DGfE_Titel_innen_2-08:. 14.08.2008 15:12 Uhr Seite 1 Erziehungswissenschaft Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) Heft 38 20. Jahrgang 2009 ISSN 0938-5363 Verlag Barbara Budrich INHALTSVERZEICHNIS Editorial ......................................................................................................... 7 Beitrag Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft: Kontext, Formen, Konsequenzen ................................................................... 9 Beiträge des Roundtables ‚Digitales Publizieren und neues Urheberrecht‘ Hans-Christoph Koller Bericht über das vom DGfE-Vorstand veranstaltete Roundtable-Gespräch am 24.10.2008 in Berlin ........................................... 37 Doris Bambey Open-Access-Repositories als Innovationsfaktoren für einen effizienteren wissenschaftlichen Austausch .................................. 41 Barbara Budrich, Andreas Klinkhardt Digitales Publizieren – die Situation in der Erziehungswissenschaft .......... 45 Christiane Engel-Haas Digitales Publizieren in der Erziehungswissenschaft – Konsequenzen und Perspektiven aus Verlagssicht ...................................... 51 Johannes Fournier Digitale Fachinformation zwischen Schranken und freiem Zugriff ............. 59 Axel Halle Urheberrecht und Open access .................................................................... 67 3 Inhaltsverzeichnis Reinald Klockenbusch Wandel gestalten – Aufgaben und Randbedingungen des (digitalen) Publizierens heute ................................................................ 69 Friedrich Rost Letztlich zählt nur die Qualität. Statement zur Problematik wissenschaftlicher Online-Publikationen ..................................................... 75 Mitteilungen des Vorstands Rudolf Tippelt Bericht über die Aktivitäten des Vorstands in der laufenden Amtsperiode ...................................................................... 79 Bildung in der Demokratie – 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, 14. bis 17. März 2010 in Mainz ................................................................... 86 Berichte aus den Sektionen Sektion 1 – Historische Bildungsforschung ................................................. 91 Sektion 2 – Allgemeine Erziehungswissenschaft Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie ......................... 98 Kommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung ....... 102 Kommission Pädagogische Anthropologie ..................................... 104 Sektion 3 – International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft Kommission Vergleichende und Internationale Erziehungswissenschaft .................................................................. 106 Kommission Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ................ 106 Sektion 4 – Empirische Bildungsforschung Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht .................................................................................. 111 Sektion 5 – Schulpädagogik Kommission Schulforschung und Didaktik. ................................... 113 4 Inhaltsverzeichnis Kommission Professionsforschung und Lehrerbildung .................. 113 Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe .............................................................. 114 Sektion 6 – Sonderpädagogik .................................................................... 117 Sektion 8 – Sozialpädagogik Kommission Sozialpädagogik ........................................................ 119 Kommission Pädagogik der frühen Kindheit .................................. 120 Sektion 9 – Erwachsenenbildung ............................................................... 123 Sektion 13 – Differenzielle Erziehungs- und Bildungsforschung Kommission Psychoanalytische Pädagogik .................................... 125 Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie .............. 130 Notizen Notizen aus der Forschung ........................................................................ 133 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik UrhG-Initiative, Aktionsbündnis Urheberrecht: § 52a wohl um vier Jahre verlängert ............................................... 155 Appell für Open Access zu digitalen Bildern ................................. 156 Stellungnahme von GEW-Landesverbänden zur Bertelsmann-Stiftung ................................................................ 157 Braucht die evangelische Kirche einen Bildungsbericht? ............... 161 Internationale Hochschulkooperation mit Afghanistan .................. 162 Aufruf gegen die Verschiebung der Semesterzeiten in Deutschland ................................................................................ 163 Ausschreibungen, Preise ............................................................................ 167 Tagungskalender ........................................................................................ 169 Personalia .................................................................................................. 177 Hinweise für AutorInnen ............................................................................ 179 Impressum 5 Editorial Die vorliegende Ausgabe der Erziehungswissenschaft weist zwei Gravitationszentren auf. Das eine ist der Artikel über Prüfen in der Erziehungswissenschaft unter den Bedingungen von Modularisierung und Bachelor-Masterstudienstruktur, den auf Initiative von Ewald Terhart eine vom DGfE-Vorstand eingerichtete ad hoc-Arbeitsgruppe erarbeitet hat. Der Artikel thematisiert die „vergleichsweise radikale Abkehr von bisherigen akademischen Lehrund Lerngewohnheiten“, die die neue Studienstruktur mit sich bringt, sowie das Problem des Umgangs mit der durch „dieses neue Regime“ herbeigeführten „Explosion der Lehr- und Prüfungsnachfrage“. Es heißt darin: „Selbst dann, wenn [...] die Personalsituation der Erziehungswissenschaft verbessert wird, umgekehrt die Studierendenzahl abgesenkt wird oder schließlich eine Kombination von Beidem eintritt, sind im Lehrbetrieb einer derart großen Disziplin wie der Erziehungswissenschaft vermehrt große, mehr oder weniger standardisierte Vorlesungen notwendig. [...] In solchen großen Vorlesungen wird die Zertifizierung von Leistungen durch Leistungspunkte und Noten in der Regel nur in Gestalt von Klausuren möglich sein. Das bedeutet: Die Erziehungswissenschaft muss Formen des Lehrens und Prüfens finden, die für andere große Universitätsdisziplinen seit Jahrzehnten selbstverständlich sind“ (s. S. 13 in diesem Heft). Eingebettet in Reflexionen der beginnenden Veränderungen der Fachkultur der Erziehungswissenschaft in Lehre und Prüfung stellen die AutorInnen das Für und Wider der Standardisierung einführender Vorlesungen sowie die Frage nach Qualitätsmerkmalen und Validität standardisierter Klausuren in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Das Papier versteht sich als Vorschlag zur Eröffnung einer Diskussion, die in unserer Fachgesellschaft in breiterem Maße geführt werden sollte – eine Initiative, die der Vorstand der DGfE ausdrücklich unterstützt. Das andere Gravitationszentrum bilden die Beiträge des vom Vorstand im Oktober 2008 durchgeführten Roundtables zur Reform des Urheberrechtsgesetzes (UrhG). Dieser Initiative liegt die Absicht zugrunde, Informationsaustausch und Meinungsbildung innerhalb der Fachgesellschaft zu diesem wissenschafts- und bildungspolitisch brisanten, wenn auch in seiner weitreichenden Bedeutung häufig noch unterschätzten Thema voranzubringen und dazu Positionen zum Für und Wider der aktuellen Novellierungsrunde des Urheberrechtsgesetzes zu Wort kommen zu lassen. Es geht dabei etwa um die inzwischen strittige Frage der Rechte von AutorInnen an der digitalen Veröffentlichung (z.B. auf der eigenen Homepage) ihrer in Verlagen publizierten Werke – Rechte, die bisher meist nach Jahresfrist an die AutorInnen zurückfielen. Es geht zugleich aber auch um die befürchtete Einschränkung der Zu7 Editorial gänglichkeit digital verfügbarer Werke für den akademischen Lehr- und Lernbetrieb bzw. um möglicherweise drastische Kostensteigerungen für Lehrende und Studierende sowie wissenschaftliche Bibliotheken. Um die Berechtigung der Befürchtungen zu illustrieren: „Ein schönes Beispiel für das Gegenteil einer zeitgemäßen Informationsversorgung ist § 52b UrhG, der es einem Wissenschaftler ermöglicht, ein Buch aus der Bibliothek seiner Universität in digitaler Form zu konsultieren – allerdings nur, wenn er sich dazu selbst in die Bibliothek begibt, um die digitalisierte Version des Buchs an einem eigens zu deren Lektüre eingerichteten Computerarbeitsplatz einzusehen. Der unmittelbare Zugriff vom Arbeitsplatz des Wissenschaftlers, der heute als Normalfall wissenschaftlichen Arbeitens angesehen werden sollte, ist somit nicht möglich“ – so Johannes Fournier von der DFG (s. S. 60 in diesem Heft), die mit ihren eigenen Digitalisierungsprojekten eine gewichtige Verfechterin der Open Access-Philosophie darstellt (vgl. als besonders hinreißendes Beispiel Retrospektive Digitalisierung wissenschaftlicher Rezensionsorgane und Literaturzeitschriften des 18. und 19. Jahrhunderts aus dem deutschen Sprachraum, situiert an der Universität Bielefeld, http://www.ub.uni-bielefeld.de/ diglib/aufklaerung/index.htm). Andererseits ist die Position der Verlage nicht von der Hand zu weisen, wonach sie durch ihre eigene, Wert zusetzende Tätigkeit zur Qualität von Publikationen oftmals nicht wenig beitragen. Diese Debatte wird uns in den kommenden Jahren noch weiter beschäftigen, worauf auch die beiden aktuellen Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik zu UrhG-Novelle und Open Access in diesem Heft hindeuten. Der Mainzer DGfE-Kongress rückt näher. Daher sei auf den in diesem Heft abgedruckten Call for Papers auch an dieser Stelle eigens hingewiesen. Der 22. Kongress – Bildung in der Demokratie – bietet den Sektionen, Kommissionen und der DGfE-Mitgliedschaft insgesamt wiederum vielfältige Möglichkeiten gegenseitigen Austausches und der Meinungsbildung über ein theoretisch und praktisch herausforderungsreiches Themenspektrum. Spätestens ab April 2009 wird es möglich sein, Vorschläge für die verschiedenen Veranstaltungsformen (voraussichtlich unter der URL <http://www.dgfe2010.de/>) einzureichen. Noch eine Bitte in eigener Sache: In letzter Zeit gehen der Redaktion Beiträge zum Abdruck zu, die sich durch souveräne Nichtbeachtung der Hinweise für AutorInnen auszeichnen. Wir werden sie künftig zurückschicken mit der Bitte, die Beiträge selber einigermaßen den Hinweisen entsprechend aufzubereiten. Der Zeitverzug kann zu Nichtberücksichtigung eines Beitrags in der gewünschten Ausgabe führen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis. Die Redaktion wünscht allen LeserInnen informative und anregende Lektüren! Ingrid Lohmann, Susanne Spieker 8 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft: Kontext, Formen, Konsequenzen1 Ewald Terhart / Franzjörg Baumgart / Norbert Meder Gaja von Sychowski 1. Einleitung und Problembeschreibung Durch die im Zuge des Bologna-Prozesses erfolgende gleichzeitige Einführung von Bachelor-Master-Struktur einerseits und der durchgehenden Modularisierung dieser neuen Studiengänge andererseits hat sich die Situation in der akademischen Lehre an den deutschen Hochschulen grundlegend verändert. Die neuen Studiengänge sind nicht mehr nach zu bearbeitenden Themenbereichen gegliedert, sondern sollen an vorab klar auszuweisenden, zu vermittelnden und zu prüfenden Kompetenzen ausgerichtet sein. Durch die Sequenzierung von Modulen und durch die Kumulation der jeweils erworbenen Leistungspunkte sollen am Ende bei den Absolventen die angestrebten komplexen Fähigkeiten angebahnt und möglichst weit entwickelt werden. Diese neue Form des Studierens wird kontinuierlich von Prüfungen begleitet; Studium und Prüfung sind in zeitlicher und sachlicher Hinsicht von Beginn an sehr eng miteinander verkoppelt. Im Alltag von Lehrenden und Lernenden nimmt kontinuierliches Prüfen und Geprüftwerden einen quantitativ und 1 Auf Initiative von Ewald Terhart hat der Vorstand der DGfE im Herbst 2007 eine ad hocArbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit Fragen der Prüfungspraxis in modularisierten Studiengängen befassen sollte. Als Mitglied des (damaligen) Vorstandes hat Norbert Meder mitgearbeitet. Die Arbeitsgruppe mit Franzjörg Baumgart und Gaja von Sychowski als weiteren Mitgliedern legt hiermit ihr Ergebnis vor; thematisch hat sich die Arbeitsgruppe primär mit standardisierten Prüfungsverfahren im Kontext großer Lehrveranstaltungen (Vorlesungen) befasst. Sie bedankt sich bei Klaus Breuer, Heiner Drerup, Klaus-Peter Horn, Rudolf Tippelt, Klaus-Jürgen Tillmann und Peter Vogel, die Vorfassungen des vorliegenden Papiers kritisch und konstruktiv kommentiert haben. – Die Arbeitsgruppe ist sich der Vorläufigkeit, der thematischen Begrenztheit und des Versuchscharakters ihrer Überlegungen und Argumente bewusst. In dieser Ausgabe von Erziehungswissenschaft erscheint eine Kurzfassung des Textes. Die Langfassung, welche weitere Ausdifferenzierungen sowie vor allem sehr viel mehr Beispiele für Aufgaben sowie für ein Kompetenzraster für Beurteilungen enthält, kann auf der homepage der DGfE unter http://dgfe.pleurone.de/news/ news_item.2009-01-09.6376095549 abgerufen werden. Ebenso wird zu dieser Langfassung bzw. zum Thema generell ein Diskussionsforum auf der DGfE-homepage eingerichtet. 9 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski qualitativ sehr viel höheren Stellenwert ein, als dies in der traditionellen Studienorganisation der Fall gewesen ist. Umgekehrt nimmt die inhaltliche und psychologische Bedeutung der großen Abschlussprüfung als dramatischem Endpunkt eines langen, kaum formell vorstrukturierten Studienverlaufs sehr stark ab. Denn heute wird für jeden Absolventen am Ende eines kontinuierlichen Prozesses der Kumulation von Einzelleistungen eine differenzierte Übersicht über seine gesammelten Studienelemente (inklusive der Abschlussarbeit) erstellt, alle Bewertungen werden zur Gesamtnote zusammengeführt etc. – das Studium klingt gewissermaßen aus. Insbesondere für die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer bedeutet dies eine vergleichsweise radikale Abkehr von bisherigen akademischen Lehr- und Lerngewohnheiten. Für Lehrende wie Lernende entsteht ein sehr viel höheres Maß an Verbindlichkeit: Die Lehrangebote müssen in ausreichender Zahl sowie in einem genau auf die Studiengänge bzw. die studentische Nachfrage abgestimmten inhaltlichen und zeitlichen Muster angeboten werden, Studienleistungen sind sehr schnell zu bewerten, damit die Möglichkeit der Wiederholung besteht und früh genug klar wird, ob und wie ein Studierender sein Studium im nächsten Semester weiterführen kann, Lehrende wie Lernende müssen sich in den Anforderungen der neuen Studienstruktur zurechtfinden etc. Vor allem aber führt dieses neue Regime zu einer Explosion der Lehr- und Prüfungsnachfrage in mehrfacher Hinsicht: • • 10 Traditionell wurde in den geistes- und sozialwissenschaftlichen Studiengängen der Anteil der notwendigen Lehrveranstaltungen durch die Angabe von Semesterwochenstunden (SWS) definiert. Ein beachtlicher Teil dieser SWS wurde jedoch durch bloßes Belegen abgedeckt: Studierende trugen diese Veranstaltungen in die Belegbögen ein. Eine Prüfung der tatsächlichen Teilnahme erfolgte nicht. Obwohl sehr viel mehr belegt als tatsächlich besucht wurde, kam es in manchen thematischen Bereichen zu überfüllten Veranstaltungen. Wenn im neuen Studienregime nun aber der Erwerb von Leistungspunkten auf breiter Front an die Präsenz in Seminaren gebunden wird, sind nun plötzlich alle Studierenden „auch wirklich und immer da“! Ein System, das bereits unter den alten Bedingungen an vielen Stellen überfüllt war, muss unter den neuen Bedingungen in allergrößte, wenn nicht unüberwindbare Schwierigkeiten kommen. Die Zahl der zu erwerbenden Leistungsnachweise – seien sie benotet oder unbenotet – lag in den herkömmlichen Studiengängen sehr deutlich unterhalb der formalen Gesamtzahl der zu besuchenden Veranstaltungen. Heute dagegen absolvieren alle Studierenden tatsächlich alle vorgeschriebenen Veranstaltungen, werden dort geprüft und erzeugen damit einen sprunghaften Anstieg der Zahl der Prüfungssituationen, die zudem alle präzise verwaltet und dokumentiert werden müssen. Allerdings: Nur Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft • scheinbar erzeugt Modularisierung diese Probleme; faktisch macht sie bestimmte Defizite der traditionellen akademischen Studienorganisation allererst sichtbar und geht sie zugleich in einer konstruktiven, an der Idee der Erzeugbarkeit von Fähigkeiten orientierten Form an. Damit werden eingeschliffene, nicht zuletzt für Lehrende wie Lernende sicherlich hier und da auch bequeme Routinen aufgebrochen. Aber wie dem auch sei: Durch Modularisierung ändert sich das tradierte Selbstverständnis akademischer Lehre jedenfalls in den Geistes- und Sozialwissenschaften grundsätzlich. Die Abbruchquote in vielen sozial- und geisteswissenschaftlichen Studiengängen (insbesondere in solchen, die zum Magister führten) war traditionell sehr hoch. Dies führte dazu, dass zwar sehr viele Studierende eingeschrieben waren, der weit überwiegende Teil der Anfänger das Studium jedoch aus unterschiedlichsten Gründen abbrach und insofern auch nie zum Prüfungsfall bei der großen Abschlussprüfung wurde. Die Zahl der potentiellen Kandidaten für die Abschlussprüfung sank im Studienverlauf kontinuierlich. Die neuen Studienstrukturen scheinen jedoch die Abbrecherquote zu senken; auch aus diesem Grunde steigt die Zahl der Prüfungsfälle. Allerdings liegen hierzu unterschiedliche Erfahrungen an den verschiedenen Universitäten vor – eindeutig ist die Tendenz eines Rückgangs der Abbrecherquote nicht. Ebenso muss auf einen Faktor hingewiesen werden, der unabhängig vom Bologna-Prozess gegenwärtig die Prüfungsdichte erhöht: Die breite Einführung von Studiengebühren motiviert die gegenwärtige Studierendengeneration ganz generell zu einem rascheren Ansteuern des Abschlusses. Wie zu erwarten, hat die Einführung der neuen Studienstrukturen Widerstände erzeugt und mittlerweile zu manchen Enttäuschungen auch bei zunächst Gutwilligen bzw. Interessierten geführt. Die Probleme sind vielfältiger Art: Bereits der Umstellungsprozess selbst verschlingt sehr viele Energien, und im Ergebnis entsteht eine Situation, die zu einer ungewohnten Arbeitsform und einer erhöhten Arbeitsbelastung im Bereich von Lehre, Prüfung und Prüfungsverwaltung führt. Zugleich müssen die Studierenden in den auslaufenden (herkömmlichen) Studiengängen zum Abschluss geführt werden. In manchen Bundesländern interferiert der Bologna-Prozess darüber hinaus mit der staatlichen Verordnung neuer Lehramtsprüfungsordnungen, die nicht oder nur teilweise oder in inkohärenter Weise auf Bologna eingestellt sind – ein ständiger Konfliktherd, der zuverlässig zu kontinuierlicher Frustration bei allen Beteiligten führt. Und schließlich: Weil die Umstellung auf konsekutive, modularisierte Studienstrukturen forciert betrieben, ja z. T. erzwungen worden ist, zugleich aber eine tatsächliche inhaltliche Abstimmung unterblieb, wurden vielfach ortsspezifische, z. T. sogar innerhalb einer Universität 11 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski fakultätsspezifische Speziallösungen gefunden, die die Mobilität der Studierenden zwischen den Fächern und zwischen den Hochschulen einschränken. Diese aus dem Zusammentreffen verschiedener Faktoren resultierende Verdichtung und Verkomplizierung der akademischen Lehre verleitet manche Universitätsangehörige zu einer Verklärung der früheren Zeiten – eine durchaus nachvollziehbare, verständliche Reaktion. Gleichwohl ist dagegen zu halten: Die ‚alte Welt‘ war keineswegs ideal, genau so übrigens, wie es die ‚neue Welt‘ nicht sein wird! Die früheren, sehr offenen Studienstrukturen sind von einem sehr großen Teil der Studierenden nicht bewältigt worden; bestimmte Studierendengruppen wurden dadurch de facto via Selbstselektion gezielt in die Selbsteliminierung geführt. Der Lehrbetrieb war sehr stark an die individuellen Interessen und Motive einzelner Lehrender geknüpft; die Prüfungspraxis war ebenfalls sehr personengebunden, schwer überprüfbar und bewegte sich – nicht zuletzt deshalb – vielfach in der Fiktion von Objektivität und Qualität. Die Studierbarkeit von Studiengängen bestand weithin nur auf dem Papier; die Probleme des praktischen Studienbetriebs wurden auf die Studierenden abgewälzt, durch extrem großzügige Anerkennungs- und Nachbesserungspraxis seitens der Lehrenden verdeckt etc. Allgemeiner betrachtet: Die Kombination von einem an Humboldt orientierten akademischen Selbstverständnis einerseits mit der objektiv gegebenen Situation der chronisch unterfinanzierten Massenuniversität andererseits führte die Lehrenden individuell wie die Universität institutionell in ausweglose Situationen. Diejenigen, die dieses System erfolgreich durchlaufen haben – und die gegenwärtig Lehrenden gehören offensichtlich dazu – können aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus nicht ohne Weiteres für das traditionelle System und seine Folgen insgesamt sprechen; die in ihm Gescheiterten kommen nicht bzw. melden sich nicht mehr zu Wort. Jedenfalls sollte bei allem Befremden und Ärger über Modularisierung und ihre Folgen der Blick zurück die frühere Situation nicht unkritisch verklären. Im Folgenden soll kein Beitrag zur grundsätzlichen Debatte über den Sinn und Unsinn der neuen Studienstrukturen geleistet werden; es geht nicht um den akademischen Kulturkampf Humboldt gegen Bologna. Es geht vielmehr darum, angesichts der sowohl in den im engeren Sinne erziehungswissenschaftlichen Studiengängen als auch in der Lehrerbildung faktisch sehr weit vorangetriebenen Umstellung auf Bachelor, Master und Modularisierung einige Überlegungen zu den Konsequenzen für die Lehre sowie das Prüfen in Erziehungswissenschaft, insbesondere: für die Durchführung von standardisierten Klausuren in Verbindung mit Vorlesungen anzustellen. Für die Erziehungswissenschaft wird die Frage der Organisation und Bewältigung der quantitativ gewachsenen und qualitativ gewandelten Prüfungsaufgaben näm- 12 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft lich besonders virulent.2 Die Erziehungswissenschaft ist in den letzten Jahrzehnten eine der großen Universitätsdisziplinen geworden und ist es immer noch. Der disziplineigene Diplom-Studiengang hatte sich gut etabliert und ausdifferenziert. Durch ihre Beteiligung an der Lehrerbildung ist sie mit einer extrem hohen Nachfrage nach Lehrveranstaltungen konfrontiert, da alle Lehramtsstudierenden einer Universität Erziehungswissenschaft studieren müssen. Die Erarbeitung und Verabschiedung von Kerncurricula für die erziehungswissenschaftlichen Studiengänge und Studiengangsanteile (seitens der DGfE und vor Ort an zahlreichen Universitäten) soll zu einer klareren, disziplinweit besser abgestimmten Orientierung für die Studiengangsplanung bzw. Angebotsstruktur in der Lehre führen – was wiederum Konsequenzen für die Wissensstruktur der Disziplin selbst hat (s. Abschnitt 2). Die Personalausstattung ist allerdings angespannt bzw. unzureichend, wenn man daran denkt, dass die neuen Studienstrukturen zu einer Explosion der Lehrnachfrage und der Prüfungsfälle führen (s. Abschnitt 6). Modularisierte Studiengänge benötigen aus diesem Grunde eine Neufestsetzung des Curricularnormwertes, auf dessen Basis die Relation zwischen Lehrkapazität und Studierendenzahl festgelegt wird. Selbst dann, wenn angesichts dieser Bedingungen die Personalsituation der Erziehungswissenschaft verbessert wird, umgekehrt die Studierendenzahl abgesenkt wird oder schließlich eine Kombination von Beidem eintritt, sind im Lehrbetrieb einer derart großen Disziplin wie der Erziehungswissenschaft vermehrt große, mehr oder weniger standardisierte Vorlesungen notwendig. Dies gilt insbesondere für Einführungs- und Überblicksvorlesungen zu wichtigen Modulbereichen. Solche Vorlesungen können, ja sollten groß sein; dementsprechend kann und muss die Größe der parallel geführten bzw. daran anschließenden spezielleren Seminare klein sein. In solchen großen Vorlesungen wird die Zertifizierung von Leistungen durch Leistungspunkte und Noten in der Regel nur in Gestalt von Klausuren möglich sein.3 Das bedeutet: Die Erziehungswissenschaft muss Formen des Lehrens und Prüfens finden, 2 3 Zur Funktion und Problematik von Hochschulprüfungen, aber auch für praktische Anregungen vgl. Müller, F. H./Bayer, Chr.: Prüfungen: Vorbereitung – Durchführung – Bewertung. In: Hawelka, B. u. a. (Hrsg.) (2007): Förderung von Kompetenzen in der Hochschullehre. Kröning: Asanger, S. 223-237. Zur tiefen- und sozialpsychologischen Betrachtung der Prüfung vgl. Strauss, B. (2006): Die Psychologie des Prüfens und Geprüft-Werdens. In: Kodalle, K.-M. (Hrsg.): Der geprüfte Mensch. (Kritisches Jahrbuch der Philosophie 2005). Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 45-55. Zur empirischen Untersuchung der Kommunikation in mündlichen Prüfungen vgl. Meer, D. (1998): Der Prüfer ist nicht der König. Mündliche Abschlussprüfungen in der Hochschule. Tübingen: Niemeyer. Leistungsfeststellungen im Kontext großer Vorlesungen sind im Prinzip auch anders möglich: begleitende Tutorien mit Zusatzaufgaben, Protokolle, Hausarbeiten, kurze mündliche Prüfungen etc. Hiermit wird ebenfalls an verschiedenen Universitäten experimentiert. Allerdings ist der Aufwand sehr viel höher als bei standardisierten Klausuren. 13 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski die für andere große Universitätsdisziplinen seit Jahrzehnten selbstverständlich sind. Wir konzentrieren uns im Folgenden im Wesentlichen auf das Problem des Prüfens von erziehungswissenschaftlichem Wissen durch Klausuren. Damit soll das breite Spektrum anderer Prüfungsformate keineswegs ignoriert oder in seiner Bedeutung geschmälert werden. Mündliche Prüfungen, Fallanalysen, Praktikumsbericht, Referate, Studienprojekte, Lern- und Forschungswerkstätten, Lerntagebücher, forschendes Lernen etc. – alle diese Elemente gehören zu einem Studium. Aus diesem Grunde legen die neuen Studien- und Prüfungsordnungen in aller Regel auch fest, dass im Verlaufe des gesamten Studiums die Breite der verschiedenen Prüfungsformate von den Studierenden erfahren wird. In aller Regel sind Überblicksvorlesungen am Beginn des Studiums sinnvoll bzw. immer dort, wo bestimmte Grundlagen vermittelt werden müssen. Im Verlauf des Studiums sollten dann zunehmend solche Lehr- und Prüfungsformen eingesetzt werden, die – auf diesem Wissen aufbauend – geeignet sind, weiter bzw. tiefer gehende Fähigkeiten zu vermitteln und zu bewerten. Für die Lehrenden bedeutet dies, diese breite Palette an Prüfungsformen auch in hinreichender Zahl und angemessenem Zeitrhythmus anzubieten. Die Konzentration auf (standardisierte) Klausuren erfolgt aus zwei Gründen: Erstens ist dieses Prüfungsformat aus verschiedenen Gründen in der Erziehungswissenschaft traditionell bislang eher unüblich, so dass hier eine neue Praxis entstehen muss, über die man sich fachintern verständigen sollte. Zweitens kommt den Einführungs- und Überblicksvorlesungen inklusive der damit verbundenen Prüfungspraxis eine grundlegende Funktion nicht nur innerhalb des Studienverlaufs der Studierenden zu, sondern ebenso auch für die fachintern-systematische Frage nach dem Status des erziehungswissenschaftlichen Wissens. Um diesen auf die Disziplin selbst zurückweisenden Aspekt geht es im folgenden Abschnitt. 2. Status des erziehungswissenschaftlichen Wissens und die Frage seiner Prüfbarkeit Wenn es im Folgenden um standardisierte, größtenteils aus Multiple-choiceAufgaben zusammengesetzten erziehungswissenschaftliche Klausuren geht, so handelt es sich dabei nicht nur um das technische Problem der raschen Bewältigung wachsender Prüfungszahlen. Es geht um mehr. Es geht letztendlich um den Status, den die Erziehungswissenschaft dem von ihr disziplinär erzeugten und erörterten, entwickelten und tradierten, gelehrten und geprüften Wissen für die eigene Disziplin, aber auch mit Blick auf die Ausbildung für pädagogischen Berufe zuspricht. Und mit dieser Frage tut sich die Erzie14 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft hungswissenschaft bekanntermaßen sehr schwer, da in den letzten Jahrzehnten unterschiedliche wissenschaftliche Paradigmen oder Denkschulen in dieser Hinsicht sehr unterschiedliche Problembeschreibungen und -lösungen formuliert haben. Immerhin kann man mittlerweile nicht mehr von Alleinvertretungs- und Verdrängungsansprüchen einzelner, gegeneinander kämpfender Paradigmen sprechen. Pluralitätserfahrung, Generationenwechsel und ein die gesamte Disziplin treffender hoher Außendruck haben deutliche Spuren hinterlassen, so dass Einigungen in Richtung auf Kerncurricula und Prüfungsstandards möglich sind. Die neuen Studienstrukturen und insbesondere deren Konsequenzen für Lehre und Prüfung wirken sich insofern auf inhaltlich-systematische Grundfragen sowie auf das Selbstverständnis der Erziehungswissenschaft aus. Die Disziplin diszipliniert nicht nur die Studierenden, sondern auch sich selbst, wenn sie festlegt, was wie mit welchem Standard geprüft wird. Vorlesungen als legitime Form Wir hatten bereits darauf hingewiesen, dass in der Erziehungswissenschaft in den 1970er und 1980er Jahren keine breite, ausgearbeitete Kultur der akademischen Vorlesungen existiert hat. Die Abkehr von der Vorlesung hatte unterschiedliche Gründe: Im Kontext der Studentenbewegung erschien sie manchen als eine zu autoritäre, die Studierenden passiv haltende hochschuldidaktische Form. Auch schienen Vorlesungen allzu sehr von den Idiosynkrasien und theoretischen Präferenzen der jeweiligen Lehrenden beeinflusst. Mit lernpsychologischen Argumenten wurde die Lerneffektivität von Vorlesungen kritisch beurteilt. Und schließlich: Das erziehungswissenschaftliche Wissen insgesamt wurde als noch zu wenig systematisch gegliedert und abgesichert betrachtet, als dass ein halbwegs fester Wissenscorpus den Grundstock für vertretbare Übersichtsvorlesungen hätte bilden können, die in gesichertes Wissen des Faches einführen – und nicht nur in die Perspektive des jeweils Vortragenden. Viele dieser Vorbehalte sprechen gegen die schlechte Vorlesung, nicht aber gegen eine gut vorbereitete und durchgeführte Vorlesung. Als Einführung in die Gesamtstruktur, Methodik, Geschichte und Inhaltlichkeit einer Disziplin, als Übersicht über einen breiteren Gegenstandsbereich ist sie legitim und sinnvoll – auch und gerade dann, wenn (wie etwa bei Lehramtsstudierenden) ein vergleichsweise bescheidenes Zeitbudget für die bildungswissenschaftlichen Studien zur Verfügung steht. Diesen geringen Umfang an Zeit bzw. Leistungspunkten aus diesem Grunde nun gar nicht zu strukturieren bzw. dem Zufall zu überlassen, wäre fahrlässig. 15 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Eindeutigkeit des Wissens Natürlich stellt sich für den Lehrenden die Aufgabe, ein solches breiteres Themenfeld, über das er eine Übersicht zu vermitteln hat, in gut strukturierter, aktuell in der Disziplin prinzipiell verallgemeinerbarer Form darzustellen, verschiedene Positionen fair zum Zuge kommen zu lassen, eigene Bewertungen natürlich nicht auszusparen, aber kenntlich zu machen etc. Die Vermittlung von Übersichtswissen kann und muss zunächst eine gewisse Vereindeutigung, Begradigung und Entproblematisierung von Inhalten, Themen und Diskussionsverläufen beinhalten; für Einführungszwecke ist das legitim – im Alltag kann gar nicht anders verfahren werden. Aber auch in Einführungen kann und muss auf dieser Basis und dort, wo es angemessen ist, der unsichere, kontrovers diskutierte, unterschiedlich zu bewertende Status des Wissens verdeutlicht werden. Nicht zuletzt gehört es zur Lebendigkeit einer Vorlesung, dass kontroverse Positionen, differierende Sichtweisen, unübliche Denkwege und moralische Dilemmata zur Sprache kommen. Nicht zuletzt dadurch wird der eigenständige Denk- und Beurteilungsprozess der Zuhörer angeregt. Die Wiederkehr der Vorlesungen, der Einsatz guter Lehrbücher und die Durchführung standardisierter Klausuren sowie vor allem: ein gewisses Maß an disziplininterner Verständigung hierüber kann zur Folge haben, dass sich die traditionell große Vielfalt und Buntheit der Erziehungswissenschaft auf der Ebene ihres Grundlagenwissens reduziert – oder vorsichtiger: dass im Grundlagenbereich der mainstream womöglich breiter wird, ohne aber die Existenz von alternativen, innovativen und abweichenden Denkrichtungen zu negieren oder zu gefährden. Die Verständigung über Grundlagen sowie die darauf aufbauende Ausarbeitung von Prüfungsformen und Bewertungskriterien führt ja keineswegs etwas völlig Neues in den disziplinären Diskurs ein, da schon immer Grundlagen vermittelt und Prüfungsleistungen bewertet worden sind. Der durch die neuen Studienstrukturen ausgelöste Diskussionsprozess führt nun allerdings dazu, dass solche impliziten, personengebundenen Bewertungsprozeduren expliziert und zumindest im Ansatz (disziplin)öffentlich gemacht werden – eine doch durchaus positive Entwicklung. Auf der Basis eines stärker vereinheitlichen Grundlagenwissens, das immerhin eine Verlässlichkeit für Anschlüsse bietet, können dann natürlich weitere, ergänzende Vertiefungen, Problematisierungen, Alternativdeutungen etc. entfaltet werden – wie es sich für jede Wissenschaft gehört. Eine solche Entwicklung würde sich in die schon seit längerem diskutierte bzw. geforderte Normalisierung der Erziehungswissenschaft innerhalb des Konzerts der wissenschaftlichen Disziplinen einordnen. 16 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft Berufsbezug des Wissens Selbst wenn der Anteil des konsensfähigen, gesicherten Wissens in der Erziehungswissenschaft höher wäre als er ist, ergibt sich das Problem, welche Wissenselemente für die Vermittlung einer bestimmten Teilkompetenz ausgewählt werden bzw. welche Wissenskomplexe dazu geeignet sind, eine spätere erfolgreiche Berufsausübung anzubahnen. Nun ist Wissen nur ein Basiselement für qualifizierte Berufsausübung, hinzukommen müssen u. a. praktische Erfahrungen und deren Reflexion, eine gewisses habituelles Einschwingen in die Berufskultur etc. Um praktische Erfahrungsbildung und Entwicklung von berufsbezogenen Haltungen kann es in Vorlesungen nur äußerst bedingt und sehr vermittelt gehen. Erneut soll an dieser Stelle auf die hohe Bedeutung anderer Lehr-, Lern- und Prüfungsformen hingewiesen werden; die Differenz der Wissensformen, Erfahrungsbereiche und Kompetenzdimensionen, die bei der Konstruktion von Studiengängen eine Rolle spielen, muss unbedingt Beachtung finden – auch und gerade in Gestalt einer methodisch vielfältigen Lehr- und Prüfungspraxis. Wenn es aber um Wissen geht, so stellt sich die Frage, welches Wissen für alle Studierenden als unabdingbar oder vorsichtiger als nützlich für den Studienprozess, für die Kompetenzanbahnung, für das spätere Handeln und Reflektieren in den verschiedensten pädagogischen Berufsfeldern betrachtet wird, welches Wissen demgegenüber als wünschenswert anzusehen ist, ab wann und in welcher Weise Spezialisierungen in Richtung auf wählbare Studienprofile zum Zuge kommen etc. In den Sitzungen von Studienkommissionen gehen die Meinungen hierzu meistens deutlich auseinander. Modularisierung zwingt die Erziehungswissenschaft dazu, solche grundsätzlichen Fragen des Verhältnisses von Disziplin und Profession nicht länger als Dauerdiskurs und mit offenem Ende zu erörtern, sondern hierfür konkrete, umsetzbare und überprüfbare Lösungen zu erarbeiten. Auch hier entsteht also eine Rückwirkung des neuen Prüfens auf systematische Fragen der Disziplin. Anforderungsniveaus Zum Abschluss von Vorlesungen standardisiert zu prüfen, muss keineswegs eine Verflachung des Anforderungsniveaus oder eine Zurückschneidung des Prüfungsniveaus auf einfaches Reproduzieren von auswendig gelernten Vorlesungsmitschriften, verteilten Skripten oder zur Verfügung gestellten powerpoint-Folien bedeuten. Es muss ein Spektrum von Aufgabenformaten gefunden werden, das in unterschiedlich anspruchsvoller Weise Wissen, Reflexionsfähigkeit, Transferleistungen, Urteilsvermögen etc. abfordert und das je individuell erreichte Niveau auf einer Skala festzuhalten erlaubt – und gleichwohl eine effiziente Form der Durchführung und Auswertung ermöglicht. Die entsprechenden Erfahrungen aus anderen Disziplinen (Medizin, 17 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Jura, Ökonomie) müssen genutzt werden, um eine entsprechend anspruchsvolle Mischung verschiedener Aufgabenniveaus und Aufgabenformate zu erreichen. Eine geschickte Konstruktion von Aufgabenformaten ermöglicht es, inhaltliche Ansprüche und effiziente Auswertbarkeit zu erreichen. Der Beweis hierfür kann nur durch entsprechende Aufgabenbeispiele erbracht werden. 3. Standardisierte Prüfungsverfahren 3.1 Vorbehalte Wenn der Eindruck, den man aus Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen gewinnen kann, nicht täuscht, dann setzen sich unter dem Zwang der oben beschriebenen organisatorischen Strukturen der neuen Ausbildung auch im Fach Erziehungswissenschaft standardisierte Prüfungen als übliche Form der Leistungsmessung in großen Vorlesungen, aber auch in Seminaren mit großer Teilnehmerzahl zunehmend durch. Die Expansion der neuen Prüfungsform steht dabei in einem seltsamen Kontrast zu einer verbreiteten Geringschätzung dieses Instrumentariums – selbst bei Lehrenden, die sich unter dem Zwang der Umstände zu seiner Nutzung entschlossen haben. Im Kern richten sich die Vorbehalte zumeist gegen die Reichweite standardisierter Leistungsmessungen. Die Kritiker stellen in Frage, ob mit solchen Formen, insbesondere mit Multiple-choice-Aufgaben, die relevanten Ziele eines Hochschulstudiums bzw. ihrer eigenen Lehrveranstaltungen angemessen erfasst und ein entsprechender Lernerfolg der Studierenden überprüft werden können. Bestenfalls, so die übliche Kritik, könne man mit solchen Verfahren Faktenwissen bzw. Fleiß und Erinnerungsvermögen der Prüfungskandidaten erfassen und bewerten. Ein Stück weit wird man solchen Einwänden Recht geben müssen: Bestimmte Lernziele und Kompetenzen, die durch ein Hochschulstudium erreicht bzw. gefördert werden sollen, etwa die Steigerung komplexer kognitiver Fähigkeiten oder die Verbesserung wünschenswerter Selbst- und Sozialkompetenzen, lassen sich mit dem Instrumentarium standardisierter Leistungsfeststellungen nicht oder bestenfalls ansatzweise abbilden und erfassen. Ob die Studierenden mit den abgefragten und eventuell nachgewiesenen Wissensbeständen zugleich Arbeits- und Lernstrategien erworben haben oder ob sie erworbene Kenntnisse zur selbstständigen Bearbeitung praktischer Probleme nutzen können – all das lässt sich durch geschlossene Frageformate und vorgegebene Antwortmöglichkeiten nicht hinreichend erfassen. Und deshalb sollte es unstrittig sein, dass die standardisierten Prüfungsverfahren andere Formen der Lern- und Leistungskontrolle, insbesondere die für geis18 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft tes- und sozialwissenschaftliche Fächer traditionsreiche, anspruchsvolle Hausarbeit, nicht verdrängen dürfen.4 Hinsichtlich der traditionellen Prüfungsformen stellt sich allerdings ebenso die Frage, ob und inwieweit sie tatsächlich geeignet sind, komplexe Kompetenzen valide zu erfassen und objektiv zu bewerten. Ungeachtet der unbestreitbaren Grenzen standardisierter Prüfungsverfahren für die Erfassung komplexer Lernziele bzw. Kompetenzen werden die Möglichkeiten und der Nutzen dieses Instruments in der gegenwärtigen Situation häufig unterschätzt. In der verbreiteten Auffassung, dass in solchen Prüfungen ‚nur‘ Faktenwissen und Begriffe abgefragt werden können, zeigt sich ein doppeltes Missverständnis: Das eine bezieht sich auf den Stellenwert von Faktenwissen für erfolgreiches Lernen und das andere auf die Komplexität des Wissens, das in solchen Tests abgefragt und bewertet werden kann, also auf das Anspruchsniveau der Tests. Gegen eine voreilige Geringschätzung von fachwissenschaftlichen Grundkenntnissen und einer entsprechenden Fachsprache muss daran festgehalten werden, dass sie das Fundament jeder Fachwissenschaft darstellen und die Voraussetzung aller anspruchsvolleren Lernprozesse bei Studierenden des jeweiligen Faches sind. Wenn es gelingt, dieses Fundament erfolgreichen Studiums, das für grundlegend gehaltene Wissen eines Faches bzw. seiner Teildisziplinen, zu definieren, und zugleich der Anspruch erhoben wird, es in entsprechenden Veranstaltungen zu vermitteln, dann gibt es keinen einsichtigen Grund, auf eine Überprüfung der Lernergebnisse der Studierenden in standardisierter Form zu verzichten. Dies kann allerdings auf unterschiedlich anspruchsvolle Weise und auf unterschiedlichem Niveau geschehen. Möglicherweise resultieren viele Vorbehalte gegen standardisierte Prüfungsverfahren, insbesondere in Form von Multiplechoice-Tests, aus mangelnden Erfahrungen mit diesem Prüfungsformat oder vielleicht auch aus zufälligen Beispielen, die in Form und Inhalt unterkomplex sind, weil ihre Aufgaben entweder mit dem gesunden Menschenverstand oder durch geschicktes Raten zu lösen sind. Aber diese nicht seltenen Beispiele sind keine Belege für die generelle Untauglichkeit des Instruments, sondern lediglich für eine fehlerhafte Konstruktion im Einzelfall. 4 Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die Erörterung standardisierter Aufgabenformate, die vornehmlich in Verbindung mit großen erziehungswissenschaftlichen Vorlesungen eingesetzt werden. Wir sind uns darüber im Klaren, dass dies innerhalb des breiten Spektrums unterschiedlicher Formen der Leistungserfassung und -beurteilung eine spezifische, insgesamt eher konventionelle, für die neue Lehrsituation in der Erziehungswissenschaft allerdings unausweichliche, aber wenig erprobte Variante darstellt. Wir gehen nicht auf die grundsätzlichen testdiagnostischen Probleme von kompetenzorientierter und zugleich entwicklungsförderlicher Leistungskommentierung und -beurteilung in Schulen und Hochschulen ein (edumetrics statt psychometrics). Dies würde den Rahmen sprengen. 19 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski 3.2 Anforderungen Die der Arbeitsgruppe vorliegenden – zufälligen und wenigen – Beispiele von standardisierten Abschlussklausuren für Vorlesungen und Seminare vermitteln einen zumindest heterogenen Eindruck, der auf die Schwierigkeiten bei der Entwicklung solcher Prüfungsformate verweist.5 Sie sind heterogen hinsichtlich dessen, was sie prüfen und wie sie es prüfen wollen. Sie unterscheiden sich selbst bei themenähnlichen Bezugsveranstaltungen hinsichtlich der Inhalte, des Anspruchsniveaus der Fragen und der Form der Aufgabenstellung. Wenn man beispielsweise die inhaltliche Auswahl von Prüfungsaufgaben zu allgemeinen Einführungen in das Fach Erziehungswissenschaft miteinander vergleicht, lässt sich eine erhebliche Variationsbreite feststellen. Es gibt thematische Überschneidungen, aber keinen einheitlichen Korpus fachlichen Wissens, das in solchen Veranstaltungen vermittelt wird. Dies liegt zum einen an der je universitätsspezifischen curricularen Struktur des erziehungswissenschaftlichen Lehrangebots, zum anderen an der individuellen Handschrift, den thematischen Präferenzen und entsprechenden Akzentuierungen der jeweiligen Veranstalter. Diese inhaltliche Varianz der Prüfungsaufgaben zu ähnlichen oder sogar identischen Themen der Veranstaltungen lässt sich durch innerfachlichen Austausch und Diskurs verringern, aber keinesfalls völlig beseitigen, und das ist auch gut so. Während man über die fachliche Qualität einer Veranstaltung, die Relevanz ihrer thematischen Schwerpunkte und Lernziele vielleicht streiten kann, gilt dies nicht für die Güte einer standardisierten Abschlussklausur. Sie muss die zentrale Anforderung der Validität, der Gültigkeit, erfüllen, also genau das prüfen, was in der jeweiligen Veranstaltung unter bestimmten Zielperspektiven inhaltlich vermittelt werden sollte. Die Forderung nach Validität oder Gültigkeit der Prüfungen scheint auf den ersten Blick trivial zu sein – für die Prüfungspraxis gilt dies keineswegs. Wenn manche standardisierten Tests den Eindruck vermitteln, dass ihre Aufgaben auch ohne Kenntnis des jeweiligen Veranstaltungsprogramms und seiner spezifischen Lernziele bearbeitet werden können, dann liegt offensichtlich ein Verstoß gegen die grundlegende Forderung nach Validität vor – es sei denn, dass die jeweilige Bezugsveranstaltung keine spezifischen, über das Alltagswissen hinausgehenden Kenntnisse vermittelt hätte. Soll die Anforderung an die Validität einer Abschlussklausur erfüllt werden, so ist es erforderlich, dass sich die Lehrenden über das, was sie in ihren 5 20 Sicherlich wird man in diesem Kontext aus den Erfahrungen anderer Fächer lernen können. Ebenso müsste es hilfreich sein, etwa die Erfahrungen der Fernuniversität Hagen bei der Formulierung und Gestaltung von Frageformaten in Studien- und Lernmaterialien mit erziehungswissenschaftlicher Thematik zu nutzen. Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft jeweiligen Veranstaltungen vermitteln wollen, im Klaren sind und ihre generellen Lernziele in Teilziele ausdifferenzieren und operationalisieren können. Dies ist zwar eine Grundanforderung professionellen pädagogischen (lehrenden) Handelns, aber in der Praxis universitärer Lehre eine allzu optimistische Unterstellung. Im Blick auf eine valide Abschlussklausur ist es jedenfalls erforderlich, parallel zur Veranstaltungsplanung und -durchführung die Frageformate für den Abschlusstest zu konzipieren. Dabei ist zu beachten, dass sich die Prüfungsaufgaben auf das gesamte Spektrum der Themen, aber auch auf die unterschiedlichen Ebenen der Lernziele der Veranstaltung beziehen. Insbesondere die zuletzt genannte Forderung impliziert, dass der Schwierigkeitsgrad der Aufgabenstellung variieren, über das bloße Wiedererkennen von Fakten und Informationen hinausführen und anspruchsvollere Lernziele abbilden muss. Entgegen einem verbreiteten Vorurteil sind auch Auswahlaufgaben (im Sinne von Multiple-choice) in der Lage, die angestrebte Unterscheidungsfähigkeit, das Differenzierungsvermögen und die Urteilsfähigkeit, die in der jeweiligen Veranstaltung – themenbezogen – entwickelt werden sollten, zu erfassen. Auch solche geschlossene Aufgabenformate können und müssen sich auf komplexe Sachverhalte, konkurrierende Interpretationen, anspruchsvolle theoretische Beschreibungen und ihre jeweiligen praktischen Implikationen beziehen – sofern diese in der vorangegangenen Veranstaltung erarbeitet worden sind. Die Möglichkeiten dieser Prüfungsform enden erst dort, wo die Kompetenz der Studierenden überprüft werden soll, auf der Basis des erworbenen Wissens selbstständig und kreativ Antworten auf neuartige theoretische und praktische Probleme zu entwickeln. Aber das kann auch nicht das Ziel einer einführenden Veranstaltung sein! Die Differenzierung des Anspruchsniveaus der Aufgabenstellung ist auch im Blick auf eine leistungsgerechte Beurteilung der Studierenden unverzichtbar. Nur so lassen sich gute von schlechten Leistungen, d. h. die jeweils erreichten Kompetenzen der Studierenden voneinander unterscheiden. Ob diese Unterscheidung zuverlässig, ob das Instrument reliabel ist und nicht von Messfehlern und Zufallsantworten verzerrt wird, hängt maßgeblich von der Konstruktion der Frageformate, etwa von der Auswahl gestellter Aufgaben oder der Genauigkeit der Fragestellungen, und der Durchführung und Auswertung ab. Im Idealfall müssten Studierende bei einer reliablen Testkonstruktion und -auswertung ähnliche Prüfungsergebnisse in einem Paralleltest mit gleichem Anspruchsniveau und anderen Aufgaben zur gleichen Veranstaltung erreichen. 