Ägyptens geomorphologisches Gesicht

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Ägyptens geomorphologisches Gesicht
Ägyptens geomorphologisches
Gesicht
Einblicke in die Erdgeschichte
Dr. Sascha Braun
Egal ob vom Flugzeug oder aus dem Reiseprospekt – zwei Elemente dominieren das Bild Ägyptens:
1. Wasser – Mittelmeer, Rotes Meer und Nil geben dem Land seinen nördlichen und östlichen Rahmen.
2. Das Ägypten aus Stein – Pyramiden, Tempel und Obelisken aus den letzten Jahrtausenden
konkurrieren mit erhabenen Gebirgszügen entlang des Roten Meeres oder der Sinai-Halbinsel.
Einzigartige Wüstengebiete mit ihrer aus Stein gemeißelten Formenvielfalt, wie der Weißen Wüste oder
dem Coloured Canyon, sind nur einige Beispiele. Das Wasser allerdings hat den größten Teil Ägyptens
gebildet, es geformt und ihm sein jetziges Gesicht gegeben, das verrät ein Einblick in die Erdgeschichte
Ägyptens.
Präkambrium (Erdurzeit 4,6 Mrd. - 570 Mio. Jahre) und Paläozoikum (Erdaltertum 570 - 250
Mio. Jahre)
Ägypten ist Teil der Afrikanischen Erdplatte – der uralte Festlandssockel wurde bereits in
Präkambrischer Zeit gebildet und unterlagert den gesamten afrikanischen Kontinent. Teile dieser
Kontinentalen Kruste, die hier regional als Nubisch-Arabischer Schild bezeichnet wird, liegen – durch
Hebung und Erosion freigelegt – an der Oberfläche größtenteils entlang der östlich, parallel zum Roten
Meer verlaufenden Gebirgskette und im Süden des Sinai (siehe Abb.1). Vielen wird dieses magmatische
„Sockelgestein“ bei Assuan entlang des ersten Nilkatarakts aufgefallen sein, wenn die scharfe Grenze
zwischen dem dunklen Granit und dem überlagernden, honiggelben Nubischen Sandstein ins Auge fällt
(Abb. 2). Altersdatierungen zufolge sind die Gesteine in den genannten Abschnitten zwischen 500 Mio.
und 1000 Mio. Jahre alt. Die ältesten Gesteine Ägyptens mit einem Alter von über 2 Mrd. Jahren sind
im südwestlichsten Teil des Landes beim Gebel Uweinat gefunden worden. Die dortigen metamorphen
Gesteine sind vermutlich Zeitzeugen von gewaltigen Erdplatten-Kollisionen, in denen magmatische und
Sediment-Gesteine unter hohen Druck- und Temperaturbedingungen umgewandelt wurden. Das sich
durch die Kollision gebildete Gebirge ist allerdings verschwunden, wie nahezu die gesamten
Abtragungsreste im Zeitraum des sich anschließenden Paläozoikums (570 - 250 Mio. Jahre). Es müssen
daher eine komplette Einebnung und ein weitreichender Abtransport der Erosionsfracht stattgefunden
haben.
Mesozoikum (Erdmittelalter 250 - 65 Mio. Jahre)
Im Verlauf dieses Zeitabschnitts driftete der sich durch Kollision von Erdplatten gebildete
Superkontinent Pangäa wieder auseinander. Die Überflutung von weiten Teilen der Afrikanischen Platte
durch den sich von Norden ausbreitenden Riesenozean Tethys hatte während der Kreidezeit (135 65Mio. Jahre) ihren Höhepunkt. Es wurden jetzt weitflächige Sandsteine abgelagert, die heute vor allem
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Ägyptens geomorphologisches Gesicht
Abb. 1: Vereinfachte geologische
Oberflächenkarte von Ägypten (aus
Sampsell, 2003)
im Süden Ägyptens und im nördlichen Sudan – einem als Nubien bekanntes Gebiet – aufgeschlossen
sind und der deshalb als Nubischer Sandstein bezeichnet wird (siehe Abb. 2). Nördlich davon ist dieser
Sandstein durch jüngere Sedimentschichten überdeckt. Der weiche, durch seinen Eisenoxid-Anteil gelb
bis rötlich-braun gefärbte Sandstein wurde in Oberägypten aufgrund seiner leichten Bearbeitbarkeit
häufig in Tempelanlagen verbaut, z. B. in Kom Ombo und Edfu. Im weiteren Verlauf der Kreidezeit
wurden darüber noch Tonsteine sowie feiner, weißer Kalkstein (Kreide) abgelagert. Letzterer sorgt für
eine an Eisschollen erinnernde, bizarr geformte Landschaft (siehe Artikeltitelbild), die danach benannte
„Weiße Wüste“.
