Hilfe und Selbsthilfe nach einem Trauma

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ISBN 3-525-46250-6
www.v-r.de
Hilfe und Selbsthilfe nach einem Trauma
Dieses Buch richtet sich an Menschen, die von
einem plötzlichen Trauma betroffen sind, etwa
durch eine Umweltkatastrophe, ein Gewaltverbrechen, einen Verkehrsunfall oder den unerwarteten
Verlust eines geliebten Menschen. Der Ratgeber
gibt den Betroffenen selbst, aber auch ihren
Angehörigen, wichtige Informationen über mögliche Reaktionen und Folgen nach einem erlittenen
Trauma. Dazu gehören Schlafstörungen, Schreckhaftigkeit, Vermeidungsverhalten, Schuldgefühle,
sexuelle Störungen und vieles andere.
Die in der Behandlung von traumatisierten Patienten erfahrenen Autoren geben Hilfestellungen
und zeigen auf, wie ein Leben nach dem Trauma
weitergehen kann und welche Möglichkeiten es
zur Überwindung des Traumas gibt. Spezifische
Traumatherapien werden ebenso vorgestellt wie
medikamentöse Unterstützung.
U. Schäfer/E. Rüther/U. Sachsse (Hg.)
Vandenhoeck & Ruprecht
Ulrike Schäfer/Eckart Rüther/Ulrich Sachsse
Hilfe und Selbsthilfe
nach einem Trauma
Ein Ratgeber für seelisch schwer belastete
Menschen und ihre Angehörigen
9 783525 462508
V
UMS_Schaefer_Trauma 1
Vandenhoeck & Ruprecht
18.01.2006 12:18:40 Uhr
■ Inhalt
Warum dieses Buch? .................................................
7
Was ist unter einem Trauma zu verstehen?............
11
Ziele für die Traumabewältigung ............................
17
Reaktionen auf ein Trauma (Symptome) ...............
Nachhallerinnerungen ..........................................
Schlafstörungen ......................................................
Betäubungsreaktion ...............................................
Vermeidungsverhalten ..........................................
Gesteigerte Erregung und Schreckhaftigkeit .....
Gesteigerte Wachsamkeit ......................................
Konzentrationsstörungen .....................................
Mögliche körperliche Reaktionen .......................
Depressionen ..........................................................
Trauerreaktionen ...................................................
Schuldgefühle .........................................................
Posttraumatische Belastungsstörung ..................
Selbstverletzendes Verhalten ................................
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Wie kann das Trauma überwunden werden? ........
Zur Sprache zurückfinden ....................................
Sich Sicherheit und Beruhigung verschaffen .....
Umgang mit der Angst ..........................................
Umgang mit Vermeidungsreaktionen .................
Umgang mit Erinnerungsbildern ........................
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Inhalt
Umgang mit Schlafproblemen .............................
Umgang mit sexuellen Störungen .......................
Umgang mit Alkohol- und Drogenproblemen ..
Umgang mit vermehrter Reizbarkeit und
Ärgerreaktionen .....................................................
Weitere Tipps ..........................................................
Verhindern Sie, dass der Täter Ihr weiteres
Leben bestimmt .....................................................
Umgang mit Verantwortung und
Schuldgefühlen .......................................................
Vertrauen in Selbstheilungskräfte .......................
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Psychotraumatherapie ...............................................
Stabilisierungsphase ..............................................
Traumaexposition ..................................................
Integrationsphase ...................................................
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Medikamentöse Behandlung ...................................
75
Auswirkungen des Traumas auf die Familie
und den Partner .........................................................
Wenn Kinder vom Trauma betroffen sind .........
Wie kann dem Kind nach einem Trauma
geholfen werden? ...................................................
Sexueller Missbrauch ............................................
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82
Ein Wort zu Selbsthilfegruppen ...............................
85
Literatur .......................................................................
86
Informationen aus dem Internet .............................
88
Die Autoren ................................................................
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■ Was ist unter einem Trauma zu verstehen?
Das Wort Trauma entstammt der griechischen Sprache
und heißt Wunde oder Verletzung. Die Mehrzahl von
Trauma heißt Traumata.
Bei einem Trauma wird ein Mensch konfrontiert mit
der Möglichkeit des eigenen Todes oder mit der Möglichkeit oder auch dem tatsächlichen Eintreten des Todes
anderer, mit einer schweren Verletzung der eigenen Person oder Verletzungen anderer, mit einer Bedrohung der
körperlichen und/oder seelischen Integrität, der eigenen
oder der anderer. Dies kann dadurch geschehen, dass der
Betroffene selbst in ein Ereignis verwickelt ist beziehungsweise war oder Zeuge davon geworden ist.