21 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski 4. Aufgaben im Kontext technologisch unterstützten Prüfens Die zentrale Frage dieses Abschnitts ist, inwiefern und inwieweit Prüfungsfragen durch Einsatz neuer Technologien, d. h. durch Einsatz von Computern und Internet, automatisiert ausgewertet werden können.6 Es geht hier nicht darum, ob strukturierte Aufgabenformate wie Multiple-choice, Lückentext oder Zuordnung besser oder schlechter sind als Freitextaufgaben. Es geht vielmehr um die Frage, ob computergestützte Aufgaben die Arbeit der Klausurbewertung erleichtern können. Insofern steht Arbeitseffizienz im Fokus der folgenden Betrachtungen. Auch Objektivität, Validität und Reliabilität von Aufgaben stehen hier nicht zur Debatte. Dennoch sei eine Bemerkung dazu hier erlaubt. Auf der Basis eines fünfjährigen Experimentierens mit computergestützten, automatisch ausgewerteten Klausuren hat es sich als vorteilhaft erwiesen, Klausuren so zu konstruieren, dass die Hälfte der erreichbaren Punkte in strukturierten Aufgaben und die andere Hälfte in Freitextaufgaben vergeben werden. Da die verwendete Klausursoftware die differenzierten Klausurergebnisse in einer EXCEL-Tabelle ausgibt, ist es ein Leichtes, die Ergebnisse der strukturierten Aufgaben mit denen der Freitextaufgaben zu korrelieren. In den meisten Fällen traten hohe Korrelationen auf, ebenso statistische Signifikanzen (5%Niveau). In einer Klausur mit ca. 120 Teilnehmern konnte durch direkten Vergleich der beiden Teilnoten festgestellt werden, dass bei keinem Studierenden in den beiden Klausurteilen eine größere Notendifferenz als eine halbe Note auftrat. Damit hat man zwar keine saubere Validitätsprüfung, aber man erhält mindestens den Hinweis, dass man mit beiden Klausurteilen das Gleiche misst. In Fällen, bei denen die Korrelationen nicht befriedigend ausfielen, konnte sehr schnell herausgefunden werden, woran dies mit hoher Wahrscheinlichkeit lag. In der ausgegebenen Tabelle waren nämlich auch die Ergebnisse der einzelnen Aufgaben deskriptiv statistisch beschreibbar, und man konnte etwa sehen, dass manche Aufgaben zu leicht oder zu schwer waren, d. h. dass sie keine adäquate Leistungsdifferenzierung bei den Klausurteilnehmern erzeugt haben. Kommt so etwas etwa bei den strukturierten Aufgaben an mehreren Stellen vor, nicht aber bei den Freitextaufgaben, dann kann sich keine hohe Korrelation ergeben. Das heißt in aller Kürze: Bei automatisch ausgewerteten Klausuren erhält man je nach Software Daten, die eine rasche und nicht sehr arbeitsaufwändi6 22 Auf die Möglichkeit, bearbeitete standardisierte Klausur-Fragebögen durch einen geeigneten Scanner einzulesen, kann an dieser Stelle nur verwiesen werden. In diesem Fall können die Fragebögen im Papier-und-Bleistift-Verfahren bearbeitet werden; die Eingabe der einzelnen Antworten per Hand ist jedoch überflüssig. Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft ge Analyse ermöglichen. Die Analyse kann beispielsweise Hinweise darauf geben, dass die Aufgaben nicht gut genug konstruiert waren, dass die Themen der Freitextaufgaben zu schwer waren usw. Das kann bis hin zur Konsequenz führen, für gewisse Themen mehr Zeit in den Lehrveranstaltungen zu veranschlagen. Natürlich kann man solche Auswertungen auch auf der Basis von herkömmlichen Papierklausuren machen. Computerunterstütze Klausurengestaltung und -auswertung erleichtert die Arbeit jedoch deutlich.7 4.1 Lern- und Testaufgaben Man kann auf der Basis der Literatur und dem professionellen Wissen der Didaktiker die verschiedenen Aufgabentypen als eine Teilklasse des Wissens verstehen, das sich in Wissensarten differenziert.8 Aufgaben sind interaktive Wissensarten, die zwischen der reinen Vorgabe von rezeptiv aufzunehmenden Informationen und den noch komplexeren Szenarien kooperativer Wissensgenerierung im Lernen stehen. Aufgaben geben nämlich einerseits Informationen, lassen aber anderes aus, was der Lernende zu ergänzen hat. Aufgaben produzieren gezielt Leerstellen, die der Lernende ausfüllen muss. Die Produktion der Leerstelle in Aufgaben kann die Ausfüllung der Leerstelle eindeutig bestimmen oder eher offen gestalten. Diese Variation erreicht man durch Art und Ausmaß der Informationsvorgabe. Flechsig hat vor diesem Hintergrund Aufgaben der Struktur nach als Formulare bestimmt.9 Wissen hat in didaktischen Kontexten immer mindestens drei Funktionen: Informationsfunktion, Instruktionsfunktion und Kommunikationsfunktion. Diese Dreiteilung deckt sich mit der Dreiteilung medialer Strukturierung in (rezeptive) Darstellungsmedien, Interaktionsmedien und Kommunikationsmedien. Interaktionsmedien sind solche, bei denen die Testperson mit einem Medium interagiert. Das mag ein Aufgabenblatt oder ein Computerbildschirm sein. Kommunikationsmedien sind solche, bei denen die Testperson mit anderen Testpersonen interagiert – sei es per Brief, Chat, Forum oder in einer virtuellen Welt (z.B. Second Life). 7 8 9 Vgl. dazu auch Wollersheim, H.-W. (2007): eTesting in Lehramtsstudiengängen – mehr als ein technisches Problem? Foliensatz eines Vortrags im Rahmen des workshops „Computerunterstütztes Prüfen (e-assessment)“ an der Universität Hamburg, 6.12.2007. Vgl. Meder, N. u. a. (2006): Web-Didaktik. Eine neue Didaktik webbasierten, vernetzten Lernens. (Wissen und Bildung im Internet Bd. 2). Bielefeld: Bertelsmann, S. 119-174, insbes. S. 127. Haller, H.-D./Flechsig, K.-H./List, J. (2007): CEDID – Software und Kurse zum computergestützten didaktischen Design; Haller, H.-D. (1995): Wissensorganisation mit CEWID, einem wissensorientierten und tätigkeitsunterstützenden System. In: Meder, N./Jaenecke, P./Schmitz-Esser, W. (Hrsg.): Konstruktion und Retrieval von Wissen. Frankfurt/M.: Ergon, S. 14-21. 23 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Aufgaben haben im didaktischen Kontext des Lernens generell die Funktion, das Können der Lernenden zu aktualisieren. Bei dieser Aktualisierung können drei Unterfunktionen unterschieden werden. • • • Lernaufgaben haben die Funktion, das Können zu initiieren, das Können ein erstes Mal hervorzubringen. Selbsttestaufgaben haben die Funktion, die Lernenden über den Stand in ihrem Lern- und Bildungsprozess aufzuklären. Testaufgaben haben die Funktion zu zertifizieren, welches Können im Bildungsprozess erworben wurde. Aufgaben sind also funktional dreifach zu differenzieren. Strukturell unterscheiden sie sich trotz ihrer funktionalen Differenzierung jedoch nicht. Diese funktionale Differenzierung wird herausgestellt, weil alle drei Funktionen mit geeigneter Aufgabensoftware eingelöst werden können. Wenn also z.B. eine Aufgabe durch Selbsttestaufgaben im Internet begleitet wird, dann wird damit den Studierenden die Möglichkeit geboten, ihr Verständnis zu testen und gegebenenfalls in der nächsten Vorlesungsstunde nachzufragen. Ein anderes Szenario könnte sein, eine Vorlesung zum Thema Forschungsmethoden zu halten und parallel dazu Übungen machen zu lassen. Dazu werden Lernaufgaben und das zu ihrer Lösung notwendige Wissen ins Internet gestellt. Die Studierenden müssen diese Lernaufgaben von Woche zu Woche lösen. Die Aufgabensoftware registriert die Studierenden und kumuliert ihre jeweils erreichte Punktzahl bis zum Ende des Semesters. Wer eine vorab bestimmte Punktzahl am Ende erreicht hat, hat die Lehrveranstaltung erfolgreich absolviert. Mit einem solchen technologisch gestützten Studienarrangement schafft man workload und credits auf Seiten der Studierenden, ohne auf Präsenzveranstaltungen und entsprechendes Personal angewiesen zu sein. Auch hier also liegt das Hauptaugenmerk auf der Arbeitseffizienz, ohne jedoch zu übersehen, dass man mit einem solchen Studienszenario einen hohen Grad an Standardisierung und Objektivität erreicht. Das mag nicht für jede Lehrveranstaltung bzw. jede Thematik möglich oder auch nur sinnvoll sein, ist aber gleichwohl eine Option. 4.2 Aufgaben: Struktur, Funktion, Sequenzen und Transfer Aufgaben sind interaktive Wissensarten. In der Interaktion können zwei Konstruktionsfaktoren der Aufgabenstellung unterschieden werden: • 24 erstens wird Information gegeben, und zwar die Rahmeninformation für die Aufgabenstellung, Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft • zweitens werden offene Stellen produziert, so genannte Leerstellen, die vom Lernenden durch seine Aktivität auszufüllen sind. Auf letztere Weise – durch Lösen der Aufgaben – werden Informationen in aktives Wissen transferiert, was nichts anderes heißt, als dass gelernt oder Wissen aktualisiert wird. Aufgaben haben in erster Linie die Funktion, Wissen zu generieren: Sie sind Lernaufgaben. In zweiter Linie besteht ihre Funktion darin, Wissen und Können zu überprüfen. In dieser zweiten Funktion sind Aufgaben Diagnosewerkzeuge. So können sie im Selbsttest dem Studierenden eine Rückmeldung über seinen Lernerfolg geben, in einem Abschlusstest feststellen, welche Lernziele erreicht wurden, oder sie können in einem Einstufungstest den Lernenden so weit informieren, dass er das für ihn richtige Kursniveau, das es zu wählen gilt, einschätzen kann. Aufgaben sind die einzige bekannte Form, Kompetenzen zu entwickeln, zu aktualisieren und zu überprüfen. Welche Aufgaben welchen Kompetenzen entsprechen, ist noch nicht ausreichend erforscht. Unser diesbezügliches Wissen beruht auf ungesicherter professioneller Erfahrung. Die zentrale Forschungsaufgabe wird durch die Frage markiert, welche Lernoperationen entlang welcher Regeln und vor welchem Wissenshorizont vollzogen werden müssen, damit die Leerstelle in den Aufgabenformularen richtig gefüllt, die Aufgabe mithin gelöst wird. 4.3 Typologie von Prüfungsaufgaben Abgesehen von ihrer Struktur, ihrem funktionalen Einsatz und ihrer Sequenzierung können Aufgaben unterteilt werden in entdeckende Aufgaben, Ordnungsaufgaben, Antwortaufgaben, Ankreuzaufgaben und Unterscheidungsaufgaben. Diese Unterteilung (vgl. Tab. 1) orientiert sich weitgehend an den kognitiven Operationen, die Lernende bei der Lösung von Aufgaben vollziehen müssen. Die damit vorgenommene Klassifikation der Aufgaben ist zum großen Teil unabhängig von den anderen in 4.2 genannten Unterscheidungsmerkmalen. Im Folgenden werden verschiedenen Aufgabenarten definiert; ebenso wird geprüft, inwieweit sie sich im Hinblick auf computergestützte automatische Auswertung eignen. 25 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Tab. 1: Typologie der Aufgaben (nach Meder u. a. 2006, 75) Lern- oder Testaufgaben Entdeckende Aufgabe • Fehler entdecken • Differenz entdecken • Problem lösen Ordnungsaufgabe • Sequenzierungsaufgabe • Konstruktionsaufgabe Satzkonstruktion Technische Konstruktion DokumentenKonstruktion – formaler Aspekt – gestalterischer Aspekt – inhaltlicher Aspekt • Zuordnungsaufgabe Antwortaufgabe • KurzantwortAufgabe • ExposéAufgabe • AusspracheAufgabe • BuchstabierAufgabe • LückentextAufgabe Ankreuzaufgabe • MehrfachauswahlAufgabe • EinfachauswahlAufgabe • Ja-oder-NeinAufgabe Distinktionsaufgabe • unbestimmte Limitation • bestimmte Negation • Bandbreite Begriffsinhalt Begriffsumfang 26 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft 4.3.1 Entdeckende Aufgaben In Aufgaben der Art entdeckende Aufgabe sollen Regeln, Gesetzmäßigkeiten oder Zusammenhänge in einem vorliegenden Material – auch über Fehler und Differenzen – identifiziert werden. Es geht dabei eher um kreative kognitive Prozesse. Die entdeckenden kognitiven Prozesse werden unterschieden in Fehler entdecken, Differenz entdecken, Problem lösen. • • • Fehler entdecken: Der Lernende soll Fehler in einem Dokument, einem Bild oder einem Text – gelegentlich auch durch Vergleich – entdecken. Insoweit diese Fehler syntaktisch eindeutig zu bezeichnen sind – etwa durch Markierung oder sprachlich eindeutige Charakterisierung, kann mit automatisierter Auswertung gearbeitet werden. Wenn aber der Fehler nur in einer semantisch frei gestalteten Ausführung identifiziert werden kann, dann eignen sich keine derzeit bekannten Softwareprozeduren zur Auswertung, denn die Lösung muss dann in einem Freitext formuliert werden. Die wichtigste kognitive Operation, die mit diesem Aufgabentyp abgeprüft werden kann, ist die der Überprüfung auf Stimmigkeit, auf Passung bzw. auf Brüche und Differenzen. Dabei können Operationen des Vergleichens und Unterscheidens eine große Rolle spielen. Eine Aufgabe solchen Typs kann man z.B. sehr leicht konstruieren, indem man eine charakteristische Textpassage aus einer Theorie nimmt und durch Auswechseln eines terminus technicus einen Fehler produziert, der dann vom Studierenden durch Mausklick auf das Wort identifiziert werden muss. Differenz entdecken: Unterschiede im vorliegenden Material sollen gefunden werden. Ein typisches Beispiel wird mit Original und Fälschung bezeichnet. Insoweit diese Differenzen syntaktisch eindeutig zu bezeichnen sind – etwa durch Markierung oder sprachlich eindeutige Charakterisierung – kann mit automatisierter Auswertung gearbeitet werden. Wenn aber die Differenzen nur in einer semantisch frei gestalteten Ausführung identifiziert werden können, dann eignen sich wiederum keine der derzeit bekannten Softwareprozeduren zur Auswertung. In solchen Aufgaben fordert man die Operationen des Vergleichens und Unterscheidens vor dem Hintergrund von Wissen, das als Distinktionsbasis fungieren kann, indem es die Aufmerksamkeit auf wesentliche Stellen, die den Fehler ausmachen könnten, richtet. Problem lösen: Mit Hilfe eines gegebenen Materials und gewisser Hilfsmittel soll ein beschriebenes Problem gelöst werden. Dabei können Probleme unterschieden werden, je nachdem ob sie well-defined (gut definiert bzw. gut bestimmt) oder ill-defined (schlecht definiert bzw. unterbestimmt) sind. Well-defined Probleme sind in jedem Falle lösbar, und ihre 27 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski Lösung ist bei engen Variationen eindeutig. Von daher sind well-defined Probleme prinzipiell computerauswertbar. Ill-defined Probleme sind offene Probleme, deren Lösung nicht eindeutig und nicht klar ist, weil keine Hilfsmittel angegeben werden können. Von daher sind sie derzeit noch nicht computerunterstützt auswertbar. Ob die Forschung im Bereich Künstliche Intelligenz hier eine Lösung findet, ist nicht absehbar. 4.3.2 Ordnungsaufgaben Ordnungsaufgaben werden unterschieden in Sequenzierungsaufgabe, Konstruktionsaufgabe und Zuordnungsaufgabe. Sie zielen auf das Verständnis ab, nach welchen Regeln und in welchen Strukturen etwas, das mit dem Lerngegenstand zu tun hat, angeordnet ist. • Sequenzierungsaufgaben sind Aufgaben, in denen gegebene Gegenstände, Sachverhalte oder Begriffe in eine Reihe gebracht werden müssen, z.B.: eine Liste von Worten soll nach dem Alphabet sortiert werden. Anspruchsvoller ist etwa die Aufgabe, aus einer Liste von Wörtern einen hierarchisch geordneten Begriffsbaum zu erstellen oder aus einer Liste von Sätzen eine argumentative Kette zu bilden. Computergestützt wird das in der Regel so realisiert, dass die gegebenen Elemente mit der Maus an bestimmte Stellen des Bildschirms verschoben werden müssen. Diese Stellen können dann vom Programm ausgelesen und auf Richtigkeit geprüft werden. Es ist klar, dass die Lösung der Software vorgegeben werden muss. Bei manchen Sequenzierungsaufgaben geht es um die Anwendung von Faktenwissen. Bei anderen anspruchsvolleren Aufgaben dieses Typs kann es auch noch um die Identifizierung bzw. Entdeckung der Regel der Sequenzierung gehen, wie bei der Aufforderung zur Ordnung folgender Elemente im Rahmen der Thematik anthropologischer Grundlegung der Erziehungswissenschaft: Immanuel Kant beschreibt vier Erziehungsziele, die mit Stufen der Vernunftentwicklung verbunden sind. Bauen Sie diese Erziehungsziele sachlich folgerichtig im Sinne Kants in eine Argumentation ein. Kultivierung Disziplinierung Moralisierung Zivilisierung • 28 Konstruktionsaufgaben sind Aufgaben, in denen aus Teilen das Ganze zusammengesetzt werden soll. Die Konstruktionsaufgabe wird üblicherweise weiter in Satzkonstruktion, Technische Konstruktion und Dokumenten-Konstruktion differenziert. Satzkonstruktionsaufgaben nennt man Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft • solche, in denen ein Satz z.B. aus den Satzgliedern zusammengesetzt werden soll oder aus einzelnen Worten unter Berücksichtigung der richtigen Beugung der Wortarten ein grammatikalisch richtiger Satz zu bilden ist. Lässt sich aus dem vorgegebenen Wortmaterial nur ein sinnvoller Satz bzw. eine endliche Menge von Sätzen bilden, dann kann auch dieser Aufgabentyp automatisch ausgewertet werden. Im Kontext des SchreibLese-Lernkomplexes werden solche Aufgaben in der Grundschule gern eingesetzt. Im Studierendenkontext tauchen sie nur beim Fremdsprachenstudium auf – durchaus auch bei gehobenen Stilübungen. Zuordnungsaufgabe: Elemente zweier Mengen werden einander nach vorgegebenen Kriterien zugeordnet. Das können z.B. in der einen Liste Bilder sein, in einer zweiten Liste Begriffe. Anspruchsvoller und dem studentischen Niveau angemessen könnte es sein, einer Liste von Thesen Elemente aus einer Liste von Argumenten zuzuordnen oder Elemente einer Liste von Thesen in historische Epochen einzuordnen. Sind die jeweiligen Listen vorgegeben, dann kann automatisiert ausgewertet werden. Beispiel für solche Aufgaben folgt. Ordnen Sie folgende Aussagen den drei Wissensformen – Alltagswissen, Professionswissen, wissenschaftliches Wissen – nach Peter Vogel zu: AW PW WW Es wird erworben durch alltägliche Internalisierung/ Sozialisation Es dient Angehörigen pädagogischer Berufe zum kompetenten Handeln im Beruf Es wird begrenzt durch seinen prinzipiell vorläufigen (hypothetischen) Charakter Es wird erworben durch wissenschaftliche Ausbildung und Erlernen beruflicher Handlungsschemata und -routinen Es dient dem Wissens- und Erkenntnisfortschritt auf dem Gebiet der Erziehung Es wird begrenzt durch negative Lösungseffekte und die Zuständigkeit anderer Professionen Es dient Laien zur Bewältigung alltäglicher pädagogischer Probleme Es wird erworben durch wissenschaftliches Studium (Lehre und Forschung) Es wird begrenzt durch negative Lösungseffekte 4.3.3 Antwortaufgaben Antwortaufgaben werden differenziert in Kurzantwort-Aufgabe, Exposé-Aufgabe, Aussprache-Aufgabe, Buchstabier-Aufgabe und Lückentext-Aufgabe. • In Kurzantwort-Aufgaben werden freie Antworten verlangt, die im Allgemeinen nicht länger als ein bis zwei Sätze sind. Wird beispielsweise 29 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski eine eindeutige Definition verlangt, wie das etwa im Kontext der Wissenschaftstheorie und der Methodologie empirischer Forschung gegeben sein kann, dann kann auch hier automatisiert ausgewertet werden. Probleme gibt es hier, wenn sprachliche Fehler gemacht werden. Das könnte eine intelligente Auswertungssoftware mit Rechtschreib- und Grammatikkorrektur auffangen. Wenn dies nicht oder nur unvollständig geht, dann müssen solche Aufgaben von Hand nachkorrigiert werden. Ein Vorteil bleibt dabei dennoch insofern, als nur die von der Software als falsch gewerteten Lösungen überprüft und gegebenenfalls in ihrer Wertung geändert werden müssen. Bei diesem Aufgabenformat ergeben sich die zu prüfenden Lernoperationen aus der jeweiligen Fragestellung. Man sieht leicht, dass solche Prüfungsfragen mit ein bis zwei Sätzen zu beantworten sind. Mit der beginnenden Neuzeit und vor allem im 18. Jahrhundert wurden die Forderungen nach einer systematischen Erziehung der nachwachsenden Generation in Familie und Schule immer zahlreicher. Zählen Sie wichtige gesellschaftliche Veränderungen bzw. Probleme auf, die zu solchen Forderungen führten. (1)________________________________________________________ (2)________________________________________________________ (3) _______________________________________________________ (4)________________________________________________________ • In Exposé-Aufgaben wird ein Kurzaufsatz von ein bis drei Seiten verlangt, der die Problem- oder Aufgabenlösung knapp skizziert. Persönliche praktische Erfahrung hat gezeigt, dass hier die automatisierte Auswertung scheitert. Es soll zwar schon in der Linguistik entwickelte Programme geben, die die Qualität solcher Texte ziemlich valide einschätzen können, es ist aber keine Prüfungssoftware bekannt, in der ein solches Programm implementiert ist. Norbert Meder hat in einer Eigenentwicklung10 den Versuch einer Teilauswertung gemacht. Bei der EssayAufgabe „Explizieren Sie das Konzept der Bildung bei Schiller!“ kann man in der Software hinterlegen, dass folgende Wörter vorkommen müssen: Stofftrieb, Formtrieb, Spieltrieb, Schönheit, Freiheit, Erscheinung, Ewigkeit, lebendige Zeit. Die Software prüft, ob diese Wörter im Text vorkommen und vergibt dabei proportional maximal 50% der erreichbaren Punkte. Die Nachkorrektur von Hand vergibt die restlichen 50% der 10 Siehe www.exam2go.de. Vgl. auch Homeister, D./ Ziegler, S. (2008): Verständnisfrage. Freitextantworten mit neuronalen Netzen auswerten. In: Linus-Magazin 4, S. 104-112. 30 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft möglichen Punkte nach Maßgabe der sprachlichen und logisch-argumentativen Form, der Gedankenführung usw. Neben dieser Teilerleichterung, die zugleich auch eine gewisse Objektivierung ausmacht, erspart die Tatsache, dass der Text getippt vorliegt, etwa 50-75 Prozent Korrekturzeit gegenüber handschriftlichen Texten. Das wurde im Selbsttest geprüft. Zu diesem Aufgabentypus können auch solche dreiteiligen Aufgabenformate gerechnet werden, in denen zunächst (a) eine komplexes Problem oder ein Fall dargestellt wird, dann (b) Fragen und Aufgabenstellungen zu diesem Fall formuliert werden und dann (c) die als Freitext formulierte Aufgabenlösung teils per Computer, teils durch den Lehrenden selbst beurteilt wird. 4.3.4 Ankreuzaufgaben Ankreuzaufgaben, wie sie in klassischen Multiple-choice-Tests vorkommen, werden in Mehrfachauswahl-, Einfachauswahl-, und ja/ nein-Aufgabe unterschieden. In allen Fällen hat der Lernende aus Antwortvorgaben auszuwählen. • • • Im ersten Fall der Mehrfachauswahl sind mehrere richtige Antworten aus vorgegebenen Antworten auszuwählen. Im zweiten Fall der Einfachauswahl ist nur eine unter den vorgegebenen Antworten richtig. Im dritten Fall muss entschieden werden, ob eine oder mehrere Aussagen richtig oder falsch sind. Alle drei Fälle prüfen letztlich Urteilskraft ab – also ein sehr anwendungsbezogenes Wissen. Der Studierende muss in allen drei Formaten Wahr-FalschEntscheidungen treffen. Jenseits von einfachem Raten ist dies nur möglich, wenn der oder die Studierende Kontextwissen als Distinktionsbasis für die Wahr-Falsch-Entscheidungen aktualisiert. Zur Vermeidung von Raten muss insbesondere bei der Mehrfachauswahl darauf geachtet werden, dass alle Antwortalternativen – auch die falschen – nahe an der Wahrheit liegen. Beispiele: Wodurch ist nach Giesecke pädagogisches Handeln gegenüber anderen sozialen Handlungsformen (medizinisches, politisches, administratives Handeln) bestimmt? Weil es gesellschaftliche Probleme löst. Weil es das Ziel verfolgt, Gesundheit langfristig zu erhalten. Weil unter der Perspektive des Lebenslangen Lernens schnelle Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt möglich sind. Weil es das menschliche Zusammenleben vereinfacht. Weil es unter der Maßgabe betrieben wird, Lernen zu ermöglichen. 31 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski In der empirischen Lehrerforschung unterscheidet man mindestens drei Paradigmen: das Persönlichkeitsparadigma, das Prozess-Produkt-Paradigma und das Expertenparadigma. Welche der folgenden Aussagen zu diesen Paradigmen treffen zu? Das Persönlichkeits-Paradigma umfasst die Suche nach allgemein gültigen Merkmalen der positiven Lehrerpersönlichkeit. Das Persönlichkeitsparadigma untersucht insbesondere die Interaktion zwischen Lehrer und Schülern. Im Prozess-Produkt-Paradigma gelten Schülerleistungen als primärer Indikator für den Erfolg der Arbeit des Lehrers, denn gleiche Unterrichtsbeding. führen zu immer gleichen Ergebnissen. Im Rahmen des Prozess-Produkt-Paradigmas versucht man, die Wirkungen einzelner Verhaltensmuster u. Fertigkeiten der Lehrenden auf wesentliche Aspekte d. Schülerverhaltens zu analysieren. Beim Expertenparadigma wird der Blick ausschließlich auf das handlungsleitende Wissen und Kön nen des Lehrers gerichtet. Das Expertenparadigma folgt der Einsicht, dass dem Handeln erfolgreicher Lehrer professionseigenes Wissen zugrunde liegt. Nur das Expertenparadigma geht von der Trainierbarkeit positiven Lehrerverhaltens aus. 4.3.5 Distinktions-/Diskriminationsaufgaben Eine Aufgabe der Art Distinktionsaufgabe – oft auch Diskriminationsaufgabe genannt – bezieht sich im Wesentlichen auf Begriffslernen. Differenziert wird danach, • • • 32 ob die Unterscheidung über eine unbestimmte Limitation des Begriffes erfolgt. Man grenzt den Gegenstand dann von seinem Kontext und von anderen (materiellen oder symbolischen) Gegenständen durch unbestimmte Negation ab, d. h. ohne seine bestimmenden Merkmale zu nennen. Beispiel: Die Seele ist nichts Materielles; ob die Unterscheidung über eine bestimmte Negation des Begriffes erfolgt. Hier untersucht man die Eigenschaften (Merkmale) der Gegenstände, anhand derer sie identifiziert und von ähnlichen, aber andersartigen Gegenständen abgegrenzt werden. Die natürlichen Zahlen (die Null und die positiven ganzen Zahlen) sind nicht die negativen ganzen Zahlen (die nicht-negativen Zahlen); ob die Unterscheidung über die explizite Bestimmung des Begriffs erfolgt. Die explizite Bestimmung kann erfolgen o durch die Angabe des Begriffsumfangs, indem die Gegenstände benannt und aufgezählt werden, die unter den Begriff fallen, und o durch die Angabe des Begriffsinhalts, indem die Merkmale des Begriffs, das sind die gemeinsamen Eigenschaften der Gegenstände, die unter ihn fallen, aufgelistet werden. Die Distinktionsaufgabe wird hier nur der angestrebten Vollständigkeit halber aufgeführt. Dem Format nach kann sie in den bisher beschrieben Formen gestellt werden. Gesonderte Erwähnung findet sie hier auch des- Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft halb, weil sie Begriffsverständnis abprüft, was für wissenschaftliches Wissen zentral ist. Alle hier in einer Typenhierarchie angeordneten Aufgaben lassen sich ins Internet stellen und auch weitgehend automatisch auswerten. Ausgenommen von einer automatischen Auswertung sind die Kurzantwort- und die ExposéAufgabe. In diesen beiden Fällen muss die versuchte Aufgabenlösung von einem Tutor oder Korrektor beurteilt werden. 4.4 Die automatisierte Auswertung von Klausuren Die meisten Internet-Lernplattformen unterstützen die Konstruktion von Aufgaben. Sie unterscheiden sich darin, welche und wie viele Aufgabenformate man nutzen und wie bedienerfreundlich man Aufgaben anlegen kann. Das ist wichtig, weil es beim Aufbau einer Klausur auf die Variation und die Vielfalt der Aufgaben ankommt. Denn die verschiedenen Aufgabenformate verlangen auch verschiedene kognitive Operationen, wie weiter oben gezeigt wurde. Aber noch wichtiger als dies ist die Auswertung der Aufgaben und der Klausur. Hier gibt es gravierende Unterschiede bei den in Frage kommenden Softwarepaketen. Das fängt bei der Speicherung der Eingabe der Studierenden an: Werden beispielsweise Aufgaben nur zum Selbsttest unterstützt, dann bleibt häufig eine dauerhafte Speicherung aus. Man kann dann zwar eine Aufgabe wiederholen, aber nicht mehr auf frühere Ergebnisse zurückgreifen. Bei Lernaufgaben verzichtet man manchmal darauf, die Lösungen auf dem Server zu speichern, sondern speichert nur auf dem lokalen Rechner. Das scheint in diesem Fall zu genügen, hat aber Nachteile: Man kommt nicht von jedem Rechner aus an seine Lösungen. Das schränkt gerade studentisches Arbeiten erheblich ein. Für den Klausurbetrieb ist die sofortige Speicherung auf einem Server unerlässlich. Wenn beispielsweise der lokale Arbeitsrechner eines Klausurteilnehmers abstürzt, dann darf nichts verloren sein, und der Teilnehmer muss an einem anderen Rechner sofort weitermachen können. Das zeigt zugleich ein anderes praktisches Problem: Klausurräume müssen immer für einen solchen Fall auch mit Reserve-Rechnern ausgestattet sein. Am meisten muss man bei der Wahl einer Klausursoftware darauf achten, was sie mit Bezug auf die Auswertung leistet, denn in solchen Leistungen liegt die Unterstützung der Arbeit des Hochschullehrers begründet. Auf der Basis langjähriger praktischer Erfahrungen ist es unerlässlich, dass ausnahmslos immer die Möglichkeit der Nachkorrektur einer Klausur durch den Veranstalter, als von Hand, gegeben sein muss. Dies schließt eine Änderung der automatisch vergebenen Punkte ein. Das scheint trivial, wird aber nicht 33 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski immer unterstützt. Eine weitere Forderung besteht darin, die Bepunktung nachträglich ändern zu können. Zeigt sich beispielsweise, dass eine Aufgabe zu schwer oder schlecht gestellt war, dann muss man sie aus der Bewertung herausnehmen oder ihren Punktwert – und damit ihr Gewicht – verringern können. Die endgültig korrigierte und bewertete Klausur eines Teilnehmers muss in einem vernünftigen, Papier sparenden Format auszudrucken sein – sei es zur Archivierung oder zur Einsicht für den Studierenden. Das gilt auch für die Punktlisten, die der Hochschullehrer als Übersichten braucht. 6. Konsequenzen für die Personalstruktur Weiter oben ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich aus den neuen, modularisierten Studienstrukturen Konsequenzen für die Personalausstattung der Erziehungswissenschaft ergeben. Die gegenüber der traditionellen Praxis sehr deutlich gestiegene Lehrnachfrage sowie der um ein Vielfaches gestiegene Prüfungs- und Zertifizierungsaufwand kann – will man nicht das gesamte Studium in Form von Vorlesungen und standardisierten Abschlussklausuren gestalten – letztlich nur zu folgenden Reaktionen führen: Verstärkung und/oder Umstrukturierung des Personals oder aber Absenkung der Studierendenzahlen. • Die Absenkungsstrategie ist zum einen bei den der Disziplin genuin zugeordneten Studiengängen möglich (Erziehungswissenschaft im Einoder Zwei-Fach-Bachelor, Masterstudiengang Erziehungswissenschaft, spezielle Weiterbildungsstudiengänge, Promotionsstudien). Eine Absenkung der Studierendenzahl ist zum anderen im Bereich der von der Disziplin Erziehungswissenschaft zu erbringenden Anteile innerhalb der erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Studien in den zum Lehramt führenden Bachelor- und Masterstudiengängen möglich. Hier muss es das Ziel sein, die Kapazität der an den erziehungs- und bildungswissenschaftlichen Studien beteiligten Disziplinen bzw. Disziplin-Anteilen11 zur Stellgröße für den Zufluss von Studierenden in die Lehrer-Master zu machen; diese Kapazität liefert zugleich eine ungefähre Größe für die Zahl der Zulassungen zum (voraus liegenden) Zwei-Fach-Bachelor. Die Kapazitätsfrage in den Lehrer-Mastern wird man allerdings faktisch nicht 11 Nicht die gesamte Erziehungswissenschaft kann hier verrechnet werden, ebenso nur Teile der Pädagogischen Psychologie, Bildungssoziologie, Politologie und Philosophie. Die letztgenannten Fächer sind in vielen Bundesländern in unterschiedlicher Quantität und unterschiedlichem Verpflichtungsgrad am erziehungswissenschaftlichen Studium innerhalb von Lehramtsstudiengängen beteiligt. 34 Standardisierte Prüfungsverfahren in der Erziehungswissenschaft • ohne Blick auf den aktuellen und zukünftigen Bedarf an ausgebildeten Lehrkräften erörtern können; hier sind landesweite Absprachen zwischen den beteiligten Ministerien und den Hochschulen zu treffen, wobei eine verlässliche Aufgabenverteilung angestrebt werden sollte (vgl. Zielvereinbarungen). Bei der Festlegung der Kapazitäten (in der Lehre, für die Zulassungszahlen) muss die je ortsspezifische Verteilung der Schwerpunkte der Lehrenden berücksichtigt werden. Es ist nicht möglich, pauschal und normativ-planerisch eine Aufteilung auf lehramtsbezogen vs. hauptfachbezogen vorzunehmen: dies hängt von den real vertretenen Forschungs- und Lehrschwerpunkten der Lehrenden ab. Die Strategie einer Erweiterung und/oder Umstrukturierung des Personals mit Blick auf die Lehr- und Prüfungssituation kann bedeuten, dass zusätzliches, besonders lehrintensives Personal eingestellt wird (abgeordnete Lehrkräfte, Lehrkräfte für besondere Aufgaben, spezielle LehrProfessuren etc.). Diese Strategie wird der Erziehungswissenschaft, auch den Fachdidaktiken, von vielen Universitätsleitungen empfohlen. Begleitet wird diese Form der Ausweitung des Personals von dringenden Umstrukturierungsempfehlungen: Umwandlung von Stellen mit weniger Lehrdeputat in solche mit höheren Lehrdeputaten – möglichst allerdings in solche Stellen, die zeitlich befristet besetzt werden, damit kurzfristig auf Bedarfsveränderungen reagiert werden kann. Die Besetzung lehrintensiver Stellen auf Zeit, wobei nicht selten noch Aufgaben der wissenschaftlichen Selbstqualifizierung zusätzlich definiert werden, ist jedoch faktisch nur sehr schwer möglich. Im Bereich der schul- und unterrichtsbezogenen Lehre sind qualifizierte Personen aus dem Schulbereich unter diesen Bedingungen sowie insbesondere angesichts der aktuellen Besoldung von Mitarbeitern nicht zu gewinnen. Außerdem wird durch die Ausweitung des faktisch nur noch lehrenden Personals der Zusammenhang von Lehre und Forschung zunehmend gelöst. Für die Qualität der Lehre und für die Disziplin insgesamt hätte dies fatale Folgen. Die Trennung der Personals in Lehrpersonal einerseits und Forschungspersonal andererseits sowie die Spezialisierung von Universitäten in Richtung auf berufsorientierte Ausbildungsgänge einerseits und forschungsintensive Spezialinstitutionen mit reinem Forschungsprofil und hohem Rekrutierungsfaktor für wissenschaftlichen Nachwuchs andererseits wäre die langfristige Folge einer solchen Transformation der Erziehungswissenschaft. Für eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung inklusive einer entsprechenden, die Studien kontinuierlich begleitenden Prüfungspraxis ist die Fundierung durch wissenschaftliche Forschung innerhalb des in der Lehre vertretenen Sachbereichs unabdingbar. Aus diesem Grunde sind der Umstrukturie35 Ewald Terhart, Franzjörg Baumgart, Norbert Meder, Gaja von Sychowski rung und vollständigen funktionellen Teilung des Personals (hier ausschließlich Lehrende, dort ausschließlich Forschende) Grenzen gesetzt. Unabhängig von dieser Frage können und sollten jedoch diejenigen Elemente der Prüfungspraxis, die zu standardisieren sind, angesichts der gegebenen Umstände gleichwohl realisiert werden. Auf diese Weise können Zeit- und sonstige Ressourcen geschont werden, und zwar bei Aufrechterhaltung des inhaltlichen Prüfungsniveaus. Aber trotz Einsatz solcher Formen wird zusätzlicher Personalbedarf bestehen bleiben. Ob dieser zusätzliche Bedarf durch Zuwächse gedeckt wird, ob die Studierendenzahl gesenkt wird, ob der Weg in die Umstrukturierung und Teilung des Personals im oben angesprochenen Sinne verordnet wird, ob am Ende eine Mischung aus allen diesen Elementen zustande kommt – dies alles hängt von dem faktischen Einfluss der Erziehungswissenschaft innerhalb des universitären Verteilungsgeschehens ab und natürlich auch davon, welches Potenzial die Universität der Erziehungswissenschaft in ihrer sachlich nicht zu teilenden Verantwortung für die Weiterentwicklung der eigenen Disziplin und für die Ausbildung zu pädagogischen Berufen zuzubilligen bereit ist. 36 Bericht über das vom DGfE-Vorstand veranstaltete Roundtable-Gespräch ‚Digitales Publizieren und neues Urheberrecht‘ am 24. Oktober 2008 in Berlin Hans-Christoph Koller Von eigenen Aufsätzen, die auf der individuellen Homepage öffentlich zugänglich gemacht werden, über Online-Zeitschriften bis zum E-Book gewinnen digitale Publikationen auch in der Erziehungswissenschaft zunehmend an Bedeutung. Viele ErziehungswissenschaftlerInnen nutzen solche neuen Veröffentlichungsformen als Leser und/ oder als Autoren, sind aber auch verunsichert durch eine Fülle an Fragen, die durch das digitale Publizieren u. a. in rechtlicher, ökonomischer, inhaltlicher und technischer Hinsicht aufgeworfen werden. Die jüngste Novellierung des Urheberrechtsgesetzes hat diese Verunsicherung keineswegs beseitigt, sondern eher noch verschärft. Vor diesem Hintergrund hatte der Vorstand der DGfE beschlossen, ein Expertengespräch zum Thema Digitales Publizieren und neues Urheberrecht zu veranstalten, das am 24. Oktober 2008 an der Freien Universität Berlin stattfand. Die Veranstaltung verfolgte die Absicht, einen Prozess der Meinungsbildung innerhalb der DGfE sowie des Austauschs zwischen den unterschiedlichen am Publikationsgeschehen beteiligten Akteuren zu eröffnen. Zu den ca. 30 TeilnehmerInnen des Gesprächs gehörten, neben dem Vorstand und den Sektionsvorsitzenden der DGfE, VertreterInnen von erziehungswissenschaftlichen Fachverlagen, Zeitschriftenredaktionen, Universitätsbibliotheken, der DFG, des DIPF, des Aktionsbündnisses Urheberrecht sowie des Forschungsprojekts EERQUI (European Educational Research Quality Indicators). Die als Roundtable-Gespräch angekündigte Veranstaltung wurde durch Kurzvorträge bzw. Statements von Doris Bambey (DIPF), Barbara Budrich (BudrichVerlag) und Andreas Klinkhardt (Klinkhardt-Verlag), Christiane Engel-Haas (Juventa-Verlag), Johannes Fournier (DFG), Reinald Klockenbusch (VSVerlag), Friedrich Rost (Redaktion ZfE) und Thomas Severiens (Aktionsbündnis Urheberrecht) eingeleitet; diese Beiträge sind mit einer Ausnahme in diesem Heft abgedruckt, dazu kommt der von Axel Halle (Universitätsbibliothek Kassel). Die anschließende Diskussion konzentrierte sich vor allem auf drei Fragenkomplexe: (1) die absehbaren bzw. zu erwartenden Veränderungen des 37 Hans-Christoph Koller wissenschaftlichen Publizierens, (2) die Besonderheiten, die dabei im Blick auf die Erziehungswissenschaft als spezifische scientific community zu berücksichtigen sind, und (3) die Aufgaben, die auf die verschiedenen Akteure wie Verlage, Bibliotheken, WissenschaftlerInnen, Fachgesellschaft etc. zukommen. (1) Im Blick auf die Veränderungen der Publikationspraktiken, auf die sich WissenschaftlerInnen, Verlage und andere Akteure einstellen müssen, wurde in der Diskussion eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen, auf die zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch keine gesicherten Antworten möglich sind. So wurde etwa gefragt, ob bei Zeitschriften, Handbüchern und Lexika weiterhin mit Printversionen zu rechnen sei oder ob in absehbarer Zeit nur noch digitale Publikationen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhang wiesen VerlagsvertreterInnen darauf hin, dass Zeitschriften für Verlage nicht nur von wirtschaftlichem, sondern auch von programmatischem Interesse seien und dass es ausschließlich digitale Publikationen bei Verlagen kaum geben werde, wohl aber Mischformen wie z.B. eine vom Juventa-Verlag geplante Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online oder Onlinedienste von Zeitschriften. Auch die Umsätze sprechen offenbar bislang nicht für eine Verdrängung der klassischen Printversionen; so sei etwa im VS-Verlag trotz der eBookInitiative kein Rückgang der Verkaufszahlen im Bezug auf Lehrbücher zu verzeichnen, und die Umsätze des Verlags im Bereich digitaler Publikationen beliefen sich in Deutschland bisher nur auf ca. 6%. Weitgehende Einigkeit bestand allerdings darüber, dass der gegenwärtige Stand der Dinge erst den Anfang einer Entwicklung darstellt, die als unumkehrbar gelten muss und noch eine Fülle von Veränderungen mit sich bringen wird. Weitgehend offen blieb auch die finanzielle Seite der neuen Publikationsformen, d. h. vor allem die Frage, wer die ja auch beim digitalen Publizieren entstehenden Kosten künftig bezahlen wird: die Autoren (wie es bei naturwissenschaftlichen Online-Zeitschriften bereits üblich ist), öffentliche Institutionen (wie z.B. Universitätsbibliotheken, die OnlineZeitschriften und eBook-Programme von Verlagen abonnieren, bzw. Open Access-Repositorien, die Veröffentlichungen kostenlos online bereitstellen) oder die Leser – und was Letzteres etwa im Blick auf den begrenzten Etat von Studierenden bedeuten würde. (2) Als Besonderheit der Erziehungswissenschaft, die im Zusammenhang mit den neuen Publikationsformen zu berücksichtigen wäre, wurde in der Diskussion hervorgehoben, dass es sich bei dieser Disziplin mit ca. 5.000 bis 6.000 WissenschaftlerInnen um eine große scientific community handelt, die zugleich ein bedeutendes Ausbildungsfach darstellt und deshalb einen enormen Bedarf an Lehrbüchern hat (bzw. an Texten, die in der 38 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht Lehre eingesetzt werden können). Außerdem kann als Spezifikum der Erziehungswissenschaft gelten, dass dieses Fach in hohem Maße Orientierungs- und Ausbildungsfunktion für pädagogische Professionen besitzt und deshalb viele Publikationen aufweist, die sich sowohl an die Disziplin (also an WissenschaftlerInnen) als auch an die Profession (d. h. an PraktikerInnen) richten. Schließlich wurde betont, dass sich die Erziehungswissenschaft durch eine ausdifferenzierte Verlagslandschaft mit relativ vielen kleineren und mittleren Verlagen auszeichne, deren Gewinnmargen anders als bei naturwissenschaftlichen Verlagen nicht bei 30%, sondern maximal bei 5% lägen. (3) Als bedeutsames Ergebnis des Gesprächs ist eine erste Verständigung über die Frage anzusehen, welche Aufgaben auf die unterschiedlichen beteiligten Akteure im Kontext digitalen Publizierens zukommen. Als wichtigste der gemeinsam von WissenschaftlerInnen und Verlagen zu lösenden Aufgaben schälte sich dabei vor allem die Gewährleistung der Qualität erziehungswissenschaftlicher Publikationen heraus. So wurde u. a. vorgeschlagen, konsensfähige Qualitätskriterien zu entwickeln (u. a. in Bezug auf Zitationsstandards und die Aufarbeitung des Forschungsstands, aber z. B. auch im Blick auf didaktische Qualität von Lehrbüchern). Darüber hinaus verwiesen einige DiskussionsteilnehmerInnen darauf, dass die wachsende Fülle digitaler Publikationen die Entwicklung intelligenter Recherche-Möglichkeiten sowie die Sicherstellung der langfristigen Identifizierbarkeit und Zugänglichkeit digitaler Publikationen nötig mache, was beides nur in Kooperation von Verlagen, Bibliotheken und anderen Einrichtungen erfolgen könne. Schließlich wurde angeregt, Verlage und DGfE sollten gemeinsame Spielregeln für das digitale Publizieren aushandeln, in denen nicht nur die jeweiligen ökonomischen Interessen, sondern auch die Gesichtspunkte der Qualitätskontrolle und der langfristigen Zugriffssicherung Berücksichtigung finden. Zu den Erwartungen, die ErziehungswissenschaftlerInnen an die Verlage richteten, gehöre die Absicherung der Kommunikation mit den Lesern, aber auch das Engagement für Qualitätsstandards und die langfristige Verfügbarkeit digitaler Publikationen (was beides nicht allein an die Bibliotheken delegiert werden dürfe). Dabei wurden Zweifel laut, ob der Anteil der Verlage an der Sicherstellung der Qualität wissenschaftlicher Publikationen wirklich so hoch einzuschätzen sei, wie dies von den VerlagsvertreterInnen behauptet wurde, da Lektorat und Typoskripterstellung zunehmend von den Autoren selbst übernommen würden. Die TeilnehmerInnen äußerten schließlich auch Erwartungen an die DGfE als Fachgesellschaft im Blick auf die weitere Entwicklung des Publikationswesens. Als Aufgabe der Fachgesellschaft wurde zunächst 39 Hans-Christoph Koller vor allem die Information der Mitglieder und insbesondere des wissenschaftlichen Nachwuchses über die rechtliche Situation angesehen, was auch die Erläuterung der Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes in einer für juristische Laien verständlichen Form einschließe. Angesichts der wachsenden Bedeutung der Qualitätskontrolle und des Peer Review wurden darüber hinaus Fortbildungsangebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs im Blick auf das Schreiben von Rezensionen und Gutachten angeregt. Schließlich forderten mehrere TeilnehmerInnen die DGfE dazu auf, die begonnene Diskussion durch weitere Veranstaltungen dieser Art bzw. die Einrichtung eines Online-Forums fortzuführen. Als ein erster Schritt in diese Richtung ist die nachstehende Dokumentation der Kurzvorträge und Statements zu verstehen, um welche die TeilnehmerInnen des Roundtables gebeten worden waren. Eine Fortsetzung der damit begonnenen Debatte ist ausdrücklich erwünscht! 40 Open-Access-Repositorien als Innovationsfaktoren für einen effizienteren wissenschaftlichen Austausch Doris Bambey Warum Open-Access-Repositorien? Open-Access-Repositorien als neue Publikationsplattformen für die Wissenschaft fördern den uneingeschränkten Zugang zu relevanten Ressourcen des Faches. So entstehen direkt und kostenlos nutzbare Volltextsammlungen, die das verlegerische Angebot unter dem Aspekt des Open-Access-Zugangs ergänzen und ausweiten. Repositorien bilden somit – neben den herkömmlichen Verlagsaktivitäten – einen neuen Baustein des wissenschaftlichen Austauschs von Forschungsergebnissen. Die Inhalte dieser Volltextsammlungen basieren in ihrem qualitativen Kern auf der kostenfreien Zweitveröffentlichung von Zeitschriftenaufsätzen (idealerweise nach dem Peer-Review-Prozess), vergriffenen Werken und Retrodigitalisaten, aber auch auf so genannten grauen Materialien (etwa Gutachten, Projektergebnissen), Preprints (von bei Verlagen eingereichten Texten) sowie Erstveröffentlichungen. Auch Forschungsdaten (Statistiken, audiovisuelle Materialien usw.) gehören in ein solches Konzept der umfassenden, objektübergreifenden Informationsversorgung unter dem Vorzeichen von Open Access und Open Data. Adressen wie das von der DFG geförderte erziehungswissenschaftliche Repositorium pedocs (www.pedocs.de) verstehen sich hierbei als Garanten für eine professionelle und qualitätsorientierte Verarbeitung und Vernetzung dieser Ressourcen sowie deren Langzeitsicherung. Umgang mit Heterogenitität von Inhalten Repositorien bündeln ein breites Spektrum an unterschiedlichen Textsorten und Medienarten auf verschiedenen Begutachtungs- und Aktualitätsniveaus. Diese Breite des Inhaltsspektrums spiegelt sowohl die tatsächliche Produktivitätsbreite eines Faches wider als auch die sehr unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Fachwissenschaft. Eine unabdingbare Anforderung ist es, angesichts dieser Vielschichtigkeit und Heterogenität der Inhalte, Unübersichtlichkeit und Beliebigkeit zu vermeiden. Vielmehr sollten eine kriteriengeleitete Auswahl des Materials bzw. verschiedene Sichten darauf ermöglicht 41 Doris Bambey werden. Dazu gehört für den wissenschaftlichen Nutzer etwa auch, innerhalb eines solchen Wissensspeichers wahlweise gezielt nur auf qualitativ (peer-)geprüfte Inhalte zugreifen zu können. Ein systematischer Umgang mit der vorhandenen Heterogenität des Publikationsaufkommens seines Faches kann dann gelingen, wenn wissenschaftsrelevante Indikatoren – wie etwa Begutachtungsniveau, Aktualität, Medientyp – ausgewiesen sind und in Form eines Filters bei der Suche und Weiterverwertung von Gefundenem zur Verfügung stehen. So kann eine individuelle Auswahl von Inhalten nach dem je eigenen – durchaus auch situations- und fallspezifischen – Bedarfs- und Interessenprofil erfolgen. Rolle der Open-Access-Repositorien in einem sich neu justierenden Publikationsgefüge Fachliche Repositorien wie pedocs erzielen darüber, dass sie in hochfrequentierte Portale der erziehungswissenschaftlichen Forschung und Praxis eingebunden sind (hier in das Fachportal Pädagogik im Verbund mit dem Deutschen Bildungsserver), eine Reichweite und fachliche Gesamtschau, die Verlage auf Grund ihres wirtschaftlichen Einzelinteresses nicht erzielen können. Hierfür sprechen etwa Zugriffszahlen von monatlich 250.000 Besuchen, die das Fachportal Pädagogik verzeichnet. Erziehungswissenschaftler können von dieser hohen Frequentierung und dem fachlichen Referenzrahmen profitieren und ihre Sichtbarkeit erhöhen, indem sie etwa eine Open-AccessZweitveröffentlichung von Zeitschriftenaufsätzen nach Ablauf des exklusiven verlegerischen Verwertungsrechtes in pedocs vornehmen. Aber auch für Verlage sind Repositorien wie pedocs durchaus eine – auch aus betriebswirtschaftlicher und marketingstrategischer Sicht – interessante Option. Mit der Freigabe von Verlagsinhalten für die Öffentlichkeit – nach einem zu verhandelnden time-shift – können solche offenen Angebotssegmente das Kerngeschäft der laufenden Verlagspublikationen durchaus beleben helfen. Einen kooperativen Ansatz von Open Access mit den Beteiligten umsetzen Grundlage einer tragfähigen Open-Access-Strategie sollte sein, dass die Akteure eine für alle Beteiligten nutzbringende Koexistenz suchen. Das Ziel eines koordinierten Vorgehens müsste darin bestehen, dass sich zum einen der Open-Access-Ansatz für die öffentlich finanzierte Forschung in Form einer definierten verlegerischen Strategie (Open Access-Policy) etabliert, andererseits jedoch auch Raum bleibt für die Refinanzierung der Verlage. Die Etablierung einer open-access-freundlichen Verlagspolitik beginnt ggf. be42 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht reits bei der Modifikation von Verlagsverträgen, da Ausschließlichkeitsklauseln, die etwa über die Regelungen des Urheberrechtes hinausgehen, nicht der Open-Access-Idee entsprechen. Namhafte Verlage im Feld der Erziehungswissenschaft öffnen sich mittlerweile den Herausforderungen des OpenAccess-Verbreitungsmodells und sind zu einem Austausch über kooperative Umsetzungsmodelle bereit. Reaktionen der Verlage auf eine von pedocs initiierte erste gemeinsame Veranstaltung ‚Open Access für die Erziehungswissenschaft‘ auf der Frankfurter Buchmesse 2008 belegen eine solche Tendenz. Die Frage, was unter Open Access zu verstehen ist und wo die Grenzlinie zwischen Public Relations für die Verlage einerseits und substanziellen Inhalten für die Allgemeinheit andererseits zu ziehen ist, muss diskutiert werden. Ein Beispiel für einen solchen Grenzbereich stellt etwa das Modell GoogleScholar dar. Verleger sehen einen starken Vorteil dieses Angebotes darin, dass u. a. kostenfrei Teile von Aufsätzen aus Fachzeitschriften und Monographien als Vorschau angezeigt werden. Dieses Modell entspricht jedoch nicht der Berliner Erklärung zu Open Access, die die vollständige Verfügbarkeit einzelner Publikationseinheiten fordert, da nur so wissenschaftliches Arbeiten unterstützt werden kann. Dennoch bietet es sich an, das Modell GoogleScholar als zusätzlichen, das eigentliche Open-Access-Angebot ergänzenden Service zu nutzen. Ein Vorschau-Modell mit kostenlosen Textrudimenten à la GoogleScholar ersetzt zwar nicht eine Open-Access-Strategie, kann diese aber flankieren bzw. ergänzen. Vision: Eine zentrale erziehungswissenschaftliche Open-AccessZeitschrift als ein wesentlicher Kulminationspunkt des Faches Die Erziehungswissenschaft verfügt derzeit nicht über eine Open-AccessZeitschrift (so genannte Golden Road des Open Access), der die Ausstrahlungskraft eines Leitorgans für die Disziplin zukäme. Denkt man die dem OpenAccess-Ansatz inhärenten Entwicklungsoptionen konsequent weiter, so stellt sich die Frage nach den Realisierungsmöglichkeiten auch für eine solche Publikationsplattform. Die Initiierung einer allgemein zugänglichen Zeitschrift könnte etwa auch über die Open-Access-Konversion einer bereits vorhandenen Zeitschrift erfolgen. Sinnvoll wäre es, ein solches Vorhaben durch eine Allianz verschiedener Akteure (einschließlich der Wissenschaftsverlage und Fachinformationseinrichtungen) unter Federführung der Fachgesellschaft und auf der Basis eines tragfähigen Rollen- und Geschäftsmodells zu realisieren. Die Autorin ist am Informationszentrum Bildung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main tätig. 