Kohlenhydrate Prof. Dr. Albert Duschl Kohlenhydrate in der Nahrung Kohlenhydrate sind in zwei Formen in unserer Nahrung vorhanden: Als komplexe Zucker, wie Stärke in Getreideprodukten, und als einfache Zucker, wie das Disaccharid Saccharose in Form von Speisezucker. Zucker sind für den Menschen als Nahrungsmittel besonders bevorzugt, weil sie - mit Ausnahme einiger komplexer Zucker (Cellulose, Chitin) vollständig verwertet werden können - unmittelbar in den Energiestoffwechsel eingeschleust werden können - nicht giftig oder karzinogen sind. Gesundheitliche Risiken durch Zucker: - Bei übermässiger Verwendung zu hohe Kalorienzufuhr - Karies © The Good Housekeeping All-American Cookbook Monosaccharide Monosaccaride sind monomere Zucker. Alle grösseren Zuckerstrukturen sind aus solchen Monomeren aufgebaut. Zucker gehören zu den Kohlenhydraten. Die Bezeichung "Kohlenhydrate" kommt daher, daß diese Verbindungen formal aus Kohlenstoff und Wasser aufgebaut werden können. Viele Zucker haben die Summenformel (CH2O)n, also C + H2O. Zucker haben mindestens drei C Atome, die einfachsten Zucker sind also Triosen. Weiter ist definiert dass Zucker entweder eine Aldehydgruppe, oder eine Ketogruppe enthalten. Man unterscheidet danach Aldosen und Ketosen. © Stryer, Biochemistry Chiralität Viele Zucker haben Asymmetriezentren, also C-Atome mit 4 unterschiedlichen Liganden. Es gibt entsprechend D- und L-Formen wie bei den Aminosäuren. Tatsächlich sind ja die D- und L-Aminosäuren so definiert dass sie den Zuckern D- bzw. L-Glycerinaldehyd entsprechen. Größere Zucker haben oft mehrere Asymmetriezentren. Die Einteilung in D oder L richtet sich nach dem C-Atom, das am weitesten von der Aldehyd- oder Ketogruppe entfernt ist. Diastereomere unterscheiden sich in einem oder mehreren Asymmetriezentren voneinander. Sie sind nicht spiegelbildlich zueinander. Zucker die sich nur in einem einzigen asymmetrischen Zentrum unterscheiden bilden ein Paar von Enantiomeren. Sie sind zueinander spiegelbildlich. D- und L-Glycerinaldehyd sind also Enantiomere. © all figures Stryer: Biochemistry Life on Mars Im Gegensatz zu D-Aminosäuren sind D-Zucker nicht gesundheitsschädlich. Wir verwenden allerdings nur die D-Formen, obwohl einige Mikroorganismen auch mit LZuckern etwas anfangen können. Die Wahl für L-Aminosäuren und D-Zucker ist in der Evolution zufällig (?) getroffen worden. Es gibt keinen Grund anzunehmen dass das allgemein so ist, deshalb wurde etwa auf dem Mars nach biologischen Umsetzungen von D-Glucose und L-Glucose gesucht. Man hat bisher zwar keine Glucose-metabolisierenden Mikroorganismen dort gefunden, aber eine interessante Entdeckung gibt es doch: Chemisch hergestellte LGlukose schmeckt genau wie D-Glucose, obwohl sie nicht metabolisiert wird. Das wäre also ein ideales Süßungsmittel, mit null Kalorien! http://spinoff.nasa.gov/Spinoff2004/ch_4.html Ist leider nicht in den Markt gekommen. Zu teuer. © http://twinqu.com/about-planet-mars/ Weitere Monosaccharide Zucker mit 4 C-Atomen sind eher selten. Man nennt sie Tetrosen. Die meisten biologisch wichtigen Zucker haben entweder 5 C-Atome (Pentosen) oder 6 C-Atome (Hexosen). Größere Zucker kommen aber durchaus auch vor, z.B. die Heptose Sedoheptulose. Die wichtigste Hexose ist die Glucose, die im Energiestoffwechsel der Zelle eine zentrale Rolle einnimmt. © Stryer: Biochemistry Ringform, offenkettige Form Zucker liegen überwiegend nicht in der offenkettigen Form, sondern als Ring vor, hier als Haworth-Projektion gezeichnet. Die offenen Ketten, wie in der Fischer-Projektion, gibt es aber auch. Da bei der Ringschließung ein neues Asymmetriezentrum