2 Gasaustausch 120.1 Aufnahme und Abgabe von Atemgasen. Konzentrationsgradienten der Partialdrücke beim Gasaustausch an der respiratorischen Oberfläche (Angaben in kPa) Da Luft und Blut nicht in unmittelbarem Kontakt stehen können, befindet sich in den Atmungsorganen als Austauschfläche eine für Gase durchlässige Zellschicht zwischen beiden Medien, die respiratorische Oberfläche. Die Diffusionsrate verhält sich proportional zur Austauschfläche und umgekehrt proportional zum Quadrat der Diffusionsstrecke, die von den Gasmolekülen durchdrungen werden muss. Je dünner die respiratorische Oberfläche und je größer ihre Ausdehnung ist, desto effektiver ist der Gasaustausch. Beim Menschen ist diese Zellschicht in der Lunge 140 Quadratmeter groß und nur einen Mikrometer dünn; so wird eine sehr hohe Diffusionsrate erreicht. Die menschliche Hautoberfläche von nur zwei Quadratmetern spielt für den Gasaustausch des Menschen praktisch keine Rolle – entgegen der landläufigen Fehlvorstellung, wie sie auch in dem James-Bond-Film „Goldfinger“ zum Ausdruck kommt: Ein Mensch stirbt in Wirklichkeit nicht den Erstickungstod, wenn seine Haut gänzlich mit Goldfarbe überzogen wird. Die obersten Hautschichten werden nur bis zu einer Tiefe von 0,4 Millimetern direkt mit Sauerstoff versorgt. Nur circa 0,4 Prozent des gesamten Sauerstoffbedarfs werden über die Haut gedeckt; eine Abdeckung der Haut mit Goldfarbe ist atemtechnisch kaum von Bedeutung. Die pro Zeiteinheit diffundierende Menge ei-nes Gases hängt neben der Fläche und der Dicke der respiratorischen Oberfläche auch von der Konzentrationsdifferenz beziehungsweise Druckdifferenz des Gases auf beiden Seiten ab. Der Gesamtdruck eines Gasgemisches wie der Luft setzt sich aus der Summe eines jeden Teildruckes seiner Gaskomponenten zusammen. Dieser jeweilige Druckanteil heißt auch Partialdruck. Die Atmosphäre übt auf Meereshöhe einen Gesamtdruck von 101 Kilopascal (kPa) aus. Der Anteil des Sauerstoffs (21 Vol.-%) am Gesamtdruck der Luft bewirkt also einen Partialdruck von PO2 = 21,3 kPa, der des Kohlenstoffdioxids (≈ 0,04 Vol.-%) einen Partialdruck von nur PCO2 = 0,04 kPa. Wenn Wasser in Kontakt mit Luft steht, wird ein Gleichgewicht zwischen den Gasanteilen der Luft und den gelösten Gasanteilen im Wasser erreicht, sobald pro Zeiteinheit genauso viele Gas-Moleküle in das Wasser hinein diffundieren, wie wieder heraus. Dann hat das betreffende Gas im Wasser denselben Partialdruck wie in der Luft. Damit Sauerstoff durch Diffusion ins Blut aufgenommen und Kohlenstoffdioxid aus dem Blut abgegeben werden kann, muss der Partial-druck des Sauerstoffs im Blut der Alveolenkapillare niedriger und der des Kohlenstoffdioxids höher sein als in der Luft. Tatsächlich hat der Sauerstoff hier einen Partialdruck von PO2 = 5,3 kPa und das Kohlenstoffdioxid einen Partialdruck von PCO2 = 6,0 kPa. 120 Atmung Das häufige Ein- und Ausatmen der Luft in der Lunge eines Landtieres dient hauptsächlich dem Zweck, eine hohe Differenz der Partialdrücke der Atemgase an der respiratorischen Oberfläche aufrechtzuerhalten. In Bezug auf den Sauerstoffgradienten hält die Ventilation also an der Außenseite der Austauschmembran den Sauerstoff-Partialdruck im Vergleich zur Innenseite möglichst hoch. Gleichzeitig wird dadurch der Kohlenstoffdioxid-Partialdruck an der Außenseite der Austauschmembran im Vergleich zur Innenseite möglichst niedrig gehalten. Zum selben Zweck erzeugen im Wasser lebende Tiere einen Wasserstrom an ihren Kiemen durch Pumpen der Kiemendeckel oder Bewegung spezieller Anhängsel. Bei den meisten Atemorganen ist neben der Ventilation auch der Blutkreislauf an der Aufrechterhaltung der Konzentrationsdifferenz beteiligt. An der Innenseite der Austauschmem-branen, in den Kapillargefäßen, wird Sauerstoff schnell abtransportiert und kohlenstoff-dioxidreiches Blut angeliefert. Tracheen bilden in dieser Hinsicht eine Ausnahme. Sie stellen ein Luftgefäßsystem dar, das sich bis in einzelne Zellen verzweigt. 