Leitlinie 461 S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ – Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs (AWMF-Regist.-Nr. 032-009-OL) Authors M. Moehler, S.-E. Al-Batran, T. Andus, M. Anthuber, J. Arends, D. Arnold, D. Aust, P. Baier, G. Baretton, J. Bernhardt, H. Boeing, E. Böhle, C. Bokemeyer, J. Bornschein, W. Budach, E. Burmester, K. Caca, W. A. Diemer, C. F. Dietrich, M. Ebert, A. Eickhoff, C. Ell, J. Fahlke, H. Feußner, R. Fietkau, W. Fischbach, W. Fleig, M. Flentje, H. E. Gabbert, P. R. Galle, M. Geissler, I. Gockel, U. Graeven, L. Grenacher, S. Groß, J. T. Hartmann, M. Heike, V. Heinemann, B. Herbst, T. Herrmann, S. Höcht, R. D. Hofheinz, H. Höfler, T. Höhler, A. H. Hölscher, M. Horneber, J. Hübner, J. R. Izbicki, R. Jakobs, C. Jenssen, S. Kanzler , M. Keller, R. Kiesslich, G. Klautke, J. Körber, B. J. Krause, C. Kuhn, F. Kullmann, H. Lang, H. Link, F. Lordick, K. Ludwig, M. Lutz, R. Mahlberg, P. Malfertheiner, S. Merkel, H. Messmann, H.-J. Meyer, S. Mönig, P. Piso, S. Pistorius, R. Porschen, T. Rabenstein, P. Reichardt, K. Ridwelski, C. Röcken, I. Roetzer, P. Rohr, W. Schepp, P. M. Schlag, R. M. Schmid, H. Schmidberger, W.-H. Schmiegel, H.-J. Schmoll, G. Schuch, C. Schuhmacher, K. Schütte, W. Schwenk, M. Selgrad, A. Sendler, J. Seraphin, T. Seufferlein, M. Stahl, H. Stein, C. Stoll, M. Stuschke, A. Tannapfel, R. Tholen, P. Thuss-Patience, K. Treml, U. Vanhoefer, M. Vieth, H. Vogelsang, D. Wagner, U. Wedding, A. Weimann, H. Wilke, C. Wittekind und die Mitglieder der Autorengruppe Inhalt Inhalt (Fortsetzung) 1. Informationen zu dieser Leitlinie 462 3.8.2. Rezidiv 483 Bibliography DOI http://dx.doi.org/10.1055/ s-0031-1273201 Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ∙ New York ∙ ISSN 0044-2771 1.1. Herausgeber 462 3.8.3. Definitive Radiochemotherapie 483 1.1.1. Federführende Fachgesellschaft 462 3.9. Multimodale Therapie 483 1.1.2. Kontakt 462 3.9.1. Perioperative Chemotherapie 483 1.1.3. Verfügbare Dokumente zur Leitlinie 462 3.9.2. Präoperative Radiochemotherapie 488 1.2. Besonderer Hinweis 462 3.9.3. Präoperative Antikörper-Therapie 488 1.3. Autoren dieser Leitlinie 462 3.9.4. Restaging nach neoadjuvanter Therapie 488 1.4. Ziele des Leitlinienprogramms Onkologie 462 3.9.5. Postoperative Therapie 489 Correspondence PD Dr. Markus Moehler 1. Medizinische Klinik und Poliklinik, Johannes-GutenbergUniversität Langenbeckstraße 1 55101 Mainz [email protected] 2. Einführung 463 3.9.6. Adjuvante Therapiekonzepte 491 2.1. Geltungsbereich und Zweck 463 3.10. Tumorgerichtete palliative Therapie 493 2.1.1. Zielsetzung und Fragestellung 463 3.10.1. Medikamentöse Tumortherapie 493 2.1.2. Adressaten 464 494 2.1.3. Verbreitung u. Implementierung d. Leitlinien 464 3.10.2. Vorgehen bei Tumoren ohne HER-2-Überexpression 2.1.4. Finanzierung der Leitlinie und Darlegung möglicher Interessenskonflikte 3.10.3. Vorgehen bei HER-2-überexprimierenden/ -amplifizierenden Tumoren 498 498 464 2.1.5. Gültigkeitsdauer u. Aktualisierungsverfahren 465 3.10.4. Zweit-Chemotherapie 2.2. Grundlagen der Methodik 3.11. 2.2.1. Schema der Evidenzgraduierung nach Oxford 465 3.11.1. Palliative Therapieoptionen 499 2.3. Verwendete Abkürzungen 3.11.2. Therapie der Tumorblutung 500 3. Konsentierte und abgestimmte Empfehlungen 466 3.11.3. Palliative operative Therapie 500 3.1. Risikofaktoren 466 3.11.4. Chemotherapie-refraktärer maligner Aszites 500 465 466 Weitere palliative Situationen u. deren Therapie 499 3.1.1. Helicobacter pylori 466 3.12. 3.1.2. Weitere Risikofaktoren 467 3.12.1. Fatigue-Syndrom 501 3.2. Risikogruppen 468 3.12.2. Zusammenfassung weiterer Maßnahmen 501 3.2.1. Familiäres Risiko 468 3.13. 3.2.2. Hereditäres nonpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) 469 3.13.1. Allgemeine Entscheidungshilfen 505 3.13.2. Präoperative Ernährungstherapie 506 3.3. Screening und Prävention 470 3.13.3. Postoperative Ernährungstherapie 507 3.3.1. Screening 470 507 3.3.2. Prävention 471 3.13.4. Ernährung unter Chemotherapie oder Strahlentherapie 3.4. Primärdiagnostik 472 3.13.5. Ernährung in der Sterbephase 509 3.4.1. Endoskopische Untersuchung 472 3.14. 3.4.2. Staging 472 3.14.1. Lebensqualität Supportive Maßnahmen Ernährung Nachsorge und Rehabilitation 501 505 509 509 3.4.3. Histologie 472 3.14.2. Substitutionen nach Gastrektomie 509 3.5. Staging 473 3.14.3. Rehabilitationsmaßnahmen 509 3.5.1. Ultraschalldiagnostik 473 3.14.4. Bestimmung von Tumormarkern 510 3.5.2. Röntgendiagnostik 474 3.15. 510 3.5.3. Laparoskopie 475 3.15.1. Patientennahes Informationsmanagement 510 3.5.4. Laborchemische Parameter 476 3.15.2. Lebensqualität 510 3.6. Histopathologie 476 3.15.3. Psychoonkologische Betreuung 511 3.7. Endoskopische Therapie 477 3.16. 512 3.7.1. Resektion 477 3.16.1. Abgestimmte Empfehlungen 512 3.7.2. Rezidiv 479 514 3.7.3. Komplikationen 479 3.16.2. Weitere Hinweise der Arbeitsgruppe zur komplementären Therapie 3.7.4. Nachsorge 479 4. 3.8. Chirurgische Therapie 479 3.8.1. Resektion 479 Psychoonkologie Komplementäre Therapie Qualitätsindikatoren 515 Literatur 517 Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. German S3-Guideline „Diagnosis and Treatment of Esophagogastric Cancer“ Leitlinie 1. Informationen zu dieser Leitlinie ! 1.1. Herausgeber: Leitlinienprogramm Onkologie der AWMF, Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und Deutschen Krebshilfe e. V. Office: c/o Deutsche Krebsgesellschaft e. V. Straße des 17. Juni 106 – 108 10 623 Berlin [email protected] www.leitlinienprogramm-onkologie.de tenversorgung ist die flächendeckende Implementierung dieser aktuellen, evidenzbasierten Therapieempfehlungen entscheidend. Mit Hilfe von Qualitätsindikatoren, welche mittels einer standardisierten Methodik von den Empfehlungen dieser Leitlinie abgeleitet wurden, kann überprüft werden, ob Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der medizinischen Versorgung den Anforderungen von zuvor definierten Soll-Werten entsprechen. Die Erhebung von Qualitätsindikatoren dient dabei der Leitlinien-Implementierung und Evaluation, der Qualitätsverbesserung der breiten medizinischen Versorgung, und der späteren Weiterentwicklung und Anpassung der Leitlinie. 1.2. Besonderer Hinweis Konsensusverfahren in S3 Leitlinie Von der Evidenz zur Empfehlung Evidenzstärke Empfehlungsgrad Hoch Starke Empfehlung Klasse 1 Mäßig Klasse 2 A, ⇑⇑ Empfehlung B, ⇑ Schwach Empfehlung offen Klasse 3–5 0, ⇔ Weitere Kriterien für die Graduierung – Konsistenz der Studienergebnisse – Klinische Relevanz der Endpunkte und Effektstärken – Ethische Verpflichtungen und Nutzen-Risiko-Verhältnis – Patientenpräferenzen, Anwendbarkeit, Umsetzbarkeit 1.1.1. Federführende Fachgesellschaft Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten Steuergruppe für Planung und Durchführung über DGVS Univ.-Prof. Dr. Matthias Ebert Univ.-Prof. Dr. Peter. R. Galle PD Dr. Markus Möhler Univ.-Prof. Dr. Roland Schmid 1.1.2. Kontakt Leitlinienkoordination: PD Dr. Markus Möhler, Universitätsmedizin Mainz Projektmanagement: Barbara Böhme, Universitätsmedizin Mainz Methodische Begleitung: 1. durch das Leitlinienprogramm Onkologie Prof. Dr. Ina Kopp (AWMF), Marburg Dr. Markus Follmann, MPH – MSc (DKG), Berlin 2. durch externe Auftragnehmer: Dr. Monika Nothacker, MPH (ÄZQ), Berlin Dr. Susanne Weinbrenner, MPH (ÄZQ), Berlin Dr. Dorothea Wagner, Lausanne (Schweiz) 3. durch Fr. Dr. Katarina Dathe, DGVS 1.1.3. Verfügbare Dokumente zur Leitlinie Diese Leitlinie wird als Lang- und Kurzversion mit einem zusätzlichen Leitlinienreport, Evidenzberichten und einer Patientenleitlinie publiziert werden über die Homepages des Leitlinienprogramms Onkologie (www.leitlinienprogramm-onkologie. de) der AWMF (www.awmf.org) und die Homepage der DGVS (www.dgvs.de). Für die Verbesserung der Qualität der Patien- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Die Medizin unterliegt einem fortwährenden Entwicklungsprozess, sodass alle Angaben, insbesondere zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren, immer nur dem Wissensstand zurzeit der Drucklegung der Versorgungsleitlinie entsprechen können. Hinsichtlich der angegebenen Empfehlungen zur Therapie und der Auswahl sowie Dosierung von Medikamenten wurde die größtmögliche Sorgfalt beachtet. Gleichwohl werden die Benutzer aufgefordert, die Beipackzettel und Fachinformationen der Hersteller zur Kontrolle heranzuziehen und im Zweifelsfall einen Spezialisten zu konsultieren. Fragliche Unstimmigkeiten sollen bitte im allgemeinen Interesse der OL-Redaktion mitgeteilt werden. Der Benutzer selbst bleibt verantwortlich für jede diagnostische und therapeutische Applikation, Medikation und Dosierung. In dieser Versorgungsleitlinie sind eingetragene Warenzeichen (geschützte Warennamen) nicht besonders kenntlich gemacht. Es kann also aus dem Fehlen eines entsprechenden Hinweises nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Bestimmung des Urhebergesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der OL-Redaktion unzulässig und strafbar. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der OL-Redaktion reproduziert werden. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung, Nutzung und Verwertung in elektronischen Systemen, Intranets und dem Internet. 1.3. Außer den Autoren waren folgende Fachgesellschaften für den Leitlinienprozess angeschrieben worden: Deutsche Gesundheitshilfe (DGH) e. V. – Sektion Magen und Darm, Deutsche Schmerzliga, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe 1.4. Ziele des Leitlinienprogramms Onkologie Ziel des Programms ist es, in Deutschland professionelle und mittelfristig finanziell gesicherte Voraussetzungen für die Entwicklung und Bereitstellung hochwertiger Leitlinien zu schaffen. Diese hochwertigen Leitlinien dienen nicht nur dem strukturierten Wissenstransfer, sondern auch der Gestaltung der Strukturen des Gesundheitssystems. Evidenzbasierte Leitlinien können parallel Grundlage zum Erstellen oder Aktualisieren von Disease-Management-Programmen sein. Die im LeitlinienProzess mit erarbeiteten und publizierten Qualitätsindikatoren sollen dazu beitragen, die Grundlagen der Zertifizierung von Organtumorzentren, der Krebsregistrierung und anderer Qualitätsinitiativen zu vereinheitlichen. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 462 Leitlinie 463 Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen. Mandatsträger (alphabetisch) Beteiligte Fachgesellschaften und Organisationen Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie Al-Batran, S.-E., Thuss-Patience, P. Arbeitsgemeinschaft Supportive Maßnahmen in der Onkologie Rehabilitation u. Sozialmedizin Horneber, M., Körber, J., Link, H. Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie Anthuber, M., Hölscher, A., Lang, H., Meyer, H.-J. Deutsche Gesellschaft für Radiologie Grenacher, L. Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie Flentje, M., Höcht, S. Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin Burmester, E., Dietrich, C., Jenssen, C. Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie Hoelscher, A., Meyer, H.-J. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie Ludwig, K., Pistorius, S., Stein, H. Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin Arends, J., Weimann, A. Deutsche Gesellschaft für Ernährung Boeing, H. Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie Hegewisch-Becker, S., Höhler, T., Lordick, F., Stahl, M. Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin Möhler, M. Deutsche Vereinte Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Knabbe, C., Wagener, C. Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin Bockisch, A., Krause, B. J. Deutsche Gesellschaft für Pathologie Baretton, G., Gabbert, H. E., Höfler, H., Röcken, C. Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten Ebert, M., Fischbach, W., Möhler, M, Seufferlein, T. Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums Gebest, H.-J. †, Treml, K. Deutsche Schmerzhilfe Diemer, W., Fabian, R., Rohr, P. European Organisation for Research and Treatment of Cancer Lutz, M. Gastro Liga Messmann, H., Schepp, W. Gesellschaft für Rehabilitation bei Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten Körber, J. Arbeitsgemeinschaft für Psychoonkologie Keller, M. Selbsthilfegruppe Magenkrebs Reutlingen Groß, S. Deutschsprachige TNM-Komitee Wittekind, C. Deutscher Verband für Physiotherapie Böhle, E., Tholen, R. Arbeitsgemeinschaft Radiologische Onkologie Budach, W. Arbeitsgemeinschaft Gastrointestinale Onkologie der DGVS Ebert, M., Schmid, R. M. Deutsche Gesellschaft für Schmerztherapie Junker, U., Überall, M. Koordinatoren der Arbeitsgruppen. AG Name Koordinatoren (alphabetisch) 1 Risikofaktoren, Screening, Risikogruppen/Prävention Fischbach, W., Malfertheiner, P., Vieth, M. 2 Primärdiagnostik, Staging Ebert, M., Lordick, F., Sendler, A. 3a Endoskopische Therapie in kurativer Intention Messmann, H., Caca, K. 3b Chirurgische Therapie in kurativer Intention Hölscher, A., Ludwig, K., Meyer, H.-J., Mönig, S. 4 Neoadjuvante und adjuvante Therapie Schuhmacher, C., Stahl, M., 5 Tumorgerichtete, palliative Therapie Al-Batran, S-E., Möhler, M., Wagner, D. 6 Supportive Therapie Arends, J., Boehle, E., Link, H. 7 Nachsorge und Rehabilitation Körber, J. 8 Komplementäre Medizin Hübner, J. 9 Psychoonkologie Keller, M. Qualitätssicherung Nothacker, M. (Methodik, Inhalte), Möhler, M. 10 2. Einführung ! 2.1. Geltungsbereich und Zweck 2.1.1. Zielsetzung und Fragestellung Karzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs gehören weltweit zu den häufigsten tumorbedingten Todesursachen. Das Magenkarzinom nimmt in Deutschland bei Männern den fünften (Inzidenz 27,7 / 100 000 Einwohner/Jahr) und bei Frauen den sechsten (Inzidenz 19,6 /100 000 Einwohner/Jahr) Platz in der Rangliste der Krebserkrankungen ein. Zusätzlich steigt die Inzidenz der Karzinome des ösophagogastralen Übergangs und distalen Speiseröhrenkarzinome kontinuierlich an [1, 2]. Die Prognose der Patienten ist ungünstig, mit einer 5-Jahres-Überlebensrate des Magenkarzinoms aller Stadien von nur 27% für Männer und 29% für Frauen. Gründe hierfür sind vor allem, dass etwa 80 % der Patienten zu Erkrankungsbeginn in einem langen Intervall asymptomatisch bleiben. Die Diagnose wird oft erst im fortgeschrittenen und inoperablen Zustand gestellt. Trotz kurativer Resektion zeigen Patienten bereits in frühen Stadien II–III ein schlechtes 5-Jahres-Überleben mit einem hohen Risiko für ein Lokalrezidiv, lymphogene Mikrometastasen oder organische Fernmetastasierung. Daher sind Karzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs eine große Herausforderung für alle versorgenden Disziplinen. In den letzten 5 – 10 Jahren hat sich enormes Wissen in der medizinischen Fachwelt entwickelt, wie z. B. die zunehmend aufgeklärte Karzinogenese mit ggf. konsekutiv zu evaluierenden Prognosemarkern, wissenschaftlich evaluierte EndoskopieTechniken, verbesserte diagnostische und histopathologische Schnittbildverfahren, neue klinisch-wissenschaftlich analysierte Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. (Leitlinie und/oder Qualitätsindikatoren) Leitlinie chirurgische, neoadjuvante und palliative Therapiekonzepte. Aufgrund zahlreicher neuer und interdisziplinärer Therapiekonzepte und der Gründung organbezogener Tumorzentren ist der klassische Überweisungsweg vom Hausarzt zum Gastroenterologen und danach zum Chirurgen in der Diskussion. Hieraus erklärt sich die unverkennbare Bedeutung einer neuen S 3-Leitlinie, da die wissenschaftliche Evidenz und die praktische Versorgung der Patienten mit Magenkarzinomen in Deutschland bisher noch nie vergleichbar abgewogen und analysiert wurden. Der Zielauftrag zur Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Adenokarzinome des Magens und ösophagogastralen Übergangs“ war daher, die beste verfügbare Evidenz und einen möglichst breiten Expertenkonsens für eine flächendeckende, optimale Versorgung aller Patienten in Deutschland zu erarbeiten. Karzinome des ösophagogastralen Übergangs wurden mit in die Analyse und Diskussion aufgenommen, da sich zahlreiche Parallelen in Diagnostik und Therapie und häufig gemeinsame Studienergebnisse in der Literatur finden. Durch die Implementierung der Fortschritte in Diagnostik und Therapie, wie z. B. verbesserter Endoskopie, Bildgebung mittels CT und Studien zu multimodalen Therapiekonzepten wird sich die Perspektive der Patienten verbessern. Ein adäquates interdisziplinäres Vorgehen ist entscheidend, um die Prognoseverbesserung und möglicherweise Heilung zusätzlicher Patienten erreichen zu können. Um diese verbesserte Vorsorge, Diagnostik, Therapie und Nachsorge zu etablieren, steht mit der vorliegenden Leitlinie erstmals ein Instrument zur Verfügung, das die Grundlagen für klare handlungsrelevante Entscheidungsprozesse liefert, und dazu beiträgt, eine adäquate Gesundheitsversorgung der breiten Bevölkerung zu ermöglichen. Therapeutische Interventionen können durch Anwendung der Empfehlungen und Statements entsprechend dem Therapieziel, einer allgemeinen Nutzen-Risikobeurteilung und dem individuellen Risiko und Präferenzen für den Patienten ausgerichtet werden. Die vorliegende Leitlinie wurde nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Literatur und Ergebnissen internationaler Studien erarbeitet. Neben der systematischen Recherche und Bewertung von Primärstudien wurden auch Quellen aggregierter Evidenz verwendet: Nach systemischer Recherche und methodischer Bewertung mittels DELBI konnten 3 aktuelle, evidenzbasierte Quellleitlinien identifiziert und deren Empfehlungen z. T. eingearbeitet werden. Mit den erklärenden Hintergrundtexten ist es auch nicht spezialisierten, mitbehandelnden Kollegen möglich, den Patienten über das Vorgehen der Spezialisten, Nebenwirkungen und Ergebnisse gut zu beraten. Im Zeitraum der Erstellung der S 3-Leitlinie fiel die Umstellung der TNM-Klassifikation von der 6. zur 7. Auflage. Für Tumoren des Ösophagus und Magens ergaben sich erhebliche Änderungen, die diese Leitlinie betreffen. Tumoren des ösophagogastralen Übergangs (d. h. alle AEG-Tumoren I – III) und der oberen 5 cm des Magens werden nach der neuen TNM-Klassifikation (7. Auflage) als Tumoren des Ösophagus klassifiziert [3]. Auch die Definitionen der T- und N-Kategorien der Magentumoren wurden gegenüber der 5. und 6 Auflage verändert. Dadurch sind Daten aus der Literatur zum Teil schwer auf heutige Verhältnisse und therapeutische Vorgehensweisen übertragbar. Daher sind die in der Leitlinie verwandten Definitionen der T- und N-Kategorien die der 7. Auflage der TNM-Klassifikation der Magentumoren oder klassisch als AEG-Tumoren bezeichnet. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Die wichtigsten Schlüsselempfehlungen der Leitlinie sind außerdem mit erarbeiteten und publizierten Qualitätsindikatoren unter 3.17. zusammengefasst. 2.1.2. Adressaten Die Empfehlungen dieser Leitlinie richten sich vorrangig an Ärztinnen und Ärzte aller Versorgungsbereiche. Die Leitlinie richtet sich vor allem an diejenigen, die in der Prävention, Diagnostik und Therapie des Magenkarzinoms im ambulanten und stationären Sektor tätig sind. Sie soll entsprechend der Definition einer Leitlinie Entscheidungshilfen geben, jedoch keine Richtlinie sein. Der behandelnde Arzt ist weiterhin verpflichtet, unter Würdigung der Gesamtsituation des Patienten und mit diesem gemeinsam die für die individuelle Situation angemessene Vorgehensweise zu finden. Es wird trotzdem empfohlen, Abweichungen von den Empfehlungen der Leitlinie zu begründen und festzuhalten. 2.1.3. Verbreitung und Implementierung der Leitlinien Diese Leitlinie wird sowohl online publiziert über die Homepages des Leitlinienprogramms Onkologie (www.leitlinienprogramm-onkologie.de), der AWMF (www.awmf.org), die Homepage des DGVS (www.dgvs.de) und der Deutschen Krebsgesellschaft (www.krebsgesellschaft.de). Publiziert werden Langversion, Kurzversion und Patientenleitlinie. All diese Versionen werden auch als Druckversionen zur Verfügung stehen. Für die Verbesserung der Qualität der Patientenversorgung ist die flächendeckende Implementierung dieser aktuellen, evidenzbasierten Therapieempfehlungen entscheidend. Mithilfe von Qualitätsindikatoren, welche mittels einer standardisierten Methodik von den Empfehlungen dieser Leitlinie abgeleitet wurden, kann überprüft werden, ob Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der medizinischen Versorgung den Anforderungen von zuvor definierten Soll-Werten entsprechen. Die Erhebung von Qualitätsindikatoren dient dabei der Leitlinien-Implementierung und Evaluation, der Qualitätsverbesserung der breiten medizinischen Versorgung und der späteren Weiterentwicklung und Anpassung der Leitlinie. 2.1.4. Finanzierung der Leitlinie und Darlegung möglicher Interessenskonflikte Die Deutsche Krebshilfe stellte über das Leitlinienprogramm Onkologie die finanziellen Mittel zur Verfügung. Diese Mittel wurden eingesetzt für Personalkosten, Büromaterial, Literaturbeschaffung und die Konsensuskonferenzen (Raummieten, Technik, Verpflegung, Moderatorenhonorare, Reisekosten der Teilnehmer). Die Reisekosten wurden entsprechend dem Bundes-Dienstreisegesetz bzw. nach den in der DKG üblichen Richtlinien erstattet. Die Erarbeitung der Leitlinie erfolgte in redaktioneller Unabhängigkeit von der finanzierenden Organisation. Alle Mitglieder legten während des Leitlinienprozesses mindestens eine schriftliche Erklärung zu eventuell bestehenden Interessenkonflikten vor (s. Leitlinienreport). Für ihre ausschließlich ehrenamtliche Arbeit, ohne die die S 3-Leitlinie nicht zu realisieren gewesen wäre, ist allen sehr herzlich zu danken. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 464 Leitlinie Die S 3-Leitlinie soll kontinuierlich aktualisiert werden. Die Gültigkeitsdauer wird auf 3 Jahre geschätzt. Spätestens 2013 wird eine erneute Überarbeitung erfolgen. Sollte in der Zwischenzeit dringender Änderungsbedarf bestehen, werden Aktualisierungen gesondert publiziert in Form eines Addendums zu den bestehenden Publikationsversionen und anschließend in den regulären Überarbeitungsprozess eingearbeitet. Kom- Level Therapy/Prevention, Prognosis mentare und Hinweise für den Aktualisierungsprozess aus der Praxis sind ausdrücklich erwünscht und können an das Leitliniensekretariat adressiert werden: PD Dr. Markus Möhler, Universitätsmedizin, I. Medizinische Klinik und Poliklinik, Langenbeckstr. 1, D-55131 Mainz, [email protected] 2.2. Grundlagen der Methodik 2.2.1. Schema der Evidenzgraduierung nach Oxford Diagnosis Aetiology/Harm Differential Economic and decision diagnosis/symptom analyses prevalence study 1a SR (with homogeneity) of RCTs SR (with homogeneity) of inception cohort studies; CDR validated in different populations SR (with homogeneity) of Level 1 diagnostic studies; CDR“ with 1b studies from different clinical centres SR (with homogeneity) of prospective cohort studies SR (with homogeneity) of Level 1 economic studies 1b Individual RCT (with narrow Confidence Interval) Individual inception cohort study with > 80 % follow-up; CDR validated in a single population Validating cohort study with good reference standards; or CDR tested within one clinical centre Prospective cohort study with good follow-up Analysis based on clinically sensible costs or alternatives; systematic review (s) of the evidence; and including multiway sensitivity analyses 1c All or none All or none case-series Absolute SpPins and SnNouts All or none caseseries Absolute better-value or worse-value analyses 2a SR (with homogeneity) of cohort studies SR (with homogeneity) of either retrospective cohort studies or untreated control groups in RCTs SR (with homogeneity) of Level > 2 diagnostic studies SR (with homogeneity) of 2b and better studies SR (with homogeneity) of Level > 2 economic studies 2b Individual cohort study (including low quality RCT; e. g., < 80 % follow-up) Retrospective cohort study or follow-up of untreated control patients in an RCT; Derivation of CDR or validated on splitsample only Exploratory cohort study with good reference standards; CDR after derivation, or validated only on split-sample or databases Retrospective cohort study, or poor followup Analysis based on clinically sensible costs or alternatives; limited review (s) of the evidence, or single studies; and including multi-way sensitivity analyses 2c „Outcomes“ Research; Ecological studies „Outcomes“ Research Ecological studies Audit or outcomes research 3a SR (with homogeneity) of case-control studies SR (with homogeneity) of 3b and better studies SR (with homogeneity) of 3b and better studies SR (with homogeneity*) of 3b and better studies 3b Individual CaseControl Study Non-consecutive study; or without consistently applied reference standards Non-consecutive cohort study, or very limited population Analysis based on limited alternatives or costs, poor quality estimates of data, but including sensitivity analyses incorporating clinically sensible variations. 4 Case-series (and poor quality cohort and case-control studies) Case-series (and poor quality prognostic cohort studies) Case-control study, poor or non-independent reference standard Case-series or superseded reference standards Analysis with no sensitivity analysis 5 Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or „first principles“ Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or „first principles“ Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or „first principles“ Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on physiology, bench research or „first principles“ Expert opinion without explicit critical appraisal, or based on economic theory or „first principles“ Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 2.1.5. Gültigkeitsdauer und Aktualisierungsverfahren 465 Leitlinie 2.3. Verwendete Abkürzungen Abkürzungen Abkürzungen (Fortsetzung) Abkürzung Erläuterung Abkürzung Erläuterung AEG Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs HNPCC AM-RL Arzneimittel-Richtlinie hereditäres nonpolypöses kolorektales Karzinom (Lynch-Syndrom) ANUG akut nekrotisierende ulceröse Gingivitis HR Hazard Ratio ASCO Amerikanische Gesellschaft für Klinische Onkologie HRQL gesundheitsbezogene Lebensqualität ASS Acetylsalicylsäure i. R. im Rahmen AWMF Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften IHC Immunhistochemie IRR Incidence Rate Ratio; Rate der Inzidenz ÄZQ Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin KI Konfidenzintervall BMI Body-Mass-Index KM Kontrastmittel BSC beste supportive Behandlung LAD Lymphadenektomie Cag A Cytotoxin-assoziiertes Antigen A des Helicobacter LK Lymphknoten CDH-1 E-Cadherin LOE „Level of Evidence“; Evidenzniveau, Evidenzlage COX-2 Cyclooxygenase-2 LQ Lebensqualität CRP C-reaktives Peptid MASCC CT Computertomografie Internationaler Verband für supportive Behandlung bei Krebserkrankungen DGVS Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten MDCT Multi-Detektor-Computertomografie MMR mismatch repair DRV Deutsche Rentenversicherung MRT Magnetresonanztomografie DT Distress-Thermometer NBI Narrow-Band Imaging EBV Epstein-Barr-Virus NSAR nichtsteroidales Antirheumatikum ECL Enterochromaffin-ähnlich ÖGD Ösophago-Gastro-Duodenoskopie EGCG Epigallocatechingallat ÖGÜ ösophagogastraler Übergang EK Erythrozyten-Konzentrat OPSI überwältigende Infektion nach Splenektomie EMR endoskopische Mukosaresektion OR Odds Ratio EORTC Europäische Organisation für die Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen p. o. orale Applikation EpCAM epitheliales Zelladhäsionsmolekül PEG ER endoskopische Resektion PEJ perkutane endoskopische Jejunostomie ESD endoskopische Submukosa-Dissektion PET Positronenemissionstomografie ESPEN Europäische Gesellschaft für klinische Ernährung und Stoffwechsel PG Pepsinogen PPI Protonenpumpen-Inhibitoren EUS endoskopischer Ultraschall (Syn. Endosonografie) PRO von Patienten berichtetes Endergebnis EUS-TCB endosonografisch geführte Trucut-Biopsie PSK Polysaccharid K EUS-FNA endosonografisch geführte Feinnadel-Aspiration RCT Radiochemotherapie FISH Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung RR Relatives Risiko FKJ Feinnadel-Katheterjejunostomie SIGN Schottisches interdisziplinäres Leitlinien-Netzwerk FN febrile Neutropenie SGA subjektive Gesamteinschätzung G-CSF Granulozyten-Kolonie stimulierender Faktor STIKO ständige Impfkommission GCP Good Clinical Practice Tab. Tabelle GERD gastroösophageale Refluxkrankheit TCM Traditionelle Chinesische Medizin ggfs. gegebenenfalls TENS transkutane elektrische Nervenstimulation Trastuzumab beim Magenkarzinom; Name der Phase-III-Studie pathol.-anat. pathologisch-anatomisch perkutane endoskopische Gastrostomie H. pylori Helicobacter pylori ToGA HER epidermaler Wachstumsfaktor-Rezeptor UICC Internationale Vereinigung gegen Krebs Hib Hämophilus influenzae B WHO Weltgesundheitsorganisation HIPEC hypertherme intraperitoneale Chemotherapie XP Chemotherapiekombination Capecitabine und Cisplatin 5-FU 5-Fluoro-Uracil 3. Konsentierte und abgestimmte Empfehlungen ! 3.1. Risikofaktoren 3.1.1. Helicobacter pylori 1. Statement Helicobacter pylori ist ein wesentlicher Risikofaktor für das distale Magenkarzinom. Level of Evidence: 1 de Novo: [4 – 10] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Hintergrund Das Magenkarzinom ist eine multifaktorielle Erkrankung, bei der die Infektion mit H. pylori den wichtigsten Risikofaktor darstellt. Seit 1994 ist H. pylori durch die Weltgesundheitsorganisation als Klasse-I-Karzinogen anerkannt und wurde 2009 als solches bestätigt [4]. Die Belege für das Risiko gibt es aus epidemiologischen, histologischen und molekularbiologischen Untersuchungen sowie aus Tiermodellen und Therapiestudien [5]. Die ursprüngliche Einschätzung gründete sich auf epidemiologische Studien, die ein um den Faktor 2 – 3 erhöhtes Risiko für ein Magenkarzinom durch die Infektion mit H. pylori gezeigt haben. Eine Metaanalyse von 19 Studien an 2491 Pa- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 466 tienten und 3959 Kontrollen erbrachte ein OR (Odds Ratio) von 1,92 (95 %-KI [Konfidenzintervall], 1,32 – 2,78) für die Entwicklung eines Magenkarzinoms in H.-pylori-infizierten Patienten. In einer weiteren Metaanalyse von 16 Fallkontrollstudien wurde gezeigt, dass die Infektion mit einem cag-A (cytotoxin-associated antigen A)-positiven Stamm das Risiko um das 2,28- bis 2,87-fache erhöht. Später konnte durch populationsbasierte Fallkontrollstudien gezeigt werden, dass das OR von 2,2 (95%-KI, 1,4 – 3,6) für Nicht-Kardia-Karzinome bei H.-pylori-positiven Patienten auf 21 (95 %-KI, 8,3 – 53,4) ansteigt, wenn ein spezieller Immunoblot gegen Cag-A-Antikörper, die nach einer Infektion länger persistieren, mit in die Analyse einbezogen wird [9, 10]. So sind 70 % der Nicht-Kardia-Karzinome auf die Infektion zurückzuführen. Die Infektion mit H. pylori induziert immer eine chronisch aktive Gastritis. Bei einem Teil der Patienten kommt es in Abhängigkeit von Wirts- und Umweltfaktoren zu einer Progression, die über eine atrophische Gastritis und eine intestinale Metaplasie zu einem Magenkarzinom führen kann. Diese idealisierte Sequenz ist als Correa-Hypothese bekannt [9]. H. pylori stellt gleichermaßen einen Risikofaktor für das Magenkarzinom vom diffusen Typ dar. Im Tiermodell (mongolische Wüstenrennmaus) konnte die Induktion gut differenzierter Magenkarzinome durch die Infektion mit H. pylori erstmals gezeigt [6, 9] und später durch eine Reihe von Studien bestätigt werden. Schließlich beobachtete eine prospektive Follow-up-Studie an 1526 Patienten, von denen 1246 mit H. pylori infiziert waren, die Entwicklung eines Magenkarzinoms nur bei Infizierten. Bei Patienten mit ausgeprägter Atrophie, Korpus-prädominanter Gastritis oder intestinaler Metaplasie zeigte sich dabei ein signifikant erhöhtes Risiko [6]. Eine Reihe weiterer auch prospektiver Therapiestudien hat diesen Sachverhalt erhärtet (siehe Frage 3, [7, 10]). Der Nachweis von Epstein-Barr-Virus in Magenkarzinomgewebe fällt in bis zu 9% der Tumorpatienten positiv aus. Diese EBV-positiven Tumoren scheinen eine eigene ätiologische Entität darzustellen. Weitere Schlussfolgerungen bei EBV-positiven Magenkarzinomen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich [8]. 2. Konsensbasierte Empfehlungen Die H.-pylori-Eradikation mit dem Ziel der Magenkarzinomprophylaxe kann bei Risikopersonen durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die Häufigkeit der Pan-Gastritis und/oder Corpus-dominanten H.-pylori-Gastritis innerhalb einer Population korreliert mit dem Magenkarzinomrisiko [11] und dem Status einer Hochrisikopopulation [12]. Die Pan-Gastritis und Corpus-dominante H.-pylori-Gastritis weisen dabei das höchste Risiko für die Entstehung des Magenkarzinoms im Vergleich zu intestinaler Metaplasie und Atrophie auf [13]. Die Corpus-dominante H.-pylori-Gastritis kommt signifikant häufiger bei MagenkarzinomPatienten [14], bei Verwandten 1. Grades von Patienten mit Magenkarzinom [15] sowie bei Patienten mit Adenomen [16] und hyperplastischen Polypen [17, 18] vor. Die Eradikation von H. pylori hat das Potenzial, die Entstehung eines Magenkarzinoms zu verhindern [19]. Erst kürzlich wurde in einer Metaanalyse das relative Risiko für die Entstehung eines Ma- genkarzinoms nach Eradikation von H. pylori mit 0,65 (95 %KI, 0,43 – 0,98) berechnet [20]. Bislang wird die genaue Einschätzung dieser Zusammenhänge durch die Inhomogenität der entsprechenden Interventionsstudien erschwert [21]. Derzeit wird angenommen, dass der Zeitpunkt der Behandlung entscheidend ist für die Effizienz der H.-pylori-Eradikation zur Prävention des Magenkarzinoms [22 – 24]. Diese sollte zu einem Zeitpunkt geschehen, an dem noch keine präneoplastischen Veränderungen entstanden sind. Allerdings konnte in einer vor Kurzem erschienenen großen, randomisierten, placebokontrollierten Studie gezeigt werden, dass auch sehr spät in dem Prozess der malignen Transformation (nach endoskopischer Therapie eines Magenfrühkarzinoms) noch ein positiver Effekt durch eine H.-pylori-Eradikation zu verzeichnen ist [25]. Aufgrund der geringeren Prävalenz der H.-pylori-Infektion und der geringen Inzidenz des Magenkarzinoms in Deutschland ist es fraglich, ob ein Massenscreening zur Umsetzung einer generellen „Screen-and-eradicate“-Strategie kosteneffektiv ist oder eine Eradikation nur gezielt bei Risikopersonen durchgeführt werden sollte [26 – 29]. Eine Studie, die die Kosteneffizienz explizit unter den Bedingungen in Deutschland prüft, wurde allerdings bislang noch nicht durchgeführt. Bezüglich einer Impfung gegen Helicobacter wurden bereits mehrere Impfstoffe getestet. Bislang gibt es jedoch noch keinen, der sich für die klinische Anwendung eignet und generell empfohlen werden kann. 3.1.2.Weitere Risikofaktoren 3. Statement Wichtige Risikofaktoren für das distale Magenkarzinom sind Alter, niedriger sozioökonomischer Status, Tabakrauchen, Alkoholkonsum, familiäre Belastung, vorangegangene Magenoperationen, perniziöse Anämie, Leben in einer Hochrisikopopulation sowie Ernährungs- und Umweltfaktoren. Level of Evidence: 2 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Das Magenkarzinom entsteht vor allem bei Menschen im Alter über 55 Jahren; das mediane Erkrankungsalter liegt bei 72 Jahren [4]. Ein niedriger sozioökonomischer Status ist ein Risikofaktor für die Entstehung des Magenkarzinoms [4]. Tabakrauchen erhöht das Risiko für ein Karzinom des ösophagogastralen Übergangs und für ein distales Magenkarzinom [5, 31, 32]. Das Magenkarzinom ist mit dem Konsum von Alkohol assoziiert [31 – 35]. Es kann familiär gehäuft auftreten [6, 9, 36, 37], was darauf hinweist, dass eine gehäufte familiäre Belastung ein Risikofaktor ist. Insgesamt leisten genetische Faktoren jedoch nur einen kleinen Beitrag zum Auftreten des Magenkarzinoms [38 – 41]. Ein vorangegangenes peptisches Ulkus und eine vorangegangene Magenoperation begünstigen die Entwicklung eines Magenkarzinoms [10, 42 – 44]. Eine perniziöse Anämie prädisponiert zum Magenkarzinom [7, 45]. Das Leben in einer Hochrisikopopulation, wie z. B. Japan, erhöht das Magenkarzinomrisiko [11 – 20, 46 – 55]. Die Beziehungen zwischen Ernährungsfaktoren und dem Magenkarzinomrisiko sind komplex [21 – 26]. Im Allgemeinen ist eine an pflanzlichen Bestandteilen reiche Ernährung mit einem niedrigeren Risiko assoziiert, eine an tierischen Bestandteilen reiche Ernährung mit einem höheren Risiko [54]. Er- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 467 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie höhte Nahrungsfaseraufnahme ist mit einem reduzierten Risiko assoziiert, insbesondere für Karzinome des ösophagogastralen Übergangs [55]. Diäten mit einem hohen Gehalt an Antioxidantien wie Vitamin C, Vitamin E und Beta-Karotin sind mit einem reduzierten Magenkarzinomrisiko assoziiert [56 – 58]. In den USA wurde ein unterdurchschnittlicher Konsum von Obst und Gemüse als Risikofaktor für das Ösophagus-, nicht aber für das Magenkarzinom identifiziert [32], während in einer brasilianischen Fallkontrollstudie eine obst- und gemüsearme Ernährung ein Risikofaktor für das Magenkarzinom war [59]. Insgesamt ist damit ein gesunder Lebensstil (Verzicht auf Tabakrauchen und übermäßigen Alkoholkonsum; Vermeiden von Übergewicht; an Fasern, Obst und Gemüse reiche Ernährung) mit einem reduzierten Magenkarzinomrisiko assoziiert. 4. Statement Übergewicht ist ein gesicherter Risikofaktor für Karzinome des ösophagogastralen Übergangs. Für das distale Magenkarzinom stellt das Übergewicht keinen signifikanten Risikofaktor dar. Level of Evidence: 2a Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die primäre Literatursuche bestätigt die Aussagen der SIGNLeitlinie [30]. In einer Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien (Studienteilnehmer insgesamt = 3 097 794] war für Personen mit einem BMI ≥ 25 das Magenkarzinomrisiko signifikant um 22 % erhöht (OR 1,22; 95 %-KI, 1,06 – 1,41, [60]). Die Subgruppenanalyse für Kardiakarzinome ergab eine Risikoerhöhung um 55 % (OR 1,55; 95 %-KI, 1,31 – 1,84). Eine Metaanalyse von Beobachtungsstudien (größtenteils Fall-KontrollStudien) zeigte für einen BMI ≥ 25 eine 50 %ige Risikoerhöhung für Kardiakarzinome (OR 1,5; 95 %-KI, 1,3 – 1,8) bei selektiver Betrachtung westlicher Populationen (USA, Europa, [61]). Ein ansteigender BMI scheint das Risiko eines Karzinoms des ösophagogastralen Übergangs kontinuierlich zu erhöhen [62]. Eine Metaanalyse prospektiver Beobachtungsstudien, in denen der Zusammenhang zwischen Übergewicht und Krebserkrankungen verschiedener Lokalisationen untersucht wurde, konnte keine signifikante Assoziation zwischen BMI und Magenkarzinom (eine nähere Differenzierung der Tumorlokalisation wurde nicht vorgenommen) nachweisen (relatives Risiko 0,97; 95 %-KI, 0,88 – 1,06 bei Männern; relatives Risiko 1,04; 95 %-KI, 0,90 – 1,20 bei Frauen, [63]). Die Subgruppenanalyse der Metaanalyse prospektiver Kohortenstudien ergab keine signifikante Assoziation zwischen BMI ≥ 25 und dem Risiko für distale Magenkarzinome, d. h. Nicht-Kardia-Karzinome (OR 1,18; 95 %-KI, 0,96 – 1,45, [60]). 