundmasse zusammengehalten werden kantig bzw. wenig gerundet sind. Dies deutet darauf hin, dass diese Bruchstücke bis zu dem Ort, an dem sie abgelagert wurden, nicht weit transportiert wurden. Konglomerate hingegen bestehen aus gut gerundeten Gesteinsstücken, deren Form auf fließendes Wasser hindeutet. Diese Komponenten wurden weit transportiert und die Kanten rund geschliffen. 21 12 Zentralgneis Dieses Gestein stammt aus einem Steinbruch, der östlich des Brenners gelegen ist und sich im „Tauernfenster“ (s.o.) befindet. Beim genauen Betrachten des Handstückes kann man die einzelnen Minerale gut unterscheiden. Die großen, teils rechteckigen, weißen Bestandteile sind Feldspäte. Die grauen Bereiche, die durchsichtig bis glasig erscheinen, sind Quarzkristalle. Außerdem gibt es noch schwarze, glänzende Kristalle, die zum Teil länglich sind. Diese Minerale sind Glimmer. „Feldspat, Quarz und Glimmer – die drei Abb. 29: Fundort der Zentralgneis-­‐Probe vergiss ich nimmer“ ist eine altbekannte Eselsbrücke, die die mineralischen Bestandteile von Granit in Erinnerung rufen soll. Tatsächlich ist die Diagnose Granit nicht ganz falsch, denn entstanden ist der Zentralgneis ursprünglich als Granit. Lange bevor die Alpen gebildet wurden drang Magma in die Erdkruste ein (vor ca. 300 Millionen Jahren) und erstarrte dort langsam. Dieser Granitkörper wurde viel später im Zuge der alpinen Gebirgsbildung metamorph, er wurde zu Gneis. Obwohl Granit ein bekannt hartes und widerstandsfähiges Gestein ist, wurde auch dieses durch den hohen Druck und die Abb. 30: Zentralgneis hohen Temperaturen, die tief in der Erdkruste herrschen, umgewandelt und geknetet; dies führte zur charakteristischen Orientierung der Kristalle und zu einer leichten Schieferung des Gesteins. Der Zentragneis ist ein wichtiges Gestein in den Zillertaler Alpen und baut z.B. den bekannten Olperer (3476 m) auf. Da Gneis sehr verwitterungsbeständig und hart ist, wird er im Straßenbau und für Bachuferverbauungen verwendet. 22 13 Bündner Schiefer Die Bündner Schiefer sind dunkle, meist feingeschichtete (geschieferte) Gesteine, die einen hohen Gehalt an Glimmer besitzen. Daneben findet man auch einen hohen Anteil an Kalzit und Quarz in diesem Gestein. Die Bündner Schiefer waren ursprünglich ein sandig-toniges Sediment, das in einem Meeresbecken vor etwa 100 Millionen Jahren abgelagert wurde. Als sich die Alpen entwickelten, wurden diese Sedimente umgewandelt (metamorph) und – wie am Handstück deutlich zu sehen ist – auch stark verformt. So sind die Abb. 31: Fundort der Probe der Bündner Schiefer wellenförmigen weißen Bänder Zeugen der Deformationsgeschichte und lassen erahnen, welche Kräfte auf das Gestein eingewirkt haben müssen. Abb. 32: Bündner Schiefer 23 14 Unterer Dolomit Der Untere Dolomit ist ein Gestein des Brenner-Mesozoikums (s.o.), das im Allgemeinen mittelgrau erscheint. Die hellen Linien, die das Gestein durchkreuzen, sind ehemalige Klüfte, die mit neu gebildeten Mineralen verheilt sind (siehe Hauptdolomit). Gebildet wurde der Untere Dolomit in einem flachen, warmen Meer. Der untere Dolomit kann jedoch zudem auf eine metamorphe Geschichte zurückblicken. Er liegt heute demnach als Dolomit-Marmor vor. Etwaige Fossilien wurden im Zuge der Metamorphose zum Abb. 33: Fundort der Unteren Dolomit-­‐Probe größten Teil zerstört. Der Name Unterer Dolomit lässt vermuten, dass es auch einen Oberen Dolomit gibt. Dieser kommt tatsächlich im Brennermesozoikum vor, ist dem