F o k u s M edizi n | D armzentrum B ö blingen Starke Verbindung Seit einem Jahr kann sich die Allgemeinchirurgie in den Kliniken Böblingen als „Zertifiziertes Darmzentrum“ bezeichnen. Die vom TÜV Süd und Onkozert durchgeführte Zertifizierung bezieht sich auf die Behandlung von Krebserkrankungen des Dickdarms und Enddarms. Zeitgleich unterzog sich die Allgemeinchirurgie in den Kliniken Nagold demselben Prozess. Die Vorteile für den Patienten liegen in der gesamten Vorgehensweise. In einem zertifizierten Darmzentrum ist klar geregelt, wer wann was zu veranlassen hat. Hohe Standardisierung bedeutet auch im Gesundheitswesen, dass in der Behandlungskette nichts vergessen wird und internationale Qualitätskri- terien eingehalten werden. Dies gilt auch für die vertraglich eingebundenen niedergelassenen Ärzte. So werden die ambulante und stationäre Versorgung immer enger verzahnt und Doppeluntersuchungen in der Regel vermieden. Für die optimale Therapie müssen vor Behandlungsbeginn möglichst viele Informationen über die Erkrankung bekannt sein, welche durch eine umfangreiche Diagnostik gewonnen werden. Am Anfang steht die eingehende Befragung des Patienten im Mittelpunkt, um möglichst viel von der Ausprägung der Beschwerden und der typischen Symptome zu erfahren. Die Angabe der zeitlichen Dauer der Beschwerden gibt beispielsweise Hinweise auf die Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors. Bei der körperlichen Untersuchung kann sich der Arzt ein Bild vom allgemeinen körperlichen Zustand des Patienten machen. Daran schließen sich endoskopische oder bildgebende Untersuchungen an. Bei der Behandlung des Dickdarm- und Enddarmkrebses ist neben der Tumorgröße und eventueller weiterer Ausbreitung vor allem die genaue Kenntnis vom Sitz des Tumors von enormer Bedeutung. 30 30 © iStockphoto Sind alle Untersuchungen abgeschlossen, wird in einer als „Tumorkonferenz“ bezeichneten Besprechung mit allen behandelnden Spezialisten gemeinsam beschlossen, welches Vorgehen für den einzelnen Patienten am sinnvollsten ist. F o k u s M edizi n | D armzentrum B ö blingen Grundsätzlich stehen drei Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung: Operation, Bestrahlung und Chemotherapie. Heutzutage stellt die Operation die größte Chance zur vollständigen Heilung dar. Die Strahlentherapie wird als zusätzliche, unterstützende Therapieform wegen der unveränderlichen Lage nur bei Tumoren des Enddarms eingesetzt. Ebenso hat die Chemotherapie in der Behandlung des Dickdarmkrebses in den letzten Jahren zwar enorme Fortschritte erzielt, spielt aber immer noch eine eher unterstützende Rolle bei fortgeschrittenen Tumorstadien. Daher werden oft Kombinationen aller drei Behandlungsoptionen angewandt, beispielsweise eine Vorbehandlung durch Strahlen- und Chemotherapie mit anschließender Operation. Sollten umgekehrt bei der feingeweblichen Untersuchung des entfernten Darmabschnittes weitere Krankheitszeichen festgestellt werden, kann eine Zusatzbehandlung (Strahlen- oder Chemotherapie) auch im Anschluss an eine Operation erfolgen. Dies sind typische Fragen, wie sie in einer Tumorkonferenz besprochen werden. Mit Gründung des Darmzentrums wurde die Behandlung des Dickdarmkrebses nicht neu erfunden. Schon seit vielen Jahren gibt es sogenannte Leitlinien für die Behandlung derartiger Erkrankungen. So ist für jede mögliche Tumorlokalisation die Operation genau vorgeschrieben. Ebenso sind die Chemotherapieschemata und die Strahlentherapie in Anzahl und Dosierung genau festgelegt. Diese Leitlinien bekommen nun aber Richtliniencharakter. Medizinische Fachgesellschaften aller an der Diagnostik und Behandlung beteiligter Disziplinen geben diese Richtlinien heraus, welche in regelmäßigen Abständen aktualisiert werden. Regelmäßig kommen TÜV und Onkozert ins Haus, um zu prüfen, ob alle Vorschriften eingehalten worden sind. Damit wird die optimale Behandlung des Patienten gesichert. Dr. Ingo Blank Auch der Hausarzt oder die Hausärztin sind ein wichtiges Bindeglied im Rahmen der Behandlung. In ihrer Verantwortung liegen die Vorsorgeprogramme, die Entdeckung der Erkrankung und die Nachsorge nach der Krankenhausentlassung. Die gesamten Abläufe wie die reibungslose Übergabe der Patienten von einer Behandlungsphase zur nächsten oder die qualitätskontrollierte Behandlung und Betreuung innerhalb des gesamten Therapiezyklus werden durch die feste Organisationsform „Darmzentrum“ geregelt und kontrolliert. Dies betrifft nicht nur die rein tumortherapeutischen Behandlungsschritte. So ist beispielsweise die Einweisung in den Umgang mit einem zeitweiligen oder definitiven künstlichen Darmausgang auch eine wichtige Aufgabe des Darmzentrums. Eine weitere ist die Begleitung der Patienten durch speziell ausgebildete Psychologen und Seelsorger. Sie helfen dabei, diese schwierige Phase des Lebens durchzustehen und sie nicht mutlos und verzweifelt zu durchleiden. Auch dies gehört zu den vom Darmzentrum angebotenen Unterstützungen. In Europa ist der Darmkrebs (12,9 Prozent nach dem Brustkrebs (13,5 Prozent) die zweithäufigste Krebsart. Für Deutschland bedeutete dies im Jahr 2007, dass 71.000 Menschen an Dickdarmkrebs erkrankten. Wird der Krebs in einem sehr frühen Stadium entdeckt und behandelt, leben nach fünf Jahren noch über 90 Prozent der Patienten. Wird die Erkrankung erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt, verschlechtern sich diese Zahlen dramatisch. So leben nur noch 60 Prozent der Patienten nach fünf Jahren, wenn der Tumor bereits in die unmittelbare Umgebung gestreut hat. Liegen schon Absiedlungen in anderen Organen (zumeist in der Leber) vor, sinkt der Wert weiter ab auf nur noch 6 Prozent. 70 Prozent der Erkrankungen treten zwischen dem fünften und achten Lebensjahrzehnt auf. Nur 5 Prozent der Patienten sind jünger als 40 Jahre. Die Darmkrebsvorsorge wird generell ab einem Alter von 50 Jahren empfohlen, die Kosten hierfür werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Sie umfasst eine körperliche Untersuchung, einen Test auf Blut im Stuhl und ab dem 55. Lebensjahr kann eine Darmspiegelung in Anspruch genommen werden. Die Darmspiegelung stellt heute dank der Möglichkeit zur medikamentösen Unterstützung und dank moderner Geräte eine wenig belastende, zumeist schmerzfreie und sehr sichere Untersuchung dar, die äußerst wirkungsvoll vor Krebs schützen kann. 31 31