Abb. 2: Nilufer bei Assuan – Über dunklem, Präkambrischem Granit
wurde Nubischer Sandstein aus der Kreidezeit abgelagert
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Känozoikum (Erdneuzeit 65 Mio. bis heute)
Während des Eozäns (53 - 37 Mio. Jahre) kam es durch weiteren nordwärts Drift der Arabischen Platte
zu tektonischer Einengung und einer damit verbundenen Faltung der Platte mit in Ost-West-Richtung
verlaufenden Faltenachsen. Die auch während des Eozäns anhaltenden Meeresvorstöße
(Transgressionen) des Tethysmeeres führten zu Sedimentbedeckung durch Kalksteine, die durch die
Faltung in ihrer Mächtigkeit variieren. Diese Eozänen Kalksteine bedecken auch heute noch große Teile
des Landes (siehe Abb. 1) und sind Ägyptens bedeutendstes Baumaterial. Sie wurden für den Bau der
Pyramiden von Giza, in zahlreichen Tempeln und werden heute für die Naturstein- und Zementindustrie
abgebaut (Abb. 3, wie hier in einem Steinbruch beim Wadi Degla, Kairo). In den darauf folgenden
Epochen des Oligozän (37 - 23
Mio. Jahre) und des Miozän (23 5.5 Mio. Jahre) zog sich das Meer
in episodischen Schwankungen
des Meeresspiegels immer mehr
nach
Norden
zurück.
Dokumentiert
ist
das
Trockenfallen des Festlands
gefolgt von erneuter Überflutung
in wechselnden Schichtabfolgen.
Die Sandsteine wurden in
Flussrinnen, Deltaebenen und
Schwemmfächern
abgelagert,
während sich Tonstein in flachen
Mündungsgebieten oder auf dem
Abb. 3: Abbau von Eozänem Kalkstein bei Kairo
Meeresboden absetzte. Die Sedimentverteilung fällt deshalb je
nach Ablagerungsraum, der damals an einem jeweiligen Ort vorherrschte (Meer, Küste, Festland etc.),
unterschiedlich aus. Aufgrund der zunehmenden Sedimentauflast begann der nördliche Teil Ägyptens,
sich leicht nach Norden zu neigen. Diese Tendenz wurde durch die zusätzliche Hebung des südlichen
Landesteiles während des Oligozäns verstärkt.
Tektonik und Landschaftsbildung vom Oligozän bis heute
Während des Oligozäns hatte sich das Meer bereits bis nördlich von Kairo zurückgezogen. Bis zu dieser
Zeit war das Land noch nahezu eben. Die Reliefbildung begann erst im Laufe des Oligozäns.
Nach dem Konzept der Plattentektonik bewirken entgegengesetzte Konvektionsströme im Erdmantel
eine Dehnung und damit Ausdünnung der Kontinentalen Kruste, wobei es durch den Aufstieg heißer
Magma aus dem Erdmantel zur Aufwölbung der Kruste kommen kann. Bei fortschreitender Dehnung
kommt es zur Riss- und Grabenbildung. Diese Prozesse ließen schließlich einen 5600 Kilometer langen,
in Süd-Nord Richtung verlaufenden Graben im östlichen Teil der Afrikanischen Platte entstehen – das
Ostafrikanische Graben-System. Es erstreckt sich von Tansania, Kenia, Äthiopien, Eritrea über das Rote
Meer bis in den Libanon. Im Zuge der weiteren Verbreiterung dieses Senkungsgrabens spaltete sich der
Teil, der heute als Arabische Platte bezeichnet wird, ab und driftete nach Nordosten. Der Grabenbruch
wurde vom Tethysmeer geflutet; das Rote Meer war entstanden.
Entlang der Grabenachse im Roten Meer zeugt junges, erstarrtes Magma von der Entstehung neuer
ozeanischer Kruste, deren Neubildung für eine zukünftige Verbreiterung des Roten Meeres sorgen wird–
denn das Rifting geht weiter.
Im Zuge dieser tektonischen Ereignisse (Krustendehnung, Hebung, Magmenaufstieg) ist die
Gebirgsbildung entlang des Roten Meeres auf der ägyptischen wie auch der saudi-arabischen Seite zu
sehen. Die ursprünglich abgelagerten Sedimentpakete der Kreide- und Alttertiärzeit (65 - 23 Mio. Jahre)
wurden durch ihre Hebung bevorzugt erodiert und schnell wieder abgetragen. Freigelegt ist nun wieder
der alte Präkambrische Festlandssockel bestehend aus widerstandsfähigen magmatischen und
metamorphen Gesteinen.