Hauptdolomit der Nördlichen Kalkalpen vergleichbar, und ist vom Unteren Dolomit durch die Raibler Schichten (s.u.) getrennt. Abb. 34: Unterer Dolomit 24 15 Raibler Schichten Diese Gesteine erhielten ihren Namen vom Ort Raibl (heute Cave del Predil) in italienischen Region Friaul-Julisch Venetien. Die Gesteine der Raibler Schichten können ein recht unterschiedliches Erscheinungsbild aufweisen. Bei dem Handstück, welches in diesem Koffer diese Einheit repräsentiert, handelt es sich um einen Tonstein, ein schwarzes Gestein, das im Gelände in der Form von bis zu mehreren Zentimeter dicken Platten vorkommt. Mit freiem Auge sind nur sehr kleine gelbe Punkte zu erkennen. Dabei handelt es sich vermutlich Abb. 35: Fundort der Probe der Raibler Schichten um Körner des Minerales Pyrit. Neben den Tonsteinen kommen innerhalb der Raibler Schichten häufig auch Tonschiefer vor, die dünnblättrig sind und einen höheren Anteil an sehr feinem Glimmer aufweisen. Zudem treten auch braune Kalksteine und Dolomite auf. Die Tonsteine und –schiefer der Raibler Schichten entstanden, als große Flüsse aus dem Norden in das Meer mündeten und dort ihre feinkörnige Abb. 36: Raibler Schichten Sedimente in Form von Flussdeltas (ähnlich dem des heutigen Nils) ablagerten. Dass zu dieser Zeit diese Flüsse Sedimente in großem Stil in das Meer schütteten und davor (Unterer Dolomit) und danach (Oberer Dolomit) keine Spur von solchen tonigen Sedimenten zu finden ist, dürfte seinen Grund in einer großen Klimaänderung gehabt haben. Die Raibler Schichten sind wie alle Gesteine des Brenner-Mesozoikums leicht metamorph überprägt. Wäre diese deutlich intensiver gewesen, so wären Glimmerschiefer entstanden. 25 16 Nößlacher Steinkohle Tirols einzige Steinkohle kommt am Nößlachjoch westlich des Wipptals vor. Dabei handelt es sich um ein nicht allzu hartes, schwarzes Gestein, welches stark abfärbt. Das liegt daran, dass die Bestandteile der Kohle, ähnlich wie bei Glimmer, einen schichtförmigen Kristallaufbau besitzen und sich somit leicht abtrennen lassen. Steinkohle besteht zum Großteil aus Kohlenstoff, wodurch sie auch zur Verbrennung geeignet sind. Entstanden ist die Nößlacher Steinkohle im Karbon-Zeitalter (vgl. Carbon – Kohlenstoff). Damals herrschte ein Klima, Abb. 37: Fundort der Steinkohle-­‐Probe das für große und üppige Wälder günstig war. Im Fall der Steinkohle vom Nößlachjoch handelte es sich vermutlich um einen Waldmoorsumpf, in dem abgestorbene Bäume und andere Pflanzen ähnlich wie in heutigen Mooren unter Sauerstoffabschluss vor der Verwesung geschützt waren und zu Torf wurden. Mit zunehmendem Druck und Temperatur, der durch die Überlagerung durch andere Sedimente zustande kam, wurde im Laufe Abb. 38: Steinkohle der Zeit aus dem Torf eine Braunkohle und schließlich Steinkohle. Trotz dieser Umwandlung lässt sich die Herkunft der Kohle eindeutig anhand von Abdrücke von Farnen und anderen damals lebenden Pflanzen nachweisen (Reste von Blütenpflanzen wird man in der Nösslacher Kohle vergebens suchen; diese gab es im Karbon-Zeitalter noch nicht). Zeitweise wurden die nicht sehr mächtigen Kohleflöze am Nößlachjoch auch unterirdisch abgebaut, so in den Notjahren am Ende der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts. Jedoch war der Betrieb schwierig, der Abbau kaum rentabel. Im Jahr 1941 wurde der Betrieb eingestellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er wegen der generellen Brennstoffknappheit 1945-1950 noch einmal aufgenommen. Seit 1950 sind jedoch sämtliche Stollen stillgelegt. Für Interessierte wurde ein „Bergwerkswanderpfad“ angelegt, an dem Besucher Informationen über die Entstehung und den Abbau der Kohle erhalten. Auch ein rekonstruiertes Stollenportal ist zu sehen. 