Ein Trauma ruft Gefühle von absoluter Hilflosigkeit,
extremer Angst, eigener Wirkungslosigkeit und Ohnmacht hervor. Diese Ohnmachtgefühle, die unkontrollierbare Angst, die Hilflosigkeit bewirken Traumareaktionen,
so dass Sie das Gefühl haben, dass nichts mehr so ist, wie
es vor dem Trauma war. Es ist eine Kluft zwischen dem
Leben vor und nach dem Trauma entstanden. Es gilt, die
paradoxe Situation auszuhalten: Nichts ist mehr so, wie es
war, und trotzdem geht alles so weiter, als sei nichts geschehen. Das führt verständlicherweise zu Wahrnehmungsverwirrungen, denn beide Wahrnehmungen sind richtig:
Alles ist wie bisher und nichts ist mehr wie es war. Oft gehen mit diesen Wahrnehmungsverwirrungen Gefühle
des Unwirklichen einher. Auch kann es sein, dass Ihr
Gefühl von Sicherheit verloren gegangen ist.
12 Was ist unter einem Trauma zu verstehen?
Erschwerend kann hinzukommen, dass Helfer, Menschen, die am Unfallort waren oder sich im weiteren Verlauf um Sie gekümmert haben, unbedachte Äußerungen
gemacht haben und so die Traumatisierung verschlimmert haben. Das gilt auch für wenig einfühlsames Verhalten und unwissenden Umgang der Behörden mit traumatisierten Menschen. Es kann sogar sein, dass die
Erfahrungen, die Sie nach dem Trauma machten, unter
Umständen traumatisierender sind als das ursprüngliche
Trauma selbst.
Beispiele von traumatisierenden Ereignissen
• Verkehrsunfälle, Unfälle oder Katastrophen, die durch
menschliche Fehler oder menschliches Versagen verursacht werden (zum Beispiel Eisenbahnunglücke,
Schiffs- und Fährunglücke, Flugzeugabstürze, Brandkatastrophen, Explosionen, Reaktorunglück).
• Naturkatastrophen, beispielsweise Flutkatastrophen,
Lawinenunglücke, Sturmkatastrophen, Unwetterfolgen
durch Hagel oder Blitzeinschläge, Erdbeben, Vulkanausbrüche, Waldbrände.
• Traumata, die durch menschliche Gewalt, Terror, Krieg
oder Kriminalität verursacht werden, wie Körperverletzungen, Vergewaltigung, andere Sexualverbrechen,
Raub, Geiselnahme, Terrorakte, Menschenrechtsverletzungen, Folter, Bombenattentate, Krieg, Amoklauf.
Das alles sind lediglich Beispiele für Ereignisse, die als
traumatisch erlebt werden und Traumareaktionen verursachen können. Aber auch andere Ereignisse des Alltags
können traumatisierend wirken, beispielsweise eine Trennung, der unerwartete oder plötzliche Tod eines nahe
stehenden Menschen, eine Fehl- oder Totgeburt. Ferner
Was ist unter einem Trauma zu verstehen?
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können Arbeitslosigkeit, Mobbing am Arbeitsplatz oder
politische Verfolgung zum Trauma werden.
Es ist nachvollziehbar, dass bereits Kinder traumatisiert
werden können. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn
Kinder eine zu lange Trennung von der vertrauten Bezugsperson erleben müssen. Dies löst bei Kindern heftige Ängste aus. Beispiele sind Krankenhausaufenthalte
ohne Aufnahme eines Elternteils oder der frühe Tod einer Bezugsperson.
Die Konfrontation mit der Möglichkeit des eigenen oder des Todes anderer Menschen gehört zu den
schlimmsten Erfahrungen im Leben eines jeden Menschen. Das gilt umso mehr, je plötzlicher dies geschieht,
da dann keine Zeit für eine Vorbereitung geblieben ist.
Gefühle extremer Angst und Verzweiflung sind die Folge. Durch die Verarbeitung Ihrer seelischen Verletzungen
können Sie dem traumatischen Erleben im Nachhinein
einen Sinn geben und Ihr Leben entsprechend neu gestalten. Es wird darum gehen, dass Sie einen Weg finden, die
schreckliche Erfahrung in Ihr Leben zu integrieren, eine
Möglichkeit zu suchen, Ihr Leben trotz des Traumas weiter zu leben. Es ist wichtig, dass Sie wieder die Kontrolle
über Ihr Leben bekommen trotz der schrecklichen Ereignisse und der daraus resultierenden Veränderungen.
Oft ist dieser Prozess mit Gefühlen des Kontrollverlusts, des Verstörtseins, der Ruhelosigkeit verbunden. Die
Folgeerscheinungen eines Traumas sind auf den ersten
Blick schwer zu verstehen. Dennoch werden Sie erkennen, dass sie ein natürlich ablaufender Bestandteil der im
Menschen vorgegebenen Reaktionsmöglichkeiten sind.
