Management von Nebenwirkungen bei der Therapie der

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© 2007
Kompetenznetz Hepatitis
Schattauer GmbH
Management von Nebenwirkungen
bei der Therapie der chronischen Hepatitis C
Schilddrüsenfunktionsstörungen
J. Bojunga, S. Zeuzem
Klinik für Innere Medizin II, Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar
Schlüsselwörter
Keywords
Zusammenfassung
Summary
Hepatitis C, Interferon, M. Basedow, Hashimoto Thyreoiditis
Schilddrüsenerkrankungen sind eine relativ häufige unerwünschte Wirkung einer Interferon-basierten antiviralen
Therapie der Hepatitis C, die nicht selten zu einer Dosisreduktion oder einem Abbruch der Therapie führt. Die Ätiologie Interferon-assoziierter Schilddrüsenerkrankungen ist
nicht im Detail bekannt, es werden jedoch sowohl immunvermittelte als auch direkte Effekte des Interferons auf die
Schilddrüse angenommen. Hierbei scheinen das Geschlecht, genetische Faktoren sowie die Hepatitis-C-Infektion selbst eine prädisponierende Rolle zu spielen. Im Gegensatz zur Hypothyreose ist die Diffenzialdiagnose und
-therapie der Hyperthyreose schwieriger, da unter Interferon sowohl destruktive Thyreoiditiden als auch immunogene Hyperthyreosen vom Typ Basedow beobachtet werden.
Neben der Labordiagnostik inkl. Autoantikörper ist die Power-Doppler-Sonographie eine einfache und verlässliche
Methode zur Unterscheidung der Hyperthyreoseformen und
trägt wesentlich zur Therapieentscheidung bei. In den
meisten Fällen ist eine symptomatische Therapie ausreichend, während die antivirale Therapie weitergeführt werden kann.
Hepatitis C, interferon, M. Basedow, Hashimoto thyroiditis
Thyroid disease is a frequent side effect of interferon-based
antiviral therapy for hepatitis C virus resulting in dose reduction or discontinuation of therapy in several cases. The
etiology of interferon-induced thyroid disease is not known
in detail and may be secondary to immune-mediated and/
or direct effects of interferon on the thyroid. Some evidence
suggests that gender, genetic factors as well as hepatitis C
virus infection itself may play a role. In contrast to hypothyroidism, differential diagnosis and therapy of hyperthyroidism is more challenging, because interferon may provoke
two different forms of thyrotoxicosis, a Graves’ disease picture and a destructive thyroiditis pattern, respectively. Besides laboratory testing including autoantibodies, powerdoppler sonography is a reliable tool for differentiating patients with destructive thyroiditis and Graves’ disease, respectively, and can be used for guiding therapy. In most
cases, only symptomatic therapy is needed and antiviral
therapy can be continued.
Management of side effects during antiviral therapy
of hepatitis C – thyroid disease
Med Welt 2007; 58: 96–100
D
ie aktuelle Standardtherapie der
chronischen Hepatitis C Infektion
ist die Behandlung mit pegyliertem Interferon-α (IFN-α) und Ribavirin (1).
Der Effektivität der antiviralen Therapie
stehen die bekannten unerwünschten Wirkungen mit Allgemeinsymptomen, hämatologischen und neuropsychiatrischen Nebenwirkungen sowie Störungen der Schilddrüsenfunktion gegenüber, die zusammengenommen zur Dosisreduktion bei bis zu
40% und Therapieabbruch bei bis zu 20%
der Patienten führen (2).
Prospektive Studien haben gezeigt, dass
eine Interferon-basierte antivirale Therapie
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der Hepatitis C bei bis zu 40% der Patienten
zur Entwicklung von Schilddrüsenautoantikörpern (3) und bei bis zu 15% der Patienten
zu klinisch manifesten Störungen der
Schilddrüsenfunktion (4) führt, wobei hier
nahezu das gesamte Spektrum von Schilddrüsenerkrankungen zu beobachten ist.
Die klinische Diagnose einer Schilddrüsenfunktionsstörung während einer antiviralen Therapie ist häufig durch die Tatsache erschwert und verzögert, dass die Symptome
der Hyper- bzw. Hypothyreose den Nebenwirkungen der Interferontherapie gleichen.