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Ägyptens geomorphologisches Gesicht
Während in Saudi-Arabien und Eritrea durch aufsteigendes Magma zahlreiche Vulkanketten entstanden,
ergoss sich die Lava auf der ägyptischen Seite entlang von Spalteneruptionen und überdeckte einige
Teile des Landes mit einer dünnen Basaltschicht, z. B. im südwestlichen Gebiet des Gebel Uweinat und
dem Gilf Kebir oder der Schwarzen Wüste südwestlich von Kairo (Abb. 4).Sowohl die Afrikanische als
auch die abgespaltene Arabische Platte bewegten sich im darauffolgenden Miozän weiter nach
Nordosten. Die Kollision mit der Eurasischen Platte im Norden resultierte in einer Kompression Nord
Ägyptens. An den Stellen, an denen die Arabische Platte mit der Eurasischen Platte kollidierte, wurden
Gebirge aufgefaltet (Türkei und Irak) und der östliche Teil des Tethysmeeres geschlossen – das
Mittelmeer war geboren – von der Afrikanischen, der Arabischen und der Eurasischen Platte
umschlossen.
Die tektonischen Ereignisse hatten aber noch weitere wesentliche Veränderungen zur Folge. Durch die
Hebung und Auffaltung der Gebirgskette der Östlichen Wüste entstand auf der westlichen Seite des
Gebirges eine von Süden nach Norden verlaufende Senke mit einem stärkeren Gefälle nach Norden. Die
abfließenden Wasser des Gebirges inklusive deren Erosionsfracht wurden kanalisiert und in großen
Mengen an die damalige Küste nördlich von Kairo transportiert und dort abgelagert. Der zukünftige
Verlauf des Nils war somit vorgezeichnet. Der bedeutendste Einschnitt des Niltals, der Beginn des „EoNils“ (Bezeichnung der Nilphasen nach Said, 1993) fand am Ende des Miozäns, vor ungefähr 6 Mio.
Jahren statt. Aufgrund einer blockierten Meeresverbindung zum Atlantik fiel das Mittelmeer fast
vollständig trocken. Dieses dramatische Absinken des Meeresspiegels erhöhte das Gefälle zusätzlich.
Zusammen mit den großen Abtragungsmassen des Gebirges und erhöhten Niederschlagsmengen zu
dieser Zeit, entwickelte der „Eo-Nil“ eine enorme Erosionskraft. Ein riesiger Canyon, der sich vom
Süden bei Assuan bis ins Mittelmeer tief einschnitt, liegt heute unter jüngeren Fluss-Sedimenten
begraben. Zu Beginn des Pliozäns (5,4 - 1,8 Mio. Jahre) wurde das Mittelmeer vom Atlantik erneut
geflutet und mit ihm der Canyon.
Abb. 4: Eine den Sandstein überdeckende dünne Basaltdecke ist namensgebend für die Schwarze Wüste
südwestlich von Kairo.
Als Seitenarm des Mittelmeeres wurde er bis zur Hälfte seiner Tiefe mit marinen Sedimenten aufgefüllt,
bis der Meeresspiegel wieder fiel und sich das Mittelmeer langsam zurückzog. Der „Paläo-Nil“ (Said,
1993), der bis zum Ende des Pliozäns bestand, transportierte nun wieder lokale, terrestrische
Sedimentfracht und füllte den Canyon schließlich komplett auf. In einer eine Million Jahre andauernden
Trockenphase zu Beginn des Pleistozäns (1,8 Mio. - 12500 Jahre) soll der Nil sogar ganz aufgehört
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haben zu fließen. Mit einem neuen Zuflussgebiet in Äthiopien begann der nun als „Prä-Nil“ bezeichnete
Nil (Said, 1993) vor 800.000 Jahren große Mengen Kies und Sand in Überflutungsebenen Silt und Ton
im Niltal und im Nildelta abzulagern. Als der „Prä-Nil“ durch nunmehr periodische Wasserführung auf
ein kleineres Flussbett zu schrumpfen begann, folgten schließlich der „Neo-Nil“ (Said, 1993) und vor
12500 Jahren der uns heute bekannte moderne Nil mit seiner ganzjährigen Wasserführung und
Überflutungen während der Sommermonate. Sein Einzugsgebiet liegt heute hauptsächlich im Bereich
der Zentralafrikanischen Seen, des Äthiopischen Berglands und dem Sudan.
Das geomorphologische Gesicht Ägyptens, wie wir es heute kennen, ist somit erdgeschichtlich jung und
hatte seinen Anfang erst am Ende des Alttertiärs. Ägyptens geologische Wurzeln aber sind aus
Präkambrischer Zeit und damit „steinalt“.
Abb. 5: Eozäner Kalkstein im (Klima-)Wandel der Zeit – Djara-Höhle, Westliche Wüste
Quellen:
EGPC, 1984: Geology of Egypt – Well Evaluation Conference, Egypt – PDF document
Said, Rushdi, 1993: The River Nile: Geology, Hydrology and Utilization. London Pergament Press
Sampsell, Bonnie M., 2003: A Traveler’s Guide to the Geology of Egypt. Cairo, New York AUC Press
en.wikipedia.org/wiki/Nubian_Sandstone
Bildnachweis:
Autor, Geologische Karte (Abb.1) verändert und übersetzt aus Sampsell, 2003
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