43 Digitales Publizieren – die Situation in der Erziehungswissenschaft Barbara Budrich und Andreas Klinkhardt Die vielfältigen Möglichkeiten des digitalen Publizierens eröffnen den Wissenschaften neue Wege der Publikation neben den etablierten Formen des gedruckten Veröffentlichens. Vor- und Nachteile für AutorInnen und NutzerInnen Die neuen Möglichkeiten bieten dem Autor vor allem Kostenersparnis (im Bereich Druck, Buchbinder, Lagerhaltung, Portokosten für Versand etc.), erweiterte Dokumentations- und Kombinationsmöglichkeiten und weltweite, fast verzögerungsfreie und medienübergreifende Verbreitung. Dem Nutzer bieten sie Kostenersparnis beim Erwerb, erweiterte Suchmöglichkeiten, erleichterten Zugang zu Spezialinformationen und weltweiten, fast verzögerungsfreien und tageszeitunabhängigen Zugriff. Es gibt jedoch auch Nachteile bzw. ungelöste Problemfelder. Sie entstehen für den Autor auf folgenden Ebenen: Aufwand, Urheberrechtsfragen, Überangebot, Archivierungsprobleme. Auch digitales Publizieren verursacht dem Autor bzw. den von ihm beauftragten Dritten Kosten z.B. durch Prüfung der Veröffentlichungsreife (peer reviewing, aber auch Lektorat) und Herstellen der Veröffentlichungsreife (inhaltliches und technisches Lektorat), ferner für technischästhetische Aufbereitung (Lesbarkeit, Übersichtlichkeit, Verlinkungen etc.), Servertechnologie, Katalogisierung und Archivierung sowie für gezielte Information der potenziellen Nutzerinnen und Nutzer. Eine Vollkostenrechnung ergibt, dass diese Kosten bei 70-90% der Kosten einer Buchpublikation liegen. Ein weiteres Problem liegt im Überangebot des Netzes. Publizieren im Internet steht jedermann/frau grundsätzlich frei. Unterschiedlichste Daten in Form, Herkunft und Typ stehen gleichwertig nebeneinander. Entsprechend schwierig kann sich eine Suche gestalten. Beispielhaft hierfür sei eine Namensrecherche genannt, die durch die zahlreichen Ergebnislisten von Sportvereinen erschwert wird. Dazu kommen fehlende Anhaltsmöglichkeiten zur Qualität und Art eingestellter Dokumente. Jeder einzelne Text läuft Gefahr, im Rauschen des Netzes unterzugehen – obwohl er theoretisch verfügbar ist. 45 Barbara Budrich, Andreas Klinkhardt Dazu kommt: Bisher konnten Fragen der langfristigen Archivierung noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden. Die Haltbarkeit vieler Datenträger ist endlich, die Kompatibilität von Programmen der Gegenwart zu Programmen bzw. Lesetechniken der Zukunft ist fraglich. Auch für den Nutzer gibt es Problemfelder wie die Abhängigkeit von gelegentlich unzuverlässigen technischen Geräten, Suchprobleme durch Überangebot, Rezeptionsprobleme beim Bildschirmlesen, Lesegebühren, die auflaufen bzw. nicht bei jedem Anbieter auf Anhieb zu erkennen sind. Entwicklungen und besondere Abwege Daneben stehen die etablierten Formen der Publikation in wissenschaftlichen Fachverlagen. Bis vor einigen Jahren waren Verlage die alleinigen Akteure auf dem Markt. Sie trugen alle Kosten der Produktion einschließlich der Autorenhonorare und der Vermarktung. Sie trugen im Prinzip alle Risiken und zielten auf Gewinn. In bestimmten Fällen – wenn die zu erwartenden Umsätze zur Kostendeckung nicht ausreichten – ließen sie sich die Produktion subventionieren, sei es durch die Urheber, sei es durch private Förderer oder den Staat. In vielen Fällen verzichten die Autoren auf Honorar für die Erstauflage, in anderen Fällen handelt es sich nur um Anerkennungshonorare. In den einzelnen Fachwissenschaften entwickelten sich völlig unterschiedliche Verlagsstrukturen. Während einzelne Disziplinen von wenigen Anbietern beherrscht wurden, entwickelte sich in anderen Fächern – unter anderem auch in der Erziehungswissenschaft – eine breite Palette mittlerer und kleiner, häufig inhabergeführter Verlage. Die erstgenannten Oligopolstrukturen führten in einigen Fällen zu für Autoren und Nutzer nicht nachvollziehbaren Preisfestsetzungen – insbesondere im Zeitschriftenbereich –, die die Bibliotheken und damit die Hochschulen in Etatschwierigkeiten brachten. Andererseits: neue Produktionstechniken erleichterten in den letzten Jahren die Gründung von Klein- und Selbstverlagen. Die Kosten der Herstellung insbesondere von Klein- und Kleinstauflagen wurde gesenkt, zugleich entstanden Angebote von Druckereien, die speziell für Selbstverleger zugeschnitten waren. Der Ort der Publikation steht bisher dem Urheber völlig frei. Er kann im Netz an verschiedenen Orten publizieren, er kann aber auch die Zusammenarbeit mit einem Fachverlag suchen – auch eine Veröffentlichung im Selbstverlag ist möglich. Angesichts der Breite der Verlagskonkurrenz wird jedes Manuskript seinen Verlag finden, auch wenn es nicht immer der Wunschverlag und/oder die Wunschkonditionen sind. Bei der Zusammenarbeit mit einem Fachverlag überträgt der Autor seine Urheberrechte in genau begrenztem Umfang (bei wissenschaftlichen Texten in der Regel Druck- und digitale 46 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht Reproduktionsrechte) an einen Verlag. Dazu kommen die Lizenzrechte für Publikationen an dritten Orten (z.B. Ausland, Buchgesellschaften, Taschenbuch). An Einnahmen hieraus wird er vom Verlag nach vorher festgesetzten Schlüsseln beteiligt. So können vor allem die Autoren und Herausgeber der oben genannten Zeitschriften mit überhöhten Preisen auf die Verlage auch bei der Konditionengestaltung einwirken. Die freie Wahl des Publikationsortes ist ein zentrales Recht der Urheber – geschützt durch internationale Urheberrechtskonventionen ebenso wie durch den grundgesetzlich verankerten Anspruch auf Freiheit der Wissenschaft. Die Wahl des Publikationsortes z.B. einer Dissertation kann für den Autor/die Autorin zentrales Element der Karriereplanung sein. Zu Recht sind daher die Bemühungen, eine Pflicht der Autoren zur Publikation auf Open Access-Plattformen gesetzlich zu verankern, gescheitert. Ein gesetzlicher Regelungsbedarf ist in diesem Binnenverhältnis nicht erkennbar. Der Nutzer, der einen bestimmten Text lesen bzw. erwerben möchte, sieht sich nicht in dieser vergleichsweise komfortablen Situation. Er muss den Preis des Anbieters – der für den jeweiligen Text Monopolist ist – akzeptieren. Dennoch sind die Marktgesetze nur scheinbar ausgehebelt. Überhöhte Preise drücken letztlich immer die Nachfrage (Bücher werden z.B. dann ausgeliehen, nicht gekauft). Verlage, die in einem funktionierenden Konkurrenzumfeld agieren, verlieren dann zuerst Umsätze, später Autoren, zuletzt ihre Geschäftsgrundlage. Die Preisgestaltungen für Verlagserzeugnisse in der Erziehungswissenschaft belegen diesen Mechanismus eindrücklich. Preisentwicklungen in anderen Bereichen können daher kaum Grundlage einer fairen Diskussion in der Erziehungswissenschaft sein. Insgesamt ist kaum in Zweifel zu ziehen, dass Urheberrechte Güter sind. Die Erstellung z.B. von Texten verbraucht Zeit, Recherchekosten und andere Ressourcen. Die Verlage bekommen die Urheberrechte nicht gegenleistungsfrei übertragen. Sie müssen die Bücher im Lektorat, später redaktionell und im Druck betreuen. Werbung und Vertrieb verursachen in der Regel deutlich höhere Kosten als die eigentliche Drucklegung. Häufig sind die Verlage über Redaktionen und Lektorate bis hin zur Buchidee auch inhaltlich an der Entstehung eines Bandes beteiligt. Da die Dienstleistung weit über die Buchherstellung hinausgeht, benötigen sie auch Schutzrechte, die über das Produkt Buch hinausgehen. Es kann nicht fair sein, wenn Verlage aufwändige Betreuungsarbeiten in Lektorat und Werbung leisten, die dann einer Open Access-Quelle zu Gute kommen. Auch der Staat, der die Forschung bereits gefördert hat, erhält durch die Buchproduktion einen echten Mehrwert. Die Göttinger Erklärung zum Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft vom 5. Juli 2004 wendet sich dennoch gegen diesen behaupteten Monopolcharakter. Sie fordert plakativ, alles müsse allen verfügbar gemacht 47 Barbara Budrich, Andreas Klinkhardt werden. Der Gesetzgeber dürfe die Rechte der (bisherigen) Verwerter (Verlage) nicht länger so schützen wie bisher. Eine Lesart derartiger Bestrebungen ist, dass Ergebnisse öffentlich geförderter Forschung kostenfrei (open access) verfügbar gemacht werden müssen. Da Verlage nicht kostenfrei liefern können, fallen sie also als Distributoren solcher Forschungsergebnisse weg. Doch Produktion, auch digitale, verursacht Kosten. Wer also die Forderungen nach Open Access-Veröffentlichungen auf diese Weise verabsolutiert, wirft die Verlage aus dem Spiel und überträgt alle entstehenden Kosten auf die öffentliche Hand. Während also die Verlage die entstehenden Kosten über den Markt refinanzieren (und dabei auch die benötigten Arbeitsplätze unterhalten), bleiben diese Kosten in voller Höhe beim Staat – sie fallen nicht weg, sondern werden durch bestehende Stellen oder neu zu besetzende mitgetragen. Das kann nicht sinnvoll sein. Resumée: Eine Verkehrsordnung zwischen Verlagen und Fachgesellschaften Wenn man die Verlage allein produzieren und verbreiten lässt, drohen im schlimmsten Falle die Benachteiligung der AutorInnen sowie Preiswillkür – in den Naturwissenschaften hat sich dies zu Beginn der Digitalisierung der Zeitschriftenlandschaft gezeigt und einen ruinösen Wettbewerb eingeläutet. Die Veröffentlichung von Beiträgen in einschlägigen und teuren Fachzeitschriften müssen AutorInnen nun auch noch teuer bezahlen. Ob derartige Auswüchse so in den Sozialwissenschaften und in der Erziehungswissenschaft denkbar sind, sei dahingestellt. Den Wunsch, derartige Entwicklungen von vornherein zu vermeiden, teilen viele Verlage. Ein Zwang zum Open Access z.B. durch das Zweitverwertungsrecht kann keine Lösung sein: Wenn Produktion und Distribution an den Staat gehen (also an Institutionen, Bibliotheken und Fachinformationszentren), entstehen dort irreversible Strukturen mit wachsenden, aber nicht refinanzierbaren Kosten, wobei keinerlei Konkurrenz eine Qualitätskontrolle ausübt. Beide Modelle – Verlage bzw. Open Access in Reinform – scheinen also weder attraktiv noch sinnvoll für Autoren, Leser und die meisten Verlage. Einschlägige wissenschaftliche Fachverlage möchten mit der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft eine Übereinkunft ausarbeiten, die den Interessen von AutorInnen und NutzerInnen – wie auch von Verlagen – gleichermaßen dient. Aus Sicht der Verlage sollten bei der Verkehrsordnung folgende Punkte besonders berücksichtigt werden: sorgfältige Information über die Möglichkeiten und Auswirkungen des aktuellen Urheberrechts (z.B. die Möglichkeit, Rechte an Zeitschriften- und Sammelbandaufsätzen dann nach zwölf Monaten vom Verlag einzufordern, wenn nichts anderes verein48 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht bart ist); intensive Beratung über die jeweils spezifischen Möglichkeiten der digitalen Verwertung einzelner Publikationen (Open Access, kostengünstiger Zugang, spezielle Möglichkeiten für DGfE-Mitglieder, welche Agenturen eignen sich zur Veröffentlichung welcher Dokumententypen); Kooperation mit Blick auf Qualitätssicherung; Etablierung einer Clearingstelle, die im Streitfall Empfehlungen aussprechen kann; Vorlage von Preisgestaltungen, die von DGfE und Verlagen als fair empfunden werden. Die Autorin leitet den Verlag Barbara Budrich (Leverkusen Opladen), der Autor leitet den Verlag Julius Klinkhardt (Bad Heilbrunn). 49 Digitales Publizieren in der Erziehungswissenschaft – Konsequenzen und Perspektiven aus Verlagssicht Christiane Engel-Haas Einführung Die rasante Entwicklung der Informationstechnologie hat die technischen Voraussetzungen geschaffen, Informationen, Daten und Texte rasch, einfach und weltweit zu verbreiten. Das Medium Internet bietet die Möglichkeit, Texte und Informationen jeglicher Art niedrigschwellig und ohne Zeitverzögerung einem weltweiten Leserkreis zugänglich zu machen. Es befördert nicht nur den Austausch über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg, sondern ist unverzichtbarer Bestandteil wissenschaftlichen Arbeitens geworden. Hochschulen, Forschungseinrichtungen und die wissenschaftlichen Fachgesellschaften haben darauf reagiert: Neben Portalen für hochschulinterne Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit, E-Learning, Bibliotheks- und Datenbanksystemen gibt es zahlreiche Initiativen zur Präsentation von Forschungsergebnissen und wissenschaftlichen Volltexten im Internet. Die kurzfristigen Vorzüge liegen auf der Hand und sollen an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden. Digitale Volltextpublikationen stellen zugleich bisherige Grundsätze wissenschaftlichen Publizierens in Frage und werfen für Wissenschaft und Verlagswesen essentielle Fragen auf. Die darin implizierten mittel- und langfristigen Konsequenzen sind bislang noch nicht hinreichend berücksichtigt worden. Im Folgenden will ich versuchen, diese aus der Perspektive eines erziehungswissenschaftlichen Fachverlags mit programmatischem Anspruch zu skizzieren. Rechtlicher Rahmen für Publikationen Der rechtliche Rahmen für die Publikation, d. h. die Veröffentlichung und öffentliche Verbreitung von Texten ist im Urheberrecht sowie ergänzend im Verlags- und Publikationsrecht geregelt. Urheber ist derjenige, der die geistige Leistung erbracht hat. Die unmissverständliche Kennzeichnung der Urheberschaft ist für Publikationen unabdingbar und bildet den Kern wissenschaftlichen Publizierens. Das Urheberrecht ist grundsätzlich nicht übertragbar. Übertragbar sind hingegen die Publikations- und Nutzungsrechte an Tex- 51 Christiane Engel-Haas ten – das sog. Copyright. Nationales und internationales Urheberrecht sichern dem Urheber grundsätzlich die Wahl, frei darüber zu entscheiden, ob und wem er die Nutzungs- und Verwertungsrechte an seinen Texten überträgt. Um die nicht unerheblichen Investitionsleistungen von Verlagen abzusichern und zugleich die größtmögliche Verbreitung über digitale Werbe- und Vertriebsstrategien zu ermöglichen, lassen sich Verlage die ausschließlichen Publikations- und Nutzungsrechte sowohl für Printprodukte als auch für die digitale Nutzung einräumen. Letztere eröffnen neue Vertriebs- und Marketingstrategien, z.B. die digitale Volltextsuche innerhalb der Bücher selbst (über die Google-Buchsuche oder andere Portale), die Einspeisung in OnlineArchive und Internetdatenbanken. Ziel dabei ist stets die größtmögliche Verbreitung der Printprodukte. Eine Aufsplittung der Print- und der digitalen Rechte auf unterschiedliche Akteure bedeutet mittelfristig den Verzicht auf professionelle Verlagsdienstleistungen. Zugleich erbringen auch Verlage urheberrechtlich geschützte Leistungen. Dazu gehört die Konzeption von Projekten, Zeitschriften und Buchreihen, die Aufbereitung von Rohtexten, die Erstellung von Zusatzinformationen (Metadaten, Register, Querverweise) und Investitionen in eine mediengerechte, professionelle Typographie und Grafik, sowie den Aufbau von Qualitätsmarken. Bei der Debatte um digitales Publizieren ist es somit wichtig, zwischen wissenschaftlichen Rohtexten, Verlagsprodukten sowie der Verbreitung von Informationen über Texte zu differenzieren. Während die Urheberrechte an den wissenschaftlichen Manuskripten beim Autor allein liegen, beinhalten die fertigen Verlagsprodukte – dazu zählen Monografien, Anthologien, Zeitschriften-Beiträge ebenso wie OnlineProdukte – eine doppelte Urheberschaft. Über die weitergehende Verwertung von Verlagsprodukten, wie beispielsweise die Einspeisung ins Internet, können Autoren somit nur mit Zustimmung des Verlags entscheiden. Ebenso stimmen seriöse Verlage die Nutzung der Texte in den verschiedenen Zusammenhängen mit ihren Autoren ab. Erziehungswissenschaft und ihre Verlage In der bundesdeutschen Erziehungswissenschaft existiert die komfortable Situation einer breit ausdifferenzierten Verlagslandschaft, die eine neutrale Wettbewerbsstruktur gewährleistet und in enger Anbindung an die Disziplin agiert. Die überwiegende Mehrheit bilden kleine und mittelständische Unternehmen, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Disziplin eingerichtet sind und Publikationsprojekte in enger Zusammenarbeit mit ihren Autoren entwickeln. Dies ermöglicht den unabdingbar erforderlichen, hohen Beteiligungsgrad von Autoren, Herausgebern und Zeitschriftenredaktionen im Publika52 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht tionsprozess. Die wechselseitige Anerkennung der jeweiligen Kompetenzen bildet dabei die Basis einer konstruktiven und meist langfristigen Zusammenarbeit. Publizieren und Open Access Aus Kreisen der Forschungsförderung sowie den naturwissenschaftlichen Disziplinen dringt die Debatte um Open Access-Publikationen in die Geistesund Sozialwissenschaften vor. Diese resultiert in den Naturwissenschaften aus der so genannten ‚Zeitschriftenkrise‘ Mitte der 1990er Jahre. Die fast ausschließlich internationale Ausrichtung und eine extrem geringe Halbwertszeit der Aktualität von Texten (von z. T. nur wenigen Wochen) hat in den Naturwissenschaften schon sehr früh zu einer Verlagerung auf digitale Publikationsformen geführt. Dies hat bei naturwissenschaftlichen Verlagen einen enormen Konzentrationsprozess in Gang gesetzt, bei dem am Ende wenige international agierende Verlagskonzerne quasi Monopolstrukturen aufwiesen. Die Abonnementpreise für wissenschaftliche Zeitschriften stiegen dabei exzessiv in die Höhe, so dass diese für wissenschaftliche Einrichtungen kaum noch finanzierbar sind. Die Frage, ob wissenschaftliche Texte dem Nutzer kostenpflichtig oder kostenlos zugänglich gemacht werden, ist zunächst weniger ideologischer als vielmehr ökonomischer Natur. Die qualitativ hochwertige und professionelle Aufbereitung wissenschaftlicher Rohtexte verursacht Aufwand und somit zwangsläufig Kosten. Dies ist völlig unabhängig vom jeweiligen Ausgabemedium (sei es auf Papier oder Online), und es ist auch unabhängig davon, ob eine Veröffentlichung in einem Verlag oder über staatlich finanzierte Einrichtungen erfolgt. Verlage können als privatwirtschaftliche Unternehmen ihre Leistungen nicht ohne Entgelt zur Verfügung stellen. Im Printbereich ist dies offensichtlich, bei digitalen Publikationen beginnt sich diese Erkenntnis in der öffentlichen Wahrnehmung erst allmählich durchzusetzen. Eine Erweiterung der medialen Präsentationsformen im Sinne von print plus online führt zwangsläufig zu erheblich höheren Preisen für Bücher und Zeitschriften, während die Umstellung auf online only nicht in dem Maße zu Kostenreduktion führt, wie zunächst erhofft. Die Publikation von Volltexten kann man zudem auch im Internet nicht als Hobby nebenbei betreiben, sondern sie erfordert professionelles Know How sowie eine kontinuierliche und langfristig angelegte inhaltliche und technologische Pflege, um qualitativ hochwertigen und wissenschaftlichen Erfordernissen zu genügen. Neben Investitionen in Personal und Infrastruktur entstehen für digitale Publikationen Mehrkosten für die technische Datenauf53 Christiane Engel-Haas bereitung, Metadatenerstellung und kontinuierliche Datenmigration über Jahrzehnte hinweg. Das bisherige Publikationswesen in den Sozial- und Geisteswissenschaften basiert auf einer nutzer- bzw. nachfrageorientierten Finanzierung. (Im Gegensatz dazu hat es sich in den Naturwissenschaften durchgesetzt, dass Autoren die Publikation ihrer Texte über eine sog. publication fee finanzieren. Beträge von 3.000 € pro Beitrag sind hier durchaus üblich.) Wenn der Staat bzw. staatlich finanzierte Einrichtungen nun fordern, dass Wissenschaftler ihre Texte künftig für alle Nutzer kostenfrei zur Verfügung stellen sollen, ist dies eine politische Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Es bedeutet zwangsläufig, dass künftig die Publikationskosten entweder dem Autor auferlegt werden oder der Staat eine Vollfinanzierung gewährleistet, die auf Nachhaltigkeit ausgelegt ist. Inwiefern ein solcher Paradigmenwechsel für die Erziehungswissenschaft sinnvoll und wünschenswert ist, muss daher eingehend geprüft werden. Ungelöste Problemfelder digitalen Publizierens Neben diesen grundsätzlichen volkswirtschaftlichen Konsequenzen gibt es bei digitalen Publikationen auch ungelöste Probleme disziplinspezifischer und wissenschaftsimmanenter Natur: 1. Archivierung Die langfristige und nachhaltige Archivierung von Texten ist die Aufgabe von Bibliotheken und Archiven. Bislang war die Notwendigkeit der Langzeitarchivierung auf Papier (oder Mikrofiche) beschränkt. Ein Umstieg auf ausschließlich digitale Publikationstechniken kommt somit einem grundsätzlichen Paradigmenwechsel gleich, der mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden ist. Die rasch voranschreitende technische Entwicklung führt zur permanenten Weiterentwicklung und Anpassung von Anwendersoftware. Ein längerfristiger Zugriff auf ältere Texte ist kaum zu gewährleisten. Die Nutzung und Archivierung von Dokumenten und der Erhalt von Wissensbeständen über mehrere Generationen hinweg ist jedoch insbesondere für die sozial- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen und damit auch für die Erziehungswissenschaft von besonderer Bedeutung. 2. Schutz des geistigen Eigentums Auch digitale Volltexte unterliegen den Bestimmungen des Urheberrechts. Der Schutz des geistigen Eigentums, d. h. die eindeutige und unmissverständliche Zuordnenbarkeit von Texten zu ihrem jeweiligen Schöpfer ist die Basis 54 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht für wissenschaftliches Arbeiten und Publizieren. Die bisherige Praxis der Publikation und Verbreitung von Texten auf Papier wahrt stets den Originalzusammenhang eines urheberechtlich geschützten Werkes. Dieser ist untrennbar mit dem Text verbunden. Auch die massenhafte Verbreitung von analogen Vervielfältigungstechniken hat an der Präsentationsform geistiger Inhalte nichts verändert. Die offene und ungeschützte Publikation von urheberrechtlich geschützten Texten im Internet – ‚ungeschützt‘ meint hier nicht den kostenfreien Zugang, sondern die Möglichkeit des digitalen Zugriffs auf fremde Texte durch copy & paste – wie sie insbesondere von der Open Access-Bewegung gefordert wird – schafft nun die Voraussetzungen zur digitalen Übernahme auch fremder Texte. Dabei steigt das Risiko, dass der Urheber vom Text getrennt wird, Textpassagen ihrem Sinnzusammenhang entrissen werden oder Quellenangaben verschwinden. Die Identifizierbarkeit eines Textes ist damit stark gefährdet, und bereits eine unzulängliche Dateiorganisation kann zu widerrechtlicher Nutzung fremden geistigen Eigentums führen. Selbstverständlich war vorsätzlicher Missbrauch von fremden Texten schon immer möglich. Die im digitalen Medium angelegte Leichtigkeit der – auch unbeabsichtigten – Manipulation von Texten und Textteilen erreicht nun jedoch eine völlig neue Dimension. In der schulischen Praxis sowie in Ausbildung und Lehre ist dieses Thema hinlänglich bekannt und führt zu technisch immer aufwändigeren Methoden, um sicherzustellen, dass eine Arbeit auch auf der jeweiligen geistigen und wissenschaftlichen Leistung des Prüflings beruht. Aus verlegerischer Sicht bestehen gegen die offene Publikation von Volltexten im Internet erhebliche Bedenken, da ein urheberrechtlicher Schutz nicht in ausreichendem Maß sichergestellt werden kann. 3. Evaluation des Publikationsaufkommens Das Internet ist als Informations- und Kommunikationsmedium zweifelsohne völlig konkurrenzlos. Eine chronologische Einordnung von Informationen findet dabei ebenso wenig statt wie eine Klassifizierung oder Systematisierung von Inhalten. Resultat ist ein unübersichtliches Nebeneinander von Datenmengen sowie die Gleichzeitigkeit von historischen und aktuellen Informationen sowie sehr heterogenen Textsorten. Wissenschaftler und wissenschaftliche Verleger stehen somit im Internet vor der unmittelbaren Frage nach plausiblen und qualitativ fundierten Recherchemöglichkeiten (eine ausführliche Diskussion zur Evaluation des erziehungswissenschaftlichen Publikationsaufkommens allgemein findet sich bei Dees 2008). Die professionelle Arbeit von Herausgebern, Zeitschriftenredaktionen und Verlagen bildet hier eine wichtige Orientierungsgröße. Sie bietet eine kritische Instanz und gewährleistet eine professionelle Betreuung des Autors im Publikationsprozess, 55 Christiane Engel-Haas die im Interesse der nachhaltigen Qualitätssicherung und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses unabdingbar ist. 4. Nachhaltigkeit und Verifizierbarkeit Die Zitationsfähigkeit von Texten und die Nachprüfbarkeit von Zusammenhängen ist für wissenschaftliches Arbeiten unabdingbar. Verweise auf Internetquellen sind bereits nach wenigen Tagen veraltet, das vor kurzem abgerufene Dokument ist modifiziert, entfernt oder durch ein anderes ersetzt worden. Verlässliche Recherche, Zitation und Nachprüfbarkeit von Informationen sind somit im Medium Internet kaum verlässlich und nachhaltig möglich. Unmittelbar einher geht damit die Frage der Wiederauffindbarkeit von Volltextdokumenten. Quellenangaben im Internet basieren auf der Ressource, auf der das Dokument abgelegt wurde. Diese Basis ist völlig dynamisch und variabel und wird vom Anbieter der entsprechenden Webseite beeinflusst. Ein Dokument, welches den ursprünglichen digitalen Publikationszusammenhang wechselt, ist in den Weiten des Internets kaum noch auffindbar. Hinzu kommt, dass Zahlen- und Buchstabendreher in der Zitation von Internetadressen eine verlässliche Lokalisation von Texten erschweren. Abhilfe kann hier nur ein (weltweit anerkanntes) System schaffen, das – ähnlich der ISBN – die unmissverständliche und dauerhafte Identifikation von digitalen Texten durch Metadaten ermöglicht. 5. Verbreitung von Inhalten Der klassische Publikationsbegriff impliziert nur in einem ersten Schritt, Texte in inhaltlicher und optischer Hinsicht aufzubereiten und dem Leser als analoges oder auch als digitales Produkt zur Verfügung zu stellen. Die Einspeisung einer Datei in das Internet oder die Produktion eines Buches alleine bedeutet nicht, dass der Text auch zur Kenntnis genommen wird. Der Erfolg einer Publikation misst sich nicht zuletzt an der öffentlichen Rezeption, die ohne zusätzliche Vertriebs- und Marketingkonzepte für eine spezifische Zielgruppe kaum erreichbar ist. Dies gilt für digitale Publikationen ebenso wie für klassische Printprodukte. 6. Wandel des Publikationsverständnisses Die Einspeisung von Volltexten ins Internet ist eine Form der Publikation und unterliegt somit rechtlichen Rahmenbedingungen und branchenspezifischen Eigenheiten. Als Experten für Publikationen fungieren Verlage in diesem System als Mittler zwischen Autor und Leser, zwischen Hochschule, Buchhandel und Zeitschriftenabonnent. Sie haben hierfür ein komplexes System von Dienstleistungen entwickelt und unterstützen und entlasten Wissenschaftler in ihrer Arbeit. Zugleich bereiten sie ein Forum für den öffentlichen 56 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht Diskurs. Die rasante Entwicklung des Internets hat zu einer sehr starken Erosion des herkömmlichen Publikationsverständnisses geführt. Die Wahrnehmung von Publikations- und Verbreitungsrechten erreicht eine gewisse Beliebigkeit, und die Gleichzeitigkeit der Veröffentlichung von Texten in digitaler und analoger Form an unterschiedlichen Orten in unterschiedlichen Zusammenhängen wird zum Normalitätsverständnis. Damit verschwimmt die klare Differenzierung zwischen Originalveröffentlichung und Wiederabdruck, zwischen Kopie und Original. Zugleich schließt die Einspeisung eines Textes in das Internet die Veröffentlichung in einem Fachverlag aus, da ein ungeschützter Webzugriff einer Verlagspublikation die kalkulatorische Basis raubt. Konsequenzen für die erziehungswissenschaftliche Publikationskultur In der Erziehungswissenschaft entfällt der überwiegende Anteil der Publikationen auf Zeitschriften und Sammelbände, nur etwa 14,8% der publizierten Texte hat monografischen Charakter (vgl. Dees 2008, 29). Die nachträgliche digitale ‚Ausschlachtung‘ von Anthologien und Zeitschriftenheften torpediert letztlich deren sorgfältige Konzeption und Editierung und damit die klassische Herausgebertätigkeit für Zeitschriften, Buchreihen und Anthologien. Mittelfristig hätte die Umstellung auf ausschließlich digitale Publikationen nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Rolle und Funktion von wissenschaftlichen Fachpublikationen sowie die Arbeit von Zeitschriftenredaktionen und Herausgebergremien im Wissenschaftsbetrieb. Dies trifft im Besonderen auch den wissenschaftlichen Nachwuchs, der sich noch in der Profilierungsphase befindet. Erschwerend kommt hinzu, dass die Komplexität erziehungswissenschaftlicher Inhalte umfangreiche Texte erfordert, die in digitaler Form kaum sinnvoll darstellbar und rezipierbar sind. Die Frage der zukünftigen erziehungswissenschaftlichen Publikationskultur muss somit nachhaltig und disziplinintern diskutiert und überprüft werden. Fazit und Ausblick Die Welt ist ohne Internet kaum mehr vorstellbar, und digitale Medien sind zweifelsohne sinnvoll und erforderlich. Die ausschließliche und offene Publikation von wissenschaftlichen Texten im Internet wirft jedoch mittel- und langfristig Problemfelder auf, die insbesondere für die Erziehungswissenschaft weit reichende Konsequenzen haben und unabdingbar fokussiert und diskutiert werden müssen. Open Access-Plattformen allein haben dies bislang nicht leisten können. Moderne Fachverlage – und als solcher versteht sich 57 Christiane Engel-Haas auch der Juventa Verlag – können und wollen sich dem Fortschritt im digitalen Zeitalter nicht entgegenstellen. Schon seit vielen Jahren haben sie in neue digitale Verfahren vor allem in der Druckvorstufe und der Manuskriptbearbeitung investiert. In den letzten Jahren kam der Ausbau und die Optimierung digitaler Werbe- und Vertriebsstrategien hinzu. Dazu zählen digitale Werbemittel ebenso wie elektronische Newsletters und digitale Informationsforen sowie beispielsweise der Online-Artikeldienst für Zeitschriften und die Möglichkeiten der Volltextsuche innerhalb der Bücher selbst. 2009 wird der Juventa Verlag die Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online starten, die die Vorzüge digitalen Publizierens mit den Qualitätsansprüchen einer hochwertigen und nachhaltig angelegten Wissenschaftspublikation verbindet. Die Integration digitaler Publikationsformen, die den obigen Fragestellungen Rechnung tragen, ist in Fachverlagen somit längst im Gange. Dabei steht im Zentrum die behutsame und umsichtige Entwicklung innerhalb des bestehenden fachlichen Profils, die eine optimale Nutzung des Internets als Kommunikations-, Vertriebs- und Werbemedium bei gleichzeitiger Wahrung des Urheberrechtsschutzes, der Qualitätssicherung und auch der mittel- und langfristigen wissenschaftlichen Erfordernisse berücksichtigt. Eine enge Anbindung und Kooperation mit der jeweiligen wissenschaftlichen Fachrichtung ist in diesem Zusammenhang unabdingbar und wünschenswert, um die jeweiligen Kompetenzen und Interessen angemessen zu berücksichtigen. Literatur Dees, W. (2008): Transparenz und Evaluierbarkeit des erziehungswissenschaftlichen Publikationsaufkommens – Eine anwendungsorientierte Studie. In: Erziehungswissenschaft, Heft 37, S. 27-32. Die Autorin ist Leiterin des Juventa Verlags in Weinheim, verantwortlich für die konzeptionelle Programmplanung und das Lektorat des sozial- und erziehungswissenschaftlichen Buchprogramms sowie der 16 Fachzeitschriften. 58 Digitale Fachinformation zwischen Schranken und freiem Zugriff Johannes Fournier Elektronische Veröffentlichungen und ihre Verbreitung im World Wide Web haben neue Möglichkeiten eröffnet, Forschungsergebnisse auch international besser sichtbar zu machen. Elektronische Lernsysteme, die Verknüpfung von Publikationen mit wissenschaftlichen Primärdaten, die Kommentierung von Veröffentlichungen in Form des Open Peer Review und die verstärkte Nutzung interaktiver Komponenten belegen die zunehmende Akzeptanz des Internet als des zentralen Mediums zur Dissemination und Rezeption von Forschungsergebnissen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand zunehmend kollaborativ stattfindet. In Kooperationen mit Partnern des In- und Auslandes greifen Wissenschaftler über Datennetze auf einen gemeinsamen Pool von Quellen und Publikationen zu. In virtuellen Forschungsumgebungen stehen zugleich die Werkzeuge bereit, mit denen diese Objekte von allen Mitgliedern der Forschungsgruppe bearbeitet werden können. Damit derartige Forschung wirklich effizient betrieben werden kann, müssen digital vorliegende Inhalte möglichst ohne rechtliche Restriktionen zugreifbar sein und weitergegeben werden können. Doch noch setzen rechtliche Gegebenheiten ebenso wie eingebürgerte Verhaltensweisen des wissenschaftlichen Publizierens dieser Vision enge Grenzen. Das Gesetz zur Regelung des Urheberrechtsgesetzes in der Informationsgesellschaft als rechtliche Rahmenbedingung Die jüngste Novellierung des Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (2003, vgl. www.bmj.bund.de/media/archive/ 126.pdf), in Fachkreisen schlicht als 2. Korb bezeichnet, war von heftigen Debatten insbesondere um diejenigen Bestimmungen begleitet, die auf eine für Lehre und Forschung angemessene Informationsversorgung mit digitalen Informationen zielten. Im Fokus standen sog. Schrankenbestimmungen, also die Definition derjenigen Ausnahmen, nach denen zu Zwecken von Lehre und Forschung auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zugegriffen werden darf. Umstritten waren, um die nun eingebürgerten Begrifflichkeiten zu ver59 Johannes Fournier wenden, insbesondere die „elektronischen Leseplätze“ (§ 52b UrhG), die die Wiedergabe digitalisierter Werke aus eigenen Beständen von Bibliotheken, Archiven und Museen gestatten, ferner der „Kopienversand auf Bestellung“ (§ 53a UrhG), die „unbekannten Nutzungsarten“ (§§ 31a und 137l UrhG) sowie die nun erneut diskutierte „Wissenschafts- und Bildungsschranke“ (§ 52a UrhG), mit der bereits im 1. Korb die grundlegende Voraussetzung für den Einbezug digitalisierter Materialien in Lehre und Forschung geschaffen wurde. Die vorgeschlagenen Regelungen zielten, so jedenfalls war es ursprünglich laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplant, auf ein wissenschaftsfreundliches Urheberrecht. Faktisch zeigt sich jedoch eine erhebliche Beeinträchtigung des zeitgemäßen, effizienten Zugriffs auf elektronische Ressourcen, die, worauf manche Kenner der Materie verweisen, im Einzelnen befremdliche Züge annimmt. Als forschungs- und bildungsrelevante Rahmenbedingung formuliert der Koalitionsvertrag vom 11. November 2005 kaum mehr als: „Wir wollen ein bildungs- und wissenschaftsfreundliches Urheberrecht“ (vgl. Bundesregierung 2005, S. 45; anschaulich dargestellt wird die Befremdlichkeit mancher Neuregelung in der Glosse von Rainer Kuhlen 2008). Wenige Hinweise mögen die faktische Beeinträchtigung der akademischen Informationsversorgung illustrieren: • • • 60 Ein schönes Beispiel für das Gegenteil einer zeitgemäßen Informationsversorgung ist § 52b UrhG, der es einem Wissenschaftler ermöglicht, ein Buch aus der Bibliothek seiner Universität in digitaler Form zu konsultieren – allerdings nur, wenn er sich dazu selbst in die Bibliothek begibt, um die digitalisierte Version des Buchs an einem eigens zu deren Lektüre eingerichteten Computerarbeitsplatz einzusehen. Der unmittelbare Zugriff vom Arbeitsplatz des Wissenschaftlers, der heute als Normalfall wissenschaftlichen Arbeitens angesehen werden sollte, ist somit nicht möglich. § 53a UrhG lässt über die zukünftigen Kosten der Informationsversorgung für die öffentliche Hand nachdenken: Eine elektronische Dokumentlieferung ist der Bibliothek nämlich nur noch möglich, wenn der publizierende Verlag nicht selbst anbietet, den gewünschten Artikel in elektronischer Form – und kostenpflichtig – auszuliefern. Zwar greift diese Einschränkung nur dann, wenn das Verlagsangebot „offensichtlich“ und „angemessen“ ist. Nur – wer entscheidet im konkreten Fall darüber, ob ein in manchen Fächern bzw. für manche Zeitschriften durchaus marktüblicher Preis von 30 Euro für einen vom Verlag zu beziehenden elektronischen Aufsatz noch angemessen ist? Schließlich bestätigen die Neuregelungen zu den sog. „unbekannten Nutzungsarten“ die alte Weisheit, dass „gut gemeint“ längst nicht „gut“ ist. Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht Gut ist die Idee hinter dem Paragraphen, der sicherstellen soll, dass urheberrechtlich geschützte Werke der Jahre vor 1995 durch retrospektive Digitalisierung in elektronischem Format zugänglich gemacht werden können. Dazu wurde Verlagen ein Recht eingeräumt, entsprechende, im Druck erschienene Beiträge online verfügbar zu machen, sofern die Autoren dieser Verwendung nicht ausdrücklich binnen Jahresfrist widersprechen. Da es scheint, dass die Rechte zur Online-Verwertung exklusiv an die Verlage übergehen sollen, liefen Wissenschaftsorganisationen und Verbände Sturm gegen die geplante Norm und forderten die Autoren nachdrücklich auf, von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen, um so die Möglichkeit offen zu halten, eigene Beiträge selbst im Open Access verfügbar zu machen. Manch unerfreuliche Diskussion und sehr viel Aufwand bei den Verlagen durch die Bearbeitung von Widersprüchen hätte vermieden werden können, wenn die Norm so gefasst worden wäre, dass Verlagen lediglich einfache Verwertungsrechte eingeräumt worden wären. Dass das zum 1. Januar 2008 in Kraft getretene Gesetz nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann, zeigte sich in der parlamentarischen Debatte. Denn die Zustimmung der Parlamentarier zum 2. Korb war verbunden mit der Ankündigung, einen 3. Korb in Angriff zu nehmen, um den berechtigten Interessen von Lehre und Forschung Rechnung zu tragen (vgl. Deutscher Bundestag 2007, Sp. 1155; zur kritischen Einschätzung der Reform aus Sicht der Wissenschaft Hilty/ Bajon 2008). Nur – war dies nicht das grundlegende Ziel des 2. Korbes? Auch an anderer Stelle wird scharf gesehen, dass Handlungsbedarf besteht, um digitale Informationen in Lehre und Forschung so zu nutzen, dass sie zur Produktivität des Wissens und des wirtschaftlichen Wettbewerbs beitragen. Die Europäische Kommission hat nämlich ein Grünbuch über Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft veröffentlicht und bis Ende November 2008 um Kommentierungen durch alle interessierten Parteien gebeten (vgl. Europäische Kommission 2008). Da die im Copyright-Grünbuch angesprochenen Themen zu weiten Teilen identisch sind mit den im 2. Korb umstrittenen, ist es nicht verwunderlich, dass die Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen sich deutlich positioniert hat, indem sie – ebenso wie andere Organisationen aus dem Wissenschaftsbereich, etwa das Joint Information Systems Committee (JISC) oder das European Bureau of Library, Information and Documentation Associations (EBLIDA) – bestimmte Prinzipien eines wissenschaftsfreundlichen Urheberrechts verpflichtend einfordert: Dazu gehören vor allem die Forderung nach einer tatsächlichen, europaweiten Harmonisierung der Schrankenbestimmungen, die wirkliche Rechtssicherheit für ‚grenzüberschreitende‘ For61 Johannes Fournier scher mit sich bringen soll, und der Rat an den Gesetzgeber, einen klaren Rechtsrahmen für den privilegierten Gebrauch urheberrechtlich geschützter Materialien zu schaffen. Diesen Gebrauch durch Vereinbarungen zwischen den Interessenparteien regeln zu wollen, kann aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse nämlich nicht gelingen. Darüber hinaus fordert die Allianz, dass die zu formulierenden gesetzlichen Schranken niemals disponiblem Vertragsrecht unterliegen dürfen. Open Access als Alternative für den barrierefreien Zugriff auf Forschungsergebnisse Da der Zugriff auf urheberrechtlich geschützte Inhalte zu Zwecken der Lehre und Forschung auch unter Berufung auf Schranken offensichtlich weder problemfrei noch unkompliziert ist, da es zudem – begünstigt durch den Trend zu kollaborativer Forschung über die Datennetze – immer zwingender erforderlich ist, Daten, Quellen, Texte ohne rechtliche Restriktionen aufrufen und bearbeiten zu können, stellt sich die Frage, in welcher Art und Weise Wissenschaftler selbst für den möglichst ungehinderten Zugang zu ihren eigenen Forschungsergebnissen sorgen könnten. Diese Handlungsoption ist bekannt unter dem Namen Open Access. Open Access intendiert den für Nutzer entgeltfreien Zugang zu wissenschaftlichen Informationen über das Internet. Im Fokus stehen Forschungsergebnisse aus öffentlicher Förderung, die für die Nutzer ohne rechtliche, technische und finanzielle Barrieren online verfügbar sein sollen. Formen, Definitionen und Spielarten des Open Access sind derartig vielfältig, dass diese hier nicht im Einzelnen beschrieben werden können (eine gute Einführung in das Thema bieten die Beiträge der Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 2007; über die DFG-geförderte Informationsplattform Open Access können Fragen auch von einer bewusst fachlichen Perspektive beantwortet werden). Wichtig scheint jedoch hervorzuheben, dass auch entgeltfrei zugängliche Publikationen dem Urheberrecht unterliegen und ein Autor die Möglichkeit hat, über die weitere Verwendung seiner Werke – etwa durch die Auswahl einer bestimmten Creative Commons-Lizenz – zu bestimmen. Als Unterzeichner der Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen vom Oktober 2003 erwartet die DFG – und das ist so in den Verwendungsrichtlinien für Projektnehmer fixiert – die digitale Veröffentlichung der Forschungsergebnisse aus DFG-geförderten Projekten im Open Access. Dazu können die Ergebnisse unmittelbar mit der Publikation in einer renommierten Fachzeitschrift im Open Access verfügbar gemacht werden (sog. Goldener Weg des Open Access) oder zusätzlich zur Verlagspublikation in institutionelle oder disziplinspezifische Repositorien (sog. Grüner Weg) 62 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht eingepflegt werden. Mit Blick auf den Grünen Weg empfehlen die Verwendungsrichtlinien der DFG den geförderten Wissenschaftlern zudem, sich im Verlagsvertrag einfache Nutzungsrechte vorzubehalten, um das Einpflegen etwa des Manuskripts in ein Repositorium rechtlich abzusichern. In der Erziehungswissenschaft fördert die DFG derzeit ein Projekt des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF), das den Aufbau eines fachspezifischen Repositoriums bezweckt. Unter dem Namen pedocs wird das Repositorium in enger Verzahnung mit der virtuellen Fachbibliothek, dem Fachportal Pädagogik, entwickelt und ist bereits abrufbar (vgl. Fachportal Pädagogik). Auf diese Weise werden optimale Voraussetzungen geschaffen, die über das Fachportal zugänglichen Suchinstrumente wie FIS Bildung zu nutzen, um bei Recherchen ggf. unmittelbar auf die im Repositorium verfügbaren Inhalte zugreifen zu können. Pedocs bietet schon jetzt neben einer Volltextrecherche eine erweiterte Suche an, die Einschränkungen auf bestimmte Qualitätsmerkmale (Graue Literatur, Dissertation, Verlagsveröffentlichung, Publikation mit Peer Review) sowie ein Stöbern (Browsing) nach Publikationen aus bestimmten pädagogischen Teildisziplinen erlaubt. Über ein Webformular können Autoren ihre Beiträge für die entgeltfreie Nutzung durch andere Wissenschaftler in pedocs einpflegen und sich so aktiv am Ausbau des Angebots beteiligen. Zur Rolle von Verlagen Wissenschaftler sind darauf angewiesen, dass ihre Forschungsergebnisse qualitätsgesichert und unter Berücksichtigung fachlicher Standards zugänglich gemacht werden. Dies nämlich ist die grundlegende Voraussetzung dafür, die eigene Reputation über Publikationen zu verstärken. Ein Gutteil der in diesem Zusammenhang anfallenden Aufgaben wurde und wird von wissenschaftlichen Verlagen wahrgenommen. Die notwendige Ausrichtung auf ein Open Access-Paradigma bedeutet daher auch keine zwangsläufige Abkehr von den Leistungen der Wissenschaftsverlage. Insbesondere der Goldene Weg eröffnet Möglichkeiten, die auch von der Verlagswirtschaft genutzt werden sollten. Denn die Organisation des Peer Review oder die Aufbereitung der Manuskripte für die Online-Publikation verursachen ja weiterhin Kosten. Nach dem Grundgedanken des Open Access sind diese Kosten freilich von den Autoren bzw. ihren Institutionen und/oder Förderorganisationen, nicht aber wie im bisherigen Subskriptionsmodell von den Lesern bzw. Bibliotheken zu tragen. In einem Open Access-Szenario wird daher kein Vertriebsmodell, sondern eine echte Dienstleistung finanziert. Daher scheint es mir wichtig zu sein, dass die Erziehungswissenschaft sich vergegenwärtigt, welche im Be63 Johannes Fournier reich des wissenschaftlichen Publizierens anfallenden Services sie für unverzichtbar hält und welche dieser Dienstleistungen notwendig oder vorteilhaft durch Externe wie etwa einen Wissenschaftsverlag zu erbringen wären. Bisher nennt die Community vor allem die Qualitätssicherung in inhaltlicher und formaler Hinsicht – die Organisation des Peer Review ebenso wie das sorgfältige Redigieren von Manuskripten – an erster Stelle. Bedeutsam wären darüber hinaus Mehrwertdienste wie die fachliche Strukturierung des überbordenden Informationsangebots, Techniken und Verfahren für die alternative Bewertung wissenschaftlicher Leistungen auf Basis von Zitationen, Annotationen und Verknüpfungen, Personalisierungsfunktionen oder die persistente Adressierung wissenschaftlicher Beiträge und, damit eng verbunden, die Gewährleistung der langfristigen Verfügbarkeit digitaler Publikationen, die Bibliotheken womöglich eher sichern können als kommerzielle, den Gesetzen des Marktes stärker unterworfene Anbieter. Die Entwicklung der Geschäftsmodelle, nach denen die von der Erziehungswissenschaft geforderten Dienstleistungen im Kontext von Open Access nachhaltig finanziert werden können, kann freilich kaum Aufgabe der Disziplin sein. Ausblick Texte, Daten und Statistiken sind längst nicht mehr die einzigen Gegenstände der Forschung. Zunehmend werden audiovisuelle Objekte als neue Quellengattung in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einbezogen. Bilder, Töne und Filme dürften mittel- bis langfristig allerdings nicht nur als Quelle, sondern auch für die eigentliche Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse an Relevanz gewinnen (vgl. dazu die von der DFG erprobte Vorstellung von Forschungsergebnissen, DFG 2008). Gerade die Erziehungswissenschaft ist gefordert, nicht nur über die Auswirkungen neuer Formen medialer Aneignung von Wissen zu reflektieren, sondern diese Formen aktiv als Bestandteil ihrer Wissenschaftskommunikation aufzugreifen. Das Einbeziehen audiovisueller Materialien in Lehre und Forschung setzt freilich eine konsequent auf das digitale Medium ausgerichtete Publikationsstrategie voraus. Die Zukunft einer Publikationskultur im Internet ist somit auch und gerade für die Erziehungswissenschaft unausweichlich. Literatur Bundesregierung (2005): Koalitionsvertrag vom 11. Nov. 2005, http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/koalitionsvertrag,property=publicationFile.pdf. Deutscher Bundestag (2007): Plenarprotokoll 16/108 zur 108. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 5. Juli, Sp. 1155, http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/ 16/16108.pdf. 64 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht DFG, Deutsche Forschungsgemeinschaft (2008): DFG Science TV, http://dfg-sciencetv.de. Europäische Kommission (2008): Grünbuch – Urheberrechte in der wissensbestimmten Wirtschaft, http://ec.europa.eu/internal_market/copyright/docs/copyright-infso/ greenpaper_de.pdf. Fachportal Pädagogik: pedocs-Dokumentenserver, http://www.pedocs.de. Hilty, R. M./Bajon, B. (2008): Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft (Zweiter Korb) – ein Beitrag aus Wissenschaftssicht. In: Zeitschrift für Bibliographie und Bibliothekswesen, 55, H. 5, S. 257-263. Informationsplattform Open Access (2008): Homepage, http://openaccess-germany.de. Kuhlen, R. (2008): Erfolgreiches Scheitern – eine Götterdämmerung des Urheberrechts? In: Schriften zur Informationswissenschaft, 48, S. 11-18. Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie, 54 (2007), H. 4-5. Der Autor ist Programmdirektor der Organisationseinheit Wissenschaftliche Literaturversorgungs- und Informationssysteme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn. 65 Urheberrecht und Open Access Axel Halle Selbstverständlich braucht Wissenschaft Mechanismen der Qualitätskontrolle, auch für Publikationen. Diese Kontrolle erfolgt durch die Wissenschaft selbst und bedarf nicht zwingend der Moderation durch Verlage. Die Publikationenkette beginnt beim Autor, der sein Werk beim Verlag einbringt. Der Verlag veranlasst die Qualitätsprüfung durch Herausgeber und Peer Reviewing. Der Verlag erhält die geistige Leistung der Autoren und der Qualitätsprüfung kostenfrei, evtl. muss sogar der Autor für die Veröffentlichungsgelegenheit zahlen. Die beteiligten Wissenschaftler erhalten dafür das immaterielle Gut der Reputation. Ist es da nicht recht und billig, dass die Wissenschaft grundsätzlich das Recht erhält, ihr geistiges Eigentum frei in die Netze einbringen zu können (so genanntes Zweitverwertungsrecht)? Forschung und Lehre brauchen uneingeschränkten Zugang zu wissenschaftlich abgesicherten Informationen. Ohne (elektronischen) Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen, zu Sekundär- und Primärdaten, zu Datenbanken und Normen kann Wissenschaft nicht erfolgreich sein. Diese Quellen müssen in virtuellen Arbeits- und Kommunikationsumgebungen, in Forschernetzwerken, in E-Learning-Plattformen und digitalen Semesterapparaten zugänglich sein. Für die Wissenschaft ist die Kommerzialisierung wissenschaftlicher Informationen durch einige große Anbieter eine Bedrohung, weil durch technische (Digital Rights Management), finanzielle (Abopreise) und rechtliche (Urheberrecht) Barrieren die Zugänglichkeit zum Wissen der Welt behindert wird. Wissenschaft hat heute alle technischen Möglichkeiten und die fachlichen Kompetenzen, diese Entwicklung zu stoppen. Die Repositorien verfügen über leistungsfähige Software, die den schrankenlosen Internetzugriff, aber auch differenzierte Reviewingprozesse, Statistikauswertungen etc. enthalten. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass die internationale Wahrnehmung von Open Access-Publikationen deutlich schneller und größer ist als bei Printveröffentlichungen. Das seit 1. Januar 2008 gültige Urheberrechtsgesetz (UrhG, 2. Korb) privilegiert den wissenschaftlichen Gebrauch nur unzureichend. Der Bundesrat hat daher am 21. September 2007 einen Dritten Korb „für die Belange von Bildung, Wissenschaft und Forschung in der Wissens- und Informationsgesellschaft“ (Bundesratsbeschluss vom 21. 9. 2008) gefordert. 67 Axel Halle In § 53a Abs. 1 UrhG ist der „Kopienversand auf Bestellung“ geregelt. Die elektronische Lieferung darf nur als graphische Datei gesendet werden, kann also nicht elektronisch weiter bearbeitet werden. Außerdem ist der Versand nur dann erlaubt, wenn kein „offensichtliches“ und angemessenes Pay-perView-Verlagsangebot existiert. Hierdurch wird die Versorgung der Wissenschaft mit Zeitschriftenaufsätzen verzögert. Wie vom Bundesrat gewünscht, soll im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses auch „ein Zweitveröffentlichungsrecht für Urheber von wissenschaftlichen Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Lehr- und Forschungstätigkeit entstanden sind“ (Beschluss vom 21. 9. 2008), durchgesetzt werden. Dies ist für die Wissenschaft geradezu eine Existenzfrage, weil nur so sichergestellt werden kann, dass die Wissenschaftler ihre Arbeiten elektronisch bereitstellen (können), zumal bei Verlagsverträgen bislang fast immer sämtliche Rechte vom Urheber an den Verlag abgetreten werden, auch das der elektronischen Veröffentlichung. Axel Halle ist Leitender Bibliotheksdirektor der Universitätsbibliothek Kassel. 68 Wandel gestalten – Aufgaben und Randbedingungen des (digitalen) Publizierens heute Reinald Klockenbusch Wer über digitales Publizieren und neues Urheberrecht diskutiert, muss sich zunächst einmal Gedanken darüber machen, welche Aufgaben das Publizieren erfüllt, bevor die besonderen Herausforderungen des digitalen Publizierens deutlich werden. Erst vor diesem Hintergrund kann man dann auf die Randbedingungen eingehen, die durch die derzeitige Rechtslage des Urheberrechts gegeben sind, um zu zeigen, wie sich in verändernden Märkten die Aufgabe des Publizierens gestalten lässt. So werde ich zunächst darstellen, was – allem Wandel zum Trotz – Aufgabe des verlegerischen Tuns war und ist und welchen Herausforderungen wir uns hier und heute stellen müssen, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Dies aus der Sicht der Verlage respektive des VS Verlags für Sozialwissenschaften. Was ist Aufgabe der Verlage bisher und in Zukunft? Verlage organisieren Inhalte, sichern Qualität durch Filtern und Veredeln und haben die Aufgabe, diese veredelten Produkte in geeigneter Weise zu vervielfältigen und zu verbreiten. Beispiele für das Veredeln von Manuskripten: Kaum ein wissenschaftlicher Beitrag der ZfE – Zeitschrift für Erziehungswissenschaft geht unverändert durch den Begutachtungs- und redaktionellen Überarbeitungsprozess hindurch – diesen Prozess zu organisieren und aufrechtzuerhalten ist Aufgabe des Verlags; im Buchbereich sind es vor allem die aktiven Gestaltungsvorgaben, die durch engagierte (Fach-)Lektoren in die Konzeption und Ausarbeitung z.B. von Lehr- und Handbüchern einfließen, sowie die Überprüfung derselben durch ein aktives Lektorat – im VS Verlag sind etwa für den Bereich Erziehungswissenschaft und Soziale Arbeit Stefanie Laux und Monika Mülhausen die Ansprechpartnerinnen. Konkret im sozialwissenschaftlichen Kontext des VS Verlags heißt das: Wir unterstützen Publikationsprodukte aus Forschung und Lehre und stellen die Inhalte des Fachs sowohl für die in der Disziplin tätigen Akteure wie auch für Interessierte und verantwortliche Entscheidungsträger in Politik und Gesellschaft zur Verfügung. Insbesondere sind auch diejenigen angesprochen, die die 69 Reinald Klockenbusch Erziehungswissenschaft in der Anwendung im Blick haben müssen, um ihrer Profession entsprechend arbeiten zu können. Aus diesem Grund gibt es nicht nur Forschungsliteratur und wissenschaftliche Zeitschriften, sondern z.B. auch Lehrbücher, Handbücher und Lexika und der Profession dienende Magazine. Kennzeichen dieser Publikationen ist, dass ihre Einsatzmöglichkeiten mehrfältig sein können: Dieselben Inhalte – obwohl in unterschiedlichen Kontexten generiert – dienen unterschiedlichen Kundenbedürfnissen. Daher sind die Zielgruppen heterogen: Studierende und Lehrende, Forscher und Anwender sowie ein an Fachthemen interessiertes Publikum aus verschiedenen Bereichen der Öffentlichkeit. Und es geht darum, die verschiedenen Akteure, wie AutorInnen, HerausgeberInnen, den klassischen Buchhändler und die Bibliotheken ebenso wie neue Handelspartner und Content-Anbieter wie Google, Amazon, Abstract- und Indexingservices und zunehmend auch Archive und Repositorien, gleichermaßen im Blick zu haben. Deutlich ist hierbei, dass alle Akteure sich einem Wandel gegenübersehen, der eine Neuorientierung von allen Beteiligten einfordert. Als Fachverlag begrüßen wir die Gelegenheit zur Diskussion, um mit den FachvertreterInnen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und KollegInnen, die in diesem Publikationsprozess beteiligte und engagierte Mitspieler sind, ins Gespräch zu kommen. Was tut Springer und was der VS Verlag im Bereich des digitalen Publizierens? Die Verlagsgruppe Springer Science+Business Media, unter deren Konzerndach der VS Verlag für Sozialwissenschaften operiert, bietet alle Zeitschriften und Bücher digital über www.springerlink.com an. Bibliotheken erhalten Zugang zu diesen Datenbanken, oder sie erhalten diese Daten selbst – zum Vorteil aller Nutzer der Bibliothek. So auch AbonnentInnen und Gesellschaften, die mit dem Verlag entsprechende Vereinbarungen getroffen haben. Diese Daten erleichtern die Recherche, die Auffindbarkeit und Nutzung von Publikationen in Forschung und Lehre und haben u. a. das Ziel, über Jahre hinaus die Volltextsuche und weitergehende Features wie Referenzierung etc. zu gewährleisten. Herausforderungen werden in einem weiteren Schritt sein, die digitalen Angebote so kundenfreundlich wie möglich für künftige Nutzungen zu gestalten und den Zugang langfristig sicherzustellen. Heute schon können Studierende als Teilnehmende von Seminaren beispielsweise der Universität Bielefeld Texte aus allen sozialwissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften des VS Verlages kostenlos auf ihren Laptop übertragen, sofern sie sich über 70 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht ihre Bibliothek den Zugang zu SpringerLink-Daten verschafft haben – in Übereinstimmung mit den vertraglichen Abmachungen zwischen Universitätsbibliothek und Verlag. In den USA bietet Springer mit dem Programm MyCopy Studierenden seit Kurzem die Möglichkeit, in der Universitätsbibliothek das von ihnen gewünschte Medium nicht nur elektronisch einzusehen, sondern auch an Ort und Stelle ausdrucken und binden zu lassen, und dies zu einem Preis, der deutlich unter dem liegt, was ein Lehrbuch aus dem Buchhandel kosten würde – ein Vorgehen, das in Deutschland auf Grund der Preisbindung nicht möglich ist. Die Buchhandlungen bleiben dabei nicht außen vor, da sie auch an dem neuen Geschäft mit den Daten beteiligt sind, indem sie als Zwischenhändler die digitalen Publikationspakete an die Bibliotheken verkaufen. Als Zukunftsszenario ist vorstellbar, dass der Studierende die Daten in einer Form erhalten wird, die ihm individuell Versionen und Zuschnitte zusammenzustellen, eigene Bemerkungen einzufügen und Zitate an KommilitonInnen zu verschicken erlaubt. So kann er die eigene wissenschaftliche Arbeit in direkter Nutzung der Daten vorantreiben, ohne das Medium wechseln zu müssen. Ob die Hardware hierbei den heutigen Laptops entspricht oder Nachfolgeprodukte der neuen ebook-Lesegeräte von Sony oder des Kindle von Amazon zum neuen Standard avancieren, ist dabei eher unerheblich. Das Prinzip ist jedenfalls heute schon technisch umsetzbar, und wir versuchen als Verlag, derartige Entwicklungen im Blick zu behalten, wenn es um unser Kerngeschäft geht: qualitativ überzeugende Inhalte unseren Zielgruppen geeignet anzubieten. Leitlinie für die beteiligten Akteure Woran können wir uns bei den künftigen Aufgaben – und Randbedingungen – des Publizierens orientieren? Unzweifelhaft scheint mir, dass es auch in Zukunft auf die Qualität des Inhalts ankommen wird. Und darauf, ob und wie es den Verlagen gelingt, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Zielgruppen flexible Optionen anzubieten. Dabei gilt es, in Übereinstimmung mit dem neuen Urheberrecht und darüber hinaus, den beteiligten Akteuren faire Bedingungen für das neue Zusammenspiel zu gewährleisten. Hilfreich ist es dabei, sich einzugestehen, dass wir nicht umhin kommen zu lernen, neue Vorgehensweisen zu erproben und Bedingungen sukzessive an ein sich änderndes Anforderungsprofil anzupassen. Maßgabe hierfür – damit dieses gelingt – scheint mir Immanuel Kants Anspruch zu sein, dass ‚die Freiheit des Einen mit der Freiheit des Anderen zusammen bestehen können muss‘. 71 Reinald Klockenbusch Fakten und Tatsachen des digital geprägten Publikationsmarktes heute Die Darstellung der folgenden sieben Punkte soll verdeutlichen, inwiefern wir derzeit den Wandel erleben und aktiv gestalten: 1. International wurde bei Springer bereits 2007 mehr als die Hälfte des US-Zeitschriftenumsatzes mit online-Erlösen realisiert, Tendenz in 2008 deutlich steigend. 2. Bibliotheken in den USA registrieren zunehmend genau, wie die Zugriffe auf ebook- und Online-Pakete der Journals aussehen. Aus diesem Grund müssen Verlage – und Marken bei den Zeitschriften – ein Eigeninteresse daran haben, dass auf die Originalbeiträge, nicht alternativ auf multiple repositories zugegriffen wird. 3. Neben den Abomodellen bei den Zeitschriften spielen zunehmend auch Open Access-Modelle eine Rolle. Dies ist der Grund, warum Springer BioMedCentral gekauft hat und damit zum weltweit größten Open AccessAnbieter geworden ist. 4. Auch der VS Verlag zeigt sich für den Bereich Erziehungswissenschaft experimentierfreudig. So gibt es Gespräche sowohl mit dem Konzern wie mit Organisationen wie dem DIPF hinsichtlich Open Access-Projekten wie pedocs, um möglicherweise in klar definierten Testphasen herauszubekommen, inwieweit eine regional motivierte, kostenlose Bereitstellung von Zeitschrifteninhalten das Abo- und Bestellverhalten von Bibliotheken beeinflusst. 5. Gleichwohl gilt es zu konstatieren, dass die Position von Verlagen zum Teil durch die Förderungspolitik im nationalen und europäischen Umfeld in den letzten Jahren nicht leichter geworden ist. Der Effekt ist, dass der Markt stellenweise verzerrt wird durch die Subventionspolitik der öffentlichen Hand. Hier werden Hoffnungen und Millionenbeträge in Projekte wie Politikon gesteckt, bei denen die Tendenz unübersehbar ist, dass hier online-Plattformen den Spielraum der klassischen Verlage im Lehrbuchbereich einschränken, ohne dass der Erfolg der geförderten Projekte nachhaltig sichergestellt werden kann. Durchaus zum Nachteil nicht nur für Studierende, sondern auch für all diejenigen, die sich über Jahre für ein solches Projekt als AutorInnen (und OrganisatorInnen auf Zeit) eingesetzt haben. 6. Wie nun stellen sich die Rechte von AutorInnen und HerausgeberInnen bei Verlagsprojekten dar, die online-Aktivitäten des Verlags selbst sicherstellen können und im Interesse auch des Autors bzw. Herausgebers liegen? Wichtig ist dabei der Punkt der Freiwilligkeit der Rechteübertragung. Der VS Verlag hat im Rahmen seiner ebook-Initiative bei allen 72 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht Publikationen, die auf älteren Verlagsverträgen beruhen und in denen nicht explizit das Recht der Veröffentlichung im Internet vorgesehen war, zu 98% eine nachträgliche Rechteeinräumung erhalten. Jene wenigen AutorInnen, die nicht berücksichtigt werden wollten, wurden nicht zur Partizipation ihrer Werke am VS-ebook-Paket gezwungen – müssen jedoch in Kauf nehmen, dass Bibliotheken das Recht haben, die Inhalte selbst zu digitalisieren und kostenlos anzubieten. 7. Hinsichtlich der Frage der Rechteübertragung im Zeitschriftenbereich: Hier gab es zwischenzeitlich von mehreren Seiten Unsicherheit darüber, wie Verträge aussehen sollten, die sowohl der neuen Rechtslage als auch den neuen Anforderungen im Markt gerecht werden. Hier ist der derzeit aktuelle Stand wie folgt: a) Der Verlag darf die Beiträge auch über ein Jahr hinaus nutzen. b) Auch die Möglichkeit, Teile oder Übersetzungen zu veröffentlichen, wird dem Verlag eingeräumt. c) Der Autor erhält nach einem Jahr das Recht, seinen Beitrag auf websites oder in Archive zu stellen, auch in Buchform zweitzuverwerten – allerdings muss er auf die Originalquelle als solche unter Nennung der DOI (Digital Object Identifier) verweisen und darf nicht das PDF-Manuskript des Verlags verwenden. d) Die AutorInnnen, die von Anfang an für jeden Nutzer, auch für NichtabonnentInnen, kostenfreien Zugang wünschen, bekommen dies eingeräumt, allerdings muss eine entsprechende Zahlung von Seiten des Autors, einer Organisation oder eines fördernden Gremiums erfolgen. Wieweit dieser open access-verwandte Ansatz, der dem Autor bzw. der Autorin die Wahl lässt, im deutschsprachigen Bereich der Sozialwissenschaften genutzt werden wird, ist eine der spannenden Fragen, die uns künftig begleiten werden. Fazit Wandel des digitalen Publizierens und Anpassungen auch der notwendigen Randbedingungen finden allenthalben statt. Wir sind dabei, diesen Wandel als Verlag aktiv mitzugestalten und haben dabei die Anforderungen und Wünsche der beteiligten Akteure – so unser Anspruch – aufmerksam im Blick. Dabei müssen wir voneinander lernen und Spielregeln und Möglichkeiten so entwickeln, dass alle Akteure existieren und überleben können – auch die Verlage, die wesentlich zur Organisation und zur Qualität des Publi73 Reinald Klockenbusch kationsprozesses im Dienste von Wissenschaft, Lehre und öffentlicher Wirksamkeit beitragen. Reinald Klockenbusch ist Programmleiter des VS Verlags für Sozialwissenschaften, Wiesbaden, und des Deutschen Universitäts-Verlags. 74 Letztlich zählt nur die Qualität Statement zur Problematik wissenschaftlicher Online-Publikationen Friedrich Rost Für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Rezipienten von Publikationen ist es auf den ersten Blick egal, wo und wie die für sie interessanten Texte erschienen sind oder in Zukunft erscheinen werden. Allein deren Veröffentlichung, Verfügbarkeit und vor allem deren Qualität sind entscheidende Kriterien. Erst durch die autorisierte Veröffentlichung wird aus einem wissenschaftlichen Manuskript ein zitierfähiges Dokument. Dieses kann – vor seiner Veröffentlichung – diverse Phasen der Überarbeitung, Kritik und Qualitätskontrolle durchlaufen haben. Aus der Sicht der Rezipientinnen und Rezipienten ist die Online-Publikation in Sachen Verfügbarkeit den anderen Publikationsformen überlegen, weil das Online-Dokument von Wissenschaftler-Arbeitsplätzen in der Regel direkter, schneller und bequemer zugänglich ist, sofern auf entsprechenden Servern bereitgestellt und in Datenbanken fachgerecht dokumentiert ist. Damit verbunden sind bequemere Möglichkeiten der Überprüfbarkeit, sofern Probleme der Langzeitverfügbarkeit, der Anpassung von Dokumenten an neue Programme etc. gelöst werden. Aus der Sicht der Autorinnen und Autoren sind bei Online-Dokumenten neue Darstellungsformen möglich (z.B. Einbindung von Videosequenzen in Dokumente). Eventuelle Fehler in den Dokumenten können schneller und effektiver beseitigt und ebenso Aktualisierungen vorgenommen werden. Dies sollte durch Angaben zur Version dokumentiert werden. Die Dissemination von wissenschaftlichen Ergebnissen ist durch freien Zugang zu den Dokumenten (im besten Fall Open Access) sicher am besten zu erreichen. Angesichts des zunehmenden Plagiarismus mittels cut and paste und des durchaus verständlichen Wunsches von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, ihr proprietäres Wissen u. U. auch wirtschaftlich nutzen zu wollen, wird zu überlegen sein, welche Verbreitungswege in welchem Fall angemessen sind. Sowohl aus der Sicht der VerfasserInnen als auch der RezipientInnen gibt es jedoch ein vorrangiges Kriterium, nämlich die Qualität wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Wohl wissend, dass Qualität ein relativer und interessenabhängiger Begriff ist (vgl. Harvey/Green 2000, 17, 36), haben Quali75 Friedrich Rost tätsevaluationen gezeigt, dass es selten Auffassungsunterschiede gibt hinsichtlich sehr guter und sehr schlechter Texte. Wenig Einigkeit gibt es dagegen hinsichtlich eines breiten Mittelfeldes von Texten, weil sich die individuellen Bewertungen hinsichtlich der Gewichtung von Kriterien und möglicher Schwellenwerte unterscheiden, sodass hier nur sehr allgemein auf Qualitätskriterien für wissenschaftliche Publikationen hingewiesen werden kann (vgl. zum Folgenden u. a. Balzert et al. 2008, Bohl 2005, D. H. Rost 2007, F. Rost 2008, Thiel/Rost 2001). Als Kriterien gelten Allgemeingültigkeit und Signifikanz, das meint Objektivität (besser: Intersubjektivität), Korrektheit (u. a. mehrfaches Prüfen der eigenen Ergebnisse), methodische Angemessenheit und Konsistenz, aber auch eine nichttriviale Problem- bzw. Fragestellung. Als weitere Qualitätskriterien gelten Anschlussfähigkeit (Darstellung des bisherigen Forschungsstandes in entsprechender fachkultureller Eindringtiefe) und Transparenz (ausreichende Ausführlichkeit, Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Darstellung, wobei die Kernaussage deutlich auf den Punkt gebracht sein sollte). Des Weiteren werden Elemente des Formzwangs genannt, wie z.B. Begriffsklarheit, innere Stringenz im Hinblick auf die Fragestellung, logische Argumentation, Einhalten eines adäquaten Textbauplans oder Offenlegung aller Quellen. Inwieweit sonstige Kriterien wie Aktualität, Relevanz (resp. Innovationsgehalt) oder Nutzen gewichtet werden, ist umstrittener als die sogenannten ethischen Kriterien, womit Ehrlichkeit, Fairness, Redlichkeit sowie Unabhängigkeit (insbesondere bei Auftragsforschung) angesprochen sind (keine Plagiate, keine Unterdrückung von missliebigen Quellen und Ergebnissen, keine Vertuschung von Fehlern der eigenen Untersuchung, kein Schönen der eigenen Ergebnisse). Letztlich geht es – in Bezug auf die Ergebnisse – um Seriosität, also Vertrauenswürdigkeit des Dokuments, aber auch um Reputation für die WissenschaftlerInnen und die Disziplin, denn leider werden Qualitätsurteile oft recht undifferenziert auch der gesamten Fachkultur angelastet. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als Urheber bleiben frei in ihrer Entscheidung und Verpflichtung, was und wo sie publizieren. Sie allein tragen Verantwortung für ihre Forschung wie für ihre Veröffentlichungen. Vor der Publikation sollten Texte nicht nur einer selbstreflexiven Qualitätssicherung unterzogen worden sein. Selbst wenn es keine „allein richtige Definition von Qualität“ gibt und eine „Definition von Qualität […] interessenabhängig“ ist (Harvey/Green 2000, 36), so kommen wir m. E. ohne eine Gütevorstellung nicht aus. Peer-review-Verfahren und die Möglichkeit der Vorveröffentlichung auf Preprint-Servern scheinen mir Chancen der Qualitätsverbesserung und -kontrolle zu bieten, die andere Disziplinen schon erfolgreicher nutzen. Ohne einer Zensur Vorschub leisten zu wollen, muss doch festgestellt werden, dass angesichts der wachsenden Publikationsflut die Möglich76 Roundtable: Digitales Publizieren und neues Urheberrecht keiten der Rezeption, Würdigung oder Kritik vorliegender Texte durch die scientific community stark abgenommen haben. Deshalb würde ich mir ein Online-Forum wünschen, in dem die beim Roundtable angesprochenen Punkte öffentlich diskutiert werden können. Zudem sollte die DGfE als unsere Fachgesellschaft Anstrengungen unterstützen, die – schon in der BA-Ausbildung von Studierenden beginnend – eine zunehmende Urteilsfähigkeit, also das qualifizierte Auswählen, Lesen und Schreiben von wissenschaftlichen Texten, das Verfassen von Rezensionen und Gutachten fördern. Literatur Balzert, H./Schäfer, C./Schröder, M./Kern, U./Bendisch, R./Zeppenfeld, K. (2008): Wissenschaftliches Arbeiten. Wissenschaft, Quellen, Artefakte, Organisation, Präsentation. 1. Aufl., korr. Nachdr. Herdecke: W3L-Verlag. Bohl, T. (2008): Wissenschaftliches Arbeiten im Studium der Pädagogik. Arbeitsprozesse, Referate, Hausarbeiten, mündliche Prüfungen und mehr… 3., überarb. Aufl. Weinheim: Beltz. Harvey, L./Green, D. (2000): Qualität definieren. In: Helmke, A./Hornstein, W./ Terhart, E. (Hrsg.): Qualität und Qualitätssicherung im Bildungsbereich. 41. Beiheft der Zeitschrift für Pädagogik. Weinheim: Juventa, S. 17-39. Rost, D. H. (2007): Interpretation und Bewertung pädagogisch-psychologischer Studien. Eine Einführung. 2., überarb. und erw. Aufl. Weinheim: Beltz. Rost, F. (2008): Lern- und Arbeitstechniken für das Studium. 5., vollst. aktual. u. erw. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Thiel, F./Rost, F. (2001): Wissenschaftssprache und Wissenschaftsstil. In: Hug, T. (Hrsg.): Einführung in die Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung. Baltmannsweiler: Schneider-Verlag, S. 117-134. Friedrich Rost ist Redakteur der Zeitschrift für Erziehungswissenschaft (ZfE) mit Sitz an der Freien Universität Berlin. 77 MITTEILUNGEN DES VORSTANDS Bericht über die Aktivitäten des Vorstands in der laufenden Amtsperiode Rudolf Tippelt Der Vorstand orientiert sich an seinem in Dresden (März 2008) aktualisierten Arbeitsprogramm: Nachwuchsförderung Die 4. Internationale Summer School der DGfE in Kooperation mit der EERA wurde im August 2008 erneut in Ludwigsfelde bei Berlin durchgeführt und stieß wie zuvor auf großes Interesse. 120 Nachwuchswissenschaftler/-innen arbeiteten in workshops zu quantitativen und qualitativen Forschungsmethoden. Die Auswertung der Evaluationsbögen bestätigten das positive feed back für die Referentinnen und Referenten. Die Kolleginnen und Kollegen haben nach Ansicht der Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnete Arbeit geleistet. Die DGfE hat auf Antrag vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) erneut Zuschüsse für die Summer School 2008 bekommen, was sich positiv auf die Kosten für die Teilnehmer/-innen auswirkte. Die sehr gute Nachfrage nach diesen forschungsmethodischen Schulungen legt es nahe, das Projekt auch im Jahr 2009 fortzuführen und wieder eine Summer School anzubieten. Die erfolgreiche Praxis der Kolloquien zur DFG-Forschungsberatung in Göttingen wurde im Juni 2008 ebenfalls fortgesetzt (beraten haben: H. Merkens, M. Kraul, K.-J. Tillmann, R. Tippelt). Wiederum wurde die Beratung für Nachwuchswissenschaftler/-innen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr positiv aufgenommen und evaluiert, so dass auch diese Initiative weitergeführt wird. Der nächste Termin des Forschungskolloquiums im Frühsommer 2009 wird auf der Website der DGfE angekündigt werden. Um die noch nicht promovierten Nachwuchswissenschaftler/-innen besser in die DGfE integrieren zu können, haben die Mitglieder in Dresden eine 79 Mitteilungen des Vorstands Satzungsänderung beschlossen, die eine rechtlich verbindliche Möglichkeit der assoziierten Mitgliedschaft in der DGfE ohne Promotion zulässt. Seit März 2008 bis heute konnten über 100 assoziierte Mitglieder in die DGfE neu aufgenommen werden. Da auch bei den sonstigen Neuaufnahmen der positive Trend anhält, ist die DGfE somit im letzten Jahr wiederum mitgliedsstärker geworden. Erziehungswissenschaft in der BA/MA-Struktur Auf Anregung von Mitgliedern hat der Vorstand das Thema Prüfungen in den neuen Studiengängen aufgegriffen und zu diesem Zweck eine Ad-hocArbeitsgruppe (unter Leitung von Ewald Terhart) eingerichtet. Die Arbeitsgruppe hat ein Papier erarbeitet und mit dem Vorstand abgestimmt. Die überarbeitete Kurzfassung des Diskussionsbeitrags wird in der vorliegenden Ausgabe der Erziehungswissenschaft, die Langfassung auf der DGfE-Homepage veröffentlicht. Kerncurricula Die Strukturkommission wurde gebeten, einen KC-Entwurf für nichtkonsekutive Master-Studiengänge im Hauptfach Erziehungswissenschaft mit der Studienrichtung Allgemeine Pädagogik zu entwickeln, der dann zusammen mit dem bereits erstellten KC für die konsekutiven Master-Studiengänge mit der Studienrichtung Allgemeine Pädagogik in der Erziehungswissenschaft veröffentlicht werden soll. Kooperation von DGfE-Vorstand und Sektionen In der in Dresden von der Mitgliederversammlung beschlossenen Satzungsänderung wird die bisher nur informell geregelte Kooperation zwischen DGfE-Vorstand und den Sektionen nun verbindlich gefasst. Das erste Gespräch unter der neuen Regelung hat im Herbst 2008 in Berlin stattgefunden. Internationale Kooperationen Die Zusammenarbeit mit der EERA hat sich weiter konkretisiert. Die beiden Geschäftsstellen arbeiten in einigen Bereichen, wie z.B. Kongresssoftware, Summer School etc. zusammen. Der nächste Kongress der EERA wird 2009 im Sommer an der Universität Wien durchgeführt. 80 Mitteilungen des Vorstands Die internationale Initiative zur Gründung einer World Education Research Association (WERA) ist weiter vorangekommen. Nach Treffen von jeweils ca. 20 nationalen und internationalen erziehungswissenschaftlichen Fachgesellschaften in Chicago, London, New York und zuletzt beim 4th International Meeting of Educational Research Associations in Singapur hat der DGfEVorstand beschlossen, sich weiter aktiv an den Planungen zu beteiligen und im Falle der Gründung der WERA den (nach Größe der Organisationen gestaffelten) Mitgliedsbeitrag zu entrichten. Damit ergibt sich nach der formalen Gründung vermutlich im Jahr 2009 das Recht, im Council der WERA aktiv mitzuwirken. DGfE-Kongress 2010 in Mainz Die Kongressvorbereitung ist aufgenommen; unter anderem • • • • • • hat sich ein Programmkomitee unter Leitung von K.J. Tillmann gebildet, wobei alle für das Programmkomitee nominierten KollegInnen ihre Bereitschaft zur Mitarbeit erklärt haben; wird derzeit eine Jury für den Nachwuchsförderpreis gebildet. Den Vorsitz wird H.-R. Müller übernehmen. Die Ausschreibung des Nachwuchsförderpreises erfolgt in der vorliegenden Ausgabe der Erziehungswissenschaft und wird außerdem an die Sektionsvorsitzenden geschickt werden; ist der Call for Papers beschlossen und wird zusammen mit den organisatorischen Hinweisen zur Anmeldung von Programmbeiträgen in der vorliegenden Erziehungswissenschaft sowie auf der DGfE-Homepage veröffentlicht. Die Anmeldung von Programmbeiträgen soll online in der Zeit von 30. März bis 8. Juni 2009 erfolgen (Ausschlussfrist); werden die rechtlichen Verantwortlichkeiten geklärt und ein Versicherungsschutz wurde abgeschlossen; sind die Vorbereitungen des LOK in Mainz weiter vorangeschritten; es wurden u.a. Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und des Corporate Design besprochen, eine Raumbegehung auf dem Campus durch den Vorstand ist im Frühjahr vorgesehen; wird derzeit über die Kongresssoftware entschieden. Den Kollegen/-innen aus Mainz, stellvertretend Franz Hamburger als Vorsitzendem des LOK, sei schon an dieser Stelle herzlich gedankt! 81 Mitteilungen des Vorstands Datenreport Erziehungswissenschaft 2012 In Anbindung an den Datenreport 2008, der in Zeitreihen Auskunft über die Entwicklungen und den Wandel unserer Disziplin (Studierenden- und Absolventenzahlen, Personal und Forschung) Auskunft gibt, wird der nächste Datenreport im Vier-Jahres-Rhythmus für 2012 geplant. Publikationen des Vorstands der DGfE Der Verlag Barbara Budrich als Verlagspartner der DGfE bietet für Publikationen der Sektionen und Kommissionen spezifische Konditionen, die beim Verlag oder bei der DGfE-Geschäftsstelle angefragt werden können. Folgende Publikationen des Vorstands sind vor kurzem erschienen oder derzeit im Druck: • • • 82 Kulturen der Bildung – Der Dresdener Kongressband wurde von Wolfgang Melzer und Rudolf Tippelt ediert und erscheint Anfang 2009; Steuerung durch Indikatoren. Methodologische und theoretische Reflektionen zur deutschen und internationalen Bildungsberichterstattung (hg. von R. Tippelt) – Die kontinuierliche, indikatorengestützte Information der Öffentlichkeit über Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Ergebnisse und Erträge von Bildungsprozessen soll Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeit regelmäßig steuerungsrelevante Informationen zu Entwicklungen des Bildungswesens zur Verfügung stellen. Basierend auf den Beiträgen der Herbsttagung 2007 des Vorstands in Kooperation mit dem DIPF wird im jetzt vorliegenden Band kritisch diskutiert, inwieweit Bildungssysteme steuerbar sind, welche Rolle der nationalen und internationalen Bildungsberichterstattung dabei zukommt und welche wissenschaftlich-theoretischen Anforderungen an eine indikatorengestützte Bildungsberichterstattung zu stellen sind. Will Bildungspolitik in Deutschland mit den Mitteln einer regelmäßigen Berichterstattung das Wissen über die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens erhöhen, bedarf es, parallel zur Etablierung der dauerhaften Infrastruktur für die spezifischen Bildungsberichte, auch gezielter Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie der wissenschaftlichen Klärung von Grundsatzfragen. Von zentraler Bedeutung sind dabei vor allem Fragen der theoretischen Fundierung der Indikatoren sowie der empirisch belastbaren Darlegung von Annahmen über Wirkungszusammenhänge. Promovieren – aber wie? – Die Beiträge dieser Vorstandstagung werden als Sonderheft der Erziehungswissenschaft oder als Themenblock in der nächsten Ausgabe erscheinen. Mitteilungen des Vorstands • • In der vorliegenden Ausgabe der Erziehungswissenschaft sind die Kurzbeiträge des Roundtable-Gesprächs über Digitales Publizieren und neues Urheberrecht veröffentlicht. Bildung und Kindheit: Pädagogik der frühen Kindheit in Wissenschaft und Lehre (hg. von W. Thole u.a.) – Der Band zur gemeinsam von der DGfE und der Robert Bosch Stiftung durchgeführten Tagung ist erschienen; er dokumentiert den interdisziplinären Diskurs zwischen Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie und Neurowissenschaft sowie den Austausch zwischen Wissenschaft, Praxis, Politik und Administration über dieses Thema. Weitere kurze Mitteilungen • • • • • • Die KMK lädt zu einem Empfang aus Anlass der Übernahme der KMKPräsidentschaft durch Henry Tesch am 19.1.2009 in Berlin ein. Der Vorstand war dort vertreten. Der Erziehungswissenschaftliche Fakultätentag (EWFT) hat ein Papier zur Pädagogik der frühen Kindheit verabschiedet, in das Positionen der DGfE eingeflossen sind. Der EWFT hat eine Arbeitsgruppe zur Neubestimmung der disziplinären Struktur der Erziehungswissenschaft eingesetzt. Der DGfE-Vorstand betont die Zuständigkeit der DGfE für dieses Thema und regt an, ein gemeinsames Papier dazu zu erstellen. Als Beauftragter der DGfE wird Hans-Rüdiger Müller an dieser AG mitwirken. Das Thema wird als regelmäßiger Tagesordnungspunkt auf den Vorstandssitzungen aufgenommen. Mitgliederverwaltung: Es besteht Konsens, dass so schnell wie möglich eine Mitgliederverwaltungssoftware eingeführt werden soll, die den Einzug der Mitgliedsbeiträge sowie einen Abgleich zwischen Mitgliederdatei und Sektionsdaten erleichtert. Auf der Grundlage eines vorliegenden Papiers, das die Anforderungen an die Software beschreibt, wird diese kostensparend und zeitnah implementiert werden. Der Generalsekretär der KMK hat in Beantwortung eines Schreibens des DGfE-Vorsitzenden erläutert, dass in der letzten Anhörung zur Lehrerbildung die Fachdidaktiken im Mittelpunkt standen, dass bei künftigen Anhörungen selbstverständlich die DGfE einbezogen ist. Wegen der geplanten Verschiebung der Semesterzeiten wird ein Schreiben an die Hochschulrektorenkonferenz formuliert, das zur geplanten Verschiebung der Semesterzeiten kritisch Stellung nimmt und dabei auch 83 Mitteilungen des Vorstands • auf die Frage der Schulpraktika sowie auf Auslandssemester und praktika eingeht. AECSE – Frau Delarue-Momberger, die Ansprechpartnerin der französischen Schwesterorganisation AECSE, wird zu einer Vorstandssitzung im Juli 2009 nach München eingeladen. Vorstandskommissionen und Beauftragte: • • • • • • Wissenschaftlicher Beirat des Bibliometrieprojekts (DIPF) – Ingrid Lohmann und Rudolf Tippelt sind für den DGfE-Vorstand weiterhin Mitglieder des Beirats. Eine Fragenbogenaktion des Bibliometrieprojekts zu erziehungswissenschaftlich relevanten Zeitschriften und Reihen wird vom Vorstand aktiv unterstützt. DINI, Deutsche Initiative für Netzwerkinformation – Norbert Meder bleibt bis zur Preisvergabe des derzeit ausgeschriebenen Wettbewerbs (Sommer 2009) im Vorstand der DINI; danach wird Klaus Breuer die DGfE in der DINI vertreten. EERA, European Educational Research Association – Das Treffen des EERA-Councils zur Vorbereitung der kommenden European Conference for Educational Research (ECER) in Wien fand im Januar 2009 statt. Im Council vertritt Rudolf Tippelt die DGfE. EERQI, European Educational Research Quality Indicators – Ingrid Lohmann ist Vorstandsbeauftragte für die Kooperation der DGfE mit EERQUI; die nächste EERQUI-Tagung findet vom 18. bis 19.3.2009 in Berlin statt. Strukturkommission des Vorstands – Ingrid Lohmann vertritt weiterhin den Vorstand in der Strukturkommission (Leitung: Carl-Ludwig Furck), die derzeit, neben der Empfehlung für ein Kerncurriculum Erziehungswissenschaft in Masterstudiengängen mit der Studienrichtung Allgemeine Pädagogik, Qualitätsstandards für Praktika in grundständigen erziehungswissenschaftlichen Studiengängen erarbeitet. UNESCO – Christoph Wulf vertritt die DGfE weiter in den entsprechenden UNESCO-Gremien. Vorstandstagungen 2009 Neben der Lehrerbildungstagung in Jena im Februar 2009 ist eine Vorstandstagung zum Thema Fort- und Weiterbildung für pädagogische Berufe im Kontext des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) vorgesehen. Dabei soll insbesondere die Entwicklung kommerzieller Fort- und Weiterbildungs84 Mitteilungen des Vorstands angebote außerhalb von Hochschulen in den Bereichen Erwachsenenbildung, Soziale Arbeit, Pädagogik der frühen Kindheit sowie Schule thematisiert werden. Die Veranstaltung wird am 9.-10.10. 2009 in Berlin stattfinden. Nächste Termine • • • • • • • • 20.-21.2.2009 in Jena: Lehrerbildungstagung und Vorstandssitzung 24.-25.4.2009 in Mainz: Vorstandssitzung 17.-18.7.2009 in München: Vorstandssitzung Im Juni 2009 in Göttingen: Beratung Forschungsanträge bei der DFG Im August 2009 in Ludwigsfelde bei Berlin: Summer School 9.-10.10.2009 in Berlin: Fort- und Weiterbildung für pädagogische Berufe im Kontext des Europäischen Qualifikationsrahmens – Tagung und Vorstandssitzung 18.-19.12.2009 in Berlin: Vorstandssitzung 13.-18.3.2010: DGfE-Kongress an der Universität Mainz 85 Mitteilungen des Vorstands Bildung in der Demokratie 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft 14. bis 17. März 2010 in Mainz Das Kongressthema Die Bedeutung von Bildung für eine demokratische Gesellschaft und die damit zusammenhängenden Gestaltungsfragen stehen im Zentrum des Mainzer Kongresses. Es sind verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen, die die Thematisierung von Bildung in der Demokratie zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut dringlich werden lassen, unter anderen • • • • die Herausbildung neuer und die Zementierung alter Ungleichheitsstrukturen, die Anforderungen, die sich aus ökonomischen und politischen Verunsicherungen sowie aus dem Verlust alter und dem Entstehen neuer sozialer Netzwerke und Strukturen ergeben, die kulturelle Heterogenität und die damit verbundenen Potenziale und Irritationen sowie die Gefährdungen sozialer, kultureller und politischer Partizipation, aber auch die Eroberung neuer Partizipationsfelder und -formen. Die mit diesen Themen zusammenhängenden Fragen formulieren auch Herausforderungen an die Bildungspolitik, an das Bildungssystem und nicht zuletzt an die Erziehungswissenschaft und die hier verorteten Reflexionen zu Fragen der Bildung in der Demokratie, auch weil seit Jahrzehnten das deutsche Bildungssystem durch seine besonders scharfen Selektionsformen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Gleichzeitig werden pädagogische Institutionen für ein vermeintliches oder tatsächliches Nachlassen im Engagement für die Demokratie verantwortlich gemacht. Solchen kritischen Anfragen an das Bildungssystem stehen andererseits Entwicklungen gegenüber, die als anhaltendes Streben nach Demokratisierung und als wachsende Sensibilität gegenüber freiheitseinschränkenden und gleichheitsverletzenden Maßnahmen anzusehen sind. Auch diese Entwicklungen sind in Bildung und Erziehung eingebunden, zumal wenn sie sich auf Menschen- und insbesondere Kinderrechte, auf partizipative Erziehungsstrukturen und auf Demokratie als Lebensform beziehen. Dabei sind es nicht zuletzt pädagogische Argumente, die darauf hinweisen, dass Erziehung zur 86 Mitteilungen des Vorstands Demokratie nicht in Unfreiheit geschehen kann. Das in Bildungsinstitutionen kommunizierte demokratische Gleichheitsversprechen kann jedoch nicht glaubwürdig werden, solange die pädagogischen Institutionen Ungleichheit strukturell nicht zu minimieren vermögen, sondern sogar stabilisieren. Mit dem Thema Bildung in der Demokratie sind somit auch die Praxen und die Praktiken in den pädagogischen Einrichtungen – vom Kindergarten über die Schule, die außerschulische Jugendbildung, die berufliche Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung – kritisch in den Blick zu nehmen. Zu fragen ist, welche Formen der Entschärfung sozialer Ungleichheit hier Wirklichkeit werden können; ferner, welche sozialen, kulturellen und politischen Formen der Partizipation und des demokratischen Miteinanders realisiert werden und welche verfehlt. Indem die Formen der politischen Herrschaft, in welche Bildung und Erziehung, Hilfe und Beratung eingebettet sind, untersucht werden, bezieht sich die Erziehungswissenschaft auch auf ihre eigene Geschichte. Denn als Disziplin ist sie im Spannungsfeld von Feudalismus und Aufklärung entstanden und verfügt über eine entsprechend lange Tradition der Auseinandersetzungen mit verschiedensten pädagogischen Praktiken, die von der Untertanenerziehung bis zur antiautoritären Pädagogik reichen. In Gegenwartsdiagnosen und systematischen Untersuchungen, in historischen Studien und pädagogischen Programmatiken sind diese Auseinandersetzungen in vielfältiger Weise aufzugreifen. Bildung in der Demokratie wirft zudem die Frage auf, welche Möglichkeiten zur Stärkung der Demokratie in Bildungsprozessen liegen, ebenso jedoch, wo hier die Grenzen von Erziehung und Bildung gesehen werden müssen. Die Felder und Strukturen pädagogischen Handelns zu beschreiben und zu analysieren, bedeutet insofern auch, daran zu erinnern, dass der pädagogische Anspruch auf Realisierung von Demokratie nicht die einzige Bestimmungsgröße von Erziehung und Bildung ist. Das Kongressthema lädt somit zu einem Diskurs über die Möglichkeiten demokratischer Partizipation ein, welcher die Grenzen pädagogischer Szenarien im engeren Sinne überschreitet. Erste organisatorische Hinweise Der Mainzer Kongress wird sich in Struktur und Ablauf eng anlehnen an den Kongress in Dresden 2008. Dies bedeutet, dass es sechs verschiedene Veranstaltungsformen geben wird: 1. Einleitungs- und Parallelvorträge beziehen sich auf das Kongressthema. Themen und ReferentInnen werden vom Vorstand benannt. 87 Mitteilungen des Vorstands Für die folgenden drei Veranstaltungsformen werden Vorschläge aus der Mitgliedschaft erbeten (Konzept von ca. zwei Seiten). Weil die Zahl der Veranstaltungen begrenzt ist, wählt das Programmkomitee aus den eingegangenen Vorschlägen aus (siehe unten). Vorschläge können schon jetzt vorbereitet, aber noch nicht eingereicht werden. Ein Call for Papers erscheint auf der DGfE-Homepage spätestens im April 2009. Dann müssen die Vorschläge ins Netz eingegeben werden. 2. Symposien sind vierstündig, ihre Zahl ist begrenzt (Dresden: 17). Sie müssen einen eindeutigen Bezug zum Kongressthema haben. An das Konzept, seine Begründung, an die Auswahl der Referierenden werden besonders hohe Anforderungen gestellt. In einem Symposion sind max. vier Vorträge zulässig, es muss mindestens ein Diskutand auftreten. Ein Vortrag ist von einer NachwuchswissenschaftlerIn, einer von einer ausländischen ReferentIn zu halten. 3. Arbeitsgruppen sind dreistündig, ihre Zahl richtet sich nach den verfügbaren Räumen (Dresden: 62). Sie sind thematisch frei – allerdings ist ein Bezug zum Kongressthema förderlich. Es gibt hier keine Regelungen für die Zahl der Vorträge, für NachwuchswissenschaftlerInnen, für internationale ReferentInnen. Es empfiehlt sich, darauf zu achten, dass das Programm nicht überfrachtet ist. 4. Forschungsforen sind dreistündig, sie sind in ihrer Gestaltung inhaltlich völlig freigestellt. Ihre Zahl hängt von den verfügbaren Räumen ab (Dresden: 27). Das Programmkomitee, das aus den eingegangenen Vorschlägen eine Auswahl trifft, besteht aus • • • • • • • Eckhardt Fuchs, Braunschweig Cornelia Gräsel, Wuppertal Cathleen Grunert, Halle Franz Hamburger, Mainz Marianne Krüger-Potratz, Münster/W. Burkhardt Schäffer, München Klaus-Jürgen Tillmann, Bielefeld (Vorsitzender). Im Juli 2009 soll die Entscheidung des Programmkomitees vorliegen, so dass die AntragstellerInnen dann wissen, ob ihr Vorschlag angenommen wurde. Weitere Veranstaltungsformen: 5. Worshops im Vorprogramm richten sich vor allem an NachwuchswissenschaftlerInnen. Das Vorprogramm wird vom Lokalen Organisationskomitee (LOK) in Absprache mit dem Vorstand erstellt. 88 Mitteilungen des Vorstands 6. Posterpräsentationen müssen bei der Geschäftstelle der DGfE angemeldet werden, über ihre Annahme entscheidet das LOK. Bitte reichen Sie auch hierzu jetzt noch keine Vorschläge ein, sondern warten Sie den Call for Papers (April 2009) ab. Mehrauftritts-Beschränkung Für den Mainzer Kongress gilt (wie bereits für Dresden und Frankfurt a.M.) eine Beschränkung, was die Zahl der Auftritte einer Person bei verschiedenen Veranstaltungen betrifft. Die Regelung lautet generell: Im Bereich der Parallelvorträge, Symposien und Arbeitsgruppen darf eine Person nur einmal auftreten. Dabei gilt ein Referat in einer vom Referenten organisierten Veranstaltung als ein Auftritt. Ansonsten betrifft diese Beschränkung aber auch die Rolle der Organisatoren von Veranstaltungen und der Diskutanten. Einzige Ausnahme: Ausländische KollegInnen, die zu Parallelvorträgen eingeladen werden, dürfen ein zweites Mal in einem Symposion bzw. einer AG auftreten. Diese Mehraufritts-Beschränkung gilt nicht für die anderen Veranstaltungsformen (Forschungsforen, Workshops). Zum praktischen Vorgehen: Es ist möglich und sinnvoll, dass eine Person bei den Anträgen in mehreren Veranstaltungen genannt wird. Falls dann mehr als eine Veranstaltung genehmigt wird, muss die Entscheidung für einen der vorgesehenen Auftritte fallen. 89 BERICHTE AUS DEN SEKTIONEN Sektion 1: Historische Bildungsforschung Tagungen Terminänderung: Die nächste Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung zum Thema Die Materialität der Erziehung: Zur Kultur- und Sozialgeschichte pädagogischer Objekte findet vom 19.9. bis zum 21.9.2009 im Deutschen Literaturarchiv in Marbach am Neckar statt. Karin Priem 7. Forum junger Bildungshistoriker. Nachwuchstagung 2008. Das Forum junger BildungshistorikerInnen hat sich als bildungshistorischer Treffpunkt etabliert. Davon zeugen sowohl die 14 Referentinnen und Referenten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz als auch die ansehnliche Zahl an Zuhörenden der diesjährigen Tagung. Das siebte Forum fand erstmals unter einer neuen Leitung statt: Petra Götte ersetzt Uwe Sandfuchs. Die ersten 6 Foren wurden von Uwe Sandfuchs (Dresden) und Jörg-W. Link (Potsdam) organisiert. Uwe Sandfuchs hat nach seiner Emeritierung das Staffelholz an Petra Götte (Köln) weitergegeben. Das neue Team dankt Uwe Sandfuchs für sein jahrelanges Engagement und die konstruktive sowie freundschaftliche Zusammenarbeit! Auch unter der (teilweise) neuen Leitung – Jörg-W. Link steht für die Kontinuität – kann das diesjährige Forum als gelungene Veranstaltung bezeichnet werden. Das große Interesse, auf welches die Tagung schon seit längerem stößt, hatte zur Folge, dass bei der diesjährigen Veranstaltung die Vorträge erstmals in zwei parallelen Gruppen durchgeführt wurden. Dadurch musste man sich zwar jeweils für eine Gruppe entscheiden; diese Organisationsform hatte aber den unbestreitbaren Vorteil, dass genügend Zeit für ausführliche Diskussionen zur Verfügung stand. Jasmin Schäfer (Berlin) untersucht in ihrem kunsthistorischen Dissertationsvorhaben das Motiv des spielenden Kindes in der Edukationsgrafik Daniel Chodowieckis. Sie geht dabei davon aus, dass die Grafik nicht einfach als Illustration des Textes verstanden werden soll, sondern dass – was am Beispiel von Basedows Elementarwerk veranschaulicht wurde – die Grafik über den Text hinausweist. Die Philanthropen sahen die Illustration als neues Mittel der Didaktik und setzten dieses in ihren Publikationen auch entspre91 Berichte aus den Sektionen chend ein. Damit kann diese Arbeit als bestes Beispiel dafür angesehen werden, wie fruchtbar und anregend es sein kann, wenn Nicht-Erziehungswissenschaftler sich mit bildungshistorischen Fragestellungen auseinandersetzen. Susanne Spieker (Hamburg) stellte ein Projekt vor, das sich mit der Frage beschäftigt, welche Auswirkungen die ‚Erfindung‘ von Amerika auf das entstehende Nachdenken über Erziehung hatte. Als Forschungsbeispiele standen drei verschiedene Quellenbestände zur Diskussion. Beim ersten handelt es sich um Berichte von spanischen Missionaren des 16. und 17. Jahrhunderts über ihre Tätigkeit und Erfahrungen in Mittelamerika; der zweite konzentriert sich auf zwei Schriften John Lockes; der dritte ist der LockeRezeption in der (deutschen) Aufklärung gewidmet. Ob alle drei Teilstudien realisiert werden sollen, ist noch offen. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung fanden dessen ungeachtet viel Zustimmung und zogen angeregte Diskussionen nach sich. Das Dissertationsprojekt von Franziska Timm (Berlin) ist in gewissem Sinne eine Fortführung ihrer preisgekrönten Magisterarbeit. Nachdem in dieser Arbeit das Augenmerk eher auf der Antike lag, möchte sie in dem hier vorgestellten Forschungsprojekt untersuchen, welche Rolle der ‚pädagogische Eros‘ in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion des 20. Jahrhunderts spielt. Die Arbeit, welche eingebettet ist in ein größeres Forschungsvorhaben (Geschichte der Gefühle, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung), will das Thema auf vier Untersuchungsebenen erforschen: im erziehungswissenschaftlichen Diskus, in der pädagogischen Ratgeberliteratur, in der autobiographisch beeinflussten Literatur sowie in realhistorischen Fällen, wobei in der Diskussion hauptsächlich auf die Schwierigkeiten bei der Realisierung der vierten Ebene hingewiesen wurde. Torben Kneisler (Lüneburg) widmet sich in seiner Arbeit der Rezeptionsentwicklung der Forschungsschule Piagets. Sein methodischer Zugang weist ihn als ‚Lüneburger Schüler‘ (‚Lange Wellen‘) aus. Es wurde diskutiert, dass Tabellen, Grafiken und Kurven zwar sehr eindrückliche Bewegungen symbolisieren, bestimmte hermeneutische, kategoriale und interpretative Probleme aber zuerst gelöst werden müssen, bevor gezählt werden kann. Beim vorliegenden Projekt fokussierte sich die Diskussion darauf, was genau unter Wirkung verstanden werden könne, wie sich eine Fundstelle definieren lasse oder ob, und wenn ja wie, von einer Piaget-Schule gesprochen werden könne. Mit diesen Fragen wurde aber auch deutlich, dass die Skepsis gegenüber einer empirisch-historischen Bildungsforschung Lüneburger Provenienz verbreitet ist, dies vor allem dann, wenn sich diese nicht mit der aktuellen bildungs- und erziehungsphilosophischen Fachdiskussion produktiv auseinandersetzt. 92 Berichte aus den Sektionen Susanne Barth (Trier) bot einen breiten Einblick in ein weitgehendes unerforschtes Gebiet der Historischen Bildungsforschung: die Vortragstätigkeit der Wanderlehrer im 19. Jahrhundert. Dabei konnte sie zeigen, wie vielfältig einerseits das Tätigkeitsfeld der Wanderlehrer im 19. Jahrhundert war; andererseits wurde auch deutlich, dass sich in dieser Vielfältigkeit Probleme verbergen. Quellen zur Vortragstätigkeit der Wanderlehrer müssen mühsam zusammengesucht werden, die aufwändige Recherche zwingt zu einer starken geographischen Einschränkung, so dass das Phänomen eher als mikrohistorische Studie zu bearbeiten ist denn als Überblick. Nina Grabe (Göttingen) plant eine disziplingeschichtliche Dissertation, die untersuchen möchte, wie sich die Geragogik innerhalb der Erziehungswissenschaft zur eigenständigen Teildisziplin entwickelte. Über eine enge disziplingeschichtliche Fragestellung hinaus interessiert sie die Frage, weshalb Alter nach dem zweiten Weltkrieg eine verstärkte Aufmerksamkeit erhalten hat, wie sich der Diskurs über Alter verändert hat und welche disziplinären Felder Anregungen für die Altersforschung gaben und geben. Nur über die Klärung dieser Fragestellung, so ihre These, kann der Emanzipationsprozess der Geragogik überhaupt in den Blick genommen werden. Anne Bosche (Zürich) stellte ihr Dissertationsvorhaben über die schweizerische Schulsteuerung zur Zeit der Bildungsexpansion vor. Sie untersucht in ihrer Arbeit Planung und Durchführung bildungspolitischer Reformprojekte im Kanton Zürich anhand der pädagogischen Arbeitsstelle am Pestalozzianum und der Pädagogischen Abteilung der Erziehungsdirektion. Gefragt wird nach den Bildungsreformen, die aus den Arbeiten beider Institutionen resultierten. In ihrem Vortrag referierte Bosche über die Tätigkeitsbereiche beider Institutionen. Ihre Untersuchung wird die Wirkung von Bildungsreformen anhand einer überschaubaren Region exemplarisch darstellen. Ein interessantes Forschungsthema vor dem Hintergrund des aktuell bleibenden Problems des Bildungswachstums. Karin Manz (Zürich) befasst sich in ihrem Dissertationsprojekt mit der schweizerischen, interkantonalen Schulkoordination am Beispiel des Schulkonkordats (Staatsvertrag) von 1970. Sie fragt nach bildungspolitischen Strategien, Handlungen und Mechanismen zum Schulkonkordat im Zeitraum von 1965 bis 1985. Daran will sie herausarbeiten, wie sich politische Entscheidungen entwickelten, wie sie propagiert und implementiert wurden. In ihrem Vortrag stellte Manz einzelne Akteure und Netzwerke der schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren vor. Zu ihrer Frage nach den Handlungsspielräumen der Akteure wurde vorgeschlagen, zwischen Individuen und Institutionspositionen zu trennen und zudem auf Netzwerkanalyse hingewiesen. 93 Berichte aus den Sektionen Der Kunstpädagogik in Forschung und Lehre an niedersächsischen Hochschulen widmet sich Christine Knoll (Hildesheim) in ihrer Dissertation. Dort untersucht sie Berufsbiographien der Kunstpädagogiklehrenden zwischen 1945 und 2006. Sie interessiert sich für die professionelle Entwicklung der Hochschullehrer und fragt, ob diese auf Bestehendes zurückgriffen oder Neues ausprobierten. Damit rekonstruiert sie die Entwicklung der Forschungsund Lehrinteressen. Auf der Nachwuchstagung stellte Knoll ihre ersten Untersuchungsergebnisse über Biographien von Hochschullehrenden der Universität Hildesheim vor. In der Diskussion wurde geraten, die Fragestellung zu konkretisieren, um nicht zu viele verschiedene Felder und unterschiedliche Kontexte bearbeiten zu müssen. Jeanette Bair (Tübingen) will in ihrer Dissertation die Eingliederung deutschstämmiger Flüchtlinge in der Nachkriegszeit untersuchen. Ihr Interesse richtet sich auf die aus ehemaligen deutschen Gebieten nach Westdeutschland geflohenen Kinder und Jugendlichen. Anhand von narrativen Interviews will sie Informationen über deren Lebenssituationen im Herkunfts- sowie Aufnahmegebiet, den Migrationsprozessen und Fremdheitserfahrung sammeln. Insbesondere interessiert Bair der Beitrag, den die Schule für den Integrationsprozess leistete. Da sie gerade damit beginnt, die Fragestellungen ihres Dissertationsvorhabens zu konkretisieren und das methodische Vorgehen zu planen, konnten ihr die Diskussionsteilnehmer hilfreiche Hinweise zum zielorientierten Arbeiten geben. Steffi Koslowski (Greifswald) untersucht in ihrer Dissertation den Beitrag der Zeitschrift New Era zur Internationalität der Reformpädagogik im 20. Jahrhundert. New Era diente als Kommunikations- und Kooperationsmedium der weltweiten Vernetzung pädagogisch Interessierter. In ihrem Vortrag stellte Koslowski Zielstellung, Bedeutung und Relevanz der Zeitschrift hinsichtlich der Förderung pädagogischer Internationalität vor. In der anschließenden Diskussion wurde der Referentin empfohlen, auch auf die Organisationsebene der Zeitschrift näher einzugehen. Zu fragen wäre hier nach Geldgebern, Führungsanspruch und Autoren; interessant ist ferner, wer festlegte, was veröffentlicht wurde und was nicht, denn möglicherweise wurde dadurch eine Kanonisierung befördert. Sebastian Pumberger (Wien) war der einzige Teilnehmer der Nachwuchstagung, der die Planung einer Magisterarbeit vorstellte. Darin befasst er sich mit den österreichischen Nationalpolitischen Erziehungsanstalten (NPEA). Mittels Raumtheorie will er deren Schulgebäude anhand von Gebäudegrundrissen analysieren. Seine These lautet, dass die räumliche Ausgestaltung der Schulen ein Gefühl von Überwachung und Kontrolle der Jungmannen erzeugte. Vor der geplanten Raumanalyse betreibt er Grundlagenforschung über die NPEA in Österreich. Erste Ergebnisse stellte er in seinem Vortrag vor, 94 Berichte aus den Sektionen u.a. Statistiken über Schülerzahlen und Konfessionen der NPEA-Schüler. Die Diskussionsteilnehmer rieten Pumberger, in seinen Raumuntersuchungen zwischen NPEA in ehemaligen Kadettenanstalten und in ehemaligen Klöstern zu differenzieren. Der Topographie des Schulraums widmete sich der Beitrag Daniel Blömers (Braunschweig). Er fragt in seiner Dissertation nach dem Zusammenhang von Pädagogik und Raum am Beispiel ausgewählter Gesamtschulbautypen in Braunschweig. Von Interesse ist die Umsetzung pädagogischer Konzepte und deren Beeinflussung durch die Raumgestaltung. Dazu stellte er in seinem Vortrag drei Typen räumlicher Unterbringung gegenüber: Gesamtschulen (GS) in einem Schulneubau, GS in einem nicht als Schule geplanten Gebäude sowie GS in einem vorher schon vorhandenen Schulgebäude. Mittels des Vergleichs will Blömer Aussagen über Kontinuität und Wandel räumlicher Settings treffen. Spannend ist die pädagogische Nutzung und Funktion von Raum, Material und Form auf der Bedeutungsebene von Objekten, vor allem vor dem Hintergrund, dass Schulbauten wandelbar sein müssen, um pädagogischem Wandel gerecht werden zu können. Daniel Oelbauer (Starnberg) stellte seine abgeschlossene Dissertation über Lehrmittelausstellungen und Schulmuseen vor. Lehrmittelausstellungen bestanden hauptsächlich im 19. Jahrhundert und bis 1945, Schulmuseen dagegen gibt es seit den 1980er Jahren. Für seine Untersuchung nahm sich Oelbauer alle Schulmuseen und Lehrmittelausstellungen in Bayern vor und analysierte diese literarisch, empirisch und archivalisch. Seine Ergebnisse: Lehrmittelausstellungen dienten der Beratung und Information über aktuell gebräuchliche Lehrmittel, waren eine Art Messe und Verkaufsraum von Lehrmaterialien für Lehrer. Schulmuseen dagegen sammeln, bewahren, forschen und vermitteln Wissen über historische Lehrmittel. Parallelen für beide Institutionen fanden sich vor allem bezüglich der Finanzierung und des Engagements von Lehrern. Die Nachwuchstagung war eine gelungene Veranstaltung, die den Teilnehmenden Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch und Platz für anregende Diskussionen bot. Zwar befindet sich der Großteil der Arbeiten noch im Anfangsstadium, bot aber allen Teilnehmenden bereits Stoff für konstruktive Kritik und Anregung. Erfreulicherweise präsentierten die vorgestellten Qualifikationsprojekte ein breites Spektrum an Themen und Fragestellungen. Dieses reichte von kunstgeschichtlichen Arbeiten aus dem 18. Jahrhundert über international vergleichende bis zu aktuellen disziplinpolitischen Fragestellungen. Die unterschiedlichen disziplinären Herkünfte der unter dem Dach der Historischen Bildungsforschung Referierenden erwiesen sich wieder einmal als überaus fruchtbar. 95 Berichte aus den Sektionen Für die Planung und Organisation sei nochmals Jörg-W. Link (Potsdam) und Petra Götte (Köln) gedankt, und nicht zu vergessen: Dank auch an die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF, Berlin) dafür, dass sie ihre Räumlichkeiten für die Tagung zur Verfügung stellte. Stefanie Jodda-Flintrop, Rebekka Horlacher Freund- und Feindbilder in Schulbüchern. 13. Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung an der Universität Belgrad, Serbien, 1.-3. Oktober 2009 (Call for Papers): Die historischen und sozialen Kenntnisse von Generationen von Lernenden haben sich aus der ständigen Verflechtung zahlreicher Einflüsse gebildet, und jene, die von der Schule, dem Unterricht und den verwendeten Schulbüchern in den Fächern Geschichte, Muttersprache, Geographie usw. ausgegangen sind, sind besonders bedeutungsvoll. Sehr oft spiegeln Geschichtslehrpläne und -schulbücher die Wünsche und Ziele wider, mit deren Weitergabe die Gesellschaft die Schule betraut. Die Schule fungiert offensichtlich als Vermittlerin von erwünschten Kenntnissen und als Bewahrerin gesellschaftlicher Tradition und Identität. Zugleich ist sie aber auch eine Institution, die das Denken der Lernenden prägen soll. Es liegt immer im Interesse von staatlichen Behörden, dass der Inhalt von Lehrplänen, wie er in Schulbüchern seinen Ausdruck findet, mit der herrschenden Staatsideologie übereinstimmt; zugleich soll damit – was die Bedeutung von Menschen, Ereignissen, Phänomenen und historischen Prozessen betrifft – ein klares Bildungsziel verfolgt sowie ein starkes Zugehörigkeitsgefühl vermittelt werden. Die Wertmaßstäbe, die in Schulbücher Eingang finden, sind häufig sehr stereotyp. Die in ihnen verwendeten Stereotype stellen einen besonderen Vermittlungstyp dar, der zur Ausgestaltung und Verbreitung erwünschter historischer Kenntnisse führen soll. Die Wirklichkeit mit ihren inhärenten Widersprüchen kommt dabei nicht zu ihrem Recht; vielmehr steht die Darstellung von politischen Prozessen im Zentrum, von Befreiungskriegen, von den Opfern, die zu bringen waren, und von den Nachbarn, die immer auch die Feinde sind. Historiographische, pädagogische, soziologische und ethnographischanthropologische Beiträge sind gleichermaßen willkommen, um Erklärungen dafür zu suchen, wie ‚Freunde‘ und ‚Feinde‘ zu verschiedenen Zeiten dargestellt wurden. Eine weitere Frage soll sein, weshalb in Schulbüchern häufig die Darstellung der ‚Feinde‘ im Vordergrund steht, was allenfalls auf einer ideologischen Quelleninterpretation beruhen, keineswegs aber kritischer wissenschaftlicher Analyse standhalten kann. Auf diese Weise entsteht eine andere Art von Stereotyp, das sich in Schulbüchern bis zum heutigen Tag finden lässt. 96 Berichte aus den Sektionen Kontakt und weitere Informationen: Assistenzprofessor Dr. Arsen Djurovic, Universität Belgrad, Philosophische Fakultät, Ljubina Str. 18-20, Belgrad, Serbien, E-Mail: [email protected], Tel. +381 113115075. Prof. Dr. Eva Matthes und Dr. Carsten Heinze, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Pädagogik, Universitätsstraße 10, 86159 Augsburg, Telefon 0821/ 5985564-5573, Fax 0821/5985630, E-Mail: [email protected], <http://www.philso.uni-augsburg.de/de/lehrstuehle/paedagogik/paed1/ Schulbuchforschung1/> Eva Matthes Aktivitäten Über die Aktivitäten der Sektion Historische Bildungsforschung berichtet ausführlich der jährlich erscheinende Rundbrief der Sektion Historische Bildungsforschung in der DGfE, der seit 1998 ergänzt wird durch die bildungshistorische Website ‚Historische Bildungsforschung Online‘ (HBO): <http://www.fachportal-paedagogik.de/hbo/>. Redaktion des Rundbriefs: Dr. Jörg-W. Link, Universität Potsdam, Humanwissenschaftliche Fakultät, Profilbereich Bildungswissenschaften, KarlLiebknecht-Str. 24-25, 14476 Potsdam, Tel. (0331) 977-2146, Fax (0331) 977-2063, E-Mail: [email protected]. Jörg Link 97 Berichte aus den Sektionen Sektion 2: Allgemeine Erziehungswissenschaft Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie Tagungen Die Aufgabe der Erinnerung in der Pädagogik – Symposion für Klaus Mollenhauer. Zu Ehren Klaus Mollenhauers (1928-1998) kamen im Herbst 2008 ehemalige Kolleginnen und Kollegen, Schülerinnen und Schüler wie auch langjährige Wegbegleiter an der Universität Osnabrück zu einem Symposion mit dem Thema Die Aufgabe der Erinnerung in der Pädagogik zusammen (die Veranstaltung fand mit finanzieller Unterstützung der Fritz-ThyssenStiftung statt). Dieses Thema spiegelt zugleich den Titel eines der am weitesten verbreiteten Bücher Klaus Mollenhauers, Vergessene Zusammenhänge. Über Kultur und Erziehung (Erstauflage 1983). Damit sollten über die Erinnerung an Klaus Mollenhauer hinaus auch und vor allem ‚Erinnern‘ und ‚Erinnerung‘ als ein Horizont von Problemstellungen aufgegriffen werden, die den systematischen Kernfragen theoretischer und praktischer Pädagogik selbst zugehören – von der Relevanz biographischen Erinnerns für den Bildungsprozess des Einzelnen bis hin zur Transmission von Kultur im Wechsel der Generationen. Der mit der ‚Aufgabe‘ der Erinnerung angesprochene Doppelsinn war dabei durchaus Programm. Denn die Beschäftigung mit Erinnerung und Geschichte als einer konstitutiven Dimension pädagogischen Denkens und Handelns zielte auch darauf ab, der Geschichtsvergessenheit entgegenzuwirken, die den unbestritten notwendigen Innovationsdiskursen innerhalb unserer Disziplin wie auch in den öffentlichen Bildungsdebatten gegenwärtig häufig anhaftet. Die beiden Einleitungsvorträge hielten Theodor Schulze (Bielefeld), der in seinem Versuch, „vergessene Zusammenhänge zu erinnern“, die Perspektive einer universalen Philosophie des Lernens skizzierte, und Michael Parmentier (Göttingen), der den Bildungssinn der Erinnerung im Hinblick auf unterschiedliche historisch-kulturell funktionale Ordnungen rekonstruierte. In einem ersten Themenblock ging es anschließend um die unvermeidliche Präsenz der Vergangenheit in pädagogischen Feldern. Anhand der Autobiographie von Erich Kästner behandelte Ilse Bürmann (Osnabrück) das Autobiographische Erinnern als Bearbeitung des Aufgegebenen, gefolgt von Hiromoto Makabe (Tokio), der mit Bezug auf Paul Klees Interesse an Kinderzeichnungen und Kindersprache den ästhetisch-vorsprachlichen Erinnerungen im ‚Zwischenreich‘ nachging und hierin den Ursprung primärer, symbolisch strukturierter Bildungsprozesse aufsuchte. Eher auf historische Re98 Berichte aus den Sektionen konstruktionen ausgerichtet stellte Andreas Gruschka (Frankfurt) Bilder aus der Kunstgeschichte vor (Veronese, Steen, Chardin, Runge), um im Vergleich dieser Bilddokumente die verborgenen pädagogischen Topoi und deren historisch-kulturellen Kontext herauszuarbeiten. Der zweite Themenkomplex hatte das Zukunftsfähige in unserer kulturellen Vergangenheit zum Gegenstand. Eröffnet wurde er von Christian Rittelmeyer (Kassel) mit einem Beitrag über Antike Lernlandschaften, die als Exempel für die bildende Wirkung des gegenständlichen Milieus vorgestellt wurden. Hans-Georg Herrlitz (Göttingen) beleuchtete – in Anspielung auf eine Formulierung Johann Gottfried Herders und mit Rekurs auf die Kanonfrage im Deutschunterricht im 20. Jahrhundert – die Schule als ‚Tenne‘ der literarischen Überlieferung. Im anschließenden Beitrag unternahm Yasuo Imai (Tokio) den Versuch, das von Klaus Mollenhauer geprägte Begriffspaar der „Präsentation“ und „Repräsentation“ kultureller Lebensformen auf das Feld der Medien zu übertragen, um so deren „pädagogischer Semantik“ auf die Spur zu kommen. Abgeschlossen wurde dieser Block durch den Vortrag von Meike Baader (Hildesheim) zur Historischen Bildungsforschung als Erinnerungsarbeit, in dessen Fokus die in unserer Disziplin gerade erst beginnende Aufarbeitung der 68er-Generation und ihrer Pädagogik stand. Im dritten und letzten Themenblock stand die Darstellung der Erinnerung in unterschiedlichen Medien und Formen zur Debatte. Micha Brumlik (Frankfurt) eröffnete mit einem pointierten Versuch, das kollektive Gedächtnis einer Kultur als Ergebnis eines „Kampfes um Erinnerung“ zu markieren. Am Beispiel der innerdisziplinären Kontroverse um die Verstrickungen führender Vertreter der Göttinger Pädagogik (Nohl, Weniger, Roth) in den Nationalsozialismus wurde dies exemplarisch erläutert und in der anschließenden Diskussion gleichsam praktisch fortgeführt. Mit seinem Beitrag Erinnerungsarbeit in der bildenden Kunst. Anmerkungen zu Jeff Walls ‚storyteller‘ interpretierte abschließend Uwe Uhlendorff (Dortmund) ein Bild aus der Kunstszene der Gegenwart als eine ästhetische Form der Vergegenwärtigung genuin sozialpädagogischer Dimensionen von Armut, Ausgrenzung und prekärer Lebensführung. Immer wieder tauchten in den Vorträgen und Debatten drei typische Formen des Erinnerns auf, denen sich unterschiedliche Zwecke zuordnen lassen: In der Form des Rituals wird die Erinnerung gegenwärtig gehalten, indem die dazwischen liegende Zeit ‚vernichtet‘ und in affektiv-verkörperter Weise über viele Generationen hinweg eine kulturelle Tradition lebendig gehalten wird. Diese Form der Erinnerung dient der fraglosen Vergewisserung eigener Herkünfte in einer weit über das individuelle Erinnern hinausgehenden Tradition. Anderes geschieht, wenn die Generation oder das Individuum der Jetztzeit mit einbezogen wird und die Erinnerungstätigkeit die 99 Berichte aus den Sektionen Form eines Dialogs annimmt, welcher Geschichte als Produkt einer (re-)konstruktiven Tätigkeit hervorbringt. Der reflektierte Dialog ist sich des Vergessens als Kehrseite des Erinnerns stets bewusst, er stellt der ausgesprochenen Erinnerung auch die Möglichkeit einer unausgesprochenen Erinnerung zur Seite und begreift das jeweils Erinnerte als eine Figur-Grund-Konstellation, die stets auch revisionsfähig und revidierbar ist. All diese Momente des Erinnerns sind es aber auch, die den Dialog nicht selten die Form des Kampfes annehmen lassen, in welchem um wahre und falsche Erinnerungsinhalte sowie um deren Bewertung regelrecht gerungen wird – sei es im individuellen oder im kollektiven Prozess einer erinnernden Tätigkeit. Diese Form hat vielleicht den Zweck, die eigene Verstrickung in das Geschehen der Vergangenheit zu thematisieren, ohne es je aufheben zu können. In unserer Kultur und ihren pädagogischen Feldern sind alle drei Typen des Erinnerns anzutreffen, und es bleibt eine Aufgabe künftiger Forschung, sie in ihren individuellen und kollektiven Funktionen zu analysieren, wie auch eine Aufgabe der Praxis, sie im Hinblick auf ihr individuelles und kollektives Bildungspotenzial zu ermöglichen und zu gestalten. Die Vorträge des Symposions werden in Kürze zusammen mit weiteren Beiträgen zum Thema in einer Buchpublikation erscheinen. Hans-Rüdiger Müller, Cornelie Dietrich Wirklichkeit und Erkenntnispolitik. Zur Konstruktion der Erziehungswirklichkeit – so lautete der Tagungstitel des Jahrestreffens der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie (Bildungszentrum Wolfsburg in Mülheim/ Ruhr, 1. bis 3. 10. 2008). Die Beiträge und Diskussionen kreisten um zwei thematische Schwerpunkte: Einerseits interessierte die sowohl erkenntnistheoretische als auch erkenntnispolitische Analyse von Wirklichkeitskonstruktionen im Allgemeinen, wobei sowohl wissenschafts- bzw. erkenntnistheoretische als auch wissenschaftssoziologische bzw. -historische Perspektiven und Beispiele eingebracht wurden. Andererseits widmeten sich die Beiträge Fragen der Konstruktion von Erziehungswirklichkeit und pädagogischer Erkenntnis selbst, und zwar sowohl in theoriegeschichtlicher Perspektive als auch hinsichtlich der Analyse von dominanten Theoriefiguren im gegenwärtigen erziehungswissenschaftlichen Diskurs und der gegenwärtigen Bildungsforschung und Bildungspolitik. Es referierten Mathias Gutman (Karlsruhe): Zur Funktion von Metaphern für den Aufbau von Wissenschaftssprachen; Peter Euler (Darmstadt): Zur Entwicklung des Verhältnisses von Geist und Macht: Bildung und Wissenschaft unter der Bedingung der Postpolitik; Alfred Schäfer (Halle): Der brüchige Grund symbolischer Ordnungen. Eine erkenntnispolitische Annäherung am Beispiel von Subjektivierungspraktiken; Kerstin Jergus und Christiane 100 Berichte aus den Sektionen Thompson (Halle): Die Politik der ‚Bildung‘ – eine theoretische und empirische Analyse; Thomas Höhne (Freiburg): ‚Pädagogische Qualitologie‘ – Zur wissenschaftlichen und bildungspolitischen Suche nach pädagogischer Qualität und Norbert Ricken (Bremen): Konstruktionen des Pädagogischen. Zusätzlich stellten in einem für die Kommission neuen Präsentations- und Diskussionsformat fünf Kolleginnen und Kollegen prägnante Kurzbeiträge zur Thematik Wirklichkeit und Erkenntnispolitik vor: Malte Brinkmann (Freiburg), Andreas Dörpinghaus (Würzburg), Andrea Liesner (Hamburg), Käte Meyer-Drawe (Bochum) und Gabriele Weiss (Potsdam/ Wien). Die insgesamt als erfolgreich und diskussionsdicht zu bezeichnende Tagung war auch durch eine deutlich erhöhte Anzahl von jüngeren Teilnehmerinnen und Teilnehmern geprägt, so dass – was als erfreulich gewertet wurde – der sich in den letzten Jahren schon abzeichnende Generationswechsel innerhalb der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie deutlich sichtbar geworden ist. Die Herbsttagung 2009 steht im Zeichen einer internationalen, dreisprachigen Tagung (Deutsch, Englisch, Französisch), die vom 29. bis 31. Oktober 2009 unter dem Titel Philosophy of Education and the Transformation of Educational Systems/ La Philosophie de l'Éducation et la Transformation des Systèmes Éducatifs/ Die Bildungs- und Erziehungsphilosophie und der Wandel der Bildungssysteme in Basel stattfinden wird. Diese Tagung, die zum Ziel hat, den europäischen erziehungs- und bildungsphilosophischen Diskurs zu intensivieren, wird in Zusammenarbeit von fünf erziehungsphilosophischen Assoziationen durchgeführt: International Network of Philosophers of Education (INPE), Network Philosophy of Education der European Educational Research Association (EERA), Philosophy of Education Society of Great Britain (PESGB), Société francophone de philosophie de l`éducation (Sofphied), Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE). Zugesagt haben 18 eingeladene Referentinnen und Referenten aus Belgien, Deutschland, England, Frankreich, Kanada, Irland, Schottland, Schweden und der Schweiz. Ein Call for Papers erfolgt im Frühjahr 2009. Der Sprecherkreis der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie wird die Auswahl der deutschsprachigen Beiträge vornehmen (Information: http://paedagogik.unibas.ch). Vorstand Die Zusammensetzung des Sprecherkreises der Kommission hat sich seit der Kommissionstagung 2007 verändert. Prof. Dr. Michael Wimmer (Hamburg) und Prof. Dr. Ludwig Pongratz (Darmstadt) haben ihre mehrjährigen und erfolgreichen Kommissionstätigkeiten inzwischen beendet. Der Sprecherkreis 101 Berichte aus den Sektionen setzt sich nun aus Prof. Dr. Roland Reichenbach (Basel), Sprecher, Prof. Dr. Hans-Christoph Koller (Hamburg), Kassenwart, und Prof. Dr. Norbert Ricken (Bremen), Stellvertreter, zusammen. Veröffentlichungen Die Schriftenreihe der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie erscheint seit zwei Jahren im Schöningh-Verlag, Paderborn: – – – – Wimmer, M./Reichenbach, R./Pongratz, L. (Hrsg.) (2007): Gerechtigkeit und Bildung. Schäfer, A. (Hrsg.) (2007): Kindliche Fremdheit und pädagogische Gerechtigkeit. Wimmer, M./Pongratz, L./Reichenbach, R. (Hrsg.) (2008): Bildung, Technik, Medien. Reichenbach, R./Koller, H.-Ch./Ricken, N. (Hrsg.): Wirklichkeit und Erkenntnispolitik. Zur Konstruktion der Erziehungswirklichkeit. (in Vorbereitung). Roland Reichenbach, Hans-Christoph Koller, Norbert Ricken Kommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung Tagungen Familie, Generation und Bildung. Jahrestagung der Kommission Qualitative Bildungs- und Biographieforschung (bisher: Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung), 22.–24.09.2008, Universität Osnabrück. Um den inhaltlichen und methodischen Erweiterungen in der bisherigen Kommission Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung gerecht zu werden, nahm diese Kommission in der Sektion Allgemeine Pädagogik eine Namensänderung vor. Sie heißt seit 2008: Qualitative Bildungs- und Biographieforschung. Die Kommission versteht sich damit als ein Forum qualitativer Forschung in der Erziehungswissenschaft, sofern diese Bezug nimmt auf Grundsatzfragen von Erziehung, Bildung und Sozialisation. Die Biographieorientierung wird darin vernetzt mit anderen Methodologien und Ansätzen, wie etwa dem ethnografischen Ansatz, Interaktions-, Inhalts- und Bildanalysen u.a.m. Die Osnabrücker Herbsttagung spiegelte dieses erweiterte Selbstverständnis der Kommission wider: In insgesamt 20 Beiträgen stellten die 102 Berichte aus den Sektionen Referentinnen und Referenten sehr unterschiedliche empirische Arbeiten zum Rahmenthema Familie, Generation und Bildung zur Diskussion. Das Einführungsreferat von Andreas Lange behandelte den Wandel innerfamilialer Bildungsprozesse unter den Bedingungen mehrfacher gesellschaftlicher Entgrenzungen, die anhand eines Projektes, das vor allem die Entgrenzung der Erwerbsarbeit und deren Folgen für die Familien in den Blick nimmt, erläutert wurden. Ein erster Themenblock versammelte Beiträge zu den Bereichen Lernen, Bindung und Moral. Auch hier kamen Prozesse der familialen Entgrenzung durch transkulturelle Familienarrangements einerseits (Margarete Menz), durch die Notwendigkeit arbeitsbezogener Mobilität in strukturschwachen Regionen andererseits (Tanja Rausch, Katja Lorenz) zur Sprache. Monika Witzke berichtete über ein Projekt, das Moral als interaktive Herstellungsleistung in Familien untersucht. Qualitative Interviews waren die Ausgangsquelle der Studien, welche sich mit dem Thema Familie und Gewalt beschäftigen. Die Untersuchungen von Rahel Heeg und Wassilis Kassis fragten nach der Balance zwischen Verbundenheit und Autonomie innerhalb des familiären Systems und nach dem Zusammenhang zur Gewaltentwicklung bei Mädchen. Ebenso stand bei Ulrike Loch die Perspektive der jungen Generation im Fokus, die transgenerationale Gewaltverhältnisse und Traumatisierungen als mögliche Ursache von autoaggressivem Verhalten bei Jugendlichen untersuchte. Milena Noll berichtete über ihre Untersuchungsergebnisse aus der Eltern-Perspektive; im Zentrum der Studie stand die Frage, welche Auswirkungen das Erleben von innerfamiliärer sexualisierter Gewalt in der eigenen Kindheit bei Frauen auf den Umgang mit ihren eigenen Kindern und deren Erziehung hat. Maryam Taherifard stellte eine Arbeit vor, im Rahmen derer sie Interviews mit iranischen Frauen und Mädchen zu Sexualität und weiblicher Erziehung analysiert hat. Eine weitere Arbeitsgruppe beschäftigte sich mit dem Thema Fürsorge und Alter. Während Heidrun Herzberg den Fokus auf die Verknüpfung von Biographie und Altenpflege richtete, war für Barbara Dieris und Alexandra Retkowski die Frage nach Aushandlungsprozessen innerhalb der Familie, die die Pflege der Angehörigen betreffen, leitend. Nach den Zusammenhängen zwischen schulischen und familialen Bildungs- und Lernprozessen fragten zwei weitere Referate im Themenblock Schule und Familie. Während zunächst Anja Tervooren die Differenzen zwischen beiden Instanzen theoretisch und methodologisch konturierte, berichtete Gunther Grasshoff von einem empirischen Projekt, das unterschiedliche Interaktionsstile zwischen den Generationen in (Reform-)Schule und Familie untersucht hat. Der Themenblock Familie und Bildung wurde mit dem Beitrag von Hans-Rüdiger Müller, Kathrin Borg und Dorothee Falkenreck eingeleitet. Angelehnt an ein aktuelles DFG-Projekt bildete in ihrem Beitrag die Familie 103 Berichte aus den Sektionen als Bildungsmilieu den theoretischen Ausgangspunkt, von dem aus Familienfotos als Datenmaterial interpretiert wurden. Der Beitrag von Boris Zizek präsentierte erste Ergebnisse eines Projektes, welches auf der Grundlage von lebensgeschichtlichen Interviews mit Studienanfängern und der Führung von Studien-Tagebüchern aktuelle Gestaltungslogiken des Studiums und ihre Genese unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse und sozialisatorischer Erfahrungen rekonstruiert. Janina Zölch ging der Frage nach, welche Bedeutung die Familie für die Lebens- und Bildungswege männlicher Spätaussiedler aus den Ländern der ehemaligen UdSSR hat. Die Beiträge von Christine Thon, Jutta Ecarius, Elisabeth Schlemmer und Ingrid Miethe vervollständigten diesen Themenblock, indem sie vor allem das Generationenverhältnis in Familien betonten. Während Jutta Ecarius in einem theoretischen Zugriff das Verhältnis von Generation, Familie und sozialem Milieu erläuterte, fragte Christine Thon nach Möglichkeiten weiblicher Bildungsaufstiege im empirischen Vergleich dreier Generationen. Ebenfalls mit Bildungsaufstiegen in drei Generationen, jedoch im Ost-West-Vergleich, beschäftigte sich Ingrid Miethe in ihrem Beitrag, in dem sie auch theoretische und methodische Konzeptionen sowie erste Ergebnisse präsentierte. Elisabeth Schlemmer erweiterte die Thematik um den internationalen Aspekt. Ziel ihres Projektes ist es, mit internationaler Perspektive einen Überblick über Projekte generationsübergreifender Bildungsprozesse in Schule und außerschulischen Einrichtungen zu bieten. Vorstand Auf der Mitgliederversammlung der Kommission wurde turnusmäßig ein neuer Vorstand gewählt. Ihm gehören nunmehr an: Jutta Ecarius, Heidrun Herzberg, Ingrid Miethe (stellvertr. Vorsitzende) und Hans-Rüdiger Müller (Vorsitzender). Cornelie Dietrich, Kathrin Borg, Dorothee Falkenreck Kommission Pädagogische Anthropologie Tagungen Die Bildung des Körpers – Jahrestagung 2008. Ihre Jahrestagung 2008 hat die Kommission Pädagogische Anthropologie vom 2. bis zum 4. Oktober an der Universität Frankfurt am Main abgehalten. Bei dieser von Micha Brumlik ausgerichteten Tagung wurden insgesamt 21 Vorträge gehalten, die aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven dem Thema ‚Körper‘ zugewandt waren. Vorgetragen haben: Micha Brumlik (Frankfurt am Main), Adrian 104 Berichte aus den Sektionen Schmidtke (Göttingen), Ursula Stenger (Ludwigsburg), Mie Buhl (Aarhus), Kristin Westphal (Koblenz), Siegfried Däschler-Seiler (Ludwigsburg), Peter Gansen (Giessen), Anke Lang (Erlangen), Anja Kraus (Ludwigsburg), Christoph Wulf (Berlin), Helga Kelle (Frankfurt), Antje Langer (Frankfurt am Main), Marga Günther (Frankfurt am Main), Barbara Bräutigam (Neubrandenburg), Christian Rittelmeyer (Kassel), Burkhard Müller (Berlin), Martin Mengel (Rosenthal), Matthias Winzen (Saarbrücken), Leopold Klepacki (Erlangen), Gabriele Sorgo (Wien), Benjamin Jörissen (Magdeburg). Die gesamte Tagung wie auch die einzelnen Vorträge verfolgten dabei eine doppelte Absicht. Einerseits sollte der historische Wandel in den Inszenierungs-, Organisations- und Erlebensformen von Leiblichkeit nachgezeichnet werden, andererseits ging es darum, die sich stetig wandelnden Diskurse und Diskurs-Formen zum Gegenstand ‚Körper und Leib‘ genauer in den Blick zu nehmen. Auf der im Rahmen dieser Jahrestagung abgehaltenen Mitgliederversammlung der Kommission Pädagogische Anthropologie wurde beschlossen, die nächste Jahrestagung im Oktober 2009 an der Universität Hildesheim abzuhalten. Die Tagung wird von Meike Baader ausgerichtet werden, sich dem Thema Geschlecht zuwenden und soll den Fokus insbesondere auf die historischen und aktuellen Problemkonstellationen von Männlichkeit richten. Veröffentlichungen Die Publikations-Reihe der Kommission ist mit einem weiteren Band (Pädagogische Anthropologie Bd. 18) fortgesetzt worden; er ist im Sommer 2008 erschienen und geht auf die Jahrestagung 2004 der Kommission zurück, die von Meike Baader in Potsdam ausgerichtet worden war: – Baader, M. S./Bilstein, J./Wulf, Ch. (Hrsg.) (2008): Die Kultur der Freundschaft. Praxen und Semantiken in anthropologisch-pädagogischer Perspektive. Weinheim und Basel: Beltz. 105 Berichte aus den Sektionen Sektion 3: International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft Kommission Vergleichende und Internationale Erziehungswissenschaft Kommission Bildung für eine nachhaltige Entwicklung Tagungen Gemeinsame Tagung Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule. An der Universität Göttingen fand am 9.–10. Oktober 2008 die gemeinsame Tagung der Kommissionen Vergleichende und Internationale Erziehungswissenschaft (VIE) sowie Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) zum Thema Globales Lernen und Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Schule statt, durchgeführt in Kooperation mit dem Zentrum für empirische Unterrichts- und Schulforschung (ZeUS) der GeorgAugust-Universität Göttingen. Angestrebt wurden drei Ziele: die Diskurse um Globales Lernen und um Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) zusammenzubringen; die erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Auseinandersetzung mit der Frage nach Kompetenzen und Kompetenzentwicklung im Globalen Lernen und in der Bildung für nachhaltige Entwicklung zu vertiefen; den Forschungsbedarf im Bereich Globalen Lernens/ BNE im Hinblick auf empirische Schul- und Unterrichtsforschung wie auf didaktische Theoriebildung umfassend auszuloten. Zahlreiche Wissenschaftler/innen folgten dem Call for Papers, unter ihnen erfreulich viele Nachwuchswissenschaftler/innen. Insbesondere gelang es, Personen sowohl aus der Erziehungswissenschaft als auch aus den Fachdidaktiken anzusprechen. Eröffnet wurde die Tagung durch einen Vortrag von Annette Scheunpflug (Erlangen-Nürnberg) mit dem Titel Wie ist der Lernbereich Globale Entwicklung in der Schule verankert? – Evaluation revisited. Annette Scheunpflug nahm eine umfassende Bestandsaufnahme des wissenschaftlichen Kenntnisstands über Globales Lernen in der Schule vor und bezog sich dabei auf ein Modell schulischen Lernens und dessen Bedingungs- wie Wirkungsfaktoren. Die Bestandsaufnahme kommt zu dem Ergebnis, dass es praktisch keine belastbaren empirischen Forschungsergebnisse zum Globalen Lernen in der Schule gibt. Letztlich bestünden kaum Kenntnisse darüber, wie das Arbeitsfeld Globalen Lernens tatsächlich in der Breite der schulischen und außerschulischen Bildungspraxis verankert ist – trotz der seit einigen Jahren 106 Berichte aus den Sektionen bestehenden Evaluationspraxis in diesem Feld, die sich jedoch meist nicht an Standards wissenschaftlicher Forschung orientiere. Auch die Erfassung des Outputs schulischen Lernens, die Messung der Kompetenzen im Bereich Globalen Lernens, sei bisher noch nicht möglich. Annette Scheunpflug regte an, die systematische Auseinandersetzung mit dem Konzept der Nachhaltigkeit auszubauen, eine empirische Wende in der Forschung zum Globalen Lernen einzuleiten und schließlich wissenschaftliche Gütekriterien bei Evaluationen anzulegen, um mehr Wissen zur Verankerung des Lernbereichs Globale Entwicklung in den Schulen zu generieren. Die weiteren Beiträge waren in sechs thematischen Panels organisiert. Eines beschäftigte sich mit der Frage, wie der Kompetenzbegriff im Globalen Lernen bestimmt und wie die angestrebten Kompetenzen beschrieben werden können. Marco Riekmann (Lüneburg) berichtete aus einem Forschungsprojekt, das mittels einer international angelegten Delphi-Studie Schlüsselkompetenzen für globales Denken und Handeln in der Weltgesellschaft ermittelt. Barbara Asbrand (Göttingen) beschäftigte sich aus theoretischer und empirischer Perspektive mit dem Kompetenzkonzept und analysierte auf dieser Basis die Kompetenzdebatte im Bereich Globalen Lernens. Im Anschluss an einen theoretischen Beitrag zum Kompetenzerwerb von Lehrkräften von Astrid Dinter (Weingarten) bezog Gregor Lang-Wojtasik (Weingarten) seine theoretischen Forschungsergebnisse zu einer Schultheorie in der Weltgesellschaft auf Konsequenzen für den Kompetenzdiskurs Globalen Lernens. Unter der Panelüberschrift Fächerübergreifende Bildungsanliegen beschäftigte sich Franziska Bertschys (Bern) mit unterschiedlichen Konzepten Globalen Lernens, um Schnittstellen ausfindig zu machen, die als fächerübergreifende Bildungsanliegen schulisch verankert werden könnten. Silvia Schönfelder (Göttingen) stellte ein Evaluationsprojekt der Entwicklung und Umsetzung eines innovativen Leitbildes zur Förderung außerschulischer BNE vor. Norbert Frieters (Erlangen-Nürnberg) schlug in seinem Beitrag vor, unterschiedliche Theorieperspektiven miteinander zu verbinden und so einen Reflexionsrahmen friedenspädagogischer Aktivitäten gewinnen. Berit Ötsch (Rostock) verfolgte mit ihrem Forschungsvorhaben das Ziel, die Voraussetzungen bei Lehrenden und Schüler/innen für die Menschenrechtsbildung zu erheben. Das Panel Kompetenzerwerb – empirisch eröffnete Susanne Krogull (Erlangen-Nürnberg) mit Befunden aus ihrer qualitativ-empirischen Studie zur Wirkung von Begegnungsreisen, die die Annahme in Frage stellen, dass Begegnungsreisen automatisch zu den gewünschten Lernergebnissen führen, und den Blick für die Konzeption und die Qualität der Betreuung öffnen. Im Anschluss stellten Thomas Eppenstein und Dirk Oesselmann ihr Konzept von Interkultureller Kompetenz vor. 107 Berichte aus den Sektionen In der Arbeitsgruppe, die sich mit der Realisierung von BNE/ Globalem Lernen im Fachunterricht beschäftigte, fragte Christine Künzli (PH/FH Nordwestschweiz) nach dem Potential von BNE für den Sachunterricht in der Grundschule, angesichts fehlender Theorie des Sachunterrichts Kriterien für die Begründung relevanter Themen für den Unterricht bereitzustellen. Ingo Eilks (Universität Bremen) stellte ein Kooperationsprojekt zwischen verschiedenen Fachdidaktiken und Schulen vor, in welchem Unterrichtseinheiten entwickelt, durchgeführt und im Rahmen einer partizipativen Aktionsforschung untersucht werden. In dem Beispiel Der Klimawandel vor Gericht ging es um den Erwerb von Kompetenzen zur Bewertung von Medienberichten und Handlungsoptionen zum Thema Klimawandel. Am zweiten Tag der Tagung erweiterte ein Panel die Blickrichtung international: Helmuth Hartmeyer (Wien) berichtete über Globales Lernen in österreichischen Schulen, Masashi Urabe (Tokuyama) stellte ein outputorientiertes Unterrichtsmodell für BNE aus der Sicht japanischer Didaktik vor und Sevilay Dervisoglu, Haluk Soran (Ankara), Susanne Menzel (Osnabrück) sowie Susanne Bögeholz (Göttingen) präsentierten Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zu Einflussfaktoren auf die Bereitschaft von SchülerInnen in der Türkei, die Biodiversität zu schützen. Das Panel zum Thema Kompetenzen von Lehrkräften eröffnete Werner Rieß (Freiburg) mit Ergebnissen aus einer quantitativen Untersuchung zur Bildung für Nachhaltige Entwicklung an weiterführenden Schulen in BadenWürttemberg. Annette Kemper (Münster) präsentierte ihre Ergebnisse zur BNE in der Lehrerausbildung im Fach Biologie. Sie präsentierte Befunde aus einer Studie zu Vorwissen und Einstellungen zu BNE bei Studierenden, zu Umfang und Inhalten des Studiums und zur Entwicklung spezifischer professionsbezogener Kompetenzen im Studium. Der letzte Teil der Tagung wurde parallel zu einer Tagung für die Zielgruppe der Praktiker Globalen Lernens mit dem Titel Kooperation zwischen Schulen und Nichtregierungsorganisationen im Arbeitsfeld Globalen Lernens durchgeführt, die eine gemeinsame Veranstaltung der Universitäten Göttingen und Kassel in Kooperation mit InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH) und VENRO (Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.) war. Die Überschneidung der beiden Tagungen – eine Postersession, bei der über dreißig Praxisprojekte des Globalen Lernens präsentiert wurden, der Plenumsvortrag von Martin Heinrich und eine Podiumsdiskussion – ermöglichte einen anregenden Austausch zwischen Wissenschaftlern und Praktikern im Feld Globalen Lernens. Martin Heinrich (Hannover) referierte zum Thema Implementation von Nachhaltigkeit als nachhaltige Implementation? Governanceanalysen zur BNE in der Schulentwicklung am Beispiel österreichischer Schulfallstudien. 108 Berichte aus den Sektionen Er stellte vier Thesen zum Implementationsproblem der BNE vor: die Unsicherheitsthese, die Immanenzthese, die Mechanismenthese und die Governancethese, wobei er über den Zugriff zu letzterer einen Lösungsweg für das Problem skizzierte. Martin Heinrich nimmt an, dass eine analytische Governanceforschung, die Kategorien anbietet, um die komplexen Phänomene einer BNE zu beschreiben und auf Begriffe zu bringen, den Stakeholdern helfen könne, ihre Interessen und Bedürfnisse zu artikulieren, um so einen Beitrag zu einer Good-Governance einer BNE zu leisten. Als ambivalente Quintessenz und Ausblick zugleich wurde angesprochen, dass zwar die Bedeutung der BNE mit den Beteiligten ausgehandelt werden müsse, dies aber zugleich selten innovativ sei, und sich die Frage stelle, wie solche Aushandlungsprozesse als Bildungsprozesse zu gestalten seien. Der Zuspruch, den die gemeinsame Tagung der Kommissionen VIE und BNE durch den Besuch von über 90 Teilnehmenden erfuhr, sowie die angeregten Debatten und Diskussionen sind eine Bestätigung der Zielstellung und sprechen für weitere Tagungen in der Zukunft, die fächer- und disziplinübergreifend, in Kooperation der beiden Kommissionen sowie als Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis organisiert sind. Denn eines machte die Tagung trotz der vielfältigen Beiträge auch klar: Sowohl die Implementation des Globalen Lernens bzw. der BNE in der schulischen Praxis wie die empirische und theoretische Erforschung dieses Arbeitsfeldes bedürfen in der Zukunft weiterer Anstrengungen. Barbara Asbrand, Susanne Timm, Lydia Wettstädt Veröffentlichungen Im Herbst 2006 konnte die Vergleichende Erziehungswissenschaft auf ihr vierzigjähriges Bestehen in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) zurückblicken und nahm dies zum Anlass für eine Tagung im Rahmen der Sektion International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft unter dem Thema Beschreiben – Verstehen – Interpretieren. Vorgestellt und diskutiert wurden methodische und methodologische Aspekte dieser Teildisziplin der Erziehungswissenschaft. Die in diesem Kontext gehaltenen Beiträge liegen im Frühjahr 2009 in ausgearbeiteter Form in einem vom damaligen Vorstand der SIIVE herausgegebenen Band vor. – Hornberg, S./Dirim, I./Lang-Wojtasik, G./Mecheril, P. (Hrsg.) (2009): Verstehen – Beschreiben – Interpretieren. Münster u.a.: Waxmann. – Hornberg, S./Mecheril, P. (Hrsg.) (2009): Migration und Bildung – Soziologische und erziehungswissenschaftliche Schlaglichter. Münster u.a.: Waxmann. 