5. Statement Es gibt Hinweise auf eine Assoziation zwischen einer gastroösophagogealen Refluxkrankheit (GERD) und der Entstehung eines Adenokarzinoms des Magens (AEG II und III). Level of Evidence: 2b de Novo: [64 – 67] Abstimmung im Plenum: Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Hintergrund In einer schwedischen Fallkontrollstudie [64] lag bei Personen mit rezidivierenden Refluxsymptomen im Vergleich mit Personen ohne solche Symptome das Odds Ratio (OR) für das Kardiakarzinom bei 2,0, für das Adenokarzinom des distalen Ösophagus bei 7,7. Je häufiger, schwerer und länger dauernd die Symptome waren, umso größer war das Risiko. In einer Fallkontrollstudie aus den U. S. A. [65] fand sich eine höhere Prävalenz GERD-assoziierter Symptome bei Patienten mit einem Karzinom des gastroösophagogealen Übergangs als bei Kontrollpatienten gleichen Alters und gleichen Geschlechts. In einer weiteren bevölkerungsbasierten Fallkontrollstudie aus den USA [66] fand sich nach Berücksichtigung demografischer Faktoren ein 3-fach erhöhtes Risiko für ein Ösophaguskarzinom bei Refluxsymptomen (OR 3,61; 95 %-KI, 2,49 – 5,25); bei Vorliegen einer Hiatushernie war das Risiko 6-fach (OR 5,85; 95 %-KI, 3,18 – 10,75) und bei Refluxsymptomen und Hiatushernie 8-fach (OR 8,11; 95 %-KI, 4,75 – 13,87) erhöht. Eine weniger starke, jedoch noch immer signifikante Assoziation errechnete sich für das Kardiakarzinom. In einer Studie aus den USA [67] wurden Patienten, bei denen endoskopisch ein Adenokarzinom des Ösophagus oder der Kardia oder ein Long-Segment-Barrett-Ösophagus festgestellt worden war, nach ihren Refluxsymptomen befragt. 61 % der Patienten mit Adenokarzinom des Ösophagus, 38% derer mit Kardiakarzinom und 70 % derer mit Barrett-Ösophagus berichteten über chronische Refluxsymptome über mehr als 5 Jahre vor der Diagnosestellung. 3.2. Risikogruppen 3.2.1. Familiäres Risiko 6. Statement Verwandte 1. Grades von Patienten mit einem Magenkarzinom haben ein im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöhtes Risiko, ebenfalls an einem Magenkarzinom zu erkranken. Level of Evidence: 3b de Novo: [19, 68 – 77] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Für Verwandte 1. Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) eines Patienten mit Magenkarzinom ist das Magenkarzinomrisiko um das 2- bis 3-fache erhöht [68 – 73]. Ursache des erhöhten Risikos könnten gemeinsame Umweltbedingungen bzw. Lebensgewohnheiten, eine gemeinsame genetische Veranlagung oder eine Kombination beider Faktoren sein. Obwohl eine positive Korrelation zwischen einer Familiengeschichte und einer Helicobacter-Infektion besteht [69, 74, 75], scheinen beide voneinander unabhängige Risikofaktoren zu sein [69, 74, 76, 77]. Möglicherweise führt das gleichzeitige Vorliegen beider Faktoren zu einem synergistischen Effekt [69]. Es wird empfohlen, bei Verwandten ersten Grades von Magenkarzinom-Patienten eine Eradikation von H. pylori durchzuführen [19, 75] (siehe auch die Eradikations-Empfehlung bei Risikopersonen). Ist mehr als ein Verwandter ersten Grades an einem Magenkarzinom erkrankt, so ist das Risiko etwa 10-fach erhöht [69]. Eine Empfehlung zu Screening-Untersuchungen (Gastroskopie) bei Personen mit positiver Familienanamnese kann dennoch nicht gegeben werden. Es existiert derzeit keine wissenschaftliche „Evidenz“ für einen Nutzen spezieller vorsorgender Maß- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 468 Leitlinie 7. Statement Ein frühes Erkrankungsalter, das Vorliegen eines diffusen Magenkarzinoms und eine familiäre Häufung sind Hinweise auf das Vorliegen eines hereditären diffusen Magenkarzinoms. Level of Evidence: 3b de Novo: [40, 78 – 93] Abstimmung im Plenum: Konsens Autoren empfehlen, den Eingriff in der 3. Lebensdekade durchzuführen [88, 92]. Ein alternativer Vorschlag lautet, die prophylaktische Gastrektomie in einem Alter durchzuführen, das 5 Jahre vor dem Erkrankungsalter des jüngsten angehörigen Indexpatienten liegt [80]. In den meisten Fällen ist die Gastrektomie nicht prophylaktisch, sondern therapeutisch, da sich in Resektaten bereits kleine Herde eines diffusen Magenkarzinoms finden lassen; oft treten diese multifokal auf [89 – 91, 93]. Wird eine prophylaktische Gastrektomie abgelehnt, so sollte eine gastroskopische Überwachung erfolgen. 3.2.2. Hereditäres nonpolypöses kolorektales Karzinom (HNPCC) 8. Konsensbasierte Empfehlung In diesem Fall soll eine genetische Beratung erfolgen. Bei Nachweis einer Keimbahnmutation des CDH-1-Gens soll eine prophylaktische Gastrektomie dem Patienten nach Aufklärung geraten werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Das hereditäre diffuse Magenkarzinom [78] ist eine seltene autosomal dominante Erkrankung, welche für ca. 1 % aller Magenkarzinome verantwortlich ist [79]. Heterozygote inaktivierende Keimbahnmutationen im Gen für E-Cadherin (CDH1) – ein kalziumabhängiges Adhäsionsmolekül epithelialer Zellen und ein Tumorsuppressorprotein – sind die Ursache der Erkrankung [79, 80]. Träger der Mutation haben ein ca. 40 – 70%iges (Männer) bzw. ca. 60 – 80%iges (Frauen) Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms, Frauen zusätzlich ein ca. 40 – 50%iges Risiko für die Entstehung eines lobulären Mammakarzinoms [81, 82]. Klinische Kriterien zur Selektion von Familien für die Mutationsanalyse sind formuliert worden. Eine E-CadherinKeimbahnmutationsdiagnostik sollte Familien angeboten werden, für die eines der folgenden Kriterien zutrifft: 1. 2 oder mehr Verwandte 1. Grades sind an einem Magenkarzinom erkrankt, wobei in mindestens einem der Fälle ein diffuses Magenkarzinom vorliegt, das vor dem Alter von 50 Jahren aufgetreten ist; 2. drei oder mehr Verwandte 1. oder 2. Grades sind an einem diffusen Magenkarzinom erkrankt (ohne Altersbeschränkung); 3. ein Familienmitglied hat vor dem Alter von 35 Jahren ein diffuses Magenkarzinom entwickelt; 4. in der Familie sind sowohl ein diffuses Magenkarzinom als auch ein lobuläres Mammakarzinom aufgetreten, in mindestens einem der Fälle vor dem Alter von 50 Jahren [40, 80, 83 – 85]. Die molekular-genetische Diagnostik sollte entsprechend den „Richtlinien zur Diagnostik der genetischen Disposition für Krebserkrankungen“ der Bundesärztekammer erfolgen [86]. Der Nutzen einer gastroskopischen Vorsorge hinsichtlich einer Reduzierung der Mortalität bei CDH1-Mutationsträgern ist bisher nicht belegt. Experten empfehlen eine halbjährliche bis jährliche Chromoendoskopie-Untersuchung, beginnend im Alter von 16 Jahren [87, 88] oder alternativ beginnend mit dem Lebensalter, das 10 Jahre vor dem Erkrankungsalter des jüngsten angehörigen Indexpatienten liegt [80]. Aufgrund des hohen Magenkarzinomrisikos bei CDH1-Mutationsträgern und wegen der geringen Sensitivität des endoskopischen Screenings für frühe Magenkarzinome [80, 89 – 91] ist eine prophylaktische totale Gastrektomie indiziert [83 – 85], wobei der optimale Zeitpunkt der Gastrektomie noch nicht feststeht. Die meisten 9. Konsensbasierte Empfehlung Patienten mit hereditärem kolorektalem Karzinom ohne Polyposis (HNPCC, Lynch-Syndrom) sollten über ihr erhöhtes Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms aufgeklärt werden. Eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie kann angeboten werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund HNPCC ist eine autosomal-dominant vererbbare Karzinomprädisposition, die durch Keimbahnmutationen in einem der Mismatch-Repair(MMR)-Gene verursacht wird. HNPCC ist charakerisiert durch das frühe Auftreten von syn- und metachronen kolorektalen Karzinomen sowie von Karzinomen anderer Organlokalisationen, darunter Magenkarzinome. Informationen zur klinischen und molekulargenetischen Diagnostik des HNPCC finden sich auf der Internetseite des Verbundprojekts „Familiärer Darmkrebs“ (http://www.hnpcc.de). Das Lebenszeitrisiko für die Entwicklung eines Magenkarzinoms bei Patienten mit HNPCC variiert zwischen 2 % und 30% in Abhängigkeit von der Patientenpopulation [94]. In westlichen Ländern beträgt das Risiko für Mutationsträger etwa 2 – 9 % [95 – 97] – im Vergleich zu 1,5% bei der Allgemeinbevölkerung. In Ländern mit hoher Magenkarzinominzidenz liegt das Lebenszeitrisiko der Entwicklung eines HNPCC-assoziierten Magenkarzinoms bei 30% [98]. Das mittlere Erkrankungsalter variiert bei Patienten mit HNPCC zwischen 47 und 56 Jahren [94], während sporadische Magenkarzinome meist nach dem 55. Lebensjahr auftreten [99]. Meist liegt ein intestinaler Typ des Magenkarzinoms mit Mikrosatelliteninstabilität vor [100]. Obgleich keine prospektiv randomisierten Daten oder ein allgemeiner Konsens bezüglich der Effizienz einer Überwachungsstrategie mittels ÖGD vorliegen, wird diese häufig empfohlen. So befürwortet das deutsche HNPCC-Konsortium eine jährliche Untersuchung ab dem Alter von 35 Jahren, unabhängig davon, ob bereits Magenkarzinome in der Familie aufgetreten sind. Grundlage hierfür ist eine Untersuchung der deutschen HNPCC-Studiengruppe mit 281 Familien, in der das Magenkarzinom 5% der Tumoren ausmachte, 98% dieser Erkrankungen nach dem Alter von 35 Jahren aufgetreten sind und keine familiäre Häufung beobachtet wurde [101]. Der Zusammenhang zwischen Familiengeschichte und Magenkarzinomrisiko bei HNPCC ist unklar, die Daten sind widersprüchlich [96, 101]. Manche Autoren empfehlen Früherkennungsuntersuchungen nur in HNPCC-Familien, in denen mehr als ein Familienmitglied an einem Magenkarzinom erkrankt ist oder in Ländern mit hoher Magenkarzinominzidenz [94, 102]. Einige europäische Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. nahmen bei nahen Verwandten von Patienten mit Magenkarzinom. 469 Leitlinie Kollegen sehen bei nicht signifikant erhöhtem Magenkarzinomrisiko bei Patienten mit HNPCC keinen Stellenwert einer Überwachungs-ÖGD [103]. Wird eine ÖGD durchgeführt, sollte diese immer bis zum Treitz’schen Band erfolgen, da 50% der HNPCCassoziierten Dünndarmtumoren im Duodenum lokalisiert sind [104]. Eine ggf. bestehende Helicobacter-pylori-Infektion bei HNPCC-Patienten sollte in jedem Fall behandelt werden [94]. 3.3. Screening und Prävention 3.3.1. Screening 10. Empfehlung Ein serologisches Screening der asymptomatischen Normalbevölkerung sollte nicht durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2b de Novo: [105 – 116] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Das Magenkarzinom wird häufig erst in einem bereits fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die späte Diagnosestellung ist somit mit einer schlechten Prognose verbunden. Nicht invasive Testmethoden wären hilfreich, das Magenkarzinom in einem frühen Stadium zu diagnostizieren. Bisher gibt es keinen verlässlichen Biomarker, der eine Früherkennung erlaubt. Allerdings entstehen sowohl der intestinale als auch der diffuse Typ des (distalen) Magenkarzinoms aus einer chronischen gastralen Entzündung durch die Helicobacter-pylori-Infektion. Der intestinale Typ des (distalen) Magenkarzinoms ist mit einer atrophischen Gastritis und intestinalen Metaplasie vergesellschaftet. Das Risiko an einem Magenkarzinom zu erkranken ist sowohl mit der Ausdehnung und als auch dem Schweregrad der Atrophie verbunden [105, 106]. Serologische Marker wie Pepsinogen (PG) I und II, Gastrin 17 (G-17) und H.-pylori-IgG-Antikörper geben Hinweise auf Grad und Lokalisation der Atrophie [107]. Durch die Kombination dieser Marker ist eine Identifikation von Hochrisikopatienten möglich. Watabe et al. nahmen 9293 Teilnehmer, welche für H.-pylori-Antikörper und PG gescreent wurden, in ein Follow-up von 4,7 Jahren. In dieser Studie stellte die Kombination der genannten Serummarker eine gute Prädiktion für die Entstehung des Magenkarzinoms dar [108]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Langzeitstudie mit 2446 Teilnehmern, in der ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem PG-Level und der Entwicklung eines Magenkarzinoms nachgewiesen wurde, der unabhängig von einer H.-pylori-Infektion war [109]. In Ländern mit hoher Inzidenz kann das Serum-PG-Screening asymptomatischer Personen die Detektionsrate für Magenkarzinome deutlich erhöhen, mit hohem Anteil früher Stadien [111]. In einer kleineren Fallkontrollstudie (41 Fälle/123 Kontrollen) wurde errechnet, dass ein PG-Screening jedes Jahr bzw. alle 2 Jahre die Magenkarzinom-Mortalität in einer Hochrisikopopulation um 76 bzw. 62 % reduzieren kann [112]. Ob Studienergebnisse aus Ländern mit hoher Inzidenz auf die Verhältnisse in Deutschland übertragbar sind, ist unklar. Aufgrund einer nicht ausreichenden Evidenz können die oben genannten Screeningmethoden derzeit nicht zur Früherkennung des Magenkarzinoms in der asymptomatischen deutschen Bevölkerung empfohlen werden [115]. Die genannten Testmethoden dienen allerdings als sinnvolle Screening-Methode für eine atrophi- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 sche Gastritis und somit zur Erkennung von Hochrisikopatienten [106, 110, 113, 114, 116]. 11. Konsensbasierte Empfehlung Die fokale Atrophie und intestinale Metaplasie müssen nicht endoskopisch überwacht werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Atrophie und intestinale Metaplasie sind histologische Diagnosen und stellen Indikatorläsionen für ein erhöhtes Risiko der Karzinomentstehung – auch an anderer Stelle der Magenschleimhaut – dar. Patienten mit Pan-Gastritis oder Corpusdominanter H.-pylori-Gastritis sollten Helicobacter eradiziert werden, insbesondere wenn zusätzlich noch Atrophie oder Metaplasie nachgewiesen werden. Eine regelmäßige endoskopisch-bioptische Überwachung wird bei fokaler Atrophie und intestinaler Metaplasie nicht empfohlen, da das Magenkarzinomrisiko bei Atrophie und intestinaler Metaplasie auch nach 10 Jahren zu gering ist (< 1,8 %, [117, 118]). Bei ausgeprägter Atrophie und Metaplasie kann es sinnvoll sein, Risiko-Patienten zu identifizieren, allerdings liegen diesbezüglich keine prospektiven Studien vor [119]. Es besteht der Eindruck, dass Patienten mit flächenhafter Atrophie bei Autoimmungastritis nicht immer klar von Betroffenen mit fokaler Atrophie und Metaplasie in der Literatur abgegrenzt werden. Obwohl es Konzepte gibt, die davon ausgehen, dass durch Stammzellen bzw. Transdifferenzierungen intestinale Metaplasien und Atrophien entstehen, wurde die eigentliche Vorläuferzelle von Magenkarzinomen noch nicht sicher identifiziert [120]. Mittlerweile ist klar, dass die fokale intestinale Metaplasie und Atrophie eher ein parakanzeröses als ein präkanzeröses Phänomen darstellen [121]. 12. Konsensbasierte Empfehlung Ein bevölkerungsbezogenes endoskopisches Screening zum Nachweis von Magenfrühkarzinomen wird für Deutschland nicht empfohlen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Derzeit wird ein populationsbezogenes Screening einer asymptomatischen Bevölkerung lediglich in 3 Ländern mit sehr hoher Inzidenz des Magenkarzinoms durchgeführt (Korea, Japan, Taiwan). In Japan werden ab dem 40. Lebensjahr eine Gastroskopie oder eine Bariumkontrastdarstellung angeboten. In Korea besteht ebenfalls das Angebot, eine Gastroskopie durchzuführen, während in Taiwan zunächst der Serumpepsinogenspiegel bestimmt wird. Im Falle niedriger Spiegel wird endoskopiert [75, 122]. 13. Konsensbasiertes Statement Bezüglich einer möglichen endoskopischen Überwachung von Patienten mit reseziertem Magen lässt sich aus den existierenden Daten keine Empfehlung ableiten. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 470 Leitlinie 3.3.2. Prävention 14. Konsensbasiertes Statement Es gibt keine gesicherten klinischen Hinweise, dass Protonenpumpeninhibitoren (PPI) das Risiko für ein Magenkarzinom erhöhen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die profunde Säuresuppression im Magen durch die Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren (PPI) führt zu einer erhöhten Sekretion von Gastrin. Bei vielen Patienten, die eine Therapie mit einem PPI erhalten, lässt sich ein leichter Anstieg der Gastrin-Serumkonzentration nachweisen [128, 129]. Gastrin hat einen trophischen Effekt auf die Magenschleimhaut. Es wird von einem erhöhten Risiko für die Entstehung von neuroendokrinen Tumoren des Magens sowie von Magen- und Kolonkarzinomen durch eine Hypergastrinämie berichtet [130 – 134]. Bei Patienten unter einer lang dauernden PPI-Therapie konnte eine Hyperplasie von Enterochromaffin-like-Zellen (ECL-Zellen) beobachtet werden [128, 129]. Zusätzlich zeigen klinische Studien bei Patienten mit H.-pylori-Infektion eine erhöhte Inzidenz einer atrophischen Gastritis unter einer lang dauernden PPI-Therapie [134], die als Risiko für Adenokarzinome des Magens angesehen werden muss [6, 45]. Nur wenige epidemiologische Studien haben die Assoziation einer PPI-Einnahme mit der Entstehung von Adenokarzinomen des Magens untersucht. Zwei Untersuchungen aus Großbritannien belegten ein erhöhtes Risiko für Magenkarzinome bei Patienten unter PPI-Therapie, was aber auf die Tatsache zurückgeführt wurde, dass die Symptome eines Magenkarzinoms mit dyspeptischen Beschwerden häufig Ursache für die Einleitung einer PPI-Therapie darstellen. Dies muss als Confounder angesehen werden [135, 136], weil die Symptombefreiung die Krankheit maskiert und so zu einer verspäteten Diagnose führt. Eine populationsbasierte Kohorten-Studie aus Dänemark, die eine Verzögerungsphase von einem Jahr in die Analyse miteinbezog, um einen solchen Effekt zu minimieren, untersuchte 15065 Patienten, die einen PPI verschrieben be- kommen hatten, und 16176 Patienten, für die ein H2-RezeptorBlocker ordiniert wurde. Die Studie konnte keinen Unterschied in der IRR (incidence rate ratio) für ein Magenkarzinom zwischen beiden Patientengruppen zeigen (1,2 [95%-KI, 0,8 – 2,0] vs. 1,2 [95%-KI, 0,8 – 1,8), [137]). 15. Empfehlung ASS oder NSAR sollten nicht zur Prophylaxe des Magenkarzinoms angewendet werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2b de Novo: [138 – 153] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In molekularen Analysen von Gewebeproben wurde eine Induktion der Cyclooxygenase-2 (COX-2) in Magenkarzinomen gezeigt [140 – 142]. In den letzten Jahren wurde in einer Vielzahl von Beobachtungs- und Kohortenstudien der protektive Effekt von ASS, NSAR oder selektiven COX-2-Inhibitoren auf die Magenkarzinogenese untersucht [143]. In einer Analyse an 650 000 Patienten, die über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren Aspirin eingenommen haben, wurde eine Risikoreduktion für die Entstehung gastraler Adenokarzinome von beinahe 50% gezeigt [144]. Dieser Effekt bestand allerdings nur unter regelmäßiger Einnahme von ASS, nicht jedoch anderer NSAR, vergleichbar mit den Ergebnissen anderer Arbeitsgruppen [145, 146]. In einer anderen Untersuchung fand sich bei regelmäßiger Einnahme von COX-2-Inhibitoren eine Regression mukosaler Alteration wie intestinaler Metaplasie und Atrophie, wobei dieser Zusammenhang in der Literatur nicht eindeutig belegt ist und in anderen Studien nicht bestätigt werden konnte [138, 139, 147]. Metaanalysen belegen eine Risikoreduktion nicht nur für die Entstehung von Magenkarzinomen, sondern auch von Adenokarzinomen des distalen Ösophagus. Der protektive Einfluss war auch hier ausgeprägter unter Einnahme von ASS als von einer alternativen NSAR, inklusive eines positiven Zusammenhangs mit der Einnahmefrequenz [148 – 150]. Die jüngst publizierte Metaanalyse zeigte vergleichbare Risikoreduktionen für nicht kardiale (HR: 0,64; 95 %-KI, 0,52 – 0,80 vs. HR: 0,68; 95 %-KI, 0,57 – 0,81), kardiale (HR: 0,82; 95 %-KI, 0,65 – 1,04 vs. 0,80; 0,67 – 0,95) und distalösophageale Adenokarzinome (HR; 95 %-KI, 0,64; 0,52 – 0,79 vs. HR: 0,65; 95%-KI, 0,50 – 0,85) jeweils für ASS und andere NSAR. Generelle Probleme bei der Datenerhebung bestehen in der Inhomogenität der erfassten Studien, insbesondere im Hinblick auf die definierten Endpunkte und abweichenden Einund Ausschlusskriterien. In den meisten Fällen handelt es sich um epidemiologisch-retrospektive, fragenbogenbasierte Erhebungen [151]. Weiteren Aufschluss werden die Daten der AspECT-Studie geben, bei der insbesondere der Einfluss von ASS/NSAR in Kombination mit Esomeprazol auf Ösophaguskarzinome evaluiert wird. Eine Interimsanalyse wird 2011 erwartet [152]. Hinweise auf einen protektiv-antikanzerogenen Effekt von ASS/NSAR im oberen Gastrointestinaltrakt wurden bislang nicht in die klinische Routine übertragen, da das Risiko für eine NSAR-induzierte Ulkusblutung erhöht wird. Auch bei selektiven COX-2-Inhibitoren ist der Einfluss auf das kardiovaskuläre Risikoprofil umstritten [153]. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Hintergrund Nach einer Operation am Magen (insbesondere Ulkuschirurgie) ist das Risiko für die Entstehung eines Magenstumpfkarzinoms ab dem 15. – 20. postoperativen Jahr erhöht [123 – 127]. Das relative Risiko liegt 2 Metaanalysen zufolge im Bereich zwischen 1,5 und 3,0, abhängig von der Art der Operation und v. a., der Zeitdauer seit der Operation [126, 127]. Eine BillrothII-Resektion (Gastrojejunostomie) scheint mit einem größeren Risiko verbunden zu sein als eine Billroth-I-Resektion (Gastroduodenostomie). Ursächlich für das erhöhte Magenkarzinomrisiko wird ein alkalischer Galle- und Pankreassaftreflux verantwortlich gemacht (der ausgeprägter nach einer Billroth-II- als nach einer Billroth-I-Resektion ist). Aufgrund des erhöhten Karzinomrisikos wird häufig eine regelmäßige Gastroskopie – beginnend nach 15 Jahren – empfohlen, ohne dass sich der Nutzen einer solchen Strategie belegen lässt. Aufgrund der weitgehenden Bedeutungslosigkeit der Ulkuschirurgie im Gefolge einer effizienten Pharmakotherapie mit zunächst H2-Blockern und jetzt Protonenpumpenhemmern wird das postoperative Magenstumpfkarzinom bald ein historisches Phänomen sein. 471 Leitlinie 3.4. Primärdiagnostik 3.4.1. Endoskopische Untersuchung 16. Konsensbasierte Empfehlung Patienten mit einem oder mehreren der folgenden Alarmsymptome im klinischen Zusammenhang mit einem V. a. Ösophagus- oder Magenkarzinom sollen zu einer frühzeitigen Endoskopie mit Entnahme von Biopsien überwiesen werden: ▶ Dysphagie ▶ rezidivierendes Erbrechen ▶ Inappetenz ▶ Gewichtsverlust ▶ gastrointestinale Blutung Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 17. Konsensbasiertes Statement Die vollständige endoskopische Untersuchung von Ösophagus und Magen stellt das Standardverfahren zur Detektion der Tumoren dar. Diese Untersuchung besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für den Nachweis von Neoplasien des oberen Gastrointestinaltrakts. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 18. Konsensbasiertes Statement Der Einsatz neuer endoskopischer Verfahren (NBI, Chromoendoskopie, konfokale Lasermikroskopie) über eine Videoendoskopie hinaus in der Primärdiagnostik von Ösophagus- und Magenkarzinom ist routinemäßig nicht notwendig. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Diese Statements sind ein Expertenkonsens, der durch weitere internationale Leitlinien unterstützt wird [30, 154]. Die endoskopische Untersuchung des Ösophagus und Magens ist das Standardverfahren zur Detektion von Neoplasien des Ösophagus und Magens. Sie erlaubt die gleichzeitige Entnahme von Biopsien und vermeidet eine Strahlenexposition, die mit anderen (bildgebenden) Verfahren verbunden ist. Die endoskopische Untersuchung erlaubt die Bestimmung der Lokalisation der Neoplasie und ist in aller Regel mit großer Sicherheit durchführbar. Die untersuchungsabhängige Letalitätsrate liegt unter 1 von 10000 Fällen und Komplikationen (in aller Regel in Zusammenhang mit der Sedierung) treten in ca. 1 von 1000 Fällen auf. Wenngleich keine Vergleichsstudien dieser Methodik zu anderen Verfahren in den letzten Jahren durchgeführt wurden und damit zur Analyse vorliegen, ist aufgrund der oben aufgeführten Vorteile diese Methode als das Standardverfahren anzusehen und sollte bei klinischem Verdacht als Erstes eingesetzt werden. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 19. Empfehlung Es sollen Biopsien aus allen suspekten Läsionen genommen werden, um eine sichere Diagnostik von malignen Veränderungen im Ösophagus und im Magen zu gewährleisten. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence: 2 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 3.4.2. Staging 20. Konsensbasiertes Statement Intraepitheliale Neoplasien (Dysplasien) des Magens werden nach WHO in Low-Grade und High-Grade unterschieden. Level of Evidence: GCP Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 21. Konsensbasierte Empfehlung Bei High-Grade intraepithelialen Neoplasien sollte eine externe Zweitbefundung durch einen in der gastrointestinalen Onkologie erfahrenen Pathologen durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In Deutschland wird bei jeder Endoskopie die Durchführung von Biopsien empfohlen. Bei V. a. auf ein Malignom des Magens sollte ein Minimum von 8 Biopsien aus allen suspekten Arealen entnommen werden. Ein Minimum von 10 Biopsien ist indiziert bei Patienten mit großen Läsionen, 4 Biopsien (2 Antrum und 2 Corpus) zusätzlich zu den suspekten Läsionen. Bei Lymphomverdacht sind mindestens 15 Biopsien aus befallenen und unauffälligen Arealen zu entnehmen. Biopsien aus normaler Schleimhaut werden nicht generell empfohlen, können im Einzelfall zur Erfassung einer Risikokonstellation (Atrophie, IM, Corpus-dominant, HP) erwogen werden. 3.4.3. Histologie 22. Konsensbasierte Empfehlung Nach negativer Histologie bei makroskopisch tumorverdächtiger Läsion oder V. a. Linitis plastica sollen kurzfristig erneut multiple Biopsien aus dem Rand und dem Zentrum der Läsion oder eine diagnostische endoskopische Resektion durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 23. Konsensbasierte Empfehlung In Fällen, in denen, trotz hochgradigem klinischem und endoskopischem Verdacht auf ein Adenokarzinom des Magens bzw. ein AEG, ausgiebige Biopsien die Sicherung der Diagnose nicht erlauben, kann der EUS zur primären Diagnosesicherung beitragen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 472 Leitlinie 3.5. Staging 3.5.1. Ultraschalldiagnostik 24. Konsensbasierte Empfehlung Eine Fernmetastasierung soll mittels konventioneller B-BildSonografie, CT-Thorax und CT-Abdomen ausgeschlossen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 25. Konsensbasierte Empfehlung Die B-Bild-Sonografie sollte als erstes bildgebendes Verfahren zum Ausschluss von Lebermetastasen eingesetzt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 26. Konsensbasierte Empfehlung Die B-Bild-Sonografie des Halses kann beim Magenkarzinom bei klinischem Verdacht und sollte bei AEG-Tumoren ergänzend im Staging eingesetzt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die B-Bild-Sonografie ist in der klinischen Praxis breit verfügbar und hat eine Sensitivität von etwa 53 – 81 % sowie eine Spezifität von 59 – 98 % zum Nachweis von Lebermetastasen [177]. Untersuchungen zur Genauigkeit des sonografischen Nachweises von Lebermetastasen, in die nur Patienten mit Karzinomen des Magens und des ösophagogastralen Übergangs eingeschlossen worden sind, liegen nicht vor. Eine Metaanalyse, in die Ergebnisse von 9 bis zum Jahr 1996 publizierten Studien zur sonografischen Detektion von Lebermetastasen gastrointestinaler Tumoren eingegangen sind, fand eine gepoolte Sensitivität von 66 % (95 %-KI, 54 – 77 %, [178]). Neuere Studien berichten über eine Sensitivität von 77 % [179] und 81 % [180] für den Nachweis von Lebermetastasen gastrointestinaler Tumoren durch die B-Bild-Sonografie. Durch Einsatz eines Ultraschallkontrastverstärkers wird eine mit kontrastverstärkter Multi-Detektor-Computertomografie (MDCT) und Magnetresonanztomografie (MRT) vergleichbar hohe diagnostische Genauigkeit zum Nachweis und Ausschluss von Lebermetastasen gastrointestinaler Tumoren erreicht [179 – 182]. Die Abgrenzung von Metastasen gegenüber primären malignen und benignen Tumoren der Leber gelingt mittels kontrastverstärkter B-Bild-Sonografie mit einer im Vergleich zur Computertomografie (CT) identischen Genauigkeit von mehr als 90 % [183 – 186]. Der isolierte Befall zervikaler Lymphknoten ist beim Magenkarzinom eine Rarität [187]. Die B-Bild-Sonografie ist der Computertomografie im Nachweis von Halslymphknoten-Metastasen bei Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs gleichwertig oder geringfügig überlegen [188 – 190]. Die ultraschallgestützte Feinnadelaspirationsbiopsie ist geeignet, den metastatischen Lymphknotenbefall morphologisch zu sichern [189, 191 – 193]. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Hintergrund Klinisch besteht immer wieder die Problematik der histologischen Sicherung einer makroskopisch verdächtigen Läsion im Magen bzw. bei V. a. Linitis plastica. Hier werden wiederholt Biopsien entnommen, die dann histologisch ohne Tumornachweis sind. Daher besteht die klinische Frage, wie oft und wann erneut Biopsien entnommen werden sollen bzw. wann ein invasiveres Verfahren zur histologischen Sicherung eingesetzt werden soll. Wissenschaftliche Untersuchungen zu dieser Fragestellung liegen nicht vor. Generell sollte ein differenziertes Vorgehen bei a) frühen Läsionen mit potenziell kurvativem Ansatz von b) makroskopisch groß imponierenden bzw. fortgeschrittenen oder symptomatischen Läsionen unterschieden werden. Bei frühen Läsionen ist eine erneute Diagnostik innerhalb 1 – 2 Wochen mit Biopsieentnahme angezeigt. Sollten auch diese Biopsien ohne histologischen Tumornachweis bleiben, kann eine endoskopische Resektion bzw. Schlingenresektion von Falten durchgeführt werden. Vor einer invasiveren Diagnostik sollte dieses Vorgehen bei frühen Läsionen wiederholt werden. Bei großen Läsionen, die auch in der erneuten Biopsie ohne Tumornachweis bleiben, kann neben der endoskopischen Resektion bzw. Schlingenresektion von Falten, insbesondere bei symptomatischen Läsionen direkt ein kombiniert endoskopisch-laparoskopisches oder chirurgisches Vorgehen in Betracht gezogen werden [155 – 159]. Übereinstimmend haben mehrere operativhistologisch kontrollierte Fallserien zeigen können, dass eine echoarme Verdickung der tiefen Schichten der Magenwand, insbesondere der M. propria bei Patienten mit dem endoskopischen Befund verdickter Magenfalten („Riesenfalten“) einen hohen Voraussagewert für Malignität und insbesondere für ein szirrhöses Magenkarzinom hat, wohingegen eine Verdickung nur der mukosalen Schichten stark für eine benigne Ursache der Riesenfalten spricht [160 – 170]. In einer Untersuchung, in die 61 Patienten mit „Riesenfalten“ und fehlendem histologischem Nachweis einer malignen Magenerkrankung in der endoskopischen Biopsie eingeschlossen worden sind, erwies sich die endosonografische Verdickung der tiefen Schichten der Magenwand mit einer Sensitivität von 95% und einer Spezifität von 97% als der einzige unabhängige Prädiktor für Malignität. Bei Patienten mit einer Magenwandverdickung in der Computertomografie ist ein pathologisches Ergebnis der Endosonografie jedoch nur dann zu erwarten, wenn auch der endoskopische Magenbefund pathologisch ist [171]. Bleiben bei Patienten mit hochgradigem klinischem Verdacht auf ein Magenkarzinom und endosonografisch nachgewiesener Magenwandverdickung endoskopische Biopsien auch wiederholt ohne erklärenden Befund, kann die endosonografische Biopsie der Magenwand oder von pathologischen Lymphknoten zur Diagnosesicherung herangezogen werden [172 – 176]. Die endosonografisch geführte TrucutBiopsie (EUS-TCB) erwies sich in einer Studie mit 31 Patienten mit klinischen Alarmsymptomen, fehlendem Malignitätsbeweis in endoskopischen Biopsien und endosonografisch detektierbarer Wandverdickung des Ösophagus oder Magens als effektiv. Daher wird die EUS-TCB aufgrund von Expertenmeinung als eine mögliche sinnvolle Methode zum Nachweis oder Ausschluss einer malignen Ursache der Wandverdickung angesehen [174]. 473 Leitlinie 27. Empfehlung Der EUS sollte Bestandteil des Stagings des Primärtumors bei Patienten mit kurativer Therapieintention sein. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2a de Novo: [176, 194 – 228] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die Literaturanalyse findet sich im Evidenzbericht des ÄZQ. Die Endosonografie hat eine hohe Treffsicherheit in der Beurteilung der lokalen Infiltrationstiefe von Adenokarzinomen des Magens und des ösophagogastralen Übergangs. T-Staging: In einer systematischen Übersichtsarbeit (Review) bewerteten Kwee et Kwee [194] 23 Studien zur diagnostischen Genauigkeit des EUS im T-Staging von Magenkarzinomen und verzichteten aufgrund der Inhomogenität der Studien auf ein Pooling der Ergebnisse. Die diagnostische Genauigkeit des T-Stagings variierte zwischen 65 % und 92 %. Für die Beurteilung einer Serosabeteiligung lagen Sensitivität und Spezifität des EUS zwischen 78 % und 100 % bzw. zwischen 68% und 100% [194]. In einer Metaanalyse von 22 Studien fanden Puli et al. [195] eine gepoolte Sensitivität bzw. Spezifität für das endosonografische T-Staging von 88,1 bzw. 100 % (T1), 82,3 bzw. 95,6 % (T2), 89,7 bzw. 94,7 % (T3) und 99,2 bzw. 96,7 % (T4, [195]). Einschränkungen der Treffsicherheit für das endosonografische T-Staging ergaben sich bei der Beurteilung der Serosabeteiligung, bei Siewert-Typ-III-Tumoren, bei nicht passierbaren Stenosen, bei ulzerierenden Tumoren, bei undifferenzierten Karzinomen bzw. diffusem Tumortyp nach Lauren sowie mit zunehmendem Tumordurchmesser [194 – 198, 200, 229]. Die T-Kategorie wird im EUS ähnlich wie in der CT etwas häufiger (median EUS 10,6 %; CT 9,4 %) überschätzt als unterschätzt (median EUS 7,6 %; CT 6,7 %, [194]). N-Staging: Die diagnostische Genauigkeit des endosonografischen Lymphknotenstagings ist unbefriedigend. Dies beruht sowohl auf einer unzureichenden Detektion kleiner Lymphknoten mit maligner Infiltration als auch auf einer fehlenden sicheren Diskriminierungsmöglichkeit zwischen entzündlich vergrößerten und maligne infiltrierten Lymphknoten [195, 201]. In der Metaanalyse von Puli et al. [195] fand sich für die endosonografische Diagnose eines N 1-Stadiums eine gepoolte Sensitivität von 58,2 % bei einer Spezifität von 87,2 %, für die endosonografische Diagnose eines N 2-Stadiums von 64,9 bzw. 92,4 % [195]. Bei Nachweis von nach endosonografischen Kriterien malignitätstypischen Lymphknoten [202 – 204] kann vor Entscheidung zu einer perioperativen Therapie eine EUS-FNA durchgeführt werden. Die EUS-FNA ist den endosonografischen Kriterien überlegen [205] und hat eine hohe diagnostische Sensitivität und nahezu uneingeschränkte Spezifität für den Nachweis bzw. Ausschluss von Lymphknotenmetastasen [176, 206]. Eine Nadelpassage durch den Tumor muss vermieden werden. Fernmetastasen: Die Endosonografie hat für die Diagnose von Fernmetastasen einen begrenzten Stellenwert [195]. Zusätzlich zur Bestimmung der lokalen Infiltrationstiefe und zum Lymphknotenstaging können EUS und EUS-FNA durch Nachweis von Peritonealmetastasen, „okkulter“ Lebermetastasen und von mediastinalen Lymphknotenmetastasen einen zur Computertomografie komplementären Beitrag leisten. In einer kürzlich publizierten Studie führte das Ergebnis der EUS-FNA bei 15% der Patienten mit einem Magenkarzinom zu einer Veränderung des therapeutischen Konzepts [207]. Die Möglichkeiten der Beurtei- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 lung von möglichen Fernmetastasenlokalisationen im Rahmen der endosonografischen Staginguntersuchung sollten daher konsequent genutzt werden. Aszites: Der EUS ist im Nachweis geringer Aszitesmengen sensitiver als Computertomografie, abdominelle Sonografie und Magnetresonanztomografie [205, 208 – 210]. Übereinstimmend zeigen mehrere Studien, dass der endosonografische Nachweis von Aszites bei gesichertem Adenokarzinom des Magens oder des gastroösophagealen Übergangs ein Indikator für das Vorliegen einer Peritonealkarzinose, für das Fehlen einer kurativen Resektionsoption und für eine ungünstige Prognose ist [209, 211, 212]. Die EUS-FNA von Aszites kann eine Peritonealkarzinose sichern [208, 210, 213]. Eine für Malignität negative Asziteszytologie schließt eine Peritonealkarzinose jedoch nicht sicher aus [208]. Eine Nadelpassage durch den Primärtumor muss vermieden werden. Leber und mediastinale Lymphknoten: Der EUS kann in den einsehbaren Leberabschnitten kleine, computertomografisch nicht detektierbare („okkulte“) metastasenverdächtige Läsionen darstellen und diese durch EUS-FNA mit sehr hoher diagnostischer Genauigkeit zytologisch und histologisch charakterisieren [214 – 219]. Darüber hinaus ist die EUS-FNA zum Nachweis mediastinaler Lymphknotenmetastasen bei malignen gastrointestinalen Tumoren geeignet [176, 206, 220 – 222] und den bekannten B-Bildkriterien für maligne Lymphknoten überlegen [205]. Zusammenfassend sollte der EUS komplementär zur Computertomografie für die Selektion von Patienten für eine perioperative Therapie eingesetzt werden. Ungeachtet der in mehreren Studien insbesondere durch ein Overstaging von T 2-Karzinomen eingeschränkten Genauigkeit des EUS in der Differenzierung zwischen T 2- und T 3-Tumoren und des Lymphknotenstagings erlauben die endosonografische Stratifizierung in Risikogruppen (Serosainfiltration, Lymphknotenbefall) und der Nachweis minimaler Aszitesmengen mit hoher Trennschärfe zwischen Patienten mit einer relativ günstigen Prognose (hohe Wahrscheinlichkeit einer R 0Resektion und günstige 5-Jahres-Prognose) und Patienten mit einer ungünstigen Prognose (eingeschränkte Wahrscheinlichkeit einer R 0-Resektion und ungünstige 5-Jahres-Prognose) zu diskriminieren [211, 212, 223 – 225]. Es konnte gezeigt werden, dass die vergleichende und interdisziplinäre Interpretation der Ergebnisse von EUS und Computertomografie im klinischen Kontext die Stagingaussage gegenüber den Einzelbefunden verbessert und zur Optimierung therapeutischer Entscheidungen führt [226 – 228]. Weitere Literatur finden Sie im Leitlinienreport. 3.5.2. Röntgendiagnostik 28. Empfehlung Bei Patienten mit kurativem Therapieansatz sollte ein CT des Thorax und Abdomens mit i. v. Kontrastmittel und Distensionen des Magens mit oralem Kontrastmittel oder Wasser durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2 de Novo: [178, 190, 194, 230] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Literaturanalyse findet sich im Evidenzbericht des ÄZQ. Die Computertomografie (CT) sollte grundsätzlich als kontrastmittelverstärkte Untersuchung von Thorax und Abdomen durchgeführt werden, wobei eine portalvenöse Kontrastmittelphase Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 474 Leitlinie 29. Empfehlung Die MRT sollte Patienten vorbehalten sein, bei denen keine CT durchgeführt werden kann oder sollte, falls erforderlich nach Vorliegen von CT- und/oder EUS-Befunden genutzt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2a de Novo: [194, 231] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die MRT sollte mit einer Feldstärke von mindestens 1,5 Tesla und Standardwichtungen (T1 und T 2) durchgeführt werden. Die Schichtdicke sollte analog zur CT erfolgen. Eine sequenzspezifische Empfehlung kann aufgrund der heterogenen Untersuchungsprotokolle in der Literatur aktuell nicht gegeben werden. Auf eine KM-Gabe mit gadoliniumhaltigen Kontrastmitteln sollte nicht verzichtet werden. Neuere Studien zeigen, dass die MRT, in Hydro-Technik durchgeführt, Sensitivitäten bis 80 % gerade in den höheren T-Stadien erreichen kann und damit nicht statistisch signifikant unter den erreichten Ergebnissen für die MDCT liegt [194]. Inwieweit der Einsatz spezifischer MRT-Kontrastmittel (hepato-biliäre Kontrastmittel o. Ä.) sinnvoll ist z. B. zur genaueren Detektion von Lebermetastasen, ist derzeit Gegenstand aktueller Studien. Auch diesbez. kann noch keine abschließende Empfehlung ausgesprochen werden [194, 231]. 30. Konsensbasiertes Statement Eine Knochenszintigrafie im Rahmen des Stagings ist ohne entsprechende klinische Symptomatik nicht indiziert. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens 31. Empfehlung Für Patienten mit Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs und kurativer Therapieoption kann nach konventionellem Staging mit CT/EUS eine PET-CT für das Staging von loko-regionär und nicht loko-regionär gelegenen Lymphknoten und zum Nachweis/Ausschluss anderer Fernmetastasen in Betracht gezogen werden. Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence: 2b Leitlinienadaptation: [154] Abstimmung im Plenum: Konsens 32. Konsensbasierte Empfehlung Das PET-CT wird nicht routinemäßig für das Staging von Magenkarzinomen empfohlen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Das PET-CT wird nicht routinemäßig für das Staging von Magenkarzinomen empfohlen. Es kann jedoch bei Vorliegen von lokal fortgeschrittenen Tumoren (‚mass-forming tumours’) des intestinalen Typs bzw. beim nicht Siegelring-zelligem Magenkarzinom bei kurativer Therapieoption in Betracht gezogen werden. Das PET-CT als Prognosemarker bei Magenkarzinom oder zum Monitoring des Therapieansprechens bei neoadjuvanter Chemotherapie ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen und ist damit auch außerhalb klinischer Studien kein Standardvorgehen. 