Die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker e.V. (WVZ) / Verein der Zuckerindustrie e.V. (VdZ) meint, dass der neue, von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geplante Grenzwert für die Zuckerzufuhr nicht zielführend ist. Unser Antworten auf die Argumente der Zucker-Lobby sagt (Zucker Infodienst 1/2014): Viele Faktoren sind bei der Kariesentstehung beteiligt. Entscheidend ist dabei nicht die verzehrte Menge Zucker, sondern vielmehr die Häufigkeit des Konsums aller sogenannten fermentierbaren Kohlenhydrate. antwortet: Richtig ist, dass für die Entstehung von Karies drei Faktoren wichtig sind: vergärbare Kohlenhydrate (Zucker), Bakterien in der Mundhöhle, die den Zucker zu Säuren umwandeln, und eine ausreichende Einwirkzeit der Säuren auf den Zahnschmelz. Allerdings sind nach Aussage der Bundeszahnärztekammer (BZAEK) im Alltag bei einem Großteil der Menschen Bakterien in Zahnbelägen vorhanden und auch die erforderliche Einwirkzeit des Zuckers, beziehungsweise der daraus entstehenden Säuren ist gegeben, sodass die Verfügbarkeit von Zucker einen großen Einfluss auf die Kariesentstehung hat. Auch der Weltzahnärzteverband (World Dental Federation (FDI), weist in seiner aktuellen Stellungnahme darauf hin, dass • der einzige, wirklich kausale Faktor für Zahnkaries freier Zucker in der Nahrung ist, denn ohne freie Zucker entsteht keine Karies und • es sehr wohl eine Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen der Aufnahmemenge freier Zucker und der Karieshäufigkeit gibt (FDI, 2014). Dies ist durch eine Vielzahl von Untersuchungen seit geraumer Zeit belegt und dieser Einschätzung schließt sich auch die BZAEK an. sagt (Zucker Infodienst 1/2014): Trotz des gleichbleibenden Zuckerabsatzes ist seit Mitte der 1980er Jahre ein massiver Rückgang von Zahnkaries bei 12-jährigen Kindern in Deutschland zu verzeichnen. Dazu geführt haben ein verbesserte Mundhygiene und die Verwendung fluoridierter Zahnpflegeprodukte. antwortet: Umfassende Prophylaxe zur Verhütung der schlimmsten Zahnschäden durch zuckerreiche Ernährung ist teuer und nicht überall verfügbar. • Regelmäßige, intensive Zahnpflege, Prophylaxemaßnahmen durch den Zahnarzt (Versiegelung der Backenzähne mit Fluoridlacken) und der Einsatz von fluoridierter Zahnpasta kann die Karieshäufigkeit zwar reduzieren, die Entstehung von Karies aber nicht gänzlich verhindern. Die enormen finanziellen Mittel, die diese Maßnahmen erfordern, sind in vielen Ländern der Welt jedoch gar nicht verfügbar, zuckerreiche, industriell verarbeitete Lebensmittel hingegen schon. Eine fast kariesfreie Kindheit bedeutet nicht Kariesfreiheit im Erwachsenenalter – außerdem gibt es große soziale Unterschiede bei den Zahnschäden bei Kindern. • Zahnkaries – darauf weist der Weltzahnärzteverband hin – entsteht aufgrund der lebenslangen Aufnahme von Zucker – eine kariesfreie Kindheit bedeutet daher keineswegs auch ein kariesfreies Erwachsenenalter (FDI, 2014). Dies belegen auch Zahlen aus Deutschland. So hatten12-jährige Kinder im Jahr 2005 im Durchschnitt einen DMFT-Index 1 von 0,7. Das bedeutet, dass statistisch betrachtet 0,7 Zähne kariös, gefüllt oder aufgrund einer Karies bereits verloren gegangen sind. Bei den Jugendlichen (15Jährige) beträgt der Wert 1,8, bei den Erwachsenen (35- bis 44-Jährige) 14,5 und bei den Senioren (65- bis 74-Jährige) 22,1 Zähne (IDZ, 2006). Karies bleibt ein Problem – vor allem im Erwachsenen-Alter. Ausschließlich