platin(II)-Komplexe

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W. Gitzel et al. •Dichlorobis(isonitri])platin(II)-Kornplexe
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Physikalische Eigenschaften kristallisierter
Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Komplexe
Physical Properties of Crystallized Dichloro(bis-isonitrile)platinum(II)complexes
W.
G it z e l ,
H. J .
K eller ,
R.
L o ren tz
und H. H. Rupp
Anorganisch-Chemisches Institut der Universität Heidelberg
(Z. Naturforsch. 28 b, 161-163 [1973]; eingegangen am 4. Dezember 1972)
Intermolecular metal interactions, optical spectra, one-dimensional metals
The properties of some new dichlorobis (aryl-isonitrile) platinum (II) complexes are given.
The optical reflexion spectra of the compounds in their colored modification depend
strongly on the strength of the intermolecular metal interactions. It is shown that the solid
state properties are influenced heavily by the steric requirements of the isonitrile ligands.
Die physikalischen Eigenschaften der in Kolumnarstruktur kristallisierenden Koordinationsverbindungen
werden durch die sterischen Erfordernisse der Ligan­
den, durch das von ihnen verursachte Ligandenfeld
und die Stärke der intermolekularen Wechselwirkun­
gen bestimmt. Die beiden letztgenannten Einflüsse, die
im folgenden als elektronische Effekte bezeichnet wer­
den, erklärte man bisher fast ausschließlich mit einem
Bändermodell, bei dem eine merkliche Beimischung
von energetisch höher liegenden (n + 1) pz-Funktionen zu den energetisch begünstigten ndz2-Funktionen
vorausgesetzt wurde 1—5. Danach sind eindimensional­
metallische Eigenschaften lediglich für Koordinations­
verbindungen mit weniger als 8 d-Elektronen pro Zentralmetallion zu erwarten, während für reine d8-Komplexe relativ schwache intermolekulare Wechselwir­
kungen (schwache Farbvertiefung, Halbleitereigen­
schaften) resultieren sollten.
Gegen dieses Modell ist zunächst der Einwand zu
erheben, daß in den untersuchten Fällen die beige­
mischten (n + 1) pz-Funktionen energetisch so viel
höher liegen als die ndz2-Orbitale (z. B. beim Nikkel(II)-Ion um etwa 17 eV, beim Platin(II) oder Iri­
dium s-Ion dagegen mindestens um 20 eV), daß eine
wesentliche Beteiligung dieser Funktionen am Grund­
zustand zumindest als fraglich erscheinen muß. Dazu
kommt, daß planare kolumnarstrukturierte Komplexe
mit zentralen d8-Übergangsmetall-Ionen existieren,
die nach optischen Kriterien eindeutig eindimensional
metallisches Verhalten zeigen, d. h. sie verfügen über
ein nur teilweise besetztes Leitfähigkeitsband trotz der
Sonderdruckanforderungen an Prof. Dr. H. J . K e l ­
Anorgan.- Chem. Institut der Universität,
D-6900 Heidelberg 1, Im Neuenheimer Feld 7.
le r,
8 d-Elektronen pro Zentralatom. Dazu zählen nach
unserer Auffassung mindestens zwei verschiedene
Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Verbindungen6, ver­
schiedene Chelatodicarbonyl-iridium(I)- bzw. -rhodium(I)-Verbindungen 7—9 sowie schließlich das Chlorotricarbonyliridium(I) 10, das früher als teilweise
oxidierte Verbindung klassifiziert wurde2' n, aber
nach einer neueren Untersuchung als reines d8-konfiguriertes Ir(CO)3Cl vorliegt und trotzdem die Eigen­
schaften eines eindimensionalen Metalls besitzt 12.
Die physikalischen Eigenschaften derartiger Ver­
bindungen und vor allem das beobachtete eindimen­
sional-metallische Verhalten lassen sich auch bei d8Komplexen zwanglos mit folgendem Energieniveaudiagramm erklären 6' ,3' 14: Im Gegensatz zu den frü­
heren Vorschlägen ist danach der Energieabstand zwi­
schen einem energetisch leicht begünstigten, breiten
d22-Band und einem je nach Ligandenfeld energetisch
höher liegenden schmalen d/.^-Band für das physi­
kalische Verhalten der kristallisierten Komplexe ver­
antwortlich (Abb. 1 ). Dieser Energieabstand A E läßt
sich u. a. durch Variation der äquatorialen Liganden
verändern. Schon bei einem angenähert oktaedrischen
Ligandenfeld, d. h. bei etwa gleicher Ligandenfeld-
Abb. 1. - Energieniveauschema für eine Kolumnarstruktur.
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W. Gitzel et al. • Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Komplexe
Zum einen war es noch nicht gelungen, ausgedehnte,
leicht polarisierbare Seitenelemente unter Erhalt der
Kolumnarstrukturen anzubringen, was nach einem
Modell von L i t t l e Voraussetzung für durch Excitonen induzierte Hochtemperatur-Supraleitung ist15.
