Institut für Geometrie und Topologie Prof. Uwe Semmelmann Dr. Tillmann Jentsch Übungsblatt 1: Ebene Kurven Für die Gruppenübungen am 17.04.2012 Aufgabe 1. Sei α : (0, π) → R2 die ebene Kurve definiert durch t α(t) := sin(t), cos(t) + ln(tan( )) . 2 Die Spur von α wird auch Schleppkurve genannt. Zeige: Die Kurve α ist unendlich oft differenzierbar. Sie ist regulär in t 6= π/2 , aber sie ist nicht regulär in t = 0 . Zeichnen Sie die Spur von α ! Loesung: Die ebene Kurve α ist differenzierbar, da dies für ihre beiden Komponenten, sin(t) und cos(t) + ln(tan( 2t )) , zutrifft. Wir berechnen die Ableitungen: d sin(t) = cos(t) , dt d t 1 1 (cos(t) + ln(tan( ))) = − sin(t) + · . t 2 dt 2 2 cos( 2 ) tan( 2t ) (1) (2) Mit Hilfe des Additionstheorems für den Sinus läßt sich (2) weiter vereinfachen: 1 1 1 1 1 t 2 · t = t · t = sin(t) 2 cos( 2 ) tan( 2 ) 2 cos( 2 ) sin( 2 ) Wir sehen: Falls t 6= π/2, so (1) nicht Null, insbesondere α̇(t) 6= 0 , d.h. α ist in t regulär. Für t = π/2 verschwindet sowohl (1) als auch (2). Also α̇(π/2) = 0 , daher ist α in t = π/2 nicht regulär. Ein Bild der Schleppkurve (oder Tractrix) zusammen mit einer sehr schönen Erklärung findet sich auf der englischsprachigen Wikipediaseite http://en.wikipedia.org/wiki/Tractrix Aufgabe 2. Seien reelle Zahlen a > 0 und b < 0 gegeben. Wir betrachten die ebene Kurve α : R → R2 mit α(t) = (a eb t cos(t), a eb t sin(t)) . Diese Kurve wird logarithmische Spirale genannt. Zeige: (a) Die Spur von α erfüllt die Gleichung r = a eb θ . Hierbei seien (r, θ) die üblichen ebenen Polarkoordinaten. (b) Die Kurve α nähert sich für t → ∞ beliebig nah dem Ursprung und windet sich dabei unendlich oft um diesen herum. Zeichnen Sie die Spur von α ! Loesung: Zu (a): In Polarkoordinaten (r, θ) ist α wie folgt gegeben, r(t) = a eb t , θ(t) = t . Daraus folgt die Behauptung. Zu (b): Wir behalten die Notation aus (a) bei. Wegen b < 0 folgt eb t → 0 für t → ∞ . Also r(t) = a eRb t → 0 für ∞ t → ∞ . Wir definieren die Windungszahl einer Kurve α : [t0 , ∞) → R2 \ {0} durch W (α) := 21π t0 θ̇(t)dt . R∞ Für θ(t) = t haben wir θ̇(t) = 1 und daher t0 θ(t)dt = ∞ für jedes t0 . Also gilt W (α|[t0 ,∞) ) = ∞ für jedes t0 , d.h. jedes Kurvenendstück α|[t0 ,∞) windet sich unendlich oft um den Ursprung. Ein Bild findet sich unter http://de.wikipedia.org/wiki/Logarithmische_Spirale. In der Vorlesung wurde die logarithmische Spirale für a = b = 1 defniert (Beispiel 1.3 (7)). Also muss man von t auf −t transfomieren, damit das Verhalten für t → ∞ das Selbe wie das der logaritmischen Spirale aus unserer Aufgabe ist. Aufgabe 3. Sei I ein Intervall, X und Y differenzierbare Kurven I → R2 und α : I → R2 eine zweimal differenzierbare Kurve. Zeige: (a) Es gilt die Produktregel d hX(t), Y (t)i = hẊ(t), Y (t)i + hX(t), Ẏ (t)i . dt Hierbei bezeichne h·, ·i das gewöhnliche Skalarprodukt auf R2 . Hinweis: Verwenden Sie die gewöhnliche Produktregel für reellwertige Funktionen auf I . (b) Der Geschwindigkeitsvektor α̇(t) hat genau dann konstante Länge, wenn hα̇(t), α̈(t)i = 0 für alle t ∈ I . Hinweis: Verwenden Sie Teil (a). Lösung: Teil (a) sollte klar sein. Zu (b): Wir wenden Teil (a) mit X(t) = Y (t) = α̇(t) an. Dann folgt d hα̇(t), α̇(t)i = hα̇(t), α̈(t)i + hα̈(t), α̇(t)i = 2 hα̇(t), α̈(t)i . dt (3) Hat also α̇(t) konstante Länge, so ist hα̇(t), α̇(t)i = kα̇(t)k2 konstant, also verschwindet die linke und damit auch die rechte Seite von (3). Umgekehrt, wenn die rechte Seite von (3)verschwindet, so verschwindet die Ableitungp von hα̇(t), α̇(t)i , also ist diese Funktion konstant (da auf einem Intervall definiert). Dann ist auch kα̇(t)k = hα̇(t), α̇(t)i konstant.