1 Erläutern Sie, warum in den venösen Alveolarkapillaren der Partialdruck des Sauerstoffs höher ist als in den arteriellen Alveolarkapillaren, in denen er sogar niedriger ist als der Partialdruck des Kohlenstoffdioxids. 2 Erklären Sie, warum die Verwendung von Schnorchelrohren, die länger als 48 Zentimeter sind, nicht erlaubt werden darf. 3 Informieren Sie sich, wie ein Gelbrandkäfer unter Wasser atmet. Erklären Sie mithilfe der Partialdrücke der Atemgase, wozu er auftauchen muss. Haut Bei vielen kleineren Tieren, deren Körperoberfläche im Verhältnis zum Volumen groß ist, wie beim Regenwurm, reicht die Körperoberfläche als Respirationsorgan aus. Die Haut spielt auch bei Amphibien als Atemorgan eine bedeutende Rolle. So deckt ein Frosch seinen Sauerstoffbedarf im Sommer etwa zur Hälfte durch die feuchte Außenhaut sowie durch die Haut der Mundhöhle, während der Winterruhe sogar ausschließlich durch die Außenhaut. Organismen, bei denen die Haut als Respirationsorgan dient, sind an einen feuchten Lebensraum gebunden. STECKBRIEFE Lebewesen nehmen den Sauerstoff, der für die Zellatmung benötigt wird, aus dem umgebenden Atemmedium, also der Luft oder dem Wasser, auf. Das bei der Zellatmung entstehende Kohlenstoffdioxid wird in das Atemmedium abgegeben. Dieser Gasaustausch zwischen Umgebung und Körperflüssigkeit geschieht allein durch die Bewegung der Gasmoleküle an der Grenze beider Medien, durch Diffusion. Bei den verschiedenen Atemorganen der Tiere ist die respiratorische Oberfläche auf unterschiedliche Weise vergrößert. So kann das Verhältnis der Körperoberfläche zum Körpervolumen eine Rolle spielen (Hautatmung), es können Verzweigungen (Tracheen) sowie Ausoder Einstülpungen (Kiemen oder Lungen) vorkommen. Die ständige Aufrechterhaltung der Konzentrationsdifferenz der Atemgase auf beiden Seiten der respiratorischen Oberfläche wird dabei auf verschiedenen Wegen erreicht. Tracheen Viele Gliedertiere, wie unter anderem Insekten, atmen mit Tracheen. Dies sind verzweigte, mit einer Cuticula und Chitinspiralen versteifte Luftröhren. Sie beginnen seitlich am Körper mit Atemöffnungen, den Stigmen, und verästeln sich im Körper stark. Die Tracheen führen mit ihren feinsten Endverzweigungen, den Tracheolen, unmittelbar in die einzelnen Zellen hinein. Die Enden der Tracheolen sind mit Gewebsflüssigkeit gefüllt. Die Wirksamkeit des Tracheensystems beruht darauf, dass in den luftgefüllten Röhrchen ein rascher Gasaustausch erfolgt. Trotzdem bleibt bei dieser Art der Sauerstoffversorgung die Körpergröße dieser Tiere auf den Zentimeterbereich beschränkt. Kiemen Kiemen, die Respirationsorgane der meisten Wassertiere, sind dünnhäutige, meist blattförmige Ausstülpungen der Körperoberfläche oder des Darmtrakts, die stark durchblutet sind. Sie liegen an verschiedenen Stellen des Körpers. Bei Krebsen finden sich Kiemen an den Extremitäten, bei Insektenlarven am Hinterleib, bei Muscheln in der Mantelhöhle. Bei Knochenfischen stehen die Kiemenblättchen als Ausstülpungen des Vorderdarms seitlich am Kopf auf den Kiemenbögen. Sie werden zum Schutz von einem Kiemendeckel überdeckt, der durch ständige Bewegung für einen Wasserstrom an den Kiemen sorgt. Atmung 121