Ein adäquates Monitoring der Schilddrüsenfunktion ist daher angebracht. Das klinische
Management bei auftretenden Schilddrüsenstörungen unter antiviraler Therapie ist zudem nicht selten mehr durch persönliche
Entscheidungen als durch definierte Algorithmen gekennzeichnet. Häufig führt dies
zu einer Über- oder auch Untertherapie der
Schilddrüsenerkrankung und zu einer Dosisreduktion oder Unterbrechung der antiviralen Therapie, die den virologischen Behandlungserfolg gefährden kann. In diesem
Übersichtsartikel werden die Hauptaspekte
Interferon-assoziierter Schilddrüsenstörungen dargestellt sowie einAlgorithmus für die
Diagnose und Therapie vorgeschlagen.
Pathogenese Interferonassoziierter Schilddrüsenerkrankungen
Die Mechanismen, über die IFN-α zu einer
Störung der Schilddrüsenfunktion führt,
sind bisher nicht im Detail aufgeklärt. Es
wird jedoch davon ausgegangen, dass sowohl immunvermittelte als auch direkte Effekte von IFN-α auf die Schilddrüse eine
pathogenetische Bedeutung besitzen. Ein
Haupteffekt von IFN-α ist die Induktion einer zytotoxischen T-Zellreaktion mit Erhöhung der Th1-Immunantwort und Freisetzung von proinflammatorischen Zytokinen
wie IFN-γ und IL-2 (5). Zudem konnte
nachgewiesen werden, daß IFN-α die Expression von MHC-Klasse-I-Antigenen auf
Thyreozyten erhöht, während die Expression von MHC-Klasse-II-Antigen vermindert
wird (6). Hierdurch kommt es zu einer Aktivierung zytotoxischer T-Zellen. Weitere immunvermittelte Effekte des IFN-α sind eine
vermehrte Expression von Adhäsionmolekülen wie ICAM-1 auf Thyreozyten (7),Ak-
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Schilddrüsenfunktionsstörungen
tivierung von Lymphozyten, Makrophagen,
NK-Zellen und Neutrophilen (6) sowie eine
Stimulierung der Freisetzung von IL-6 (6),
das bei der Genese der Autoimmunthyreoiditis eine nachgewiesene Rolle spielt.
Neben diesen immunvermittelten Effekten hat IFN-α eine direkte Wirkung auf Thyreozyten mit Inhibition der TSH-vermittelten Genexpression von Thyreoglobulin,
TPO sowie des Natrium-Jodid-Symporters
(8). Auch eine Hemmung der Jodorganifikation und Thyoxinfreisetzung wurde beschrieben (9). Über diese Mechanismen ist
eine IFN-α vermittelte Störung der Synthese, Freisetzung und Metabolisierung von
Schilddrüsenhormon denkbar.
Auch die Therapie mit Ribavirin könnte
einen Einfluss auf die Entstehung von
Schilddrüsenfunktionsstörungen haben. Ein
möglicher immunologischer Wirkmechanismus des Ribavirin beruht auf einer Polarisierung von T-Helferzellen hin zu Th1-Zellen
mit einem IL-2 und TNF-α Zytokinprofil
(10), eine T-Zell-Differenzierung, die sich
auch bei der Autoimmunthyreoiditis findet
und hier die Destruktion der Thyreozyten
vermittelt (11). Über diesen Mechanismus
ist eine direkte T-zellulär vermittelte Zerstörung von Schilddrüsengewebe durch Ribavirin denkbar. Hierfür sprechen Daten einer
klinischen Studie, bei der unter einer Kombinationstherapie mit Ribavirin und IFN-α
die Anzahl von neu aufgetretenen Hypothyreosen deutlich höher war im Vergleich zu
einer IFN-α-Monotherapie, obwohl sich die
Häufigkeit von positiven Schilddrüsenautoantikörpern zwischen beiden Therapie nicht
unterschied (12).
Epidemiologie und Risikofaktoren Interferon-assoziierter
Schilddrüsenerkrankungen
Die Angaben zur Prävalenz von Schilddrüsenstörungen während einer antiviralen Therapie der Hepatitis C schwanken stark und
reichen von 1–35% (Übersicht in [13]). Allgemein wird jedoch eine Häufigkeit von ca.