109 Berichte aus den Sektionen Die letzte Publikation geht auf die im Jahr 2006 durchgeführte gemeinsame Tagung der Sektion Migration und ethnische Minderheiten in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und der Sektion International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft zurück. Die Tagung diente dazu, den Austausch zwischen den bereits miteinander eng verflochtenen disziplinären Perspektiven der Soziologie und Erziehungswissenschaft auf der Ebene des institutionellen Austauschs weiter zu vertiefen. Der Sammelband entspricht im Buchformat dem Wunsch, sich aktueller wissenschaftlicher Haltungen, Themen, methodologischer Entscheidungen und Forschungsergebnisse zu vergewissern, um Kooperationen auf einer gemeinsamen Basis fortsetzen zu können. Es werden verschiedene Streitfragen des aktuellen theoretischen Diskurses thematisiert, z.B. die Frage des Umgangs mit sprachlicher Differenz. Inci Dirim 110 Berichte aus den Sektionen Sektion 4: Empirische Bildungsforschung Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht Tagungen Die Kommission Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht (KBBB) in der Sektion Empirische Bildungsforschung hat vom 1. bis 2. Oktober 2008 ihre Herbsttagung in Münster durchgeführt. Themen waren Wirkungsevaluation sowie evidenzbasierte Bildungspolitik und -praxis. Im Wesentlichen setzte sich die Tagung mit der Position auseinander, wonach Maßnahmen und Leistungen des öffentlich finanzierten Erziehungs- und Bildungssystems vor allem mit Blick auf ihre Wirkungen – im Sinne ihres individuellen oder gesellschaftlichen Nutzens – zu bewerten und zu steuern seien. Gefordert wird eine zielgerichtete Verschmelzung von Wissensproduktion, Wissenstransfer und einer praktischen Applikation von Wissen über wirksame Programme. Dies verspreche eine Bildungs- und Erziehungspraxis, die sich rationaler, wirtschaftlicher und gleichzeitig passgenauer als bisher an den Bedarfen der Adressat/innen der pädagogischen und sozialen Maßnahmen ausrichte. Gut 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung des KBBB-Sprechers Wolfgang Böttcher und des Sozialpädagogen Holger Ziegler, um Fragen zu diskutieren wie: Auf welche Formen wissenschaftlicher Wissensproduktion ist eine evidenzbasierte Bildungspolitik und -praxis angewiesen? Kann die Agenda wissenschaftlicher Wirkungsforschung überhaupt sinnvoll in eine bildungspolitische Agenda übertragen werden? Wird wissenschaftliche Forschung vor einem solchen Hintergrund gestärkt oder technokratisch vereinseitigt und in ihrer Autonomie und Kritikfähigkeit beschnitten? Durch die Unterstützung des BMBF wurde es möglich, internationale Experten zu beteiligen: Prof. David Gough (Direktor des EPPI-Centre des Institute of Education in London) sprach über Verfahren, Ergebnisse empirischer Einzelprojekte mittels unterschiedlicher Methoden zusammenzufassen (Mixed Method Systematic Reviews to Support Professional Decision Making in Education). Prof. Mikko Mäntysaari (University of Jyväskylä, Finnland) beschrieb das Konzept der realistischen Evaluation als Alternative zu experimentellen Verfahren der Evidenzgewinnung (Evidence based Practice in Social Work – A Realist Perspective). Steve Fleischman (American Institutes for Research, Washington D.C.) referierte über die Notwendigkeit, die Nutzer einzubinden, wenn es um die Produktion und Disseminierung von Evi111 Berichte aus den Sektionen denz geht (User Driven Research in Education: A Key Element Promoting Evidence-Based Education). Prof. Sue White (Lancaster University) zeigte in einem kritischen Beitrag, welche negativen Effekte technokratisch verstandene Kontrollkonzepte für die praktische Kinder- und Jugendhilfe haben können (Evidence, Qualitative Research, and Critical Reflection in Child Welfare). Für zwei weitere Hauptvorträge konnten Prof. Jörg Doll (Uni Bamberg) und Prof. Wilfried Bos (TU Dortmund) gewonnen werden. Ersterer stellte das Konzept des Nationalen Bildungspanels vor, das die empirische Bildungsforschung jenseits der pädagogisch-psychologischen Ausrichtung zu beflügeln verspricht. Bos zeigte eindrucksvoll, wie nötig – und auch machbar – es ist, Ergebnisse der Bildungsproduktion in ihren sozio-ökonomischen Kontexten zu erfassen. In den Arbeitsgruppen Lernen, Organisation, Profession und Bildungspolitik und Governance wurden 20 Vorträge renommierter Kolleginnen und Kollegen sowie einer Anzahl von Nachwuchswissenschaftern gehalten. Die Folien sind unter http://egora.uni-muenster.de/ew/qe/kbbb_herbsttagung_2008.shtml zugänglich. Die KBBB-Herbsttagung 2009 wird vom 7. bis 8. Oktober wiederum in Münster stattfinden. Sie wird in Kooperation mit der DeGEval, Gesellschaft für Evaluation e.V. ausgetragen. Der Arbeitstitel lautet Evaluation – Gesellschaft – Bildung. Die Mitgliederversammlung wird einen neuen Vorstand wählen. Veröffentlichung Die Beiträge der Herbsttagung 2007 sind erschienen: – Böttcher, W./Bos, W./Döbert, H./Holtappels, H. G. (2008) (Hrsg.): Bildungsmonitoring und Bildungscontrolling in nationaler und internationaler Perspektive. Münster et al.: Waxmann. Nina Hogrebe 112 Berichte aus den Sektionen Sektion 5: Schulpädagogik Kommission Schulforschung und Didaktik Tagungen Die Kommission führt im Jahr 2009 zwei Tagungen mit internationaler Beteiligung durch. Gemeinsam mit der Kommission Professionsforschung/ Lehrerbildung wird eine Tagung zum Thema Bildungsstandards und Kompetenzmodelle – Eine Verbesserung der Qualität von Schule, Unterricht und Lehrerbildung? ausgerichtet, die im März 2009 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg stattfinden wird. Ein Tagungsbericht erscheint in Erziehungswissenschaft, Heft 39. Vom 4. bis 7. Oktober 2009 ist in Brixen, Italien, in Zusammenarbeit mit der Freien Universität Bozen eine Tagung zum Rahmenthema Umgang mit Heterogenität geplant. Sie steht in der Tradition der Praxistagungen der Kommission und soll einen Einblick in den italienischen Fachdiskurs zum Umgang mit Heterogenität in der Schule geben sowie in die Lehrerbildung und das italienische Bildungswesen in Südtirol. Dabei interessieren uns u.a. der Umgang mit Mehrsprachigkeit und Leistungsdifferenz sowie die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderungen. Wir planen ein Zusammenspiel von einführenden wissenschaftlichen Vorträgen, Praxisbeobachtungen und Gesprächen mit Praktikerinnen und Praktikern, dem Leiter des Deutschen Schulamtes sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Ingrid Kunze Kommission Professionsforschung und Lehrerbildung Tagungen Vom 15. bis 17. September 2008 hat die Kommission Professionsforschung und Lehrerbildung auf Initiative von Johannes Mayr (Klagenfurt) gemeinsam mit der Österreichischen Gesellschaft für Forschung und Entwicklung im Bildungswesen (ÖFEB) und der Schweizerischen Gesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (SGL) an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt eine internationale Tagung zum Thema Lehrerinnen und Lehrer lernen durchgeführt. Die Tagung ermöglichte einen Austausch über Stand und Perspektiven der Lehrerfortbildung in Deutschland, der Schweiz und Österreich und vermittelte Anregungen für die Unterstützung berufsbegleitenden Ler113 Berichte aus den Sektionen nens auch aus anderen europäischen Ländern. Sie wurde von 240 Personen besucht, die praktisch, forschend oder administrativ mit der Beratung und Fortbildung von Lehrkräften befasst sind. Die Jahrestagung der Kommission stand unter dem Thema Professionelle Handlungskompetenz von Lehrkräften – Professionsforschung versus Kompetenzforschung. Sie fand vom 19. bis 20. September 2008 im Schloss Rauischholzhausen, dem Tagungshaus der Universität Gießen, statt. Vorgestellt und diskutiert wurden vor allem Forschungsarbeiten und empirische Befunde zur Professions- und Kompetenzforschung. Dabei lag das Augenmerk auch auf möglichen Überschneidungen und gemeinsamen Perspektiven der beiden Ansätze. Die nächste Tagung der Kommission wird gemeinsam mit der Kommission Schulforschung und Didaktik vom 25. bis 27. März 2009 an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg stattfinden. Das Thema der Tagung lautet: Bildungsstandards und Kompetenzmodelle – eine Verbesserung der Qualität von Schule, Unterricht und Lehrerbildung? Vorstand Jochen Wissinger und Manfred Lüders werden, nachdem sie der Kommission vier Jahre vorgestanden haben, ihre Ämter zur Verfügung stellen. Anlässlich der nächsten Tagung in Heidelberg sollen auf der Kommissionssitzung deshalb neue Vorsitzende gewählt werden. Manfred Lüders, Jochen Wissinger Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe Tagungen Europäisierung der Bildung – Konsequenzen und Herausforderungen für die Grundschulpädagogik. Die 17. Jahrestagung der Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe der DGfE fand unter der Leitung von Prof. Dr. Charlotte Röhner vom 24. bis 26. September 2008 an der Bergischen Universität in Wuppertal statt (vgl. <http://www.grundschulforschung.eu>). Im Mittelpunkt der Tagung, zu der 240 Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßt werden konnten, standen zentrale Fragen nach der Zukunft der Bildung im Primar- und Elementarbereich, die nach PISA und IGLU die Bildungsdiskussion national wie international bestimmen. Da die nationalen Bildungssysteme immer abhängiger von internationalen Bildungsstandards und Kontrollsystemen werden, muss sich die Disziplin damit aus114 Berichte aus den Sektionen einandersetzen, wie sich die Bildungssysteme der europäischen Staaten auf die neuen Anforderungen einstellen und die Bildung im Elementar- und Primarbereich ausrichten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus ganz Europa sprachen in acht Plenar- und 49 Panelvorträgen zur Entwicklung der europäischen Bildungssysteme im Primar- und Elementarbereich, zur Bedeutung interkulturellen und mehrsprachigen Lernens sowie zu ausgewählten Aspekten der Organisations- und Unterrichtsentwicklung. Eine stärkere internationale Ausrichtung der Grundschulpädagogik bleibt auch nach der Tagung eine Aufgabe unserer noch jungen Disziplin. Die 18. Jahrestagung zum Thema Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik: Perspektiven für die Grundschulpädagogik wird vom 21. bis 23. September 2009 an der Universität Hildesheim stattfinden. Charlotte E. Röhner Aloys-Fischer-Preis Auf der Jahrestagung der Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe an der Universität Wuppertal im September 2008 wurde zum ersten Mal der Aloys Fischer-Grundschulforschungspreis der Kommission verliehen. Die Jury hatte sich für eine Teilung des Preises entschieden, und zwar zum einen für eine Arbeit mit empirisch-qualitativer und zum anderen für eine Arbeit mit empirisch-quantitativer Methodik. Den Preis erhielten Dr. Marei Fetzer, Universität Frankfurt, für ihre Dissertation Interaktionen am Werk. Eine Interaktionstheorie fachlichen Lernens, entwickelt am Beispiel von Schreibanlässen im Mathematikunterricht der Grundschule, und Dr. Thilo Kleickmann, Universität Münster, für seine Dissertation Zusammenhänge fachspezifischer Vorstellungen von Grundschullehrkräften zum Lehren und Lernen mit Fortschritten von Schülerinnen und Schülern im konzeptuellen naturwissenschaftlichen Verständnis. Kontakt: Prof. Dr. Wolfgang Einsiedler, Universität Erlangen-Nürnberg, Regensburger Str. 160, 90478 Nürnberg, E-Mail: [email protected]. Vorstand Auf der gut besuchten Mitgliederversammlung der Kommission am 25. September 2008 fanden turnusgemäß Vorstandswahlen statt. Als 1. Vorsitzende der Kommission wurde Prof. Dr. Margarete Götz (Universität Würzburg, E-Mail: [email protected]) gewählt. Als 2. Vorsitzender wurde Prof. Dr. Andreas Hartinger (Universität Augsburg, E-Mail: andreas. [email protected]) wiedergewählt. Die versammelten Mitglieder dankten der bisherigen 1. Vorsitzenden Prof. Dr. Friederike Heinzel 115 Berichte aus den Sektionen (Universität Kassel), die das Amt vier Jahre wahrgenommen hat, für ihre engagierte und erfolgreiche Arbeit. Neu gewählt wurden auch die fünf Mitglieder der Jury für die Vergabe des Aloys Fischer-Grundschulforschungspreises, den die Kommission 2008 erstmalig verliehen hat. Der Preis soll erneut 2009 für herausragende Forschungsarbeiten, insbesondere von Nachwuchswissenschaftlern und – wissenschaftlerinnen, verliehen werden. Veröffentlichungen Die Ergebnisse der Jahrestagung 2007 an der FU Berlin sind inzwischen publiziert: Ramseger, J./Wagener, M. (Hrsg.) (2008): Chancenungleichheit in der Grundschule. Ursachen und Wege aus der Krise. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Auf Initiative der Kommissionsmitglieder Margarete Götz, Maria FöllingAlbers, Friederike Heinzel, Gisela Kammermeyer, Karin Müller und Hanns Petillon wurde 2008 mit der Zeitschrift für Grundschulforschung. Bildung im Elementar- und Primarbereich ein neues Publikationsorgan geschaffen. Die Zeitschrift erscheint halbjährlich im Verlag Julius Klinkhardt jeweils im Frühjahr (März/April) und im Herbst (September/Oktober). Für das Jahr 2008 sind die ersten beiden Heftnummern bereits erschienen, die sich schwerpunktmäßig mit den Themen Zeit und Lernen sowie Mathematisches Lernen (Heft 1/2008) und Genderforschung: Jungen und Mädchen in Kindertagesstätten und Grundschulen (Heft 2/2008) befassen. Das im Frühjahr 2009 erscheinende Heft widmet sich den Schwerpunktthemen Jahrgangsmischung und Didaktik des Sachunterrichts. Neben themengebundenen Beiträgen enthält jede Ausgabe auch offene Beiträge. Alle eingereichten Beiträge werden vor der Publikation einem Reviewverfahren unterzogen. Kontakt: Prof. Dr. Margarete Götz (Universität Würzburg), [email protected], Karin Müller, [email protected] Margarete Götz 116 Berichte aus den Sektionen Sektion 6: Sonderpädagogik Tagungen Leben mit dem Anderssein – Vom 4. bis 6. September 2008 fand an der Universität Oldenburg das Symposium Leben mit dem Anderssein im internationalen Kontext statt. Veranstaltet wurde es vom Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik der Universität Oldenburg (Prof. Dr. Andrea Erdélyi) in Kooperation mit dem Interdisziplinären Zentrum für Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen. Nach vorausgegangenen Tagungen in Görlitz (2004), Wien (2006) und Zürich (2007) war dies bereits die vierte Veranstaltung dieser neuen Reihe zur Internationalen Heil- und Sonderpädagogik. Anlass für Ort und Zeitpunkt war das 20-jährige Jubiläum der Arbeitsstelle Behinderung und Dritte Welt, die Studierende der Sonderpädagogik nicht nur seit rund zwei Jahrzehnten bei Praktika in Entwicklungsländern begleitet, sondern auch entwicklungspädagogische Themenstellungen im Studium der Sonderpädagogik verankert und Studierende für kulturelle Aspekte pädagogischen Handelns sensibilisiert hat, wie Dr. Peter Sehrbrock in einem Rückblick auf die bisherigen Aktivitäten herausstellte. Die Hauptvorträge des 4. Symposiums zur Internationalen Heil- und Sonderpädagogik thematisierten unterschiedliche Aspekte des Lebens mit dem Anderssein. Neben dem Eröffnungsvortrag Afrikanische Gemeinschaftsethik und Behinderung (Benézét Bujo) waren methodische Zugänge (Andrea Erdélyi), der Beitrag der interkulturellen Pädagogik zur Vergleichenden Heil- und Sonderpädagogik (HansPeter Schmidtke) und die Bedeutung interkultureller Kompetenz (Kristina Reiss) sowie eine Standortbestimmung von Heilpädagogik zwischen Eigenem und Fremden (Alois Bürli) Inhalte der Plenumsvorträge. Workshops umfassten neben den verschiedensten Fragestellungen zu Internationalen Heilund Sonderpädagogik insbesondere auch Themen zu Behinderung und Dritte Welt sowie Problemlagen im Kontext von Behinderung und Migration. Die Veranstalter planen mit dem Klinkhardt-Verlag die Publikation der Beiträge in Buchform. Die bereits bei der Tagung im Vorjahr in Zürich begonnene Diskussion über die weitere Gestaltung der Tagungsreihe und eine eventuelle organisatorische Anbindung der involvierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fand in Oldenburg ihre Fortsetzung. So wurde die Form des Symposiums in einem etwa zweijährigen Abstand als wünschenswert betrachtet. Die Form einer langfristigen Institutionalisierung der inhaltlichen Arbeit wurde ausführlich und teilweise kontrovers diskutiert. Eine Mehrheit der Anwesenden sprach sich für eine Anbindung an bestehende Strukturen der DGfE, z.B. als Kommission innerhalb der Sektion Sonderpädagogik, aus. Die Veranstal117 Berichte aus den Sektionen ter/innen des Symposiums erklärten sich abschließend bereit, diesbezüglich nähere Informationen einzuholen und entsprechende Schritte zu initiieren. Gottfried Biewer Vorstand Vom 1. bis 3. Oktober 2009 findet an der Technischen Universität Dortmund, Fakultät für Rehabilitationswissenschaften, die 45. Arbeitstagung der Dozentinnen und Dozenten der Sonderpädagogik statt. Die Tagung setzt sich mit dem Thema Umgang mit Verschiedenheit in der Lebensspanne. Behinderung – Geschlecht – kultureller Hintergrund – Alter(sphasen) auseinander. Birgit Herz 118 Berichte aus den Sektionen Sektion 8: Sozialpädagogik Kommission Sozialpädagogik Tagung Jahrestagung der Kommission im Juni 2009. Die nächste Kommissionstagung wird vom 11. bis 13. Juni 2009 in den Franckeschen Stiftungen an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stattfinden. Thema werden die aktuellen sozialpädagogischen wie sozialpolitischen Herausforderungen sein, die sich im regionalen, nationalen wie internationalen Kontext der Diskussion um den effective citizen für die Soziale Arbeit ergeben. Vorstand In der Mitgliederversammlung 2008 haben die Kommissionsmitglieder dem bisherigen Kommissionsvorstand – Jun.Prof. Dr. Peter Cloos, Prof. Dr. Gaby Flösser (Sprecherin), Prof. Dr. Franz Hamburger, Prof. Dr. Andreas Schaarschuch (Sprecher) und Prof. Dr. Wolfgang Schröer – für seine Arbeit herzlich gedankt. Als neuer Vorstand wurden gewählt: Prof. Dr. Karin Bock (Münster), Dr. Fabian Kessl (Bielefeld), Prof. Dr. Thomas Olk (Halle-Wittenberg), Prof. Dr. Wolfgang Schröer (Hildesheim), Prof. Dr. Uwe Uhlendorff (Dortmund). Als Sprecher/innen des Vorstands hat der neue Vorstand Prof. Dr. Karin Bock und Prof. Dr. Wolfgang Schröer bestimmt. Um einen kontinuierlichen und effektiven Informationsfluss unter den Kommissionsmitgliedern aufrechterhalten bzw. ausbauen zu können, wird der Vorstand eine Informationsplattform aufbauen. Diese Informationsplattform wird aus einer Homepage und einem Newsletter bestehen, über die wichtige Mitteilungen regelmäßig schnell weitergegeben werden können. Mitteilung: Neuer Masterstudiengang ‚Kindheit, Jugend, Soziale Dienste‘ an der Bergischen Universität Wuppertal. Mit Beginn des Wintersemesters 2008/2009 nimmt der neu eingerichtete Master-Studiengang Kindheit, Jugend, Soziale Dienste (Childhood, Youth and Social Services) seinen Studienbetrieb auf. Dieser neuartige, forschungsorientierte Studiengang mit einer Regelstudienzeit von vier Semestern bietet ein interdisziplinäres Studienangebot in den Bereichen der Kindheits- und Jugendsoziologie, der Sozialpädagogik (Sozialpolitik und Soziale Dienstleistungen) sowie der institutionalisierten Kinder- und Jugendhilfe, das der gewandelten Situation im Handlungsfeld der institutionellen und professionellen Auseinandersetzung mit den Lebenssituationen von Kindern und Jugendlichen in gegenwärtigen Ge119 Berichte aus den Sektionen sellschaften Rechnung trägt. Dabei verfolgt der neue Masterstudiengang als eines seiner Profilmerkmale eine internationale Ausrichtung. Mit diesem Studienangebot wird das Spektrum der vom Fachbereich G: Bildungs- und Sozialwissenschaft angebotenen Studienmöglichkeiten im Bereich der Masterabschlüsse systematisch ausgeweitet. Insbesondere für Absolventen von Bachelorstudiengängen aus pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Fächern, aber auch für Absolventen von Fachhochschulen mit Studienabschlüssen in den verschiedenen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit wird hier die Möglichkeit eines Masterabschlusses in außerschulischen Handlungsfeldern eröffnet. Aufgrund seiner Ausrichtung auf eine theoriegeleitete Empirie kann zudem die Grundlage für eine anschließende Promotion erworben werden. – Internetseiten des Studiengangs: <http://www.fbg.uni-wuppertal.de/studium/ master/makjsd/> Kontakt: Prof. Dr. Andreas Schaarschuch, E-Mail: [email protected], Tel.: +49 (0)202 439 2164, Sekretariat: Liselotte Beyer-Podewils, E-Mail: [email protected], Tel. : +49 (0)202 439 2360. Kommission Pädagogik der frühen Kindheit Tagungen Frühkindliche Bildung – Entwicklung und Förderung von Kompetenzen. Diese 6. Tagung der NachwuchswissenschaftlerInnen der Kommission PdfK wurde von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg ausgerichtet und fand vom 23. bis 24. Oktober 2008 mit freundlicher Unterstützung durch die Klaus-Tschira-Stiftung im Studio der Villa Bosch statt. Es nahmen NachwuchswissenschaftlerInnen der Universitäten Bamberg, Heidelberg, Fribourg, Bremen, Bielefeld, Hamburg, Landau, der Pädagogischen Hochschulen Ludwigsburg und Heidelberg, der Fachhochschulen Koblenz, Frankfurt am Main sowie der Stiftung Universität Heidelberg teil. Dr. Doris Edelmann richtete als Vorstandsmitglied der Kommission ein Grußwort aus und informierte über Möglichkeiten der Mitgliedschaft in der DGfE. Im Anschluss an die Eröffnung durch Kathleen Panitz (Heidelberg) und Grußworten von Prof. Dr. Manuela Welzel (PH Heidelberg) sowie Dr. Nicole Flindt (PH Heidelberg), die die Tagung wesentlich unterstützten, bildete die Vorstellung und Diskussion von insgesamt 20 Dissertations- und Habilitationsvorhaben den Kern der Tagung. Die Präsentation der Vorhaben wurde in acht Themenblöcken organisiert: 1) Blickpunkt Kinder: Kompetenzförderung (Andrea Eining, Anja Dhein, Andrea Scheele, alle PH Heidelberg); 2) Blickpunkt Erzieherin: Kompetenzentwicklung (Monika Zimmermann, PH Heidel120 Berichte aus den Sektionen berg; Melanie Bredereck, Universität Heidelberg; Dr. Simone Hess, PH Ludwigsburg); 3) Dialogische und sprachliche Entwicklung (Martin Viehauser, Universität Fribourg; Dörte Utecht, Universität Hamburg; Margarete Lamparter-Posselt, PH Ludwigsburg); 4) Im Dreieck Eltern-Kind-Erzieherin (Diana Wenzel, Universität Bremen; Dr. Dörte Weltzien, FH Koblenz; Julia Roth, PH Heidelberg); 5) Stichwort Chancengleichheit (Kaspar Burger, Universität Fribourg; Natascha Koff, Universität Bremen); 6) Interdisziplinäre Frühförderung (Dr. Sascha Bischoff, PH Heidelberg; Christiane Bischoff, PH Heidelberg); 7) Frühe Kindheit und Migration (Dr. Doris Edelmann, Fribourg; Jens Kratzmann, Universität Bamberg); 8) Pädagogische Qualität (Dr. Vanessa Reinwand, Universität Fribourg; Wilfried Smidt, Universität Bamberg). Die dargebotene Projektvielfalt zeugte von pädagogischen, sonderpädagogischen, soziologischen und bildungsphilosophischen Zugängen zu Fragen der frühen Kindheit. Angesichts dieser Heterogenität wurde die Suche nach einer gemeinsamen Sprache und Begriffsdefinition in der Disziplin Pädagogik der frühen Kindheit als Herausforderung und Notwendigkeit diskutiert. Eine kritische Diskussion entzündete sich weiter um den Begriff der Kompetenzförderung als inhärent defizitorientiert im Vergleich zum Begriff der Kompetenzentwicklung. Dabei wurde als wesentliches Moment von Kompetenzentwicklung das Aushalten von Ambivalenzen und Unsicherheiten herausgestellt. Inhalte und Ergebnisse der Nachwuchstagung werden in einem Dokument zusammengefasst und auf der Kommissions-Homepage zur Verfügung gestellt (http://www.pdfk.de). Eine Buchveröffentlichung ist geplant. Vorstand Die Mitglieder des Vorstands wurden im Rahmen der Mitgliederversammlung während des DGfE-Kongresses in Dresden im März 2008 gewählt. Wiedergewählt wurden Prof. Dr. Susanne Viernickel, Berlin (neue Vorstandssprecherin) und Prof. Dr. Hilmar Hoffmann, Düsseldorf (Finanzen). Als Nachfolgerinnen der beiden zurücktretenden Mitglieder Prof. Dr. HansGünther Roßbach (Sprecher) und Dr. Susanna Roux (Finanzen) wurden Prof. Dr. Anke König, Vechta, und Dr. Doris Edelmann, Fribourg, gewählt (Kontaktinformationen auf der neuen Homepage). Mit der Konzeption einer eigenständigen Homepage für die Kommission Pädagogik der frühen Kindheit sollen die bisherigen Kommunikationsmöglichkeiten ergänzt und die Arbeit der Kommission einem breiteren Fachpublikum geöffnet werden. Die Kommission ist jetzt unter den Adressen <http://www.pdfk.de> oder <http://www.paedagogikderfruehenkindheit.de> im Internet vertreten. 121 Berichte aus den Sektionen Aktivitäten Die Kommission ist im Austausch mit der Robert-Bosch-Stiftung, die neben ihrem Programm PiK – Profis in Kitas zur Professionalisierung frühpädagogischer Fachkräfte auch ein Programm für die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses im Bereich der Frühpädagogik auflegen wird. Eine gemeinsame Tagung Kinder unter drei Jahren in Tagesbetreuung, die nationale und internationale Forschungsaktivitäten und -ergebnisse zu dieser Thematik versammeln soll, ist in Planung. Susanne Viernickel 122 Berichte aus den Sektionen Sektion 9: Erwachsenenbildung Tagungen Professionalität zwischen Praxis, Politik und Disziplin. Jahrestagung der Sektion Erwachsenenbildung an der Freien Universität Berlin, 25. bis 27. 09. 2008. Professionelles Handeln in der Erwachsenenbildung steht seit dem Ende der 1960er Jahre im Mittelpunkt bildungspraktischer, bildungspolitischer und bildungswissenschaftlicher Problemstellungen. In den 1970er Jahren war mit dem Thema Professionalität vor allem die Frage nach Verberuflichung und Hauptberuflichkeit in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung verbunden. Ziel war die Qualitätssicherung des Programmangebots und die Verbesserung des Systematisierungsgrades der Erwachsenenbildung durch Verberuflichung. Heute wird erwachsenenbildnerisches Handeln in Praxis und Politik unter dem Aspekt der Professionalität diskutiert. Angestoßen u.a. durch Initiativen wie den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) stehen Kompetenzstandards von Erwachsenenbildnern und die Bilanzierung sowie Zertifizierung ihrer oft informell erworbenen Kompetenzen im Mittelpunkt der bildungspolitischen Diskussion. Qualität soll nicht mehr (allein) über Beruflichkeit und einen zunehmenden Grad an Systematisierung gesichert werden, sondern über neue Formen der Standardisierung professionellen Handelns: Zertifizierte individuelle Kompetenzen der pädagogischen Akteure sollen die Qualität der Bildungsangebote sichern helfen. Zugleich stellen neue Lehr- und Lernkulturen Anforderungen an professionelles Handeln, die den Aspekt pädagogischer Beratung in den Vordergrund stellen. Das Thema der Tagung wurde mit einem Vortrag von Prof. Dr. Rudolf Stichweh, Soziologe und Rektor der Universität Luzern, zum Thema Professionalität und epistemische Communities. Gegenwart und Zukunft der Professionen in der Wissensgesellschaft eingeleitet. Darin begründete er seine These, dass im 20. und 21. Jahrhundert die Globalisierung, der Aufstieg von Organisations- und Qualitätsmanagement, die Entgrenzung der Produktion wissenschaftlichen Wissens sowie die Entstehung neuer beruflicher Systeme, wie z.B. der Sozialarbeit, eine Heterogenisierung der Professionen nach sich zieht. In den fünf Arbeitsgruppen der Tagung wurde der aktuelle Forschungsstand zu den Professionellen (AG 1), zur pädagogischen Professionalität im Kontext von Organisationen (AG 2), zur Professionalisierung (AG 3), zu Kompetenzstandards und Zertifizierung (AG 4) sowie zur Professionstheorie (AG 5) vorgestellt und diskutiert. Das Tagungsprogramm findet sich auf der Homepage der Sektion, <http://steam.human.uni-potsdam.de/sektion-eb/tagungen.html>. 123 Berichte aus den Sektionen Vorstand Auf der Mitgliederversammlung der Sektion Erwachsenenbildung am 27. 09. 2008 im Anschluss an die Jahrestagung an der FU Berlin wurde der Vorstand turnusgemäß neu gewählt. Der Vorsitzende Prof. Dr. Joachim Ludwig (Universität Potsdam) und die stellvertretende Vorsitzende Prof. Dr. Christiane Hof (Universität Flensburg) wurden wiedergewählt. Prof. Dr. Christine Zeuner (Universität Hamburg) legte nach vier Jahren Vorsitz und zwei Jahren Stellvertreterin ihr Amt nieder. Ihr folgt als stellvertretender Vorsitzender Prof. Dr. Burkhard Schäffer (Universität der Bundeswehr München). Erfreulich ist der Mitgliederzuwachs in der Sektion, die inzwischen mehr als 300 Mitglieder zählt. Insbesondere die Nachwuchsgeneration ist – auch bei der Tagung – stark vertreten. Aktivitäten Vernetzung der Forschungsaktivitäten in der Sektion Erwachsenenbildung – Im Vorfeld der Jahrestagung 2008 veranstaltete die Sektion Erwachsenenbildung zwei Workshops zur Forschungsvernetzung in den Forschungsbereichen Alphabetisierung sowie Wandel in den Weiterbildungseinrichtungen. Ziel der Workshops war es, aktuelle Forschungsprojekte in diesen Forschungsfeldern miteinander zu vernetzen und gemeinsame Berührungspunkte zu identifizieren. Das Netzwerk Alphabetisierung vernetzt die Forschungsprojekte aus dem laufenden BMBF-Programm und trifft sich erneut im April 2009. Das Netzwerk Weiterbildungseinrichtungen arbeitet ebenfalls weiter zusammen und bereitet den Antrag für eine DFG-Forschergruppe vor. Zum Ende der Tagung wurde die fertiggestellte Forschungslandkarte Erwachsenenbildung/ Weiterbildung vorgestellt, ein Kooperationsprojekt der Sektion mit dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE; vgl. in diesem Heft unter Notizen aus der Forschung). Die Datenbank umfasst ca. 70% der aktuellen Forschungsprojekte im Bereich Erwachsenenbildung/ Weiterbildung und gliedert sich entsprechend dem Forschungsmemorandum <http://www.die-bonn.de/oear/forschungsmemorandum/forschungsmemorandum.htm> in fünf Forschungsbereiche. Forschungsprojekte können dort ab sofort online eingegeben und aktualisiert werden, <http://www.forschungslandkarte.info>. Die Auswertung der Forschungsprojekte ermöglicht unter dem Gesichtspunkt der Wissenschaftsforschung erstmalig ein genaueres Bild der Forschungsstrukturen im Bereich Erwachsenenbildung/ Weiterbildung. In forschungspraktischer Perspektive unterstützt die Forschungslandkarte die Vernetzung von Forschungsprojekten und das wechselseitige Anknüpfen an Theorien und Forschungsergebnisse. 124 Berichte aus den Sektionen Sektion 13: Differentielle Erziehungs- und Bildungsforschung Vorstand Im Rahmen des Kongresses der DGfE in Dresden wurde der bisherige Vorstand der Sektion Differenzielle Erziehungs- und Bildungsforschung einstimmig bestätigt. Das Sprechergremium besteht daher weiterhin aus: 1. Sprecherin Prof. Dr. Margret Dörr (Saarbrücken), 2. Sprecher Prof. Dr. Günther Holzapfel (Bremen), Kassenführung Dr. Volker Fröhlich (Würzburg). Kommission Psychoanalytische Pädagogik Tagungen Aufwachsen im Widerspruch – das Unbehagen an der Kultur, neu betrachtet. Ende September 2007 fand eine Kommissionstagung zu diesem Thema statt. Organisiert wurde sie, gemeinsam mit dem Vorstand, von unserem Kollegen Prof. Dr. Josef Christian Aigner (Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Innsbruck). Fachpolitisch war sie darauf ausgerichtet, einen konstruktiven Austausch zwischen Psychoanalytischer Pädagogik und Vertreter/innen der psychoanalytischen Kultur- und Gesellschaftsanalyse anzuregen, den Blick über eine individuumszentrierte Ebene einer Anwendung der Psychoanalyse in der Psychoanalytischen Pädagogik hinaus zu weiten. Gemeinsamer Ausgangspunkt waren die in der Freud’schen Schrift Das Unbehagen in der Kultur enthaltenen Thesen zur Kultur- und Gesellschaftsentwicklung, die in ihrer Kritik an Technikentwicklung, Rastlosigkeit, Verleugnung von Sterben und Tod, rücksichtsloser Ausbeutung der Natur (und deren Rückschlägen in Form von Katastrophen) auch derzeit von hoher Aktualität sind. Standen aber zu Freuds Zeiten angstmachende Triebunterdrückung und die daraus folgenden Aggressionen und Schuldgefühle im Mittelpunkt, so muss die Analyse der heutigen Kultur neue Zumutungen und Belastungen der Subjekte – von Kindheit an über den Prozess des Heranwachsens bis zum Alter – feststellen: Grenzenlose Mobilität, Individualismus, Erfolgsdruck und Pluralisierung der Lebensentwürfe sind nur einige Faktoren der Verunsicherung, die heutige Subjektwerdungsprozesse kennzeichnen. Entsprechend war die zentrale Leitidee der Tagung, sich der Notwendigkeit differenzierter gesellschaftstheoretischer Analysen und ihrer Schlussfolgerungen auf das Verhältnis von Triebentwicklung und Kulturentwicklung zu stellen und den Bei125 Berichte aus den Sektionen trag der Psychoanalytischen Pädagogik u.a. zur Frage der bewussten und vor allem der unbewussten Verarbeitung dieser Belastungen auszuleuchten. Zum sehr guten Gelingen dieser Tagung in einer ausgesprochen konstruktiven Arbeitsatmosphäre sicherlich beigetragen hat der wunderbare Tagungsort der Innsbrucker Universität in Obergurgl (Osttirol). So konnten die engagierten Diskussionen über das Unbehagen in der Kultur ergänzt werden um eine Wanderung in der imposanten, frisch verschneiten hochalpinen Landschaft, die wir unter fachgerechter Bergführung unternahmen, sowie durch das Behagen des abendlichen Plausches im Kaminzimmer des Tagungshauses. Wie wird Erinnerung rekonstruiert? Gemeinsame Tagung des Forums Psychoanalytische Pädagogik und Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung (organisiert von Prof. Dr. Heide von Felden und Prof. Dr. Regina Klein), 26. bis 27. 10. 2007 in Mainz, zum Thema ist erneut sehr erfolgreich verlaufen. Im Zentrum standen methodische und methodologische Zugänge zu (Re-)Konstruktionen von Erinnerungen. Thematisiert und diskutiert wurden die methodischen Regeln und erkenntnistheoretisch verankerten Verfahren, die in den unterschiedlichen fachspezifischen Traditionen jeweils genutzt werden, um Erkenntnisse zu gewinnen. Aus jüngeren Forschungsprojekten wurden die jeweils eingenommenen methodischen und methodologischen Standpunkte dargelegt, die Kontroversen diskutiert sowie spezifische Zugänge geklärt zu der Frage: Wie werden warum welche Erkenntnisse (re-)konstruiert? Dabei wurde u.a. der Umstand hervorgehoben, dass die (Re-)Konstruktion von Lebens- und Bildungsgeschichten mit einer je spezifischen Forschungsgeschichte verwoben ist: Von der Entwicklung einer Forschungsfrage, über die Wahl der Methode, die Form der Gesprächsführung oder die teilnehmende bzw. teilhabende Beobachtung bis hin zur Auswertung und Interpretation des Datenmaterials beginnt ein produktives Wechselspiel zwischen Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt, das mit der Darstellung des Erkenntnisgewinns seinen vorläufigen Abschluss findet. Besonders hervorzuheben ist, dass vor allem junge NachwuchswissenschaftlerInnen aus beiden Kommissionen sich durch die Darstellung ihrer Forschungsprojekte engagiert an dieser Tagung beteiligt haben. Aufgrund dieser wiederholt positiven Erfahrungen mit einem fruchtbaren Wissens- und Erfahrungsaustausch sind weitere gemeinsame Aktivitäten geplant. Angedacht ist eine nächste Tagung des Forums Psychoanalytische Pädagogik und Erziehungswissenschaftliche Biographieforschung für 2009 in Kärnten (Feldkirchen; Organisation: Regina Klein). 126 Berichte aus den Sektionen Die im Rahmen des DGfE-Kongresses in Dresden durchgeführten drei Arbeitsgruppen unserer Kommission stießen auf eine beachtliche Resonanz. Sowohl das jeweils große Teilnehmerinteresse als auch die anregenden Diskussionen im Anschluss an die jeweiligen Vorträge sprechen dafür, dass mit den unterschiedlichen Themen aus dem Wissenschafts- und Forschungsbereich der Psychoanalytischen Pädagogik wichtige Beiträge zum KongressThema Kulturen der Bildung geleistet wurden: In der ersten Arbeitsgruppe Kleinkinderziehung in Kinderkrippen: Annäherungen an frühe Beziehungsund Bildungsprozesse, die von Prof. Dr. Wilfried Datler (Wien) organisiert und durchgeführt wurde, stand die bisher noch zu unsystematisch stattfindende Auseinandersetzung mit dem pädagogischen Auftrag von Kinderkrippen und der Einhaltung entsprechender Qualitätskriterien im Vordergrund. Unter der Fokussierung, welche Alltagserfahrungen Kleinkinder in Krippen machen, in welcher Weise diese Alltagserfahrungen die kindliche Entwicklung beeinflussen und welche Bildungsspielräume dadurch eröffnet (oder aber auch eingeengt) werden, wurden einige Ergebnisse jüngerer Studien vorgestellt, in denen aus bildungswissenschaftlicher Perspektive Alltagserfahrungen von Kindern in Kinderkrippen untersucht wurden. Dabei galt die Aufmerksamkeit dem Belastungserleben von Kindern in Trennungssituationen sowie der Bedeutung des Verhaltens der Krippenpädagoginnen und -pädagogen (Prof. Dr. Lieselotte Ahnert, Köln/Berlin), ferner dem Stellenwert allgemeiner Qualitätskriterien von Krippen und der Entwicklung der Teilnahme von Kleinkindern an Beziehungs- und Bildungsangeboten (Mag. Michael Wininger, Wien/ Dr. Margit Datler, Wien/ Mag. Kathrin Fleischmann Wien) sowie den vorliegenden Erfahrungen mit der Integration/ Inklusion behinderter Kleinkinder in Kinderkrippen (Prof. Dr. Manfred Gerspach, Frankfurt a. Main). Quer dazu wurden die forschungsmethodische Relevanz unterschiedlicher Ansätze der empirisch-quantitativen Forschung (inkl. der Erhebung physiologischer Parameter), der psychoanalytisch-pädagogischen Kasuistik und des Ratens von videographierten Interaktionen (Dr. Katharina ErekyStevens, Oxford/ Mag. Nina Hover-Reisner, Wien) diskutiert. Die anregende Debatte im Plenum erhielt durch die interessanten Beiträge der DiskutantInnen Prof. Dr. Ursula Stenger (Düsseldorf) sowie Prof. Dr. Josef Aigner (Innsbruck) zusätzliche Unterstützung. In der zweiten Arbeitsgruppe, die gemeinsam mit der Sektion Sonderpädagogik von Birgit Herz (Hamburg) und Margret Dörr (Saarbrücken) zum Thema ‚Unkulturen‘ in Bildung und Erziehung organisiert war, stand die demokratische Bildungs- und Erziehungskultur auf dem Prüfstand. Ausgangspunkt war die These, dass Anerkennung, Partizipation, Dialog und die Achtung der Kinder- und Menschenrechtskonventionen derzeit in der pädagogischen Praxis zurückgedrängt werden und sozialtechnologische Straf-‚Päda127 Berichte aus den Sektionen gogiken‘ sowie das ‚Lob der Disziplin‘ den ordnungspolitischen Mainstream bedienen. Durch die in dieser Arbeitsgruppe initiierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den sich in schulischen und außerschulischen Einrichtungen eher verdeckt etablierenden Disziplinartechniken wurde ein konstruktives Forum bereitgestellt, das das Spannungsverhältnis zwischen differenten Kulturen in der Pädagogik kritisch zu reflektieren erlaubte. Diskutiert wurden sowohl Problemstellungen zu Kulturen und Unkulturen des ‚Grenzensetzens‘ in der Pädagogik (Prof. Dr. Rolf Göppel, Heidelberg), zu Funktionalisierenden Tendenzen im Umgang mit herausfordernden Lehr- und Lernsituationen (PD Dr. Joachim Bröcher, Köln) als auch die Frage Rückkehr zur schwarzen Pädagogik? – Von Super-Nannys und anderen Erziehungsnotständen (Dr. Elisabeth von Stechow, Gießen). Die engagierte Diskussionsbeteiligung der AG-TeilnehmerInnen kann als Ausweis dafür gelesen werden, dass es den Organisatorinnen gelungen war, ein brisantes und kontrovers zu diskutierendes Thema in der Bildungs- und Erziehungswissenschaft zur Debatte zu stellen. In der Zwischenzeit wurden die Organisatorinnen vom VS-Verlag für Sozialwissenschaften eingeladen, zu diesem Thema einen eigenen Band herauszugeben. Die dritte Arbeitsgruppe zum Thema Bildungsstandards = Kulturstandards? – Zur Wechselwirkung zwischen Subjekt- und Kulturbildung, wurde von Prof. Dr. Regina Klein und Prof. Dr. Susanne Dungs (Feldkirchen) vorbereitet und durchgeführt. Auf der Reflexionsfolie, dass Standardisierung die neue semantische Zauberformel bildet, mit der über zielscharfe Bedarfssteuerung die entgrenzte, risikobehaftete postmoderne Lage des Subjekts und seines kulturellen Raums eingrenzend und risikosteuernd nachhaltig zu meistern versucht wird, richtete sich der Fokus der Arbeitsgruppe auf eine mehrperspektivische Bedeutungs- und Wirkungsanalyse der aktuellen Standardisierungsformen für Lebenswelten und alltägliche Lebensführung. Dabei stand das dialektische, relationale, prozessuale Wechselspiel zwischen Bildungsund Kulturstandards, zwischen Subjekt- und Kulturbildung im Vordergrund, womit zugleich eine zentrale (sozial)pädagogische Herausforderung umschrieben wurde: Wie lässt sich das für Initiierung und Begleitung von (Selbst- und Welt-)Bildungsprozessen zentrale Verhältnis von Subjekt und Kultur, Individuum und Gesellschaft in reflexiver Weise bestimmen? Produktiv eingeleitet wurden die Auseinanderzusetzungen durch die Themen folgender Referate: Standard und Risiko – Subjekte im Zwang zur Selbstabrichtung (Prof. Dr. Michael Winkler, Jena); Zur prekären Reflexivität von Bildungs- und Kulturpraxen (Prof. Dr. Regina Klein, Feldkirchen) sowie Zur habituellen Körperbildung und -formung (Dr. Ute Karl, Hildesheim). Die lebhafte Diskussion im Plenum wurde inhaltlich angereichert durch die Diskutanten Prof. Dr. Susanne Dungs (Feldkirchen), Prof. Dr. Hans Thiersch 128 Berichte aus den Sektionen (Tübingen), Prof. Dr. Barbara Friebertshäuser (Frankfurt a. M.) sowie Dr. Dr. Achim Würker (Darmstadt). Schuld und Schuldgefühle – Unter diesem Titel fand vom 11. bis zum 13. 09. 2008 die Herbsttagung unserer Kommission Psychoanalytische Pädagogik in Berlin statt. Diese wurde von Prof. Dr. Jürgen Körner und Prof. Dr. Burkhard Müller (Berlin) in Kooperation mit der DENKZEIT-Gesellschaft e.V. (Berlin) erfolgreich organisiert und durch eine konsequente Interdisziplinarität bei der Beitragsauswahl äußerst gewinnbringend für die TeilnehmerInnen durchgeführt. Die Wahl der Thematik war durch den Sachverhalt (mit) angetrieben, dass die Psychoanalyse sich herkömmlich zwar mit Fragen nach Schuldgefühlen befasst, aber weniger mit realer Schuld. Demgegenüber neigt die Pädagogik allzu oft dazu, die Problematik von Schuld und Schuldgefühlen möglichst von sich fern zu halten, obgleich sie in vielen ihrer Ernstfälle unvermeidlich damit konfrontiert wird. Dagegen wissen die Theologie, die Juristik, die politische und historische Reflexion zwar von Schuld zu reden, aber beantworten nicht die pädagogisch zentralen Fragen: Was verstehen wir darunter, wenn wir fordern, unser Gegenüber müsse seine Schuld ‚durcharbeiten‘, oder wenn wir von ‚Wiedergutmachung‘ sprechen? Welche Rolle spielen wir selbst dabei, inwieweit sind wir in das Schicksal unseres Gegenübers verstrickt? Insofern fokussierte die Veranstaltung vor allem unterschiedliche professionelle Kontexte, ohne den allgemeinen ethischen und politischen Horizont zu vernachlässigen. So ist es den Mitwirkenden auf dieser Tagung gelungen, einen inhaltlich gehaltvollen interdisziplinären DialogRaum zu eröffnen, der in Form von anregenden Plenarvorträgen sowie diskussionsfreudigen Arbeitsgruppen produktiv genutzt wurde. Die Mitgliederversammlungen im Herbst 2007 in Obergurgl und 2008 in Berlin haben sich neben organisatorischen Fragen jeweils mit der Planung weiterer Tagungen befasst (siehe Tagungskalender). Zudem gibt es bereits erste Überlegungen zu einer Herbsttagung 2010. Angedacht ist eine Tagung (organisiert von Prof. Dr. Barbara Rendtorff) gemeinsam mit der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft, um das Thema der Geschlechteraspekte in der Theorie der Psychoanalytischen Pädagogik (selbst)kritisch zu vertiefen. Eine Fokussierung der Thematik ist in Vorbereitung. Vorstand Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen hat sich – im Einvernehmen mit der Mitgliederversammlung am 12.09.2008 in Berlin – die Neuwahl der SprecherInnen der Kommission auf die kommende Frühjahrstagung in Würzburg vertagt. 129 Berichte aus den Sektionen Veröffentlichungen – – – Dörr, M./Felden, v. H./Marotzki, W. (Hrsg.) (2008.): Zugänge zu Erinnerungen. Psychoanalytische und biographietheoretische Perspektiven und ihre theoretischen Rückbindungen. In: ZBBS 2008, Schwerpunktheft 1 und 2. Dörr, M./Aigner, J. Ch. (Hrsg.) (2009): Das neue Unbehagen in der Kultur und seine Folgen für die Psychoanalytische Pädagogik. Göttingen (im Druck). Dörr, M./Herz, B. (Hrsg.) (2009): (Un)Kulturen in Bildung und Erziehung. Wiesbaden (in Vorbereitung). Margret Dörr Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie Tagungen Die Jahrestagung der Kommission fand vom 6. bis 8. 6. 2008 in Germerode zum Thema Biographische Entwicklung und transformatives Lernen statt. Das Thema wurde multiperspektivisch reflektiert. Die einzelnen Perspektiven nahmen ihre Ausgangspunkte jeweils durch Impulsbeiträge von: Volker Buddrus zur Integralen Bildung; Heinrich Dauber zu ersten Ergebnissen einer salutogenetisch orientierten Untersuchung des LehrerInnenhandelns; Andrea Felbinger zur Kohärenzorientierten Lernkultur als Unterstützung biografischer Transformationsprozesse; Hartmut-W. Frech über den Fortgang einer Studie zum Thema Management und Spiritualität; Regina Mikula zur Biografie als Ort des Lernens und Horst F. Stuckenberg zu Erkenntnissen der Hirn- und Meditationsforschung nach Ulrich Ott. In ihren Gastvorträgen referierten: Florian von Rosenberg zur Verbindung von Bildungsphilosophie und Bildungsforschung und der damit verbundenen Intention, biographische Bildungsprozesse als mehrdimensionale Praxis- oder Sinnkomplexe zu verstehen, und Ivette Voelschow zu (beruflich) biographischen Entwicklungen und transformativem Lernen durch Selbstreflexion mittels Kollegialer Beratung, Supervision und Coaching in nicht-pädagogischen Berufsfeldern, am Beispiel der Polizei. Künftige Tagung der Kommission und Tagung mit Beteiligung von Kommissionsmitgliedern: 15.–17. Mai 2009: Jahrestagung der Kommission mit dem Titel Zugänge zur Stärkung der Person bei Lehrenden und Lernenden. 130 Berichte aus den Sektionen 24.–26. Juli 2009, Universität Freiburg: Gesellschaftliche Verantwortung und Spiritualität. Vorstand Auf der Jahrestagung wurden Vorstandswahlen durchgeführt, die den bisherigen Vorstand der Kommission für weitere zwei Jahre bestätigten: Sprecherin der Kommission ist PD Dr. Telse A. Iwers-Stelljes ([email protected]). Weitere Vorstandsmitglieder sind Prof. Dr. Günther Holzapfel ([email protected]), Prof. Dr. Ilse Bürmann ([email protected]) und Dr. Nils Altner ([email protected]). Veröffentlichungen – – – – Bohnsack, F. (2008): Martin Bubers personale Pädagogik. Schriftenreihe zur Humanistischen Pädagogik und Psychologie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Bohnsack, F. (2008): Schule – Verlust oder Stärkung der Person? Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Dauber, H. (2009) (2. Aufl.): Grundlagen der Humanistischen Pädagogik. Schriftenreihe zur Humanistischen Pädagogik und Psychologie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Iwers-Stelljes, T. A. (2008): Gelassen und handlungsfähig. Das Qualifizierungsmodul Integrative Introvisionsberatung (QUIB) zum Erwerb von Selbst- und Sozialkompetenz im Pädagogikstudium. Schriftenreihe zur Humanistischen Pädagogik und Psychologie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Von Telse A. Iwers-Stelljes wurde ebenfalls Heft 4/2008 der Zeitschrift für Gruppendynamik und Organisationsberatung unter dem Titel Beratung und Begleitung: Kreative Zugänge der Humanistischen Pädagogik und Psychologie mit Beiträgen von Mitgliedern der Kommission ediert. – Sobecki, M. (2008): Janusz Korczak neu entdeckt. Pädologe und Erziehungsreformer. Schriftenreihe zur Humanistischen Pädagogik und Psychologie. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Beiträge von Kommissionsmitgliedern zu dem in im Juli 2007 an der Universität Freiburg durchgeführten Kongress Wissenschaft und Spiritualität – Neue Perspektiven für die Erziehung finden sich in dem Kongressband: – Hüther, G./Roth, W./von Brück, M. (Hrsg.) (2008): Damit das Denken Sinn bekommt. Freiburg: Herder. 