Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Lichttechnisches Institut Universität Karlsruhe (TH) Prof. Dr. rer. nat. Uli Lemmer Dipl.-Phys. Alexander Colsmann Engesserstraße 13 76131 Karlsruhe Festkörperelektronik 5. Übungsblatt 26. Juni 2008 Musterlösungen 29. Kristalle (a) Wann ist ein Festkörper kristallin? Welche Informationen benötigt man, um einen Kristall eindeutig zu beschreiben? (?) Ein Kristall zeichnet sich durch vollkommene Translationssymmetrie in allen Raumrichtungen aus. Das bedeutet, das durch das Aneinanderreihen identischer Bausteine der Raum lückenlos gefüllt wird. Diesen elementaren „Baustein“ bezeichnet man als Einheitszelle des Kristalls. Gleichwertig hiermit ist die Definition von drei linear unabhängigen Vektoren, die die Einheitszelle aufspannen. Bewegt man sich um ein ganzzahliges Vielfaches dieser Vektoren im Kristall, erreicht man immer eine zum Ausgangspunkt gleichartige Position (Hier ist wie häufig die Annahme vorausgesetzt, dass der Kristall unendlich ausgedehnt ist.) Durch Angabe der Einheitszelle oder der Gittervektoren wird eine Anordnung von Punkten im Raum, das Kristallgitter, definiert. Um den materiellen Kristall komplett zu beschreiben, benötigt man noch die Angabe der Basis. Hierbei handelt es sich um das Objekt, das gemäß der räumlichen Ordnung des Kristallgitters angeordnet wird. Bei der Basis kann es sich um einzelne Atome, um Gruppen von Atomen bis hin zu komplexen Molekülen bestehend aus vielen Millionen von Atomen handeln. Im Falle des Silizium-Kristalls besteht die Basis zum Beispiel aus zwei Silizium-Atomen. Die Einheitszelle ist hier kubischflächenzentriert, also ein Würfel mit Gitterplätzen an den Ecken und zusätzlich je einem Gitterplatz in der Mitte der Seitenflächen. Auf jede dieser Positionen muss nun die zweiatomige Basis platziert werden, um den Si-Kristall zu bilden. (b) Welche Herstellungsmethoden von hochreinen kristallinen Festkörpern kennen Sie? Beschreiben Sie deren Funktionsweise. (?) Seite L53 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Sehr große Kristalle von guter Qualität können aus der Schmelze gezogen werden. Hier wird ein bereits sehr reines Vorgängermaterial in einem Tiegel geschmolzen und ein kleiner Brocken kristallinen Materials hineingetunkt. Bewegt man nun sehr langsam und unter genau kontrollierten Bedingungen den Kristall nach oben, so bleibt die untere Seite immer mit Schmelze benetzt, welche dort abkühlt. Die sich so anlagernden Atome kommen fast immer auf einem regulären Gitterplatz zur Ruhe. So können fast perfekte Kristalle von mehr als einem Meter Länge und etlichen 10 Zentimeter Durchmesser entstehen. Eine weitere Variante der Herstellung von Kristallen ist die Epitaxie. Hier werden die Ausgangsmaterialien in fester, flüssiger oder gasförmiger Phase mit einem Substrat in Kontakt gebracht, wobei eine Schicht des Zielmaterials auf diesem „wächst“. So können zum Beispiel die Ausgangsmaterialien unter Vakuum verdampft und der Gasstrom auf ein beheiztes Substrat gerichtet werden. (c) Wann spricht man von polykristallinen, wann von amorphen Festkörpern? (?) Im amorphen Festkörper existiert keine Fernordnung, also auch keine Translationssymmetrie wie in Kristallen. In polykristallinen Materialien