Zum anderen galt es, nicht nur den früher postulierten
Zusammenhang zwischen den elektronenziehenden
bzw. donierenden Eigenschaften der äquatorialen Isonitrilliganden einerseits und dem Wert von A E an­
dererseits an extremen Beispielen zu überprüfen, son­
dern auch die Frage zu beantworten, inwieweit steri­
sche Effekte des Liganden Struktur und Festkörperver­
halten beeinflussen. Dieser sterische Einfluß dürfte sich
nicht nur auf die Umwandlungstendenz der tiefge­
färbten Modifikation in die nahezu farblose Form aus­
wirken 6, sondern sollte sich auch bei den intermole­
kularen Metallwechselwirkungen bemerkbar machen.
Eine Möglichkeit, die Wechselwirkungen entlang der
Metallkette abzuschätzen, ergibt sich aus den Spektren
im sichtbaren bzw. im UV-Bereich. Man kann anneh­
men, daß abgesehen von geringer Beteiligung intra­
molekularer Übergänge — wie man aus den praktisch
farblosen Lösungen der monomeren Einheiten sehen
kann — die Farbe der Komplexe in ihrer tiefgefärb­
ten Modifikation von intermolekularen Übergängen
entlang der Metallkette herrührt. Demnach ist in Ver­
bindungen mit A E = O das optische Verhalten eines
eindimensionalen Metalls zu erwarten, während für
alle Komplexe mit A E > O an der A E entsprechen­
den Stelle eine Absorptionskante im Spektrum auftritt. Auf der Grundlage dieses einfachen Modells sind
somit Angaben über die Größe von A E direkt aus den
optischen Spektren zu entnehmen.
Deshalb wurden von einer Reihe von Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Komplexen Reflexionsspektren im
Bereich von 400— 1600 nm aufgenommen. Die opti­
schen Reflexionsspektren der Verbindungen in ihren
beiden Modifikationen unterscheiden sich deutlich
(Abb. 2). (Vgl. Spektren 1 —2 mit denen von 3— 8 )
A bsorption
stärke der äquatorialen Liganden, sowie der axial an­
geordneten benachbarten Metallionen geht A E gegen
Null. Die beiden Bänder beginnen zu überlappen und
es entsteht ein nur teilweise besetztes Leitfähigkeits­
band, ohne daß — wie im oben erwähnten Modell —
eine Oxydation notwendig ist. Die eindimensional me­
tallischen Eigenschaften von d8-Komplexen sind so
zwanglos zu erklären. Über die Eigenschaften einer
Reihe von Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Verbindungen wurde erst kürzlich berichtet6, jedoch blieben
bisher einige Fragen offen:
X [nm]-----fr-
Abt). 2. Absorptionsbanden einiger charakteristischer
Komplexe PtCl2 (RNC)2 im Bereich von 400-800 nm. - (1-2 weitgehend farblose Modifikation, - 3-8 tiefgefärbte Modifikation). - 1 R = Phenyl - 2 R = ^»-Nitrophenyl - 3 R = /»-Methoxyphenyl - 4 R = 3. 4-Dimethylphenyl - 5 R = 2.6-Dimethylphenyl - 6 R = />-Chlorphenyl - 7 R = Phenyl
- 8 R = ^-Nitrophenyl -
Wie erwartet, zeigen die tiefgefärbten KomplexModifikationen eine langwellige Absorptionskante,
während die weitgehend farblosen erst im kürzerwelligen Bereich absorbieren. Wider Erwarten ist die Ver­
schiebung der Kante in den langwelligen Bereich nicht
mit der elektronenziehenden Wirkung der äquatoria­
len Isonitrilliganden zu korrelieren, d. h. offensichtlich
spielen die sterischen Effekte für die intermolekularen
Wechselwirkungen entlang der Metallkette eine we­
sentliche Rolle. Die erwartete Reihenfolge wird in vie­
len Fällen durchbrochen: So war eigentlich zu erwar­
ten, daß der Komplex Dichlorobis(p-chlorphenylisonitril)platin(II) auf Grund der elektronischen Effekte
ähnlich langwellig absorbieren sollte wie die entspre­
chenden Phenylisonitril- bzw. p-Nitrophenyl-Verbindungen. Auch das p-N,N-Dimethylaminophenyl-Derivat paßt nicht in die Reihe elektronischer Effekte
(ohne Abbildung). Besonders deutlich kommt der ste­
rische Einfluß beim Vergleich der Spektren von 4 und
5 zum Ausdruck. Obwohl im Komplex 5 kaum mehr
elektronendonierende Wirkung zu erwarten ist als in
4, tritt die Absorptionskante im Spektrum von 5 deut­
lich längerwellig als in 4 auf. Somit ist erwiesen, daß
neben den früher beschriebenen elektronischen Effek­
ten, sterische Faktoren die physikalischen Eigenschaf­
ten dieser Komplexe ganz maßgebend beeinflussen.