131 Berichte aus den Sektionen Preisverleihung. Heinrich Dauber hat gemeinsam mit Dorit Bosse und Elke Döring-Seipel für die Entwicklung und Erprobung eines 1,5-tägigen Seminarmodells Psychosoziale Basiskompetenzen im Lehrberuf den 1. Preis des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Exzellenz in der Lehre erhalten. Dieser wurde in einem Staatsakt am 19. Dezember 2008 überreicht. Das Seminarmodell dient zur subjektiven Überprüfung der Berufsmotivation und sozialen Handlungskompetenz der Lehramtsstudierenden im ersten Studienjahr. Ziel des Seminars ist es, verhaltensorientierte Lern- und Erfahrungsräume zu eröffnen, in denen Aspekte psychosozialer Kernkompetenzen geübt werden können und nicht schon im Sinne eines Assessment-Verfahrens überprüfend festgestellt werden. Dabei erhalten die Studierenden, ergänzend zur Selbsteinschätzung, von Kommilitonen wie professionellen Beratern ein differenziertes Feedback. Ab dem Wintersemester 2008/09 durchlaufen alle Lehramtsstudierenden der Universität Kassel dieses Seminar im Rahmen der Einführungsmodule. Telse Iwers-Stelljes 132 NOTIZEN AUS DER FORSCHUNG Berlin SFB Repräsentation sozialer Ordnungen im Wandel – Interkulturelle und intertemporale Vergleiche geht in die zweite Förderperiode Der im Jahre 2004 an der Humboldt-Universität zu Berlin eingerichtete Sonderforschungsbereich (SFB 640) wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach eingehender Evaluation für eine zweite vierjährige Förderperiode verlängert. Dieser SFB ist dezidiert interdisziplinär und komparativ angelegt. An ihm sind neben bekannten Vertretern der Geschichts-, Afrika-, Zentralasien- und Orientwissenschaft auch die Europäische Ethnologie und die Vergleichende Erziehungswissenschaft beteiligt. Leitendes Thema des SFB sind die Interrelationen zwischen Repräsentationen (d.h. Symbolen, Deutungsmustern, gesellschaftsweit akzeptierten Vorstellungen, Mythen oder Bildern, die soziale Wirklichkeit nicht nur darstellen, sondern auch herstellen) und sozialen Ordnungen (Systemen, gesellschaftlichen Entwürfen oder historisch-kulturellen Gesamtkonfigurationen). Beide Bezugspole sollen vorzugsweise in Prozessen des Wandels, der Umgestaltung bzw. des revolutionären Umsturzes und entsprechender Umdefinitionen erforscht werden. Die Besonderheit des SFB ist es zudem, dieses theoretische Thema in unterschiedlich geschnittenen Vergleichen – intertemporalen, innereuropäischen sowie europäisch-außereuropäischen Vergleichen – zu bearbeiten. Besonderes Gewicht kommt dabei den Vergleichseinheiten Asien (hier insbesondere Indien, Japan, Zentralasien, Mongolei, Malaysia und Mittlerer Osten), Afrika (südlich der Sahara) und Lateinamerika (insbesondere Argentinien und Mexiko) zu. Die beiden erziehungswissenschaftlichen Teilprojekte beziehen sich auf: (1) Konstruktion sozialer Deutungsmuster aus dem Geist nationaler Selbstbestimmung: Beruf und Bildung im peronistischen Argentinien und in der indischen Unabhängigkeitsbewegung, geleitet von Prof. Dr. Jürgen Schriewer Ziel des Projekts ist die vergleichend-historische Untersuchung jener semantischen Formeln, Deutungsmuster oder gesellschaftsweit geltenden Repräsentationen von ‚Arbeit‘, ‚Beruf‘ und ‚Beruflichkeit‘, welche den Aufbau unterschiedlicher Strukturen beruflicher Ausbildung maßgeblich befördert, erschwert oder gar behindert haben. Dabei macht sich das Projekt Annahmen 133 Notizen aus der Forschung über theoretisch rekonstruierbare Ordnungsprobleme und daran anknüpfende Analyseperspektiven zunutze, die aufgrund von Untersuchungen im europäischen Raum gut plausibilisiert sind. Denn diese Untersuchungen haben gezeigt, dass gesellschaftsweit sanktionierte Repräsentationen beruflichen Arbeitsvermögens keineswegs selbstverständlich sind. Solche Repräsentationen sind vielmehr in hohem Maße kulturspezifisch, in weit zurückreichenden semantischen Traditionen angelegt und durch kollektive Verarbeitungen von sozialen und ökonomischen Wandlungsprozessen geprägt. Und sie können in einschneidender Weise durch verfassungsrechtliche Prinzipien und/oder tiefgreifende Umwälzungen gesellschaftlicher Ordnungen legitimiert bzw. delegitimiert werden. Diese für Westeuropa gut bewährten Annahmen und Analyseperspektiven (Schriewer/Harney 1999) laden dazu ein, als Anregung und konzeptioneller Bezugspunkt für regional weiter ausgreifende Vergleiche zu dienen. Im Zentrum der beabsichtigten Projektarbeiten steht mithin der Stellenwert beruflicher Deutungsmuster für den Aufbau, die Ausgestaltung, die Adaptationsfähigkeit oder auch die weitgehende Informalität beruflicher Ausbildungsstrukturen in anderen, vom westlichen Europa verschiedenen zivilisatorischen Räumen. Wie schon in der ersten Förderperiode konzentriert sich das Projekt dabei auf den Vergleich zwischen einer hispanoamerikanischen (Argentinien) und einer asiatischen Gesellschaft (Indien). Ein solches Vergleichsarrangement erlaubt zum einen die Rekonstruktion der Herausbildung berufsbezogener Repräsentationen aus ganz unterschiedlichen sozialhistorischen und semantischen Voraussetzungen. Zum anderen erlaubt es die Analyse der je unterschiedlichen Überformungen, Hybridisierungen oder Verdrängungen autochthoner Deutungstraditionen durch sukzessive Transferprozesse, welche durch koloniale Abhängigkeitsstrukturen ebenso bedingt waren wie sie dann durch die technologisch-industrielle Expansionsdynamik Europas seit dem 19. Jahrhundert bzw. durch variierende politische Konstellationen des 20. Jahrhunderts inspiriert wurden. Ungeachtet der Fortführung dieses generellen Untersuchungsdesigns ist für die zweite Förderperiode die Engführung des Projekts auf andere Zeithorizonte beabsichtigt. Dominierte in der ersten Förderperiode die Langzeitperspektive, welche die Aufnahme und die Transformationen des jeweiligen Erbes aus vormoderner Zeit ins Zentrum rückte, so sollen in der zweiten Förderperiode für beide Vergleichseinheiten jeweils zeitlich begrenzte, aber einschneidende Umbruchsphasen im Zentrum stehen. Das Vergleichspaar Argentinien und Indien stellt für eine solche Perspektive ein Untersuchungsfeld von besonderer theoretischer Güte dar. Denn ungeachtet divergierender Entwicklungsprozesse und des daraus resultierenden historischen Erbes durchliefen beide Länder gegen Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend analoge Umbrüche. Diese waren auf nationale Selbstbestimmung und eine umfassende 134 Notizen aus der Forschung gesellschaftliche Transformation ausgerichtet und gingen mit entsprechenden wirtschafts- und ausbildungspolitischen Neudefinitionen Hand in Hand. Das Projekt wird sich daher auf die Umbruchsphasen konzentrieren, die mit dem argentinischen Peronismus (und hier gleich zweifach: mit seinem Aufstieg wie seinem Niedergang) bzw. mit dem Kampf um die indische Unabhängigkeit verbunden waren. Untersuchungszeiträume werden also jeweils die Jahrzehnte zwischen den 1930er und den 1960er Jahren sein. (2) Zeremonielle Pädagogik in radikalen Modernisierungsschüben agrarischer Gesellschaften: Japan, Russland und Mexiko in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, geleitet von Prof. Dr. Jürgen Schriewer in Kooperation mit Prof. Dr. Jörg Baberowski, Lehrstuhl für Osteuropageschichte Der Titel der ‚Zeremoniellen Pädagogik‘ entstammt Arbeiten zur Französischen Revolution (Mona Ozouf, Christian Harten). Der Sache nach verweist dieser metaphorische Ausdruck auf die mediale Repräsentation von Programmen für die umfassende Neu-Ordnung ganzer Staaten und Gesellschaften, wie sie typischerweise im Zusammenhang mit revolutionären Umbrüchen entworfen und politisch umgesetzt wurden. In seiner zweiten Förderperiode geht das Projekt den Erscheinungsformen zeremonieller Pädagogik im Rahmen so genannter Revolutionen von oben (Skocpol) bzw. voluntaristisch ins Werk gesetzter Modernisierungsschübe nach: im Japan der Meiji-Zeit (1868 bis etwa 1912); in den autokratischen Staatsreformen des zarischen Russland (1860-1890) und in Mexiko zur Zeit des so genannten Zweiten Liberalismus (1855-1876). In allen drei Vergleichseinheiten verbinden sich mit dem Einsatz der als zeremonielle Pädagogik bezeichneten Repräsentationsformen spezifische Intentionen. Denn sie sind in Gestalt von öffentlichen Festen, Architektur und Raumarrangements, kollektiven Ritualen, visuellen Medien oder choreographischen Inszenierungen darauf angelegt, umfassende Neuordnungsentwürfe, die kontrafaktisch gegen die hergebrachten gesellschaftlichen Strukturen gerichtet sind, einschließlich der solche Entwürfe legitimierenden Ideologien oder (Geschichts-) Mythen, breitenwirksam zu vermitteln und sozialisatorisch zu verankern. Aufgrund solcher Intentionalität werden im Rahmen dieses Projektes nicht nur die auf soziale Ordnungen verweisenden (darstellenden) und die soziale Ordnung ihrerseits konstituierenden (herstellenden) Aspekte von Repräsentation angesprochen. Was gleichermaßen im Zentrum der Analysen stehen wird, sind vielmehr auch die solchen Repräsentationen zugeschriebenen Potentiale visueller Beeindruckung, emotionaler Überwältigung und/oder bewusstseinsformender Ausstrahlung. In diesem Sinne wird das Projekt vorzugsweise auf den instrumentellen Stellenwert der untersuchten Formen zeremonieller Pädagogik eingehen und ihre Wirkungsmächtigkeit in Bezug auf Fragen kultureller Homogenisierung, ge135 Notizen aus der Forschung sellschaftlicher Integration, sozialer Mobilisierung und/oder politischer Systemkonsolidierung analysieren. Jürgen Schriewer (Humboldt-Universität) Bonn/Potsdam Forschungslandkarte Erwachsenen- und Weiterbildung online Initiiert von der Sektion Erwachsenenbildung der DGfE und dem Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) wurden 2007 in einer Umfrage erstmalig an deutschen Hochschulen im Bereich der Sektion Informationen über Projekte erhoben, in deren Fokus Forschungsfragen zur Erwachsenen- und Weiterbildung und zum lebensbegleitenden Lernen stehen. Rund 200 Forschungsarbeiten fanden so Eingang in die Forschungslandkarte Erwachsenen- und Weiterbildung, die die Projekte auf der Website des DIE online präsentiert (www.forschungslandkarte.info). Die Forschungslandkarte wurde außerdem um rund 120 am DIE angesiedelte Vorhaben ergänzt, sodass erstmals ein umfassender Überblick über den wesentlichen Teil der Forschungsaktivitäten zum lebensbegleitenden Lernen Erwachsener möglich ist. Die Forschungslandkarte stellt mit ihren Informationen eine wichtige Grundlage für zukünftige Forschungsprojekte, aber auch für Bildungspraktiker und bildungspolitische Entscheider dar. Ein am Forschungsmemorandum für die Erwachsenen- und Weiterbildung orientierter Katalog garantiert den NutzerInnen einen schnellen inhaltlichen Einstieg in aktuelle und abgeschlossene Projekte zu einem Themenbereich. Darüber hinaus ist eine bequeme Recherche etwa nach Personen, Institutionen oder Stichworten möglich. Bei differenzierteren Fragestellungen bspw. zu Forschungsverfahren können darüber hinausgehende Datenbankabfragen vom DIE realisiert werden. Prof. Dr. Joachim Ludwig (Universität Potsdam, Vorsitzender der Sektion Erwachsenenbildung der DGfE) hat die bisher erhobenen Informationen ausgewertet. Die ersten Einblicke in die Forschungslandschaft der Erwachsenen- und Weiterbildung zeigen, dass ein deutlicher Schwerpunkt auf dem Gebiet des Lernens Erwachsener liegt und ein Trend in der Verbindung quantitativer und qualitativer Ansätze bei den Forschungsmethoden erkennbar ist. Die Forschungslandkarte dient somit nicht nur der Darstellung, sondern auch der Profilbildung der Erwachsenen- und Weiterbildungswissenschaft. Aber bei der geschilderten Momentaufnahme soll es nicht bleiben. Die Sektion Erwachsenenbildung/Weiterbildung der DGfE lädt alle Akteure an den deutschen, aber auch an den österreichischen und schweizerischen Hochschulen dazu ein, sich aktiv an der Forschungslandkarte zu beteiligen. Ab 136 Notizen aus der Forschung sofort können Informationen zu Forschungsprojekten von den beteiligten Personen selbst online ergänzt bzw. neue Vorhaben eingegeben werden. Dazu ist eine einmalige Registrierung beim DIE erforderlich. Entsprechende Anfragen sollten per E-Mail an [email protected] gerichtet werden. Kontakt. Prof. Dr. Joachim Ludwig, E-Mail: [email protected]; Ansprechpartnerin im DIE: Karin Frößinger, E-Mail: [email protected] Erfurt Der Unterrichtsbegriff in pädagogischen Nachschlagewerken Projektleitung/Team: Prof. Dr. M. Lüders, J. Eisenhut Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft Laufzeit: 01.01.09-30.06.09 Kurzbeschreibung: Das Projekt ist im Schnittfeld von systematisch pädagogischer Forschung und empirischer Wissenschaftsforschung angesiedelt. Es geht der Frage nach, wie die Schulpädagogik einen ihrer zentralen Begriffe, den Begriff des Unterrichts, seit 1949 bestimmt und nach der Verlagerung nahezu der gesamten Lehrerbildung an die Universitäten sowie unter dem Einfluss der ‚realistischen Wende’ weiterentwickelt hat. Für die Beantwortung dieser Frage werden Beiträge zum Stichwort Unterricht in pädagogischen Nachschlagewerken analysiert. Im Zentrum der Analyse stehen Definitionen des Unterrichtsbegriffs und dazugehörige Erklärungseinheiten, die im Hinblick auf Eindeutigkeit, Klarheit und Theoriehaltigkeit untersucht werden sollen. Ziel des Projekts ist es nachzuzeichnen, ob und in welchem Ausmaß es der Schulpädagogik bisher gelungen ist, einen ihrer zentralen Begriffe aus traditionellen, der Praxis der Lehrerbildung verpflichteten Verwendungsweisen herauszulösen, im Kontext wissenschaftlicher Forschungen und Theorien zu verankern und sich dadurch als wissenschaftliche Teildisziplin der Erziehungswissenschaft zu konstituieren. Kontakt: Prof. Dr. M. Lüders, Lehrstuhl für Schul- und Grundschulpädagogik, FB Erziehungswissenschaften, Universität Erfurt, Nordhäuser Str. 63, 99089 Erfurt. 137 Notizen aus der Forschung Hamburg Männer und Grundschule (MäGs) – Gleichstellung und Diversity an der Fakultät forschend entwickeln Projektleitung/Team: Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland (Leitung), Miriam Redlich (Dipl. Soz.wiss.), Barbara Scholand (M. A.) (wissenschaftliche Mitarbeiterinnen) Gefördert durch: Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft (EPB) der Universität Hamburg Laufzeit: Juli 2008 – Juni 2011 Kurzbeschreibung: Insgesamt ist der Stand der (Geschlechter-) Gleichstellung an der Fakultät EPB der Universität Hamburg bereits weit entwickelt, auch wenn noch lange kein paritätischer Anteil bei den Professuren erreicht ist und bei den Promotionen Männer im Verhältnis zu ihrem Anteil an den Studierenden überproportional vertreten sind. Schaut man auf die Gruppe der Studierenden, ist hier jedoch das zahlenmäßige Geschlechterverhältnis nur in der Bewegungswissenschaft ausgeglichen. Sowohl in der Erziehungswissenschaft als auch in der Psychologie ist es jedoch weit von einer 50:50-Verteilung entfernt. Besonders unausgewogen ist das Geschlechterverhältnis im Studiengang Bachelor Primarstufe und Sekundarstufe I mit 88% weiblichen zu lediglich 12% männlichen Studierenden. Diese Zahlen stehen gesellschaftlichen Entwicklungen und Gleichstellungszielen entgegen: Eine kleine Bewegung ‚neuer’ Väter bzw. männlicher Bezugspersonen engagiert sich zwar seit einigen Jahren vermehrt in Erziehungs- und Betreuungsarbeit – wenn sich dieser Trend jedoch verstärken soll, dann muss die Arbeit mit Kindern als Bereich erkennbar sein, in dem selbstverständlich Männer tätig sind. Das betrifft vor allem die Bereiche Kindergarten – für den die universitäre Ausbildung (bisher) nicht zuständig ist – und Grundschule. Eine Gleichverteilung von Lehrerinnen und Lehrern auf den verschiedenen Ebenen des Bildungssystems würde den Schülerinnen und Schülern ein Bild von Geschlechtergerechtigkeit vermitteln, das zukünftigen Entwicklungen angemessen ist. Aus den o.g. Zahlenverhältnissen ergeben sich für das bei der Gleichstellungsstelle der Fakultät angesiedelte Forschungsprojekt Männer und Grundschule – MäGs folgende Fragen und Untersuchungsaufgaben: Weshalb sind so wenige Studenten in der Grundschulpädagogik und auch in der Psychologie zu finden? Wie ließe sich der Anteil männlicher Studierender erhöhen? Wie und woran orientieren sich Schüler in ihrer Berufswahl? Welche Erfahrungen machen männliche Studierende im Studium? Wie erleben Lehrer und 138 Notizen aus der Forschung Psychologen den jeweiligen Einstieg in ihr Berufsleben? Wie lassen sich berufsorientierende Informationen zum Grundschullehramt und zur Psychologie so verändern, dass sie mehr und unterschiedliche Männer ansprechen? Müsste dabei nicht auch das Bild von dem, was Grundschularbeit bzw. psychologische Tätigkeit ausmacht, korrigiert werden? Was genau kennzeichnet diese Bilder und entsprechen sie den tatsächlichen beruflichen Tätigkeiten? Die Beantwortung dieser Fragen soll durch eine dreischrittige empirische Studie erfolgen, welche die Ausbildungsfelder Schule (Gymnasium und Gesamtschule), Hochschule, die Berufsfelder Grundschule und Psychologie umfasst sowie die vorhandenen Berufsorientierungsangebote untersucht. Methodisch kommen Verfahren der Ethnografie, Gruppendiskussionen und Interviews zum Einsatz. Die theoretische Rahmung liefert das Modell vom sozialen Raum, wie Pierre Bourdieu es entworfen hat; mit den Begriffen ökonomisches, kulturelles und soziales Kapital, Habitus, Feld, Illusio und Doxa stehen Werkzeuge bereit, die es ermöglichen, Berufswahl- und -findungsprozesse unter einer komplexen gesellschaftstheoretischen Perspektive zu analysieren, welche die Dimensionen von Ungleichheit/ Gleichheit, Heterogenität/ Homogenität zu berücksichtigen und zu erhellen vermag. Kontakt: Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland, Miriam Redlich, Barbara Scholand, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, Universität Hamburg, Von Melle Park 8, 20146 Hamburg, Tel. 040 42838 2157, Fax 040 42838 2112, E-Mail: [email protected], [email protected], [email protected] Bildung: Transformation und Tradierung im Zusammenhang von Individualität und Kollektivität Projektleitung/Team: Prof. Dr. Arnd-Michael Nohl (Leitung), Dipl. Päd. Florian von Rosenberg (Mitarbeiter), Dipl. Päd. Sarah Thomsen (Mitarbeiterin) Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft Laufzeit: 01.10.2008 – 30.09.2010 Kurzbeschreibung: Bildung kann als Subjektivierung durch die Transformation von Lebensorientierungen verstanden werden. Mit solchen Bildungsprozessen werden tradierte Erfahrungs- und Wissensbestände innerhalb transformierter Lebensorientierungen neu gerahmt. Dabei kommen die impliziten, bislang ungenutzten Ressourcen vorgängiger Lebenserfahrung zur Entfaltung. Wenngleich sich 139 Notizen aus der Forschung mit der Transformation von Lebensorientierungen Menschen individuieren, sind diese Bildungsprozesse doch in kollektive Erfahrungszusammenhänge eingebettet. Ziel des in der qualitativen Bildungsforschung situierten Forschungsprojektes ist es, außerschulische, informelle Bildungsprozesse empirisch zu rekonstruieren. Dabei ist die Transformation von Lebensorientierungen und die Tradierung von Erfahrungs- bzw. Wissensbeständen in ihrem Zusammenspiel zu erfassen sowie dem Zusammenhang von Individualität und Kollektivität Rechnung zu tragen. Dazu werden Bildungsprozesse in narrativen Interviews mit etwa 48 Personen erhoben. Die Auswertung mit der dokumentarischen Methode zielt primär auf die empirische Identifizierung und Typisierung der Phasen des Bildungsprozesses, mit denen das Zusammenspiel von Tradierung und Transformation erfasst werden kann. Die Entwicklung von Typiken zu den lebensalter-, geschlechts- und schichtspezifischen Kontexten von Bildungsprozessen wird Aufschluss über die Einbettung individueller Bildungsprozesse in kollektive Erfahrungszusammenhänge geben. Diese empirischen Analysen werden von theoretischen Reflexionen begleitet, die sich auf die bildungstheoretisch relevanten Arbeiten der praxeologischen Wissenssoziologie, des Pragmatismus, der Kulturtheorie und Kultursoziologie stützen. Kontakt: Prof. Dr. Arnd-Michael Nohl, Professur für Erziehungswissenschaft, insbesondere systematische Pädagogik, Helmut Schmidt-Universität Hamburg, PF 700822, 22008 Hamburg, E-Mail: [email protected] Hildesheim Forschungsverbund Frühkindliche Bildung und Entwicklung Niedersachsen Projektleitung/Team: Prof. Dr. Peter Cloos, Prof. Dr. Claudia Mähler (Leitung Geschäftstelle), Yvonne Chlechowitz, M.A., Jeanette Piekny, M.A. Gefördert durch: Wissenschaftsministerium des Landes Niedersachsen Kurzbeschreibung: Im Oktober 2008 hat der Forschungsverbund unter Beteiligung von acht Forschungsprojekten aus den Disziplinen Erziehungswissenschaft, Soziale Arbeit und Psychologie mehrerer niedersächsischer Hochschulen (Göttingen, Hannover, Hildesheim und Lüneburg) seine Arbeit aufgenommen beteiligt. Das Forschungsfeld der frühkindlichen Bildung und Entwicklung wird im Verbund durch drei thematische Schwerpunkte abgebildet: Erwerb schuli140 Notizen aus der Forschung scher Kompetenzen; Profession und Professionalisierung; Heterogenität. Die Geschäftsstelle des Forschungsverbundes befindet sich an der Stiftungsuniversität Hildesheim. Kontakt: Geschäftsstelle Forschungsverbund Frühkindliche Bildung und Entwicklung Niedersachsen, Yvonne Chlechowitz, M.A., Jeanette Piekny, M.A., Marienburger Platz 22, 31141 Hildesheim. Telefon: 05121-883 427 oder -493, E-Mail: [email protected] Heidelberg Frühkindliche Dialoge und Bildungsprozesse bei Hörgeschädigten Projektleitung/Team: Prof. Dr. Ursula Horsch (Leitung), Timo Schulze, Katrin Fürst, Andrea Scheele, Sarah Werding, Imke Pichler, Mag. Katarzyna Bagan-Wajda (Polen), Mag. Marta Sadowska (Polen), Mona Goeser (USA) Gefördert durch: Georg & Maria-Dietrich-Stiftung Laufzeit: 01.10. 2008 – 30.09.2011 Kurzbeschreibung: Das Forschungsprojekt an der PH Heidelberg evaluiert erstmalig den Zusammenhang zwischen frühen dialogischen Interaktionen und frühen Bildungsprozessen bei hörenden und hörgeschädigten Säuglingen und ihren Eltern. Dabei soll der Wirkfaktor des Neugeborenen-Hörscreenings und damit die frühe Erfassung durch den Vergleich frühkindlicher Dialoge und Bildungsprozesse der beiden Gruppen (hörend/ hörgeschädigt) identifiziert werden. Die Ergebnisse bilden die Grundlage einer individuellen Elternbegleitung mit dem Ziel, hörgeschädigten Säuglingen und Kleinstkindern entsprechende dialogische Interaktionen und Bildungsprozesse anbieten zu können. Erstmalig wird dieser Bereich in einer strukturierten wissenschaftlichen Untersuchung evaluiert. Hierzu werden ergänzend zu den bereits vorliegenden Daten hörender Säuglinge bundesweit Daten in Form von Videoaufzeichnungen früher dialogischer Interaktionen zwischen Eltern und ihrem hörgeschädigten Säugling erhoben und auf der Grundlage computergestützter Analyseverfahren (Mangold–INTERACT) ausgewertet und verglichen. Sie werden im Hinblick auf definierte Bildungsanlässe und unter einer inhaltlichen Bezugnahme auf Turn-Wechsel und ausgewählte dialogische Elemente diskutiert. Weitere Testverfahren (Elternfragebogen: EAS, ELFRA; Interviews: FSCI) schließen sich zur Validierung der Daten an. Ziel ist es, empirische Bildungsfor- 141 Notizen aus der Forschung schung als Grundlagenforschung für diese frühe Phase zu leisten. Dies gilt für die Gruppe hörender und hörgeschädigter Kinder. Kontakt: Prof. Dr. Ursula Horsch, Fak. I – Sonderpädagogik – Hörgeschädigtenpädagogik, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Zeppelinstraße 3, 69121 Heidelberg, Telefon: 06221 477-450, E-Mail: [email protected] Jena/St. Gallen (CH) Interdisziplinäres Forschungsprojekt: „Zonen des Übergangs. Dimensionen und Deutungsmuster des Alterns bei jungen, älteren und alten Menschen“ Projektleitung/Team: Sozialpädagogik: Prof. Dr. Ulrich Otto (FHS St. Gallen); Soziologie: Prof. Dr. Stephan Lessenich, Dr. Silke van Dyk; Psychologie: Prof. Dr. Klaus Rothermund; psychosoziale Medizin: Prof. Dr. Bernhard Strauß, Dr. Karena Leppert; Politikwissenschaft: Dr. Rainer Benthin (alle Friedrich-Schiller-Universität Jena) Gefördert durch: Volkswagenstiftung, Schwerpunktprogramm Individuelle und gesellschaftliche Perspektiven des Alters Laufzeit: 2008 – 2010 Kurzbeschreibung: Im Zeichen der zunehmenden Alterung der Gesellschaft und des Umbaus des Sozialstaats vollzieht sich eine gesellschaftliche Neuverhandlung des Alters und der Rolle der Alten. Das gemeinsame interdisziplinäre Projekt – Sozialpädagogik, Soziologie, Politikwissenschaft, Psychologie, psychosoziale Medizin – kontrastiert die gängigen Vorstellungen eines zweigeteilten, ‚jungen‘ und ‚alten‘ Alters mit den empirisch vorfindbaren Wahrnehmungen und Deutungen von Altersübergängen. In den subjektiven Konstruktionen der Betroffenen sind statt klarer Altersgrenzen Zonen des Übergangs zwischen den Lebensaltern zu identifizieren. Die Untersuchung von drei Alterskohorten (unter Einschluss der Babyboomer), die Berücksichtigung des Zusammenspiels verschiedener Dimensionen subjektiven Alterns (u. a. Erwerbsarbeit, Gesundheit, Soziale Netzwerke, nicht-erwerbsförmige Tätigkeiten, Körper, Konsum, Resilienz) und die Anwendung eines Mehrmethodendesigns erlauben es, Erwartungen des Alt-Seins und Erfahrungen des Alt-Werdens systematisch aufeinander zu beziehen. 142 Notizen aus der Forschung Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Ulrich Otto, FHS St. Gallen, FB Soziale Arbeit, Industriestraße 35, CH-9401 Rorschach, Fon +41 71 8444 822, Fax +41 71 8444 850, E-Mail: [email protected] Koblenz/Landau Entwicklung und Evaluation eines Fortbildungskonzepts für Erzieherinnen zur Intensivierung der Erzieherin-Kind-Interaktion Projektleitung/Team: Prof. Dr. Gisela Kammermeyer, Dr. Susanna Roux, Dipl.-Päd. Sarah King, Dipl.-Päd. Astrid Nagel Gefördert durch: Landesstiftung Baden-Württemberg Laufzeit: 01.11 2008 – 31.10.2010 Kurzbeschreibung: In diesem Projekt geht es um die Entwicklung differenzierter, zielgerichteter und kindgemäßer Sprachförderkompetenzen von Erzieherinnen im pädagogischen Alltag mit Kleinkindern. Im Rahmen der Fortbildung steht u. a. die Frage im Mittelpunkt, wie die Qualität der Erzieherin-Kind-Interaktion verbessert werden kann. Verschiedene Sprachförderstrategien, die sich in empirischen Studien hinsichtlich ihrer sprachfördernden Wirkung bewährt haben, werden hierzu kombiniert. Sie eignen sich sowohl für ein- als auch für mehrsprachige Kinder. Die Basis des Fortbildungskonzeptes bildet der konstruktivistische Ansatz sowohl im Hinblick auf die Fortbildung der Erzieherinnen als auch auf die Sprachförderung der Kinder. Als didaktische Grundlage dient ein Stufenmodell, welches von stark strukturierten Sprachfördersituationen ausgeht und die Sprachförderkompetenzen der Erzieherinnen hin zu völlig freien Sprachsituationen weiter entwickelt. Die Entwicklung des Fortbildungskonzeptes wird zudem formativ evaluiert, u.a. durch Befragungen und Beobachtungen. Die Wirkungen dieses Ansatzes auf u.a. kindliche Sprachentwicklungskompetenzen werden darüber hinaus durch eine unabhängige Forschergruppe extern evaluiert. Kontakt: Prof. Dr. Gisela Kammermeyer, Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter, Pädagogik der frühen Kindheit, August-Croissant-Str. 5, 76829 Landau, Tel.: 06341/990135, [email protected] 143 Notizen aus der Forschung Was wirkt wie? - Evaluation von Sprachfördermaßnahmen Projektleitung/Team: Prof. Dr. Gisela Kammermeyer, Dr. Susanna Roux, Dipl.-Päd. Lisa Schneider, Dipl.-Päd. Andrea Stuck Gefördert durch: Ministerium für Bildung; Wissenschaft, Jugend und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz Laufzeit: 01.11.2008 – 31.10.2011 Kurzbeschreibung: In Rheinland-Pfalz werden Kinder, die in der deutschen Sprache Förderbedarf haben, in Kindertagesstätten gezielt gefördert durch so genannte Basisbzw. Intensivförderkurse. Ziel der Studie ist es herauszufinden, unter welchen Bedingungen diese Sprachförderung am besten gelingt. Hierzu werden anhand einer repräsentativ ausgewählten Stichprobe aller vorschulischen Sprachfördergruppen in Rheinland-Pfalz und unter Kontrolle der Sprachkompetenzen der teilnehmenden Kinder alle diejenigen Fördergruppen identifiziert, in denen die Kinder die größten Sprachentwicklungsfortschritte machen. Daran anschließend wird analysiert, welche Bedingungen der Sprachförderung zu diesem Erfolg beitragen. Kontakt: Prof. Dr. Gisela Kammermeyer, Universität Koblenz-Landau, Campus Landau, Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter, Pädagogik der frühen Kindheit, August-Croissant-Str. 5, 76829 Landau, Tel.: 06341/990135, E-Mail: [email protected] Münster Das Sabbatjahr für Lehrerinnen und Lehrer. Motive, Gestaltung und Wirkung Projektleitung: Gefördert durch: Laufzeit: Dr. Martin Rothland DFG 01.01.2009 – 30.11.2011 Kurzbeschreibung: In dem Forschungsprojekt werden (1) die personenbezogenen Wirkungen des Sabbatjahres bei Lehrkräften auf (a) die berufliche Belastungswahrnehmung und (b) das arbeitsbezogene Verhalten und Erleben (Arbeitsengagement, personales Widerstandspotential/Resilienz und Bewältigungsverhalten) sowie (c) allgemeine und arbeitsbezogene Emotionen (Berufs- und Lebenszufriedenheit) im Rahmen einer Längsschnittstudie mit drei Erhebungszeitpunkten unter Anwendung eines standardisierten, kombinierten Fragebogeninventars 144 Notizen aus der Forschung empirisch überprüft. Neben der empirischen Erfassung der Wirkung des Sabbatjahres für Lehrerinnen und Lehrer ist es Ziel des Forschungsvorhabens, (2) die Motive der Lehrkräfte, die die Sabbatical-Teilzeitregelungen nutzen, zu erfassen, (3) Informationen zur Gestaltung der Freistellungsphase zu erheben und (4) den in der bisherigen Diskussion und vereinzelten Forschung durchweg als kritisch charakterisierten Verlauf des Wiedereinstiegs in den Beruf aus der Perspektive der Sabbatical-Teilnehmer, und in diesem Zusammenhang die Auswirkungen des Verlusts der Berufsroutine in der Freistellungsphase, zu erfassen. Darüber hinaus sind Zusammenhänge zwischen den Motiven der Lehrkräfte, der Gestaltung der Freistellungsphase auf der einen und den berufsbezogenen Wahrnehmungen sowie arbeitsbezogenen Verhaltens- und Erlebensweisen auf der anderen Seite zu überprüfen. Kontakt: Dr. Martin Rothland, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Erziehungswissenschaft, Abteilung I: Schulpädagogik/Schul- und Unterrichtsforschung, Bispinghof 5/6, 48143 Münster, Tel.: 0251-8329453, Fax: 0251-83-29268, E-Mail: [email protected] Potsdam/Halle Professionelle Kooperation von unterschiedlichen Berufskulturen an Ganztagsschulen Projektleitung/Team: Dr. Karsten Speck (Potsdam), Prof. Dr. Thomas Olk (Halle), M.A. Michaela Frohberg (Potsdam) (Mitarbeiterin), M.A. Thomas Stimpel (Halle) (Mitarbeiter) Gefördert durch: BMBF Laufzeit: Jan. 2008 – Dez. 2009 Kurzbeschreibung: Das Forschungsprojekt will auf der Basis von professions- und kooperationstheoretischen Annahmen in zwei Bundesländern (Brandenburg, SachsenAnhalt) und anhand von zehn qualitativen, schulbezogenen Fallstudien die Kooperation an Ganztagsschulen untersuchen. Dabei stehen die (professions) spezifischen Kooperationsvorstellungen der Kooperationspartner an Ganztagsschulen, die Merkmale der Kooperationspraxis an Ganztagsschulen, die Auswirkungen der ganztagsspezifischen Anforderungen auf das berufliche Selbstverständnis und Handeln der Kooperationspartner sowie der Kooperationserfolg an Ganztagsschulen aus Sicht der Beteiligten im Mittelpunkt des Interesses. Folgenden Fragen wird dabei nachgegangen: 1) Über welche (professions-) spezifischen Kooperationsvorstellungen verfügen die schulischen 145 Notizen aus der Forschung sowie die inner- und außerschulischen Kooperationspartner an Ganztagsschulen? 2) Welche Merkmale weist die Kooperationspraxis an Ganztagsschulen auf? 3) Welche Auswirkungen der ganztagsspezifischen Anforderungen auf das berufliche Selbstverständnis und Handeln lassen sich bei den verschiedenen Kooperationspartnern rekonstruieren, und wie wird der Kooperationserfolg an Ganztagsschulen aus der subjektiven Sicht verschiedener Kooperationsbeteiligter beurteilt? Aus den Ergebnissen sollen Rückschlüsse für Gelingens- und Misslingensbedingungen von Kooperation an Ganztagsschulen sowie für die Implementierung, Umsetzung und Weiterentwicklung ganztägiger Angebote gewonnen werden. Kontakt: Dr. Karsten Speck, Universität Potsdam, Institut für Erziehungswissenschaft, Karl-Liebknecht- Str. 24-25, 14476 Potsdam-Golm, Prof. Dr. Thomas Olk, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für Erziehungswissenschaft, Franckeplatz 1, 06110 Halle/Saale, E-Mail: [email protected]; [email protected] Potsdam Kooperation formaler und non-formaler Bildungsinstitutionen im Ganztag Projektleitung/Team: Dr. Karsten Speck, Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Dr. Andreas Seidel, M.A. Nico Michalsky (Mitarbeiter) Gefördert durch: BMBF Laufzeit: April 2008 – Dez. 2009 Kurzbeschreibung: Das Forschungsprojekt gehört als Teilprojekt zum Verbund Professionelle Kooperation von unterschiedlichen Berufskulturen an Ganztagsschulen. Mittels qualitativer Erhebungen werden – exemplarisch im Land Niedersachsen – folgende Aspekte untersucht: a) die Bildungsvorstellungen und das Bildungsverständnis der am Ganztag Beteiligten, b) die konkrete Entwicklung und Abstimmung des ganztägigen Bildungsangebots und c) der Bildungserfolg der Kooperation aus Sicht der am Ganztag Beteiligten. Von Bedeutung ist zum ersten, inwiefern es Schulen und Trägern der Jugendhilfe sowie weiteren Institutionen und Personen im Sozialraum gelingt, auf kommunaler Ebene ein gemeinsames Ganztagsangebot mit formalen, non-formalen und informellen Bildungsbestandteilen und -arrangements für und mit Kindern und Jugendlichen zu planen und umzusetzen. Zum zweiten ist von Interesse, welche Wechselwirkungen zwischen der Schulqualität einerseits und der Ko146 Notizen aus der Forschung operation mit anderen Bildungsinstitutionen andererseits existieren. Zum dritten soll untersucht werden, inwiefern eine Kooperation der Ganztagsschulen mit anderen Bildungsinstitutionen zu einer Schulentwicklung führt. Das Projekt orientiert sich – neben professions- und kooperationstheoretischen Konzepten – an Befunden der Schulforschung zur Autonomie, Qualität und Weiterentwicklung von Schulen sowie Konzepten der Ganztagsbildung und Kommunaler Bildungslandschaften. Kontakt: Dr. Karsten Speck, Universität Potsdam, Institut für Erziehungswissenschaft, Karl-Liebknecht-Straße 24-25, 14476 Potsdam-Golm, E-Mail: [email protected] Teilhabe und Wertebildung von benachteiligten Jugendlichen in ländlichen Regionen Brandenburgs Projektleitung/Team: Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Dr. Karsten Speck, Dr. Heinz Lynen von Berg (Mitarbeiter) Gefördert durch: Stiftung Großes Waisenhaus zu Potsdam Laufzeit: April 2008 – Dez. 2009 Kurzbeschreibung: Im Mittelpunkt steht die Untersuchung von Prozessen der Teilhabe und Wertebildung bei benachteiligten Jugendlichen. Mit der Fokussierung auf ländliche Regionen sollen die Besonderheiten des Flächenlandes Brandenburg berücksichtigt werden. Das Forschungsprojekt verfolgt im Einzelnen drei Ziele: 1) Landesweite Bestandsaufnahme: Systematische Erfassung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Teilhabe- und Wertebildungsansätzen im ländlichen Raum des Landes Brandenburg mit einem Schwerpunkt auf benachteiligten Jugendlichen. 2) Lokale Bestandsaufnahme: Erfassung der Wahrnehmungen und Strategien zur Teilhabe sowie zur Wertebildung von (benachteiligten) Jugendlichen einerseits und Jugend- und Bildungsexperten andererseits in zwei bis drei ausgewählten ländlichen Regionen des Landes Brandenburg (z.B. Jugendämter, Ämter, Bürgermeister, Beteiligungsverantwortliche, freie Träger der Jugendhilfe, Vereine, Vertreter von lokalen Bündnissen). 3) Landesweite und lokale Handlungsempfehlungen: Formulierung und Transfer von Handlungsempfehlungen für Jugendhilfe, Schulen und Landesund Kommunalpolitik zur Förderung der Teilhabe und der Wertebildung von (benachteiligten) Jugendlichen in ländlichen Regionen Brandenburgs. Aus dem Forschungsprojekt sollen Transfererkenntnisse für Jugendhilfe, Schule sowie für die Landes- und Kommunalpolitik gewonnen werden. 147 Notizen aus der Forschung Kontakt: Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Universität Potsdam, Institut für Erziehungswissenschaft, Karl-Liebknecht-Str. 24-25, 14476 Potsdam-Golm E-Mail: [email protected] Evidenzbasierte Professionalisierung der Praxisphasen in außeruniversitären Lernorten – Forschung zu Praxiskonzepten unterschiedlicher Fachdisziplinen und deren berufsorientierender Wirksamkeit Projektleitung/Team: Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Dr. Karsten Speck, Dr. Andreas Seidel, Dipl.-Psych. Mirko Wendland, M.A. Michael Bromba (beide Mitarbeiter) Gefördert durch: BMBF Laufzeit: Jan. 2009 – Okt. 2011 Kurzbeschreibung: Ziel des Projektes ist es, einen Beitrag zur Professionalisierung der Praxisphasen in außeruniversitären Lernorten zu leisten, indem die Qualität und die Wirksamkeit von Praxiskonzepten in unterschiedlichen Fachdisziplinen systematisch und vergleichend untersucht und Folgerungen für eine Optimierung der berufsorientierenden Ausbildung gezogen werden. Dazu werden an vier ausgewählten Hochschulen der Region Potsdam/ Berlin vergleichende Untersuchungen durchgeführt. Vorgesehen sind im Einzelnen: 1) eine Analyse der Praxiskonzepte in unterschiedlichen Fachdisziplinen mittels einer Dokumentenanalyse, 2) eine multiperspektivische, empirisch-vergleichende Erfassung deren organisatorischer Umsetzung und 3) die Gewinnung von Erkenntnissen über den Erwerb berufsorientierender Kompetenzen durch Studierende sowie über förderliche bzw. hinderliche Bedingungen mittels Längsschnittstudien. Die Erkenntnisse werden für eine Verbesserung der curricularen und formalorganisatorischen Ausgestaltung der Praxisphasen genutzt. Die Effekte der veränderten Praxisphasen werden wiederum empirisch überprüft. Das Projekt erforscht somit den Zusammenhang von formal-organisatorischen bzw. curricularen Gestaltungsaspekten der Praxisphasen (einschließlich der Begleitung, Betreuung und Kooperation) und dem Kompetenzerwerb seitens der Studierenden. Aufbauend auf dem gewonnenen Steuerungswissen sollen Folgerungen für die Professionalisierung der Hochschullehre mit Blick auf die Praxisphasen gezogen werden. Eine enge Kooperation mit dem Brandenburgischen Hochschuldidaktischen Netzwerk ist vorgesehen. Kontakt: Prof. Dr. Wilfried Schubarth, Universität Potsdam, Institut für Erziehungswissenschaft, Karl-Liebknecht-Str. 24-25, 14476 Potsdam-Golm E-Mail: [email protected] 148 Notizen aus der Forschung Salzburg Jugendliche im Web 2.0. Eine quantitative und qualitative Untersuchung seiner Nutzung durch Heranwachsende Kooperationsprojekt der Universität Salzburg (Univ.-Prof. Dr. Ingrid PausHasebrink) und des Hans-Bredow-Instituts Hamburg (Prof. Dr. Uwe Hasebrink) Projektleitung/Team: Univ.-Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink (Leitung), Mag. Dr. Christine Wijnen (Mitarbeiterin), Mag. Thomas Brüssel (Mitarbeiter) Auftraggeber: Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) Laufzeit: 01.01.2008 bis 31.03.2009 Kurzbeschreibung: Der Begriff Web 2.0 hat sich eingebürgert, um diejenigen jüngeren Entwicklungen des Internets zu beschreiben, die dem einzelnen Nutzer gestiegene Möglichkeiten des online-gestützten Identitäts-, Beziehungs- und Informationsmanagements bieten. Wie die bisher vorliegenden Daten zeigen, gehören Heranwachsende bzw. Personen bis etwa Mitte 20 zu den stärksten Nutzern von Weblogs, Videoplattformen oder Social Network Sites wie studiVZ. Allerdings gibt es bislang wenig darüber hinausgehende Erkenntnisse zu den Nutzungspraktiken in dieser Altersgruppe sowie ihren Konsequenzen z.B. in Hinblick auf die Verschiebung von Grenzen zwischen Öffentlichkeit und Privatsphäre, auf die Einstellungen zu Datenschutz oder zum Umgang mit politisch oder anderweitig extremen Inhalten. Das Projekt stellt sich die Aufgabe, den internationalen Forschungsstand zur Rolle des Web 2.0 im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aufzuarbeiten. Dazu werden sowohl eine Analyse ausgewählter Web 2.0-Angebote inkl. online-gestützter Befragungen der Nutzerinnen und Nutzer durchgeführt als auch qualitative Gruppen- und Einzelbefragungen von Web 2.0-Nutzerinnen und Nutzern im Alter von zwölf bis 24 Jahren zum Umgang mit diesen Angeboten und zu ihrer subjektiven Bedeutung im (Medien-) Alltag sowie eine Repräsentativbefragung unter Online-Nutzerinnen und -Nutzern im Alter von zwölf bis 24 Jahren im Hinblick auf ihren Umgang mit dem Internet unter besonderer Berücksichtigung von Web 2.0-Angeboten sowie im Hinblick auf die Nutzung von und die Einstellungen gegenüber anderen Medien. Die Befunde aus den verschiedenen empirischen Schritten und Schlussfolgerungen aus der Perspektive von Kommunikationssoziologie, Jugendforschung, Erziehungs- und Rechtswissenschaft werden im Abschlußbericht zusammengeführt. Dieser wird auch im Hinblick auf Handlungsbedarf und Handlungsoptionen in den 149 Notizen aus der Forschung Bereichen öffentliche Kommunikation, Identitätsbildung, Medienkompetenz und Medienregulierung verfasst. Design und Vorgehen werden eng mit anderweitig spezialisierten Studien der Medien- und Jugendforschung im Inund Ausland abgestimmt, um so möglichst viele Anknüpfungspunkte zu anderen Forschungsfeldern zu gewährleisten und eine Grundlage für eine künftig regelmäßig zu wiederholende Studie zu schaffen, die im Konzert der Langzeitstudien ihren systematischen Platz hat. In einem begleitenden Weblog werden vorläufige Thesen und Ergebnisse dokumentiert und diskutiert. Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Ingrid Paus-Hasebrink, Fachbereich Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg, Rudolfskai 42, 5020 Salzburg (Österreich) Tübingen Orchestrierung computerunterstützter Lehr-Lern-Prozesse im Rahmen der DFG-Förderinitiative Forschergruppen in der Empirischen Bildungsforschung Projektleitung/Team: Prof. Dr. Frank Fischer, Prof. Dr. Peter Gerjets, Prof. Dr. Stefanie Hartz, Prof. Dr. Friedrich W. Hesse (Sprecher), Prof. Dr. Oliver Lüdtke, Dr. Katharina Scheiter, Prof. Dr. Josef Schrader, Prof. Dr. Stephan Schwan, Prof. Dr. Ulrich Trautwein, Dr. Carmen Zahn Gefördert durch: Deutsche Forschungsgemeinschaft Laufzeit: 01.04.2007 – 31.03.2010 Kurzbeschreibung: Die in Tübingen im Frühjahr 2007 eingerichtete DFG-Forschergruppe Orchestrierung computerunterstützter Lehr-Lern-Prozesse greift zentrale Problemlagen im Hinblick auf die Einbindung digitaler Medien in realitätsnahe schulische und außerschulische Lehr-Lern-Prozesse und die Umsetzung relevanter Forschungsergebnisse in die Praxis auf. Digitale Medien können LehrLern-Prozesse in vielerlei Hinsicht unterstützen. Traditionelle unterrichtliche Settings können durch eine Vielzahl multimedialer Präsentationsformate und telemedialer Kommunikationsszenarien erweitert werden. Darüber hinaus lassen sich neue didaktische Szenarien realisieren. In beiden Fällen wird jedoch das Potential medienunterstützten Lernens bisher bei weitem nicht ausgenutzt. Die Erkenntnisse einschlägiger Forschung finden bisher noch kaum 150 Notizen aus der Forschung ihren Weg in die Entwicklung und Umsetzung einsatzfähiger Lehr-LernSzenarien. Die Tübinger Forschergruppe zielt deswegen in fünf Projekten auf einen umfassenderen Ansatz der Orchestrierung des Lehrens und Lernens mit digitalen Medien in alltagsnahen institutionellen Lernarrangements in Schule und Erwachsenenbildung. Die Teilprojekte können zwei thematischen Schwerpunkten zugeordnet werden: Einige Projekte untersuchen das Verhältnis von individuellen Lernvoraussetzungen, Lernprozessen und Instruktion, andere Projekte beschäftigen sich mit der Analyse und Förderung von Lehrexpertise unter verschiedenen instruktionalen und institutionellen Bedingungen. Methodologisch orientiert sich die Forschergruppe an einer nutzeninspirierten Grundlagenforschung. Sie verfolgt gleichzeitig die Interessen der Erkenntnisgenerierung und des Anwendungsbezugs, indem praxisrelevante Forschungsfragen in pädagogischen Anwendungskontexten mit grundlagenwissenschaftlichen Methoden bearbeitet werden. Methodisch werden Feldstudien mit Studien unter stärker kontrollierten Bedingungen verschränkt, um eine gleichermaßen hohe interne und ökologische Validität zu gewährleisten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die Forschergruppe zum einen interdisziplinär besetzt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Erziehungswissenschaft und des Psychologischen Instituts der Universität Tübingen, des Instituts für Wissensmedien sowie des Lehrstuhls für Empirische Pädagogik und Pädagogische Psychologie der Ludwig-MaximiliansUniversität München kooperieren, um erziehungswissenschaftliche, fachdidaktische, psychologische und lerntechnologische Expertise in ihren jeweiligen Stärken zu kombinieren. Zum zweiten wird durch das Forschungsparadigma der nutzeninspirierten Grundlagenforschung die Einhaltung methodischer Standards empirischer Forschung auch bei Studien in Anwendungskontexten sichergestellt. Zum dritten wird durch direkte Bezüge zu bestehenden konzeptionellen Rahmenmodellen des Lehrens und Lernens (wie z.B. dem PISA-Modell) und, wo immer möglich, zu Standards und Modellen der Bildungspraxis für die Ergebnisse sowohl in der Forschung als auch in der Praxis Anschlussfähigkeit hergestellt. Projektübergreifend beschäftigt sich die Forschergruppe zudem mit Fragen der Erfassung von Kompetenzen und Kompetenzerwerb. Unterschieden wird dabei zwischen fachspezifischen und fachübergreifenden Kompetenzen, die als unabhängige, abhängige bzw. moderierende Variablen in die jeweiligen Untersuchungsdesigns einbezogen werden. Dadurch wird es möglich, die verschiedenen Facetten des Wechselspiels zwischen digitalen Medien und Kompetenzen, angefangen von spezifischen Kompetenzen als Voraussetzung für eine angemessene Nutzung digitaler Lernmedien über die kompensatorische Rolle digitaler Medien bei niedrig kompetenten Lernern bis hin zu digitalen Medien als Instrumenten der Kompetenzentwicklung empirisch zu ad151 Notizen aus der Forschung ressieren. Zur strukturellen Stärkung des Standorts Tübingen in der empirischen Bildungsforschung und als wesentlicher Bestandteil der Forschergruppe wurde von der DFG eine Stiftungsprofessur Empirische Bildungsforschung am Institut für Erziehungswissenschaft der Universität Tübingen bewilligt, die inzwischen mit Prof. Dr. Ulrich Trautwein besetzt werden konnte. Darüber hinaus hat die Universität Tübingen im Rahmen der Ausbauplanung des Landes Baden-Württemberg eine Professur Pädagogische Psychologie am Institut für Erziehungswissenschaft (Prof. Dr. Oliver Lüdtke) eingerichtet, die eng mit der Forschergruppe kooperiert. Schließlich befinden sich eine weitere W3-Professur sowie zwei Junior-Professuren für Empirische Bildungsforschung im Berufungsverfahren. Kontakt: Prof. Dr. Friedrich W. Hesse, Universität Tübingen, Fakultät für Informations- und Kognitionswissenschaften, Psychologisches Institut, Abt. Angewandte Kognitions- und Medienpsychologie, Konrad-Adenauer-Str. 40, 72072 Tübingen, E-Mail: [email protected], http://www.unituebingen.de/fg738 Wuppertal Sprachförderung von Migrantenkindern im Kontext frühen naturwissenschaftlich-technischen Lernens Projektleitung/Team: Prof. Dr. Charlotte Röhner (Leitung), Dr. Heike Blümer, Dipl. Päd. Michaela Hopf, Dipl. Ling. Meng Li Gefördert durch: Cornelsen Stiftung für Lehren und Lernen im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. Laufzeit: Okt. 2006 – Mai 2009 Kurzbeschreibung: Die Implementierung von naturwissenschaftlich-technischen Lernsequenzen, die handlungsorientiert ausgerichtet und durch konstruktivistisches Lernen geprägt sind, bietet Kindern einen deutlichen Zuwachs an Sprachanteilen. Durch die Versprachlichung ihrer Beobachtungen und Vermutungen sowie der regelmäßigen Übung von Vergleichs- und Ordnungsmethoden werden, neben Selbstkompetenzerfahrungen und Konzentration, wichtige Grundpfeiler des Schulerfolges gestärkt, die im späteren Schulalltag unerlässlich sind. Naturwissenschaftlich-technischer Unterricht lässt die Kinder formale Sprache nicht nur rezeptiv erfahren, sondern ermöglicht ihnen auch eine produktive Erschließung verbaler Fertigkeiten. Im Rahmen des Projektes wurden 152 Notizen aus der Forschung ausgewählte naturwissenschaftlich-technische Themengebiete mit dem expliziten Anspruch der Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen über ein Schuljahr umgesetzt. Auf diese Weise entsteht eine Fusion von Sprachförderung und Naturwissenschaft, in der Sprache als notwendiges Instrument zur Bewältigung der Praxisaufgabe und Handeln als ergänzende Begleitung des Noch-nicht-Sagbaren fungiert. Die Einheiten wurden videographiert. Untersucht wird, ob auf Grund impliziter Lernprozesse, kurzfristig ein höheres Ausmaß der Sprachaktivität und mittelfristig eine stärkere Differenzierung der Sprachaktivität festgestellt werden kann. Kontakt: Prof. Dr. Charlotte Röhner, Pädagogik der frühen Kindheit und der Primarstufe, Fachbereich G – Bildungs- und Sozialwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal; Ansprechpartnerin: Frau Michaela Hopf, E-Mail [email protected]. 