26 Weiterführende Informationen Allgemeine geologische Nachschlagebücher Allgemeine Geologie (J. Grotzinger, T.H. Jordan, F. Press, R. Siever; Spektrum Verlag, 2007, ISBN 3827418127) Dieses Buch befasst sich sehr umfassend mit dem Aufbau der Minerale, Gesteine sowie der Erde selbst, Plattentektonik, Erdgeschichte und vielen weiteren Themen. Es ist einfach und verständlich geschrieben und gibt dem Leser sehr viele Information die Geologie im Allgemeinen betreffen. Gesteinskunde: Ein Leitfaden für Einsteiger und Fortgeschrittene (U. Sebastian; Spektrum Akademischer Verlag, 2011, ISBN 382742822X) In diesem übersichtlichen Buch erfährt der Leser anschaulich wie man Gesteine im Gelände anhand ihres Äußeren charakterisieren und erkennen kann. Dabei wird erklärt wie die wichtigsten gesteinsbildenden Minerale in Handstücken aussehen, oder woran man erkennt, welche Art von Gestein man vor sich hat. Einige spezielle Bücher Höhlen, Bergwerke, Heilquellen (H. Kuntscher; Steiger Verlag, 1986, ISBN 3-85423040-0) Dieses leider seit Jahren vergriffene Buch beschreibt ausführlich die ehemaligen Bergbaue in Nordtirol, u.a. auch den von Seefeld, Steinach und Hall in Tirol und gibt Wandervorschläge. Die Geologie der Alpen aus der Luft (K. Stüwe, R. Homberger, Weishaupt Verlag, 2011, ISBN 3705903144) Das wohl schönste Geologie-Bilderbuch der letzten Jahre. Behandelt anhand großartiger Luftfotos den gesamten Alpenbogen und macht Appetit auf mehr. Internet Ressourcen Rocky Austria (Hrsg. Geologische Bundesanstalt, http://www.geologie.ac.at/, dann GBA-ONLINE) Populärwissenschaftliche Infos zur Entstehung von Gesteinen, der Bildung der Alpen, Fossilien, Eiszeit, usf. Print-Ausgabe vergriffen, Neuauflage in Vorbereitung. Ausflugsziele Bergwerkswanderpfad Nößlachjoch Dieser Pfad setzt sich aus zwei Rundwanderwegen zusammen. Man kann eine kleinere Runde gehen (ca. 30 Minuten), doch es lohnt sich beide Wege zu gehen (etwa 1 Stunde). 27 Auf einem der höchsten Punkte findet man ein rekonstruiertes Stollenportal und in seiner Umgebung eine Bergwerkshalde mit vielen Kohlestücken. Auch die Reste einer Seilbahn sind zu finden, mit der die Kohle ins Tal transportiert wurde. Dieser Wanderweg ist leicht zu gehen und am Wegesrand sind Tafeln zu finden, welche Informationen zum ehemaligen Abbau bereithalten. http://www.wipptal.at/de/urlaub-in-tirol/aktivitaeten/wandern/wanderung-ambergwerksweg.html?sort=1 Bergbaumuseum Hall In der Stadt Hall in Tirol befindet sich ein kleines Bergbaumuseum, das sich mit der Geschichte des Salzabbaus befasst. In einem Gebäude am Rand des Oberen Stadtplatzes geben zahlreiche Ausstellungstücke und Nachbildungen dem Besucher die Möglichkeit sich die die Arbeit der früheren Bergleute vorzustellen. http://www.hall-wattens.at/de/fuehrungen-bergbaumuseum.html Ehemaliges Bergbaurevier im Halltal Obwohl der Salzbergbau im Halltal seit 1967 ruht und die Stollen verschlossen sind bietet dieses Tal eine Fülle von Spuren des jahrhundertelangen Bergbaues und auf den ehemaligen Bergwerkshalden können z.B. Gips oder Anhydritstücke gefunden werden. Eine Beschreibung der montanhistorisch interessanten Gebäude etc. findet sich hier: http://www.karwendel.org/downloads/apk_baende/apk_band_7.pdf 28