existieren Bereiche mit strenger Ordnung, die Bereiche untereinander weisen jedoch keine Symmetrien auf. (d) Kauft man einen Siliziumwafer, so ist genau gekennzeichnet, entlang welcher Kristallebene der Schnitt verläuft. Warum ist das in Kristallen wichtig? Ist eine solche Angabe auch für eine Schicht amorphes Silizium oder Glas sinnvoll? (??) Kristalline Strukturen haben, je nach Raumrichtung, verschiedene Geometrien. Da hiervon auch die physikalischen Eigenschaften abhängen, ist es wichtig zu wissen, entlang welcher Gitterebene der Einkristall geschnitten wurde. So kann es zum Beispiel Bewegungsrichtungen im Kristall geben, entlang derer die Elektronenbeweglichkeit besonders hoch ist. In amorphen Materialien gibt es solche Vorzugsrichtungen nicht, in Näherung bietet sich in jede Richtung das gleiche Bild. Daher sind auch die Eigenschaften isotrop und eine Kennzeichnung einer bestimmten Ebene nicht möglich und nötig. 30. Leitfähigkeit (a) Wie ist die Leitfähigkeit definiert? Welche Faktoren bestimmen die Leitfähig- Seite L54 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 keit im Halbleiter und wie kann man diese beeinflussen? (?) Die Leitfähigkeit ist definiert als σ = e(µe n + µh p) (1) S 1 in den Einheiten [σ] = m = Ωm . Sowohl Elektronen, als auch Löcher tragen zu ihr bei. Die Beiträge hängen jeweils von der Beweglichkeit der Teilchensorte und ihrer Dichte ab. Die Dichte der Teilchen ist beeinflussbar, vor allem durch das gezielte Einbringen von Fremdatomen (mehr dazu in Kürze). Die Beweglichkeit ist ein Materialparameter, der allerdings durch äußere Einflüsse verändert werden kann. Da man sich die Beweglichkeit als abhängig von Summe der Effekte, die zur Streuung des Elektrons führen, vorstellen kann, spielt zum Beispiel die Reinheit des Halbleiters eine entscheidende Rolle. Gitterfehlstellen, Versetzungen und Fremdatome vermindern die Beweglichkeit maßgeblich. (b) In eine organische Dünnschicht-LED (OLED) werden über 2 Metallkontakte Elektronen bzw. Löcher injiziert. Die Dicke der organischen Schicht ist typischer Weise ca. 200 nm. Nehmen Sie an, daß Elektronen und Löcher die gleiche Mobilität von µ = 10−3 cm2 V−1 s−1 besitzen und etwa in der Mitte der Schicht unter Abstrahlung von Licht rekombinieren. Wie lange dauert es demnach, bis die ersten Ladungsträger nach dem Einschalten der Spannung U=6 V die Rekombinationszone erreicht haben? (??) Aus der Vorlesung ist die mittlere Geschwindigkeit v bekannt: v = µE = x = d2 und mit E = Ud folgt für die Zeitdauer t= x d d2 ∼ = = = 33 ns µE 2µE 2µU x t mit (2) (c) Ist diese organische LED damit für Daten Übertragungen im GBit-Bereich durch aktive Modulation geeignet? (??) Um eine Diode einzuschalten sind also ca. 33 ns nötig. Nehmen wir die gleiche Zeit an, um die Diode wieder auszuschalten, dann läßt sich eine Diode maximal 1, 5 · 107 mal in der Sekunde ein- und ausschalten. Dies entspricht einer maximalen Schaltfrequenz von 15 MHz. Seite L55 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Diese Abschätzung ist insofern optimistisch, als daß insbesondere in Polymeren viele Defekte zu einer Reduzierung des Ladungstransportes führen. Ferner wird Elektrolumineszenz (Abstrahlung von Licht als Resultat von Ladungsträger-Rekombination) erst