Im Grunde gehören diese Symptome sogar zum Überlebenssystem.
Jeder Mensch ist mit einem Furcht- und Paniksystem
ausgestattet, das in Situationen, in denen er sich in Le-
14 Was ist unter einem Trauma zu verstehen?
bensgefahr befindet oder wähnt, aktiviert wird. Die Regulation unseres Furcht- und Paniksystems findet über
bestimmte Stresshormone, zum Beispiel Kortisol, statt.
Das geschieht in bestimmten Abschnitten unseres Gehirns. Während dieses Stresssystem eingeschaltet ist, sind
andere Hirnstrukturen weniger aktiv. Das erklärt auch,
warum uns während der traumatischen Situationen die
Sprache wenig zur Verfügung steht. Nicht umsonst sagt
der Volksmund, dass es einem in Situationen großer
Angst »die Sprache verschlägt«.
So scheinen traumatische Erfahrungen einen direkten
Zugang zu bestimmten Hirnstrukturen, beispielsweise
zum limbischen System, zu haben und dort abgespeichert
zu werden, ohne dass sie parallel vom Großhirn (Kortex)
überprüft oder abgeglichen werden. Diese Abspeicherungen traumatischer Erfahrungen sind Grundlage von so
genannten Intrusionen oder Flashbacks, bei denen die
wichtigsten traumatischen Erfahrungen ungefiltert
immer wieder hochkommen. Intrusion kommt vom lateinischen intrudere = sich aufdrängen, eindringen. »Ich
muss da immer daran denken – ob ich will oder nicht«,
klagen Betroffene. Gedanken, Bilder oder Wortfetzen
drängen sich den Betreffenden auf, obwohl sie es nicht
wollen. Das bedeutet, dass die Vergangenheit sich gegen
unseren Willen aktualisiert und über uns hereinbricht,
ohne dass wir Kontrolle darüber hätten. Diese intensiven
und sich wiederholenden Traumaerinnerungen werden
als ausgesprochen qualvoll erlebt. Sie geben das Gefühl,
außer Kontrolle zu geraten. An sich ist das eigentlich sinnvoll: Sie waren in Lebensgefahr, und das hat sich Ihnen
zutiefst »eingeprägt«. Jede Kleinigkeit aktiviert jetzt bei
Ihnen: Achtung! Gefahr! Das ist eine gesunde Reaktion,
meist aber eine Überreaktion. Es ist natürlich extrem
belastend, auf jede Kleinigkeit mit einer Überreaktion zu
Was ist unter einem Trauma zu verstehen?
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antworten. Von anderen bekommen Sie zu hören: »Du
bist so dünnhäutig geworden; du reagierst als ginge es
immer gleich ums Ganze; sei nicht so empfindlich!« Viele
Menschen entwickeln Verhaltensweisen, um das zu vermeiden. Vermeidungsverhalten ist ein wichtiger Bewältigungsversuch, um Auslösern für Übererregung und
Flashbacks, so genannten Triggern, aus dem Weg zu gehen. Aber die Angst kann sich ausbreiten, verselbständigen, generalisieren. Damit kann eine zunächst sinnvolle
Bewältigung wie die Vermeidung selbst wiederum zum
Problem werden. Ähnliches gilt für Alkohol oder Medikamente.
Andere mögliche Reaktionen auf ein Trauma können
Situationen sein, in denen Sie sich abwesend, gefühllos
oder innerlich leer fühlen. Auch diese Reaktion ist biologisch zu erklären. Sie könnte eine »Notbremse« sein, ein
»Abschalten«, um innerlich so wenig wie möglich von
einer Traumatisierung zu spüren.
Eine weitere Reaktion sind Symptome einer gesteigerten inneren Erregung (Hyperarousal). Darunter werden
eine vermehrte Reizbarkeit verstanden, »Dünnhäutigkeit«, äußerste Wachsamkeit, hochgradiges Misstrauen,
übertriebene Schreckreaktionen und Schwierigkeiten,
sich zu konzentrieren. Alles, was geschieht, ist für den Betreffenden ein Gefahrensignal, eine sich wiederholende
traumatische Erfahrung.
Diese Möglichkeiten der Reaktionsweisen auf ein Trauma sind als »normale Reaktion« zu betrachten. Sie sind
sozusagen biologisch programmiert. Aus ihnen heraus
können unterschiedliche Reaktionen resultieren, beispielsweise Panikstörungen, Kontrollverlust, Vermeidungsverhalten, Medikamenten- und Drogenmissbrauch,
körperliche Störungen.
Auf die möglichen Reaktionen und Symptome eines
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