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W. Gitzel et al. •Dichlorobis(isonitril)platin(II)-Komplexe
Es ist deshalb zu erwarten, daß bei den angestrebten
Komplexen mit großen, leicht polarisierbaren Ligan­
den (L i 1 1 1 e-Modell15) diese sterischen Effekte zu­
nehmend an Bedeutung gewinnen und schließlich do­
minierend werden. Dies dürfte einer der Gründe sein,
daß es uns bisher nicht gelungen ist, solche Systeme mit
größeren organischen Liganden zu synthetisieren, die
auf Grund ihres optischen Verhaltens als eindimensio­
nale Metalle zu klassifizieren sind.
Experimentelles
Die Isonitrile werden analog nach bekannten Vor­
schriften synthetisiert16—l8. Darstellung der Didilorobisisonitrilplatin(II)-Komplexe in ihrer tiefgefärbten Modifikation: Es werden 0,5 g Na^PtC^ und das
jeweilige Isonitril im Molverhältnis 1 : 2 eingesetzt
und beide in ca. je 50 ml Äthanol gelöst. Bei Zimmer­
temperatur wird die Isonitrillösung unter Rühren zu
der Na2PtCl4-Lösung zugetropft. Dabei fallen die
Komplexe mikrokristallin in ihrer tiefgefärbten Mo­
difikation aus. Das Produkt wird abgesaugt, mit Ätha­
nol und anschließend mit Wasser zur Entfernung des
anhaftenden Natriumchlorids gewaschen. Dann wird
im Hochvakuum getrocknet.
Die Umwandlung der so erhaltenen Komplexe in
ihre weitgehend farblose Modifikation erfolgt nach der
bekannten Methode durch Erhitzen in Chloroform 19.
Die optischen Spektren wurden mit einem RatioRecording-Spectrophotometer DK-2 der Firma Beck­
man aufgenommen.
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Der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Bad Godes­
berg, sowie dem Fonds der Chemischen Industrie dan­
ken wir herzlich für die finanzielle Unterstützung die­
ser Arbeiten.
J. R . M i l l e r , J. c h e m . S oc. [L o n d o n ] 1 9 6 1 , 4 4 5 2 ;
A d v a n ce s in o rg . C h em . R a d io ch e m . 4, 133 [1 9 6 2 ].
2 K . K r o g m a n n , A n gew . C hem . 81, 10 [1 9 6 9 ].
3 M. J. M in o t u . J. H . P e r l s t e i n , P h v sic. R e v . L e t ­
t e rs 2 6 , 371 [1 9 7 1 ].
4 T . W. T h o m as u . A . E . U n d e r h i l l , C h em . S oc. R e v .
I , 9 9 [1 9 7 2 ].
5 E . F is h m a n n u . V . L . I n t e r r a n t e , In o rg . C h em .
I I , 1 7 2 2 [1 9 7 2 ],
6 H . J. K e l l e r , R . L o r e n t z , H . H . R u p p u . J. W e i s s ,
Z. N a tu rfo rs c h . 2 7 b , 631 [1 9 7 2 ],
7 C. G. P i t t , L . K . M o n t e it h , L . F . B a l l a r d , J. P .
C o l l m a n , J . C. M o r r o w , W . R . R o p e r u . D . U l k ü ,
J . A m e r. ch em . S oc. 8 8 , 4 2 8 6 [1 9 6 6 ].
8 N . A . B a i l e y , E . C o a t e s , G. B . R o b e r t s o n , F .
B o n a t i u . R . U g o , C h em . C o m m u n . 1 9 6 7 , 10 4 1 .
9 R . U g o , G. L a M o n ic a , S. C e n in i u . F . B o n a t i , J.
O rg a n o m e ta l. C h em . 11, 1 5 9 [1 9 6 8 ].
10 W. H i e b e r , H . L a g a l l y u . A . M a y r , Z. an o rg . allg.
C h em . 2 4 6 , 1 3 8 [1 9 4 1 ].
11 F . N . L e c r o n e , M. J. M in o t u . J. H . P e r l s t e i n ,
In o rg . N u cl. C h em . L e tt e r s 8, 173 [1 9 7 2 ].
12 H . V a h r e n k a m p u . L . D a h l , p ersö n lich e M itte i­
lung.
13 K . S e i b o l d , D iss e rta tio n , T . U . M ü nch en 1 9 7 0 .
14 H . H . R u p p , D iss e rta tio n , T . U . M ü nch en 19 7 1 .
15 W. A . L i t t l e , P h y s ic . R e v . A 1 34, 1 4 1 6 [1 9 6 4 ].
16 I. U gi u . R . M e y r , C h em . B e r. 9 3 , 2 3 9 [ I 9 6 0 ] .
17 I. U g i , U . F e t z e r , U . E h o l z e r , H . K n ü p f e r u . K .
O f f e r m a n n , N eu ere M eth o d en d er p rä p . org. C he­
m ie, B a n d . IV , 3 7 , V e rla g C hem ie, W e in h eim , 1966.
18 W . P . W e b e r , G. W . G o k e l u. I. K . U g i , A ngew .
C h em . 8 4 , 5 8 7 [1 9 7 2 ],
19 I.. R a m b e r g , C h em . B e r . 4 0 , 2 5 7 8 [1 9 0 7 ].
1
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