3.5.3. Laparoskopie 33. Konsensbasierte Empfehlung Eine Staging-Laparoskopie kann zur Verbesserung der StagingGenauigkeit, zum Aussschluss von Lebermetastasen und zum Ausschluss von Peritonealmetastasen in den fortgeschrittenen Stadien (insbesondere cT3, cT4) durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. für die Leber gefordert wird. Die Computertomografie sollte dabei als Multidetektor-Computertomografie (MDCT) mit einem zumindest biphasischen Protokoll durchgeführt werden (Nativphase und portalvenöse Phase). Eine eindeutige Empfehlung zur Durchführung einer arteriellen Phase kann nicht gegeben werden. Die Schichtdicke sollte ≤ 3 mm betragen. Die Distension des Magens mit (negativem) Kontrastmittel (z. B. Wasser als sog. „Hydro-CT“) ist in der aktuellen Literatur durchgehend empfohlen, da ohne zusätzliche Kosten der Lokalbefund wesentlich besser abgrenzbar ist und eine Infiltration in Nachbarorgane/-strukturen bzw. die Abgrenzung von anatomischen Strukturen jenseits der Magenwand wesentlich besser möglich ist. In optimierter Technik ist somit ein korrektes T-Staging mit der CT von 77,1 – 89% möglich [178]. Für die Beurteilung der Serosainfiltration mit der MDCT werden Sensitivitäten zwischen 82,8% und 100% erreicht, Spezifitäten von 80 – 96,8 %. Die Endosonografie kann vergleichbare Ergebnisse liefern: T-Staging-Korrektheit von 65 – 92,1%, Sensitivitäten für die Serosainfiltration von 77,8 – 100%, Spezifitäten von 67,9 – 100%. Die Verwendung der Lymphknotengröße als Indikator einer Lymphknotenmetastasierung ist ein unzuverlässiger Parameter, was für alle morphologischen bildgebenden Verfahren gilt. In einer aktuellen systematischen Metaanalyse von Kwee et al. [194] konnte kein Verfahren (abd. Ultraschall, EUS, CT, MRT) eine verlässliche Aussage zum Befall/Nichtbefall von Lymphknoten beim Magenkarzinom leisten. Bezüglich Fernmetastasen ist die Sensitivität der Computertomografie gesamt 70 % (95 %-KI, 0,63 – 0,77), die Spezifität: 72% (95 %-KI, 0,63 – 0,80). Das CT zeigt bei höherer Spezifität einen nicht signifikanten Trend zu besserer Sensitivität. Spiral-CT versus Nicht-Spiral-CT zeigt keine signifikanten Unterschiede [178]. Die morphologischen Zeichen eines Rundherds in der Lunge sind nicht ausreichend genau, um die Diagnose eines malignen Rundherds sicherzustellen. Insgesamt ist die Sensitivität der CT in der Entdeckung von Läsionen sehr hoch, während die Spezifität gering ist [190, 230]. Die Thorax-CT ist damit das sensitivste Verfahren zur Detektion von Lungenmetastasen gerade in der Detektion von kleinen Läsionen (< 3 mm) und daher dem konventionellen Röntgen-Thorax vorzuziehen. Auch für das Staging mittels CT konnte ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Erfahrung des Radiologen, der Qualität der CTUntersuchung und einem korrekten Stagingergebnis nachgewiesen werden [190, 230]. Das computertomografische Staging sollte daher nur von ausreichend erfahrenen Untersuchern mit adäquater Untersuchungstechnik durchgeführt werden. 475 Leitlinie 34. Empfehlung Eine Peritoneallavage mit Zytologie kann zur Ergänzung des Stagings durchgeführt werden. Das Ergebnis korreliert mit der Prognose, hat aber keinen Einfluss auf die weitere Therapie. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2 – 3 de Novo: [232, 233] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Der Stellenwert der Laparoskopie ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Sicher ist, dass die Laparoskopie nur in fortgeschrittenen Stadien (T3, T 4) sinnvoll ist [225]. Eine Laparoskopie kann auch bei fortbestehendem klinischem V. a. ein Karzinom trotz negativer Biopsien und negativem EUS-Befund als Ultima Ratio sinnvoll sein, insbesondere zum Nachweis/ Ausschluss einer endoskopischen unsicheren Linitis plastica. Für die derzeit laufenden Studien zur neoadjuvanten Therapie des lokal fortgeschrittenen Magenkarzinoms ist ein genaues prätherapeutisches Staging äußerst wichtig. So finden sich auch nach umfangreicher präoperativer radiologischer Diagnostik zum Staging von Magentumoren bei einer Reihe von Patienten unerwartet nicht resektable Erkrankungen im Rahmen der Exploration (z. B. Differenzierung cT3 vs. cT4) oder mitunter ausgedehnte Wandinfiltrationen trotz endoskopisch/ endosonografisch unauffälligen Befunden (Linitis plastica). Hier vermag die diagnostische Laparoskopie auch bildgebend unentdeckte Peritonealmetastasen zu detektieren und damit einen Einfluss auf die weitere Therapie zu nehmen. In diesen Fällen könnte eine Laparoskopie zu einem genaueren Staging bei Magenkarzinomen verhelfen und zu einer adäquaten Behandlung führen, ohne die Risiken einer explorativen Laparotomie in Kauf nehmen zu müssen [234]. Der Einsatz der Laparoskopie sollte bei Ösophagustumoren mit Übergreifen auf den Magen und bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom, bei denen eine Resektion geplant ist, in Betracht gezogen werden. Die französische Leitlinie geht am detailliertesten auf die Laparoskopie ein [233]. Hier wird die Untersuchungstechnik genauer beschrieben. Dabei ist die Laparoskopie als Vergleich zur offenen diagnostischen Laparatomie klar überlegen [233]. Die publizierten Ergebnisse des Vorteils der peritonealen Zytologie sind nicht schlüssig [30]. Für eine Empfehlung zum Einsatz des laparoskopischen Ultraschalls gibt es derzeit keine verlässlichen Daten. komplette Lumenobstruktion zu dokumentieren [154, 235]. Mit Barium-Breischluck-Untersuchungen können prämaligne Läsionen nicht zuverlässig diagnostiziert werden [30]. 3.5.4. Laborchemische Parameter 36. Konsensbasiertes Statement Es gibt keine Evidenz für einen Nutzen der Bestimmung von Tumormarkern. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens 37. Konsensbasierte Empfehlung Molekulare Prognosemarker sollen für die Primärdiagnostik außerhalb klinischer Studien nicht bestimmt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die Frage nach der Bedeutung von Tumormarkern für die Primärdiagnostik von Adenokarzinomen des Ösophagus und Magens ist Gegenstand zahlreicher Studien. Viele verschiedene Arbeiten untersuchten die Bedeutung verschiedener Marker, von den bekannten Markern CEA, Ca19 – 9 und Ca72 – 4 bis hin zu neueren Markern, die auch Hinweise auf den Tumormetabolismus oder pathophysiologische Veränderungen des Magens im Rahmen der Karzinogenese (Pepsinogen) erlauben sollen [116, 236, 237]. Für alle diese Marker muss festgestellt werden, dass die berichtete Sensitivität und Spezifität für die Primärdiagnostik nicht ausreicht; oft beträgt die Sensitivität weniger als 60 %. Zudem sind die meisten Marker nicht an großen Kollektiven prospektiv validiert, sondern retrospektiv an Fallkontrollstudien untersucht worden. Daher kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Einsatz serologischer Marker im Rahmen der Primärdiagnostik nicht empfohlen werden. Verschiedene molekulare Marker korrelierten mit der Prognose der Magenkarzinomerkrankung. Diese erlangten bislang in der Praxis keine klinische Relevanz für Therapieentscheidungen. Auch zum Nutzen serieller Markerbestimmung z. B. zur Diagnose eines Rezidivs oder zur Verlaufsbeurteilung gibt es keine validierten Daten. 3.6. Histopathologie 35. Statement 38. Konsensbasierte Empfehlung Breischluck-Untersuchungen sind für das Staging von Tumoren des Magens oder ösophagogastralen Übergangs nicht geeignet. Die Fragen der Höhenlokalisation des Tumors kann durch Endoskopie und CT-Rekonstruktionstechniken hinreichend beantwortet werden. Level of Evidence: 2 – 3 Leitlinienadaptation: [30, 154] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Die Stadieneinteilung und histologische Klassifikation der Karzinome des gastroösophagealen Übergangs und des Magens soll nach der jeweils aktuellen TNM-Klassifikation der UICC erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Barium-Breischluck-Untersuchungen können nützlich sein, um die Ausdehnung eines Tumors zu bestimmen, das Vorliegen einer Tracheo-Ösophageal-Fistel zu bestätigen oder um eine Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 39. Konsensbasierte Empfehlung Die pathol.-anat. Begutachtung soll vollständig und in standardisierter Form vorgenommen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 476 Leitlinie 40. Konsensbasierte Empfehlung Die Anzahl untersuchter und die Anzahl befallener regionärer Lymphknoten ist anzugeben. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 477 ▶ keine makroskopische Ulzeration, ▶ Invasion begrenzt auf die Mukosa, ▶ keine restliche invasive Erkrankung nach ER, Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence: 2 Leitlinienadaptation: [30, 154] Abstimmung im Plenum: Konsens Bei Patienten mit undifferenzierten Tumoren werden immunhistologische Untersuchungen zur weiteren Spezifizierung empfohlen. Level of Evidence:GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Prognostisch relevante Faktoren des Adenokarzinoms des Magens sind die Tumorlokalisation, die lokale Tiefeninfiltration und der lokoregionäre Lymphknotenbefall. Zur Beurteilung des Nodalstatus gehören die Präparation aller Lymphknoten und die Bestimmung der Anzahl befallener Lymphknoten im Verhältnis zur Anzahl der untersuchten Lymphknoten. Die Resektionslinien sollen untersucht und beschrieben werden (R0, R 1, R 2). Weiterhin sind prognostisch relevant das Vorhandensein von Fernmetastasen, die Gefäßinvasion und die Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront. Die Gefäßinvasion ist ein unabhängiger Prognosefaktor der Kardiakarzinome und der distalen Magenkarzinome [238 – 240]. Die Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront und die Gefäßinvasion konnten als unabhängige Prognosefaktoren validiert werden [239 – 242]. Details zur pathol.-anat. Begutachtung sind auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Pathologie www.dgp.de zu finden. 3.7. Endoskopische Therapie 3.7.1. Resektion 42. Empfehlung Oberflächliche Magenkarzinome, die auf die Mukosa begrenzt sind (T1a N 0 M 0), können unter Berücksichtigung folgender Kriterien mit einer endoskopischen Resektion behandelt werden (basierend auf der japanischen Klassifikation der Magenkarzinome): ▶ Läsionen von < 2 cm Größe in erhabenen Typen, ▶ Läsionen von < 1 cm Größe in flachen Typen, ▶ histologischer Differenzierungsgrad: gut oder mäßig (G1/G2), Mukosakarzinom Tiefe nicht ulzeriert Histologie ≤ 20 > 20 43. Konsensbasiertes Statement Der Endoskopiker arbeitet mit dem Ziel, den Tumor als Ganzes zu entfernen, ohne residuales Tumorgewebe zurückzulassen. Daher ist immer eine Mukosaresektion mit kurativer Intention und R 0-Resektion anzustreben. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Submukosakarzinom ulzeriert ≤ 30 Hintergrund Die oben genannten Kriterien wurden aus der belgischen Referenzleitlinie übernommen und entsprechen den bereits durch zahlreiche Studien bestätigten Kriterien [633]. Sie stellen in Deutschland die Standardindikationen für die endoskopische ▶ Abb. 1) sind in Therapie dar. Die sog. „Expanded Criteria“ (● Japan bereits ausgiebig evaluiert, in Deutschland sollen sie aufgrund der viel geringeren Fallzahl an Frühkarzinomen derzeit nur im Rahmen von Studien zum Einsatz kommen [243]. Gotoda zeigte an über 5000 Magenfrühkarzinomen, dass unter Berücksichtigung der Expanded Criteria mit 95%-KI keine LK-Metastasen auftraten [244]. Isomoto et al. fanden bei Patienten mit Magenfrühkarzinomen, die die „Guideline Criteria“ bzw. die „Expanded Criteria“ erfüllten und mittels ESD behandelt wurden, keinen Unterschied im Überleben. Dennoch lag die Enbloc-Resektionsrate in der „Guideline-Gruppe“ höher und das Perforationsrisiko war niedriger als in der „Expanded-criteriaGruppe“ [245]. Yamaguchi et al. fanden ebenfalls keinen Unterschied hinsichtlich des Überlebens. Die En-bloc- und R 0-Resektionsraten waren jedoch signifikant besser in der „GuidelineGruppe“ (98,6% und 97,1%) im Vergleich zur „Expanded-criteria-Gruppe“ (93% und 91,1%, [246]). Auch die Studie von Hitomi et al. zeigte, dass die En-bloc-Resektionsrate und die R 0-Resektionsrate in der „Guideline-Gruppe“ höher als in der „Expandedcriteria-Gruppe“ war [247]. In einer kürzlich publizierten Studie von Gotoda kam man ebenfalls zu dem Ergebnis, dass kein Unterschied im Überleben vorliegt, unabhängig davon, ob man Patienten mit den klassischen „Guideline Criteria“ oder bei Vorliegen der „Expanded Criteria“ endoskopisch behandelt [248]. > 30 SM 1 SM 2 ≤ 30 beliebige Größe Abb. 1 Leitlinien und erweiterte Kriterien für Magenfrühkarzinome [243]. intestinal diffus Leitlinienkriterien für ER Operation in Betracht ziehen Erweiterte Kriterien für ER Magesektion mit Lymphknotendissektion Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 41. Konsensbasierte Empfehlung Leitlinie 44. Konsensbasierte Empfehlung Die endoskopische Resektion von Magenfrühkarzinomen soll als komplette En-bloc-Resektion erfolgen, die eine vollständige histologische Beurteilung der lateralen und basalen Ränder erlaubt. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 45. Konsensbasierte Empfehlung Die ER und ESD von Magenfrühkarzinomen soll nur durch Endoskopiker mit entsprechender Expertise in der endoskopischen Therapie von gastrointestinalen Frühkarzinomen durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In kurativer Intention ist immer eine En-bloc-Resektion anzustreben. Im Fall einer makroskopisch kompletten Piece-mealResektion soll ein regelmäßiges Follow-up mit multiplen Biopsien erfolgen, um residuales Tumorgewebe frühzeitig zu erkennen. Die lokale Rezidivrate nach Piece-meal-ER liegt bei 10 – 15 %, während sie bei erfolgter ESD bei < 1% liegt. Wird residuales Tumorgewebe nachgewiesen, sollte eine endoskopische Resektion mit kurativer Zielsetzung erfolgen. Eine erneute, kurativ intendierte endoskopische Resektion mit dem Ziel einer R 0-Resektion nach initialer En-bloc-Resektion mit lateraler R 1-Situation ist gerechtfertigt und in ca. 90 % der Fälle möglich [249, 250]. Zusätzlich sollte der Endoskopiker die Grenzen seiner therapeutischen Maßnahmen einschätzen können. Gelingt eine R 0-Resektion nach einer 2. endoskopischen Resektion nicht, ist ein chirurgisches Vorgehen indiziert, obwohl bekannt ist, dass nach operativer Nachresektion nur in 50 % aller Resektate ein Residualtumor nachweisbar ist [251]. Allerdings sind bei Submukosa-, Lymph- oder Blutgefäßinvasion in bis zu 25 – 30% Lymphknoten-Metastasen nachweisbar, sodass hier die operative Resektion anzustreben ist [252, 253]. Zuvor sollte der Patient erneut im interdisziplinären Tumorboard besprochen werden. Eine weitere Komplikation des nicht erfahrenen Endoskopikers ist die Perforation. Die Perforation bei der ER/ ESD stellt mit die schwerwiegendste Komplikation bei der endoskopischen Therapie von Frühkarzinomen dar. Tanaka et al. zeigten bspw., dass mit steigender Fallzahl an ESD-Eingriffen die Perforationsrate am Kolon von 20 auf 0 % reduziert werden konnte [249]. Yamamoto et al. zeigten, dass man als „Anfänger“ für ESD-Eingriffe nach ca. 30 Prozeduren bei Magenfrühkarzinomen („Guideline Criteria“) unter Supervision eine Enbloc-Resektionsrate von über 93 % und eine Komplikationsrate von unter 4,4 % (2,2 % Blutung bzw. 2,2 % Perforation) erreichen kann [254]. Probst et al. zeigten, dass neben einer Reduktion der Komplikationsrate auch die Geschwindigkeit der ESD-Prozedur mit steigender Fallzahl zunimmt [255]. Unter den endoskopischen Therapieverfahren sind die resezierenden den destruktiven Verfahren vorzuziehen, da nur sie eine histologische Beurteilung erlauben. Die detaillierte Technik (ER/ESD) soll entsprechend der Zielsetzung einer En-blocResektion ausgewählt werden. Mukosa-destruktive Verfahren sollten für die Behandlung von rückständigen Veränderungen nach ER vorbehalten bleiben und nicht zur initialen Therapie Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 bei bestehender invasiver Erkrankung von Patienten, deren Gesundheitszustand problemlos eine Operation zuließe, angewendet werden. Obwohl keine prospektiv randomisierten Studien zum Vergleich ESD, ER oder chirurgische lokale Resektion von Magenfrühkarzinomen vorliegen [256], weisen mehrere retrospektive Analysen darauf hin, dass die häufig nur mit ESD zu erzielende En-bloc-Resektion mit einer höheren Rate an kurativen Resektionen und niedrigeren Rezidivraten einhergeht, verglichen mit der häufig in Piece-meal-Technik durchgeführten ER [257 – 259]. In einer großen multizentrischen Analyse wurde mit der ESD-Technik eine En-bloc-Resektionsrate von 93 % erzielt, verglichen mit 56% mit ER [257]. Nachteilig sind die längeren Eingriffszeiten bei der ESD und die höheren Komplikationsraten (Blutung, Perforation), welche aber nahezu immer endoskopisch beherrschbar sind [257 – 259]. Lediglich für Läsionen < 1 cm werden in den meisten Studien vergleichbare En-bloc-Resektionsraten erzielt [258, 259]. Bei den durch Piece-meal-ER gewonnenen Resektaten kann aufgrund ihrer Fragmentierung histologisch die Tumorfreiheit der lateralen Ränder nicht beurteilt werden, sehr wohl jedoch die der basalen Abtragungsflächen. Diese entscheidet darüber, ob eine chirurgische Resektion bzw. Gastrektomie sekundär erforderlich wird [252]. Aufgrund endoskopischer und chirurgischer Salvage-Therapien haben die höheren Tumorfreiheitsraten der ESD gegenüber der ER (3 Jahre 98 vs. 93 % bzw. 5 Jahre nach ESD 100 %, [245]) bisher nicht zu höheren Überlebensraten geführt [257]. Das krankheitsspezifische 5- und 10-Jahres-Überleben nach ER ist mit jeweils 99 % [260] auch durch die ESD nicht zu übertreffen. Eine Endosonografie ist vor geplanter endoskopischer Therapie eines endoskopisch als Frühkarzinom eingeschätzten Adenokarzinoms des Magens oder des ösophagogastralen Übergangs nicht zwingend erforderlich. Die Endosonografie kann allerdings mit dem Ziel erfolgen, fortgeschrittenere T-Kategorien als T 1 nachzuweisen sowie mögliche Lymphknotenmetastasen zu identifizieren [196, 261 – 263] und ggf. durch EUS-FNA zu sichern [263]. In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde die Trennschärfe des EUS zur Unterscheidung zwischen mukosalen (T1a) und fortgeschritteneren Karzinomen untersucht. Aufgrund der geringen methodischen Qualität der 18 analysierten Studien und der Heterogenität der Ergebnisse kam die Analyse nicht zu einer definitiven Aussage, ob der EUS zur sicheren Differenzierung zwischen mukosalen und fortgeschritteneren Stadien geeignet ist [264]. Auch unter Nutzung hochfrequenter Minisonden kann endosonografisch nicht sicherer zwischen Mukosakarzinomen (T1a) und Submukosakarzinomen (T1b) differenziert werden als mit der hochauflösenden Videoendoskopie [265 – 267]. Verschiedene Untersuchungen haben eine Abhängigkeit der diagnostischen Genauigkeit des endosonografischen Stagings von Magenfrühkarzinomen von deren Lokalisation (schlechter: proximales Magendrittel [196, 266], Differenzierungsgrad (schlechter: gering differenziert, undifferenziert; [229, 266, 268, 269], Typ nach Laurén (schlechter: diffuser Typ [196]), Größe (schlechter: ab 20 bzw. 30 mm [196, 229, 266, 268]) und Wuchsform (schlechter: Ulzeration und expressed type [268, 270] zeigen können. Die klinische Vorbereitung des endoskopischen Resektats soll entsprechend der aktuellen „Anleitung zur pathologisch-anatomischen Diagnostik des Magenkarzinoms“ des Berufsverbands Deutscher Pathologen e. V.© und der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e. V.© erfolgen. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 478 3.7.2. Rezidiv 46. Konsensbasierte Empfehlung Lokalrezidive nach ER eines Magenfrühkarzinoms können erneut endoskopisch behandelt werden, wenn ein mukosaler Befall (rT1a N 0 M 0) vorliegt. Alternativ soll ein chirurgisches Vorgehen gewählt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Rezidive treten nach größeren Studien in ca. 10 – 15 % aller ERFälle auf. Piece-meal-Resektionen haben das größte Risiko. Rezidive treten in ca. 50% aller Fälle bereits innerhalb der ersten 3 Monate nach Initialtherapie auf. Lokalrezidive können endoskopisch behandelt werden, ca. 90 % aller Rezidive infiltrieren max. die Mukosa. Insgesamt kann erwartet werden, dass ca. 90 % aller Rezidive kurativ und sicher erneut endoskopisch therapiert werden können [250, 271]. Bei unzureichender endoskopischer Therapie ist aufgrund der fehlenden Alternativen ein chirurgisches Vorgehen zu wählen. 3.7.3. Komplikationen 47. Konsensbasiertes Statement Blutung und Perforation sind typische Komplikationen nach endoskopischer Resektion von Magenfrühkarzinomen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Blutung und Perforation treten unmittelbar während des operativen Eingriffs oder mit abnehmender Häufigkeit mit einer Latenz von bis zu 10 Tagen auf. Die Häufigkeitsangaben schwanken zwischen 2% und 23 % für Blutung und 0,5 – 10 % für Perforation, wobei beide Komplikationen deutlich häufiger nach ESD als nach klassischer ER gesehen werden [245 – 247, 250, 257, 258, 271 – 283]. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Komplikationshäufigkeit und der Größe, aber auch mit der proximalen Lokalisation der behandelten Läsionen. Unmittelbar auftretende Komplikationen werden überwiegend sofort endoskopisch diagnostiziert. Zur frühzeitigen Erkennung späterer Komplikationen sollten spezifische Nachsorgeanweisungen gegeben werden. Die notwendigen diagnostischen Maßnahmen bei V. a. eine Komplikation nach endoskopischer Resektion von Magenfrühkarzinomen unterscheiden sich nicht von anderen therapeutischen Eingriffen in der Endoskopie. Abgesehen von einer perioperativen Säuresuppression liegen über spezifische Maßnahmen zur Komplikationsvermeidung derzeit keine Erkenntnisse vor [284 – 287]. Eine perioperative Säuresuppression mit Pantoprazol oder Omeprazol ist dabei einer Therapie mit Famotidin überlegen [288, 289], wobei eine ausschließlich postinterventionell durchgeführte p. o. Protonenpumpeninhibitor-Therapie eine ausreichende Effizienz hat [287]. Aufgrund der Häufigkeit von Blutungskomplikationen, deren gelegentlich hohem Schweregrad sowie der hohen Effektivität der endoskopischen Blutstillung beispielsweise durch Koagulation oder Clip [245], soll eine endoskopische Resektion ausschließlich in Zentren durchgeführt werden, die über eine 24-Stunden-Rufbereitschaft für Notfall-Endoskopie verfügen. Aus denselben Gründen soll eine endoskopische Resektion ausschließlich unter stationären Bedingungen durchgeführt werden. Aufgrund der Häufigkeit von Perforationen und deren potenziell vitalen Konsequenzen soll eine endoskopische Resektion ausschließlich in Zentren durchgeführt werden, die einen unmittelbaren und uneingeschränkten Zugang zur Viszeralchirurgie haben und wo die onkologischen Besonderheiten der endoskopischen Therapie von Frühkarzinomen interdisziplinär berücksichtigt werden. Insbesondere scheint eine Perforation nach endoskopischer Resektion am Magen nicht mit einem Risiko für einer peritoneale Aussaat assoziiert zu sein [275]. 3.7.4. Nachsorge 48. Konsensbasierte Empfehlung Patienten, die mit endoskopischer Resektion behandelt wurden, sollten eine endoskopische Überwachung erhalten. Eine Nachsorge-Endoskopie sollte alle 3 Monate im ersten Jahr, danach alle 6 Monate im zweiten Jahr und dann jährlich erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In der aktualisierten japanischen Leitlinie liegen Ergebnisse von knapp 3100 Patienten mit kurativer ER vor [154, 290]. Ein lokales Rezidiv trat bei 11,9 % auf, detektiert wurde dieses Rezidiv in 46% aller Fälle innerhalb der ersten 3 Monate nach ER. Nur bei 16 % der Patienten trat das Rezidiv > 12 Monate nach erfolgter ER auf. Die aktualisierte belgische Leitlinie gibt ebenfalls im ersten Jahr nach Intervention 3-monatige Kontrollintervalle mit Biopsie an, gefolgt von 6-monatlichen Kontrollen im 2. Jahr. Von mehreren Arbeitsgruppen werden Kontrollintervalle zwischen 3 und 6 Monaten im 1. Jahr nach Resektion angegeben, eine evidenzbasierte, valide Empfehlung auf der Basis harter Daten ist diesbez. nicht möglich. Um ein frühzeitiges Rezidiv und damit eine zeitgerechte Sekundärtherapie zu ermöglichen, sollte das folgende standardisierte Vorgehen erfolgen: Nachsorge-Endoskopien alle 3 Monate im 1. Jahr, danach alle 6 Monate im 2. Jahr und danach in jährlichen Abständen. Zum Vorgehen bei Nachweis von Helicobacter pylori wird auf die aktuelle Leitlinie der DGVS aus 2009 verwiesen [75]. Eine Testung auf H. pylori sollte erfolgen. Bei positivem Nachweis von H. pylori sollte eine Eradikationstherapie durchgeführt werden [75, 277], da so die Anzahl der metachronen Tumore reduziert werden kann [25]. 3.8. Chirurgische Therapie 3.8.1. Resektion 49. Konsensbasiertes Statement Die chirurgische Resektion stellt die einzige Möglichkeit zur kurativen Behandlung und damit die Standardtherapie für alle potenziell resektablen Magenkarzinome dar. Eine Ausnahme bilden die auf die Mukosa begrenzten Karzinome (T1a N 0 M 0), wenn sie endoskopisch komplett R 0 reseziert werden können. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 479 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie 50. Statements 53. Statements Das Ziel der Resektion ist die vollständige Entfernung des Karzinoms (oral, aboral und in der Zirkumferenz) zusammen mit den regionären Lymphknoten. Level of Evidence: 1b Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Es liegen deutliche Hinweise dafür vor, dass in Kliniken mit hoher Fallzahl die perioperative Letalität geringer ist als in Kliniken mit niedriger Fallzahl. Level of Evidence: 2b Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 51. Konsensbasiertes Statement Um tumorfreie Resektionsränder (R0) zu erzielen, ist außer bei Mukosakarzinomen (T1a N 0 M 0) in der Regel ein proximaler Sicherheitsabstand am Magen von 5 cm (intestinaler Typ n. Laurén) bzw. 8 cm (diffuser Typ n. Laurén) in situ einzuhalten. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 52. Konsensbasiertes Statement Das Resektionsausmaß wird bestimmt durch Tumorlokalisation, TNM-Kategorien und histologischen Typ (intestinaler versus diffuser Typ nach Laurén-Klassifikation). Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Angaben zu den proximalen Sicherheitsabständen basieren auf Arbeiten von Hermanek et al. [291, 292] aus den 80er- und 90er-Jahren. Sie beruhen auf der Beobachtung, dass diffuse Magenkarzinome gelegentlich eine diskontinuierliche Ausbreitung in der Magenwand nach proximal zeigen können. Es wurde nachgewiesen, dass bei einem Sicherheitsabstand zum proximalen Resektionsrand von 5 – 8 cm in situ (entsprechend > 5 cm am frischen Präparat ohne Zug und Spannung) mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit ein Tumornachweis am Resektionsrand erfolgt. Für die intestinalen Magenkarzinome wurde eine derartige diskontinuierliche Ausbreitung nicht nachgewiesen, deswegen wurde ein Sicherheitsabstand nach proximal von 4 – 5 cm (entsprechend 2 – 3 cm am frischen Präparat ohne Zug und Spannung) als ausreichend empfunden. Die Beachtung dieser nach proximal einzuhaltenden Sicherheitsabständen bedeutet für Patienten mit diffusen Karzinomen, dass nur bei Karzinomen des unteren Magendrittels eine subtotale distale Magenresektion infrage kommt. Bei Karzinomen des oberen und mittleren Drittels wird in der Regel eine Gastrektomie vorzunehmen sein, da sonst die Sicherheitsabstände nicht eingehalten werden können. Bei Patienten mit Karzinomen des intestinalen Typs kann neben dem unteren Drittel auch eine subtotale distale Magenresektion bei Karzinomen des mittleren Drittels möglich sein. Die Richtigkeit dieser Angaben bezüglich des notwendigen Abstands nach proximal wurde in keiner weiteren Studie überprüft. Für Karzinome im oberen Drittel des Magens und Karzinome des ösophagogastralen Übergangs vom Typ AEG II und III sollte das Resektionsausmaß eine erweiterte Gastrektomie mit distaler Ösophagusresektion umfassen [293]. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Hintergrund Einige Studien konnten einen Zusammenhang zwischen Patientenoutcome (30-Tage-Letalität) und dem Fallzahlvolumen des Chirurgen bzw. der behandelnden Einrichtungen für Magenkarzinomresektionen nachweisen. Obgleich dieser Vorteil für Zentren mit hoher Fallzahl im Zusammenhang mit der Magenchirurgie weniger deutlich ist als nach Ösophaguschirurgie, sollte dennoch auf der Grundlage dieser Studien die Durchführung der Magenkarzinomchirurgie in Einrichtungen mit hoher Fallzahl und von erfahrenen Chirurgen empfohlen werden [294 – 296]. Die zusätzliche Profilierung an der Magenchirurgie beteiligter assoziierter Fachabteilungen ist tendenziell mit einer geringeren postoperativen Letalität verbunden. Allerdings lässt sich für diese Beziehung kein statistisch relevantes Niveau nachweisen [297, 298]. 54. Statement Ziel der kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms ist die vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten mit histologisch bestätigt tumorfreien proximalen, distalen und zirkumferenziellen Resektionsrändern (R0). Level of Evidence: 1b Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Bei proximalen Tumoren bedarf es in der Regel einer Gastrektomie. Bei einem Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (Kardiakarzinom, AEG Typ II und III) wird zusätzlich zur Gastrektomie eine distale Ösophagusresektion notwendig. Gegebenenfalls ist aufgrund der luminalen Tumorausdehnung auch eine subtotale Ösophagektomie mit proximaler Magenresektion bzw. eine Ösophagogastrektomie zum Erreichen einer R 0-Resektion erforderlich. Bei distalen Tumoren kann ohne Verschlechterung der Prognose der proximale Magen erhalten werden. Ein ausreichender Resektionsabstand von 5 cm (intestinaler Typ n. Lauren) bzw. 8 cm (diffuser Typ n. Laurén) ist dabei anzustreben. Wenn möglich sollten an dem Tumor adhärente Strukturen (z. B. Zwerchfell, Milz) en bloc mit dem Tumor entfernt werden. Eine Routine-Splenektomie soll vermieden werden [30]. Laparoskopische Verfahren können zur kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms derzeit nicht generell empfohlen werden, auch wenn erste Arbeiten die Möglichkeit der laparoskopischen Magenresektion zeigen [299, 300]. Das Ziel der kurativen Chirurgie sollte bei allen funktionell operablen Patienten mit T 1- bis T 4-Tumoren [301] angestrebt werden. Bei Patienten mit T 4b-Tumoren, die nicht resektable Strukturen betreffen, und solche mit Fernmetastasen sollten keiner radikalen Chirurgie unterzogen werden. Es liegen derzeit keine ausreichenden Daten darüber vor, ob und wie häufig nach neoadjuvanter Therapie mit Tumorregres- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 480 sion ein primär inoperabler Tumor (z. B. mit Peritonealmetastasen) sekundär kurativ operiert werden kann. Im Einzelfall kann eine kurative Resektion angestrebt werden. Ebenso liegen keine ausreichenden Daten darüber vor, ob im Falle einer R 1Resektion eine Nachresektion in einer weiteren Operation kurativ ist. In Abhängigkeit von der Lokalisation der vorausgegangenen R 1-Resektion und der funktionellen Operabilität sollte der Versuch einer Nachoperation mit dem Ziel der R 0Resektion unternommen werden. 55. Statement Es gibt keinen allgemein anerkannten Standard zur Rekonstruktion nach Gastrektomie oder subtotal distaler Magenresektion. Level of Evidence: 1 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Das Rekonstruktionsverfahren kann individuell nach der Erfahrung des Operateurs gewählt werden. Weltweit am häufigsten kommt die Wiederherstellung der Kontinuität nach Gastrektomie durch eine ausgeschaltete Jejunumschlinge nach Roux-Y zur Anwendung. Die Verwendung eines Pouches geht nach Literaturangaben mit einer möglicherweise früheren und höheren Gewichtszunahme und einer Verbesserung der frühpostoperativen Lebensqualität einher [302]. Auch eine Interposition von Jejunum (ggf. Kolon) zur Herstellung der Duodenalpassage ist möglich. Die Rekonstruktion nach subtotaler distaler Magenresektion sollte durch eine ausgeschaltete Jejunumschlinge nach Roux-Y erfolgen. 56. Statement Die Entfernung der regionären Lymphknoten von Kompartiment I und II (D2-Lymphadenektomie) stellt den Standard für die operative Behandlung in kurativer Intention dar. Level of Evidence: 1 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 57. Statement Bei der D 2-Lymphadenektomie ohne Splenektomie/Pankreaslinksresektion werden in der Regel mehr als 25 regionäre Lymphknoten entfernt und histopathologisch untersucht. Level of Evidence: 1 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 58. Konsensbasiertes Statement Für die Klassifikation von pN0 ist die Entfernung und histologische Untersuchung von mindestens 16 regionären Lymphknoten erforderlich. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Das Konzept der therapeutischen Lymphadenektomie (LAD) beruht auf der Annahme, dass die regionären Lymphknoten (LK) als Filterstation für Tumorzellen wirken und eine systemische Tumorzellausbreitung für eine gewisse Zeit verhindern können. Die Befunde an den regionären LK stellen daher einen entscheidenden Faktor für die Prognose dar und sind somit unerlässlich für die Analyse der Therapieergebnisse. Die Bedeutung der Lymphadenektomie für das exakte postoperative Tumorstaging ist allgemein unumstritten. Dieses gilt insbesondere für den pN-Status, wobei für das Magenkarzinom eine Mindestanzahl von 16 untersuchten Lymphknoten für eine zuverlässige Beurteilung des pN-Status gefordert wird. Der therapeutische Effekt der Lymphadenektomie bezieht sich zum einen auf eine Verbesserung der Langzeitprognose und zum anderen auf eine Verminderung der lokoregionalen Rezidive. In verschiedenen nicht randomisierten Studien konnten bei niedriger Morbidität und Letalität 5-Jahres-Überlebensraten für die D 2-LAD zwischen 43 % und 64 % erreicht werden. Im Vergleich zur D 1-LAD zeigte die Mehrzahl der nicht randomisierten Studien bei ebenfalls geringer Morbidität und Letalität einen Prognosevorteil der radikalen D 2-LAD gegenüber der D 1-LAD. In der Deutschen Magenkarzinomstudie konnte insbesondere für die UICC-Stadien II und IIIA ein Prognosevorteil der D 2-LAD festgestellt werden [239, 303]. Zwei aktuellere prospektive Beobachtungsstudien bestätigen die Ergebnisse aus nicht randomisierten Studien der 90er-Jahre [304, 305]. Die randomisierten Studien aus den Niederlanden und aus Großbritannien bestätigen die in früheren Arbeiten gefundene geringere Rate an lokoregionären Rezidiven nach D 2-LAD [306]. In beiden randomisierten Studien mit einem hohen Anteil von Splenektomien/Pankreaslinksresektionen im D 2-LADStudienarm konnte kein Prognosegewinn nach D 2-LAD nachgewiesen werden [306, 307]. In beiden Studien war die kombinierte Splenektomie/Pankreaslinksresektion mit einer deutlichen Erhöhung der Morbidität und der Letalität verbunden. Ursächlich hierfür wurden die nach Resektion des Pankreasschwanzes in 20 – 25 % der Fälle aufgetretenen septischen Komplikationen angeführt (Pankreasfisteln und -abszesse). In der multivariaten Analyse konnte die kombinierte Splenektomie/Pankreaslinksresektion als unabhängiger negativer Prognosefaktor evaluiert werden. Aufgrund dieser Ergebnisse wird aktuell von einer Pankreaslinksresektion, wenn immer möglich, abgeraten und die Indikation zur Splenektomie sehr zurückhaltend gestellt. Die Publikation der 10-Jahres-Ergebnisse sowie der 15-Jahres-Ergebnisse der niederländischen Magenkarzinomstudie [308 – 310] zeigte demgegenüber eine reduzierte Magenkarzinom-bezogene Sterblichkeit nach D 2-LAD sowie eine geringere Rate an lokoregionären Rezidiven. Eine Cochrane-Übersichtsarbeit [311] bestätigt diese Ergebnisse, lässt jedoch eine abschließende Bewertung der Lymphadenektomie beim Magenkarzinom nicht zu. Insgesamt unterstreichen die vorliegenden Arbeiten sowie 3 randomisierte Studien zum Vergleich einer D 2- versus D 2 + -LAD, dass eine D 2-LAD ohne Splenektomie und Pankreaslinksresektion in Zentren mit entsprechender Erfahrung nicht zu einer Erhöhung der Letalität führt [310]. Für diese Fälle ist auch ein Prognosegewinn gegenüber der eingeschränkten LAD zu erwarten. Da die Patientengruppe, die von der erweiterten LAD profitieren wird, bislang weder präoperativ noch intraoperativ identifiziert werden kann, bleibt die D 2-LAD das Standardverfahren bei lokal fortgeschrittenen Magenkarzinomen. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 481 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Eine Ausweitung der LAD z. B. auf die paraaortalen Lymphknoten führt nicht zu einer weiteren Prognoseverbesserung [310]. Aufgrund der Ergebnisse von 2 randomisierten Studien wird daher eine D 2 + -, D 3- oder D 4-LAD beim Magenkarzinom nicht empfohlen. Definitionen Eine D 1-Lymphadenektomie umfasst die regionären LK direkt am Magen (Kompartiment I mit den LK-Stationen 1 – 6 ▶ Abb. 2]). [● Eine D 2-Lymphadenektomie umfasst zusätzlich zu den LK von Kompartiment I (D1) die LK im Kompartiment II mit den Sta▶ Abb. 2). Bei verdächtigen Lymphknoten im tionen 7 – 11 (● Milzhilus sollte eine Splenektomie unter Pankreaserhalt erfolgen. In einer anatomischen Studie wurden im Kompartiment I und II (D2-Lymphadenektomie) im Mittel 27 (Bereich: 17 – 44) Lymphknoten gefunden. Aufgrund dieser Arbeit sowie den Ergebnissen der Deutschen Magenkarzinomstudie wurde als Richtzahl für eine adäquate D 2-Lymphadenektomie die Entfernung und histopathologische Untersuchung von 25 LK festge▶ Abb. 2). legt ([303], ● 59. Konsensbasierte Empfehlung Eine Resektion des Primärtumors bei asymptomatischen, nicht blutenden Patienten sollte in der Palliativsituation nicht durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Derzeit existiert keine Evidenz für den Vorteil einer palliativen Resektion des Primärtumors bei asymptomatischen Patienten in der fernmetastasierten Situation. Die Ausnahme-Indikation zur palliativen Chirurgie ist vom Ausmaß der funktionellen Beeinträchtigung, vom Ernährungszustand, dem Alter, den zur Verfügung stehenden therapeutischen Optionen und der Lebenserwartung abhängig. Eine palliative Resektion hat eine vergleichbare oder niedrigere 30-Tage-Mortalität als eine Bypassoperation. Vergleicht man das Gesamtüberleben mit und ohne palliative Resektion, könnte es bei Patienten mit Resektion verlängert sein. Diese Befunde stammen allerdings aus Studien ohne Berücksichtigung der Lebensqualität als Endpunkt und sind somit mit Vorsicht zu interpretieren. Das Überleben nach palliativer Resektion hängt ab vom Tumorstadium, dem Ausmaß der Peritonealmetastasierung und dem Tumortyp. Während eine limitierte En-bloc-Resektion mit Omentektomie einen Vorteil erbringen könnte, erbringt eine ausgedehnte Lymphadenektomie keinen Vorteil [233, 313 – 316]. 60. Konsensbasierte Empfehlung Die Peritonektomie bei Peritonealmetastasen kann außerhalb klinischer Studien nicht empfohlen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Bei lokalisierten Peritonealmetastasen (P1) ist Gegenstand der Diskussion, ob eine Peritonektomie (mit anschl. Chemothera- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Abb. 2 Lymphknotenstationen nach der Japanese Gastric Cancer Association. Zeichnung mit freundlicher Genehmigung von Springer Science, Business Media und dem Autor Siewert et al. [312]. pie) die Prognose verbessern kann. Prospektive randomisierte Studien liegen nicht vor. Zwei internationale Arbeitsgruppen haben hierzu Fallserien veröffentlicht, zum einen die Gruppe um Sugarbaker (Magenkarzinom in geringer Anzahl) und zum anderen die Gruppe um Yonemura et al. Die japanische Studie konnte bei insgesamt 107 Patienten eine 5-Jahres-Überlebensrate von 27 % nach kompletter Tumorentfernung und intraoperativer hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie(HIPEC)Therapie aufzeigen [317]. Vergleichbare Ergebnisse konnte eine französische AG publizieren [318]. Aus Deutschland liegt eine Serie der Berliner AG vor [319], die einen signifikanten Überlebensvorteil nach radikaler Operation und nachfolgender CTx im Fall von lokalisierter (P1) versus fortgeschrittener Peritonealkarzinose zeigt. In diesem Zusammenhang verweisen wir auch auf den Abschnitt intraperitoneale Chemotherapie sowie das Kapitel zur palliativen Therapie. 