auf die Zahlen bei 12-jährigen Kindern zu verweisen, deren bleibende Zähne ja erst kurzzeitig dem freien Zucker in der Nahrung ausgesetzt sind, verzerrt das Bild. • Bei Erwachsenen ist seit Jahren nur ein moderater Rückgang des DMFT-Index zu beobachten, der vor allem darauf zurückzuführen ist, dass heute deutlich weniger Zähne als früher wegen Karies extrahiert werden. Das Vorkommen von Wurzelkaries ist dagegen angestiegen. Der Kariesindex in den neuen Bundesländern hat sich seit 1992 an den der alten Bundesländer angeglichen. (IDZ, 2006) Der Zuckerverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten sehr wohl gestiegen – wenn man nicht nur auf Saccharose schaut. • Dass der Pro-Kopf-Verbrauch an Zucker in Deutschland in den letzten Jahrzehnten nahezu unverändert ist, stimmt nur, wenn man lediglich den Saccharose-Verbrauch betrachtet. Der Ernährungsbericht von 2012 hat dagegen gezeigt, dass der Glucose1 DMFT-Index= DMFT steht als Abkürzung für die Beurteilung eines defekten bleibenden Zahnes, dabei bedeutet D = decayed (kariös), M = missed (fehlend), F = filled (gefüllt – mit einer Zahnfüllung), T = tooth (Zahn). Ein Index von 1 bedeutet, dass von 28 bleibenden Zähnen 1 Zahn entweder kariös, gefüllt oder fehlend ist. Verbrauch heute fast doppelt so hoch ist wie noch vor etwa 20 Jahren (DGE, 2013). Eine Ursache dürfte der gestiegene Verbrauch von zuckerhaltigen Getränken und Schokoladenwaren sein. Insgesamt hat dies dazu geführt, dass etwa die Hälfte der Kohlenhydrate heutzutage in Form von Mono- und Disacchariden aufgenommen wird (Männer 46 %, Frauen 51 %) (Max-Rubner-Institut, 2008). sagt (Zucker Infodienst 1/2014): Es gibt keinen Zusammenhang zwischen der Menge an verzehrtem Zucker und dem Körpergewicht und auch der (isokalorische) Ersatz von „freien Zuckerarten“ durch andere Kohlenhydrate ändert nichts am Körpergewicht. Übergewicht ist ein Problem der – unausgeglichenen – Energiebilanz. antwortet: Der Konsum zuckerreicher Lebensmittel erhöht die Energiedichte der Nahrung und begünstigt dadurch Übergewicht und Adipositas. • Auch wenn die Datenlage zur Zuckerzufuhr und Gewichtszunahme uneinheitlich ist, gibt es doch eine Verknüpfung zwischen zuckerreichen Lebensmitteln und Gewichtszunahme, und zwar über die Energiedichte, d.h. den Kaloriengehalt pro Gramm Lebensmittel. So gilt es als erwiesen, dass der häufige Konsum energiedichter Lebensmittel mit Gewichtszunahme und Adipositas verbunden ist. (Te Morenga et al. 2012; DGE, 2014). Industriell hergestellte, zuckerreiche Lebensmittel haben aber in der Regel eine hohe, um nicht zu sagen sehr hohe Energiedichte 2 und tragen damit sehr wohl zur Entstehung von Übergewicht bei. Produkte Ferrero Yogurette Storck Knoppers Prinzenrolle Minis Dr. Oetker Vitalis Knusper Müsli Corny Milch classic Milchschnitte Biscotto Wikinger Waffeln Haribo COLOR-RADO Energiedichte 5,83 kcal/g 5,48 kcal/g 4,84 kcal/g; 4,42 kcal/g 4,38 kcal/g 4,22 kcal/g 3,94 kcal/g 3,58 kcal/g Tabelle 1: Beispiele für energiedichte, zuckerreiche Produkte 2 Als hohe Energiedichte wird ein Kaloriengehalt von >2,25 – 2,75 kcal/g bezeichnet (WCRF, 2012). Versteckter Zucker in fast allen Sortimentsbereichen erschwert Verbrauchern, eine ausgeglichene Energiebilanz zu behalten. • Der Konsum von Lebensmitteln mit einer großen Mengen an freien Zuckern, vor allem in Form von zuckergesüßten Getränken und Frühstückscerealien, kann zu einer signifikanten Überschreitung des täglichen