10% angenommen, wie dies auch eigene Untersuchungen gezeigt haben. Frauen sind je
nach Studie mit einem 3– bis 6-fach (im Mit-
tel 4,4-fach) erhöhten Risiko häufiger betroffen als Männer (14). Als weiterer genetischer
Risikofaktor wurde eine Assoziation von
IFN-α-induzierter Schilddrüsenfunktionstörung und HLA-A2 beschrieben (15). Der
Nachweis vonAutoantikörpern vorTherapie,
insbesondere TPO- und TG-Antikörpern, erhöht deutlich das Risiko, während der antiviralen Therapie eine Schilddrüsenstörung zu
entwickeln (16). Auch das Hepatitis C Virus
(HCV) selbst scheint ein Risikofaktor für die
Entstehung von Schilddrüsenstörungen zu
sein, da sich auch bei Therapie-naiven Patienten signifikant häufiger Schilddrüsenstörungen, insbesondere Autoantikörper, nachweisen lassen im Vergleich zu Kontrollen
(17). Hierbei könnten Homologien zwischen
Thyroglobulinsequenzen und einigen HCVQuasispezies eine Bedeutung besitzen (18).
Die virale Infektion per se stellt dabei jedoch
offensichtlich keinen Risikofaktor dar, da bei
chronischer Hepatitis B im Vergleich zur
chronischen Hepatitis C kein wesentlich erhöhtes Risiko für eine Schilddrüsenstörung
nachweisbar ist (19).
Aus epidemiologischen Daten ist bekannt, dass Jodsupplementierung in Jodmangelgebieten das Risiko einer Autoimmunthyreoiditis erhöht. Ob Jodsupplementierung auch das Risiko einer IFN-α-induzierten Schilddrüsenfunktionsstörung erhöht, ist nicht nachgewiesen: Während im
Tiermodell Interferonen eine Rolle bei der
Entstehung einer Autoimmunthyreoiditis
durch Jodsupplementierung zugeschrieben
wird (20), ist dieser Effekt bei der antiviralen
Therapie der Hepatitis C beim Menschen
nicht nachweisbar (21). Eine Bedeutung des
HCV-Genotyps als Risikofaktor für Schilddrüsenerkrankungen ist umstritten und bisher nicht sicher nachgewiesen (22). Gleiches
gilt für Dauer und Dosis der antiviralen Therapie sowie das Therapieansprechen (23).
Klinisches Spektrum Interferon-assoziierter Schilddrüsenerkrankungen
Unter antiviraler Therapie der Hepatitis C
wird das gesamte Spektrum von Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse von der
Entwicklung von Autoantikörpern, über
Hashimoto-Thyreoiditis und destruktive
Thyreoiditis bis hin zum Morbus Basedow
beobachtet.
Die häufigste Manifestation einer
Schilddrüsenstörung unter Therapie ist die
klinisch inapparente Entwicklung von Autoantikörpern, deren Angaben zur Häufigkeit in den verschiedenen Studien – in Abhängigkeit der verwendeten Assays, Normbereich und ethnischer Unterschiede – mit
2–40% stark schwanken. Nach eigenen Daten sind im Verlauf der Therapie bei max.
20% der Patienten Autoantikörper nachweisbar. Das Auftreten von Schilddrüsenautoantikörpern ist ein relevanter Risikofaktor für das Auftreten von Funktionsstörungen im Verlauf.
Die klinischen Kennzeichen der Hashimoto-Thyreoiditis sind der Nachweis von
TPO- und TG-Antikörpern, ein typischer sonographischer Befund mit schwächer echogener Schilddrüse ohne gesteigerte Perfusion
sowie die Entwicklung einer Hypothyreose.
Der Zusammenhang von Interferon-basierter
antiviraler Therapie und Entstehung einer
Hashimoto-Thyreoiditis ist in zahlreichen
Untersuchungen belegt (24, 25). Präexistente
TPO/TG-Antikörper sind sowohl nachAngaben in der Literatur als auch nach eigenen
Daten ein relevanter Risikofaktor für die Entwicklung einer Hypothyreose im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis während einer
IFN-α-Therapie. In einer Studie wurde für
den Nachweis von TPO-Antikörpern vor
Therapie ein positiver prädiktiver Wert von
67% für die Entstehung einer Schilddrüsenfunktionsstörung errechnet (26).