153 NOTIZEN AUS DER WISSENSCHAFTS- UND BILDUNGSPOLITIK UrhG-Initiative, Aktionsbündnis Urheberrecht: § 52a wohl um vier Jahre verlängert In den letzten Wochen hat es bei vielen in Bildung und Wissenschaft Tätigen erhebliche Unruhe gegeben, weil der § 52 des Urheberrechtsgesetzes, der zur Zeit noch bis Ende des Jahres 2008 befristet ist, wegzufallen droht. Wie Sie sicherlich wissen, dürfen nach § 52a Lehrer und Wissenschaftler „kleine Teile“ von urheberrechtlich geschützten Werken ausschließlich einem „bestimmten abgegrenzten Bereich von Unterrichtsteilnehmern“ in einem Intranet „öffentlich zugänglich“ machen. Dies ist auch die gegenwärtige Praxis in digitalen Semesterapparaten und ist auch üblich in Forschungsgruppen, um über ihre lokalen Server Dokumente, auch urheberrechtsgeschütztes Material, gemeinsam zu nutzen. Gegen diesen sogenannten Wissenschaftsparagraphen hat es immer schon und jüngst verstärkt starke Widerstände von Seiten des Verlagshandels (Börsenverein des Deutschen Buchhandels) gegeben. Dieses Lobbying haben vor allem die rechtspolitischen Experten aus der Regierungskoalition, allen voran Dr. Günter Krings, CDU/CSU-Fraktion, aufgegriffen, mit dem Ziel, dass der Bundestag dem vom Bundesministerium für Justiz vorgesehenen Entfristungsantrag nicht zustimmt. Vielmehr sollte § 52a entweder gänzlich entfallen oder aber zugunsten von Lehr- und Schulbuchverlagen verschärft werden. Das Aktionsbündnis hat in zahlreichen Briefen und Gesprächen mit Politikern aus der Regierung und dem Bundestag klar zu machen versucht, dass der Wegfall von § 52a für Bildung und Wissenschaft ein Desaster darstellen und für die Bildungs- und Wissenschaftspolitik ganz falsche Zeichen setzen würde. Auch von Seiten des Bibliotheksverbandes, einiger Hochschulen, Wissenschaftsorganisationen und Einzelpersönlichkeiten, hat es Appelle gegeben, § 52a weiter im Gesetz zu behalten. Was auch immer das bewirkt hat bzw. welche Argumente überzeugt haben, es sieht gegenwärtig so aus, als ob der Bundestag einer nochmaligen vierjährigen Befristung von § 52a zustimmen wird. Das ist dem Aktionsbündnis zuverlässig signalisiert worden. Die endgültige Entscheidung im Bundestag steht aber noch aus, so dass weiter Aufmerksamkeit geboten ist. 155 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik Das Aktionsbündnis, das zwar immer § 52a als unzulänglich kritisiert hatte, aber natürlich lieber den jetzigen Zustand akzeptiert als den vollständigen Wegfall dieser Norm, wird den Vorgang weiter kritisch verfolgen und alle Unterzeichner der Göttinger Erklärung ggf. kurzfristig zu einer massiven Protestaktion aufrufen, falls sich die „wissenschaftsverlagsfreundliche“ Politik doch noch durchzusetzen droht. Weitere Informationen: Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, Homepage, http://www.urheberrechtsbuendnis.de/. Rainer Kuhlen, Sprecher des Aktionsbündnisses Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft, lehrt am Fachbereich Informatik und Informationswissenschaft der Universität Konstanz (Stand: Oktober 2008). Appell für Open Access zu digitalen Bildern Das Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) hat mit internationalen Partnerinstitutionen Empfehlungen zur wissenschaftlichen Nutzung visueller Medien erarbeitet. Als Mitinitiator der Open Access-Bewegung hat das MPIWG in Abstimmung mit Vertretern führender Museen, Bibliotheken, Bildarchive und Verlage Empfehlungen zur Verbesserung der wissenschaftlichen Nutzung und Publikation von historischem Bildmaterial erarbeitet. Dieser Appell zielt darauf ab, ein Netzwerk gegenseitigen Vertrauens und gemeinsamer Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Kuratoren kulturhistorischer Bestände zu schaffen – um den Zugang zu und die wissenschaftliche Nutzung von visuellen Medien zu erleichtern. Aktuell informiert eine feature story auf der Website des MPIWG über diese Bemühungen <www.mpiwg-berlin.mpg.de>. Dort kann der Appell im Wortlaut heruntergeladen werden. Der Hintergrund für diesen Appell sind die Hindernisse für diejenigen, die heutzutage Abbildungen historischer Kulturgegenstände wissenschaftlich nutzen und publizieren möchten: Hohe Kosten für Lizenzen und schwer durchschaubare Zugangsregelungen machen das wissenschaftliche Arbeiten mit Bildern in den Geisteswissenschaften immer schwieriger. Zwar hat die Digitalisierung von Bildbeständen neue wissenschaftliche Forschungen angestoßen, aber wie, wo und auf welcher Basis Bilder für wissenschaftliche Zwecke genutzt werden dürfen, wird von Archiven, Sammlungen und Bibliotheken sehr unterschiedlich und zunehmend restriktiv geregelt, zumal wenn es um neue Formen des e-publishing geht. 156 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik Das MPIWG hat in Abstimmung mit den Teilnehmern eines internationalen Expertentreffens vom Januar 2008 Empfehlungen für die bessere wissenschaftliche Nutzung digitalen Bildmaterials entwickelt. Diese Empfehlungen fordern Kuratoren und Wissenschaftler auf, ein gegenseitig verpflichtendes Netzwerk des Vertrauens aufzubauen. Ziel dieser Initiative ist es, die heutigen und zukünftigen Herausforderungen des digitalen Zeitalters gemeinsam anzugehen. Die Empfehlungen appellieren an die Kuratoren und Bildarchive, die public domain nicht willkürlich einzuschränken und dem Bedarf der Wissenschaftler an möglichst günstig oder frei zugänglichem, hoch auflösbarem digitalen Bildmaterial entgegenzukommen – sowohl für gedruckte Veröffentlichungen als auch für neue wissenschaftliche Publikationsformen im Internet. Sie rufen Wissenschaftler auf, Museen, Bibliotheken und Sammlungen als Eigentümer und Bewahrer der physischen Objekte des kulturellen Erbes zu respektieren und deren Einsatz für die Bereitstellung digitalen Bildmaterials anzuerkennen. Sie nehmen Wissenschaftler in die Pflicht, ihre Rolle als Garanten für Authentizität und Attribution äußerst ernst zu nehmen. Mehr Informationen zu diesem Appell: Dr. Christine von Oertzen, MaxPlanck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Boltzmannstr. 22, 14195 Berlin, Tel.: 030-22667-148, Email: [email protected] Pressekontakt: Dr. Hansjakob Ziemer, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, Boltzmannstr. 22, 14195 Berlin, Tel.: 030-22667-242 (fax: -238), Email: [email protected]. Web: www.mpiwg-berlin.mpg.de Stellungnahme von GEW-Landesverbänden zur Bertelsmann-Stiftung Die GEW-Landesverbände Bayern, Bremen und Hessen haben 2008 den nachfolgend dokumentierten Beschluss gefasst bzw. gleichlautende Stellungnahmen verabschiedet (hier nach GEW Hessen, http://www.gew-hessen.de, Landesdelegiertenversammung, 28. November 2008): Entsprechend dem Antrag der GEW Bremen beantragt die GEW Hessen: 1. Die GEW schließt sich den Forderungen der Bertelsmannkritischen Tagung vom 27. Oktober 2007 an (Frankfurter Appell gegen Bertelsmann 2007; siehe Anhang) 157 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik 2. Die GEW beauftragt den Landesvorstand, weitere Nachforschungen über die Zusammenarbeit der Bildungsbehörde mit der Bertelsmann-Stiftung anzustellen. 3. Die GEW wird aufgefordert, ihre Kontakte und ggf. gemeinsame Projekte mit der Bertelsmann-Stiftung den Landesvorständen mitzuteilen. 4. Sollte sich dabei herausstellen, dass es sich nur um kritische Teilnahmen und nicht um wirklich inhaltliche bzw. praktische Zusammenarbeit handelt bzw. handelte, soll dem Hause Bertelsmann und anderen untersagt werden, von einer Zusammenarbeit zwischen GEW und BertelsmannStiftung zu sprechen. 5. Sollte es tatsächlich eine nennenswerte Zusammenarbeit zwischen der GEW und der Bertelsmann-Stiftung, dem Bertelsmann-Konzern und/ oder Töchtern des Bertelsmann-Konzerns gegeben haben bzw. geben, ist diese selbstkritisch zu bewerten, einzustellen und keine neue zu vereinbaren. 6. Für die Zeit der Überprüfung sind die Kontakte der GEW zur Bertelsmann-Stiftung, zum Bertelsmann- Konzern und/ oder zu Töchtern des Bertelsmann-Konzerns einzufrieren. Begründung: Ob es • • • • • • • • 158 die Blaupausen zu den gewaltigsten sozialen Demontagen nach 1945 (Agenda 2010, Hartz-Gesetzgebung) gegen den Lebensstandard der abhängig Beschäftigten sind die Umgestaltung des öffentlichen Bildungssektors in einen von Profitmaximierung bestimmten ‚freien‘ Markt die Umlenkung der Zahlungsströme weg von staatlicher, steuerbasierter Bildungsfinanzierung hin zur (noch größeren) Belastung der einzelnen BildungsnehmerInnen (Bildungsgutscheine, Bildungskonten, KiTa-card, Studiengebühren, ...) die Aushebelung von Mitbestimmung in Betrieben und Institutionen, die völlige Aushebelung des gesetzlichen Kündigungsschutzes die Abschaffung der Gewerbesteuer die Halbierung des Sozialhilfe-Sockelbetrags unter Inkaufnahme noch größerer Kinderarmut der Einstieg in die Privatisierung von Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung (‚Kapitaldeckung‘) die Privatisierung der öffentlichen Verwaltungen in Deutschland und Zentraleuropa Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik • • • • die Ermunterung zu weltweiten Präventivkriegen (‚präventive weltweite Militärmissionen‘) die Ermunterung zu einem deutschen Zugriff auf französisches und britisches Atomwaffenpotential mittels Europäischer Armee unter deutschfranzösisch-britischer Führung das Ersetzen des Asylrechts durch ‚humankapitalorientiertes Strömungsmanagement‘ und last not least die weitere Entdemokratisierung dieser Gesellschaft ist, in all unseren gewerkschaftlichen Verteidigungskämpfen gegen diese und noch weitere Angriffe sehen wir immer wieder die Bertelsmann-Stiftung an entscheidender, Impuls und Geld gebender und vernetzender Stelle auf Seiten derer, die diese Angriffe gegen uns vortragen – zynischerweise auch noch mit unseren Steuermitteln: Die 1977 vom Konzern-Patriarchen Reinhard Mohn persönlich gegründete Stiftung ist heute der mit Abstand einflussreichste Politikberater im Land. Und da sie offiziell als ‚gemeinnützig’ agiert, auch gleich ganz oder teilweise von Steuerzahlungen befreit. Während es bspw. in den USA untersagt ist, dass eine steuerbegünstigte Stiftung mehr als 20 Prozent der Anteile eines Unternehmens hält, hält die Bertelsmann-Stiftung bereits mehr als drei Viertel der Anteile der Bertelsmann AG, einem der bedeutendsten Medien-, Bildungs- und Dienstleistungsriesen weltweit – und spart somit – ganz im Sinne ihres Stifters – einen Großteil der Steuern ein. Die mit diesen Mitteln agierende Stiftung will mit ihren Projekten nicht nur „Reformwerkstatt zum Umbau (!!) der BRD“ sein, sondern auch „Garant der Unternehmenskontinuität“. Das uneingeschränkte Stimmrecht in Konzern und Stiftung liegt bei den Mitgliedern der Familie Mohn. Die Stiftung unterliegt keinerlei externer Kontrolle. Inzwischen gehen StiftungsmitarbeiterInnen in Kommunalverwaltungen wie Landesregierungen ein und aus und werden nicht nur von Abgeordneten und Ministern regelrecht hofiert, auch von der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten selbst. Anhang: Aufruf gegen Bertelsmann 2007 Keine Zusammenarbeit mit Bertelsmann! Aberkennung der Gemeinnützigkeit für die Bertelsmann-Stiftung! Die Bertelsmann-Stiftung ist eine der mächtigsten Denkfabriken im Lande und als solche Leitakteur für ähnlich operierende Berater und Stiftungen. Sie greift aktiv in die Politik auf allen Ebenen von Regierungspolitik bis zur Kommune und zu Netzwerken von Einzeleinrichtungen ein. Dabei versucht sie, wesentliche Bereiche der Gesellschaft betriebswirtschaftlichen Modellen und manageriellen Motivationstechniken zu unterwerfen. 159 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik Die soziale Umverteilung von unten nach oben wie Hartz IV, die Gesundheitsreform, die Einführung von Studiengebühren und Studienkonten, Abwälzung gesellschaftlicher Kosten auf die Einzelnen, Unterstützung von undemokratischen kostenträchtigen Privatisierungsvorgängen sind von der Bertelsmann- Stiftung mitentwickelt worden. Ebenso greift das BertelsmannInstitut Centrum für angewandte Politikforschung (CAP) mit Vorschlägen zur verstärkten Militarisierung und geostrategischen Ausrichtung der deutschen und europäischen Außenpolitik in die internationale Politik ein. Bertelsmann setzt auf Elite-Netzwerke, intransparente Verflechtungen und Meinungsmache und unterhöhlt dadurch demokratisch-partizipative Strukturen. Die Mittel für ihre überaus umtriebigen Aktivitäten erhält die Stiftung durch den Status der Gemeinnützigkeit, die es ihr erlaubt, die Millionengewinne des Bertelsmann-Konzerns der Steuer vorzuenthalten. Dabei dient die Arbeit der Bertelsmann-Stiftung sehr wohl auch den Profitinteressen des Bertelsmann-Konzerns samt der Dienstleistungstochter Arvato und der Erschließung neuer Märkte, z.B. bei der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen. Wir fordern: • • • der Bertelsmann-Stiftung die Gemeinnützigkeit abzuerkennen; von parteinahen politischen Stiftungen, Gewerkschaften und Verbänden, die Kooperation mit der Bertelsmann Stiftung zu beenden; von der Hochschulrektorenkonferenz, von Hochschulen und universitären Einrichtungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die Zusammenarbeit mit Bertelsmann-Stiftung sowie den assoziierten Einrichtungen und Forschungsprojekten (z.B. Centrum für Hochschulentwicklung, Centrum für angewandte Politikforschung, Centrum für Krankenhausmanagement) einzustellen. Wir werden uns für eine Internationalisierung der bertelsmannkritischen Bewegung einsetzen. Die Anstifter anstiften stiften zu gehen: Der BertelsmannStiftung die Gemeinnützigkeit aberkennen – jetzt! Verabschiedet von der Bertelsmann-kritischen Tagung am 27. 10. 2007 in Frankfurt/ Main 160 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik Braucht die evangelische Kirche einen Bildungsbericht? Comenius-Institut Münster legt Machbarkeitsstudie zu einer evangelischen Bildungsberichterstattung vor Im Auftrag der EKD hat das Comenius-Institut, Evangelische Arbeitsstätte für Erziehungswissenschaft e.V. (Münster) im November 2008 eine Studie zur Machbarkeit evangelischer Bildungsberichterstattung vorgelegt. Darin werden zunächst Funktionen und Merkmale einer datengestützten, regelmäßigen Bildungsberichterstattung, wie sie im staatlichen Bildungswesen sowohl regional als auch national und international eingeführt wurde, beschrieben. Es wurde überprüft, inwiefern eine regelmäßige Bildungsberichterstattung auf das Bildungshandeln der evangelischen Kirche anzuwenden ist. Chancen und Grenzen eines solchen Vorgehens werden gezeigt an ausgewählten Beispielen evangelischer Bildungsarbeit. Dazu gehören u.a. evangelische Tageseinrichtungen für Kinder, die evangelische Kinder- und Jugendarbeit in Kirchengemeinden, Landeskirchen und Jugendverbänden, die Konfirmandenarbeit, der evangelische Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, Schulen in evangelischer Trägerschaft und evangelische Bildungsarbeit mit Erwachsenen in Kirchengemeinden, Initiativen und Vereinen, in Erwachsenenbildungswerken und -einrichtungen sowie der Aus-, Fort- und Weiterbildung. Der Gewinn einer Auswertung von zuverlässigen Daten für die Darstellung und Entwicklung wird exemplarisch ablesbar bei den evangelischen Tageseinrichtungen für Kinder. Erstmals wurde die Kindertagesbetreuungsstatistik gezielt trägerspezifisch ausgewertet. Die Auswertung zeigt unter anderem, dass konfessionelle Einrichtungen die höchsten Anteile von Kindern mit Migrationshintergrund haben. Dagegen ist das Angebot für Kinder unter drei Jahren, aber auch der Ausbau ganztägiger Angebote, im Vergleich zu öffentlichen und nicht-konfessionellen Trägern unterrepräsentiert. Erstmals sind auch gesicherte Aussagen zur Altersstruktur und der Qualifizierung der Mitarbeitenden sowie zu der Entwicklung der Anzahl der Plätze und Einrichtungen möglich. Die Verfasser der Studie empfehlen die Einführung einer evangelischen Bildungsberichterstattung auf EKD-Ebene. Bildungsberichterstattung wird in der Studie als geeignetes Instrumentarium beschrieben, um datengestützte Aussagen zum Kontext, den Leistungen, zur Qualität und zu Wirkungen evangelischen Bildungshandelns zu machen. Eine evangelische Bildungsberichterstattung ermöglicht es, evangelisches Bildungshandeln besser als bisher in einem Gesamtzusammenhang darzustellen, Entwicklungen zu erkennen und Steuerungspotentiale herauszuarbeiten. Ein erster evangelischer Bil161 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik dungsbericht könnte bis 2011 erstellt werden, der ausgewählte Schwerpunkte evangelischer Bildungsarbeit in den Mittelpunkt stellt. Dazu ist die Beteiligung der evangelischen Landeskirchen ebenso eine wesentliche Voraussetzung. Eine evangelische Berichterstattung ist angewiesen auf die Zusammenarbeit mit den kirchlichen und staatlichen Ämtern für Statistik und bedarf fundierter wissenschaftlicher Beratung sowie kirchenpolitischer Steuerung. Dazu enthält die Studie konkrete Vorschläge. Die Machbarkeitsstudie ist als Broschüre beim Comenius-Institut Münster zu beziehen und im Internet als Datei abrufbar unter http://www.ci-muenster.de/ biblioinfothek/open_access.php Volker Elsenbast, Dietlind Fischer (Comenius Institut, Münster) Internationale Hochschulkooperation mit Afghanistan An der Fakultät für Erziehungswissenschaft der Universität Nangarhar in Afghanistan begannen im Mai 2008 die Lehrveranstaltungen für einen Master of Arts (M.A.) in Educational Research and Development. Es handelt sich dabei um eine durch das EU-Asia Link-Programm finanzierte internationale Hochschulkooperation, die dazu dient, die akademische Ausbildung in Afghanistan zu unterstützen, da die Mehrzahl aller Hochschuldozenten an den staatlichen Universitäten des Landes nur über einen Bachelorabschluss verfügt, so dass der mit dem Projekt anvisierte Masterabschluss nicht zuletzt auch der Weiterbildung des Lehrpersonals in Erziehungswissenschaft dienen soll. Der Masterstudiengang umfasst die üblichen 120 Credit Points und folgt in seinen Pflichtmodulen den Vorgaben der schwedischen Universität Karlstad, die den genannten Mastertitel verleiht. Die Wahlmodule widmen sich der Bildungssituation in Afghanistan und internationalen Themen. Das Projektbüro ist in Karlstad angesiedelt und steht unter der Leitung von Dr. Pia Karlsson und Dr. Amir Mansory. Weitere Kollegen, die für die inhaltliche Konzeption und die Durchführung des Lehrangebots einschließlich Prüfungen zuständig sind, sind Herr Prof. Dr. Holger Daun (Universität Stockholm, Schweden), Herr Prof. Dr. Mahesh Nath Parajuli (Universität Kathmandu, Nepal) und Herr Prof. Dr. Tuomas Takala (Universität Tampere, Finnland) sowie auf deutscher Seite Frau Prof. Dr. Christel Adick (RuhrUniversität Bochum). Die Lehrveranstaltungen finden in Jalalabad, dem Sitz der Universität Nangarhar statt, wo ebenfalls ein lokales Projektbüro eingerichtet wurde. Die genannten HochschullehrerInnen übernehmen unterschied162 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik liche Module des Masterprogramms und wechseln sich während des Projekts in der Lehre vor Ort ab. Es ist geplant, dass die afghanischen Studierenden dieses Masterstudiengangs ihre Abschlussarbeiten im Sommer 2010 vorlegen und zu den Prüfungen nach Karlstad reisen, wo das Projekt im Kreise aller beteiligten Lehrenden und Projektpartner aus Europa und Asien beschlossen werden soll. Für den Studiengang konnten sich solche afghanischen Interessenten bewerben, die mindestens über einen Bachelorabschluss und zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Ferner mussten die erforderlichen Englischkenntnisse durch einen Test nachgewiesen werden. Das ursprüngliche Ziel, zur Hälfte weibliche Studierende zu rekrutieren, konnte trotz 65 eingegangener Bewerbungen angesichts der unbefriedigenden Bildungssituation von Mädchen und Frauen in Afghanistan nicht realisiert werden, so dass derzeit von insgesamt 25 Studierenden nur vier weiblichen Geschlechts sind. Gleichwohl soll dem Gender-Aspekt dadurch besonders Rechnung getragen werden, dass in den Lehrveranstaltungen und in den von den Studierenden durchzuführenden Feldstudien in den Schulen vor Ort immer auch Fragen des Bildungszugangs von Mädchen und Frauen bearbeitet werden. Die auf diese Weise gewonnenen empirischen Studien sollen angesichts der unzureichenden Situation der Bildungsforschung in Afghanistan gesammelt, aufbereitet und veröffentlicht werden, so dass die Hochschulkooperation neben der Qualifizierung von Masterabsolventen auch zur Weiterentwicklung der Erziehungswissenschaft in diesem Lande beitragen kann. Christel Adick (Ruhr-Universität Bochum) Aufruf gegen die Verschiebung der Semesterzeiten in Deutschland Auf Betreiben der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) sollen die Semesterzeiten an deutschen Hochschulen von 2011 an vorverlegt werden (vgl. Pressemitteilung vom 4. Mai 2007). Das neue Herbstsemester soll Anfang September statt Mitte Oktober beginnen, das Sommersemester Anfang März statt Mitte April. Die HRK verfolgt damit nach eigenen Worten das Ziel, durch Anpassung der Semestertaktung an die Mehrzahl der Nachbarländer einen Beitrag zur europäischen ‚Harmonisierung’ zu leisten. Nach ihren Angaben werde dadurch die Mobilität auf internationaler Ebene erleichtert. Studierenden, die aus dem Ausland kommen oder ins Ausland gehen wollen, habe das späte deutsche Semester bisher den Wechsel erschwert. 163 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik Allerdings nennt die HRK keine Zahlen, um die Dringlichkeit einer so weit reichenden Initiative zu untermauern. Angesichts der vielen hochschulplanerischen Maßnahmen der letzten Jahre, die auf schwankender Grundlage beschlossen wurden und ihr Ziel nicht immer erreicht haben, hätte dies eigentlich selbstverständlich sein müssen. Es ist anzunehmen, dass bei flexibler Handhabung der derzeit geltenden Regelungen die Anzahl von tatsächlichen ‚Härtefällen‘, die bei einem Hochschulwechsel innerhalb Europas entstehen, gering ist. Zudem wurde die Initiative der HRK (einmal mehr) ohne Konsultation der betroffenen Hochschullehrer beschlossen, die diese Umstellung am Ende werden organisieren müssen. Die Unterzeichner dieses Aufrufs weisen auf zwei gravierende Folgen hin, die eine Vorverlegung der Semesterzeiten haben würde: 1. In einigen Bundesländern würde dadurch die Bewerbungsfrist von Schulabgängern so verknappt, dass sie sich mitten in den Vorbereitungen zum Abitur auf der Grundlage ihres letzten Halbjahreszeugnisses um einen Studienplatz kümmern müssten. Dies käme einer schleichenden Entwertung des Abiturs gleich und wäre angesichts der Bedeutung der Studienplatzwahl kaum zumutbar. Auch die hochschuleigenen Zulassungsverfahren würden dadurch unter zusätzlichen Zeitdruck geraten. 2. Die Angleichung der deutschen Semestertaktung würde den Länder übergreifenden Austausch zwischen Forschern nicht fördern, sondern erschweren. Für die Internationalisierung der deutschen Hochschulen ist es bisher gerade von Vorteil, dass der akademische Kalender in Deutschland gegenüber anderen Ländern zeitversetzt ist. Dadurch entstehen im Frühjahr und Herbst Korridore von mehreren Wochen, die sich ideal für die Einladung von Gastwissenschaftlern eignen. So können deutsche Wissenschaftler im März und September zu Gastaufenthalten etwa in die USA, nach England oder Frankreich reisen, ohne ihre Lehrverpflichtungen zu Hause zu beeinträchtigen. Umgekehrt kommen Professoren und Doktoranden aus diesen Ländern vorzugsweise im Juni oder Juli nach Deutschland, d.h. in ihrer eigenen vorlesungsfreien Zeit, halten hier Gastseminare ab oder partizipieren auf andere Weise am akademischen Leben. Auf diesem einfachen Prinzip beruht eine Vielzahl von interuniversitären Austauschprogrammen, die mit großem Engagement in Gang gebracht und durch Steuergelder mit beträchtlichen Summen gefördert wurden. Als Forschungsstandort würde Deutschland durch die von der HRK geforderte Änderung Schaden erleiden. Die Mobilität von Hochschullehrern und Nachwuchswissenschaftlern würde empfindlich vermindert, erfolgreiche Aus164 Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik tauschprogramme würden behindert oder unmöglich gemacht. Die Unterzeichner dieses Aufrufs appellieren an die Hochschulrektorenkonferenz und an die Verantwortlichen in den Ländern und Universitäten, die Pläne zur Angleichung der deutschen Semesterzeiten nicht weiter zu verfolgen. Verantwortlicher Initiator des Aufrufs: Prof. Dr. Albrecht Koschorke, Fachbereich Literaturwissenschaft, Universität Konstanz, 78457 Konstanz. Kontakt: nina.kueck@uni-konstanz. 165 Ausschreibungen, Preise Die Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) vergibt im Jahr 2009 erneut den Aloys Fischer-Grundschulforschungspreis Aloys Fischer war von 1919 bis 1937 Lehrstuhlinhaber für Pädagogik an der Universität München und arbeitete mit den renommiertesten Erziehungswissenschaftlern dieser Zeit zusammen. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift Die Erziehung (zusammen mit W. Flitner, Th. Litt, H. Nohl und E. Spranger) sowie Mitbegründer der pädagogischen Soziologie. Als einer der ganz wenigen Universitätspädagogen seiner Zeit befasste sich Aloys Fischer mit der Schul- und Unterrichtstheorie der Grundschule. Er ordnete die Konzeption der Grundschule in die Demokratiebewegung der Weimarer Zeit ein, indem er die Grundschule als ein Symbol der Demokratie wertete und ihre damals umstrittene Einführung u. a. wegen der ‚geringen Kraft demokratischer Traditionen auf deutschem Boden‘ uneingeschränkt befürwortete. In Fragen der Kindergartenpädagogik, der Schulfähigkeit und reformpädagogischer Innovationen vertrat Fischer Positionen, die auch heute noch Gültigkeit für aktuelle grundschulpädagogische Fragestellungen beanspruchen können. Er setzte sich sowohl für eine Ethik als Zielwissenschaft der Pädagogik als auch für eine deskriptiv-empirische Pädagogik ein. Seine Frau Paula Fischer-Thalmann war Jüdin. Aloys Fischer stand zu seiner Frau und wurde deshalb 1937 zwangsemeritiert (Veröffentlichungsverbot, Entfernung aus der Universität). Seine Frau starb im KZ Theresienstadt. Der Aloys Fischer-Grundschulforschungspreis soll an das erziehungswissenschaftliche und grundschulpädagogische Werk Aloys Fischers, an seine demokratische Einstellung und an das Schicksal seiner Familie im Nationalsozialismus erinnern. Mit dem Preis werden Forschungsarbeiten, insbesondere von Nachwuchswissenschaftlern/-innen, ausgezeichnet (Dissertationen, Habilitationsschriften, Zeitschriftenartikel, Monographien), die sich Problemen der Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik oder der Nachbargebiete widmen. Es können Arbeiten eingereicht werden, die quantitativ-empirisch, qualitativ-empirisch, historisch, vergleichend oder theoretisch-systematisch ausgerichtet sind. Die Arbeiten sollen sowohl einen bedeutenden inhaltlichen Ertrag zur Pädagogik und Didaktik 167 Ausschreibungen, Preise der Grundschule bzw. zu den Nachbargebieten aufweisen als auch in der jeweiligen Forschungsmethodik hohen Standards genügen. Bewerbungen und Arbeiten können bis 30. April 2009 bei der Vorsitzenden der Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe eingereicht werden: Prof. Dr. Margarete. Götz, Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik, Universität Würzburg, Wittelsbacher Platz 1, 97074 Würzburg, E-Mail Sekretariat: [email protected]. Die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vergibt anlässlich ihres 22. Kongresses, der vom 14. bis 17. März 2010 in Mainz stattfindet, erneut den Förderpreis für ausgezeichnete Arbeiten junger Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftler Der Preis ist dotiert mit insgesamt 3000 Euro, das Preisgeld kann auf drei Plätze verteilt werden. Förderungswürdig sind Beiträge aus Fachzeitschriften und Anthologien, die nach dem 1. September 2007 von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern publiziert wurden, die das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Begründete Vorschläge mit sieben Exemplaren der Publikation sowie Angabe des Geburtsdatums der Autorin bzw. des Autors und einer kurzen Laudatio können bis zum 01.09.2009 beim Vorsitzenden der Jury des Förderpreises, Prof. Dr. Hans-Rüdiger Müller, Universität Osnabrück, Institut für Erziehungswissenschaft, Heger-Tor-Wall 9, 49069 Osnabrück, eingereicht werden. Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Geschäftsstelle der DGfE, Frau Rosendahl, [email protected]. 168 Tagungskalender Zusammenstellung der angekündigten Tagungen der Sektionen und Kommissionen der DGfE Nähere Informationen, soweit sie der Redaktion vorlagen, sind den Berichten aus den Sektionen und Kommissionen zu entnehmen. Datum 11. – 15.3. 2009 12. – 13.3. 2009 25. – 27.3. 2009 Sektion/ Kommission und Ansprechpartner Arbeitskreis Vormoderne Erziehungsgeschichte/ Homepage der Sektion Historische Bildungsforschung http://www.bbf.dipf.de/hk//ave.htm Arbeitsgemeinschaft Organisationspädagogik/ Prof. Dr. Wolfgang Seitter, Dr. Timm Feld Kommission Schulforschung und Didaktik/ Kommission Professionsforschung und Lehrerbildung/ Prof. Dr. Uwe Hericks 8. – 10.5. 2009 Tagung der Kommission Psychoanalytische Pädagogik 15. – 17.5. 2009 Jahrestagung der Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie/ Dr. Telse IwersStelljes Jahrestagung der Sektion Frauen- und Geschlechterforschung 22. – 24.5. 2009 29.5. 2009 (Inter-)nationale Tagung für Praxis, Wissenschaft und Politik 11. – 13.6. 2009 Abschlusstagung des Modellprogramms FörMig/ Prof. Dr. Ursula Neumann Thema Ort Bildungsgänge: Selbst- und Fremdbeschreibungen im Mittelalter und der Frühen Neuzeit Organisation und Beratung Bielefeld, ZIF Bildungsstandards und Kompetenzmodelle – eine Verbesserung der Qual. v. Schule, Unterricht und Lehrerbildung? Allgemeine Pädagogik und Psychoanalytische Pädagogik im Dialog Zugänge zur Stärkung der Person bei Lehrenden und Lernenden Jugend – politische Kultur – Geschlecht Heidelberg, Pädagogische Hochschule Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung Förderung von Kindern und Jugendl. mit Migrationshintergrund: Bilanz u. Perspektiven eines Modellprogamms Marburg Würzburg Germerode Marburg, Technologie- u. Tagungszentr. Universität Fribourg (CH) Hamburg 169 Tagungskalender Datum 3. – 4.7. 2009 24. – 26.7. 2009 26. – 29.8. 2009 19. – 21.9. 2009 21. – 23.9. 2009 24. – 25.9. 2009 Sektion/ Kommission und Ansprechpartner Interdisziplinäre Tagung an der FernUniversität Hagen Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie/ Dr. Telse Iwers-Stelljes ISCHE 31 – International Standing Conference for the History of Education Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung/ Prof. Dr. Karin Priem, Prof. Dr. Gudrun M. König, Dr. Rita Casale 18. Jahrestagung Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe/ Prof. Dr. Arnold, Prof. Dr. Graumann, Prof. Dr. Hauenschild Arbeitstagung Phänomenologische Forschungen 24. – 26.9. 2009 7. Bundeskongress Soziale Arbeit 25. – 30.9. 2009 European Educational Research Association (EERA)/ http://www.eera-ecer.eu/ 1. – 3.10. 2009 Jahrestagung der Sektion Sonderpädagogik/ Prof. Dr. Ulrike Schildmann 170 Thema Ort Strategien der Ausgrenzung – Exkludierende Effekte staatlicher Politik und alltäglicher Praktiken in Bildung und Gesellschaft. Perspektiven der Erziehungswissenschaft und der Sozialwissenschaften auf Integration und Segregation Gesellschaftliche Verantwortung und Spiritualität Educating the People. The History of Popular Education Die Materialität der Erziehung: Zur Kultur- und Sozialgeschichte pädagogischer Objekte Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik. Perspektiven für die Grundschulpädagogik FernUniversität Hagen Phänomenologische Forschungen in der Erziehungswissenschaft Gerechtigkeit, Verantwortung und Sicherheit. Soziale Arbeit positioniert sich! Hauptkonferenz/ Pre-conference für Nachwuchswissenschaftler/-innen Umgang mit Verschiedenheit in d. Lebensspanne. Behinderung – Geschlecht – kultureller Hintergrund – Alter(sphasen) Freiburg Freiburg Utrecht (NL) Deutsches Literaturarchiv Marbach am Neckar Hildesheim Dortmund Wien (A) Dortmund Tagungskalender Datum 1. – 3.10. 2009 4. – 7.10. 2009 7. – 8.10. 2009 29. – 31.10. 2009 Oktober 2009 14. – 17.3. 2010 22. – 28.8. 2010 Sektion/ Kommission und Ansprechpartner 13. Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung Kommission Schulforschung und Didaktik Herbsttagung der Kommission für Bildungsorganisation, Bildungsplanung und Bildungsrecht Herbsttagung 2009 der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosphie Jahrestagung der Kommission Pädagogische Anthropologie 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) 21st International Congress of Historical Sciences (ICHS) Thema Ort Freund- und Feindbilder Belgrad (SRB) Umgang mit Heterogenität Evaluation – Gesellschaft – Bildung Brixen (I) Bildungs- und Erziehungsphilosophie und der Wandel der Bildungssysteme Geschlecht Basel (CH) Bildung in der Demokratie Mainz Münster Hildesheim Amsterdam (Niederlande) März 2009 11. – 15. 03. 2009 12. Tagung des Arbeitskreises für Vormoderne Erziehungsgeschichte (AVE) Bildungsgänge: Selbst- und Fremdbeschreibungen in der Frühen Neuzeit Universität Bielefeld, Zentrum für interdisziplinäre Forschung. Tagungsprogramm und Online-Anmeldung: http://episteme.uni-muenster.de/index.php?nav=tagung&subnav=anmeldung 13. – 15. 03. 2009 Tagung der Arbeitsgemeinschaft Organisationspädagogik Universität Marburg, Institut für Erziehungswissenschaft Kontakt: Dr. Timm C. Feld, E-Mail: [email protected] 25. – 27. 03. 2009 Jahrestagung der Kommission Schulforschung und Didaktik und der Kommission Professionsforschung und Lehrerbildung 171 Tagungskalender Bildungsstandards und Kompetenzmodelle – eine Verbesserung der Qualität von Schule, Unterricht und Lehrerbildung? Pädagogische Hochschule Heidelberg Mai 2009 08. – 10. 05. 2009 Tagung der Kommission Psychoanalytische Pädagogik Allgemeine Pädagogik und Psychoanalytische Pädagogik im Dialog, Würzburg Organisation: Prof. Dr. G. Bittner, Prof. Dr. M. Dörr, Dr. V. Fröhlich und Prof. Dr. R. Göppel. 15. – 17. 05. 2009 Jahrestagung der Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie Zugänge zur Stärkung der Person bei Lehrenden und Lernenden, Germerode Kontakt: Telse Iwers-Stelljes, Katrin Knoche. E-Mail: telse(at)iwers-stelljes.de; Katrin.Knoche(at)uni-kassel.de 29. 05. 2009 (Inter-)nationale Tagung für Praxis, Wissenschaft und Politik Frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung, Universität Friboug (CH) Information: www.unifr.ch/pedg Juni 2009 11. – 13. 06. 2009 Abschlusstagung des Modellprogramms FörMig Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Bilanz und Perspektiven eines Modellprogramms, Hamburg. Veranstalter: Programmträger FörMig: Institut für International und Interkulturell Vergleichende Erziehungswissenschaft, Universität Hamburg (Profs. Drs. Ingrid Gogolin, Inci Dirim, Ursula Neumann, Hans H. Reich, HansJoachim Roth, Knut Schwippert) 172 Tagungskalender Juli 2009 03. – 04. 07. 2009 Interdisziplinäre Tagung Strategien der Ausgrenzung – Exkludierende Effekte staatlicher Politik und alltäglicher Praktiken in Bildung und Gesellschaft. Perspektiven der Erziehungswissenschaft und der Sozialwissenschaften auf Integration und Segregation, FernUniversität Hagen Organisation: Dr. Martin Spetsmann-Kunkel, Prof. Dr. Norbert Wenning, Dr. Susanne Winnerling (Universität Koblenz-Landau), FernUniversität Hagen: Institut für Bildung im Kindes- und Jugendalter, Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung. E-Mail: [email protected]; [email protected] 24. – 26. 07. 2009 Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie Gesellschaftliche Verantwortung und Spiritualität, Freiburg E-Mail: telse(at)iwers-stelljes.de August 2009 26. – 29. 08. 2009 International Conference for the History of Education (ISCHE), 31st Session Educating the People. The History of Popular Education. Utrecht (NL) Information: http://edugate.fss.uu.nl/ISCHE2009/ September 2009 19. – 21. 09. 2009 Jahrestagung der Sektion Historische Bildungsforschung Die Materialität der Erziehung: Zur Kultur- und Sozialgeschichte pädagogischer Objekte, Deutsches Literaturarchiv in Marbach am Neckar Organisation: Dr. Rita Casale, Pädagogisches Institut, Universität Zürich, Freie Strasse 36, CH-8032 Zürich, E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. Gudrun M. König, Institut für Kunst und Materielle Kultur, TU Dortmund, Emil-Figge-Str. 50, D-44227 Dortmund, E-Mail: [email protected]; Prof. Dr. Karin Priem, Institut für Erziehungswissenschaft, PH 173 Tagungskalender Schwäbisch Gmünd, Oberbettringer Str. 200, D-73525 Schwäbisch Gmünd, E-Mail: [email protected]. 21. – 23. 09. 2009 18. Jahrestagung Kommission Grundschulforschung und Pädagogik der Primarstufe Zwischen Fachdidaktik und Stufendidaktik. Perspektiven für die Grundschulpädagogik, Universität Hildesheim. Kontakt: Prof. Dr. Arnold, Prof. Dr. Graumann und Prof. Dr. Hauenschild. 24. – 25. 09. 2009 Arbeitstagung Phänomenologische Forschungen Phänomenologische Forschungen in der Erziehungswissenschaft – am Beispiel Pädagogische Hochschule Freiburg Kontakt: Dr. Malte Brinkmann, Pädagogische Hochschule Freiburg, Institut für Erziehungswissenschaft, Kunzenweg 21, 79117 Freiburg; E-Mail: [email protected]. 24. – 26. 09. 2009 7. Bundeskongress Soziale Arbeit Gerechtigkeit, Verantwortung und Sicherheit. Soziale Arbeit positioniert sich! Dortmund, www.bundeskongress-soziale-arbeit.de Kontakt: Organisationsbüro Bundeskongress Soziale Arbeit, TU Dortmund, Fakultät Erziehungswissenschaft und Soziologie, ISEP, Emil-Figge-Str. 91, 44227 Dortmund; Tel.: 0231–755 6065; Fax: 0231–755 6225; E-Mail: buko09(at)fb12.uni-dortmund.de 25. – 26. 09. 2009 ECER Pre-Conference 28. – 30. 09. 2009 ECER Main Conference European Educational Research Association (EERA) Theory and Evidence in European Educational Research, Wien (A) Information: http://ecer2009.univie.ac.at 174 Tagungskalender Oktober 2009 01. – 03. 10. 2009 Jahrestagung der Sektion Sonderpädagogik Umgang mit Verschiedenheit in der Lebensspanne. Behinderung – Geschlecht – kultureller Hintergrund – Alter(sphasen) Technische Universität Dortmund Kontakt: Prof. Dr. Ulrike Schildmann, E-Mail: [email protected]. 01. – 03. 10. 2009 13. Jahrestagung der Internationalen Gesellschaft für historische und systematische Schulbuchforschung Freund- und Feindbilder, Universität Belgrad (SRB) Kontakt: Assistant Professor Dr. Arsen Djurovic, Universität Belgrad, Philosophische Fakultät, Ljubina Str. 18-20, Belgrad, Serbien, E-Mail: [email protected], Tel. +381 11 311 50 75. Prof. Dr. Eva Matthes und Dr. Carsten Heinze, Universität Augsburg, Lehrstuhl für Pädagogik, Universitätsstr. 10, 86159 Augsburg, Telefon 0821/5985564 -5573, Fax 0821 5985630, E-Mail: carsten. [email protected]. Internet: http://www.philso.uni-augsburg.de/de/ lehrstuehle/paedagogik/paed1/Schulbuchforschung1 04. – 07. 10. 2009 Kommission Schulforschung und Didaktik Umgang mit Heterogenität, Brixen (I) Kontakt: Prof. Dr. Ingrid Kunze, Universität Osnabrück, FB 3, Heger-TorWall 9, 49069 Osnabrück, Tel.: 0541-969-4981, Fax: 0541-969-4861 07. – 08. 10. 2009 Herbsttagung der Kommission für Bildungsorganisation, Bildungsplanung, Bildungsrecht (KBBB) Evaluation – Gesellschaft – Bildung (Arbeitstitel), Münster. 29. – 31. 10. 2009 Herbsttagung der Kommission Bildungs- und Erziehungsphilosophie Philosophy of Education and the Transformation of Educational Systems / La Philosophie de l'Éducation et la Transformation des Systèmes Éducatifs / Die 175 Tagungskalender Bildungs- und Erziehungsphilosophie und der Wandel der Bildungssysteme, Basel (CH) Information: http://paedagogik.unibas.ch Oktober 2009 Jahrestagung der Kommission Pädagogische Anthropologie Geschlecht, Universität Hildesheim Organisation: Prof. Dr. Meike Sophia Baader März 2010 14. – 17. 03. 2010 22. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) Bildung in der Demokratie, Mainz (vgl. Mitteilungen des Vorstands, in diesem Heft) August 2010 22. – 28. 08. 2010 21st International Congress of Historical Sciences (ICHS) in Verbindung mit Session 32, International Standing Conference for the History of Education (ISCHE 32), Amsterdam Information: www.ichs2010.org, E-Mail: [email protected] 176 Personalia Clausen, Marten, Dr. ist zum Wintersemester 2008/09 auf die Professur Unterrichtsforschung (W2) im Fachbereich Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen berufen worden. Dauber, Heinrich, Prof. Dr., hat gemeinsam mit Dorit Bosse und Elke Döring-Seipel für die Entwicklung und Erprobung eines 1,5-tägigen Seminarmodells Psychosoziale Basiskompetenzen im Lehrberuf den 1. Preis des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst Exzellenz in der Lehre erhalten. Ehrenspeck, Yvonne, Prof. Dr., Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg, Allgemeine Pädagogik, hat einen Ruf auf eine W3-Professur für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Universität der Bundeswehr in München abgelehnt. Zum 01.04.2008 hat sie eine W3-Professur für Allgemeine Pädagogik an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg angenommen. Herz, Birgit, Prof. Dr., Universität Hamburg, Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft, hat einen Ruf auf die W3Professur für Pädagogik bei Verhaltensstörungen an der Leibniz Universität Hannover erhalten. Hornberg, Sabine, PD Dr., Technische Universität Dortmund, hat zum 01.10.2008 den Ruf auf die W2-Professur für Allgemeine Pädagogik an der Universität Bayreuth angenommen. Kessl, Fabian, Dr., ist zum Wintersemester 2008/09 auf die Professur Theorie und Methoden der Sozialen Arbeit (W3) im Fachbereich Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen berufen worden. Koch-Priewe, Barbara, Prof. Dr., bisher Technische Universität Dortmund, hat zum 01.10.2008 einen Ruf auf die Professur (W3) für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Sekundarstufe I an der Universität Bielefeld angenommen. Sliwka, Anne, Dr., ist zum Wintersemester 2008/09 auf die Professur Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik (W3) im Fachbe177 Personalia reich Bildungswissenschaften an der Universität Duisburg-Essen berufen worden. Neuß, Norbert, Prof. Dr., FH Hildesheim/ Holzminden/ Göttingen, hat einen Ruf auf die Professur für Didaktik und Pädagogik des Elementarbereichs und der Frühen Kindheit an der Justus-Liebig-Universität Gießen angenommen. 178 Hinweise für Autorinnen und Autoren der ‚Erziehungswissenschaft‘ Stand: Januar 2009 Für die Editierung Ihres Beitrags bitten wir Sie, die nachfolgenden Punkte zu beachten: 1. Schreiben Sie Ihren Text als Fließtext, ohne Silbentrennung, ohne Blocksatz, ohne Kopf- und Fußzeilen, ohne Silbentrennung, ohne HyperlinkFormatierung (in Internet- und Emailadressen) und ohne Nummerierung der Seiten, keine Absatzformatierung mittels Leerzeile. Schriftart: Times New Roman (oder andere Serifen-Schrift), Punkt 12, 1,5-zeilig. Textstellen, die im Druck hervorgehoben werden sollen, sind nur als Kursivschrift möglich (nicht fett, nicht unterstrichen, keine VERSALIEN oder KAPITÄLCHEN). Zu den Hinweisen für die einzelnen Rubriken vgl. unten (Anhang 2). 2. Dokument: Ihr Manuskript ist als doc-Datei willkommen. 3. Die Gliederung des Textes sollte in Dezimalklassifikation höchstens zweistellig erfolgen (1., 1.1 etc.). 4. Rechtschreibung: es gilt eine moderate Fassung der sog. Neuen Rechtschreibung. 5. Anmerkungen/Fußnoten werden an das Ende der betreffenden Seite gestellt und sollen nach Möglichkeit vermieden werden. Fußnotenzeichen sind im Text (fortlaufend nummeriert) hochgestellt (Beispiel: … gezeigt hat.4). 6. Gestaltung von Tabellen und Abbildungen: siehe unten (Anhang 1). 7. Literatur: Bitte nur Literatur angeben, die einen direkten Textbezug hat, auf Zusatzliteratur verzichten. 179 Hinweise für Autorinnen und Autoren 7.1 Literaturverweise im Text durch Name, Jahr und Seitenzahl kennzeichnen, dabei keine Großbuchstaben oder Kapitälchen verwenden. (Müller 1990) (Müller 1990a, b) (Müller 1990, 1992, 1994) (Müller 1990, 13 bzw. 13f. bzw. 13ff.) (Kant 1799/1974) mehrere Autoren: (Müller/Maier 1990) (Müller/Maier/Schmidt 1990) (bis 3 Autoren bei Erstnennung, dann Müller et al. oder u. a.) (Müller 1990; Maier et al. 1990) 7.2 Literaturverzeichnis Eigenständige Veröffentlichung: Familienname, Initialen des/der Vornamen(s). (Jahr): Titel. Verlagsort: Verlag. Brücher, G. (2004): Postmoderner Terrorismus. Zur Neubegründung von Menschenrechten aus systemtheoretischer Perspektive. Opladen: Verlag Barbara Budrich. Baumert, J./Schümer, G. (2001): Schulformen als selektionsbedingte Lernmilieus. Opladen: Leske + Budrich. Beiträge in Sammelwerken: Familienname, Initialen des/der Vornamen(s). (Jahr): Titel. In: Familienname, Initialen des/der Vornamen(s). (Hrsg.): Titel. Verlagsort: Verlag, S. xx-xxx. Rauschenbach, T./Züchner, I. (2004): Studium und Arbeitsmarkt der Hauptfachstudierenden. In: Tippelt, R./Rauschenbach, T./Weishaupt, H. (Hrsg.): Datenreport Erziehungswissenschaft 2004. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 39-55. Beiträge in Zeitschriften: Familienname, Initialen des/der Vornamen(s). (Jahr): Titel. In: Titel der Zeitschrift, Jahrgang, S. xx-xx. Leschinsky, A. (2005): Vom Bildungsrat (nach) zu PISA. Eine zeitgeschichtliche Studie zur deutschen Bildungspolitik. In: Zeitschrift für Pädagogik, 52. Jahrgang, S. 818-828. 180 Hinweise für Autorinnen und Autoren Anhang 1 Typographische Richtlinien für die Gestaltung der Tabellen und Abbildungen Bei der Gestaltung Ihrer Tabellen und Abbildungen wird gebeten, die nachfolgenden Hinweise zu beachten, damit zeitraubende Bearbeitungen der Vorlagen oder die Neuanfertigung der Darstellungen vermieden werden können. Die Abbildungen müssen folgenden Kriterien genügen: 1. Abbildungen nicht in den Text einfügen, sondern in eigener Datei speichern; im Text die Stelle der Einfügung kennzeichnen; bei den Abb. bitte beachten, dass unser Satzspiegel 11 x 17 cm beträgt. 2. „Power-point“-Darstellungen sind als Druckvorlage grundsätzlich nicht geeignet. 3. Alle Abbildungen von vornherein einfarbig anlegen (keine Farbabbildungen). 4. Abbildungen in Größe, Linienstärke, Schriftgröße, Auflösung usw. dem Satzspiegel (11 x 17 cm) anpassen. 5. Datei-Formate: Vektor-Bilder (Diagramme, Schemata etc.) am besten als .eps-Datei Pixel-Bilder (Fotos etc.) als .tif-Dateien mit einer Mindestauflösung von 600 dpi (bezogen auf die Endgröße der Abbildung). 6. Linien in Graphiken und Abbildungen in der Mindeststärke ½ p. anlegen (keine Haarlinien). 7. Tabellen möglichst einfach gestalten (wenige Spalten etc.). 8. Bei Diagrammen keine feinen Rasterungen oder Graustufen verwenden, sondern grobe Schraffuren oder graphische Muster. 9. Für Abbildungen/Tabellen werden serifenlose (sans serif) Schrifttypen empfohlen (z.B. Arial, Univers, Trade Gothik); dabei ist die Mindestschriftgröße innerhalb der Abbildungen Schriftgrad 6, in den meisten Fällen ist der Schriftgrad 8-9 optimal. 10. Einen guten Ausdruck der Graphik beifügen, der notfalls eingescannt werden könnte. 181 Hinweise für Autorinnen und Autoren Anhang 2 Hinweise zu den einzelnen Rubriken Rubrik „Beiträge“ • An den Anfang: Thema des Beitrags sowie Vor- und Nachname der Autorin/des Autors • Abbildungen, Schaubilder s. o. (Anhang 1) • Bitte verwenden Sie Klammern und Anführungszeichen nach folgendem Muster: o [...] für Ihre Auslassungen im Zitat o [xxx, d. V.] für von Ihnen ins Zitat eingefügte Erklärungen und Ergänzungen o doppelte Anführungszeichen („“) für Zitate (mit Literaturverweis belegt) o einfache Anführungszeichen (‚‘) für distanzierte o. ‚uneigentliche‘ Rede sowie für ein Zitat im Zitat. • Hyperlinks stehen grundsätzlich nur als Äquivalent für den Verlagsort in herkömmlichen Literaturangaben. Bitte verwenden Sie sie unter Angabe von Autor und/oder Institution, Titel des Dokuments usw., URL, letztem Zugriff. Rubrik „Berichte aus den Sektionen“ Die Berichte aus den Sektionen und Kommissionen sollten nach folgenden Unterüberschriften gegliedert sein: • • • • Tagungen Vorstandsarbeit Aktivitäten der Sektion/Kommission Veröffentlichungen der Sektion/Kommission Außer diesen Überschriften werden wegen der Einheitlichkeit des Schriftbildes keine anderen Überschriften aufgenommen. Tagungsankündigungen bitte für die Rubrik „Tagungskalender“ abfassen. Bitte ans Ende des Berichts/der Notiz: Vor- und Nachname der Autorin/des Autors. Rubrik „Notizen aus der Forschung“ In dieser Rubrik werden Forschungsprojekte, neue Publikationsorgane, neue Forschungszentren und -einrichtungen u. ä. aufgeführt. Bei Projektbeschreibungen sollte folgendes Format eingehalten werden: 182 Hinweise für Autorinnen und Autoren • • • • • • Titel Projektleitung und Team Gefördert durch Laufzeit Kurzbeschreibung Kontaktadresse Rubrik „Notizen aus der Wissenschafts- und Bildungspolitik“ Die Notizen sollten den Textumfang von je einer halben Seite nicht überschreiten. Bitte ans Ende des Berichts/der Notiz: Vor- und Nachname der Autorin/des Autors. Rubrik „Ausschreibungen, Preise“ In dieser Rubrik können Aufrufe zur Suche nach Projektpartnern für Forschungsprojekte sowie Ausschreibungen wissenschaftlicher Preise veröffentlicht werden. Bitte ans Ende des Berichts/der Notiz: Vor- und Nachname der Autorin/des Autors. Rubrik „Tagungskalender“ Eintragungen in den Tagungskalender sollten in Form zusammengefasster Ankündigungen in folgendem Format erscheinen: Termin, Titel, Ort, kurze Themenbeschreibung (10-20 Zeilen), Organisatorisches, Kontaktadresse/Homepage. Rubrik „Personalia“ In die Personalia werden Nachrufe und Gratulationen (zu runden Geburtstagen ab dem Alter von 80 Jahren) sowie Informationen über Preise, Rufe und Vertretungen von Professuren aufgenommen. Qualifikationsarbeiten (Promotionen, Habilitationen) können aus Platzgründen leider nicht berücksichtigt werden. Veränderungen in den DGfE-Sektions- oder Kommissionsleitungen sollten für die Rubrik „Berichte aus den Sektionen“ abgefasst werden. 183 Impressum Erziehungswissenschaft. Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) Herausgegeben vom Vorstand der DGfE (http://www.dgfe.de/ ) ISSN: 0938-5363, Erscheinungsweise: zweimal jährlich. Online-Ausgabe: http://dgfe.pleurone.de/zeitschrift/ Geschäftsführende Herausgeberin: Prof. Dr. Ingrid Lohmann, Universität Hamburg, FB Erziehungswissenschaft, Fakultät IV, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg E-Mail: Lohmann [at] erzwiss.uni-hamburg.de Redaktion: Susanne Spieker M.A., Universität Hamburg, FB Erziehungswissenschaft, Fakultät IV, Von-Melle-Park 8, 20146 Hamburg E-Mail: spieker [at] erzwiss.uni-hamburg.de Redaktionsschluss für Heft 39 ist 15. Juni 2009. Satz: Dr. Anne Wessel, Berlin Verlag: Verlag Barbara Budrich, Opladen & Farmington Hills www.budrich-verlag.de E-Mail: info [at] budrich-verlag.de Tel. 02171 344 594, Fax 02171 344 693 Informationen über die Bedingungen für die Mitgliedschaft in der DGfE erhalten Sie auf der DGfE-Homepage unter http://dgfe.pleurone.de/ueber/Mitgliedschaft/ oder bei der Geschäftsstelle der DGfE c/o Freie Universität Berlin Yvonne Rosendahl, Arnimallee 12, 14195 Berlin Tel.: +49 (0)30 838 54445, Fax: +49 (0)30 838 54441 E-Mail: buero [at] dgfe.de