Sommerwind über dem Auge

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F. STOCKMEIER / ARGUM
Wissenschaft
Laseroperation am Klinikum Mannheim: „Minimale Belastung und rasche Wirkung“
MEDIZIN
Sommerwind über dem Auge
Die Modellierung der Hornhaut durch Laserstrahlen soll in diesem Jahr rund 30 000
Kurzsichtige in Deutschland von der Brille befreien, auch für Weitsichtige wird die Technik bereits
an Patienten erprobt. Schon träumen Physiker von der Sehkraft-Verdoppelung für jedermann.
W
eit aufgesperrt starrt das braune
Auge von Detlef Dahl vom Monitor in den Operationsraum der
Kieler Klinik „Bellevue“. Der 52-jährige
Kaufmann selbst liegt, steril abgedeckt, mit
dem Gesicht unter dem Mikroskop, durch
das Chirurg Detlef Uthoff jeden Schritt des
Eingriffs verfolgt. Der Operateur spült das
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betäubte, mit Metallspangen offen gehaltene Auge und reinigt sorgfältig die Bindehaut.
Medizintechniker Jochen Neumann hat
zuvor die Sehdaten in den Rechner eingespeist und „Probeschüsse“ mit dem Excimer-Laser abgefeuert, dessen Licht den Patienten von seiner Kurzsichtigkeit heilen
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soll. „Lasik“ heißt das Verfahren, abgekürzt für „Laser in situ Keratomileusis“.
Die Prozedur ist kurz und schmerzlos,
die Heilung verläuft rasch, die Erfolge
sind gut – wenn alles gut geht: „Lasik taugt
nicht für jeden“, betont Uthoff. Je stärker die Fehlsichtigkeit, desto größer ist
das Risiko, einen Rest von Kurzsichtigkeit
T. BARTH / ZEITENSPIEGEL
Lasik-Patientin Vincon: Rosenmontag das eine, Fastnachtsdienstag das andere Auge
Scharf gestellt
Operation von Fehlsichtigkeit nach der Lasik-Methode
KURZSICHTIGKEIT
Hornhaut
Linse
Hornhaut
Netzhaut
Licht
Brennpunkt
Defekt
Bei Kurzsichtigkeit werden die einfallenden Lichtstrahlen durch Hornhaut und Linse so gebrochen, dass
sie vor der Netzhaut fokussiert werden. Bei Weitsichtigkeit liegt der
Brennpunkt der Lichtstrahlen hinter
der Netzhaut.
Laserstrahl
Korrektur
Nach Anheben eines Hornhautscheibchens tragen die Ärzte mit einem Laser
Hornhautgewebe ab. Bei Kurzsichtigkeit wird die Hornhaut-Krümmung
verringert, bei Weitsichtigkeit verstärkt.
Nach der Operation wird der Gewebedeckel zurückgeklappt.
Ergebnis
Einfallende Lichtstrahlen werden nun so
gebrochen, dass ihr
Brennpunkt direkt auf
der Netzhaut liegt und
dort ein scharfes Bild
entsteht.
WEITSICHTIGKEIT
Laserstrahl
zu behalten. Junge Leute, bei denen der
Augapfel noch wächst, sind ungeeignet.
Auch große Pupillen, zu dünne Hornhaut und starke Hornhautverkrümmung
(„Astigmatismus“) können Kandidaten
untauglich machen; die Netzhaut muss
intakt sein.
Ebenso wichtig wie die richtige Auswahl
der Patienten sei die des Arztes – mitsamt
seinem Laser- und Schneidegerät. „Wenn
der Mikrochirurg damit sanft über das
Auge geht wie ein lauer Sommerwind“,
beteuert Uthoff, „dann klappt das auch.“
Patient Dahl, mit unterschiedlich kurzsichtigen Augen, einer zusätzlichen Hornhautverkrümmung und altersbedingter
Weitsichtigkeit, hatte es satt, „ewig die verschiedenen Brillen zu sortieren“. Mit der
Gleitsichtbrille kam er nicht zurecht, die
Kontaktlinsen verdrehten sich beim Sport.
