44 Kap. 3. (3.3.3.) ❶ 66 ❷ 67, 69, 114, 192 ✎ 3.3.3. Das Verdauungssystem Das Verdauungssystem des Menschen ist grundlegend dazu strukturiert, dem Körper die stoffliche Basis für die Existenz auf der Erde zu geben und den grössten Genuss auf der groben Ebene mit dem höchsten Genuss auf der feinsten Ebene zu verbinden. Aus dem Rohstoff Früchte zieht es Vitalstoffe, wertet sie in wertvolle Körperbestandteile um und erzeugt das Lebenselixier, welches Wachstum und Regeneration nach Belieben und Wunsch ermöglicht. Es gewährleistet auf diese Weise ein Leben in Glück ohne Krankheit und Altern. So war es bis zu dem Zeitpunkt, wo der Mensch begann, falsche Nahrung zu sich zu nehmen, egal ob aus Not oder aus Unwissenheit. Um das Überleben weiter zu sichern, musste das Verdauungssystem seine ursprüngliche Funktion verändern und eine eigenständige Synthese beginnen, deren Produkt nicht mehr Lebenselixier war, sondern eine eigenartige Stoffkombination. Die Alterung wurde geboren, und Tod aus Krankheit und Schwäche entstand. Bis heute ernährt sich der Mensch falsch und gibt somit seinem Verdauungssystem nicht die Chance, wieder nach dem Ursprung zu funktionieren. Kranksein und Altern sind normal geworden, doch nur weil der Verdauungstrakt, die Grundlage für jegliche Gesundheit, nicht richtig funktioniert und nicht richtig funktionieren kann. Im Grunde genommen beginnt die Verdauung bereits vor dem Essen, bei der durch das Hungergefühl signalisierten Bereitschaft des Verdauungssystems zur Nahrungsaufnahme. Fehlt diese Bereitschaft, so sind Störungen bei der Nahrungsverarbeitung vorprogrammiert. Denn im Zustand des starken ( ☞ ) Hungers (“Bären-” oder “Wolfshunger”) werden sämtliche Verdauungsmechanismen bestmöglich auf ihren Einsatz vorbereitet (“das Wasser läuft einem im Mund zusammen”), die Sinne werden geschärft, um die für den Körper zu diesem Zeitpunkt am besten geeignete Nahrung optimal finden und auswählen zu können, und die unteren Verdauungsorgane werden gereinigt. Für diese Reinigung wird eigens ein Schleim ausgesondert, der alle Giftstoffe bindet, welche mit der Nahrung aufgenommen oder oxidativ aus ihr gebildet worden sind. Schliesslich wird noch eine Darmentleerung angeregt, um alles Unnötige auszuwerfen. Bärenhunger muss also unabdingbare Voraussetzung für jegliche Nahrungsaufnahme sein, und zwar mindestens 15 – 20 Minuten lang, damit die Ausreinigung optimal in Gang kommt. Die erste Etappe der korrekten Verdauung ist dann der Mund, wo durch das Kauen bereits die feinsten Energiestoffe freigesetzt und der Der Mensch 45 (3.3.3.) Nahrung entzogen werden. Sie geben dem Gehirn die Signale, die für die Steuerung der weiteren Verdauung nötig sind. Der Speichel führt hier eine wertvolle Vorverdauung durch und erzeugt die Vorinformation, um welche Geschmacks- und Nahrungsart es sich handelt. Aufgrund dieser Information mobilisiert der Magen seine Säfte für die weitere Verdauung und zersetzt die Nahrung so, dass der Zwölffingerdarm seine Aufgabe vollständig ausführen kann. Dieser wiederum ist ein Informator für den Dünndarm, auf dessen Funktion er die Nahrung durch seine Sekretaussonderungen abstimmt. So gelangt die Nahrung vollständig vorbereitet in den Dünndarm, der aus ihr den biochemischen Auszug macht, welcher für den weiteren Stoffwechsel unersetzlich ist. Diese Nähr- und Vitalstoffe werden durch die Darmwand ins Blut geschleust und dann zur weiteren Verarbeitung in die Leber oder direkt zu den Zellen transportiert. Die Nahrung, aus der der Dünndarm die biochemisch wertvollen Substanzen herausgelöst hat, geht weiter an den Dickdarm, dessen Sekrete zusammen mit der Darmflora Vitamine aus ihr produzieren. Daher ist der Dickdarm am Anfang aufsteigend, damit die Nahrung längere Zeit aufgehalten wird, und dann querliegend, damit die nötigen Auszugsprozesse stattfinden