beobachtet, wenn sich Raumladungen aufgebaut haben. Es ist auch davon auszugehen, daß sich injizierte Ladungen länger als angenommen im Material aufhalten können. Demnach kann eine organische Leuchtdiode im Gigahertz-Bereich nicht aktiv (durch Ein- und Ausschalten) moduliert werden. Sollen Daten mit organischen Leuchtdioden als Signalquelle übertragen werden, so muß das Signal passiv, also durch einen externen Modulator, moduliert werden. (d) Die Beweglichkeit der Elektronen in einem Film aus dem organischen Halbleitermaterial PFO ist abhängig vom angelegten Feld über: √ µ(E) = µ0 exp(α E) (3) Hier ist µ0 = 4, 3 · 10−5 cm−2 /Vs und α = 3, 48 · 10−3 cm−1/2 /V−1/2 . Nun werden an einen 100 nm dicken Film 5 V Spannung angelegt. Wie groß müsste die Ladungsträgerdichte sein, damit die Stromdichte erreicht wird, die in einem ebenso dicken Siliziumplättchen bei gleicher Spannung mit einer Elektronen-Konzentration von 1016 cm−3 (Löcher sind vernachlässigbar) fließt (µn = 1500 cm2 /Vs, µp = 500 cm2 /Vs)? (??) Die Stromdichte hängt vom angelegten Feld entsprechend J = σE mit σ = e(µn n + µp p) ab. Der Löcheranteil an der Stromdichte darf laut Aufgabenstellung vernachlässigt werden. Wenn nun die gleiche Stromdichte in beiden Fällen fließen soll, setzen wir an: JSi = JP F O p U U eµn, Si nSi = enP F O µ0 exp(α U/d) d d (4) (5) mit der Feldstärke E = U/d. Wir können diese Gleichung nach der gesuchten Größe nP F O auflösen und erhalten: Seite L56 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 nP F O = µn, Si nSi p = 2, 98 · 1022 cm−3 µ0 exp(α U/d) (6) Die Ladungsträgerdichte muss also in der Organik sechs Größenordnungen höher liegen als in Silizium. Bei so hohen Ladungsträgerdichten spielen auch hier nicht betrachtete Effekte eine Rolle, die zur weiteren Reduktion der Stromdichte führen. 31. Messung der Leitfähigkeit Sie halten einen Galliumarsenid-Wafer in der Hand (giftig! Handschuhe anziehen!). Dummerweise ist das Etikett auf der Verpackung nicht mehr lesbar. D.h., Sie können keine Aussage über die Dichte der zum Strom beitragenden Elektronen machen (der Anteil der Löcher zum Strom kann vernachlässigt werden). Sie wissen aber, daß die Mobilität von Elektronen in Galliumarsenid µe = 8500 cm2 V−1 s−1 beträgt. (a) Wie können Sie mit einer SMU (Source-Meter-Unit) zum Vermessen von StromSpannungs-Kennlinien die Dichte der am Ladungstransport teilnehmenden Elektronen bestimmen? (?) Zunächst werden Sie eine U/I-Kennlinie vermessen, also den Strom, der durch den Wafer fließt, in Abhängigkeit der angelegten Spannung. Entsprechend I = R1 U können Sie aus der Geraden-Steigung den Widerstand R bzw. die elektrische Leitfähigkeit σ ∝ R1 bestimmen. Entsprechend σ = eµe ne können Sie nun die Anzahl der Elektronen bestimmen, die am Ladungstransport teilnehmen. (b) Was sind Widerstand, spezifischer Widerstand, Leitwert und spezifischer Leitwert und wie hängen sie zusammen? Geben Sie die Bereiche an, in denen der spezifische Leitwert (oder der spezifische Widerstand) für Metalle, Halbleiter und Isolatoren üblicherweise liegen. (?) Der Widerstand eines Bauteils gibt an, wie viel Spannung erforderlich ist, um einen bestimmten Strom fließen zu lassen. Der spezifische Widerstand, meistens bezeichnet