Die klinischen Kennzeichen des M. Basedow sind der Nachweis von TSH-Rezeptorantikörpern (TRAK), ein typischer sonographischer Befund mit schwächer echogener, meist vergrößerter Schilddrüse mit
deutlich gesteigerter Perfusion sowie die
Entwicklung einer Hyperthyreose. Bei etwa
10% der Patienten mit M. Basedow besteht
neben der Hyperthyreose eine Augenbeteiligung in Form der sog. endokrinen Ophthalmopathie (EO), deren Symptome von
Lokalsymptomen über einen Exophthalmus
bis hin zur Diplopie, Hornhautulcera und
Kompression der Nn. optici reichen. Der
Zusammenhang von Interferon-basierter
antiviraler Therapie und Entstehung sowohl
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Bojunga, Zeuzem
Abb. 1
Algorithmus zur Differenzialdiagnose und Therapie Interferon-assoziierter Hypothyreosen
eines M. Basedow (27) als auch einer EO
(28) ist ebenfalls in zahlreichen Untersuchungen belegt. Insgesamt scheint jedoch
der M. Basedow ein seltenes Ereignis während einer Interferontherapie zu sein, in einer großen Studie wurde eine Inzidenz von
1,3% ermittelt (29). Zudem scheint der klinische Verlauf des IFN-assoziierten M. Basedow insgesamt milder zu sein als der
nicht-IFN-assoziierter Formen (30).
Neben den beiden klassischen Formen
autoimmuner Schilddrüsenerkrankungen –
Hashimoto-Thyreoiditis und M. Basedow –
sind bei bis zu 50% der Patienten, die eine
Schilddrüsenstörung während der Therapie
entwickeln, keine typischen Autoantikörper
nachweisbar. In der Mehrzahl der Fälle liegt
dabei eine nicht-immunologische Form der
destruktiven Thyreoiditis durch direkte
Effekte des Interferons auf die Funktion und
Vitalität der Thyreozyten vor. Hierbei handelt es sich um eine selbstlimitierende Form
der Thyreoiditis, die nicht selten in drei Phasen verläuft: einer initialen Phase mit Destruktion der Thyreozyten, Freisetzung präformierten Schilddrüsenhormons und konsekutiver Hyperthyreose; einer sich anschließenden hypothyreoten Phase, die innerhalb weniger Wochen bis Monate gewöhnlich in einer vollständigen Rekonstitution der Schilddrüse mündet. Ein Großteil
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der Funktionsstörungen auf Grund einer destruktiven Thyreoiditis sind nach eigenen
Erfahrungen latente Hyper- und Hypothyreosen, die klinisch wenig bis gar nicht apparent sind. Der Anteil der destruktiven
Thyreoiditiden an den Interferon-induzierten Hyperthyreosen wird in der Literatur mit
mind. 50% angegeben, nach eigenen Daten
liegt er sogar noch deutlich darüber und
stellt die überwiegende Anzahl aller Hyperthyreosen dar. Permanente Hypothyreosen
nach destruktiver Thyreoiditis sind mit zirka. 5% eher selten zu beobachten.
Diagnostik und Management
Interferon-assoziierter
Schilddrüsenerkrankungen
Auf Grund der Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen in der Allgemeinbevölkerung sowie der klinischen Relevanz der Entstehung oder Verschlechterung einer bereits
bestehenden Schilddrüsenerkrankung unter
Interferontherapie sollten alle Patienten vor
Einleitung einer Interferon-basierten antiviralen Therapie diesbezüglich gescreent werden. Neben anamnestischen Angaben und
Fragen nach typischen Symptomen von
Schilddrüsenfunktionsstörungen sollte die
Serum-TSH Konzentration, ggf. fT3 und
fT4 gemessen werden. Eine zusätzliche Bestimmung von Autoantikörpern – insbesondere TPO- bzw. TG-Antikörpern – kann die
Risikoeinschätzung für Schilddrüsenstörungen verbessern, da Patienten mit Antikörpern mit ca. 50% ein deutlich höheres
Risiko für Schilddrüsenstörungen aufweisen, als Patienten ohne Antikörper, bei denen das Risiko bei zirka 5% liegt (31). Auch
eine Sonographie der Schilddrüse ist empfehlenswert. Vorbestehende Erkrankungen
der Schilddrüse sollten vor Einleitung einer
antiviralen Therapie in üblicher Weise weiter abgeklärt und therapiert werden.