61. Konsensbasierte Empfehlung Nach R 1-Resektion beim Adenokarzinom des Magens und des ösophagogastralen Übergangs soll zunächst die Möglichkeit einer kurativen Nachresektion geprüft werden. Falls dies nicht möglich ist, kann eine postoperative Radiochemotherapie nach Konsens in der interdisziplinären Tumorkonferenz durchgeführt werden. Eine alleinige postoperative Chemotherapie soll nicht durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Fragestellung ist nicht in prospektiven Studien untersucht worden bzw. das Ergebnis von Subgruppen mit R 1-Resektion wurde nicht getrennt berichtet. Hier stellt sich zusätzlich das Problem, dass R 1-endoluminal und R 1-peritumoral möglicher- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 482 Leitlinie 62. Konsensbasierte Empfehlung Nach inkompletter Resektion (lokale R 2-Resektion) ohne Nachweis von Fernmetastasen soll zunächst die Möglichkeit einer kurativen Nachresektion geprüft werden. Falls diese nicht möglich ist, kann eine postoperative Radiochemotherapie nach Konsens in der interdisziplinären Tumorkonferenz durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In einer Phase-II-Studie untersuchten Henning et al. ein Kollektiv von 60 Patienten mit Adenokarzinom des Magens und des ösophagogastralen Übergangs mit primär nicht resezierbaren Tumoren, lokalen Rückfällen oder makroskopischen Resttumoren nach inkompletter Resektion [320]. Die Patienten erhielten eine externe Strahlentherapie mit Dosen zwischen 36 und 50,4 Gy in konventioneller Fraktionierung in Kombination mit einer 5-FU-Chemotherapie. Ein Teil der Patienten erhielt zusätzlich eine intraoperative Strahlentherapie mit EinzeitDosen zwischen 10 und 20 Gy. Das 4-Jahres-Überleben dieser Kollektive betrug 20%. Die lokoregionale Tumorfreiheit nach 4 Jahren lag bei 36% bei den nur extern bestrahlten Patienten und bei 70 % bei den extern und intraoperativ bestrahlten Patienten. Die Daten weisen darauf hin, dass auch bei makroskopischem Tumor(rest) durch die Kombination von Strahlen- und Chemotherapie für einen kleinen Teil der Patienten ein kurativer Therapieansatz mittels Radiochemotherapie (± intraoperativer Strahlentherapie) möglich ist. Sind weder Nachresektion noch Radiochemotherapie durchführbar, gelten die Empfehlungen für die palliative Therapie. 3.8.2. Rezidiv 63. Konsensbasierte Empfehlung Beim (isolierten) Lokalrezidiv kann ggfs. erneut eine Operation durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die meisten Publikationen betreffen Rezidive nach Lokaltherapie früher Karzinome bei asiatischen Patienten oder Karzinomrezidive im Restmagen nach Magenteilresektion. Die Behandlung des Lokalrezidivs soll für jeden Patienten individuell (auch abhängig von der Primärtherapie) in der interdisziplinären Diskussion (Tumorkonferenz) festgelegt werden. In der Literatur liegen mehrere Fallserien vor, in denen ein erneutes operatives Vorgehen nach Rezidiven des Magens oder der ÖGÜ gewählt wurde, die initial auch operativ behandelt worden waren [252, 321 – 323]. In diesen Serien konnten 10 – 25 % der Rezidive erneut reseziert werden. Diese Patienten lebten median 18 – 26 Monate rezidivfrei und damit signifikant länger als Patienten, bei denen keine Resektion erfolgte. 3.8.3. Definitive Radiochemotherapie 64. Konsensbasierte Empfehlung Bei funktioneller Inoperabilität eines Patienten oder Irresektabilität eines lokal begrenzten Adenokarzinoms des Magens oder ösophagogastralen Übergangs kann eine definitive Radiochemotherapie in potenziell kurativer Absicht durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Aktuelle Daten zur alleinigen definitiven Radiochemotherapie liegen aus randomisierten Studien nicht vor. Eine Indikation kann in Analogie zur Therapie des Adenokarzinoms des Ösophagus gesehen werden, zumal Metaanalysen keinen Unterschied in der Radiochemotherapie des Adenokarzinoms und des Plattenepithelkarzinoms im Bereich des Ösophagus zeigen [324]. Ferner zeigte eine retrospektive Analyse bei Patienten, die im neoadjuvanten Therapieansatz mit einer Radiochemotherapie (und damit niedrigerer Enddosis) behandelt wurden, und meist aufgrund frühzeitiger Fernmetastasieung nicht operiert wurden, ein höheres medianes Überleben als vergleichbare Patienten mit alleiniger Chemotherapie (10,1 Mon. zu 6 – 8,7 Mon., [325]). Auch eine Subgruppenanalyse aus einer randomisierten chinesischen Studie zur neoadjuvanten Strahlentherapie versus alleinigen Operation zeigt bei nicht durchgeführter Operation einen Überlebensvorteil für die zusätzlich bestrahlten Patienten (7 Mon. vs. 4 Mon. p = 0,008, [326]). Der Allgemeinzustand und entsprechende Funktionsparameter der Patienten müssen dafür geeignet sein. Die Chemotherapie parallel zur Bestrahlung ist platinbasiert, i. d. R. in Kombination mit 5-FU. Die Strahlentherapie soll konventionell fraktioniert in Shrinking-field-Technik beim Magen bis zu einer Dosis von 55 – 59 Gy bei den AEG I–II bis 64 Gy unter der Berücksichtigung der Grenzdosen für die entsprechenden Risikoorgane durchgeführt werden. 3.9. Multimodale Therapie 3.9.1. Perioperative Chemotherapie 65. Empfehlung Bei lokalisierten Adenokarzinomen des Magens oder ösophagogastralen Übergangs mit Kategorie uT2 kann eine präoperative Chemotherapie durchgeführt und postoperativ fortgesetzt werden. Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence: 1b de Novo: [327 – 331] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Derzeit liegt nur die Studie von Cunningham (sog. MAGIC-Studie, [327]) voll publiziert als hinreichend valide in Bezug auf die erzielten Ergebnisse für eine perioperative Chemotherapie beim Magenkarzinom vor. Diese weist nach 4 Jahren eine Verbesserung des Gesamtüberlebens um 7,4 % und eine extrapolierte Verbesserung des Gesamtüberlebens nach 5 Jahren um 12,5 % (36 vs. 23%) aus. Die Hazard Ratio für Tod ist in der Interventionsgruppe statistisch signifikant niedriger mit 0,75 % (95%-KI, 0,6 – 0,93, p = 0,009). Als Chemotherapie wurde Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. weise prognostisch unterschiedlich sind. Dies wurde in den vorliegenden Daten nicht getrennt untersucht. Hier besteht dringender Bedarf zur Klärung der Frage innerhalb klinischer Studien. 483 Leitlinie eine Kombination aus infusionalem 5-Fluorouracil (5-FU), Cisplatin und Epirubicin (ECF-Regime) verwendet. Vor und nach OP waren jeweils 3 Kurse vorgesehen. Defizite dieser Studie lagen in einer hohen Heterogenität der Einschlusskriterien (Magen-, Kardia- und distale Ösophaguskarzinome) und dass sie weder eine chirurgische noch pathologische Qualitätskontrolle beinhaltete. Es fehlen Angaben zum Staging. Es gibt nur ungenaue Vorgaben zum Resektionsausmaß und ungenaue histopathologische Aufarbeitungen der Resektate ohne Nennung der R-Klassifikation. In dieser Studie fanden sich lediglich 30 % pT2-Karzinome der Klassifikation für Magen- und Ösophaguskarzinome. Der überwiegende Anteil der Patienten hatte ein fortgeschrittenes Tumorstadium. Nur 41,6 % der für eine präoperative Chemotherapie und operationrandomisierten Patienten erhielten das komplette Schema der postoperativen Chemotherapie [327]. Die Daten der Studie von Cunningham werden von den Ergebnissen einer weiteren randomisierten Studie mit 224 Patienten unterstützt, die bisher nur als Abstract publiziert ist (FNLCC ACCORD07-FFCD 9703 Studie [328]). Hier hatte der Großteil der Patienten ein Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs, nur 25 % der Patienten hatten ein Magenkarzinom. Von Bedeutung ist, dass das Ausmaß der Verbesserung des Gesamtüberlebens identisch zur MAGIC-Studie ist. Für die perioperative Chemotherapie mit Cisplatin und infusionalem 5-FU fand sich ein signifikanter Vorteil nach 5 Jahren hinsichtlich des erkrankungsfreien Überlebens (34 vs. 21 %, Hazard Ratio: 0,68, p = 0,0033) und für das Gesamtüberleben (38 vs. 24 %, Hazard Ratio: 0,69, p = 0,021) zugunsten der perioperativen Chemotherapie [328]. Schwachpunkt der Studie ist die bisher nicht vorliegende Vollpublikation. Defizite dieser Studie waren außerdem fehlende klare Einschlusskriterien und eine fehlende oder nicht publizierte chirurgische und pathologische Qualitätskontrolle. Die postoperative Chemotherapie konnte bei nur 50 % der Patienten gegeben werden. Zum unterschiedlich starken Empfehlungsgrad zwischen lokal fortgeschrittenen (uT3 – 4) und weniger ausgedehnten (uT2) Tumoren ist eine nähere Analyse der Literatur notwendig. Folgt man den Einschlusskriterien der jüngst vollständig publizierten Studien zur neoadjuvanten Chemotherapie bei Adenokarzinomen des Ösophagus bzw. des ösophagogastralen Übergangs [327, 329], findet man, dass Patienten in den klinischen Stadien II und III eingeschlossen wurden. Eine Studie mit negativem Ergebnis [330] erlaubte auch den Einschluss von Patienten im Stadium I. Unlösbar bleibt das Dilemma, dass alle genannten Studien Patienten mit Adenokarzinomen des Ösophagus, des ÖGÜ oder des Magens einschlossen, der Anteil der einzelnen Lokalisationen oft unklar bleibt und die Ergebnisse bei den einzelnen Lokalisationen nicht getrennt berichtet werden. Dies bedeutet, dass nach der bis 2010 gültigen Stadiengruppierung für Patienten mit uT2 N 0 klassifizierten Tumoren keine Studienergebnisse aus randomisierten Phase-IIIStudien vorliegen. Die prätherapeutische Festlegung des Nodalstatus ist aus oben dargestellten Gründen (siehe Kapitel Staging) methodisch mit großen Unsicherheiten behaftet und kann in der Regel nicht als verlässliche Entscheidungsgrundlage betrachtet werden. Insgesamt ist bei Vorliegen einer T 2-Kategorie in etwa 40 % der Fälle mit einem nodalen Tumorbefall zu rechnen. Etwa 60 % der T 2-klassifizierten Karzinome weisen keine nodale Beteiligung auf und entsprechen damit dem klinischen Stadium IB. Im Stadium IB wurde eine neoadjuvante oder perioperative Chemotherapie bislang nicht geprüft, der Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 mögliche Benefit oder mögliche Nachteile sind deshalb unklar. Aus diesem Grund wird die Empfehlung zur neoadjuvanten Chemotherapie bei Vorliegen einer Tumorkategorie uT2 mit entsprechender Zurückhaltung als „Kann-Empfehlung“ ausgesprochen. Die o. g. Empfehlungen werden auch deshalb ausgesprochen, weil voll publizierte Studien belegen, dass durch die neoadjuvante Chemotherapie die Rate der postoperativen Morbiditat und Letalität meist nicht erhöht wird (Cunningham [327], 5,6 vs. 5,9 %; Allum [329] bzw. MRC 2002: 10,0 vs. 10,0 %; Kelsen [330]: 5,9 vs. 5,8 %). Lediglich in einer Studie [331] steigt die postoperative Letalität von 1,5 auf 4,3% an. Hinweise für die Praxis Bei der Durchführung der perioperativen Chemotherapie sollte berücksichtigt werden, dass der Anteil der über 70-jährigen Patienten in allen bisher publizierten Studien gering ist. Die Datenlage für Patienten über 70 Jahre ist bisher also sehr dünn. Grundlage der perioperativen Therapie ist das ECF-Regime der MAGIC-Studie [327]. Darüber hinaus ist hinsichtlich der Art der Chemotherapie ein Blick auf Studien bei fortgeschrittenen Karzinomen sinnvoll. Hier liegen Daten aus 2 randomisierten Studien und einer gemeinsamen Metaanalyse vor, die eine Äquivalenz von infusionalem 5-FU und Capecitabin zeigen [332 – 334]. Der Austausch von 5-FU durch das orale Fluoropyrimidin Capecitabin in der neoadjuvanten Chemotherapie erscheint daher vertretbar (Cisplatin/Capecitabin [XP-Regime] oder Epirubicin, Cisplatin, Capecitabin [ECX-Regime]). Bei Kontraindikationen bzw. Unverträglichkeiten (Niereninsuffizienz) von Cisplatin ist der Ersatz durch Oxaliplatin möglich. Oxaliplatin zeigt in der palliativen Therapie vergleichbare Wirksamkeit wie Cisplatin [333, 335]. Weitere Studien, die eine perioperative Chemotherapie als Kontrollarm einsetzen, werden aktuell durchgeführt. Patienten sollte die Teilnahme an solchen Studien dringend angeboten werden. 66. Empfehlung Bei lokalisiertem Magenkarzinom der Kategorien uT3 und resektablen uT4a-Tumoren „sollte/soll“ eine perioperative Chemotherapie durchgeführt, d. h. präoperativ begonnen und postoperativ fortgesetzt werden. Empfehlungsgrad: A/B Level of Evidence: 1b de Novo: [239, 327 – 336] Abstimmung im Plenum: Kein Konsens Hintergrund Die Datenlage zur neoadjuvanten und perioperativen Therapie hat sich in den letzten Jahren geändert. Abweichend von älteren S 3-Leitlinien anderer europäischer Länder würdigen die Experten daher mit der Empfehlung „sollte/soll“ für die perioperative Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren die Tatsache, dass dieses Therapiekonzept einen signifikantem Überlebensvorteil erzielt, der bisher durch keine andere multimodale Therapie im Vergleich zu alleiniger Chirurgie erreicht wurde. Im Plenum und in der abschließenden Delphi-Runde konnte jedoch kein abschließender Konsens bezüglich der Stärke des Empfehlungsgrads („soll = A, „sollte“ = B“) erreicht werden. Im Hintergrundtext werden daher nach der Evidenz alle ausgetauschten Argumente aufgeführt. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 484 Evidenz Derzeit liegt die Studie von Cunningham et al. 2006 (sog. MAGIC-Studie, [327]) voll publiziert als valide in Bezug auf die erzielten Ergebnisse für eine neoadjuvante Chemotherapie beim Magenkarzinom vor. Diese weist nach 4 Jahren eine Verbesserung des Gesamtüberlebens um 7,4 % und eine extrapolierte Verbesserung des Gesamtüberlebens nach 5 Jahren um 12,5 % (36 vs. 23 %) aus. Die Hazard Ratio für Tod ist in der Interventionsgruppe statistisch signifikant niedriger mit 0,75 % (95 %-KI 0,6 – 0,93 p = 0,009). Als Chemotherapie wurde eine Kombination aus infusionalem 5-FU, Cisplatin und Epirubicin (ECF-Regime) verwendet. Vor und nach OP waren jeweils 3 Kurse vorgesehen. Defizite dieser Studie lagen in einer hohen Heterogenität der Einschlusskriterien (Magen-, Kardia- und distale Ösophaguskarzinome) und in der fehlenden chirurgischen und histopathologischen Qualitätskontrolle. Es fehlen klare Angaben zum präoperativen Staging. Es gibt ungenaue Vorgaben zum Resektionsausmaß und ungenaue histopathologische Aufarbeitungen der Resektate ohne Nennung der R-Klassifikation. Nur 41,6 % der für eine präoperative Chemotherapie und operationrandomisierten Patienten konnten die postoperative Chemotherapie komplett erhalten. Die Daten der Studie von Cunningham werden von den Ergebnissen einer weiteren randomisierten Studie mit 224 Patienten unterstützt, die bisher nur als Abstract publiziert ist (FNLCC ACCORD07-FFCD-9703-Studie, [328]). Hier hatte der Großteil der Patienten ein Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs, nur 25 % der Patienten hatten ein Magenkarzinom. Von Bedeutung ist, dass das Ausmaß der Verbesserung des Gesamtüberlebens identisch zur MAGIC-Studie ist. Für die perioperative Chemotherapie mit Cisplatin und infusionalem 5-FU fand sich ein signifikanter Vorteil nach 5 Jahren hinsichtlich des erkrankungsfreien Überlebens (34 vs. 21 %, Hazard Ratio: 0,68, p = 0,0033) und für das Gesamtüberleben (38 vs. 24 %, Hazard Ratio: 0,69, p = 0,021) zugunsten der perioperativen Chemotherapie [328]. Schwachpunkt der Studie [328] ist die bisher nicht vorliegende Vollpublikation. Defizite dieser Studie waren außerdem fehlende oder nicht publizierte chirurgische und pathologische Qualitätskontrollen. Die postoperative Chemotherapie konnte bei nur 50% der Patienten gegeben werden. Die Patienten mit einem Karzinom der Kategorie uT3 – 4 oder mit uT1 – 4 N + „sollen/sollten“ auf dem Boden der o. g. PhaseIII-Studien perioperativ behandelt werden. So verwenden alle derzeit laufenden Phase-III-Studien in Europa die präoperative Chemotherapie als Vergleichsarm. Die o. g. Empfehlung „soll/ sollte“ wird auch ausgesprochen, weil die voll publizierte MAGIC-Studie [327] und weitere voll publizierte Studien, die auch AEG-II-III-Karzinome einschlossen, durch die neoadjuvante Chemotherapie keine erhöhte Rate in der postoperativen Morbiditat und Letalität zeigten (Cunningham 2006 [327]: 5,6 vs. 5,9 %; Allum 2009 [329] bzw. MRC 2002: 10,0 vs. 10,0 %; Kelsen 1998: 5,9 vs. 5,8%, [330]). Lediglich in einer publizierten Studie steigt die postoperative Letalität von 1,5 auf 4,3 % an [331]. Allen Experten lagen die Evidenz und der dazu vorbereitete Hintergrundtext vor, über den im Delphi-Prozess abgestimmt wurde. Die Daten wurden hier in einzelnen Punkten unterschiedlich für soll/sollte interpretiert. Empfehlungsgrad A („soll“) Die Experten (50,7% von 63 Stimmen) für „soll“ (Empfehlungsgrad A) interpretierten die Ergebnisse der MAGIC-Studie als so bahnbrechend und eindeutig, dass auch die Argumente einer verbesserten chirurgischen Qualitätskontrolle diese Daten nicht wesentlich beeinflussen würden. Dies auch deshalb, weil es keine publizierten Daten gibt, die belegen, dass eine chirurgische und pathologische Qualitätskontrolle per se zu einer Verbesserung der Prognose führt. Die Publikation der „Deutschen Magenkarzinom-Studie“ [239] von vor über 20 Jahren (1986 – 1989) mit erstmals in Deutschland durchgeführten konkreten Absprachen zur Qualitätskontrolle zeigte zwar ein gutes Gesamtüberleben, jedoch nur für die 1654 R 0-resezierten Patienten mit komplett histopathologisch aufgearbeiteten Resektaten. Es gibt keine genauen Aussagen über eine gesamte Intent-totreat-Population (2139 Patienten), d. h. unter Einschluss von Daten für ausgeschlossene Patienten (140 mit inkompletter pathologischer Aufarbeitung und 345 mit unvollständiger R 0-Resektion). Die MAGIC-Studie dagegen berichtet über alle eingeschlossenen Patienten, unabhängig davon, ob die Therapie komplett erfolgte oder ob die Patienten überhaupt eine Operation/Chemotherapie erhielten. Es fehlt auch der Beleg, dass das in der EORTC-Studie mit nur 2 beteiligten großen deutschen Zentren erzielte gute mediane Überleben im chirurgischen Kontrollarm dem Standard an chirurgischen Schwerpunktkliniken oder der breiten Versorgung in Deutschland entspricht [331]. Gegenwärtig belegt damit keine Studie sicher, dass durch eine verbesserte chirurgische Resektion auf eine perioperative Therapie verzichtet werden könnte. Empfehlungsgrad B („sollte“) Die Empfehlung für „sollte“ (Empfehlungsgrad B) wurde von Experten (49,3% von 63 Stimmen) damit begründet, dass die chirurgischen und pathologischen Qualitätskriterien in den perioperativen Studien nicht klar definiert waren und der Gesamtüberlebensvorteil nach qualitativ hochwertiger Chirurgie weniger deutlich ausfallen könnte [336]. Dabei wird auf die jüngste EORTC-Studie von Europäischen „High-volume-Zentren“ verwiesen [331], die eine hohe chirurgische und pathologische Qualitätskontrolle hatte, jedoch vorzeitig wegen mangelnder Rekrutierung abgebrochen werden musste. Patienten wurden entweder einer präoperativen Chemotherapie und Chirurgie oder einer alleinigen Operation zugeteilt. Die Rate an R 0-Resektion konnte durch die präoperative Therapie signifikant verbessert werden (81,9 vs. 66,7 %, p = 0,036). Das progressionsfreie Überleben nach Chemotherapie war länger (HR 0,76 [0, 49 – 1, 16]), ohne dass das statistische Signifikanzniveau erreicht wurde. Das mediane Überleben war 36 Monate in beiden Armen. Außerdem lasse die durchgeführte „Deutsche Magenkarzinom-Studie“ ein besseres Überleben bei qualitätskontrollierter Chirurgie in deutschen Schwerpunktkliniken vermuten [239]. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung der möglichen Toxizitäten und der, wenn auch sehr geringen Gefahr, Patienten im frühen Progress unter Chemotherapie nicht mehr in kurativer Absicht operieren zu können, wird die präoperative Chemotherapie nicht als der generelle Standard bei jedem Patienten angesehen. Das Alter wird unter den Hinweisen für die Praxis diskutiert. Hinweise für die Praxis Bei der Durchführung der perioperativen Chemotherapie sollte berücksichtigt werden, dass der Anteil der über 70-jährigen Patienten in allen bisher publizierten Studien gering ist, obwohl die Subgruppe der > 70-Jährigen einen gleichen Nutzen von der perioperativen Therapie zu haben scheint. Die Datenlage für Patienten über 70 Jahre ist bisher also sehr dünn. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 485 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Grundlage der perioperativen Therapie ist das ECF-Regime der MAGIC-Studie [327]. Darüber hinaus ist hinsichtlich der Art der Chemotherapie ein Blick auf Studien bei fortgeschrittenen Karzinomen sinnvoll. Hier liegen Daten aus 2 randomisierten Studien und einer gemeinsamen Metaanalyse vor, die eine Äquivalenz von infusionalem 5-FU und Capecitabin zeigen [332 – 334]. Der Austausch von 5-FU durch das orale Fluoropyrimidin Capecitabin in der neoadjuvanten Chemotherapie erscheint daher vertretbar (Cisplatin/Capecitabin [XP-Regime] oder Epirubicin, Cisplatin, Capecitabin [ECX-Regime]). Bei Kontraindikationen bzw. Unverträglichkeiten (Niereninsuffizienz) von Cisplatin ist der Ersatz durch Oxaliplatin möglich. Oxaliplatin zeigt in der palliativen Therapie vergleichbare Wirksamkeit, wie Cisplatin [333, 335]. Weitere Studien, die eine perioperative Chemotherapie als Kontrollarm einsetzen, sind aktiviert. Patienten sollte die Teilnahme an solchen Studien empfohlen werden. Eine qualitätskontrollierte Chirurgie und pathologische Aufarbeitungen nach der neuen UICC-Klassifikation sind in der Breite und in Studien anzustreben. 67. Empfehlung Beim lokalisierten Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs der Kategorien uT3 und resektablen uT4-Tumoren soll/sollte eine perioperative Chemotherapie oder eine neoadjuvante Radiochemotherapie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A/B Level of Evidence: 1b perioperative Chemotherapie de Novo: [239, 324, 327 – 329, 331, 334, 337 – 339] Level of Evidence: 1a-LOE1b LOE1b- LOE 2b neoadjuvante Radiochemotherapie de Novo: [324, 326, 336, 338, 340 – 351] Abstimmung im Plenum: Kein Konsens Hintergrund Die Evidenz zur perioperativen Therapie wurde in den zurückliegenen Jahren verändert. Abweichend von oft älteren S 3Leitlinien anderer europäischer Länder würdigen die Experten mit der Empfehlung für die perioperative Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren die Tatsache, dass dieses Therapiekonzept einen signifikanten Überlebensvorteil erreicht hat. Im Plenum und der abschließenden Delphi-Runde konnte jedoch kein abschließender Konsens bezüglich der Stärke des Empfehlungsgrads („soll = A, „sollte“ = B“) erreicht werden. Im Hintergrundtext werden daher nach der Evidenz alle ausgetauschten Argumente aufgeführt. Perioperative Chemotherapie Evidenz Die Evidenz entspricht im großen Teil dem Magenkarzinom (s. o.). Unlösbar bleibt jedoch das Dilemma, dass alle genannten Studien Patienten mit Adenokarzinomen des Ösophagus, des ÖGÜ oder des Magens einschlossen, der Anteil der einzelnen Lokalisationen oft unklar bleibt und die Ergebnisse bei den einzelnen Lokalisationen nicht getrennt berichtet werden. Zur neoadjuvanten Chemotherapie liegen Daten aus 5 randomisierten Studien vor, die auch oder überwiegend Patienten mit Adenokarzinomen des ÖGÜ und unteren Ösophagus einschlossen [327 – 329, 331, 337]. Die letzte dieser Studien ist noch nicht vollständig publiziert. Teilweise wird die Chemo- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 therapie auch postoperativ fortgesetzt, was aber in den Studien nur bei etwa 50 % der Patienten im multimodalen Therapiearm möglich war. Obwohl die beiden positiven Studien von Cunningham und Boige zum Teil nicht berücksichtigt wurden, zeigen mehrere Metaanalysen einen statistisch signifikanten Vorteil für die neoadjuvante Chemotherapie [324, 339, 352, 353]. Zur Evidenz für die neoadjuvante Chemotherapie trägt auch die EORTC-Studie 40 954 bei, in der auch Patienten mit AEG-Tumoren eingeschlossen wurden [331]. Die Chemotherapie (PLF-Regime) wurde hierbei lediglich präoperativ eingesetzt. 144 Patienten wurden in präoperative Chemotherapie versus alleinige Operation randomisiert. Die Studie musste jedoch wegen mangelnder Rekrutierung vorzeitig abgebrochen werden. Die Rate an R 0-Resektionen (81,9 vs. 66,7 %, p = 0,036) konnte signifikant verbessert werden. Dies ist von Bedeutung, weil ohne eine R 0-Resektion keine kurative Therapie des Magenkarzinoms möglich ist. Das progressionfreie Überleben war mit Chemotherapie deutlich länger (HR 0,76 [0, 49 – 1, 16]), die mediane Überlebenszeit lag in beiden Armen bei über 36 Monaten. Empfehlungsgrad A (= „sollen“) Insgesamt würdigen 50 % der 66 Experten, die mit „sollen“ gestimmt haben (33/ 66 Stimmen), mit der starken Empfehlung für die perioperative Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren die vorliegenden Evidenzen und die Tatsache, dass dieses Therapiekonzept auch international als Standard angesehen wird. So verwenden alle derzeit aktivierten PhaseIII-Studien in Europa die perioperative Chemotherapie als Vergleichsarm. Der Empfehlungsgrad wird auch ausgesprochen, da fast alle voll publizierten Studien belegen, dass durch die neoadjuvante Chemotherapie die Rate der postoperativen Morbiditat und Letalität nicht erhöht wird (Cunningham 2006: 5,6 vs. 5,9 %; Allum 2009 bzw. MRC 2002: 10,0 vs. 10,0 %; Kelsen 1998: 5,9 vs. 5,8%). Lediglich in einer Studie [331] steigt die postoperative Letalität von 1,5 auf 4,3% an. Die Aufteilung in Untergruppen des AEG bzw. die Trennung der AEG-II-III-Karzinome ist klinisch nicht möglich und nicht sinnvoll. Empfehlungsgrad B (= „sollte“) Die 50 % der Experten, die mit „sollte“ gestimmt haben, begründeten den schwächeren Empfehlungsgrad so, dass es keine voll publizierte Einzelstudie mit ausreichender Patientenzahl gibt, die einen signifikanten Vorteil für die perioperative Therapie alleine für AEG-Tumoren belegt. Die o. g. positiven Metaanalysen werden in ihrer Wertigkeit abgeschwächt, weil sie Studien mit gemischten Patientenkollektiven aus Karzinomen des Ösophagus, des ÖGÜ und des Magens enthalten. Post-hoc-Analysen aus den Studien des Medical Research Council zeigen jedoch, dass die Wirksamkeit der Chemotherapie bei Adenokarzinomen des Ösophagus, des Übergangs und Magens nicht unterschiedlich ist [334]. Die Experten räumen ein, dass sich der Empfehlungsgrad verstärken kann, wenn die Studie zum AEG [328] voll publiziert ist und die bisherigen Abstract-Ergebnisse bestätigt werden. Die mittelstarke Empfehlung für die präoperative Chemotherapie wird auch deshalb ausgesprochen, weil – wie beim Magenkarzinom ausgeführt – die neoadjuvante Chemotherapie nicht die perioperative Morbidität und Letalität erhöht. Die Experten kommen auch deshalb zu einer weniger starken Empfehlung für die präoperative Chemotherapie bei lokal fortgeschrittenen Tumoren, da dieses Therapiekonzept beim Magenkarzinom zwar zu einem statis- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 486 tisch signifikanten Überlebensvorteil geführt hat, allerdings die chirurgischen und pathologischen Qualitätskriterien im MAGIC-Trial [327] nicht klar definiert waren und in der französischen Studie [328] eine Inhomogenität des Patientenkollektivs mit Einschluss von Ösophaguskarzinomen vorlag. Im rein chirurgischen Arm gab es möglicherweise einen relevanten Unterschied zu den (besseren) Ergebnissen deutscher Schwerpunktkliniken [239]. Daher ist nicht klar, inwieweit das Ergebnis nach optimalem chirurgischem Standard durch neoadjuvante Therapie weiter verbessert werden kann. Die Hinweise für die Praxis sind in der Empfehlung beim Magenkarzinom dargestellt. Neoadjuvante Radiochemotherapie Evidenz Zur neoadjuvanten Radiochemotherapie (RCT) versus alleinige Resektion wurden bisher 4 randomisierte Studien beim lokalisierten Ösophaguskarzinom voll publiziert, die überwiegend Patienten mit Adenokarzinomen einschlossen, auch solche des AEG ([340 – 343, LOE 1b, LOE 1b-, LOE 2b1). Zwei dieser Studien ([340], LOE 2b1, [343], LOE 1b-) zeigten einen statistisch signifikanten Vorteil für die neoadjuvante RCT gegenüber einer alleinigen OP im Hinblick auf eine Verbesserung der Mortalität. Zwei Studien zeigen keinen statistisch signifikanten Vorteil für die RCT [341, 342], davon weist eine Studie einen nicht signifikanten Trend zugunsten der neoadjuvanten RCT auf. Eine dieser Studien fällt für Adenokarzinome negativ aus und zeigt im progressionsfreien Überleben einen Vorteil nur für Plattenepithelkarzinome. Mehrere Metaanalysen [344 – 348], zuletzt die von Gebski et al. [324], bestätigten die Ergebnisse der o. g. Studien für Adenokarzinome. Die Metaanalyse von Gebski erbrachte sowohl für die neoadjuvante Chemotherapie (Einschluss von 8 Studien, davon 2 mit Adenokarzinomen: Überlebensvorteil nach 2 Jahren 7%) als auch für die neoadjuvante Radiochemotherapie (Einschluss von 10 Studien, davon die 3 o. g. Studien mit Adenokarzinomen: Überlebensvorteil nach 2 Jahren 13%) einen statistisch signifikanten Benefit in Bezug auf die Gesamtmortalität (Hazard Ratio für die Chemotherapie 0,78 [95%-KI, 0,64 – 0,95], d. h. 22% absolute Risikoreduktion; Hazard Ratio für die Radiochemotherapie 0,75 [95%-KI, 0,59 – 0,95], d. h. 25% absolute Risikoreduktion). Eine Metaanalyse der Subgruppen mit Adenokarzinomen zeigte einen Benefit für diese Gruppe. Die Ergebnisse, soweit sie sich auf Adenokarzinome beziehen, geben keine Spezifizierung zur Lokalisation. Der Benefit war für die Adenokarzinome gleich groß wie der Benefit durch eine neoadjuvante Chemotherapie. Zu bedenken ist, dass es sich dabei um einen indirekten Vergleich von Post-hoc-Subgruppenanalysen handelt. Der Stellenwert der alleinigen präoperativen Strahlentherapie bei Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs und überwiegend lokal fortgeschrittenen Tumoren wurde in einer randomisierten Studie mit 370 Patienten im Vergleich zur alleinigen Operation untersucht ([326], LOE 1b). In der „Intent-to-treat“-Analyse wurde ein Überlebensvorteil von 10% nach 5 Jahren und 7% nach 10 Jahren beobachtet (p = 0,009). Das Ergebnis im Kontrollarm mit alleiniger Chirurgie entspricht etwa den Ergebnissen aus Studien im europäischen Raum. Die perioperative Mortalität wurde durch die präoperative Strahlentherapie in dieser Studie nicht erhöht. Zur o. g. Fragestellung liegt darüber hinaus eine randomisierte Studie bei lokal fortge1 Die Oxford-Klassifikation sieht eine Abwertung vor, wenn die Studie niederer Qualität ist. schrittenen (uT3 – 4 N alle M 0) Adenokarzinomen des AEG vor, die eine präoperative Radiochemotherapie versus präoperativer Chemotherapie geprüft hat [354]. Die erforderliche Patientenzahl für eine valide Studie konnte nicht rekrutiert werden. Es zeigte sich ein nicht signifikanter Trend zu einem höheren Gesamtüberleben nach Radiochemotherapie (p = 0,07; Überlebensrate nach 3 Jahren 47,4 vs. 27,7%). Die postoperative Letalität war in dieser Studie höher (10,2% [5/49] vs. 3,8% [2/52] p = 0,21], es zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied in der therapiebedingten Letalität zwischen beiden Armen. Die zusätzliche Radiotherapie führte zu einem signifikant besseren histologischen Ansprechen (Rate an pT0N0 und pT1 – 3N0). In der Tat wiesen in dieser Studie Patienten mit einem histologischen Ansprechen (pT0N0 vs. R 0-Resektion mit Tumorrest im Resektat oder pT alle N 0 vs. pT alle N+) eine signifikant bessere Langzeitprognose auf. Empfehlungsgrad A: Soll (50% der 66 Experten) Die genannte Metaanalyse von Gebski [324] macht deutlich, dass die Patienten von der neoadjuvanten RCT umso mehr profitieren, je schlechter die Prognose mit alleiniger OP, also je fortgeschrittener das Tumorstadium ist (LOE 1a-). Die Experten sehen eine Gleichwertigkeit der präoperativen Chemotherapie und Radiochemotherapie für lokal fortgeschrittene Tumoren. Sie leiten dies aus der Metaanalyse von Gebski et al. ab. Danach profitieren Patienten in gleichem Ausmaß von einer präoperativen Radiochemotherapie (HR 0,75 [0,59 – 0,95; p = 0,02]) wie von einer präoperativen Chemotherapie (HR 0,78 [0,64 – 0,95; p = 0,014, [324]). Analysiert man die postoperative Letalität der 10 Studien zur präoperativen Radiochemotherapie genauer, so zeigt sich eine erhöhte Letalität nach Radiochemotherapie + Resektion lediglich für Patienten mit Plattenepithelkarzinomen (8,6 vs. 4,3%; bedingt durch die Studien von Nygaard 1992 und Bosset 1997 und nicht für solche mit Adenokarzinomen (3,9 vs. 4,1%). Studien mit vorwiegend Adenokarzinomen hatten keine erhöhte [342] oder sogar etwas geringere Letalität [341, 343]. Entsprechend führt nach der Metaanalyse von Fiorica 2003 [344] die Radiochemotherapie in Studien mit Adenokarzinomen lediglich in der Studie von Walsh 1996 [340] zu einer erhöhten postoperativen Letalität (Hazard Ratio 2,88 [95%-KI, 0,53 – 15,56]). Es ist nahe liegend, dass diese erhöhte Toxizität auf die veraltete Form der Strahlentherapie (2,76 Gy je Fraktion mit entsprechend hoher Akuttoxizität) zurückzuführen ist. Die gleichwertige Empfehlung von Chemotherapie und Radiochemotherapie in der präoperativen Phase ist daher auch unter dem Gesichtspunkt der Toxizitäten vertretbar. Gerade die irische Studie [340] wird oft kritisiert, weil das Ergebnis im Arm der alleinigen OP inadäquat sei (Überlebensrate nach 3 Jahren 6%). Es muss aber berücksichtigt werden, dass diese Studie eine pragmatische Versorgungsstudie aus den 90er-Jahren auf dem Boden limitierter Staging-Möglichkeiten darstellt. Es ist daher davon auszugehen, dass in beiden Therapiearmen eine hohe Zahl an Patienten mit nicht erkannter metastasierter Erkrankung behandelt wurde, was den steilen Abfall der Überlebenskurven in der Intent-to-treat-Analyse erklärt. Ein Vergleich mit aktuellen Daten aus Einzelzentren ist daher nicht sinnvoll. Weiterhin wird kritisiert, dass in dieser und in anderen älteren Studien kein chirurgischer Standard definiert war und daher keine Qualitätskontrolle stattfand. Dazu muss berücksichtigt werden, dass es zum Zeitpunkt der Studien keinen chirurgischen Standard gab und dass es gerade für Adenokarzinome vom Typ Siewert II auch heute keinen international akzeptierten Standard im chirurgischen Vorgehen gibt. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 487 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Empfehlungsgrad B: Sollte (50% der 66 Experten) Für eine abgeschwächte Empfehlung spricht nach Ansicht der Experten, dass das Fehlen von chirurgischen und histopathologischen Qualitätskriterien (standardisierte OP-Technik und histopathologische Aufarbeitung) problematisch ist und ggfs. zu einer Überschätzung der Effekte führt. Methodisch können außerdem die Ergebnisse der Einzelstudien und der Metaanalysen nicht ohne Weiteres auf das Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs allein übertragen werden, weil die Studien und Metaanalysen vorwiegend Misch-Kollektive von Ösophagus- und Kardiakarzinomen behandelten und teils nicht die AEG-Klassifikationen oder unterschiedliche Operationstechniken (transhiatal oder transthorakal) angegeben haben. Die überwiegende Mehrzahl der Studien hatte überwiegend Ösophaguskarzinome und nicht Tumoren des ösophagogastralen Übergangs als Studienkollektive [336]. Daher ist die Empfehlung zu einer neoadjuvanten Radio-Chemotherapie der AEG-II-III-Karzinome sehr zurückhaltend zu stellen. Subgruppenanalysen sind hinsichtlich ihrer Aussagekraft als nicht so sicher einzuschätzen, dass daraus ein für alle geltender Standard abzuleiten wäre, zumal nur zwei der Einzelstudien einen statistisch signifikanten Effekt zeigen. Weiterhin geben die Experten die möglicherweise erhöhte Toxizitäte der RCT zu bedenken, insbesondere die etwas erhöhte postoperative Letalität in einer Studie mit Adenokarzinomen [340] und in 2 Studien und 1 Metaanalyse, allerdings vorwiegend mit Plattenepithelkarzinomen [344, 349, 350]. In einer französischen Übersichtsarbeit empfehlen Crehange et al. [352] die präoperative Chemotherapie unter Einbeziehung der randomisierten Studien von Stahl, Cunningham und Boige [327, 328, 354] und der Metaanalyse von Gebski [324] für AEG II und III. Eine präoperative Radiochemotherapie wird dort nicht empfohlen. Als Begründung wird eine Unsicherheit in Bezug auf die höhere Rate an Nebenwirkungen gegeben. Hinweise für die Praxis Die Chemotherapie während der kombinierten Radiochemotherapie ist Cisplatin-basiert. Kombinationspartner sind 5-FU, Taxane oder Topoisomeraseinhibitoren. Bei der Bestrahlungsplanung ist ein besonderes Augenmerk auf eine geringe Lungenbelastung zu legen, weil dadurch wahrscheinlich das postoperative Risiko reduziert werden kann [351]. Patienten mit erhöhtem pulmonalem oder kardialem OP-Risiko erfordern die Behandlung in einem erfahrenen Team (Zentrum), um die postoperative Letalität niedrig zu halten. Patienten sollte die Teilnahme an Studien empfohlen werden. 3.9.2. Präoperative Radiochemotherapie 68. Konsensbasierte Empfehlung Eine präoperative Radiochemotherapie soll beim Magenkarzinom nicht durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die vorliegenden Fallserien erlauben aufgrund der unterschiedlich applizierten Radiochemotherapie-Schemata, der mangelnden Kontrollgruppen und der kleinen Fallzahlen keine validen Aussagen bez. des Einsatzes der präoperativen Radiochemotherapie. Insbesondere im Hinblick auf die beschriebe- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 nen Nebenwirkungen und Progressionsraten ist eine präoperative Radiochemotherapie nicht indiziert [355, 356]. 3.9.3. Präoperative Antikörper-Therapie 69. Konsensbasierte Empfehlung Antikörper und „small molecules“ sollen in der präoperativen Therapie nicht eingesetzt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In der palliativen Behandlung fortgeschrittener Magenkarzinome wurden vorläufige Daten publiziert, die einen Überlebensvorteil für Patienten mit HER-2-positiven Tumoren nachweisen, wenn sie zur Chemotherapie aus Cisplatin und einem Fluoropyrimid den Antikörper Trastuzumab erhielten [357]. Es ist aber unklar, ob dieser Antikörper auch die Ergebnisse einer präoperativen Therapie bei lokalisierten, HER-2-positiven Karzinomen verbessert. Der Einsatz zielgerichteter Substanzen ist daher außerhalb klinischer Studien nicht indiziert. Die Ergebnisse laufender randomisierter Studien müssen abgewartet werden. 3.9.4. Restaging nach neoadjuvanter Therapie 70. Konsensbasiertes Statement Die Genauigkeit des Restaging von lokal fortgeschrittenen Magenkarzinomen und AEG nach neoadjuvanter Therapie ist in Bezug auf den Primärtumor sowohl mit der Endosonografie als auch mit der Computertomografie gering. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Schwacher Konsens 71. Konsensbasierte Empfehlung Ein routinemäßiges Restaging des Lokalbefunds ist nicht erforderlich. Ein erneuter Ausschluss von Fernmetastasen soll erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Schwacher Konsens Hintergrund Zwei Studien für das Restaging nach neoadjuvanter Therapie bei Ösophagus-, Magen- und Rektumkarzinomen [358, 359] zeigen übereinstimmend eine Ungenauigkeit des endosonografischen und des computertomografischen Stagings nach erfolgter neoadjuvanter Therapie. Allerdings erwiesen sich ein endosonografisch nachweisbares Downstaging der T- und NKategorie [358] sowie eine Verminderung der Tumordicke von mehr als 50 % [359] als Indikatoren für eine Verbesserung der Prognose durch neoadjuvante Therapie. Die endosonografisch nach neoadjuvanter Radiochemotherapie bestimmte TN-Kategorie erwies sich bei Adenokarzinomen des Magens und des ösophagogastralen Übergangs (n = 74) als ein besserer Prädiktor für die Prognose des Patienten nach in kurativer Intention durchgeführter Operation als die vor Einleitung der neoadjuvanten Theapie erhobene endosonografische TN-Kategorie [358 – 360]. Unabhängig von der Reevaluation des Primärtumors sollen unmittelbar präoperativ Fernmetastasen mittels Schnittbildgebung erneut ausgeschlossen werden, um eine un- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 488 nötige Operation zu vermeiden. Patienten mit Fernmetastasen sind keine Kandidaten für eine kurative Behandlung [316]. 