mit ρ, enthält den materialabhängigen Teil des Widerstands. Seite L57 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 So kann man unabhängig von der Geometrie des Bauteils Aussagen zum Widerstand bestimmter Stoffe machen. Der Leitwert beziehungsweise die spezifische Leitwert sind die jeweils reziproken Größen zum Widerstand (G = 1/R) und zum spezifischen Widerstand (σ = 1/ρ). (c) Finden Sie heraus, was der Flächenwiderstand einer Schicht ist und wie dieser mit dem Widerstand sowie dem spezifischen Widerstand zusammenhängt. (?) Der Flächenwiderstand ρ einer Schicht der Dicke d ist mit dem spezifischen Widerstand über ρ = ρ/d verknüpft. Der Flächenwiderstand wird zur BeΩ , in Worten: schreibung dünner Schichten benutzt. Seine Einheit ist [ρ ] = „Ohms per Square“. (d) Warum ist der Widerstand einer quadratischen leitenden Fläche immmer gleich? (??) In Abbildung 1 ist schematisch gezeigt, wie man den Widerstand berechnet. Abb. 1: Bestimmung des Widerstandes einer quadratischen, leitenden Fläche Man unterteilt die Fläche in vier gleichgroße Subflächen, jede mit dem Widerstand R. Zuerst bestimmt man den Serienwiderstand, er beträgt 2R. Der 1 1 1 Parallelwiderstand berechnet sich zu RGesamt = 2R + 2R → RGesamt = R. (e) Informieren Sie sich, wie eine Vier-Punkt-Messung zur Bestimmung des Flächenwiderstands eines Halbleiters durchgeführt wird. Skizzieren Sie den Aufbau. Welche Vorteile hat eine solche Messung gegenüber der Messung mit einer SMU oder einem Multimeter? (?) Für eine Vier-Punkt-Messung werden vier Kontaktstifte in gleichem Abstand in einer Reihe angeordnet. Zwischen den beiden äußeren wird ein bestimmter Strom eingeprägt. Nun kann über den beiden inneren Stiften die Potentialdifferenz abgegriffen werden, aus der sich der Flächenwiderstand berechnet. Der Seite L58 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Vorteil dieser Methode ist, dass man keinen Einfluss von Kontaktwiderständen mehr berücksichtigen muss. (f) Eine weitere gebräuchliche Messmethode für Flächenwiderstände ist die vander-Pauw-Methode. Beschreiben Sie auch diese kurz und nennen Sie Vorteile dieser Methode. (??) Wie auch die Vier-Punkt-Messung dient die Van-der-Pauw-Messmethode zur Bestimmung des elektrischen Flächenwiderstandes dünner, homogener Schichten. Zunächst werden am Rand eines beliebig geformten Gebiets vier beliebige Punkte kontaktiert. Dann wird die Spannung über zwei der Kontakte gemessen, während über den übrigen zwei ein Strom eingeprägt wird. Die Messung wird nach zyklischer Vertauschung der Kontakte wiederholt. Aus den gemessenen Daten kann nun unabhängig von der Position der Kontakte der Flächenwiderstand ermittelt werden. 32. Bloch-Oszillationen Das Leitungsband in Silizium läßt sich im Bereich [− πa , πa ] in der Kristallrichtung (100) (zwischen Γ- und X-Punkt) näherungsweise durch das Potential W (k) = ∆W (1 + cos ka) mit ∆W = 2 eV beschreiben. 