Die klinische Diagnose einer Schilddrüsenfunktionsstörung während einer antiviralen Therapie ist häufig durch die Tatsache
erschwert und verzögert, dass die Symptome der Hyper- bzw. Hypothyreose den Nebenwirkungen der Interferontherapie ähneln. Ein adäquates Monitoring der Schilddüsenfunktion ist daher angebracht. Ist vor
Therapiebeginn eine Euthyreose dokumentiert worden, sollte eine routinemäßige laborchemische Kontrolle des Schilddrüsenstatus alle 3 Monate erfolgen. Hier ist zunächst eine Messung der Serum-TSH-Konzentration ausreichend.
Besteht eine Hypothyreose, ist das weitere Vorgehen abhängig vom klinischen Beschwerdebild, der Konzentration der freien
Schilddrüsenhormone sowie dem Vorhandensein von Thyreoperoxidase(TPO)- bzw.
Thyreoglobulin(TG)-Antikörpern (Abb. 1).
Bei manifester Hypothyreose ist die Einleitung einer Substitutionstherapie mit L-Thyroxin indiziert, beginnend in einer Dosierung von 50–75 µg/die. Eine Kontrolle des
Schilddrüsenstatus sollte nach 4 Wochen erfolgen, der angestrebteTSH-Zielbereich beträgt 0,5–2 µU/ml. Bei latenter Hypothyreose und signifikant positiven TPO- bzw. TGAntikörpern ist ebenfalls eine Substitutionstherapie in gleicher Weise zu empfehlen,
da ein deutlich erhöhtes Risiko einer manifesten Hypothyreose besteht. Besteht eine
latente Hypothyreose und sind dieAutoantikörper negativ, sollte die Einleitung einer
Substitutionstherapie vom klinischen Beschwerdebild abhängig gemacht werden:
Bestehen keine typischen klinischen Beschwerden, ist eine klinisch-laborche-
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Schilddrüsenfunktionsstörungen
mische Kontrolle in 4–6 Wochen gerechtfertigt; bei typischen klinischen Beschwerden
ist ein Therapieversuch mit L-Thyroxin in
oben genannter Dosierung über 3 Monate
sinnvoll. Im Anschluss kann die L-Thyroxintherapie ausgesetzt und der Schilddrüsenstatus nach 4–6 Wochen kontrolliert
werden. In allen genannten Fällen kann die
antivirale Therapie ohne Dosisreduktion
weitergeführt werden.
Besteht eine Hyperthyreose, so ist bei
den heutigen sensitiven Assays eine Differenzierung zwischen vollständiger und unvollständiger TSH-Suppression sinnvoll
(Abb. 2). Sind das TSH nicht vollständig
supprimiert und die freien Hormonkonzentrationen im Normbereich, besteht der Befund einer latenten Hyperthyreose. Ein zuwartendes Verhalten mit Kontrolle der Parameter in 4 Wochen ist gerechtfertigt, häufig
kommt es zu einer spontanen Normalisierung der Schilddrüsenparameter. Die antivirale Therapie kann während der ganzen Zeit
ohne Dosisreduktion weitergeführt werden.
Kommt es zu keiner Normalisierung der
Schilddrüsenwerte oder ist das TSH primär
vollständig supprimiert und die peripheren
Hormonwerte erhöht, ist eine weitere Diagnostik notwendig, um eine destruktive Thyreoiditis von einem M. Basedow zu differenzieren. Bestehen Symptome der endokrinen Ophthalmopathie, muss primär von einem M. Basedow ausgegangen und entsprechend thyreostatisch behandelt werden. Bei
der Differenzialdiagnose der Hyperthyreose
ist insbesondere die Sonographie mit Einsatz duplexsonographischer Verfahren hilfreich: während bei der destruktiven Thyreoiditis die Sonomorphologie der Schilddrüse bis auf ein schwächer echogenes Parenchym häufig unauffällig ist und insbesondere keine Mehrperfusion nachweisbar ist, ist beim M. Basedow die Schilddrüse häufig vergrößert mit schwächer echogenem Parenchym und typischerweise deutlich gesteigerter Perfusion. Nach eigenen
Erfahrungen ist so mittels Sonographie eine
sichere Differenzierung der Hyperthyreoseformen möglich. Der Nachweis von signifikanten TSH-Rezeptorantikörpern unterstützt die Diagnose eines M. Basedow.