Deshalb hat er sich für die „Refraktive
Chirurgie“ entschieden, die Brechungsfehler operativ beseitigt.
An neun Spezialkliniken, an privaten
Zentren ebenso wie an Universitätskrankenhäusern, werden Brillenmüde inzwischen mit Lasik behandelt. „Sprunghaft
angestiegen“, so Heike Petersen, Augenchirurgin an der Universitätsklinik Dresden, sei in den letzten Jahren die Zahl der
Lasik-Eingriffe. Mit rund 30 000 wird für
dieses Jahr gerechnet.
„Insbesondere zur Korrektur der mittleren Myopie (Kurzsichtigkeit)“, sagt Michael Knorz vom Augenklinikum Mannheim,
habe sich die Methode etabliert. Der Mediziner hat sich seine eigene Kurzsichtigkeit
(minus fünf Dioptrien) von einem Kollegen auf Null bringen lassen. „Minimale Belastung und rasche Wirkung“, erklärt er,
„haben Lasik zum Durchbruch verholfen.“
Obwohl Langzeituntersuchungen noch
fehlen, bekam das Verfahren nun auch offiziellen Segen: „Bis zu einer Kurzsichtigkeit von minus zehn Dioptrien stellt Lasik
ein wissenschaftlich anerkanntes Verfahd e r
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ren dar“, urteilte vor wenigen Monaten die
von den Dachverbänden der deutschen
Augenärzte gegründete „Kommission Refraktive Laserchirurgie“. Und auch die
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft
akzeptiert die Methode seit 1999.
Zuerst das Messer, dann der Strahl bearbeiten die aus 300 Lamellen geschichtete Hornhaut. Beim Kurzsichtigen ist die
Brechkraft dieser gekrümmten, durchsichtigen Umkleidung des Auges dem zu lang
gebauten Augapfel nicht angepasst: Die
Bilder im Brennpunkt der Linse gelangen
nicht genau auf, sondern vor die Netzhaut
und werden nur verschwommen wahrgenommen (siehe Grafik).
Ein Saugring fixiert das Sehorgan des
Patienten Dahl, ein kurzer Unterdruck versteift das Auge, so dass der Hornhauthobel
exakt arbeiten kann. Präzise schneidet der
dünne Stahl die Hornhaut ein. Mit einem
abgebogenen Spatel hebt Uthoff eine ultrafeine Lamelle ab, die sich wie ein Buchdeckel zum Oberlid hin aufklappen lässt.
Mit Mikrotupfern säubert und trocknet er
das raue Wundbett – dann kann der Laser
die tiefer liegenden Gewebeschichten modellieren. Der Operateur klappt das Hornhautscheibchen wieder zurück, spült noch
einmal und setzt eine Verbandslinse auf
das behandelte Auge: Der Lasik-Eingriff
ist beendet, nach ganzen vier Minuten.
Je stärker die Kurzsichtigkeit, desto
mehr Hornhaut muss der Chirurg abtragen: Um 0,093 Millimeter, so hat der Computer im Fall Dahl berechnet, flacht der
Laser die Hornhaut im linken Auge ab, das
mit minus 3,25 Dioptrien das „bessere“ ist.
Das schlechtere, rechte (minus 6,25 Dioptrien) ist bereits zwei Tage zuvor gelasert
worden; eine 0,161 Millimeter dicke Schicht
hat der Chirurg hier weggedampft. Die
winzige Änderung hat große Wirkung –
denn zwei Drittel der Lichtbrechung finden
beim Übergang von Luft zu Hornhaut statt.
Nur „peu à peu“ tastete sich der Kieler
Augenchirurg an die Lasik-Technik heran –
obwohl ihm vor Pionierarbeit nicht bange
ist: Vor einem Vierteljahrhundert wagte
sich Uthoff als einer der Ersten daran, die
beim Grauen Star getrübte Linse durch
eine künstliche zu ersetzen – ein Eingriff,
der inzwischen allein in Deutschland alljährlich 400 000-mal vorgenommen wird.