72. Konsensbasierte Empfehlung Falls im Verlauf der neoadjuvanten Therapie klinische Hinweise auf eine Tumorprogression bestehen (Verschlechterung tumorbedingter Symptome oder des Allgemeinzustands), soll eine symptomadaptierte Diagnostik erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 73. Konsensbasierte Empfehlung Bei Nachweis eines allgemeinen Tumorprogresses soll die Entscheidung über die weitere Therapie interdisziplinär erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 74. Konsensbasierte Empfehlung Im Falle eines lokalen Tumorprogresses unter neoadjuvanter Therapie sollte eine frühzeitige Operation durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Falls im Verlauf der neoadjuvanten Therapie klinische Hinweise auf einen Tumorprogress bestehen (Verschlechterung tumorbedingter Symptome oder des Allgemeinzustands), erscheint es sinnvoll, eine symptomorientierte Diagnostik durchzuführen. Im Falle eines lokalen Tumorprogresses unter neoadjuvanter Therapie sollte eine frühzeitige Operation durchgeführt werden, da Patienten mit einer lokalen Tumorprogression unter Therapie wahrscheinlich nicht von einem Fortsetzen dieser Therapie profitieren [361]. Zudem gibt es keine Daten, die eine Therapieumstellung oder Therapieintensivierung rechtfertigen würden. Die präoperative Therapie sollte jedoch nicht abgebrochen werden, wenn keine Tumorprogression vorliegt. In den Phase-III-Studien zur neoadjuvanten Therapie erfolgte bei fehlendem Hinweis auf Tumorprogress die neoadjuvante Therapie planmäßig und führte in dieser Form für die gesamte Patientengruppe zu einer Verbesserung des Überlebens [327, 354]. 75. Konsensbasiertes Statement Bislang können noch keine Empfehlungen zum Einsatz von prädiktiven Biomarkern für die Lenkung der neoadjuvanten Therapie des Magenkarzinoms ausgesprochen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Prognostisch relevante Faktoren des Adenokarzinoms des Magens sind die Tumorlokalisation, die lokale Tiefeninfiltration und der Lymphknotenbefall. Zur Beurteilung des Nodalstatus gehören die Präparation aller Lymphknoten und die Bestimmung der Anzahl befallener Lymphknoten im Verhältnis zur Anzahl der untersuchten Lymphknoten. Die Resektionslinien des Resektats sollten untersucht und beschrieben werden (R0, R 1, R 2). Weiterhin sind prognostisch relevant das Vorhandensein von Fernmetastasen, die Gefäßinvasion und die Tumorzelldissoziation an der Invasionsfront. Die Gefäßinvasion ist ein unabhängiger Prognosefaktor der Kardiakarzinome und der distalen Magenkarzinome. Nur bei Patienten mit HER-2überexprimierenden nicht operablen und metastasierten Magenkarzinomen belegte eine randomisierte klinische Studie die Wirksamkeit einer Therapie mit Trastuzumab [357]. Der diagnostische Algorithmus für die Definition einer HER-2Überexpression mittels Immunhistochemie und HER-2-Genamplifikation wird derzeit validiert und kann nicht präoperativ oder unter neoadjuvanter Therapie eingesetzt werden, da hierzu noch keine validen Studien vorliegen [362]. Andere gewebebasierte Marker sind bislang ebenso nicht als prädiktive Marker etabliert oder erlangten in der Praxis klinische Relevanz für Therapieentscheidungen [241, 357, 363 – 365]. Bislang liegen nur 2 Studien vor, die den Stellenwert der histologischen Bestimmung des Tumorregressionsgrads nach neoadjuvanter Chemotherapie beim Magenkarzinom untersucht haben. Insgesamt wurden 66 Patienten untersucht. Die Ergebnisse der Korrelation zwischen histologisch bestimmter Tumorregression und Patientenüberleben waren nur in der Studie von Becker et al. signifkant [363, 364]. Bei lokal fortgeschrittenen Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs konnte in der Deutschen Phase-III-Studie (POET-Studie) an 100 operierten Patienten gezeigt werden, dass das histologische Ansprechen nach Chemo- oder Radiochemotherapie mit der Prognose der Patienten korreliert (Subgruppenanalayse [354, 366]). 3.9.5. Postoperative Therapie 77. Konsensbasierte Empfehlung Nach präoperativer Chemotherapie und anschließender Operation sollte die Chemotherapie postoperativ fortgesetzt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In den vorliegenden Phase-III-Studien wurde der Vorteil der perioperativen Therapie gegenüber einer alleinigen Operation belegt. Da in den Studien lediglich etwa 50 % der Patienten eine postoperative Chemotherapie erhalten konnten, ist allerdings derzeit unklar, welche Rolle die postoperative Therapie in der Verbesserung der Prognose spielt bzw. welche Patienten von der postoperativen Therapie profitieren [327]. 76. Konsenbasiertes Statement 78. Konsensbasierte Empfehlung Der Stellenwert der histologischen Bestimmung des Tumorregressionsgrads nach neoadjuvanter Chemotherapie ist zur Beurteilung der Prognose nicht gesichert. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Vor Einleitung einer postoperativen Chemotherapie sollte mit einfachen Mitteln (Röntgen-Thorax, Sonografie Abdomen) eine Metastasierung ausgeschlossen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 489 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Hintergrund Im Falle des Nachweises einer Metastasierung ist es nicht sinnvoll, das in kurativer Intention präoperativ begonnene Chemotherapiekonzept fortzusetzen (GCP). In der veröffentlichten Phase-III-Studie zur perioperativen Chemotherapie wurde die Chemotherapie bei Metastasennachweis beendet [327]. Auch vor Beginn einer adjuvanten Radiochemotherapie ist das Fortbestehen der kurativen Therapieintention zu überprüfen und Fernmetastasen sind auszuschließen (GCP). Die positiven Ergebnisse der Phase-III-Studie zur adjuvanten Radiochemotherapie gelten nur für Patienten ohne Fernmetastasen [367]. Im Falle von Fernmetastasen ist ein Radiochemotherapiekonzept nicht mehr sinnvoll. 79. Statement Für Patienten mit R 0-Resektion und adäquater D 2-Lymphadenektomie ist die postoperative Radiochemotherapie kein Standard. Level of Evidence: 2 de Novo: [367 – 378] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 80. Empfehlung Bei einer Lymphadenektomie < D2 oder in begründeten Risikosituationen kann eine adjuvante Radiochemotherapie bei nicht neoadjuvant behandelten Patienten nach interdisziplinärer Entscheidung im Tumorboard durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence: 2 de Novo: [367 – 378] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In einer Metaanalyse von insgesamt 9 Studien mit zusammen 2025 Patienten [368] konnte insgesamt ein signifikanter Überlebensvorteil für den Einsatz einer peri- oder intraoperativen Radiotherapie nachgewiesen werden. In 4 dieser 9 Studien wurde der Stellenwert der postoperativen Radiotherapie untersucht, wobei in 2 Studien eine parallele Chemotherapie mit 5-FU eingesetzt wurde. Die beiden älteren Studien, die die alleinige Strahlentherapie nach kurativ intendierter Resektion [369, 370] getestet haben, zeigten keinen Vorteil im Gesamtüberleben, allerdings eine Reduktion der lokoregionären Rückfallrate. Bei Allum [369] lag bei der Hälfte der Patienten eine R 1-Resektion vor. Die Qualität des chirurgischen Eingriffs ist in beiden Studien unklar. Erste Hinweise, dass eine postoperative simultane Radiochemotherapie die Prognose verbessert, gingen aus der kleinen Studie von Moertel [371] hervor. Obwohl nur 66 Patienten randomisiert wurden, zeigte sich ein statistisch signifikanter Überlebensvorteil zugunsten der Radiochemotherapie (nach 5 Jahren: 4 vs. 23 %). Angaben über das Ausmaß der durchgeführten Lymphknotenresektion fehlen in dieser Studie. Basierend auf den Erfahrungen von Moertel [371] testete die South-West Oncology Group (SWOG) in einer wesentlich größeren Studie (n = 556) den Stellenwert einer adjuvanten Radiochemotherapie bestehend aus 4 Zyklen 5FU + Leukovorin in Kombination mit 45 Gy (5 × 1,8 Gy pro Woche) Strahlentherapie appliziert zum 2. + 3. Zyklus der Chemotherapie [367]. Eingeschlossen waren alle Tumorstadien außer Frühkarzinome (T1 N 0), wobei es sich mehrheitlich um Hochrisiko- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 patienten (70% T3 – T4, 85 % N + ) und in etwa 80 % um Karzinome des Magenantrums und -corpus handelte. Zielvolumen war das Tumorbett sowie die regionären Lymphknoten (etwa entsprechend dem Kompartiment II) inklusive 2 cm Abstand zu den proximalen und distalen Anastomosen. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren ergab sich ein signifikanter Vorteil für die adjuvante Radiochemotherapie mit einer signifikanten Verlängerung des medianen Überlebens um 9 Monate (27 vs. 36 Monate) sowie einem Vorteil bez. des rezidivfreien Überlebens und der lokalen Tumorkontrolle. Die Fernmetastasierungsrate wurde nicht beeinflusst. Die Toxizität des Regimes war insgesamt tolerabel, jedoch konnten nur 64 % aller Patienten die intendierte Therapie vollständig erhalten. Bei etwa der Hälfte der Patienten trat eine hämatologische Toxizität > CTC Grad 2 (meist Leukopenie), in einem Drittel eine gastrointestinale Toxizität > Grad 2 auf. In 17 % bedingte dies einen Therapieabbruch, 3 Patienten verstarben. Obwohl in der Studie eine D 2-Lymphknotendissektion empfohlen wurde, erfolgte laut Angabe der Chirurgen nur bei 10 % tatsächlich eine D 2-Dissektion. Bei 36 % wurde eine D 1-Dissektion und bei 54 % der Patienten eine Lymphknotendissektion < D1 angegeben. In einer explorativen Subgruppenanalyse [372] konnte gezeigt werden, dass der Überlebensvorteil bei D 1- und < D1-resezierten Patienten gleich groß ist. Die Gruppe der D 2-resezierten Patienten war mit nur 54 Patienten zu klein, um eine Aussage treffen zu können. Damit bleibt die Frage ungeklärt, ob eine adjuvante Radiochemotherapie nach D 2-Dissektion einen Überlebensvorteil bewirkt. Kim et al. [373] gingen dieser Frage in einer nicht randomisierten prospektiven Beobachtungsstudie nach. 990 Patienten in den Stadien II–IV wurde nach kurativer D 2-Dissektion über die Datenlage aufgeklärt und durften selber entscheiden, ob sie keine adjuvante Therapie erhalten wollten oder eine adjuvante Radiochemotherapie nach dem MacDonald-Schema. 544 Patienten entschieden sich für eine adjuvante Radiochemotherapie. Im Vergleich zu den 446 nicht adjuvant behandelten Patienten verlängerte die adjuvante Radiochemotherapie das mediane Überleben von 63 Monaten auf 95 Monate (p < 0,02). Die Toxizität und Durchführbarkeit der adjuvanten Radiochemotherapie war besser als in der MacDonald-Studie. In beiden Studien ([367] und [373]) wurden aus heutiger Sicht veraltete Bestrahlungstechniken eingesetzt. Aus neueren Studien [374] gibt es Hinweise, dass die Toxizität und Durchführbarkeit einer adjuvanten Radiochemotherapie durch den Einsatz moderner Bestrahlungstechniken verbessert wird, selbst wenn intensivierte Chemotherapieschemata zum Einsatz kommen. Zusammenfassend sprechen die Daten dafür, dass durch eine adjuvante Radiochemotherapie nach D 1- oder < D1-Lymphknotendissektion ein Überlebensvorteil erreicht wird. Bei limitierter Lymphknotendissektion und nicht erfolgter präoperativer Chemotherapie sollte daher eine adjuvante Radiochemotherapie analog zum MacDonald-Protokoll (s. u.) empfohlen werden. Ob eine adjuvante Radiochemotherapie auch nach D 2-Lymphknotendissektion das Überleben verbessert, bleibt ungeklärt, wobei allerdings eine große Beobachtungsstudie auch für dieses Kollektiv einen Vorteil nahe liegt. Nach D 2-Dissektion und nicht erfolgter präoperativer Chemotherapie kann daher die Indikation zur adjuvanten Radiochemotherapie interdisziplinär gestellt werden. Dabei wurde diskutiert, dass insbesondere Patienten mit hohem Rückfallrisiko (> 6 befallene Lymphknoten) hiervon profitieren. Prospektive Daten, die diese Experteneinschätzung unterstützen, sind allerdings nicht verfügbar. Wenn die Indika- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 490 tion zur adjuvanten Radiochemotherapie gestellt wird, sollten moderne Bestrahlungstechniken (3D oder IMRT) unter Berücksichtigung des EORTC-ROG-Zielvolumenkonzepts [375] mit 45 Gy (5 × 1,8 Gy pro Woche) zum Einsatz kommen. Als Chemotherapie wird anstelle der Bolus-Injektion von 5-FU heute das infusionale 5-FU-Schema von den meisten Experten als vorteilhaft angesehen [374, 376, 377]. Während der Strahlentherapie können 225 mg/m2/ 24h-Dauerinfusion empfohlen werden. Vor und nach Radiotherapie können jeweils 2 Zyklen 5-FU 2000 mg/m2/24 h/CI + Leucovorin 500 mg/m2 über 2 h an den Tagen 1, 8, und 15, Wiederholung Tag 29 empfohlen werden. Diese Therapie lässt sich auch mit Cisplatin (und ggf. Paclitaxel) oder Irinotecan kombinieren [374]. Wenn Cisplatin vor oder nach der Strahlentherapie appliziert wird, sollten besondere Dosisrestriktionen bez. der Nieren bei der Bestrahlungsplanung eingehalten werden [378]. 3.9.6. Adjuvante Therapiekonzepte 81. Empfehlung Nach primärer R 0-Resektion (ohne präoperative Chemotherapie) eines lokal fortgeschrittenen Magenkarzinoms sollte keine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a de Novo: [327, 379 – 384] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Diese relative Negativempfehlung entstand aus dem Wunsch des Plenums auf eine positive Präferenz der perioperativen bzw. neoadjuvanten Therapie als primäre Behandlungsstrategie für Patienten mit primär lokal fortgeschrittenen Tumorstadien. Die Empfehlung bezieht sich damit vor allem auf die präoperative Entscheidungsfindung in Tumorkonferenzen. Die perioperativen und neoadjuvanten Therapiekonzepte „sollen/sollten“ bevorzugt eingesetzt werden, da sie besser wirksam, besser verträglich und auch in einem höheren Prozentsatz bei den Patienten zu applizieren sind. Eine alleinige adjuvante Therapie wird damit nicht als primäres Therapiekonzept von der Leitgruppenkommission für die Tumorkonferenz empfohlen, da 1. eine alleinige adjuvante Therapie aufgrund des postoperativen Allgemeinzustands bei viel weniger Patienten durchführbar ist [327, 379] und 2. der Nutzen eines perioperativen Therapiekonzepts durch positive Einzelstudien besser belegt ist und 3. die Überlebensverbesserung durch ein perioperatives Therapiekonzept größer zu sein scheint als durch eine alleinige adjuvante Therapie (13 vs. 5,8%). Trotz der hohen Evidenz durch Metaanalysen und positive asiatische Phase-III-Studien spricht das Plenum daher keine klare Empfehlung für die alleinige adjuvante Therapie aus [379 – 384]. Sollte jedoch bei Patienten durch unzureichendes Staging oder Notoperation kein präoperatives Therapieverfahren eingeleitet worden sein, kann bei Patienten mit primär lokal fortgeschrittenen Tumorstadien (v. a. mit positivem LK-Status) die adjuvante Chemotherapie nach der vorliegenden Evidenz erwogen und angeboten werden. So wurden über 20 randomisierte Studien bei Patienten publiziert, die keine neoadjuvante Chemotherapie erhalten hatten. Allerdings weisen nur wenige einen signifikanten Vorteil im Gesamtüberleben durch die adjuvante Chemotherapie nach. Die wenigen positi- ven Studien betreffen v. a. asiatische Patienten. Bereits in den 90er-Jahren belegten Metaanalysen einen kleinen, statistisch signifikanten Vorteil für die adjuvante Chemotherapie [380 – 382]. Wie eine Metaanalyse von Janunger zeigt [382], ist dieser Vorteil jedoch ausschließlich auf Studien bei asiatischen Patienten zurückzuführen. Die Hazard Ratio für das Gesamtüberleben lag in den „westlichen“ Studien bei 0,96 (95 %-KI, 0,83 – 1,12) und in den asiatischen Studien bei 0,58 (95 %-KI, 0,44 – 0,76). Auch in aktuellen randomisierten Studien sind die Ergebnisse in Europa negativ, während in Asien Einzelstudien einen signifikanten Überlebensvorteil für die adjuvante Chemotherapie ergaben. Im Jahr 2010 veröffentlichte die GASTRIC Group eine Metaanalyse auf dem Boden individueller Patientendaten [384]. Insgesamt wurden 3838 Patienten aus 17 Studien einbezogen, deren Patientenaufnahme vor 2004 abgeschlossen war. Diese Analyse umfasst somit 2/ 3 aller durchgeführten Phase-III-Studien zu dieser Fragestellung mit einem medianen Follow-up von über 7 Jahren. Diese Analyse weist einen Vorteil für die adjuvante Chemotherapie auf. Die Hazard Ratio für das Gesamtüberleben beträgt 0,82 (95 %-KI, 0,76 – 0,90, p < 0,001), entsprechend einer absoluten Verbesserung der Überlebenswahrscheinlichkeit nach 5 Jahren von 5,8 %. In dieser Analyse zeigte sich auch bei europäischen Studien ein Vorteil durch die adjuvante Therapie. ▶ Abb. 3 mit individuellen PatienAdjuvante Studien sind in ● tendaten nach Kontinent und Hazard Ratio für das Gesamtüberleben dargestellt ([384]). Sondervotum der DGHO Eine adjuvante Chemotherapie kann für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Magenkarzinom (v. a. mit positivem LK-Befall) erwogen und angeboten werden, bei denen durch unzureichendes Staging kein präoperatives Verfahren eingeleitet worden ist. 82. Empfehlung Bei primär komplett reseziertem Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (keine präoperative Chemotherapie) sollte keine adjuvante Chemotherapie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1 Leitlinienadaptation: [30] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die beim Magenkarzinom genannten Metaanalysen ebenso wie die jüngeren Phase-III-Studien unterscheiden nicht zwischen dem eigentlichen Magenkarzinom und dem Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs. In 4 der 8 jüngeren PhaseIII-Studien sind auch Patienten mit Übergangskarzinomen eingeschlossen. Die Ergebnisse wurden jedoch nicht separat berichtet. Sondervotum der DGHO Ein adjuvante Chemotherapie kann für Patienten mit lokal fortgeschrittenem Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs (v.a. mit positivem LK-Befall) erwogen und angeboten werden, bei denen durch unzureichendes Staging kein präoperatives Verfahren eingeleitet worden ist. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 491 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Abb. 3 CT: Chemotherapie. O und E entsprechen der Anzahl der beobachteten (O) und der erwarteten (E) Ereignisse bei der Hypothese eines fehlenden Behandlungseffekts an allen Zeitpunkten. VAR ist die Varianz der Statistiken, die auch das Gewicht jeder Studie bewertet. Die Hazard Ratio (HR) und ihre assoziierten 95%-Konfidenzintervalle (CI) sind dargestellt. p-Werte sind Werte für effektmodifiziertes Testen für Heterogenität innerhalb und über die Regime. Die Größe der Datenmarker ist proportional zu der Anzahlgröße der jeweiligen Studienpopulation [384]. 83. Empfehlung 85. Empfehlung Außerhalb klinischer Studien soll eine adjuvante Immuno-Chemotherapie nicht durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence: 1a de Novo: [354] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Eine intraperitoneale Chemo(immun)therapie soll außerhalb klinischer Studien nicht durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence: 1 Leitlinienadaptation: [316] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 84. Konsensbasierte Empfehlung Eine adjuvante Therapie mit zielgerichteten Substanzen alleine oder in Kombination mit Chemotherapie soll außerhalb von Studien nicht durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Es existieren 9 randomisierte Studien, die eine adjuvante Chemotherapie versus eine adjuvante Immuno-Chemotherapie untersucht haben. Alle wurden mit asiatischen Patientenkollektiven durchgeführt. Es wurden ausschließlich passivunspezifische Immuntherapieverfahren angewendet, in 8 Studien Polysaccharid K (PSK), in 1 Studie poly A:U. Eine Metaanalyse der PSK-Studien mit 8009 eingeschlossenen Patienten belegt einen Überlebensvorteil für die adjuvante ImmunoChemotherapie mit einer HR von 0,88 (95 %-KI, 0,79 – 0,98; p = 0,018). Auch die Phase-III-Studie (n = 280) mit poly A:U zeigt einen statistisch signifikanten Überlebensvorteil zugunsten der Immuno-Chemotherapie. Diese Ergebnisse sind aber nicht auf die europäischen Populationen übertragbar. Da Metaanalysen für die alleinige adjuvante Chemotherapie in Europa nicht signifikant waren und somit keine eindeutige Indikation für eine adjuvante Chemotherapie besteht, kann auch für die adjuvante Immuno-Chemotherapie keine klare Empfehlung außerhalb von Studien gegeben werden [354]. Auch Daten prospektiver Studien für zielgerichtete Substanzen müssen zunächst abgewartet werden. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Hintergrund In einer Metaanalyse wurden aus 977 Veröffentlichungen 13 Studien mit 1648 Patienten für die hypertherme (HIPEC) und normotherme intraoperative intraperitoneale Chemotherapie sowie frühe postoperative intraperitoneale Chemotherapie in der adjuvanten Situation untersucht. Für die HIPEC wurde ein signifikanter Überlebensvorteil mit einer HR von 0,60 (95%-KI, 0,43 – 0,83, p = 0,002) unter Einbeziehung von 3 randomisierten Studien mit insgesamt 318 Patienten gefunden [386, 387]. Die Limitierung dieser Daten zugunsten der HIPEC ergibt sich aus der asiatischen Studienpopulation, der limitierten Patientenzahl der einzelnen Studien sowie der eingeschlossenen Tumorstadien und unterschiedlich verwendeten Behandlungsregimes. Ebenso ist die intraperitoneale Chemotherapie mit einem erhöhten Risiko für Neutropenie und das Auftreten von abdominellen Abszessen verbunden. Aufgrund der momentanen Studienlage gibt es Hinweise dafür, dass die adjuvante hypertherme intraperitoneale Chemotherapie nach R 0-Resektion eines fortgeschrittenen Magenkarzinoms die Rate der peritonealen Rezidive senkt. Die positiven Ergebnisse stammen alle aus Asien und wurden in Europa und den USA bisher nicht reproduziert. Bei synchroner und limitierter Peritonealmetastase zeigt sich für eine Subgruppe von Patienten nach chirurgischer kompletter Zytoreduktion und hyperthermer intraperitonealer Chemotherapie eine 5-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit von bis zu 30% [388]. Die intraperitoneale hypertherme Chemotherapie in Kombination mit einer Resektion kann dennoch derzeit nicht als Standard angesehen werden und sollte zunächst weiter evaluiert werden. Daher wird die Behandlung im Rahmen von Studien empfohlen. Eine Metaanalyse von insgesamt 13 prospektiv randomisierten Studien (mit insgesamt 1700 eingeschlossenen Patienten) konnte zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, 5 Jahre postoperativ zu Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 492 Leitlinie 3.10. Tumorgerichtete palliative Therapie 3.10.1. Medikamentöse Tumortherapie 86. Empfehlung Patienten in gutem Allgemeinzustand soll eine systemische Chemotherapie angeboten werden. Therapieziel ist die Verbesserung des Überlebens und der Erhalt der Lebensqualität. Ein erhöhtes Alter stellt keine Kontraindikation dar. Empfehlungsgrad: A Level of Evidence: 1b de Novo: siehe Evidenzbericht [362, 400 – 420] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Im Vergleich zu den supportiven Maßnahmen („best supportive care“, BSC) konnten für die systemische Chemotherapie nicht nur eine statistisch signifikante Verbesserung der Überlebenszeit (HR 0,39; 95%-KI, 0,28 – 0,52, [400 – 403]), sondern auch ein längerer Erhalt der Lebensqualität [400], eine bessere Symptomkontrolle und eine Verbesserung des Allgemeinzustands [400, 404, 405] nachgewiesen werden. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass in diese Studien ausschließlich Patienten mit Allgemeinzustand ECOG 0 – 2 eingeschlossen wurden. Bei Patienten mit deutlich reduziertem Allgemeinzustand (ECOG 3) ist der Nutzen einer systemischen Chemotherapie nicht belegt Tab. 1 Kategorien des geriatrischen Assessments und Instrumente zu ihrer Erfassung. Kategorie Instrumente zur Erfassung Literatur funktioneller Status Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) [410] [411] Depression Geriatric Dépression Scale (GDS) [412] Demenz Uhr-Zeichen-Test Mini-Mental-Status-Examination (MMSE) Demenz-Detektionstest (Demtect) [413] [414] [415] Ernährung Mini-Nutritional-Assessment (MNA) [416] Mobilität Tinetti-Test Timed Up & Go-Test [417] [418] soziale Situation Sozialassessment Fragebogen zur sozialen Unterstützung (F-Sozu) [419] [420] [406]. Das mittlere Erkrankungsalter für das Magenkarzinom in Deutschland liegt gegenwärtig bei 70 Jahren für Männer und bei 75 Jahren für Frauen [407]. Im Gegensatz dazu liegt das mediane Alter der in die meisten klinischen Studien eingeschlossenen Patienten zwischen 55 und 65 Jahren. Nur solche älteren Patienten, die einen ausreichenden Performance-Status und keine signifikanten Komorbiditäten haben, wurden in die genannten Therapiestudien eingeschlossen. Weil mit zunehmendem Alter auch die Häufigkeit altersassoziierter Veränderungen, wie in ▶ Tab. 1 genannt, steigt, ist bei entsprechendem nachfolgender ● Verdacht eine systematische Erfassung von Komorbiditäten ▶ Tab. 1). Auf die Frage, ob die Altersverteilung der in sinnvoll (● die jeweilige Therapiestudie eingeschlossenen Patienten für die Population von Patienten mit Magenkarzinom in Deutschland repräsentativ ist, wird bei der Darstellung und Diskussion der einzelnen Therapieregime eingegangen (siehe v. a. Kapitel Oxaliplatin- und Docetaxel-haltige Therapieregime). Aktuell liegen nur wenige Phase-II-Studien vor, in die ausschließlich ältere Patienten eingeschlossen wurden. Die Frage nach dem Vergleich der Kombinations- versus Monotherapie speziell bei älteren Patienten wurde in aktuellen Studien nicht untersucht. Eine kürzlich publizierte, randomisierte Phase-II-Studie [408], in der die Monotherapien mit S-1 und Capecitabine miteinander verglichen wurden, konnte die Durchführbarkeit einer Monotherapie mit Capecitabine bei älteren Patienten belegen. Die Ergebnisse entsprechen anderen Studien für die Monotherapie mit Fluoropyrimidinen ([362, 409] AWMF Reg.-Nr. 032/009]. 87. Empfehlung Eine palliative medikamentöse Tumortherapie sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Diagnosestellung der lokal fortgeschritten inoperablen oder metastasierten Erkrankung eingeleitet werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a de Novo: [333, 357, 421 – 425] Abstimmung im Plenum: Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. überleben, um 1,3-mal höher nach erfolgter intraperitonealer Chemotherapie und Gastrektomie im Vergleich zur alleinigen Gastrektomie ist [389]. Die Morbidität ist erhöht, insbesondere was die Rate der intraabdominellen Abszessbildung und der Neutropenien betrifft. Die einzige Studie, die in Europa durchgeführt wurde, konnte die Ergebnisse bzgl. der Prognose allerdings nicht bestätigen. Eine kürzlich publizierte prospektiv randomisierte Studie aus Japan konnte zeigen, dass bei 88 Patienten mit positiver intraperitonealer Zytologie die extensive peritoneale Lavage kombiniert mit einer intraperitonealen Chemotherapie nach Gastrektomie die Prognose signifikant verbessert (43,8% 5-Jahres-ÜLR gegenüber 0 % in der Kontrollgruppe, [390]). Die Ergebnisse der bisherigen Phase-II-Studien zeigen, dass Patienten mit einer limitierten Peritonealkarzinose (Peritoneal Cancer-Index < 10, max. Wert 39) von einer chirurgisch kompletten Zytoreduktion profitieren können [391, 392]. Die präoperative Laparoskopie mit Beurteilung des Dünndarms spielt eine wichtige Rolle in der Auswahl geeigneter Patienten. Die mediane Überlebenszeit betrug max. 19 Monate, bei den meisten Studien lag diese jedoch um 1 Jahr, etwa wie nach alleiniger systemischer Chemotherapie. Dennoch betrug die 5-JahresÜberlebensrate 27 – 32% [317, 393 – 398]. Somit existiert offenbar eine Gruppe ausgewählter Patienten, die langfristig von dieser Behandlung profitieren können. Besonders das Ansprechen auf die systemische Chemotherapie und die synchrone Peritonealkarzinose (gegenüber der metachronen) erwiesen sich als günstige Prognosefaktoren. Patienten mit Organmetastasen kommen für diese Behandlungsform nicht infrage. In Europa stammen die meisten Ergebnisse aus Frankreich, wo die Zytoreduktion mit intraperitonealer Chemotherapie die Standardbehandlung für das peritoneal metastasierte Kolonkarzinom darstellt. Beim Magenkarzinom dagegen werden noch weitere Studienergebnisse abgewartet [399]. Eine prospektiv randomisierte Studie wurde bisher nicht durchgeführt [389]. 493 Leitlinie 88. Empfehlung Über die Dauer der palliativen medikamentösen Tumortherapie sollte in Abhängigkeit vom Tumoransprechen, der therapieassoziierten Toxizität und der Patientenvorstellungen entschieden werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a de Novo: [333, 357, 421 – 425] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund In der überwiegenden Mehrzahl der Studien [357, 421 – 424] wurde die Therapie bis zur Tumorprogression, inakzeptabler Toxizität oder Zurücknahme des Einverständnisses durch den Patienten durchgeführt. In 2 Studien wurde die Dauer für die Erstlinientherapie folgendermaßen festgelegt: 1. Cunningham [333]: Maximale Therapiedauer 8 Zyklen (entspricht 24 Wochen); bei Einsatz der anthrazyklinhaltigen Regime (ECF, EOX, EOF, ECX) sollte daher – auch bei guter Verträglichkeit und Wirksamkeit – die Dauer der Erstlinientherapie auf 24 Wochen begrenzt werden. 2. Für das HD-5-FU/LV-Regime [425] wurde die Dauer der Erstlinientherapie auf 4 Zyklen von jeweils 7 Wochen begrenzt. Dabei wurde im letzten Zyklus kein Cisplatin eingesetzt. Der Nutzen einer längeren Therapiedauer ist für dieses Regime nicht belegt. 89. Konsensbasierte Empfehlung Vor dem Einsatz einer palliativen medikamentösen Tumortherapie sollte der HER-2-Status als positiver prädiktiver Faktor für eine Therapie mit Trastuzumab bestimmt werden. Die histopathologische Bestimmung am Tumorgewebe soll qualitätsgesichert durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Der prädiktive Wert der HER-2-Überexpression beruht im Wesentlichen auf der kürzlich publizierten ToGA-Studie [357]. Die Ergebnisse dieser randomisierten Phase-III-Studie zeigten, dass die Addition des HER-2-Antikörpers Trastuzumab zur Standardchemotherapie bei Patienten mit positivem HER-2-Status eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung der medianen Überlebenszeit (s. unten) bewirkt. Im Vorfeld dieser Studie war der HER-2-Status bei 3807 Patienten aus Europa, Lateinamerika und Asien bestimmt worden. Der Anteil der HER-2-positiven Magenkarzinome – in der o. g. Studie definiert als eine HER-2-Genamplifikation, nachgewiesen mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH +) oder immunhistochemisch 3-fach positiver HER-2-Expression (IHC 3 +) – lag bei 22 %. In der Subgruppe der Patienten, deren Tumore IHC3 + oder IHC2 + /FISH + waren, war der Einsatz des HER-2-Inhibitors Trastuzumab besonders wirksam. Das mediane Überleben der mit Trastuzumab behandelten Patienten in dieser Subgruppe lag bei 16 Monaten (versus 11,8 Monaten bei Therapie ohne Trastuzumab). In den Subgruppen IHC0 /FISH + und IHC1 + /FISH + konnte hingegen für die mit Trastuzumab behandelten Patienten kein Vorteil in Bezug auf die Überlebenszeit beobachtet werden. Bei kritischer Analyse liefert die ToGA-Studie lediglich einen indirekten Hinweis dafür, dass die HER-2-Überexpression prädiktiv für das Ansprechen auf Trastuzumab Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 beim Magenkarzinom ist, da HER-2-negative Patienten in die Studie nicht eingeschlossen wurden. Aufgrund der starken Analogie dieser Daten zum Mammakarzinom, wo die HER-2Inhibition als therapeutische Strategie bei HER-2-überexprimierenden Tumoren etabliert ist, wird die prädiktive Wertigkeit der HER-2-Überexpression beim Magenkarzinom als überzeugend beurteilt. Allerdings wurde für die Indikationsstellung zur Behandlung mit Trastuzumab aufgrund der Subgruppenanalyse anders als in der ToGA-Studie die HER-2-Positivität als IHC3 + oder IHC2 + /FISH + (nicht FISH + IHC neg. oder IHC 1+) definiert [357]. Hinweis für die pathologische Aufarbeitung: Die Behandlung des metastasierten Magenkarzinoms mit Trastzumab ist gemäß Europäischer Arzneimittelagentur an die Bestimmung des HER2neu-Status gekoppelt [362]. Bei der Bestimmung des HER-2-Status muss die Zuverlässigkeit der eingesetzten Nachweisverfahren sichergestellt sein. Dies beinhaltet die interne Testvalidierung, die Verwendung standardisierter Protokolle und interner Kontrollen sowie die regelmäßige erfolgreiche Teilnahme an externen Qualitätssicherungsmaßnahmen [426]. 3.10.2. Vorgehen bei Tumoren ohne HER-2-Überexpression 90. Statement Die Kombinationstherapie ist der Monotherapie mit 5-FU bzw. oralen Fluoropyrimidinen in Bezug auf die Überlebenszeit signifikant überlegen. Level of Evidence: 1a De novo: siehe Evidenzbericht [332, 335, 421, 424 – 431] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 91. Statement Indiziert ist eine systemische Platin/Fluoropyrimidin-haltige Kombinationstherapie. Bei der Indikationsstellung sind mögliche Kontraindikationen zu berücksichtigen. Level of Evidence: 1a De novo: siehe Evidenzbericht [332, 335, 421, 424 – 431] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Obwohl die für die Definition des Stellenwerts Fluoropyrimidin/Cisplatin-haltiger Therapien wesentlichen Studien [421, 425] erst in den letzten beiden Jahren publiziert worden sind, wurden Fluoropyrimidin/Cisplatin-haltige Kombinationen in den meisten aktuellen Phase-III-Studien als Referenzarm eingesetzt [332, 335, 424, 427]. Eine systematische Aufarbeitung der bis einschließlich März 2009 publizierten Literatur in einer Metaanalyse [428, 429] konnte einen statistisch signifikanten und konsistenten Überlebensvorteil für die Kombinations- im Vergleich zur Monotherapie mit 5-FU nachweisen (n = 1914 Pat. in 13 Studien; HR für das Gesamtüberleben 0,82; 95 %-KI, 0,74 – 0,90). Dies entspricht einem medianen Überleben von 8,3 versus 6,7 Monaten für die mit Kombinations- versus Monotherapie behandelten Patienten. Bei Analyse der Zeit zur Tumorprogression konnte eine noch stärkere Überlegenheit der Kombinationstherapie nachgewiesen werden (HR 0,67; 95%-KI, 0,49 – 0,93). Beim Vergleich der Toxizitäten bestanden keine signifikanten Unterschiede [430]. Randomisierte Studien zum Vergleich der Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 494 5-FU-Monotherapie versus best supportive Care fehlen. Allerdings konnte für die Monotherapie mit 5-FU eine Verbesserung der klinischen Symptome und ein Erhalt der Lebensqualität in einer randomisierten Studie nachgewiesen werden [431]. Für die weiterführende, methodische und inhaltliche Diskussion dieser Frage wird auf den Evidenzbericht, Themenbereich palliative tumorspezifische Therapie, verwiesen. 92. Statement Eine Dreifachkombination mit Cisplatin/ 5-FU und Docetaxel (DCF) führt bei einer jüngeren Patientenpopulation (median 55 Jahre) im Vergleich zu einer Zweifachtherapie mit Cisplatin/ 5-FU zu einem statistisch signifikanten Überlebensvorteil, ist jedoch mit einer höheren Rate an Toxizitäten verbunden. Level of Evidence: 1b de Novo: siehe Evidenzbericht [333, 335, 407, 427, 432, 433] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 93. Empfehlung Die Docetaxel-haltige Dreifachkombination (DCF) sollte daher nur Patienten in gutem Allgemeinzustand ohne relevante Komorbidität angeboten werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1b de Novo: siehe Evidenzbericht [333, 335, 407, 427, 432, 438] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Evaluierung von Docetaxel beim metastasierten Magenkarzinom erfolgte im Wesentlichen in der V 325-Studie, in der Docetaxel in Kombination mit Cisplatin und 5-FU mit Cisplatin/ 5-FU als Kontrollarm verglichen wurde [427]. DCF verbesserte statistisch signifikant die Zeit bis zur Progression (primärer Endpunkt) und darüber hinaus die Ansprechrate und das Gesamtüberleben (HR 0,77; log-rank p = 0,02; 2-Jahres-Überlebensrate 18,4 vs. 8,8 %). Dies übersetzte sich in einen längeren Erhalt der Lebensqualität (erhoben mittels krebsspezifischer EORTC-Fragebogen) und des Allgemeinzustands (KarnofskyIndex) der Patienten [432]. Eine weitere randomisierte PhaseII-Studie bestätigte die verbesserten Ansprechraten von DCF im Vergleich zu ECF [433], lieferte aber widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der Lebensqualität. Dabei wurde in dieser kleineren Studie eine andere methodische Herangehensweise bei der Auswertung der Lebensqualität gewählt: Roth verglich die durchschnittlichen Werte der Lebensqualität, während Ajani die Zeit bis zur Verschlechterung der Lebensqualität verglich. In der Studie von Roth betrug die Zeit bis zum Erreichen einer objektiven Remission bei DCF 1,6 Monate, im Vergleich zu 3 Monaten bei ECF. Dieser Aspekt kann bei Patienten mit hohem Remissionsdruck wie z. B. im Falle einer tumorbedingten Obstruktion und in der neoadjuvanten Situation von Bedeutung sein. Die Addition von Docetaxel zu CF in der Studie von van Cutsem [427] verschlechterte allerdings das ohnehin ungünstige hämatologische Toxizitätsprofil des CF-Schemas. Neutropenien Grad 3 und 4 traten mit DCF häufiger auf (82 vs. 57 %). Damit stieg das Infektionsrisiko während der Neutropenie von 12 % mit CF auf 29% mit DCF an. Die Nebenwirkungsraten waren bei älteren Patienten (> 65 Jahre) besonderes hoch. Eine prophylaktische Applikation von G-CSF fand in der Studie nicht statt. Es gab keine Unterschiede in der Rate toxischer Todesfälle zwischen den beiden Studienarmen [427]. Die Frage, ob die gemessenen, statistisch signifikanten Vorteile im Bezug auf Gesamtüberleben und Lebensqualität den Nachteil einer vermehrten Toxizität aufwiegt, ist Gegenstand der Diskussion [434]. Zwei wichtige Aspekte müssen bei der Interpretation der Studie von van Cutsem berücksichtigt werden [427]: 1. Das mediane Alter der Patienten in beiden Therapiearmen lag bei 55 Jahren. Damit waren die in diese Studie eingeschlossenen Patienten etwa 10 Jahre jünger als in anderen Studien [333, 335]. Die wenigen älteren Patienten litten mehr unter den Toxizitäten des DCF-Regimes. Die Ergebnisse dieser Studie sind deshalb nur mit Einschränkung auf die allgemeine Population von Patienten mit Magenkarzinomen in Deutschland zu übertragen (medianes Erkrankungsalter bei Männern je 70 Jahre, bei Frauen 75 Jahre [407]). 2. Im Vergleich zu der von Cunningham [333] publizierten Studie (75,7 – 79,5 % Patienten mit metastasierter Erkrankung in den unterschiedlichen Therapiearmen) lag der Anteil an Patienten, welche eine metastasierte Erkrankung hatten, mit 96 und 97 % in beiden Therapiearmen der V 325-Studie wesentlich höher [427]. Weiterhin wurden in die Studie von Cunningham auch Patienten mit Plattenepithelkarzinomen des gastroösophagealen Übergangs eingeschlossen (7,6 – 12,8 % in den unterschiedlichen Therapiearmen). Aufgrund dieser Unterschiede in den Patientenpopulationen sind die Ergebnisse beider Studien nur mit Einschränkung vergleichbar. Methodisch ist die genannte, von van Cutsem et al. publizierte Studie von adäquater Qualität. Sämtliche, für diese Leitlinie als relevant erachteten Endpunkte wurden mit hoher Präzision gemessen (LOE 1b). Weitere Details sind im Evidenzbericht aufgeführt. 94. Konsensbasiertes Statement Die sog. modifizierten DCF-Schemata verfügen über ein im Vergleich zum klassischen DCF verbessertes Nebenwirkungsprofil. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 95. Konsensbasierte Empfehlung Besteht eine Indikation zu einer Docetaxel-basierten Dreifachkombination, kann der Einsatz der modifizierten DCF-Schemata in Erwägung gezogen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Ziele der in der AIO durchgeführten Entwicklung „modifizierter DCF-Protokolle“ waren die Verbesserung des Nebenwirkungsprofils und die Evaluation Docetaxel-haltiger Regime bei älteren Patienten. Zwei Studien wurden publiziert. In der Gastro-Tax-1-Studie [435] erhielten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Magenkarzinom wöchentlich Folinsäure 500 mg/m2 und 5-FU 2000 mg/m2 (24 h) und an den Tagen 1, 15 und 29 jeweils Docetaxel 50 mg/m2 und Cisplatin 50 mg/m2 (T-PLF-Schema). Der Zyklus wurde an Tag 50 wiederholt. Im Studienverlauf wurde aufgrund von Toxizitäten Cisplatin und Docetaxel auf jeweils 40 mg/m2 redu- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 495 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie 496 Leitlinie Referenz Patienten Therapieregime Ansprechrate medianes Gesamtüberleben 9,2 vs. 8,2 Monate n= Van Cutsem [427] 445 36,7 vs. 25,4 % 60 T-PLF 47 % 17,3 Monate 2 Al Batran [422] 59 FLOT 57,7 % 11,1 Monate 20 Patienten hatten lokal fortgeschrittene nicht metastasierte Stadien. ziert. Auch in dieser Studie (n = 60) waren die Patienten relativ jung (medianes Alter 53 Jahre). 24 Patienten hatten lokal fortgeschrittene Tumore, 36 waren metastasiert. Die Ansprechrate betrug 47 %. Die Rate an Neutropenie Grad 3 – 4 lag bei 21,6 %, die Rate an febriler Neutropenie bei 5%. Grad 3 – 4 Durchfall und Fatigue lagen bei 20 % und 18 %. Medianes progressionsfreies und Gesamtüberleben waren 9,4 und 17,9 Monate. In der FLOT-Studie wurde das vorpublizierte FLO-Schema um Docetaxel 50 mg/m2 ergänzt [422]. 59 Patienten wurden mit einem medianen Alter von 60 Jahren eingeschlossen. 93 % der Patienten hatten eine metastasierte Erkrankung. Dosisreduktionen waren nicht nötig. 46,3 % der Patienten zeigten eine Neutropenie Grad 3 – 4, 3,7 % hatten eine febrile Neutropenie. Die Raten an Grad 3 – 4 Durchfall und Fatigue lagen bei 14,8 % und 11,1 %. Die Ansprechrate lag bei ≈ 50%. Das progressionsfreie bzw. das Gesamtüberleben lag bei 5,3 bzw. 11,3 Monaten. Zusammenfassend sprechen die vorliegenden Ergebnisse von Phase-II-Studien für eine reduzierte, besonders hämatologische Toxizität der FLOT- und T-PLF(TEX)-Schemata. Allerdings wurden keine Phase-III-Studien zum Nachweis der Nicht-Unterlegenheit dieser Schemata im Vergleich zum klassischen DCF durchgeführt. Docetaxel-haltige Zweifachkombinationen (DF oder CF) zeigten in randomisierten Studien im Vergleich zu CF keine Verbesserung der Wirksamkeit [436, 437] und stellen ▶ Tab. 2). keine Alternative zum DCF dar (● 96. Statement Oxaliplatin hat eine dem Cisplatin vergleichbare Wirksamkeit, die Toxizitätsprofile sind jedoch unterschiedlich. Level of Evidence: 1b– de Novo: siehe Evidenzbericht primäre Quellen [332, 333, 335, 439] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 97. Empfehlung Die Therapieentscheidung zwischen diesen beiden Substanzen sollte deshalb die Begleiterkrankungen des jeweiligen Patienten berücksichtigen. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1b– de Novo: siehe Evidenzbericht primäre Quellen [332, 333, 335, 439] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Oxaliplatin, ein Platinderivat der dritten Generation, hat sich in den letzten Jahren in der Therapie des kolorektalen Karzinoms einen festen Stellenwert etabliert. Wesentlicher Unterschied zum Cisplatin ist die geringere Nephrotoxizität, welche die für die Therapie mit Cisplatin notwendige Hyperhydratation überflüssig macht. Allerdings wird dieser Vorteil mit einer Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 höheren Rate an peripherer Neuropathie erkauft. Auf der Basis multipler Phase-II-Studien beim Magenkarzinom, wurden in den letzen Jahren 2 randomisierte Phase-III-Studien [333, 335] sowie eine weitere randomisierte Phase-II-Studie [332] zum Stellenwert von Oxaliplatin beim Magenkarzinom durchgeführt: Die englische REAL-2-Studie (n = 1002; [333]) hat den Stellenwert von Oxaliplatin (O) als Alternative zum Cisplatin (C) und Capecitabine (X) als Alternative zum 5-FU (F) innerhalb des ECF-Protokolls (Epirubicin, Cisplatin, 5-FU) überprüft. Eine 2 × 2-Randomisierung ergab insgesamt 4 Therapiearme (ECF, ECX, EOF, EOX). Diese Studie konnte die Non-Inferiorität von Oxaliplatin im Vergleich zum Cisplatin und von Capecitabine im Vergleich zum 5-FU belegen. Die Patienten im EOXArm (welche beide neuen Substanzen erhielten) hatten – im Vergleich zu den Patienten im ECF-Arm – zudem ein signifikant verlängertes medianes Überleben (11,2 vs. 9,9 Monate; HR 0,66 – 0,97; p = 0,02). Die Rate an thromboembolischen Ereignissen, Anämie und Leukopenie war bei den mit Cisplatin behandelten Patienten deutlich höher als unter Therapie mit Oxaliplatin. Eine 2. Studie (n = 220, [335]) verglich die Oxaliplatin-haltige Zweifachkombination FLO (5-FU, Leucovorin, Oxaliplatin) mit der Cisplatin-haltigen Kombination FLP (5-FU, Leucovorin, Cisplatin). Die Ergebnisse zeigten für die Gesamtpopulation dieser Studie nicht signifikante Trends zur Verbesserung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens. Eine ungeplante Subgruppenanalyse zeigte, dass besonders Patienten über 65 Jahre (n = 94) von dem Oxaliplatin-haltigen Protokoll FLO profitiert haben (Ansprechrate 40 vs. 16 %, progressionsfreies Überleben 6,0 vs. 3,1 Monate, Gesamtüberleben 13,9 vs. 7,2 Monate). Eine mögliche Erklärung für dieses Ergebnis ist die hohe Rate an frühen Therapieabbrüchen bei älteren Patienten im Cisplatinarm. In der Gesamtpopulation verursachte FLO signifikant weniger Grad 1 – 4 Anämie, Leukopenie, Fatigue, Übelkeit, Erbrechen, Alopezie, Nierentoxizität und thromboembolische Ereignisse als FLP. Diese Daten bestätigen die Ergebnisse einer früheren retrospektiven Analyse (n = 1080), in der Effektivität und Toxizität Cisplatin-haltiger Kombinationschemotherapien bei Patienten mit Magenkarzinomen unter 70 und ≥ 70 Jahre miteinander verglichen wurden [439]. Dabei war bezüglich der Toxizitäten insgesamt kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Altersgruppen festzustellen. Allerdings musste die Cisplatin-haltige Chemotherapie bei Patienten ≥ 70 Jahre häufiger vorzeitig abgebrochen werden (49 vs. 37 %, p = 0,06). Zusammenfassend lässt sich zum Stellenwert der Oxaliplatin- im Vergleich zu Cisplatin-basierten Therapieregimen feststellen, dass die Evidenz aus 2 großen, methodisch adäquaten, randomisierten Studien mit insgesamt 1222 Patienten gegen signifikante Unterschiede im Gesamt- und progressionsfreien Überleben zwischen den Therapieregimen spricht. Relevante Unterschiede bestehen im Toxizitätsprofil. Diese sind im Evidenzbericht im Detail aufgeführt. Der gegenüber der Evidenz abgeschwächte Empfehlungsgrad ergibt sich daraus, dass Oxaliplatin in der Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 1 DCF vs. CF Lorenzen [438] Tab. 2 Ausgewählte Studien zu Docetaxel-haltigen Kombinationstherapien. Leitlinie Patienten Therapieregime Ansprechrate medianes Überleben 10,7 Monate n= Al-Batran [335] 112 FLO 34,8 %. Al-Batran [335] 106 FLP 24,5 % 8,8 Monate Al-Batran [335] Subgruppe > 64 Jahre 46 FLO 41,3 % 13,9 Monate Al-Batran [335] Subgruppe > 64 Jahre 48 FLP 16,7 % 7,2 Monate Cunningham [333] 245 ECF 42,4 % 9,3 Monate Cunningham [333] 244 EOX 47,9 % 11,2 Monate Referenz Patienten Therapieregime Ansprechrate medianes Überleben n= Cunningham [333] 480 Capacitabin-haltig ECX oder EOX 44,6 % 10,9 Monate Cunningham [333] 484 5-FU-haltig ECF oder EOF 39,4 % 9,6 Monate Kang [332] 160 XP: Capecitabin/Cisplatin 41 % 10,5 Monate Kang [332] 156 FP 29 % 9,5 Monate gegebenen Indikation in Deutschland nicht zugelassen ist ▶ Tab. 3). (● 98. Statement Capecitabin zeigt eine dem 5-FU vergleichbare Wirksamkeit. Level of Evidence: 1a de Novo: siehe Evidenzbericht [332 – 334] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 99. Empfehlung Die orale Gabe von Capecitabin kann Patienten mit ausreichender Nierenfunktion und guter Compliance anstatt der intravenösen 5-FU-Dauerinfusion (wie z. B. bei ECF) angeboten werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a de Novo: siehe Evidenzbericht [332 – 334] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Tab. 3 Ausgewählte randomisierte Studien zum Vergleich Oxaliplatin- versus Cisplatin-haltiger Kombinationstherapien. Tab. 4 Ausgewählte randomisierte Studien zum Vergleich Capecitabine- versus 5-FU-haltige Kombinationstherapien. beider Studien für den Vergleich von Capecitabin und 5-FU zusammengefasst sind, eine signifikante Verbesserung sowohl des Gesamtüberlebens (HR 0,87 95 %-KI, 0,77 – 0,98; p = 0,02) als auch der Ansprechraten (OR 1,38 95%-KI, 1,10 – 1,73; p = 0,006) und einen Unterschied im gepoolten medianen Überleben von einem Monat (10,5 vs. 9,5 Monate) zugunsten der mit Capecitabine behandelten Patienten nachweisen. Eine statistisch signifikante Heterogenität zwischen den Studien konnte ausgeschlossen werden. Bezüglich der Toxizität sind beide Regime vergleichbar. Allerdings soll darauf hingewiesen werden, dass eine ausreichende Compliance der Patienten eine Voraussetzung für die erfolgreiche orale Therapie mit Capecitabin ist. Die Lebensqualität wurde nur in der Studie von Cunningham untersucht und zeigte keine signifikanten Unterschiede zwischen den mit 5-FU und den mit Capecitabin behandelten Patienten. Zusammenfassend spricht die Evidenz aus insgesamt 2 methodisch adäquaten Phase-III-Studien für die Nicht-Unterlegenheit von Capecitabin im Vergleich zu ▶ Tab. 4). 5-FU (● 100. Statement Hintergrund Capecitabin, ein orales Fluoropyrimidin, ist beim kolorektalen Karzinom eine etablierte Alternative zur 5-FU-Dauerinfusion. Durch den Einsatz von Capecitabine statt intravenösem 5-FU kann auf die Implantation eines venösen Portsystems, welches mit Risiken wie der Infektion und thrombembolischen Komplikationen verbunden ist, verzichtet werden. Außerdem ist bekannt, dass Patienten – bei gleicher Wirksamkeit – eine orale der intravenösen Chemotherapie bevorzugen. Die methodische Diskussion der Cunningham-Studie wurde im vorherigen Abschnitt behandelt. Zusätzlich zu den Daten von Cunningham liegt eine weitere, randomisierte Studie zum Vergleich Capecitabin- versus 5-FU-haltiger Kombinationstherapien vor [332]. Der primäre Endpunkt dieser Studie, welcher der Nachweis der Nicht-Unterlegenheit von Capecitabin plus Cisplatin gegenüber 5-FU plus Cisplatin hinsichtlich der Überlebenszeit war, wurde erreicht. Interessanterweise konnte allerdings eine kürzlich publizierte Metaanalyse [334], in der die Ergebnisse Im Rahmen von 5-FU-basierten Kombinationstherapien zeigt Irinotecan eine dem Cisplatin vergleichbare Wirksamkeit. Level of Evidence: 1a– de Novo: siehe Evidenzbericht [424, 429, 430, 440 – 442] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 101. Empfehlung Eine Irinotecan/Fluropyrimidin-basierte Kombinationstherapie kann Patienten angeboten werden, bei denen aufgrund des Nebenwirkungsprofils eine Alternative zu einer platinhaltigen Kombination sinnvoll ist. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a– de Novo: siehe Evidenzbericht [424, 429, 430, 440 – 442] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Referenz 497 Leitlinie Referenz Patienten Therapieregime Ansprechrate medianes Überleben n= Dank [424] 170 IF 32 % Dank [424] 163 CF 26 % 9,0 Monate 8,7 Monate 38 % 10,2 Monate Moehler [442] 53 Irinotecan/Capecitabine (XI) Moehler [442] 50 XP 42 % 7,9 Monate Moehler [441] 56 IF: Irinotecan/FS/ 5-FU 43 % 10,8 Monate Moehler [441] 58 ELF (5-FU/LV) 24 % 8,3 Monate Bouche [430] 44 Cisplatin/ 5-FU/LV 27 % 9,5 Monate Bouche [430] 45 Irinotecan/ 5-FU/LV 40 % 11,3 Monate Hintergrund Irinotecan wurde bisher in insgesamt 4 randomisierten Studien [424, 430, 440, 441] untersucht, in denen als Kontrollarm ein nicht Irinotecan-haltiges Regime gewählt wurde. Die Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studien [429] zeigt für das Überleben einen statistisch nicht signifikanten Überlebensvorteil für die mit Irinotecan behandelten Patienten (HR 0,86 95 %-KI 0,73 – 1,02). Die Heterogenität war nicht signifikant (p = 0,83). Bezüglich der Toxizität war eine geringere Rate an therapieassoziierten Todesfällen festzustellen (0,6 vs. 2,9 %, KI 0,08 – 1,05), die aber ebenso ohne signifikanten Unterschied war. Der gegenüber der Evidenz abgeschwächte Empfehlungsgrad ergibt sich daraus, dass Irinotecan in der Indikation in ▶ Tab. 5). Deutschland nicht zugelassen ist (● 3.10.3. Vorgehen bei HER-2-überexprimierenden/ -amplifizierenden Tumoren Tab. 5 Studien zum Vergleich Irinotecan-haltige versus CisplatinKombinationen. zeigt eine starke Analogie zum Mammakarzinom, wo die HER-2-Inhibition als therapeutische Strategie bei HER-2-überexprimierenden Tumoren bereits etabliert ist. Die Ergebnisse der ToGA-Studie führen dazu, dass die medikamentöse Therapie des metastasierten Magenkarzinoms und Adenokarzinoms des ösophagogastralen Übergangs erstmals aufgrund eines prädiktiven molekular-biologischen Faktors definiert wird. Für eine Indikation zur Therapie mit Trastuzumab wird (gemäß der Richtlinien der EMEA) die HER-2-Positivität als IHC3 + oder IHC2 + /FISH + definiert [357]. 103. Konsensbasierte Empfehlung Die Antikörper Cetuximab, Panitumumab und Bevacizumab sollten gegenwärtig außerhalb klinischer Studien nicht eingesetzt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 102. Statement Aufgrund eines nachgewiesenen Überlebensvorteils besteht bei HER-2-überexprimierenden Tumoren (IHC3 + oder IHC2 + und FISH +) eine Indikation für den Einsatz von Trastuzumab in Kombination mit Cisplatin und Fluoropyrimidinen (5-FU oder Capecitabin). Level of Evidence: 1b de Novo: siehe Evidenzbericht [357, 443] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Zum Einsatz biologischer Substanzen beim fortgeschrittenen Magenkarzinom liegen – abgesehen von Trastuzumab – gegenwärtig lediglich Ergebnisse aus Phase-II-Studien vor, in denen zumeist Cetuximab oder Bevacizumab untersucht wurden. Die Bestätigung dieser Daten in nachfolgenden Phase-III-Studien steht gegenwärtig noch aus. Weitere entsprechende Studien werden gegenwärtig durchgeführt [429]. 3.10.4. Zweit-Chemotherapie Hintergrund Die Ergebnisse einer randomisierten Phase-III-Studie zeigen, dass die Addition des HER-2-Antikörpers Trastuzumab zur Standardchemotherapie bei Patienten mit positivem HER-2Status eine signifikante und klinisch relevante Verbesserung der medianen Überlebenszeit von 11,1 auf 13,8 Monate bewirkt [357]. Im Vorfeld dieser Studie war der HER-2-Status bei 3807 Patienten aus Europa, Lateinamerika und Asien bestimmt worden. Der Anteil der HER-2-positiven Magenkarzinome – definiert als eine HER-2-Genamplifikation, nachgewiesen mittels Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (FISH +) oder immunhistochemisch 3-fach positiver HER-2-Expression (IHC 3 +) – lag bei 22% [443]. In der Subgruppe der Patienten, deren Tumore IHC3 + oder IHC2 + /FISH + waren, war der Einsatz des HER-2-Inhibitors Trastuzumab besonders wirksam. Das mediane Überleben stieg mit Trastuzumab in dieser Subgruppe auf 16 Monate (versus 11,8 Monate in der Gruppe ohne Trastuzumab). In den Subgruppen IHC0 /FISH + und IHC1 + /FISH + konnte hingegen für Trastuzumab kein Vorteil in Bezug auf die Überlebenszeit beobachtet werden. Diese Korrelation zwischen dem HER-2-Status und der Wirksamkeit von Trastuzumab Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 104. Empfehlung Patienten in gutem Allgemeinzustand sollte eine Zweit-Chemotherapie angeboten werden. Das zu wählende Behandlungsschema sollte sich nach der jeweiligen Vortherapie richten. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2b– de Novo: siehe Evidenzbericht [444 – 450] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Bei fast allen Patienten, die wegen eines lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Magenkarzinoms mit einer palliativen Chemotherapie behandelt werden, tritt im Verlauf der Behandlung eine Tumorprogression auf. In dieser Situation stellt sich die Frage nach dem Stellenwert der Second-line-Therapie. Im Gegensatz zur First-line-Chemotherapie, welche in zahlreichen großen, randomisierten Phase-III-Studien überprüft wurde, ist zur Frage der Second-line-Chemotherapie nur eine einzige prospektive, randomisierte Studie durchgeführt worden. Diese Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 498 Studie, in welche 60 Patienten/Arm eingeschlossen werden sollten, ist nach Einschluss von insgesamt 40 Patienten über 4 Jahre wegen mangelnder Rekrutierung abgebrochen worden und liegt bisher nur als Abstract vor [444]. Dabei konnte ein statistisch signifikanter und klinisch relevanter Unterschied im medianen Überleben von 123 vs. 73 Tagen (HR 0,48; 95 %KI, 0,25 – 0,92) für die mit einer Zweit-Chemotherapie versus BSC-behandelten Patienten nachgewiesen werden. Weiterhin wurden im Zeitraum von Januar 2004 – März 2009 26 prospektive, einarmige Phase-II-Studien zur Second-line-Chemotherapie identifiziert, in die insgesamt 1081 Patienten einbezogen wurden. Diese sind im Evidenzbericht detailliert dargestellt. Die medianen Überlebenszeiten in den einzelnen Studien lagen zwischen 4,7 und 13,4 Monaten, die gepoolte mediane Überlebenszeit lag bei 7,1 Monaten, die mittlere Responserate beträgt 18,4 % (95 %-KI 16,0 – 21 %). Des Weiteren liegen zur Frage der Second-line-Therapie mehrere aktuelle retrospektive Analysen und eine Übersichtsarbeit [446] vor, deren Ergebnisse die Daten der Phase-II-Studien bestätigen. Die Erfassung der Lebensqualität während der Second-line-Therapie erfolgte nur in einer einzigen Studie [447], welche nach der Chemotherapie eine Verbesserung der Lebensqualität und des globalen Gesundheitsstatus nachweisen konnte. Der einzige relevante prognostische Faktor, der in allen Arbeiten bestätigt wurde, ist der Performance-Status. Mögliche Therapieregime sind die Monotherapie mit Irinotecan (z. B. Irinotecan 250 mg/m2 alle 3 Wochen [444], Taxanen (z. B. Docetaxel 75 mg/m2 alle 3 Wochen, [448]) sowie die unterschiedlichsten Kombinationsregime [449, 450]. 3.11. Weitere palliative Situationen und deren Therapie 3.11.1. Palliative Therapieoptionen 105. Konsensbasiertes Statement Die Wahl des palliativen Therapieverfahrens einer symptomatischen Tumorstenose des Magens hängt v. a. von der Tumorlokalisation, -ausdehnung und Schwere der Symptomatik ab. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens 106. Konsensbasiertes Statement Im Magen kommen optional in erster Linie eine Stentimplantation oder Anlage einer Gastroenterostomie, ferner eine jejunale Ernährungsfistel oder eine palliative Bestrahlung in Betracht. Eine palliative Magen(teil)resektion sollte nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden, da es keine hinreichende Evidenz für einen Vorteil dieser Operation gibt. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens 107. Konsensbasiertes Statement Im Bereich des ösophagogastralen Übergangs bieten interventionelle endoskopische Verfahren wie Stentimplantation eine raschere Wirksamkeit gegenüber einer Strahlentherapie und sind daher für eine rasche Symptomlinderung zu favorisieren. Der Effekt einer endoluminalen oder perkutanen Strahlentherapie scheint langfristig aber günstiger zu sein. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Symptomatische Stenosen des Magens kommen in den meisten Lokalisationen erst bei lokal weit fortgeschrittener Erkrankung und daher oft bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand vor. Eine rasche Linderung ist daher vorrangiges Behandlungsziel und kann durch interventionelle Maßnahmen am schnellsten erzielt werden. Während endoskopische Verfahren und Gastroenterostomie hinsichtlich ihrer Effektivität gut dokumentiert sind, sind nur wenige Angaben zur Wirksamkeit der Radiotherapie in dieser Indikation zu finden. Im direkten Vergleich von palliativer Resektion und Gastroenterostomie zeigte sich in einer insgesamt 285 Patienten umfassenden Studie [451] zwar eine signifikant, um 3 Monate längere mittlere Überlebenszeit der resezierten Patienten bei jedoch höherer Morbidität und längerem Krankenhausaufenthalt. Zudem ging die Lebensqualität nicht mit in die Analyse ein. In einer systematischen Übersichtsarbeit [452] und einer Metaanalyse [453] zeigten sich für Stent und Gastrostomie keine wesentlichen Unterschiede bei den Raten größerer Komplikationen und Mortalität. Die Erfolgsraten wurden widersprüchlich angeben. In der Metaanalyse wurden bessere Erfolgsraten für das Stentverfahren beschrieben, in der systematischen Übersichtsarbeit die Ergebnisse als gleichwertig beurteilt. Geringere Morbidität und raschere Nahrungsaufnahme sprechen für das Stentverfahren. Der Effekt der operativen Therapie war jedoch hinsichtlich der Dauer der Symptomfreiheit überlegen. Die meisten Untersuchungen zur palliativen lokalen Therapie unterscheiden nicht zwischen Tumoren des Ösophagus und speziell Adenokarzinomen des ösophagogastralen Übergangs. Signifikante Unterschiede zwischen einzelnen Brachytherapie-Regimen scheinen nicht zu bestehen. Da Tumoren mit erheblicher Ausdehnung in die Tiefe (sog. Bulk-Läsionen) mit einer Brachytherapie schlecht zu therapieren sind, kann in diesen Fällen ggf. eine zusätzliche perkutane Bestrahlung sinnvoll sein. Darüber hinaus bietet sich die Möglichkeit der Anlage einer jejunalen Ernährungsfistel, bei technischer Durchführbarkeit einer PEG. Eine palliative Ösophagusresektion sollte nicht durchgeführt werden. Ergebnisse im Detail: In der prospektiv randomisierten SIRECStudie [454] wurden Stentimplantation und Einzeit-Brachytherapie an 209 Patienten verglichen. Dabei zeigte sich eine raschere Symptomlinderung durch die Stentimplantation, der Effekt der Brachytherapie war jedoch länger anhaltend. Komplikationsraten, v. a. Blutungen waren bei mit Stent behandelten Patienten häufiger, die Lebensqualität der mit Brachytherapie behandelten Patienten besser. Die Studie wird allerdings z. T. wegen der verwendeten älteren Stent-Modelle kritisiert. Die Ergebnisse wurden in einer weiteren kleineren prospektiv randomisierten Studie [455] mit 65 Patienten in wesentlichen Details bestätigt. In der prospektiv randomisierten LAEA-Studie [456] wurden 2 verschiedene Brachytherapie-Dosierungschemata verglichen (18 Gy in 3 vs. 16 Gy in 2 Behandlungen). Relevante Unterschiede zeigten sich dabei nicht. Die prospektiv randomisierten BrachytherapieStudien zeigen trotz teilweise voneinander abweichender Behandlungsschemata insgesamt ähnliche Ergebnisse. Die prospektiv randomisierte HDRILBT-Studie [457] untersuchte an 60 Patienten den Effekt einer zusätzlich zur Brachytherapie applizierten perkutanen Bestrahlung. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede. In Folge der sehr kleinen Patientenanzahl und der zugrunde liegenden Ein- und Ausschlusskriterien werden die Ergebnisse jedoch als nicht ausreichend valide angesehen. Bei der Auswahl der Therapieverfahren können prognosti- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 499 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Quelle Evidenzlevel n Pat. MET- MÜZ (Mon.) 1-JÜR (%) 5-JÜR (%) 76 42 Lokalisation [465] 4 30 Leber 23 [466] 4 42 Leber 34 31 26 [467] 4 37 Leber [468] 3a 216 Leber [463] 4 36 Leber 64 26 [469] 4 41 Leber 75 21 [464] 3b 33 Ovar 75 0 Tab. 6 Studie zu 1- und 5-JahresÜberlebensraten bez. der Resektion von Krukenberg-Tumoren. 11 11 17 sche Indizes hilfreich sein, das für den Patienten sinnvollste Therapieregieme zu finden [458]. 3.11.3. Palliative operative Therapie 111. Konsensbasiertes Statement 3.11.2. Therapie der Tumorblutung 108. Konsensbasiertes Statement Die Wahl des Therapieverfahrens zur Behandlung einer tumorbedingten Blutung hängt von der Blutungslokalisation und -stärke ab. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 109. Konsensbasierte Empfehlung Sollte bei Tumorblutungen im Magen endoskopisch keine Blutstillung möglich sein, sollte bei einer starken Blutung eine angiografische Embolisation oder eine palliative Resektion erwogen werden. Eine palliative Radiotherapie kann bei chronischer Sickerblutung sinnvoll sein. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 110. Konsensbasierte Empfehlung Bez. Tumorblutungen speziell im Bereich des ösophagogastralen Übergangs gibt es keine relevanten Studien für nicht endoskopische lokale palliative Verfahren. Eine palliative Radiotherapie kann auch hier nach Versagen endoskopischer Therapiemaßnahmen bei chronischer Sickerblutung sinnvoll sein. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Sollte bei Tumorblutungen im Magen endoskopisch keine Blutstillung möglich sein, kann eine palliative Radiotherapie, ggfs. angiografische Embolisation oder als Ultima Ratio eine palliative Resektion erwogen werden. Relevante Studien bez. nicht endoskopischer lokaler palliativer Verfahren zur Behandlung von Tumorblutungen im Bereich des ösophagogastralen Übergangs existieren nicht. Während endoskopische Therapieverfahren bei oberen gastrointestinalen Blutungen in der Routine gut etabliert sind, liegen zu nicht endoskopischen Verfahren lediglich retrospektive Auswertungen vor. Dabei handelt es sich zumeist um kleinere Patientenkollektive. Den Arbeiten ist oftmals nicht zu entnehmen, ob die Indikationen zu alternativen Therapieverfahren wegen ungenügendem Ansprechen bzw. ausbleibendem Erfolg der endoskopischen Verfahren gestellt wurden. In diesen Arbeiten werden Ansprechraten der palliativen Radiotherapie von 50 – 70% angegeben [199, 459 – 462]. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Gegenwärtig liegt für die Effektivität einer lokalablativen oder operativen Therapie von synchronen oder metachronen Metastasen in Bezug auf das Überleben keine ausreichende Evidenz vor. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Einige Patienten mit metastasiertem Magenkarzinom profitieren jedoch unter bestimmten Voraussetzungen von einer Resektion des Primärtumors und der Metastasen. Dies betrifft insbesondere Patienten mit metachronen, solitären, resektablen Lebermetastasen in gutem Allgemeinzustand ohne Peritonealkarzinose bzw. extrahepatische Metastasen bzw. solche, die gut auf eine systemische Chemotherapie angesprochen haben. Auch die Resektion solitärer Ovarialmetastasen (Krukenberg-Tumoren) scheint für bestimmte Patientinnen unter ähnlichen Voraussetzungen erwägenswert. Ergebnisse im Detail: Die meisten Studien zur Resektion von Lebermetastasen von Magenkarzinomen umfassen lediglich kleine Kollektive von 30 – 42 Patienten. Dabei wurden 1-Jahres-Überlebensraten von bis zu 76% und 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 42 % beschrieben. Diese Studien wurden in einer Übersichtsarbeit [463] zusammengefasst (insgesamt 216 Patienten), wobei sich eine 5-Jahres-Überlebensrate von 11 % zeigte. Ein direkter Vergleich mit Patienten, die in ähnlicher klinischer Konstellation eine palliative Chemotherapie erhielten, erfolgte nicht. Bezüglich der Resektion von Krukenberg-Tumoren kann nur auf sehr spärliche Daten zurückgegriffen werden. Eine 33 Patienten umfassende diesbez. Studie [464] erbrachte eine 1-Jahres-Überlebensrate von 75 % und 5-Jahres-Überlebensrate von ▶ Tab. 6). 0 % (● 3.11.4. Chemotherapie-refraktärer maligner Aszites 112. Konsensbasiertes Statement Die Peritonealkarzinose mit regelmäßig punktionswürdigem Aszites entwickelt sich bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung und kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Die Standardtherapie des symptomatischen, Chemotherapierefraktären malignen Aszites ist die Parazentese. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 500 113. Empfehlung Bei Chemotherapie-refraktärem malignem Aszites kann zur Verlängerung des punktionsfreien Intervalls die Anwendung des intraperitoneal applizierbaren Antikörpers Catumaxomab erwogen werden. Empfehlungsgrad: 0 Level of Evidence: 2b de Novo: siehe Evidenzbericht [470 – 472] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die Peritonealkarzinose mit regelmäßig punktionswürdigem Aszites entwickelt sich bei Patienten im fortgeschrittenen Stadium der Krebserkrankung und kann die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Bisher gibt es im Chemotherapie-refraktären Verlauf keine evidenzbasierte Standardtherapie. Bei Patienten mit vornehmlich therapierefraktärem, malignen Aszites kann der neu zugelassene intraperitoneal applizierbare Antikörper Catumaxomab erwogen werden [470]. Der trifunktionale Antikörper Catumaxomab bindet zielgerichtet an Immunzellen und an epitheliale Zell-Adhäsionsmoleküle (EpCAM-Oberflächenantigen) von Tumorzellen, die bei Karzinomen des Magen-DarmTraktes ubiquitär, aber nicht auf gesundem Gewebe im Bauchraum nachweisbar sind. Im Gegensatz zum Ovarialkarzinom gibt es für Chemotherapie-refraktäre Magenkarzinome mit Peritonealkarzinose und regelmäßig punktionswürdigem Aszites keine evidenzbasierte Standardtherapie, auch wenn eine intraperitoneale Chemotherapie (z. B. mit Cisplatin in Einzelfällen eine Tumorstabilisierung und eine Besserung der Lebensqualität erreichen konnte [471]. Eine internationale randomisierte Phase-II/III-Studie ergab eine statistisch signifikante Verbesserung des primären Studienendpunkts „punktionsfreies Überleben“ für Patienten, die den Antikörper Catumaxomab mit supportiver Therapie (BSC) gegenüber BSC alleine erhalten hatten [470]. Eine Subgruppe von Catumaxomab-behandelten Patienten mit Magenkarzinomen zeigte eine deutliche Verlängerung der Zeit bis zur nächsten notwendigen therapeutischen Punktion von 15 auf 118 Tagen. Dies führte zu einer signifikanten Verbesserung der Lebensqualität. Häufige Nebenwirkungen wie Fieber und CRP-Anstieg, bedingt durch die immunologisch vermittelte Zytokinfreisetzung, sind zu berücksichtigen [470, 472]. 3.12. Supportive Maßnahmen 3.12.1. Fatigue-Syndrom 114. Empfehlung Zur Reduzierung des Fatigue-Syndroms sollte ein sich an der individuellen Belastungsfähigkeit orientierendes Ausdauertraining durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2a de Novo: [30, 473 – 486] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Auf Grundlage der Cochrane Übersichtsarbeit [473], die insgesamt 28 Studien miteinbezogen hat, kann die Aussage getroffen werden, dass Bewegungstherapie eine sichere und leicht durchzuführende Intervention ist, die wirkungsvoll gegen das krebs- bedingte Fatigue-Syndrom eingesetzt und so den Betroffenen die Bewältigung ihrer Beschwerden erleichtern kann. Die Übersichtsarbeit zeigt, dass Trainingsprogramme während und unmittelbar nach der regulären Krebsbehandlung die Intensität des Fatigue-Syndroms verringern können. Durch die Heterogenität der verwendeten Studien kann keine Empfehlung über Dauer oder Frequenz der Bewegungstherapie ausgesprochen werden. Hier ist der jeweilige individuelle Belastungszustand zu berücksichtigen. In Bezug auf die Bewegungsformen empfehlen wir aufgrund der vorliegenden Übersichtsarbeiten vor allem Ausdauertraining auf geringem Level. Es können nur Aussagen für Krebserkrankungen im Allgemeinen gemacht werden, da keine Evidenz für Magenkrebs im Speziellen nachzuweisen ist. Die Übersichtsarbeit von Cramp und Daniel, setzt sich mit verschiedenen Krebsarten auseinander und macht so deutlich, dass die Aussagen ebenfalls auf Magenkrebs übertragen werden können. Darüber hinaus untermauern verschiedene Übersichtsarbeiten und Studien, dass die Bewegungstherapie zur Verbesserungen der gesundheitsbezogenen bzw. krebsbezogenen Lebensqualität als Resultat einer verbesserten Ausdauer, der körperlichen Funktionen, verbesserter Kraftausdauer und Beweglichkeit beitragen können ([473 – 486], nähere Details zur Literatur im Leitlinienreport). 3.12.2. Zusammenfassung weiterer Maßnahmen 3.12.2.1 Diarrhö Zur Prophylaxe der Chemotherapie- oder Radiotherapie-induzierten Diarrhö dient der Verzicht auf würzige, stark fetthaltige Speisen, alkohol- und koffeinhaltige Nahrungsmittel. Ballaststoffreiches Essen und motilitätsfördernde Maßnahmen sind sinnvoll. Durch eine verbesserte individuelle 3D-gestützte Bestrahlungsplanung wird das Volumen der Mukosa im Bestrahlungsfeld reduziert. Die Behandlung der frühen radiogenen oder Chemotherapie-induzierten Diarrhö unterscheidet sich jedoch nicht von derjenigen durch andere Ursachen. Mittel der ersten Wahl zur Behandlung von Chemotherapie-induzierter Diarrhö ist Loperamid. Bei therapierefraktären Situationen kann Octreotid angewendet werden. Bei ClostridiumtoxinNachweis im Stuhl wird Metronidazol oder Vancomycin oral angewandt (DKG Leitlinien O 9 Schleimhaustoxizität S. 381 [474]). 3.12.2.2. Obstipation Zur Prophylaxe und Behandlung von Obstipation sind diätetische Maßnahmen beim Tumorpatienten selten effektiv durchführbar. Wiederherstellen alter Stuhlgewohnheiten, geeignete Sitzerhöhungen auf Toiletten, Wahrung der Intimsphäre, Kolonmassage etc. sind hilfreiche ergänzende Maßnahmen. Quellmittel sind relativ kontraindiziert, da diese Patienten in der Regel nicht die erforderliche Trinkmenge aufnehmen und diese für den Erfolg entscheidend ist. Da viele Patienten eine Abneigung gegen Medikamente haben, sind kleine Tricks sehr hilfreich (Auflösen in Getränken mit starkem Eigengeschmack, Kühlen der Substanz). Ein stufenweiser Aufbau der laxativen Medikation wird empfohlen, wobei eine frühzeitige Kombination verschiedener Wirkprinzipien zur Reduktion der zumeist dosiskorrelierten Nebenwirkungen sinnvoll sein kann. Eine chronische Obstipation, wie sie z. B. bei 90 % der Opioid-Patienten auftritt, wird prophylaktisch behandelt [474]. Bei der medikamentösen Therapie ist eine Kombination mehrerer Wirkprinzipien sinnvoll mit dem Ziel der Dosisreduktion zur Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 501 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie 502 Verringerung der zumeist dosiskorrelierten Nebenwirkungen. Zur Linderung von Symptomen einer Darmobstruktion, die durch maligne Vorgänge hervorgerufen wird, dienen Octreotid und Kortikosteroide, falls eine interventionelle Therapie nicht angebracht oder möglich ist [475]. Nicht wirksam bei Obstipation sind Prokinetika wie Metoclopramid oder Domperidon [30]. 3.12.2.3. Übelkeit und Erbrechen Die Einteilung von Chemotherapie-induzierter Übelkeit und Erbrechen erfolgt in 3 Formen nach zeitlichen Gesichtspunkten: 1. akutes Erbrechen/Übelkeit: Innerhalb der ersten 24 h nach Chemotherapie auftretend, ist hauptsächlich durch Serotonin-Freisetzung aus enterochromaffinen Zellen vermittelt. 2. verzögertes Erbrechen/Übelkeit: Nach 24 h bis 5 Tagen nach Chemotherapie auftretend, hauptsächlich durch Substanz-PVermittlung. 3. antizipatorisches Erbrechen/Übelkeit: Auftreten erst nach erfolgter Chemotherapie, ist Folge klassischer Konditionierung nach vorausgegangener Übelkeit und Erbrechen. Im klinischen Alltag spielen das akute und verzögerte Erbrechen die Hauptrolle. Das emetogene Potenzial der Chemothe▶ Tab. 7). rapie wird zu Beginn festgelegt (● ▶ Tab. 7 sind die Empfehlungen der Perugia Consensus In ● Conference on Antiemetic Therapy 2009 für die Chemotherapie zusammengefasst. Es zählt das Zytostatikum mit dem jeweils höchsten emetogenen Potenzial, da durch weitere Zytostatika kein additiver Effekt besteht. Prophylaktisch wird vor der Chemotherapie ein Antiemetikum, entsprechend dem emetogenen Potenzial der Chemotherapie, gegeben. Die orale Gabe der Antiemetika ist der intravenösen Gabe ebenbürtig und die 1-mal tägliche Gabe ausreichend. Die 5-HT3Antagonisten der ersten Generation unterscheiden sich in Wirksamkeit oder Nebenwirkungsspektrum nicht wesentlich. Palonosetron ist ein 5-HT3-Rezeptorantagonist, der als i. v. 1 Formulierung vorliegt und mit verbesserten Eigenschaften die Differenzialtherapie verbessert. Aprepitant potenziert als NK 1-Rezeptorantagonist in Kombination mit einem 5-HT3Antagonisten die Effektivität der antiemetischen Prophylaxe in der Akutphase und reduziert das verzögerte Erbrechen. ▶ Tab. 8) sollte zusätzBei hochemetogener Chemotherapie (● lich Dexamethason eingesetzt werden [476 – 478]. ▶ Vorgehen bei Mehrtages-Cisplatin-Chemotherapie ▶ Prophylaxe an den Tagen der Cisplatin-Therapie (akute Phase): 5-HT3-RA + Steroid + NK 1-RA ▶ Prophylaxe 2 – 3 Tage nach Ende der Chemotherapie (verzögerte Phase): Steroid. (ASCO Empfehlungsgrad: IIA) ▶ Die zusätzliche Gabe von Aprepitant kann erwogen werden. Weitere Tabellen zur Information können unter www.mascc. org bzw. www.ASORS.de eingesehen werden. Tab. 7 Emetogenes Potenzial intravenös applizierter Zytostatika und Biologicals. hoch (Emesis-Risiko ohne antiemetische Prophylaxe > 90 %) Cisplatin moderat (Emesis-Risiko ohne antiemetische Prophylaxe 30 – 90 %) Carboplatin Irinotecan Doxorubicin Oxaliplatin gering (Emesis-Risiko ohne antiemetische Prophylaxe 10 – 30 %) Catumaxomab Gemcitabin Cetuximab Methotrexat (> 100 mg/m 2) Docetaxel Paclitaxel Etoposid i. v. Panitumumab 5-Fluorouracil Trastuzumab minimal (Emesis-Risiko ohne antiemetische Prophylaxe < 10 %) Bevacizumab Vincristin Methotrexat (< 100 mg/m 2) Vinorelbin emetogenes akute Phase (bis 24 h nach Chemo- verzögerte Phase (ab Stunde 24 bis Tag 5 Potenzial therapie) nach CTX) Hoch 5-HT3-RA Granisetron; 2 mg p. o./ 1 mg i. v. Ondansetron; 16 – 24 mg p. o./ 8 mg i. v. Palonosetron; 0,25 mg i. v. Tropisetron; 5 mg p. o./i. v. Dolasetron; 200 mg p. o./ + Steroid Dexamethason; 12 mg p.o/i. v. + NK-1-RA Aprepitant; 125 mg p. o. oder Fosaprepitant 115 mg i. v. Steroid Dexamethason; 8 mg p.o/i. v. Tag 2 – 4 + NK-1-RA Aprepitant; 80 mg p. o. Tag 2 – 3 Moderat 5-HT3-RA, Palonosetron bevorzugt + Steroid Dexamethason; 8 mg p.o/i. v. Steroid Dexamethason, 8 mg p.o /i. v. Tag 2 – 3 alternativ (nicht 1. Wahl) 5-HT3-RA, (Dosis s. o.) alternativ Metoclopramid 3 – 4 × tgl. 30 – 40 Trpf. 3 Gering Steroid Dexamethason; 8 mg p.o/i. v. keine Routineprophylaxe Minimal keine Routineprophylaxe keine Routineprophylaxe Metoclopramid ist nicht Bestandteil der MASCC/ESMO-Leitlinien. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Epirubicin Daunorubicin Tab. 8 Antiemetische Prophylaxe des Chemotherapie-induzierten Erbrechens, gemäß der interdisziplinären Leitlinien der DKG und der MASCC 2009. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie 3.12.2.4 Strahleninduzierte Übelkeit und Erbrechen Drei Formen der strahleninduzierten Nausea und Emesis werden unterschieden: akut, verzögert und antizipatorisch. Die Intensität der Emesis ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Die Risikostratifizierung erfolgt unter Berücksichtigung der Emetogenität der Strahlen- und Chemotherapie (abhängig von der bestrahlten Lokalisation, der Einzeldosis, der Feldgröße) und der individuellen Risikofaktoren (Patientencharakteristika). Bei einer kombinierten Radiochemotherapie wird zusätzlich die Emetogenität des eingesetzten Chemotherapeutikums berücksichtigt. Die antiemetische Prophylaxe richtet sich nach dem Therapieregime mit der höchsten emetogenen Stufe. Aktuelle Leitlinien der MASCC (einzusehen unter: www.mascc. org) empfehlen, für Strahlen- und Chemotherapien mit hochund mäßig-metogenem Potenzial eine prophylaktische Antiemese anzuwenden, bei niedrigem oder minimalem Risiko erst beim Auftreten von Symptomen [487]. Beim antizipatorischem Erbrechen stehen verhaltenstherapeutische Maßnahmen im Vordergrund; medikamentös ist es kaum beeinflussbar. Niedrig dosierte Benzodiazepine können zur Prävention verwendet werden [479]. 