Hyperthyreosen in Folge einer destruktiven
Thyreoiditis verlaufen in der Regel innerhalb einiger Wochen bis weniger Monate
Abb. 2 Algorithmus zur Differenzialdiagnose und Therapie Interferon-assoziierter Hyperthyreosen (RJT: Radiojodtherapie)
selbstlimitierend. Bei klinischen Symptomen der Hyperthyreose ist eine Therapie
mit dem nicht-selektiven Betarezeptorenblocker Propranolol in einer Dosierung 2–3
x tgl. 20–80 mg indiziert. Nur bei fehlender
Symptomkontrolle sollte der Abbruch bzw.
eine kurzzeitige Unterbrechung der antiviralen Therapie erwogen werden. Eine Kortikosteroidtherapie, wie sie bei anderen Formen destruktiver Thyreoitiden eingesetzt
wird, ist insbesondere vor dem Hintergrund
einer möglicherweise damit einhergehenden verschlechterten Viruselimination nicht
indiziert, zumal in Studien ein positiver Einfluss auf den Verlauf der Hyperthyreose
nicht nachgewiesen werden konnte (32).
Tab. 1
Empfehlungen zur
Weiterführung der Interferontherapie bei Auftreten von Schilddrüsenfunktionsstörungen.
Hyperthyreosen in Folge eines M. Basedow müssen zusätzlich thyreostatisch behandelt werden, z. B. mit Thiamazol 10–20
mg 1 x tgl. Liegt eine milde Form des M. Basedow vor und ist eine medikamentöse Kontrolle der Hyperthyreose zu erzielen, kann
die antivirale Therapie weitergeführt werden. Ist keine Kontrolle zu erzielen oder
liegt eine schwere Form des M. Basedow
vor, ist ein Absetzen der antiviralen Therapie und eine ablative Therapie der Schilddrüse notwendig. Bei Schilddrüsenvolumina <60 ml und Fehlen von Kontraindikationen (z. B. hypofunktionelle Areale) sollte
der Radiojodtherapie vor der „near-total“
Thyreoidektomie der Vorzug gegeben wer-
Schilddrüsenerkrankung
Behandlung
Antivirale Therapie
Hypothyreose
L-Thyroxin
IFN weiterführen
IFN weiterführen
Destruktive Thyreoditis
●
asymptomatisch
keine Therapie
●
symptomatisch
Betarezeptorenblocker
Symptomkontrolle
IFN weiterführen
keine Symptomkontrolle
IFN absetzen bzw. kurzzeitig
pausieren*
M. Basedow
●
milder Verlauf
Thyreostatika
IFN weiterführen
●
schwerer Verlauf
Radiojodtherapie/OP
IFN absetzen
* eine Pausierung der Therapie für mehr als 1–2 Wochen ist aus virologischer Sicht nicht sinnvoll
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Fazit für die Praxis
Störungen der Schilddrüsenfunktion
sind eine klinisch relevante unerwünschte Wirkung einer Interferon-basierten
antiviralen Therapie der Hepatitis C. Ein
Screening der Schilddrüsenfunktion vor
Therapie ist daher empfehlenswert. Entwickeln sich Funktionsstörungen während der antiviralen Therapie, so ist die
Hypothyreose einfach zu diagnostizieren
und zu therapieren. Bei der Hyperthyreose ist eine Unterscheidung zwischen der
häufigen destruktiven Thyreoiditis und
dem seltenen M. Basedow entscheidend,
da nur letzterer thyreostatisch, erstere jedoch nur symptomatisch behandelt wird
und selbstlimitierend verläuft. Die antivirale Therapie kann in der weit überwiegenden Mehrzahl der Fälle fortgeführt
werden.
den. Eine ablative Therapie ist auch bei signifikantem Anstieg der Transaminasen unter thyreostatischer Behandlung anzustreben. Das differenzierte Vorgehen bzgl. der
Weiterführung der antiviralen Therapie ist
in Tabelle 1 zusammengefasst.
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Korrespondenzadresse:
Priv. Doz. Dr. Jörg Bojunga
Klinik für Innere Medizin II
Kirrbergerstraße
Universitätsklinikum des Saarlandes
66421 Homburg/Saar
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