entsteht, gibt es zwei Formen des Rings: a und ß. Solche homologen Ringformen nennt man Anomere. Bei D-Glucose liegt ca. 2/3 als ß-D-Glucopyranose vor, ca. 1/3 als a-D-Glucopyranose und < 1% in der offenkettigen Form. © all figures Stryer: Biochemistry Stars der Pentosen Die wichtigsten Pentosen sind natürlich Ribose und die davon abgeleitete Desoxyribose, die in Nukleinsäuren vorliegen. Da diese Moleküle als Furanosen vorliegen (also in Ringform) gibt es auch hier zwei Anomere, die a- und die ß-Form. Verwendet werden die rechts gezeigten ß-Formen. Konventionell ist dass man für die ß-Form die OH-Gruppe der ringschließenden Gruppe oben darstellt. © Moore/Lagley: Biochemie für Dummies Sessel, Boot, Envelope In der Ringform nimmt der Zucker keine plane Konformation ein, weil sich die Seitengruppen dabei gegenseitig behindern und diese Form daher energetisch ungünstig wäre. Hexosen liegen in der Regel in der "Sessel"-Konformation vor, die "Wannen"-oder "Boots"-Form tritt seltener auf. Pentosen liegen in einer "Envelope"-Form vor. "Envelope" Form von ß-DRibose. In der Regel knickt entweder das C2oder das C3-Atom so hoch, daß es in einer Richtung mit der CH2OHGruppe steht. Gezeigt ist die C3-endo Konformation. © all figures Stryer: Biochemistry Reduzierende Zucker In der offenkettigen Form können die freien Aldehydgruppen von Monosacchariden durch relativ milde Agenzien oxidiert werden. Traditionell verwendet man Fehling'sche Lösung um zu bestimmen ob reduzierende Zucker vorhanden sind. Bei diesem Test wird Cu++ unter basischen Bedingungen zu Cu+ reduziert, das als unlösliches, rotes Cu(I)Oxid ausfällt. Auch Zucker mit Ketogruppen, wie Fructose, können im Fehling-Test positiv sein, weil sich unter basischen Bedingungen die C=O Doppelbindung in einer komplexen Reaktion so verschieben kann, daß Glucose entsteht. Eine solche Reaktion nennt man Tautomerisierung. Der Fehling-Test hatte früher große Bedeutung weil damit Blutglucose nachgewiesen wurde. Heute verwendet man dafür einen enzymatischen Test mit Glucoseoxidase (machen Sie in den Molekularbiologischen und Biochemischen Übungen ). © Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Glycosidische Bindung Zucker binden an Alkohole und Amine über glycosidische Bindungen. O-glycosidische Bindung: Bindung an Alkohol N-glycosidische Bindung: Bindung an Amin Da Zucker selber Alkohole sind, können sie sich über O-glycosidische Bindungen auch untereinander verbinden. Auf diese Weise entstehen Disaccharide, Oligosaccharide und Polysaccharide. Über glycosidische Bindungen können Lipide gebunden werden (Glycolipide). Die Aussenseite der Plasmamembran enthält besonders viele Glycolipide, ebenso wie bakterielle Membranen. Glycosidische Bindungen mit Proteinen ergeben Glycoproteine, das sind in der Regel membranständige oder sezernierte Proteine. Zucker-Protein-Komplexe ergeben über die Maillard-Reaktion die aromatischen Bräunungsstoffe beim Kochen. © Stryer: Biochemistry Häufige Reaktionen Am Beispiel der Glucose sind hier nochmal einige häufige Reaktionstypen zusammengefasst. Diese Arten von Umsetzungen finden Sie auch bei anderen vergleichbaren Zuckern. © Koolman/Röhm: Taschenatlas der Biochemie Disaccharide Viele Disaccharide sind wichtige Nahrungsmittel und Stoffwechselprodukte. Saccharose (engl. Sucrose, chemisch α-Glucosyl(1→2)-ß-fructosid). Das ist der Zucker den Sie sich in den Tee oder Kaffee tun. Nehmen Sie braunen Zucker, so verwenden Sie Saccharose die hochgereinigt und dann mit Molasse versetzt wurde damit Sie mehr dafür zahlen. Lactose ist das wichtigste Kohlenhydrat in Milch. Menschliche Milch enthält ca. 7.5% Lactose. Im