2 (a) Berechnen Sie die Geschwindigkeit v und die effektive Masse mef f des Elektrons π bei k = 0, k = πa und k = 2a im angegebenen Kristallpotential. (??) Wir bestimmen zunächst die partiellen Ableitungen von W(k). ∆W (1 + cos ka) 2 a · ∆W = − sin ka 2 a2 · ∆W = − cos ka 2 W (k) = ∂W ∂k 2 ∂ W ∂k 2 Daraus folgt: Seite L59 (7) (8) (9) Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 1 ∂W · ~ ∂k ~2 mef f = ∂ 2 W v= ∂k2 a · ∆W sin ka 2~ 2~2 = − 2 a ∆W cos ka = − k W(k) v(k) 0 2eV 0 m π a ∆W 1eV − 2~ = −8, 27 · 105 s 2a π 0eV 0 a 2 − a22~∆W 2~2 a2 ∆W (10) (11) mef f (k) = −2, 33 · 10−31 kg ∞ −31 = +2, 33 · 10 kg (b) Skizzieren Sie W (k), v(k) und mef f (k). (?) Abb. 2: Bloch-Oszillationen (c) Nun werde ein elektrisches Feld angelegt, das auf die Elektronen eine Kraft F ausübt. Zeigen Sie, daß hiernach die Elektronen-Geschwindigkeit und der Elektronen-Ort zeitlich oszillieren (Bloch-Oszillationen). (??) F = dp p=~k dk = ~ dt dt Seite L60 (12) Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Integrieren dieser Gleichung liefert bei zeitlich konstanter Kraft: Ft = k − k0 ~ Ft k(t) = k0 + ~ (13) (14) Damit folgt für die Geschwindigkeit: a · ∆W a · ∆W Ft v=− sin ka = − sin a k0 + 2~ 2~ ~ R Entsprechend gilt für den Ort x = v dt: ∆W Ft x= cos a k0 + 2F ~ (15) (16) An Hand der Gleichungen 15 und 15 sieht man, dass die Geschwindigkeit und der Ort des Elektrons zeitlich oszillieren. (d) Warum fließt dann ein Strom bei angelegtem elektrischen Feld? Berechnen Sie dazu aus der Beweglichkeit µ = 1300 cm2 V−1 s−1 der Elektronen in Silizium die mittlere Streuzeit τ , verwenden Sie als Abschätzung für die effektive Masse der Elektronen den Wert 0.32 m0 . Vergleichen Sie diese Streuzeit mit einer BlochOszillations-Periode für eine Feldstärke von 106 V/m. (??) Benutzen Sie: v= 1 ∂W , ~ ∂k 1 1 ∂2W = 2 , mef f ~ ∂k 2 µ= eτ mef f Die Gitterkonstante beträgt aSi = 5.43 Å. Zunächst berechnen wir die Streuzeit der Elektronen im Kristall: µ= e0 τ µmef f →τ = = 2.42 · 10−13 s mef f e0 (17) Im Vergleich dazu betrachten wir die Periode der Bloch-Oszillation. Dazu benutzen wir die Ergebnisse aus den vorherigen Aufgabenteilen. Die Gleichungen Seite L61 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 15 und 15 sind abhängig von dem Argument a k0 + F~t . Der Cosinus ist periodisch mit der Periode 2π, wir müssen also herausfinden, in welcher Zeit T sich das Argument um 2π verändert. Dazu setzen wir k0 = 0 und beginnen zum Zeitpunkt t = 0. Somit müssen wir aF T = 2π ~ (18) auswerten und erhalten mit F = e0 E: T = 2π~ = 7.6 · 10−12 s ae0 E (19) Die Periode der Blochoszillation ist also mehr als 30-mal länger als die Streuzeit. Damit werden fast immer Streuungen verhindern, dass das Elektron eine Blochoszillation ausführt. 33. Die Bandstruktur II Abb. 3: Reale Bandstrukturen von (a) Silizium und (b) Gallium-Arsenid. (a) Bei der Betrachtung der realen Bandstrukturen in Abbildung 3 fällt auf, dass das Valenzband aus mehreren, energetische nahe beieinander liegenden Bändern bestehen. Versuchen Sie, die Ursache dieser Aufspaltung des Valenzbandes zu recherchieren. (? ? ?) Für die Aufspaltung der Bandstruktur spielen hauptsächlich Effekte eine Rolle, die Bahndrehimpulse und den Spin der Elektronen berücksichtigen. In unserer Seite L62 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 qualitativen Herleitung haben wir diese vernachlässigt. Mit unserem Wissen aus der Behandlung des Wasserstoffatoms kann man eine grobe Idee davon bekommen, was sich abspielt. Dazu ist es nützlich, sich den Kristall als aus einzelnen Atomen mit einer bestimmten Struktur von