können. Der Mastdarm schliesslich ist abfallend, so dass die Nahrung bei einer bestimmten Menge einen Druck auf den Ausgang erzeugt und dann als Abfall entlassen wird. Dieser gesamte Prozess findet von Natur aus in einem durch das Hungergefühl gesteuerten Rhythmus statt, der gewährleistet, dass ungefähr zur Zeit der Nahrungsaufnahme eine Darmentleerung stattfindet, so dass sich nirgends im Darm etwas stauen kann. Durch diesen Rhythmus wird gleichzeitig gewährleistet, dass der leere Magen und Darm der Normalzustand sind, dass also die Verdauungsorgane zwischen den Mahlzeiten ausreichend Zeit zur Erholung erhalten. Neben dieser normalen Funktionsweise des Verdauungssystems gibt es noch eine zweite, die sich AyurVeda Ritam als ( ☞ ) Heilfasten für therapeutische Zwecke zunutze macht. Hört man nämlich auf, Nahrung zu sich zu nehmen, so meldet sich der erste Hunger, wenn der Magen sich entleert, hört aber nach kurzer Zeit wieder auf. Entleert sich dann der Dünndarm, so kommt der zweite Hunger, der ebenfalls nur von relativ kurzer Dauer ist. Der dritte Hunger jedoch, der bei der Entleerung des Dickdarms stattfindet, ist intensiver und hört erst nach vier oder fünf Tagen auf. Dann schaltet das Verdauungssystem auf Notbetrieb um und übergibt dem Stoffwechsel die Führung, der nun beginnt, den Körper durch die in ihm abgelagerten Substanzen aufrechtzuerhalten. Das Verdauungsfeuer wird also vom Magen-Darm- ❺ 80, 70, 114 46 Kap. 3. (3.3.3. – 3.3.5.) Bereich verstärkt auf die Ebene der Gewebe und Zellen verlagert. Dort frisst es alles auf, was sich im Körper befindet und nicht für seine Funktion nötig ist: Bakterien, Schleimarten, Verwachsungen, Eiterherde, Geschwüre, Tumore, Karzinome etc. und wandelt es in Energie um. Nach einigen Wochen, wenn nur mehr die reine Körpersubstanz übrig ist, meldet sich das Hungergefühl dann noch einmal. Das ist der Gewebshunger, der letzte Hunger, den keiner überschreiten darf. Er signalisiert als Alarmstufe, dass es dem Körper jetzt an die Substanz geht. Erst bei diesem Hunger geht es ans Verhungern. Davor ist jede Angst unbegründet. Zusätzlich zu den eben beschriebenen Mechanismen aktiviert der Hunger in jedem seiner Phasen sämtliche Energiereserven des Körpers. Das ist nötig, da alle Tiere in der Wildnis nur durch den Hunger ans Essen erinnert werden und dann viel Energie benötigen, um Nahrung zu finden. So gehen ein Löwe oder ein Wolf überhaupt erst auf Nahrungssuche, wenn sie Hunger haben. In diesem Zustand sind sie im Vollbesitz ihrer Energie, ihrer Ausdauer und ihrer Sinnesschärfe, und das für Stunden und sogar Tage. Denn so viel Zeit kann vergehen, bis sie eine Beute erjagt haben. Nach dem Fressen ist die Energie und Sinneswachheit dahin, ein Löwe schläft dann bis zu 24 Stunden am Stück. Aus diesem Beispiel, das sich beliebig durch andere ergänzen liesse, ersehen wir, dass nicht der gefüllte, sondern der leere Magen die höchste Energie und Wachheit aktiviert. Und somit müssen wir uns eingestehen, dass wir aus Angst vor dem Hunger fast unser gesamtes Leben im Zustand des vollgefressenen Löwen verbringen, und uns um die wertvolle Erfahrung der vollen Energie und Wachheit bringen, die wir durch Zulassen und Kultivieren des Hungers geniessen könnten. ❷ 97, 199 3.3.4. Der Bewegungsapparat Der Bewegungsapparat hat – wie der Name bereits sagt – die Aufgabe, den Körper oder seine Teile zu bewegen. Doch das ist bei weitem nicht alles. Alle Gelenke sind nämlich gleichzeitig Impulsgeber für das vegetative Nervensystem und die gesamten Stoffwechselfunktionen. In ihnen sind quasi Schalter eingebaut, die ansprechen, wenn sie vollständig gebeugt oder gestreckt werden. Der Körper ist somit nicht nur ein bewegungsfreudiger Mechanismus, Bewegung ist für ihn und seine Gesundheit vielmehr unerlässlich. Zum einen wird dadurch nämlich der Bewegungsapparat geschmei-