Erwachsenenalter wird Lactose oft nicht mehr vertragen (Lactoseintoleranz). Maltose (Malzzucker) ist u.a. ein Abbauprodukt der Stärke in Malz. Es hat eine a-(1→4) glycosidische Bindung. Die selben Zucker in ß-(1→4) glyosidischer Bindung ergeben Cellobiose (hatten wir vor zwei Folien). © Stryer: Biochemistry Polysaccharide Oligosaccharide (ca. 3-10 Monomere) kommen frei eher selten vor, sind aber oft in Glycoproteinen oder Glycolipiden enthalten. Polysaccharide gehören zu den wichtigsten strukturgebenden Komponenten. Sie können dabei so hart wie Chitin oder so weich wie Dextran sein. Es gibt unverzweigte Polysaccharide wir Amylose und verzweigte wie Amylopectin. Polysaccharide sind für die Speicherung von Glucose im Energiestoffwechsel unverzichtbar. © Koolman/Röhm: Taschenatlas der Biochemie Glycolyse Glucose ist die zentrale Hexose. Ein aufgenommener Zucker wird - falls er metabolisierbar ist - normalerweise in Glucose überführt. Es gibt keinen wesentlichen Unterschied im Energiegehalt einfacher und komplexer Zucker. Der Energieaufwand zum Spalten komplexer Zucker ist sehr gering. Glucose wird normalerweise in die Glycolyse eingeschleust. Dabei wird der C6-Körper Glucose in zwei Pyruvatmoleküle umgebaut, also in zwei C3-Körper. In der Glycolyse werden 2 ATP benötigt, aber 4 gewonnen. Der Nettogewinn pro Glucose beträgt also 2 ATP, plus 2 NADH. In der anaeroben Gärung ist das schon alles. Unter aeroben Verhältnissen wird das Pyruvat unter weiterem Energiegewinn in Citratzyklus und Atmungskette eingeschleust. © Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Glycolyse/Gluconeogenese Die Bildung von Zucker aus Pyruvat erfolgt in der Gluconeogenese. Zum grössten Teil ist die Gluconeogenese eine rückwärts laufende Glycolyse, bei der auch die gleichen Enzyme verwendet werden. Drei kritische Reaktionen werden aber in den beiden Stoffwechselwegen durch andere Enzyme katalysiert, so daß eine unabhängige Regulation möglich ist. Die drei umgangenen Reaktionen haben alle eine hohe negative freie Energie, sie sind also praktisch irreversibel. Diese Reaktionen sind Glucose → Glucose-6-P, Fructose-6-P → Fructose 1,6-bisphosphat und Phosphoeneolpyruvat → Pyruvat. Gluconeogenese läuft vor allem dann ab, wenn mehr Energie zur Verfügung steht als momentan benötigt wird. Diese Gelegenheit wird genützt um Glucose zu produzieren die dann in Form von Glycogen oder in Pflanzen in Form von Stärke als Reservezucker gelagert wird. © Nelson/Cox: Lehninger Principles of Biochemistry Ribose Ribose ist eine wichtige Komponente zellärer Verbindungen, wie den verschiedenen Ribonukleinsäuren (RNA) dem Energieübertragungsmolekül ATP, und den Coenzymen NADH und NADPH. Ribose wird von der Zelle durch den Pentosephosphatweg erzeugt, der mit dem Energiestoffwechsel verbunden ist (siehe da). Desoxyribose ist Bestandteil von DNA. Obwohl der Name länger ist, ist die Verbindung kleiner (Desoxy!). Aus diesem Grund ist DNA auch weniger dicht als RNA, so daß man die beiden Verbindungen durch Dichtegradientenzentrifugation voneinander trennen kann. © Löffler/Petrides: Biochemie und Pathobiochemie Charakterisierung von Zuckern Wieviele C-Atome? Aldose oder Ketose? D- oder L-Form Falls ein Ring vorliegt: a- oder ß- Form? Reduzierende Eigenschaften (Fehling-Test)? Desoxydierte Form? Monomer, Oligomer oder Polymer? Falls keine Monomer, welcher Art ist die glycosidische Bindung? Für Polysaccharide: Verzweigt oder unverzweigt? Homo- oder Heteropolymer? Für Polysaccharide: Ist der Zucker verdaubar, oder handelt es sich um einen Ballaststoff? Bei Zuckern immer genau auf die richtige Bezeichnung achten! © Martin Perscheid