diskreten Energieniveaus zusammengesetzt vorzustellen. Für Silizium beispielsweise gibt es vier Valenzelektronen, von denen zwei ein s-Orbital und zwei ein p-Orbital füllen. Im p-Orbital ist somit noch Platz für vier weitere Elektronen. Im Kristall spalten die diskreten Energieniveaus zu Bändern auf, wobei genau die eben beschriebenen Niveaus der Valenzelektronen Leitungs- und Valenzband bilden. In erster Näherung bilden die vier Valenzelektronen so genannte hybridisierte Orbitale im Kristall, das sind hier Mischungen aus s- und p-Orbitalen die energetisch entartet sind. Wir wissen aber, dass als Folge des Pauli-Gebots die vier in diesen Hybridorbitalen lokalisierten Elektronen unterschiedliche Quantenzahlen haben müssen. Beim genaueren Hinsehen wirken sich diese dann doch auf die Energieniveaus aus. Je nach Orientierung des Spins im Vergleich zum Bahndrehimpuls eines Elektrons beispielsweise kann es zu einer Modifikation der Energieniveaus kommen. Man kann sich das im „Planetenmodell“ des Atoms verdeutlichen. Der Spin des Elektrons erzeugt ein Dipolmoment, die Bewegung des Elektrons auf der Kreisbahn um den Kern ein Magnetfeld. Wie bei einer Kompassnadel (Dipol) im Erdmagnetfeld hat das Elektron mit Spin nun je nach Orientierung verschieden große potentielle Energie. Das wird in der Bandstruktur in unterschiedlichen Energieniveaus für die verschiedenen Elektronen sichtbar. (b) Was ist der Gunn-Effekt? Erläutern Sie diesen anhand des Banddiagramms in Abbildung 3 mit Hilfe der effektiven Massen. (??) Der Gunn-Effekt ist ein Hochfeldstärkeeffekt, der in manchen Halbleitermaterialien auftritt. Die Energiebänder dieser Halbleiter haben relative Maxima und Minima in einem nicht großen energetischen Abstand bei verschiedenen Wellenzahlen. Die ist in der Abbildung 3 in der Bandstruktur von Galliumarsenid zu sehen. Zunächst relaxieren die Elektronen im Leitungsband in das globale Minimum bei k = (0, 0, 0). Erreichen diese Elektronen in einem elektrischen Feld eine Energie, die im Bereich der Energiedifferenz der beiden Minima liegt (bei Seite L63 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 GaAs 0,29 eV), so können sie durch Phononen in das benachbarte Nebenminimum gestreut werden. Aufgrund der hohen effektiven Masse der Elektronen im Seitental haben sie dort eine kleinere Beweglichkeit, denn die effektive Masse ist antiproportional der Krümmung. Es ergibt sich dann ein sinkender Strom bei steigender Spannung, d.h. ein negativer differentieller Widerstand. (c) Zeigen Sie, dass volle Bänder keinen Beitrag zum Gesamtstrom in einem Halbleiter liefern. (??) Ein Elektron trägt einen Anteil ∆j ∝ vG proportional zu seiner Gruppengeschwindigkeit vG zur Gesamtstromdichte bei. Um diese Gesamtstromdichte in einem voll besetzten Band zu ermitteln, müssen wir über die gesamte erste Brillouinzone summieren: j∝ π/a X Z π/a vG (k) ≈ vG (k) dk (20) k=−π/a k=−π/a Die Gruppengsechwindigkeit errechnet sich gemäß vG (k) = 1/~∂W (k)/∂k aus der Bandstruktur. Da das Gitter im k-Raum um k = 0 symmetrisch ist, folgt W (−k) = W (k) und daraus weiterhin: vG (−k) = 1/~∂W (−k)/∂k = −1/~∂W (k)/∂k = −vG (k) (21) Dieses Ergebnis eingesetzt in die Gleichung der Stromdichte ergibt: Z π/a j∝ Z 0 vG (k) dk + vG (k) dk = k=−π/a 0 Z k=−π/a (22) vG (k) dk = 0 (23) 0a vG (k) dk − = vG (k) dk 0 k=−π/a Z π/a Z −π/a 34. Zustandsdichte I (a) Beschreiben Sie, was man unter dem Begriff „Zustandsdichte“ versteht! (?) Der Begriff Zustandsdichte (ZD) bezieht sich auf eine Dichte pro Energieintervall. Das heißt, die ZD gibt an, wie viele erlaubte Zustände in einem System in Seite L64 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 einem infinitesimalen Gebiet zwischen W und W + dW auftreten. Meist wird die Zustandsdichte auf das Volumen des Systems normiert. Wir sprechen immer von der ZD für Elektronen, man kann aber auch für andere Teilchen ZD bestimmen. (b) Skizzieren Sie den Verlauf der elektronischen Zustandsdichte gL (W ) im Leitungsband eines Halbleiters. Welche Annahmen wurden gemacht, um diesen Ausdruck zu erhalten? (?) Abb. 4: 3D Zustandsdichte im Leitungsband einer Halbleiters Die wichtigste Näherung ist die der parabolischen Bänder, woraus eine konstante effektive Masse folgt. (c) Berechnen Sie die Zustandsdichte g(W ) für eine zweidimensionale Struktur. Gehen Sie dazu von einem zweidimensionalen k-Raum aus und benutzen Sie die gleiche Strategie wie in der Vorlesung für drei Dimensionen gezeigt. (? ? ?) Wie in drei Dimensionen betrachten wir die Zustände im k-Raum. Unsere Randbedingungen liefern erlaubte Wellenzahlen der Art ki = 2ni π/L, wobei L Länge/Breite des Kristalls ist. Der Abstand zwischen zwei Punkten im kRaum ist also 2π/L. In Abbildung 5 sind die Zustände im zweidimensionalen k-Raum durch Kreuze markiert, exemplarisch ist ein erlaubter Gitterpunkt herausgegriffen. Nun betrachten wir die Energie, deren Dispersionsrelation war für das freie Elektron: Seite L65 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Abb. 5: Zustandsdichte in 2D: Die gelben Kreuze geben die durch die Randbedingungen erlaubten Zustände an. W = ~2 (kx2 + ky2 ) ~2 |~k|2 = 2m 2m (24) Durch umstellen erhalten wir daraus: kx2 + ky2 = 2mW ~2 Gleichung 25 beschreibt einen Kreis im k-Raum, der den Radius kR = besitzt, siehe Abbildung 6. (25) q 2mW ~2 Abb. 6: Zustandsdichte in 2D: Alle Zustände (gelben Kreuze), die auf dem Umfang des Kreises liegen, sind Zustände gleicher Energie W . Seite L66 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Alle Punkte, die auf seinem Umfang liegen, bezeichnen Zustände mit gleicher Energie, somit haben alle Zustände innerhalb des Kreises eine kleinere Energie als diese. Um die Zustandsdichte zu bestimmen, zählen wir die Zustände mit einer Energie kleiner W . Im k-Raum vergleichen wir die Fläche eines einzelnen Zustands mit der Fläche des Kreises mit der Energie W . Da zwischen zwei Zuständen immer der gleiche Abstand liegt, ist die Zustandsfläche: FZustand = 4π 2 L2 (26) wobei L die Länge des quadratischen Kristalls ist. Nun schauen wir, wie in Abbildung 6 gezeigt, wie viele Zustände N in den Kreis zur Energie W passen. N (W ) = π2mW L2 mW L2 πk 2 FKreis = = 4π2R = FZustand 4~2 π 2 2~2 π L2 (27) Der gesuchte Ausdruck soll jedoch die Anzahl der Zustände in einem Energieintervall, nicht die Zustände mit einer Energie kleiner als W , angeben. Diese Information können wir erhalten, indem wir den Zuwachs des Ausdrucks für N mit der Energie betrachten. Mathematisch liefert das die Ableitung