Energiebedarfs führen (EPHA, 2014). Aber auch die Vielzahl versteckter Zuckerquellen in Produkten, in denen Verbraucher sie nicht erwarten, (z.B. Kaffeepulver, Fertiggerichte und Fruchtjogurts siehe auch t Marktcheck der Verbraucherzentralen) ist ein Problem und kann zu einer Störung der Energiebilanz und Übergewicht führen. Stark verarbeitete zuckerreiche Produkte verdrängen Lebensmittel mit einer höheren Nährstoffdichte vom Speiseplan • Außerdem tragen sie dazu bei, dass andere Lebensmittel, die mehr Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe enthalten, vom Speiseplan verdrängt und weniger verzehrt werden (crowding-out) (EPHA, 2014; DGE, 2008). Auch die DGE weist darauf hin, dass stark verarbeitete, zuckerreiche Produkte wie z.B. Gebäck und Süßwaren energiedicht sind und eine sehr geringe Nährstoffdichte haben (DGE, 2014). Die Zuckerlobby versucht, von ihrer eigenen Verantwortung abzulenken. • Auch wenn Übergewicht und Adipositas ohne Zweifel komplexe Probleme mit einer Vielzahl von Ursachen sind und nicht ein einzelner Inhaltsstoff wie Zucker dafür verantwortlich zu machen ist, bleibt festzuhalten, dass die Lebensmittel- und Zuckerindustrie immer wieder versucht, die Aufmerksamkeit auf die individuelle Verantwortung des Einzelnen zu lenken, anstatt ihre eigene Verantwortung für ihre Produkte wahrzunehmen. Zusätzlich versucht sie mit Statements wie diesen, Regierungen davon abzuhalten, gesetzliche und regulatorische Maßnahmen zu ergreifen, die es dem Einzelnen leichter machen würden, eine ausgeglichene Energiebilanz beizubehalten (z.B. leicht verständliche Nährwertkennzeichnung, Schutz von Kindern vor Werbung). Quellen Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), 2008: Ernährungsbericht 2008 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), 2013: 12. Ernährungsbericht 2012, DGEinfo 01/2013, t http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=1275 Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), 2014: Energiedichte der Nahrung und Körpergewicht, Wissenschaftliche Stellungnahme der DGE, t http://www.ernaehrungsumschau.de/media/pdf/pdf_2014/01_14/EU01_2014_M014_M023_-_002d_011d.qxd.pdf European Public Health Alliance (EPHA), 2014: EPHA contribution to draft WHO guideline: Sugars intake for adults and children. http://www.epha.org/IMG/pdf/EPHA_comments_draft_WHO_guideline_Sugars_intake_for_a dults_and_children.pdf Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ), 2006: Vierte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS IV), t http://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/presse/dms/brosch.pdf Max Rubner-Institut, 2008: Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2, t http://www.was-esse-ich.de/uploads/media/NVSII_Abschlussbericht_Teil_2.pdf Te Morenga et al. (2012) Dietary sugars and body weight: systematic review and metaanalyses of randomised controlled trials and cohort studies. BMJ 345:e7492 World Dental Federation (FDI), 2014: WHO Draft Guideline: Sugars intake for adults and children. Response from FDI World Dental Federation, Geneva, Switzerland, t http://www.fdiworldental.org/media/42699/dietary_sugars_who_guidelines__fdi_response.pdf World Cancer Research Fund (WCRF), 2012: t http://www.wcrfuk.org/PDFs/EnergyDensity.pdf Zucker-Infodienst 1/2014: Informationen rund um Zucker und Rüben – WHO-Grenzwert für Zucerkonsum ist nicht zielführend. Wirtschaftliche Vereinigung Zucker, Bonn, t www.zuckerverbaende.de