3.12.2.5. Mukositis Ziel supportiver Maßnahmen ist die langfristige Einbindung des Patienten in ein peritherapeutisches Betreuungskonzept, in dem Prävention und Therapie miteinander verknüpft sind und durch kontinuierliche Anleitung und Motivation des Patienten ergänzt werden). Mangelhafte Mundhygiene mit weichen und harten Zahnbelägen (Plaque, Zahnstein) sind die wichtigsten Risikofaktoren. Das individuelle Risiko wird zusätzlich durch Alkohol- und Nikotinabusus, stark gewürzte, saure Speisen sowie Diabetes mellitus, Hormonstatus bzw. -therapie, Kortison-Langzeittherapie etc. moduliert. Unter der Therapie mit Antimetaboliten, insbesondere bei 5-FU und Methotrexat, kann es zur foudroyant verlaufenden Sonderform der akut nekrotisierenden ulzerösen Gingivitis (ANUG) kommen. Eine weitere, langfristig bestehende Keimgefährdung besteht in der Candidabesiedlung der Mundhöhle, die neben der oralen Mukositis auch eine Ausbreitungsgefahr birgt zur radiogenen Soor-Ösophagitis bis zur chronisch atrophischen Soor-Infektion mit Ösophagusstrukturen [474]. Grundlage ist eine optimale Mundhygiene mit regelmäßigen Mundspülungen, dabei sind die Inhaltsstoffe der Spüllösungen von untergeordneter Bedeutung. Kamillentee ist ungeeignet wegen einer möglichen Verstärkung der Xerostomie. Eine adäquate analgetische Versorgung ist obligat; sie umfasst topische und systemische Schmerzmittel nach individuellem Bedarf und eine zielgerichtete, systemische, antiinfektive Therapie bei Infektion [479] (http://www.onkosupport.de/asors/content/e974 / e2538 /e2541 /e2549 /071 123_). 3.12.2.6. Hand-Fuß-Syndrom Ausgelöst durch Fluorouracil als Dauerinfusion oder orale 5-FUDerivate, z. B. häufig bei Capecitabin, kommt es zu schmerzhaften, erythematösen Hautläsionen, v. a. im Bereich der Handinnenflächen und Fußsohlen, häufig verbunden mit einer lokalen Druckempfindlichkeit und Parästhesien, in schweren Fällen mit Blasenbildung und Hautablösungen. Bereits bei Frühsymptomen (Rötung, Hautablösung, kleine Risse, Schwellungen, Kribbeln, Jucken oder Taubheitsgefühl) werden die betroffenen Stellen gekühlt [474]. 3.12.2.7. Anämie Tumorbedingte oder Chemotherapie-induzierte Anämie stellt eine besondere Herausforderung dar. Die Anämie ist bedeutsam für Leistungsfähigkeit und Lebensqualität [488] und sollte bei Symptomatik bis zu einem Hb von 12 g/dl ausgeglichen werden. Die Therapie der zugrunde liegenden Störung erfolgt nach Diagnosestellung und ist abhängig von der Grunderkrankung oder der spezifischen Ursache der Anämie. Die Datenlage zum Einfluss einer Anämie auf das Überleben ist widersprüchlich [480, 481] (http://www.krebsgesellschaft.de/ download/ll_o_05.pdf). Die Therapie der Anämie kann mittels Transfusionen oder Erythropoetin erfolgen ([489], Rizzo). Transfusionen sind nach den Leitlinien der Bundesärztekammer ab einem Hb-Wert von 8 g/dl indiziert. Bei einer chronischen Eisenmangelanämie (nutritiv oder blutungsbedingt) ist die orale Gabe von Fe-II-Verbindungen (100 – 300 mg/d) angezeigt. Alternative bei Unverträglichkeit oder Resorptionsstörungen (Kurzdarm etc.) ist die parenterale Gabe von Eisen(III)Komplex. Bei akutem Blutverlust muss bei einem Hb < 8 g/dl die Transfusionsindikation für Erythrozytenkonzentrat (EK) geprüft werden. Bei chronischer Anämie werden zum Teil deutlich niedrigere Hb-Werte zwischen 6 und 8 g/dl ohne Symptome toleriert, deswegen besteht in diesen Fällen keine unbedingt zwingende Indikation zur Erythrozyten-Transfusion. Patienten mit koronarer Herzkrankheit, COPD oder einer bestehenden Gefahr zerebraler Perfusionsstörungen sollten jedoch bereits bei einem Hb < 10 g/dl transfundiert werden. Bei Tumorpatienten, die mit einer Chemo- oder Radiochemotherapie behandelt werden, kann eine Behandlung mit Erythropoetin ab einem Hb-Level von < 10 g/dL initiiert werden. Bei Patienten mit einem Hb-Level unter 9 g/dL sollte untersucht werden, ob eine Transfusionstherapie, zusätzlich zu der Behandlung mit Erythropoetin, benötigt wird. Bei asymptomatischen anämischen Patienten mit einem Hb Level < 11 g/dL sollte eine Therapie mit Erythropoetin in Betracht gezogen werden, um eine weitere Abnahme des Hb-Levels zu verhindern. Bei Patienten mit normalem oder nahezu normalem Hb-Level zu Beginn einer Chemotherapie und/oder Radiotherapiebehandlung wird die prophylaktische Behandlung mit Erythropoetin zur Prävention einer Anämie nicht empfehlen. Bis die Behandlung beendet wird, sollte der Hb-Level möglichst bei 12 g/dl liegen und die Patienten sollten eine Besserung der Symptomatik vermerken [482 – 484]. Zusätzlich ist der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17.6.2010 über eine Änderung der ArzneimittelRichtlinie (AM-RL) zu berücksichtigen mit der Anlage IV zum Therapiehinweis zu Erythropoese-stimulierenden Wirkstoffen zur Behandlung der symptomatischen Anämie bei Tumorpatienten, die eine Chemotherapie erhalten (http://www.g-ba. de/downloads/ 39 – 261 – 1150 /2010 – 06 – 17_AM-RL4_Erythropoese.pdf). Die evidenzbasierten Guidelines der EORTC zur Therapie der Anämie mit EPO sind unter www.onkosupport. de und die Leitlininen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) unter www.dgho.de/onkopedia/ Supportiv detailliert aufgeführt. 3.12.2.8. Prophylaxe und Behandlung der Neutropenie und Infektion Die aktuellen Empfehlungen von DGHO, DKG, NCCN, ASCO bzw. EORTC, G-CSF bereits bei einem Risiko der febrilen Neutropenie ≥ 20% einzusetzen, basieren auf randomisiert kontrollierten Studien. Diese zeigen, dass Patienten mit einem febrilen Neutro- Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 503 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Abb. 4 Therapieprotokoll für Patienten mit niedrigem Risiko. penie(FN)-Risiko von 20% und mehr von G-CSF signifikant profitieren. Wird eine Chemotherapie geplant, die ein moderates FN-Risiko (10 – 20%) induziert, empfehlen die Leitlinien vor jedem Chemotherapiezyklus das individuelle FN-Gesamtrisiko zu beurteilen und dabei pat.- bzw. tumorbezogene Risikofaktoren zu berücksichtigen (http://www.dgho.de/onkopedia/Supportiv). Eine routinemäßige Infektionsprophylaxe mit Antibiotika wird wegen des Risikos der Resistenzentwicklung bei den hier verwendeten Chemotherapieprotokollen des Magenkarzinoms nicht empfohlen. Die folgenden Definitionen sind aus der Leitline der DGHO entnommen, die als Kurzfassung in den Leitlinen der Deutschen Krebsgesellschaft aufgeführt sind (www.dgho-infektionen.de). Genauere Details können auf der obengenannten Internetadresse eingesehen werden. Die Neutropenie (Granulozytopenie) wird mit den folgenden Werten definiert: neutrophile Granulozyten (Segment- und Stabkernige) < 500/mm3 oder < 1000 /mm3 mit einem erwartetem Abfall < 500 /mm3 innerhalb der nächsten 2 Tage. Zudem werden die Patienten bestimmten Risikogruppen zugeordnet, je nach erwarteter Neutropeniedauer und bestimmten Riskofaktoren; z. B. die Niedrigrisiko-Gruppe mit einer Neutropeniedauer ≤ 5 Tage. Als Fieber unklarer Genese (fever of unknown origin, FUO) wird neu aufgetretenes Fieber ohne richtungweisende klinische oder mikrobiologische Infektionsbefunde gewertet, das einmalig ohne erkennbare Ursache von ≥ 38,3 °C oder für mindestens eine Stunde anhaltend ≥ 38,0 °C oder 2-mal innerhalb von 12 h aufgetretend ist. Dieses Fieber muss als Infektionszeichen gewertet werden. Die Therapie muss innerhalb von 2 h beginnen, die Diagnostik darf den Therapiebeginn nicht verzögern. Als Beispiel einer ambulanten Therapie für Niedrigrisiko▶ Abb. 4. Sollte für den Patienten im Therapiepatienten gilt ● verlauf sich eine höhere Risikogruppe ergeben, kann die ▶ Abb. 5 verfolgt werden. Therapiestrategie nach ● 3.12.2.9. Impfungen nach Splenektomie Ein sehr hohes Risiko für bakterielle Sepsis (bekapselte Erreger) und das OPSI-Syndrom (overwhelming postsplenectomy Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 infection) durch Streptococcus pneumoniae besteht bei Patienten, bei denen die Milz im Rahmen einer onkologischen Therapie bestrahlt wurde oder bei denen eine Milzexstirpation durchgeführt wurde. Laut STIKO werden diese Patienten mit funktioneller Asplenie nicht als „severely immunocompromised“ eingestuft und können daher alle empfohlenen Impfungen zeitgerecht erhalten. Totimpfstoffe sind unbedenklich einzusetzen. Bei Lebendimpfstoffen fehlen spezifische Studien, theoretisch spricht nichts gegen die Immunisierung entsprechend der allgemeinen Impfempfehlung. Speziell empfohlene Impfungen sind Diphtherie, Tetanus, Pertussis, inaktivierte Poliovakzine (IPV) und Hepatitis B. Der Konjugat-Impfstoff gegen Pneumokokken ist bei deutlich erhöhtem Erkrankungsrisiko indiziert. Eine Boosterimpfung ist nach derzeitiger Datenlage nicht erforderlich. Gegen Hämophilus Influenzae B (Hib) sollte geimpft werden, da theoretisch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko besteht, ebenso gegen Meningokokken, je nach Alter des Patienten mit Konjugat- bzw. Konjugat- gefolgt von Polysaccharid-Impfstoff. Jährlich ist die Influenza-Impfung indiziert, um das Auftreten von Sekundärerkrankungen zu verringern, wie z. B. Pneumokokken-Infektionen [490]. Weitere Informationen sind unter: http://www.rki.de/cln_178/nn_1493594/SharedDocs/FAQ/Impfen/AllgFr__ImpfGesundheitsschaden/FAQ01. html?__nnn=true zu finden. 3.12.2.10. Akupunktur Postoperativ kann eine Stimulation am Akupunkturpunkt P 6 zur Prophylaxe von Übelkeit und Erbrechen mit verschiedenen Methoden wie Akupunktur, Akupressur, Elektroakupunktur, TENS oder Laser unterstützend wirken [485]. P 6 ist ein klassischer Akupunkturpunkt gegen Übelkeit. Er liegt am Unterarm volarseitig 2 Querfinger proximal der Beugefalte des Handgelenkes. Die der Cochrane-Analyse zugrunde liegenden Studien sind z. T. methodisch schwach und stammen auch in größerem Umfang aus Asien, sodass an der Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse Zweifel blieben. Eine komplementäre Akupunktstimulation ist kein Ersatz für eine postoperative angemessene Antiemese. Während einer Chemotherapie vermindert eine Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 504 Leitlinie 505 Akupunktur-Stimulation akutes Erbrechen, aber nicht akute Übelkeit. Es ergibt sich kein Effekt auf verzögerte Übelkeit und Erbrechen. Elektrostimulation ist unwirksam [486]. In der Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2006 wurden sehr unterschiedliche Studien zusammengefasst. Z. T. wurden sie an kleinen Patientengruppen und z. T. in Asien durchgeführt. In den meisten Studien wurde parallel eine medikamentöse Antiemese durchgeführt, die aber nicht den heutigen Möglichkeiten und Standards entspricht. Zur Stimulation wurden Druck oder Nadeln (Akupressur oder Akupunktur) verwendet. Ein Vorteil ist die leichte Instruktion des Patienten in Bezug auf die Akupressur. Eine Elektroakupunktur wirkte in einer Studie positiv auf akutes Erbrechen und akute Übelkeit, allerdings wurde keine adäquate Antiemese durchgeführt. Wenn eine Akupunktstimulation als komplementäre Therapie gewählt wird, eine adäquate antiemetische, prophylaktische und Rescue-Medikation nach Leitlinie ist erforderlich. Zur Schmerztherapie bei Tumorpatienten liegen nicht genügend valide Daten vor, die für eine positive Empfehlung ausreichen. Auf keinen Fall stellt eine Akupunktur einen Ersatz für eine umfassende Schmerztherapie dar. Zur Schmerztherapie von Tumorpatienten mit Akupunktur liegt eine ältere Arbeit nach westlichen Therapiestandards vor, die einen positiven Effekt zeigt. Diese Arbeit hat keine Kontrollgruppe, sodass nur eine Verbesserung festgestellt werden konnte [491]. Die übrigen publizierten Studien z. T. mit randomisiertem Design weisen ebenfalls positive Ergebnisse auf, wurden aber in Asien durchgeführt, sodass an der Übertragbarkeit auf deutsche Verhältnisse Zweifel bestehen. 3.13. Ernährung 3.13.1. Allgemeine Entscheidungshilfen 115. Konsensbasiertes Statement Obwohl eine künstliche Ernährung Tumorgewebe mit Nährstoffen versorgt, liegen keine Daten vor, dass dies die klinische Situation negativ beeinflusst. Diese Überlegungen sollten deshalb nicht die Entscheidung für eine klinisch indizierte Ernährung beeinflussen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Eine aktuelle Übersicht zur verfügbaren Datenlage stellt fest, dass eine Ernährungstherapie möglicherweise das Wachstum von Tumorzellen anregen kann [492]. Dennoch sollten Patienten eine Ernährungstherapie erhalten, wenn der Ernährungszustand so weit kompromittiert ist, dass ein hohes Risiko für Komplikationen besteht oder eine geplante onkologische Therapie nicht durchgeführt werden kann [493]. 116. Empfehlung Der Ernährungsstatus sollte bei allen Tumorpatienten, beginnend mit der Diagnosestellung, bei jedem Patientenkontakt beurteilt werden, um Interventionen frühzeitig einleiten zu können, bevor es zu schwer beeinflussbaren Einschränkungen des Allgemeinzustands kommt. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 2a Leitlinienadaptation: [493], AWMF Reg.-Nr. 073/ 003 Abstimmung im Plenum: Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Abb. 5 Therapieprotokoll für Patienten mit mittlerem Risiko. Leitlinie Hintergrund Ein eingeschränkter Ernährungsstatus ist assoziiert mit reduzierter Lebensqualität, geringer körperlicher Aktivität, häufigeren therapieassoziierten unerwünschten Wirkungen, geringerem Ansprechen auf antitumorale Therapie sowie reduzierter Überlebenszeit [494, 495]. Jedoch ist der genaue Zusammenhang von Ursache und Wirkung noch nicht belegt [493]. Longitudinalstudien haben gezeigt, dass die Prognose für Tumorpatienten mit Gewichtsverlust schlechter ist als für Patienten mit stabilem Gewicht. Es treten ausgeprägtere therapiebedingte Nebenwirkungen auf, das Ansprechen auf die Tumortherapie ist vermindert, ebenso wie der Aktivitätslevel, die subjektive Lebensqualität und das Überleben der Patienten. Neben Sepsis ist Kachexie eine der häufigsten Todesursachen bei Tumorpatienten (5 – 25 %). Aus diesem Grund scheint Unterernährung ein Marker für den Schweregrad der Erkrankung und eine ungünstige Prognose zu sein. Es wurde jedoch noch nicht bewiesen, dass Unterernährung per se einen direkten Einfluss auf die Prognose hat, unabhängig von der zugrunde liegenden Krankheit. Patienten mit Gewichtsverlust haben ein signifikant erhöhtes Risiko für therapiebedingte Komplikationen und eine eingeschränkte Prognose. Dies ist in zahlreichen retrospektiven und prospektiven Studien gezeigt worden, zuletzt prospektiv multizentrisch bei 5267 Patienten durch [495]. Hier trat bei 887 Patienten eine Komplikation während der stationären Behandlung auf. Diese war signifikant assoziiert mit dem „Nutritional Risk Score“, in den der Gewichtsverlust einfließt, dem Alter, einer Operation und dem Bestehen einer Tumorerkrankung. Umgekehrt wiesen ernährungsmedizinische Risikopatienten signifikant häufiger Komplikationen auf. Bei Patienten mit Ösophagus- und Magenkarzinom kann in etwa 50% ein Gewichtsverlust festgestellt werden, welcher bei einem Drittel über 10 % beträgt [496]. Pirlich et al. [494] fanden multizentrisch für Deutschland eine signifikante Assoziation zwischen dem Ernährungsstatus („Subjective Global Assessment“) und der Krankenhausverweildauer. 117. Konsensbasierte Empfehlung Zur Frage der funktionellen Auswirkungen einer Ösophagektomie oder Gastrektomie auf die Ernährung kann bereits präoperativ, im Rahmen der Aufklärung, ein Diätassistent hinzugezogen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens 118. Empfehlung Patienten vor großen Tumorresektionen im oberen GI-Bereich sollten auch ohne Zeichen einer Mangelernährung präoperativ immunmodulierende Trinklösungen einnehmen, die Arginin, Omega-3-Fettsäuren und Ribonukleotide enthalten. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1b Leitlinienadaptation: [497], AWMF Reg.-Nr. 073/ 003 Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Die Indikation zur sofortigen künstlichen (präferenziell enteralen) Ernährung besteht auch bei Patienten ohne Zeichen der Mangelernährung, wenn sie perioperativ voraussichtlich für Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 mehr als 7 Tage keine Nahrung zu sich nehmen können, sowie bei Patienten, die sich perioperativ voraussichtlich über mehr als 10 Tage oral nur unzureichend (< 60% der empfohlenen Zufuhr) ernähren werden [497, 498]. Bei einer Ernährungstherapie sollte, wenn immer möglich, der enteralen Nahrungszufuhr der Vorzug gegeben werden. Eine kombinierte Therapie mit parenteraler Ernährung kommt in Betracht, wenn bei bestehender Indikation für eine künstliche Ernährungstherapie der Energiebedarf über die enterale Ernährung allein nicht ausreichend gedeckt werden kann (< 60% des Energiebedarfs, [497]). Für den Fall, dass eine orale oder enterale Zufuhr nicht möglich ist, besteht die Indikation zur totalen parenteralen Ernährung [498]. Eine über 5 – 7 Tage präoperativ verabreichte immunmodulierende Trinklösung mit Arginin, Omega-3-Fettsäuren und Ribonukleotiden mit postoperativ enteraler Fortsetzung der Ernährungstherapie reduzierte signifikant die Zahl der Patienten mit postoperativen Infektionen und die Krankenhausverweildauer [499]. 138 der 305 Patienten (45%) hatten eine Ösophagus-Magenresektion. Die Intervention war vor allem präoperativ effektiv, da die prä- und postoperative Gabe keine Vorteile gegenüber der alleinigen präoperativen Supplementierung aufwies. An der Studie ist das Fehlen einer weiteren Kontrollgruppe mit einer Standard-Trinklösung zu kritisieren. Weitere aktuelle Studien haben für eine ausschließlich postoperative Gabe dieser „Immunonutrition“ keinen Nutzen gezeigt [500, 501]. Wahrscheinlich reicht deshalb postoperativ in den meisten Fällen die Gabe einer Standardnahrung aus. 3.13.2. Präoperative Ernährungstherapie 119. Empfehlung Patienten mit hohem ernährungsmedizinischem Risiko sollten für eine Dauer von 10 – 14 Tagen präoperativ eine gezielte Ernährungstherapie erhalten, auch wenn dafür die Operation verschoben werden muss. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1b Leitlinienadaptation [497, 498], AWMF Reg.-Nr. 073/003, 073/018 Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Ein hohes ernährungsmedizinisches Risiko für chirurgische Komplikationen besteht, wenn zumindest einer der folgenden Befunde vorliegt [497, 498]: ▶ Gewichtsverlust > 10 – 15% innerhalb von 6 Monaten ▶ BMI < 18,5 kg/m2 ▶ Subjective Global Assessment (SGA) Score C ▶ Serumalbumin < 30 g/l (ohne Zeichen einer Leber- oder Nierenstörung) Für chirurgische Patienten mit schwerer Mangelernährung (Gewichtsverlust von mehr als 10 %) konnte gezeigt werden, dass eine präoperative Ernährungstherapie von mindestens 10 Tagen die postoperative Komplikationsrate signifikant senkt [502]. Zum Gewichtsverlust und zur Bedeutung des SGA siehe oben unter Punkt 3.13. Die Grenze zum Untergewicht („thinness“) wird von der WHO bei einem BMI < 18,5 kg/m2 gezogen (WHO 1995). Das Serumalbumin gilt als negatives Akutphasenprotein und ist – sofern keine Leber- oder Nierenerkrankungen vorliegen – mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Ein präoperativ niedriges Serumalbumin ist als prognostischer Faktor für die postoperative Letalität in einer großen Kohorten- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 506 Leitlinie 120. Empfehlung Schwer mangelernährte Patienten, die sich nicht ausreichend oral oder enteral ernähren, sollten präoperativ parenteral ernährt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1b Leitlinienadaptation: [498], AWMF Reg.-Nr. 073/ 018 Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Eine schwere Mangelernährung besteht präoperativ bei vielen Patienten vor Ösophagusresektion und Gastrektomie [497, 498]. Eine perioperativ erheblich reduzierte Nahrungsaufnahme ist bei den meisten Patienten zu erwarten. Beide Faktoren sind mit einer erhöhten postoperativen Morbidität und Letalität assoziiert. Meyer et al. haben in einer Analyse von 1199 Patienten mit Resektion eines Tumors des Magens oder ösophagogastralen Übergangs eine signifikante Assoziation zwischen dem Auftreten einer Anastomoseninsuffizienz und einer präoperativen Dysphagie oder Magenausgangsstenose als Ursache einer eingeschränkten Nahrungsaufnahme festgestellt. In einer Metaanalyse der Studien zur präoperativen Ernährung brachte die Verschiebung einer Operation zur Durchführung einer parenteralen Ernährungstherapie nur bei schwerer Mangelernährung Vorteile [506]. Für chirurgische Patienten mit gastrointestinalem Karzinom und schwerer Mangelernährung (Gewichtsverlust von mehr als 10 %) konnte gezeigt werden, dass eine präoperative Ernährungstherapie von mindestens 10 Tagen die postoperative Komplikationsrate signifikant um ein Drittel senkt und die Letalität vermindert [502, 507]. 3.13.3. Postoperative Ernährungstherapie 122. Konsensbasierte Empfehlung Postoperativ sollen Patienten nach Ösophagektomie oder Gastrektomie vor der Entlassung eine eingehende diätetische Beratung zu den erforderlichen Änderungen im Ernährungsverhalten sowie ggf. eine Schulung im Umgang mit einer vorhandenen Feinnadelkatheterjejunostomie erhalten. Ernährungsmedizinische Verlaufskontrollen ggf. mit Wiederholung der Ernährungsberatung sollten regelmäßig erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Eine vorhandene Feinnadelkatheterjejunostomie (FKJ) sollte gerade nach Ösophagusresektion für mindestens 6 Wochen für den Fall des Auftretens einer Anastomosenstriktur belassen werden. Die Fortsetzung einer enteralen Ernährung mit einer Menge von 500 – 1000 ml über mehrere Wochen ist zu erwägen. Nach Gastrektomie kommt es durch Adaptationsprozesse auch bei postoperativ tumorfreien Patienten zu einem deutlichen Gewichtsverlust von bis zu 15% des gesunden Ausgangsgewichts. Zu empfehlen sind regelmäßige ernährungsmedizinische Verlaufskontrollen ggf. mit Wiederholung der Ernährungsberatung. Die bioelektrische Impedanzanalyse kann zur Beurteilung der Körperzusammensetzung hilfreich sein. Die Sicherheit insbesondere auch bei poststationärer Fortführung einer enteralen Ernährung über Feinnadelkatheterjeunostomie ist prospektiv für Patienten nach Ösophagusresektion gezeigt worden [508, 509]. 3.13.4. Ernährung unter Chemotherapie oder Strahlentherapie 123. Empfehlung Eine routinemäßige parenterale oder enterale Ernährung sollte weder während Chemotherapie oder Strahlentherapie noch während kombinierter Behandlung eingesetzt werden. Empfehlungsgrad: B Level of Evidence: 1a Leitlinienadaptation: [493], AWMF Reg.-Nr. 073/ 003 Abstimmung im Plenum: Konsens 121. Konsensbasierte Empfehlung 124. Konsensbasierte Empfehlung Nach Ösophagektomie oder Gastrektomie sollte eine enterale Sondenernährung frühzeitig innerhalb von 24 h postoperativ begonnen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Eine Ernährungstherapie sollte regelmäßig erfolgen, wenn die normale Nahrungsaufnahme unzureichend ist, um einer mit Mangelernährung assoziierten Prognoseeinschränkung entgegenzuwirken. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Ernährung sollte über eine distal der Anastomose applizierte Sonde erfolgen [497, 498]. Deshalb sollte intraoperativ eine nasojejunale Sonde eingebracht oder eine Feinnadelkatheterjejunostomie angelegt werden. Die intraoperative Anlage einer Katheterjejunostomie ist mit nur geringem Risiko assoziiert [497]. Die Sondenernährung sollte mit geringer Flussrate (10 – 20 ml/h) begonnen und nur vorsichtig unter klinischer Beobachtung des Abdomens gesteigert werden, um die Entwicklung einer intestinalen Ischämie zu vermeiden [497]. Hintergrund Eine routinemäßige oder eine prophylaktische enterale Ernährung während einer Chemotherapie erhöht weder das Tumoransprechen auf die Chemotherapie noch Chemotherapie-assoziierte Nebenwirkungen. Eine systematische Übersichtsarbeit von RCTs zu Ernährungsinterventionen parallel zu Radio-und/ oder Chemotherapie [510] zeigte keine Vorteile, jedoch mögliche Nachteile, wenn Patienten enteral oder parenteral ernährt Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. studie mit 87078 großen nicht herzchirurgischen Eingriffen gezeigt worden [503]. In einer US-amerikanischen Datenbank von 105 951 Patienten hat sich das niedrige präoperative Serumalbumin als signifikanter Faktor für das Entstehen einer postoperativen Komplikation innerhalb von 30 Tagen gezeigt [504]. Bei kolorektalen Eingriffen war ein präoperativ niedriges Serumalbumin ein Risikofaktor für die Entstehung einer Anastomoseninsuffizienz [505]. Primär sollte einer enteralen Ernährung der Vorzug gegeben werden – möglichst prästationär zur Vermeidung einer nosokomialen Infektion. 507 Leitlinie wurden, die weder mangelernährt noch in der oralen Nahrungsaufnahme eingeschränkt waren. 125. Konsensbasiertes Statement Während einer Chemo- oder Strahlentherapie sollten Vitamine und Spurenelemente entsprechend des physiologischen Bedarfs und möglichst über die natürliche Ernährung zugeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In der supportiven Therapie werden unterschiedliche Methoden und Substanzen parallel oder kurz nach der antitumoralen Therapie eingesetzt. In diesem Zusammenhang ist es neben der Bewertung der Datenlage für die Wirkung der Methode von großer Bedeutung, Hinweise auf negative Wirkungen (direkte Schädigung und Interaktionen) zu beachten. Hierzu ist die Datenlage z. T. gering. Da die Sicherheit der Patienten im Vordergrund steht, sind auch Hinweise auf mögliche negative Wirkungen aus Präklinik und Fallberichten bei der Risikoabwägung zu berücksichtigen. Nahrungsergänzungsmittel sind Vitamine und Spurenelemente, Aminosäuren, Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe. Z. T. werden sie als Einzelsubstanzen meist aber als Mischungen angeboten. Die Zusammensetzung variiert stark, nur einige Präparate sind am physiologischen Bedarf orientiert [511 – 513]. Insbesondere Antioxidantien können die Wirkung von Chemo- und Strahlentherapie abschwächen. Hierzu gehören Vitamin C, E, Betacarotin. Folsäure könnte die Wirkung von 5-FU beeinflussen. Bisher gibt es nur einige klinische Studien, die auf die Sicherheit der Gabe von Antioxidantien geachtet haben und eine ausreichende Patientenzahl zur Beurteilung aufweisen. Vitamin E wurde prophylaktisch zum Schutz vor der Entwicklung der Neurotoxizität unter Cisplatin und Taxol eingesetzt. Da keine Daten zum Einfluss auf das Überleben vorliegen, ist der Einsatz außerhalb von Studien nicht empfehlenswert [514, 515]. Bei nachgewiesenem oder mit der Krankheitssituation des Patienten regelhaft einhergehenden Mangelsituationen (Beispiel Vitamin B12) ist eine Substitution orientiert am physiologischen Bedarf und den Zufuhr- und Resorptionsmöglichkeiten des Patienten erforderlich. Es gibt keinen Beweis, dass Selen Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Therapien des Magenkarzinoms relevant sind, vermindert. Die bisher publizierten klinischen Studien wurden in der Cochraneübersicht von Dennert et al. zusammengefasst. Seitdem sind keine für den Kontext Magenkarzinom relevanten weiteren Studien publiziert worden [516]. Präklinische Daten sprechen dafür, dass Zink das Wachstum von Tumoren fördert, eine Supplementierung ist deshalb bei normaler Ernährung nicht zu empfehlen. Bei Tumorkachexie wurden Omega-3-Fettsäuren geprüft. Die Datenlage aus den Studien ist widersprüchlich. Die CochraneÜbersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 sah eine ungenügende Datenlage im Hinblick auf eine Evidenz für die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren zur Behandlung der Tumorkachexie [517]. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem gleichen Jahr kommt zu der Schlussfolgerung, dass orale Supplemente mit Omega-3-Fettsäuren Patienten mit Tumorerkrankungen und Gewichtsverlust nutzen und indiziert sind bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts und des Pankreas. Es kommt zu einer Verbesserung von Appetit, Lebensqualität, verminderten Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 postoperativen Morbidität und Gewichtszunahme. Es wird eine Aufnahme von 1,5 g/Tag empfohlen [518]. Aufgrund der inkonsistenten Datenlage sind Omega-3-Fettsäuren nicht als Teil der evidenzbasierten Therapie zu betrachten. Keinesfalls ersetzt die Verordnung eine Betreuung des Patienten durch einen erfahrenen Ernährungsmediziner. Eine Kombination aus Lactobacillus und Ballaststoffen senkt nach einer Studie die Diarrhö unter einer Chemotherapie [519]. Sie könnte in Absprache mit dem Patienten in einem ganzheitlichen Konzept zum Einsatz kommen, wobei sie eine effiziente Prävention und insbesondere Therapie der Diarrhö v. a. unter Irinotecan nicht ersetzt. Bei Patienten mit starker Immunsuppression sind Präparate, die lebende Keime enthalten, zu vermeiden. 126. Konsensbasierte Empfehlung Auch bei Tumorpatienten, die palliativ behandelt werden, sollte der Ernährungszustand regelmäßig beurteilt werden und bei der Feststellung eines Defizits sollte eine Intervention frühzeitig eingeleitet werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Symptome wie Schmerz, Übelkeit, Obstipation, Depression und Mundhygiene sollten beachtet und kontrolliert werden, um den Betroffenen eine adäquate und ausreichende orale Nahrungsaufnahme zu ermöglichen [316]. Bei unzureichender oraler Nahrungsaufnahme sollte die Option einer künstlichen Ernährung mit dem Patienten, der betreuenden Person und im zuständigen multiprofessionellen Team diskutiert werden. Dabei sollten symptombezogene, ethische, prognostische und praktische Belange mit dem Ziel einer Verbesserung der Lebensqualität bedacht werden [316]. Insbesondere ist zu beachten, dass jede Form einer enteralen Ernährung physiologischer, komplikationsärmer und kostengünstiger ist als eine parenterale Ernährung [316]. Ist die Entscheidung für eine enterale Sondenernährung gefallen, so sind perkutane enterale Sonden gegenüber nasogastralen Sonden zu bevorzugen, da sie seltener dislozieren, aus kosmetischen Gründen eher akzeptiert werden und da sie einfacher bedient werden können [316]. Nach Gastrektomie und häufig bei tumorbefallenem Magen kann keine perkutane Gastrostomie (PEG/RIG) angelegt werden. Alternativen sind PEJ-Sonden (endoskopisch angelegte perkutane Jejunostomie) und Feinnadelkatheterjejunostomien (FKJ). Wenn bei unheilbarer Tumorsituation ein Gewichtsverlust aufgrund einer unzureichenden Nahrungsaufnahme vorliegt, kann eine supplementierende parenterale Zusatzernährung vorteilhaft sein. Mehrere Arbeiten einer Arbeitsgruppe zeigten für diese Situation eine Verbesserung der körperlichen Leistungsfähigkeit und der Überlebenszeit [493, 520, 521]. Eine palliative Ernährungstherapie bei terminal kranken Tumorpatienten ist allerdings nur selten indiziert, am ehesten noch dann, wenn die erwartete Überlebenszeit 1 – 2 Monate [522, 520] oder 2 – 3 Monate [493] übersteigt. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 508 Leitlinie 127. Konsensbasiertes Statement In der Sterbephase sind Grundsätze zum Erhalt des Ernährungszustands nicht länger relevant und eine intensive künstliche Ernährung kann den Zustand eines sterbenden Patienten sogar verschlechtern. Level of Evidence: GCP Leitlinienadaptation: [493, AWMF Reg.- Nr. 073 / 003] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund In der Sterbephase benötigen die meisten Patienten nur minimale Mengen an Essen und wenig Wasser, um Durst und Hunger zu stillen. Geringe Flüssigkeitsmengen können allerdings helfen, durch Dehydratation induzierte Verwirrtheitszustände zu verhindern. Subkutan zugeführte Flüssigkeiten im Krankenhaus oder Zuhause können sinnvoll sein und als Träger für Medikamente dienen; diese Lösungen sind allerdings nicht für eine subkutane Infusion zugelassen [493]. 3.14. Nachsorge und Rehabilitation 3.14.1. Lebensqualität 128. Konsensbasierte Empfehlung Die Nachsorge nach chirurgischer Resektion sollte symptomorientiert Funktionsstörungen erfassen, die die Lebensqualität beeinflussen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass eine strukturierte Nachsorge im Sinne regelmäßiger Staginguntersuchungen zu einer Verbesserung des Überlebens beim Magenkarzinom führt [523 – 528]. Es gibt 4 Gründe für eine symptomorientierte Nachsorge bei Patienten mit einem ösophagogastralen Karzinom: 1. um Funktionsstörungen zu entdecken in Verbindung mit einem Rezidiv oder als benigne Komplikationen der Behandlung, 2. um den Ernährungszustand zu beurteilen und Ernährungsprobleme zu handhaben, 3. um psychische Unterstützung anzubieten für den Patienten und die Familie, mit angemessenen medizinischen Maßnahmen in Liaison mit Palliativmedizin, 4. um die Prüfung der Behandlungsergebnisse zu vereinfachen [316]. Im Rahmen der Nachsorge ist eine regelmäßige Anamnese und körperliche Untersuchung einschließlich Gewicht, Bestimmung von Blutbild, Eisen, Transferrin, Transferrin-Sättigung und Vitamin B12 im Serum erforderlich. Nachsorgeuntersuchungen erfolgen zu Beginn kurzfristiger, um Komplikationen schneller zu entdecken und eine Balance des Nahrungshaushalts zu sichern. Die Dauer der Nachsorge ist abhängig von den Bedürfnissen des Patienten für Unterstützung und von der Rezidivrate des jeweiligen Karzinoms [238]. Die belgische Leitlinie empfiehlt, dass die Nachsorge eine körperliche Untersuchung und eine Blutanalyse alle 3 Monate und ein CT alle 6 Monate im ersten Jahr und dann jährlich für weitere 4 Jahre beinhaltet [529]. 3.14.2. Substitutionen nach Gastrektomie 129. Konsensbasierte Empfehlung Nach einer Gastrektomie soll eine regelmäßige Vitamin-B12Substitution lebenslang durchgeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Bei Patienten, die einem operativen Eingriff aufgrund eines Karzinoms des ösophagogastralen Übergangs unterzogen wurden, sollte eine regelmäßige parenterale Vitamin-B12-Substitution lebenslang durchgeführt werden. Im Falle einer partiellen Magenresektion sollte die Vitamin-B12-Substitution erwogen werden. Prophylaktisch sollten bedarfsorientiert das MCV und der Vitamin-B12-Spiegel nach 3 Monaten oder bei Symptomen bestimmt werden. Bei einer megaloblastären Anämie erfolgt eine parenterale Vitamin-B12-Substitution mit Hydroxycobalamin 1 mg. Initial 6 Injektionen innerhalb von 2 – 3 Wochen, dann eine Injektion alle 6 Monate zur Erhaltungstherapie. Auch eine orale Vitamin-B12-Substitution (2 mg/d) ist effektiv, auch bei Intrinsic-Faktor-Mangel, Gastrektomie oder Darmresektion, da 1 % der Dosis per Diffusion aufgenommen wird. Bei Folsäuremangel werden 5 mg täglich p. o. über 4 Monate substituiert [530]. 130. Konsensbasierte Empfehlung Eine Substitution mit Pankreasenzymen soll bei Patienten mit Fettstühlen erfolgen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Es gibt wissenschaftliche Belege für eine exokrine Pankreasinsuffizienz nach Gastrektomie. Unter Enzymsubstitution bessern sich Stuhlfettausscheidung und Dyspepsie, nicht aber der Gewichtsverlauf [531 – 536]. 3.14.3. Rehabilitationsmaßnahmen 131. Konsensbasierte Empfehlung Nach Abschluss der Primärtherapie sollte eine Anschlussheilbehandlung bei allen rehabilitationsfähigen Patienten angeboten werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Zum Stellenwert rehabilitativer Maßnahmen bei Patienten mit Magenkarzinom ist keine auswertbare Literatur vorhanden. Ausgewiesene Reha-Zentren sind zu bevorzugen, die gastrointestinal onkologische Expertise aufweisen und dem Qualitätsicherungsverfahren der DRV entsprechen. Es gibt jedoch zahlreiche Studien zu Ernährung, psychosoziale Aspekte, Edukation, Bewegungstherapie, Sport etc. in Abstimmung mit dem familiären Umfeld. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 3.13.5. Ernährung in der Sterbephase 509 Leitlinie 3.14.4. Bestimmung von Tumormarkern 132. Konsensbasierte Empfehlung Die routinemäßige Bestimmung von Tumormarkern wird in der Nachsorge nicht empfohlen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass die Bestimmung von Tumormarkern in der Nachsorge zu einer Verbesserung des Überlebens beim Magenkarzinom führt [316]. Es wurde keine Evidenz identifiziert, welche die Messung von Serum-Tumormarkern in der Nachsorge von Patienten mit gastroösophagealem Karzinom außerhalb klinischer Studien rechtfertigt [536 – 543]. 3.15. Psychoonkologie 3.15.1. Patientennahes Informationsmanagement 133. Konsensbasierte Empfehlung Patienten sollten im gesamten Krankheits- und Behandlungsverlauf Zugang zu Informationen orientiert am jeweiligen Bedürfnis haben. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Befragungen von Krebspatienten ergeben übereinstimmend Defizite hinsichtlich ihrer Bedürfnisse nach Information; sie zählen zu den wichtigsten und häufigsten ‚unmet needs‘ von Krebspatienten aller Diagnosen und Krankheitsstadien [544, 545]. Studien belegen günstige Auswirkungen angemessener Aufklärung und Informationsvermittlung hinsichtlich Krankheitsverarbeitung, besserem psychischem Befinden und höherer Lebensqualität [546 – 549]. Professionelle kommunikative Kompetenz von Ärzten gewährleistet, dass Informationen angemessen, orientiert am jeweiligen Bedürfnis und auf eine für Patienten verständliche Weise vermittelt werden [549 – 551]. Es ist wichtig, dass sich Information und Aufklärung an den aktuellen Informationswünschen des Patienten orientieren. Sie sollten ermutigt werden, dem Arzt ihre derzeitigen Informationsbedürfnisse mitzuteilen, welche Informationen aktuell für sie wichtig sind, wie umfassend und wie detailliert diese sein sollen. Weiter ist mit Patienten ihre individuelle Präferenz bez. geteilter Entscheidungsfindung (shared decision making) zu klären (z. B. zur Tumorbehandlung) und zu berücksichtigen [552, 553]. Behandlungsoptionen einschließlich möglicher Alternativen sollten klar und verständlich vermittelt werden, mit realistischen Informationen zur Wirksamkeit und zu potenziell nachteiligen Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche. Der adäquaten Vorbereitung auf die Auswirkungen einer Gastrektomie hinsichtlich funktioneller Beeinträchtigungen kommt dabei ein besonders hoher Stellenwert zu [554]. In einer randomisiert kontrollierten Studie mit 58 Patienten mit Magen- bzw. Ösophaguskarzinom wurden Informationen signifikant besser von Patienten erinnert, wenn ihnen Audio-Aufnahmen ihrer Aufklärungsgespräche ausgehändigt wurden [555]. Angebote weitergehender Beratung durch eine spezialisierte Pflegekraft oder psychosoziale Fachkräfte tragen zu besserem Verständnis und Behalten der erhaltenen Informationen bei. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 In einer kontrollierten Studie bei 121 Magenkarzinom-Patienten waren Kenntnisse und Verständnis mit einer interaktiven Form der Informationsvermittlung bis zu 1 Jahr signifikant besser als mit Vortrags-vermittelten Informationen; zudem waren kurzfristig verbesserte Krankheitsverarbeitung und LQ nachzuweisen [556]. Das persönliche Gespräch ist durch Informationsmaterial (Broschüren usw.) zu ergänzen. Patienten sollten im gesamten Krankheits- und Behandlungsverlauf Zugang zu Informationen – orientiert am jeweiligen Bedürfnis – haben; wiederholte Gespräche mit Arzt/Beratern fördern die Verarbeitung und Integration und sollten eingeplant werden. Angehörige und weitere Bezugspersonen sollten, wann immer möglich, in Information und Aufklärung einbezogen werden. 3.15.2. Lebensqualität 134. Konsensbasierte Empfehlung Die Lebensqualität sollte wiederholt im Krankheitsverlauf aus Patientensicht erfragt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Ergänzend zu den klassischen Parametern für die Beurteilung und Planung von Diagnostik und Therapiemaßnahmen haben patientengenerierte Informationen (PRO = patient reported outcome) zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität (HRQL) einen hohen Stellenwert. Kontrollierte Studien sprechen für den Nutzen einer Routine-Erfassung der LQ in der klinischen Patientenversorgung – hinsichtlich Patientenzufriedenheit und Verbesserung der Arzt-Patienten-Kommunikation ohne erhöhten Zeitaufwand [557 – 559]. Die systematische Erfassung von PRO-Informationen verbessert die frühzeitige Identifizierung von Symptomen, Problembereichen und Therapie-Nebenwirkungen und hat Einfluss auf Therapieentscheidungen, vor allem bei einem palliativem Therapieziel [557, 560]. In fortgeschrittenen Krankheitsstadien stellt die vom Patient selbst geschätzte HRQL einen unabhängigen prognostischen Prädiktor dar [561 – 565], der in den Behandlungspfaden einbezogen werden sollte. Zur Messung der Lebensqualität sind geeignete standardisierte (generelle und spezifisch für Magenkarzinom) Fragebogen einzusetzen, welche die Lebensqualität im Selbsturteil des Patienten abbilden und die körperlichen, psychischen und sozialen Funktionen sowie Symptome wie Fatigue, Schmerzen, Appetit und Übelkeit erfassen [566]. In deutscher Übersetzung liegt eine Reihe von standardisierten, praktikablen und international vergleichbaren Fragebogen vor (Auswahl): ▶ EORTC-QLQ-C30 – Kernfragebogen zur Erfassung gesundheitsbezogener Lebensqualität der EORTC mit 30 Items [567] ▶ FACT-Skalen – Functional Assessment of Cancer Therapy mit 32 Items [568] ▶ SF-36 – Health Survey Short Form mit 36 Items [569] Die generellen Instrumente zur Erfassung von LQ sollten durch spezifische Module für Patienten mit Magenkarzinom, z. B. EORTC QLQ-STO 22, ergänzt werden [570]. Die aufgeführten Instrumente sind hinsichtlich ihrer Messgüte (Reliabilität, Validität und Veränderungssensitivität) eingehend geprüft [567, 570]. Es sollte aufgrund klinischer Erwägungen entschieden werden, welches Instrument für ein bestimmtes Setting geeignet ist und einem Patienten zugemutet werden kann. Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 510 Leitlinie 135. Konsensbasierte Empfehlung Das psychische Befinden und psychische Störungen der Patienten sollen im gesamten Krankheitsverlauf wiederholt ermittelt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Über den gesamten Krankheitsverlauf treten behandlungsbedürftige psychische Belastungen und Störungen mit einer Häufigkeit von 20 – 35 % (Krebspatienten aller Tumorlokalisationen und Krankheitsstadien) auf, wobei keine Daten speziell für Patienten mit Magenkrebs vorliegen. Es überwiegen Anpassungsstörungen (F 43.12, akute Belastungsreaktionen (F 43.0), gefolgt von depressiven Störungen (Major Depression 8 – 20 %, Dysthymie 5 – 15 %, [571 – 573]). Fortgeschrittenes Krankheitsstadium, ausgeprägte funktionelle Beeinträchtigung und hoher somatischer Beschwerdedruck ist mit höherem Risiko psychischer Störungen verbunden [574, 575]. Hinweise sprechen bei Patienten mit Magenkrebs für eine erhöhte Vulnerabilität für Depression infolge Gewichtsverlust bzw. Malnutrition [576]. Ein beträchtlicher Prozentsatz psychischer Störungen bei Tumorpatienten wird nicht zutreffend diagnostiziert und bleibt unzureichend behandelt [573, 577 – 579] mit nachteiligen Auswirkungen auf körperliches Befinden, Funktionsstatus, Beschwerden (Schmerzen, Fatigue) und die Lebensqualität der Patienten [580]. Angesichts gesicherter Wirksamkeit psychosozialer und psychotherapeutischer Interventionen sollte das psychische Befinden der Patienten regelmäßig im Krankheitsverlauf, d. h. in allen Krisenphasen und zu Zeiten mit erwartbar hoher Belastung ermittelt werden. Neuere Studien sprechen für die Wirksamkeit von Screening-basierten psychosozialen Interventionen bei Tumorpatienten, z. B. ‚collaborative care‘ [572, 581, 582]. Screening-Verfahren beinhalten die Beantwortung einiger einfacher gezielter Fragen durch den Patienten, entweder im persönlichen Kontakt oder mithilfe eines Fragebogens. Verschiedene Screening-Verfahren stehen zur Identifizierung behandlungsbedürftiger Patienten mit hoher psychischer Belastung bzw. Komorbidität zur Verfügung. 1. Psychometrisch geprüfte und praktikable Fragebogen-Instrumente zur Selbsteinschätzung, die von Patienten als Papieroder Computerversion mit geringem Zeitaufwand und guter Akzeptanz ausgefüllt werden. Eine Übersicht mit Darstellung verschiedener Screeningverfahren findet sich bei ([583, 584], Hg) 2010, online erhältlich unter www.pso-ag.de. Generell kann kein einzelnes Verfahren für alle klinischen Settings gleichermaßen empfohlen werden. Als besonders einfach und praktikabel hat sich das ‚Distress-Thermometer‘ (DT) bewährt, mit dem der Patient auf einer visuellen Analogskala von 0 (gar nicht belastet) bis 10 (extrem belastet) angibt, wie stark er sich in der letzten Woche belastet gefühlt hat [585 – 587]. Ein Wert von 5 oder höher spricht für auffällige Belastung. Ergänzend umfasst eine Problemliste mit 36 Items mögliche Problembereiche. 2. Im Rahmen der ärztlichen oder Pflege-Anamnese können Patienten mit hoher Belastung (insbesondere Depressivität) mithilfe einfacher Screening-Fragen identifiziert werden. Der „Zwei-Fragen-Test“ stellt ein sehr zeitsparendes Verfahren dar, das mit hoher Sensitivität und Spezifität das Vorliegen einer depressiven Störung ermittelt [588]: 1. Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos? 2. Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun? Screening-Verfahren erlauben definitionsgemäß keine Diagnose einer psychischen Störung; besteht eine auffällige Belastung bzw. der V. a. eine behandlungsbedürftige psychische Störung, ist eine diagnostische Abklärung mittels klinischer Diagnostik anzuschließen [589]. 136. Konsensbasierte Empfehlung Angemessene professionelle psychische Unterstützung/Mitbehandlung soll verfügbar sein. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Professionelle psychische Unterstützung/Mitbehandlung soll für alle Patienten verfügbar sein. Dies kann in Form eines psychoonkologischen oder psychiatrischen Konsil-/Liaison-Dienstes, durch psychoonkologische Fachkräfte in Organ- und onkologischen Zentren oder durch Einbeziehung niedergelassener ärztlicher oder psychologischer Psychotherapeuten mit psychoonkologischer Qualifizierung erfolgen [590, 591]. Sie hat in enger Kooperation mit und Rückmeldung an die behandelnden Ärzte und Pflegekräfte zu erfolgen. Alle Patienten mit Magenkarzinom sollen von ihren medizinischen Behandlern (Ärzten/Pflegekräften) über die Verfügbarkeit professioneller psychischer Unterstützung bzw. Mitbehandlung informiert werden. 137. Konsensbasierte Empfehlung Psychosoziale Interventionen sind wichtig. Psychosoziale Interventionen können die Lebensqualität von Patienten mit Magenkrebs verbessern und sollten Bestandteil einer umfassenden Versorgung sein. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Wirksamkeit unterschiedlicher psychoedukativer und psychotherapeutischer Interventionen bei Tumorpatienten ist gesichert hinsichtlich: Symptomreduktion (Depression, Angst, Schmerzen, Fatigue), Krankheitsverarbeitung und Verbesserung der Lebensqualität. Dies belegen systematische Übersichtsarbeiten [584, 592 – 598] und Metaanalysen [599 – 602], wobei sich keine sichere Überlegenheit bestimmter Therapieverfahren zeigt. Daher sollte gemeinsam mit dem Patienten, anhand seiner individuellen Problemlage, der Belastungen infolge Krankheit/Behandlung, dem Ausmaß psychischer Beeinträchtigung bzw. Leidens und unter Berücksichtigung seiner persönlichen und sozialen Ressourcen und Präferenzen geeignete Formen psychischer Unterstützung gewählt werden. Sie umfassen ▶ Beratung und Edukation zu körperlichen, psychischen und sozialen Auswirkungen von Krebserkrankung und Behandlung, zur Krankheitsbewältigung, ▶ supportive Therapie zur Unterstützung bei der Verarbeitung der Krankheitserfahrung und Belastungen, ▶ Entspannungs- und körperorientierte Verfahren zur Symptomlinderung (Schmerz, Übelkeit, Dyspnoe, situative Angst), Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 3.15.3. Psychoonkologische Betreuung 511 Leitlinie ▶ Krisenintervention bei akuten Belastungssituationen oder starker Symptombelastung, ▶ kognitiv-behaviorale oder psychodynamische Psychotherapie bei psychischen und Traumafolgestörungen bzw. Konflikten, insbesondere wenn sie durch die Krebserkrankung reaktiviert werden, ▶ Paar- und Familieninterventionen zur Stützung familiärer Beziehungen, Mobilisierung von Ressourcen und elterlicher Kompetenz, ▶ ggfs. Begleitung in der Sterbe- und Trauerphase. 3.16. Komplementäre Therapie 3.16.1. Abgestimmte Empfehlungen 138. Konsensbasiertes Statement Komplementäre Verfahren werden parallel zur konventionellen Therapie angewendet und unterscheiden sich von alternativen Verfahren dadurch, dass sie den Wert der konventionellen Verfahren nicht infrage stellen, sondern sich als Ergänzung verstehen. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 139. Konsensbasierte Empfehlung Patienten sollten nach ihrer Nutzung von komplementären und alternativen Therapien befragt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 140. Konsensbasierte Empfehlung Patienten, die komplementäre Verfahren einsetzen, sollen auf mögliche Risiken und Interaktionen hingewiesen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Es gibt keine allseits anerkannte Definition der komplementären und alternativen Medizin. Meist wird sie von der sogenannten Schulmedizin abgegrenzt, ohne dass diese Grenzziehung einheitlich erfolgt [603]. Von den meisten Anbietern und Anwendern der komplementären Medizin wird der Grundsatz der wissenschaftlichen Erforschung der Methoden und die Durchführung dieser Forschung gleichermaßen wie in der konventionellen Therapie anerkannt. Alternative Verfahren finden sich oft auf dem Boden von ätiologischen Konzepten, die den wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen. Die komplementäre Therapie steht auf dem Boden der Regeln der wissenschaftlichen Medizin. Sie geht davon aus, dass der Wirksamkeitsnachweis erbringbar ist und sie wird in Abstimmung auf Schulmedizin ergänzend angewendet [603]. Im Gegensatz dazu geht die alternative Medizin von einem anderen Verständnis von Ätiologie und Pathogenese aus. Der Wirksamkeitsnachweis wird nicht mit den Methoden der wissenschaftlichen Medizin erbracht, diese Methodik wird als inadäquat abgelehnt. Sie tritt an die Stelle der schulmedizinischen Therapie oder beachtet, wenn sie parallel angewendet wird, nicht die Auswirkungen auf die „Schulmedizin“ (Interaktionen). Patienten werden im Rahmen alternativer Therapiekonzepte oft Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 die Therapiechancen der „Schulmedizin“ vorenthalten. Auch bei fortgeschrittenen Tumorerkrankungen werden den Patienten Heilsversprechen gegeben. Komplementärmedizin gehört zu den von Patienten häufig genutzten Methoden in der Onkologie – die Prävalenz wird sehr unterschiedlich angegeben zwischen 20 und 80 %. Untersuchungen über die Nutzerrate bei Patienten mit Magenkarzinom liegen nicht vor, ebenso keine Auswertung, welche Methoden von den Patienten am häufigsten genutzt werden. Zu den komplementären und alternativen Verfahren gehören diagnostische Methoden und überwiegend Therapieverfahren. Beispiele für die Diagnostik sind Irisdiagnostik, Bioresonanz, Enderlein-Diagnostik. Z. T. werden Methoden der wissenschaftlichen Diagnostik eingesetzt aber in einem Kontext verwendet, der nicht dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht (Beispiel sind „zirkulierende Tumorzellen“, „Allergiediagnostik“, „Immunstatus“). In der Therapie finden wir ein großes Spektrum an Methoden und Nahrungsergänzungsmittel (Vitamine, Spurenelemente), Phytotherapie (Mariendistel, Artemisia, Scutellaria, Heilpilze …), immunologische Therapien (Mistel, Thymus, Polyerga, dendritische Zellen …) andere definierte Substanzen (Enzyme, Probiotika …), alte medizinische Systeme (Ayurveda, TCM, Ethnomedizin …), eigene Systeme/Denkentwürfe (Homöopathie, Anthroposophischen Medizin ...), Ernährungstherapie (kohlenhydratarme Kost, Heilfasten, Makrobiotik …), technikgestützte Verfahren (Elektroakupunktur, Bioresonanz, Darmreinigung, Zapper …), Mind-body-Therapien (Yoga, Meditation, Reiki, Hypnose …) etc. Die ärztliche Beratung zum Thema Komplementärmedizin sollte zunächst das Interesse des Patienten zu diesem Thema abfragen. Hilfreich kann es sein, dabei auch die für den Patienten relevanten (Laien-ätiologischen) Modelle der Tumorentstehung abzuklären [604]. Das Ziel der weiteren Beratung ist neben einer fachlich fundierten Aufklärung, über die Möglichkeiten, aber auch Risiken der komplementären Therapie die Arzt-Patienten-Beziehung zu stärken und zu einer gegenseitigen Offenheit zu führen. Damit kann ▶ die Eigeninitiative des Patienten und sein Gefühl der Selbstverantwortung und -kontrolle gestärkt werden, ▶ der Patient vor unseriösen Angeboten geschützt werden, ▶ Schaden durch Nebenwirkungen unkontrollierter Anwendung von komplementären und alternativen Methoden (direkt oder über Interaktionen) verhindert werden. 141. Konsensbasiertes Statement Diagnostische Maßnahmen der alternativen oder komplementären Medizin können für Patienten mit Karzinomen des Magens und des ösophagogastralen Übergangs nicht empfohlen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die angebotenen Methoden (Irisdiagnostik, Enderlein, Bioresonanz, Allergiediagnostik) basieren auf wissenschaftlich nicht belegten ätiologischen Konzepten und/oder falschen Interpretationen von Zusammenhängen der Körperfunktionen. Diagnostischen Methoden wie Immunstatus, zirkulierende Tumorzellen und Chemosensitivitätstests lehnen sich an wissenschaftliche Konzepte an. Wenn sie Patienten vor ausreichender Evaluation Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 512 angeboten werden und wenn aus ihnen Therapieempfehlungen abgeleitet werden, stellen sie eine Gefährdung rationaler Entscheidungen dar. 142. Konsensbasiertes Statement Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Misteltherapie einen positiven Einfluss auf das Überleben von Patienten mit Magenkarzinom hat. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens 143. Statement Von Mischkollektiven aus Patienten mit unterschiedlichen Tumorarten gibt es allerdings schwache Hinweise für eine Verbesserung der Lebensqualität. Level of Evidence: 1 de Novo: [605 – 609] Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Sowohl die Cochrane-Analyse als auch die systematische Übersichtsarbeit von Ernst kommen zu der Schlussfolgerung, dass die meisten der bisher veröffentlichten Studien zur Misteltherapie nicht von ausreichender Qualität sind [608, 609]. Methodisch gut durchgeführte Studien zeigen keinen Effekt der Misteltherapie auf das Überleben. Eine ältere Arbeit zur Therapie bei Magenkarzinom-Patienten zeigt einen positiven Einfluss auf die Überlebenszeit bei nodal-positiven Patienten. Diese Arbeit ist auf die heutigen Therapien nicht mehr übertragbar. Die Publikation der Daten ist methodisch ungenügend [607]. Auch im Hinblick auf die Lebensqualität kommt die Cochrane-Analyse zu der Schlussfolgerung, dass die Datenlage nicht beweisend ist und schwache Hinweise für eine Verbesserung der Lebensqualität sprechen, die positiven Studien selber aber von geringerer Qualtiät seien. Es gibt keine prospektiven Daten zur Langzeitanwendung und ihren Folgen. Unter einer Misteltherapie kommt es zu einer Reihe von immunologischen Veränderungen, die in den verschiedenen Studien je nach Fragestellung differieren. Es ist ungeklärt, ob es auch zu klinisch negativen Immuneffekten kommen kann [605, 606]. Die gut gemachten Studien von Kleeberg und Steuer-Vogt mit negativem Ergebnis lassen negative Effekte der Misteltherapie zumindest bei den hier geprüften Tumorentitäten (Melanom, Kopf-Hals-Tumoren) nicht ausschließen. Es gibt keine vergleichenden Aussagen zu den verschiedenen Mistelpräparaten, die Herstellerempfehlungen basieren bez. der Auswahl, z. B. Stärke und Wirtsbaum nicht auf Studien mit wissenschaftlicher Evidenz sondern sind an das anthroposophische Weltbild und die daraus resultierenden Vorstellungen zur Tumorpathogenese angelehnt. Hintergrund Nahrungsergänzungsmittel sind Vitamine und Spurenelemente, Aminosäuren, Fettsäuren und sekundäre Pflanzenstoffe. Z. T. werden sie als Einzelsubstanzen, meist aber als Mischungen angeboten. Die Zusammensetzung variiert stark, nur einige Präparate sind am physiologischen Bedarf orientiert [511 – 513]. Insbesondere Antioxidanzien können die Wirkung von Chemo- und Strahlentherapie abschwächen. Hierzu gehören Vitamin C, E, Betacarotin. Folsäure könnte die Wirkung von 5-FU beeinflussen. Bisher gibt es nur einige klinische Studien, die auf die Sicherheit der Gabe von Antioxidanzien geachtet haben und eine ausreichende Patientenzahl zur Beurteilung aufweisen. 145. Konsensbasiertes Statement Für eine Reihe von hauptsächlich pflanzlichen Stoffen liegen präklinisch-experimentelle Daten vor, die auf eine antitumorale Wirkung hindeuten. Diese rechtfertigen einen klinischen Einsatz außerhalb von Studien nicht. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Zu den präklinisch geprüften Substanzen gehören sekundäre Pflanzenstoffe wie Flavonoide (z. B. EGCG aus grünem Tee, Curcumin, Quercetin) und Terpene. Z. T. liegen in vitro und in vivo Daten vor, die eine synergistische Wirkung mit bestimmten Chemotherapeutika, die für die Therapie des Magenkarzinoms eingesetzt werden oder mit einer Bestrahlung zeigen [610]. Da über Interaktionen wenig bekannt sind, aber eine Wirkungsabschwächung insbesondere bei Substanzen, die Zytochrom P 450 3A4 beeinflussen und generell bei Antioxidanzien während Chemo- und Strahlentherapie und auch bei den small molecules möglich ist, sollte der parallele Gebrauch in pharmakologischen Dosierungen vermieden werden. Die Aufnahme über eine gesunde obst- und gemüsereiche Ernährung ist wünschenswert. 146. Statement Ein therapeutischer Nutzen der Homöopathie ist beim Magenkarzinom als supportive Therapie nicht erwiesen. Level of Evidence: 1a de Novo: [611] Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Hintergrund Die Cochrane-Analyse [611] umfasst eine sehr heterogen Gruppe von Studien, die beiden positiv bewerteten beinhalteten keine Homöopathie im eigentlichen Sinn, sodass insgesamt keine einzige Studie den positiven Effekt der Homöopathie bei Tumorpatienten belegt. 144. Konsensbasierte Empfehlung 147. Konsensbasiertes Statement Während einer Chemo- oder Strahlentherapie sollten Vitamine und Spurenelemente entsprechend des physiologischen Bedarfs und möglichst über die natürliche Ernährung zugeführt werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Starker Konsens Eine Empfehlung zu Hypnose, Visualisierungen, unterstützende Gruppen, Akupunktur und Healing Touch zur Schmerzlinderung bei Patienten mit Tumorerkrankungen kann nicht ausgesprochen werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 513 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie 148. Konsensbasierte Empfehlung Patienten sollte aktiv von der Verwendung von „alternativ“ zur wissenschaftlich empfohlenen Therapie angebotenen Therapien abgeraten werden. Level of Evidence: GCP Abstimmung im Plenum: Konsens Hintergrund Patienten treffen bei der Suche nach Hilfe auf viele nicht fundierte Angebote. Z. T. beruhen sie auf dem ehrlichen Bemühen von Ärzten, die sich mit den Forschungsergebnissen der Onkologie weniger gut auskennen, ihre Patienten zu unterstützen. Es gibt darüber hinaus zahlreiche Anbieter, für die ökonomische Aspekte im Vordergrund stehen. Patienten werden im Rahmen dieser Methoden sinnvolle Therapien vorenthalten. Es ist wichtig, Patienten vor diesen Angeboten durch klare Stellungnahmen zu schützen. Die Angebote verändern sich zum Teil rasch, indem neue Methoden auftauchen und längere Zeit genutzte weniger Verwendung finden. Zum Teil beruhen die Methoden auf der traditionellen Erfahrungsheilkunde, z. T. nutzen sie Adaptationen moderner Forschungszweige (z. B. Hyperthermie) oder eigene Interpretationen von Kanzerogenese und immunologischer Zusammenhänge (Dendritische Zellen), die auch für onkologisch nicht spezialisierte Ärzte nur schwer als unseriös zu erkennen sind. Hierzu gehören u. a. Ukrain, Vitamin B17 (Aprikosenkerne, Bittermandel), insulinpotenzierte Therapie, ketogene Diät, Dr. Rath, Neue Germanische Medizin®, Eigenblutzytokine, Zapper, Redifferenzierungstherapie. 3.16.2. Weitere Hinweise der Arbeitsgruppe zur komplementären Therapie Es gibt keine klinischen Daten, die einen Einsatz von Thymuspräparaten bei Patienten mit Magenkarzinom begründen. Die systematische Suche zeigte keine relevanten Studien, aus der Handsuche ergaben sich 2 Arbeiten [612, 613]. Die Daten zur immunstimulatorischen Wirkung bei Tumorpatienten mit Magenkarzinom und Abschwächung der Leukopenie während einer Chemotherapie stammen aus der Zeit vor dem regelmäßigen Einsatz von Wachstumsfaktoren. Eine Studie zeigt, dass sie parallel dazu gegeben keinen weiteren Vorteil bringen. Es gibt eine Reihe von randomisiert kontrollierten Studien aus Japan und China zu Heilpilzen, die nur im Abstract auf Englisch veröffentlicht sind, sodass eine Evaluation im Rahmen dieser Leitlinie nicht möglich ist. Die Daten der Abstracts sind überwiegend positiv. Es ist nichts über Wechselwirkungen mit den modernen Therapeutika bekannt. Für andere Immunstimulantien wie Echinacin, Aloe, Noni, Fermentierten Weizenkeimextrakt, Milzpeptide etc. liegen keine klinischen Studien vor, die einen supportiven Einsatz begründen. Bei der Phytotherapie handelt es sich im Gegensatz zum Einsatz von isolierten und definierten sekundären Pflanzenstoffen um Extrakte, die Vielstoffgemische darstellen und nach traditionellen Rezepturen hergestellt werden. Obwohl wahrscheinlich auch in Deutschland häufig im Einsatz finden sich keine Publikationen klinischer Studien zur europäischen Pflanzenheilkunde und ihrer Bedeutung bei Tumorpatienten. Zum Einsatz von chinesischen Kräutermischungen gemäß der TCM (Traditionellen Chinesischen Medizin) gibt es Hinweise auf positive Effekte bez. Lebensqualität und Immunsystem. Die Anwendung außerhalb von Studien ist nicht zu empfehlen. Es liegen kaum Informationen zu Interaktionen und Nebenwirkungen Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 vor [614, 615]. Es gibt eine Reihe von Berichten zu unsauberen Präparaten und Beimischungen mit z. T. tödlichen Folgen einer Therapie mit Kräutern aus asiatischen Quellen. Zu den gefundenen Beimengungen gehören Schwermetalle, Pestizide und auch medizinisch wirksame Substanzen wie Kortikoide und Coumarine. Nicht alle in Deutschland erhältlichen Präparate enthalten die deklarierten Pflanzen, eine genaue Bestimmung des Inhalts ist nur in Speziallabors möglich. Vitamin E wurde prophylaktisch zum Schutz vor der Entwicklung der Neurotoxizität unter Cisplatin und Taxol eingesetzt. Da keine Daten zum Einfluss auf das Überleben vorliegen, ist der Einsatz außerhalb von Studien nicht empfehlenswert [514, 515]. Bei nachgewiesenem oder mit der Krankheitssituation des Patienten regelhaft einhergehenden Mangelsituationen (Beispiel Vitamin B12) ist eine Substitution orientiert am physiologischen Bedarf und den Zufuhr- und Resorptionsmöglichkeiten des Patienten erforderlich. Es gibt keinen Beweis, dass Selen Nebenwirkungen, die im Zusammenhang mit Therapien des Magenkarzinoms relevant sind, vermindert. Die bisher publizierten klinischen Studien wurden in der Cochrane-Übersicht von Dennert et al. zusammengefasst. Seitdem sind keine für den Kontext Magenkarzinom relevanten weiteren Studien publiziert worden [516]. Präklinische Daten sprechen dafür, dass Zink das Wachstum von Tumoren fördert, eine Supplementierung ist deshalb bei normaler Ernährung nicht zu empfehlen. Bei Tumorkachexie wurden Omega-3-Fettsäuren aus Fischöl geprüft. Die Datenlage aus den Studien ist widersprüchlich. Die Cochrane-Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2007 sah eine ungenügende Datenlage im Hinblick auf eine Evidenz für die Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren zur Behandlung der Tumorkachexie [517]. Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem gleichen Jahr kommt zu der Schlussfolgerung, dass orale Supplemente mit Omega-3-Fettsäuren Patienten mit Tumorerkrankungen und Gewichtsverlust nutzen und indiziert sind bei Tumoren des oberen Gastrointestinaltrakts und des Pankreas. Es kommt zu einer Verbesserung von Appetit, Lebensqualität, verminderten postoperativen Morbidität und Gewichtszunahme. Es wird eine Aufnahme von 1,5 g/Tag empfohlen [518]. Aufgrund der inkonsistenten Datenlage sind Omega-3-Fettsäuren nicht als Teil der evidenzbasierten Therapie zu betrachten. Keinesfalls ersetzt die Verordnung eine Betreuung des Patienten durch einen erfahrenen Ernährungsmediziner. Eine Kombination aus Lactobacillus und Ballaststoffen als probiotische Therapie senkt nach einer Studie signifikant die Diarrhö unter einer Chemotherapie [519]. Sie könnte in Absprache mit dem Patienten in einem ganzheitlichen Konzept zum Einsatz kommen, wobei sie eine effiziente Prävention und insbesondere Therapie der Diarrhö v. a. unter Irinotecan nicht ersetzt. Bei Patienten mit starker Immunsuppression sind Präparate, die lebende Keime enthalten, zu vermeiden. Mindfulness Meditation und Mindfulness-based Stress Reduction können psychische Funktionsfähigkeit, Wohlbefinden, Coping, Schlafqualität verbessern und Stress reduzieren und deshalb für einige Patienten hilfreich in der Krankheitsverarbeitung sein [616]. Die Begriffe Meditation und Mindfulness-based Meditation sowie Mindfulness-basesd Stress Reduction umfassen sehr unterschiedliche Ansätze. Gemeinsam ist ihnen der Versuch, die (Selbst-)Achtsamkeit des Patienten zu erhöhen und damit einen besseren Umgang mit der Krankheitssituation zu erreichen. Im letzteren Begriff sind auch die klassischen Entspannungsverfah- Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 514 ren einbegriffen [617 – 622]. Die bisher veröffentlichten Daten bei Tumorpatienten beruhen auf sehr heterogenen Studien von meist geringerer Qualität, sodass ihre Aussagekraft eingeschränkt ist. Sie haben Potenzial in der Stärkung der Eigenverantwortung der Patienten. In der begleitenden Therapie sind keine negativen Wirkungen zu erwarten, allerdings gilt dies nicht für Verfahren, die für sich eine tumorheilende (alternative) Wirkung reklamieren (z. B. bestimmte Varianten des Qigong). Massage, Aromatherapie und andere berührende Therapieverfahren haben möglicherweise positive Effekte auf Angst, Schmerz und Übelkeit. „Berührende Therapien“ können als komplementäre Therapien bei Patienten mit Schmerzen eingesetzt werden. Grundvoraussetzung ist jedoch immer eine leitliniengerechte ausreichende (medikamentöse) Schmerztherapie [623 – 625]. Reiki vermindert Schmerz und Angst bei Patienten unter einer Chemotherapie [626]. Zur Reflextherapie liegt eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2008 vor. Es ist anhand der publizierten Daten nicht möglich, eine Aussage zu treffen, ob eine Reflextherapie positive Auswirkungen auf körperliche oder psychische Symptome von Tumorpatienten hat [627]. Anhand der publizierten Studien ist es auch nicht möglich, zu entscheiden, ob Yoga einen positiven Effekt auf die Symptome von Tumorpatienten hat. Es gibt Hinweise auf Verbesserung von Schlafqualität, Stimmung, Stress, tumorassoziierten Symptomen und Lebensqualität [628 – 631]. Yoga kann in einem integrierten Programm Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen reduzieren [632]. 4. Qualitätsindikatoren ! Qualitätsindikatoren sind Messgrößen, deren Erhebung der Beurteilung der Qualität der zugrunde liegenden Strukturen, Prozessen bzw. Ergebnisse dient (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin [ÄZQ], Gramsch E, Hoppe JD, Jonitz G, Köhler A, Ollenschläger G, Thomeczek C [eds.]. Kompendium Q-M-A. Qualitätsmanagement in der ambulanten Versorgung. 3 rd ed. Köln: Dt. Ärzte-Verl.; 2008). Qualitätsindikatoren sind ein wichtiges Instrument des Qualitätsmanagements. Ziel ihres Einsatzes ist die stetige Verbesserung der Versorgung. Die vorliegende Auswahl von Qualitätsindikatoren orientiert sich an der Methodik der Nationalen Versorgungsleitlinien (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin [ÄZQ]. Manual Qualitätsindikatoren. Manual für Autoren. Berlin: ÄZQ; 2009. [äzq Schriftenreihe; 36]. Available from: http://www.aezq.de/ edocs/pdf/schriftenreihe/schriftenreihe36.pdf). Als Grundlage für die Qualitätsindikatoren dienten alle starken Empfehlungen (Empfehlungsgrad A) sowie Statements mit hoher Evidenz (LOE 1). Diese Empfehlungen und Statements wurden durch einen Methodiker in potenzielle Indikatoren überführt und von den Experten der AG Qualitätsindikatoren schriftlich nach folgenden definierten Kriterien bewertet: 1. Bedeutung des Indikators für das Versorgungssystem: Hat die durch den Indikator gemessene Maßnahme aufgrund einer hohen Fallzahl, einer großen Versorgungsvariabilität, einer bekannten Unter- oder Überversorgung eine wichtige Bedeutung? Kann dadurch die Morbidität oder auch Mortalität bzw. die Lebensqualität verbessert werden? 2. Klarheit der Definition: Ist der mögliche Indikator klar und eindeutig bez. Nenner und Zähler definiert bzw. können benötigte Definitionen eindeutig aus der Leitlinie entnommen werden? 3. Beeinflussbarkeit der Indikatorausprägung: Kann der bewertete Aspekt vom Leistungserbringer beeinflusst werden? 4. Evidenz- und Konsensbasierung des Indikators: Dieses Kriterium wurde nicht bewertet, da eine Vorauswahl getroffen wurde und nur starke Empfehlungen (Empfehlungsgrad A/soll) oder Statements mit Evidenzgrad 1 aufgenommen wurden, die Evidenzbasierung des Indikators wurde für die Bewertung dargestellt. 5. Risiken zur Fehlsteuerung: Hier wurde bewertet werden, ob durch den Indikator ein Risiko zur Fehlsteuerung gesetzt wird, das nicht ausgeglichen werden kann durch einen Gegenindikator oder andere Informationen. Als angenommen galten Indikatoren mit mind. 75 % Zustimmung bei jedem Kriterium. Nach der schriftlichen Bewertung erfolgten methodisch moderierte Telefonkonferenzen, in denen sowohl die angenommenen als auch die wegen eines Kriteriums nicht angenommenen Indikatoren diskutiert wurden. Danach erfolgte eine abschließende schriftliche Annahme oder Ablehnung der Indikatoren. Es wurden insgesamt 13 Indikatoren mit einer Zustimmung ▶ Tab. 9). Die Indikatoren sind von mind. 75 % angenommen (● als vorläufig bewertete Vorschläge zu verstehen. Eine abschließende Bewertung kann erst nach einem erforderlichen Pilottest mit Datenerhebung erfolgen. Tab. 9 Angenommene Qualitätsindikatoren nach vorläufiger Bewertung. Indikator Abgeleitet von Empfehlung Nr. Spezifikationen in dieser Leitlinie Staging 1. Zähler: Anzahl Patienten mit konventioneller B-Bild-Sonografie und CT-Thorax und CT-Abdomen Nenner: Alle Patienten mit Karzinomen des Magens und des ÖGU und kurativer Therapieintention Nr. 24 Eine Fernmetastasierung soll mittels konventioneller B-Bild-Sonografie, CT-Thorax und CT-Abdomen ausgeschlossen sein. (GCP, starker Konsens) Siehe 3.5. „Staging“ Empfehlung Nr. 24 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Dies gilt nur für Patienten mit kurativer Therapieintention, deshalb im Nenner so spezifiziert. 2. Zähler: Anzahl Patienten mit Stadieneinteilung und histologischer Klassifikation nach aktueller TNM-Klass. der UICC Nenner: Alle Patienten mit operierten Karzinomen des Magens und des ÖGU Nr. 38 Die Stadieneinteilung und histologische Klassifikation der Karzinome des gastroösophagealen Übergangs und des Magens sollen nach der jeweils aktuellen TNM-Klassifikation der UICC erfolgen. (GCP, starker Konsens) Siehe 3.6. „Histopathologie“ Empfehlung Nr. 38 mit Hintergrundtext Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 515 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. Leitlinie Leitlinie Tab. 9 (Fortsetzung) Indikator Abgeleitet von Empfehlung Nr. Spezifikationen in dieser Leitlinie ergänzende Anmerkungen: – 3. Zähler: Anzahl von Patientinnen/Patienten mit vollständiger und standardisierter pathol.-anat. Begutachtung Nenner: Alle Patienten mit operierten Karzinomen des Magens und des ÖGU Nr. 39 Die pathol.-anat. Begutachtung soll vollständig und in standarisierter Form vorgenommen werden. (GCP, starker Konsens) Siehe 3.6. „Histopathologie“ Empfehlung Nr. 39 mit Hintergrundtext Siehe Anhang „Angaben zur pathol.-anat. Begutachtung“ ergänzende Anmerkungen: Definitionen zu „vollständig“ und „standardisiert“ werden im Anhang der Leitlinie aufgeführt (siehe Spezifikationen) chirurgische Therapie 4. Zähler: Anzahl Patienten mit R 0-Resektion (vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten, hist. bestätigt tumorfreie Resektionsränder) Nenner: Alle Patienten mit Magenkarzinom und Operation mit kurativer Intention Nr. 54 Ziel der kurativen Chirurgie des Magenkarzinoms ist die vollständige Entfernung des Tumors und der regionären Lymphknoten mit histologisch bestätigt tumorfreien proximalen, distalen und zirkumferentiellen Resektionsrändern (R0) (Statement LOE 1b, starker Konsens) Siehe 3.8.1. „Resektion“ Statement Nr. 54 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Die kurative Intention sollte als Beschluss aus der Tumorkonferenz dokumentiert sein. 5. Zähler: Anzahl Patienten mit Entfernung der regionären Lymphknoten von Kompartiment 1 und 2 (D2) Nenner: Alle Patienten mit Operation von Karzinomen des Magens oder ÖGU in kurativer Intention Nr. 56 Die Entfernung der regionären Lymphknoten von Kompartiment 1 und 2 (D2-Lymphadenektomie) stellt den Standard für die operative Behandlung in kurativer Intention dar. (Statement LOE 1, starker Konsens) Siehe 3.8.1. „Resektion“ Statement Nr. 56 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Die kurative Intention sollte als Beschluss aus der Tumorkonferenz/des Tumorboards dokumentiert sein. 6. (Zusatzindikator zu 5.) Zähler: Anzahl Patienten mit Entfernung von mehr als 25 Lymphknoten Nenner: Alle Patienten mit D 2-Lymphadenektomie ohne Splenektomie/Pankreaslinksresektion Nr. 57 Bei der D 2-Lymphadenektomie ohne Splenektomie/ Pankreaslinksresektion werden in der Regel mehr als 25 regionäre Lymphknoten entfernt und histopathologisch untersucht. (Statement LOE 1, starker Konsens) Siehe 3.8.1. „Resektion“ Statement Nr. 57 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Dieser Indikator ist ein Zusatz zu Indikator 5 und dient der weiteren Datenerfassung ohne Intention der Abfrage eines vorgegebenen Referenzbereichs. perioperative, neoadjuvante und adjuvante Therapie 7. Zähler: Anzahl der Patienten mit perioperativer (prä- und postop.) Chemotherapie Nenner: Alle Patienten mit lokalisiertem Magenkarzinom cT3 und resektablen T 4 Nr. 66 Bei lokalisierten Magenkarzinomen der Kategorien uT3 und resektablen uT4a Tumoren soll/sollte eine perioperative Chemotherapie, d. h. präoperativ durchgeführt und postoperativ fortgesetzt werden. Empfehlungsgrad A/B Siehe 3.9.1. „perioperative Chemotherapie“ Empfehlung Nr. 66 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Die Gruppe entschied sich trotz der beiden vorliegenden Empfehlungsgrade A + B, diesen Indikator auch zur Disposition zu stellen. Ziel ist zunächst eine Datenerhebung ohne Intention der Abfrage eines vorgegebenen Referenzbereichs. Für die Abfrage als Qualitätsindikator wurde uT3 /T4 durch cT3 /T4 ersetzt. Neben einer qualitätsgesicherten Endosonografie kann die CT-Untersuchung herangezogen werden, wenn die in der Leitlinie genannten Qualitätsanforderungen eingehalten wurden (siehe 3.5.2. Röntgendiagnostik S. 474) 8. Zähler: Anzahl von Patienten mit perioperativer Chemotherapie oder neoadjuvanter Radiotherapie Nenner: Alle Patienten mit lok. Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs uT3 und resektable uT4 Nr. 67 Beim lokalisierten Adenokarzinom des ösophagogastralen Übergangs der Kategorien uT3 und resektablen uT4 Tumoren soll/sollte eine perioperative Chemotherapie oder eine neoadjuvante Radiochemotherapie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad A/B Siehe 3.9.1. „perioperative Chemotherapie Empfehlung Nr. 67 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Die Gruppe entschied sich trotz der beiden vorliegenden Empfehlungsgrade A + B, diesen Indikator auch zur Disposition zu stellen. Ziel ist zunächst eine Datenerhebung ohne Intention der Abfrage eines vorgegebenen Referenzbereichs. 9. Zähler: Anzahl Patienten mit interdisziplinärer Entscheidung über weitere Therapie Nenner: Alle Patienten mit Nachweis eines allgemeinen Tumorprogresses unter neoadjuvanter Therapie Nr. 73 Bei Nachweis eines allgemeinen Tumorprogresses soll die Entscheidung über die weitere Therapie interdisziplinär erfolgen. (GCP, starker Konsens) Siehe 3.9.4. „Restaging nach neoadjuvanter Therapie“ Empfehlung Nr. 73 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: „allgemeiner Tumorprogress“ kann mit Tumorprogress gleichgesetzt werden. Es ist der Progress unter neoadjuvanter Therapie gemeint, deshalb der Zusatz im Nenner „Interdisziplinäre Entscheidung“, wurde definiert als eine Entscheidung im Tumorboard bzw. innerhalb der Tumorkonferenz. Moehler M. S3-Leitlinie „Magenkarzinom“ –… Z Gastroenterol 2011; 49: 461 – 531 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages. 516 Leitlinie Tab. 9 517 (Fortsetzung) Indikator Abgeleitet von Empfehlung Nr. Spezifikationen in dieser Leitlinie Tumorgerichtete palliative Therapie Zähler: Anzahl von Patienten, denen eine systemische Chemotherapie angeboten wurde Nenner: Alle Patienten mit nicht resektablem Magenkarzinom/ Karzinom des ÖGU und gutem Allgemeinzustand ohne Chemotherapie Nr. 86 Patienten in gutem Allgemeinzustand soll eine systemische Chemotherapie angeboten werden. Therapieziel ist die Verbesserung des Überlebens und der Erhalt der Lebensqualität. Alter stellt keine Kontraindikation dar. (Empfehlungsgrad A, starker Konsens) Siehe 3.10.1. „medikamentöse Tumortherapie“ Empfehlung Nr. 86 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Durch diesen Indikator soll überprüft werden, ob Patienten ohne Chemotherapie diese angeboten wurde. Die Gründe für die Ablehnung (Wunsch des Patienten etc.) sollten dokumentiert sein. Als „guter Allgemeinzustand“ wird die ECOG-Einstufung von 0 – 2 angesehen. 11. Zähler: Anzahl von qualitätsgesicherten Bestimmungen Nenner: Alle Patienten mit Bestimmung des HER-2-Status Nr. 89 (Vor dem Einsatz einer palliativen medikamentösen Tumortherapie sollte der HER-2-Status als positiver prädiktiver Faktor für eine Therapie mit Trastuzumab bestimmt werden.) Die histopathologische Bestimmung am Tumorgewebe soll qualitätsgesichert durchgeführt werden. GCP – starker Konsens Siehe 3.10.1. „medikamentöse Tumortherapie“ S. 494 Empfehlung Nr. 89 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Nur 2. Teil der Empfehlung mit „soll“ – deshalb wurde nur dieser Teil umgesetzt. Als qualitätsgesicherte Bestimmungen gelten solche, die im Rahmen der Teilnahme an entsprechenden Ringversuchen stattfinden. Ernährung 12. Zähler: Anteil Patienten, die postoperativ vor der Entlassung eine eingehende diätetische Beratung zu den erforderlichen Änderungen im Ernähungsverhalten erhalten Nenner: Alle Patienten nach Ösophagektomie oder Gastrektomie Nr. 122 Postoperativ sollen Patienten nach Ösophagektomie oder Gastrektomie vor der Entlassung eine eingehende diätetische Beratung zu den erforderlichen Änderungen im Ernährungsverhalten sowie ggf. eine Schulung im Umgang mit einer vorhandenen Feinnadelkatheterjejunostomie erhalten. (Ernährungsmedizinische Verlaufskontrollen ggfs. mit Wiederholung der Ernährungsberatung sollten regelmäßig erfolgen.) GCP siehe 3.13.3. „postoperative Ernährungstherapie“ Empfehlung Nr. 122 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Nur 1. Teil der Empfehlung mit „soll“, deshalb wurde nur dieser Teil umgesetzt. Auf den 2. Teil der Empfehlung wird explizit hingewiesen. Nachsorge und Rehabilitation 13. Zähler: Anzahl von Patienten mit dokumentierter Empfehlung zu Vit.-B 12-Substitution (z. B.1000 µg alle 3 Mo) im Arztbrief Nenner: Alle Patienten nach Gastrektomie Nr. 129 Nach einer Gastrektomie soll eine regelmäßige Vit.B 12-Substitution lebenslang durchgeführt werden. (GCP, starker Konsens) siehe 3.14.2. „Substitutionen nach Gastrektomie“ Empfehlung Nr. 129 mit Hintergrundtext ergänzende Anmerkungen: Dieser Indikator wurde zunächst wegen mangelnder Beeinflussbarkeit der geforderten lebenslangen Vit.-B12-Substitution nicht angenommen. Die Experten sprechen der Vit.-B12-Substitution jedoch eine hohe Bedeutung mit Verbesserungspotenzial in der Umsetzung zu. Als beeinflussbar und sinnvoll wurde die oben genannte Änderung im Nenner angesehen. Literatur 1 2 3 4 Liu C, Crawford J. The Gastrointestinal Tract. 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