von N nach W . Visualisiert ist dieser Vorgang in Abbildung 7. Abb. 7: Bestimmung der 2D-Zustandsdichte durch die Ableitung dN/dW . D= dN (W ) mL2 = 2 dW 2~ π Seite L67 (28) Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Zu guter Letzt müssen wir nun noch auf die Fläche des Kristalls (L2 ) normieren. Außerdem sollten wir beachten, dass wir bisher den Spin nicht in die Überlegungen einbezogen haben. Somit kann jeder Zustand von zwei Elektronen besetzt werden. Letztlich kommen wir zu: 1 m g(W ) = 2 D = 2 F ~π Die Zustandsdichte in 2D ist also konstant. (29) 35. Zustandsdichte im unendlichen Potentialtopf (Ü) Gegeben sei ein 1-dimensionaler mit N Elektronen „gefüllter“ unendlicher Potentialtopf der Breite L. Die Temperatur betrage 0 K. (a) Zeigen Sie, daß sich die Fermi-Energie (hier: die Energie des energetisch höchs N 2 h h2 · 4L angeben läßt (Zur Erinnerung: ~ = 2π ). ten Elektrons), mit WF = 2m (?) Für die möglichen Eigen-Energien in einem unendlichen Potentialtopf gilt: Wn = p2 ~2 k 2 ~2 n 2 π 2 h2 n2 = = = 2m 2m 2mL2 8mL2 (30) . Jedes Energie-Niveau kann entsprechend dem Pauli-Prinzip mit wobei k = nπ L 2 Elektronen („Spin hoch“ und „Spin runter“) besetzt werden. Dementsprechend ist der höchste besetzte Zustand n = N/2. N ist die Anzahl der Elektronen. Mit h = 2π~ folgt: h2 WF = 2m N 4L 2 (31) (b) Geben Sie die Gesamtenergie Wtotal aller Elektronen im ∞-Potentialtopf an. Vereinfachen Sie das Ergebnis für große N (also N → ∞). Benutzen Sie N/2 X 1 N →∞ 1 n2 = (N/2)(N/2 + 1)(N + 1) −→ (N/2)3 6 3 n=1 (??) Seite L68 (32) Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 Um die Gesamtenergie aller Elektronen im unendlichen Potentialtopf zu bestimmen addieren wir die Energien auf: Wtotal = 2 · N/2 X Wn (33) n=1 Da auf jedem Niveau 2 Elektronen Platz haben, müssen wir vom untersten Niveau n=1 bis zu höchsten besetzten Niveau n = N/2 summieren. Durch den Vorfaktor 2 wird berücksichtigt, daß jedes Niveau doppelt besetzt ist. Einsetzen von Wn liefert Wtotal N/2 X h2 Wn = =2· m n=1 1 2L 2 X N/2 n2 · (34) n=1 Alle konstanten Faktoren im Ausdruck der Energie sind hier vor das Summenzeichen gezogen worden. Für großes N (also viele Elektronen) läßt sich dieses Ergebnis unter Berücksichtigung von Gleichung 32 umformen zu Wtotal h2 = 3m 1 2L 2 N 2 3 (c) Zeigen Sie, daß sich die mittlere Energie pro Elektron als 13 WF schreiben läßt. (?) Die mittlere Energie pro Elektron ist 1 h2 W̄ = Wtotal = N 6m N 4L 2 Unter Berücksichtigung der zuvor berechneten Fermi-Energie läßt sich dieses Ergebnis schreiben als 1 W̄ = WF 3 dn (d) Berechnen Sie die Zustandsdichte D(W) = dW für die niedrigen Energieniveaus des unendlichen Potentialtopfs. Gehen Sie von einem „breiten“ Potentialtopf Seite L69 Festkörperelektronik 2008 Übungsblatt 5 aus, so dass Sie eine quasikontinuierliche Folge der Energieniveaus annehmen können. (??) Die Zustandsdichte D(W) gibt die Zahl der möglichen Energiezustände pro Energieeinheit an. Die Zahl der Zustände ergibt sich aus Wn = zu n= h2 n 2 · 8m L Lp 8mWn h Daraus berechnet sich die Zustandsdichte zu L dn 8m √ = = D(W ) = dW 2h 8mWn r 2m L W 2π~ Im Gegensatz zur Zustandsdichte im 3-dimensionalen Potentialkasten mit √ D(W ) ∝ W gilt im 1-dimensionalen Fall also D(W ) ∝ √1W . Seite L70