„Vor zweieinhalb Jahren habe ich noch
Nein zu Lasik gesagt“, erinnert sich Uthoff. Zu grob seien damals Laser und
Schneidegerät gewesen.
Dann machte die Technik einen Riesensprung – mit neuen Mikromessern und Excimer-Lasersystemen, die mit Hilfe von
Scannern die Feinsteuerung kontrollieren.
Während der Operation erzeugt eine Kamera 20 000-mal pro Sekunde ein Bild der
Pupille, damit ein „Eyetracker“, der dem
Laser auf der Pupille nachfährt, kleinste
Augenbewegungen ausgleichen kann.
Noch vor drei Jahren waren Komplikationen häufig – mal warf die eingeschnitte229
Wissenschaft
hautschicht buckelte sich nach vorn aus –
der Patient war schlechter dran als vorher.
„Geradezu abenteuerlich“ mute heute
an, dass damals selbst Fehlsichtigkeiten von
über 30 Dioptrien korrigiert wurden, sagt
Lasik-Spezialist Seiler, jetzt Chef der Zürcher Uni-Augenklinik. „Wir haben alles
falsch gemacht, was man falsch machen
konnte“, räumt auch Benedikt Jean ein,
Chef der Universitätsaugenklinik Tübingen. Ehemals galt er als „Bremser“, nun
entwickelt er mit Physikern und Ingenieuren eigene Lasersysteme für die Refraktive
Chirurgie. „Allzu lange gab es keine Qualitätsstandards“, sagt Jean, „jeder, der eine
Maschine hatte, machte auch die Lasertherapie – die finanziert sich prächtig.“
Die Vorstellung, Brechungsanomalien
durch operative Verfahren ausgleichen zu
können, faszinierte Augenärzte schon vor
Jahrzehnten – zum Schaden vieler Fehlsichtiger.
So hatte der virtuose kolumbianische
Augenchirurg José Barraquer die „Keratomileusis“ als „Brille aus der eigenen
Hornhaut“ angepriesen: Er
entnahm ein Hornhautscheibchen, schliff es in tiefgefrorenem Zustand zurecht und nähte es wieder
ins Auge ein.
Der kühne Eingriff hinterließ die Patienten deutscher Nachahmer schwer
behindert: Zwar besserte
sich ihre Sehkraft für kurze
Zeit, doch dann schwand
sie wieder. Die Hornhaut
verschrumpelte, bis ihre
Oberfläche einem Kopfsteinpflaster glich, der Patient sah sich von Mehrfachbildern genarrt. Kollegen von den Hochschulen,
die den Schaden wieder
ausbügeln sollten, warnten
Massen-OP in Moskau (1991): Augenärzte im Technikrausch vor dem „Blödsinn der
Hornhautschleiferei“.
Die brillenlose Scharfsichtigkeit suchte
und 5000 Mark pro Auge. Nur manche Prider Moskauer Augenchirurg Swjatoslaw
vatkassen geben einen Zuschuss.
„Wer mit Brille und Linse gut umgehen Fjodorow mit einer anderen Methode zu
kann“, meint Kollege Uthoff, „sollte aufs erreichen. Seine Technik wurde durch eiLasern verzichten.“ Doch bei höhergradi- nen Unfall inspiriert: Ein 16-jähriger Junge,
ger Kurzsichtigkeit ist der Eingriff für ihn dem zerbrochene Brillengläser die Horn„oft das gleiche, als wenn man jemanden haut zerschnitten hatten, konnte ein paar
von einer Gehhilfe befreit“. Mit minus Tage später auf dem verletzten Auge wiesechs oder gar acht Dioptrien sei ein Kurz- der einwandfrei sehen – ohne Brille.
Was der Zufall ihn gelehrt hatte, ahmte
sichtiger behindert: „Wenn der auf einer
einsamen Insel strandet, ist er nicht über- Fjodorow seitdem nach: Etwa 16-mal kerblebensfähig, weil er den Dattelbaum aus te er die Hornhaut rings um die Pupille ein
– in der Hoffnung, Kurzsichtige zu Noreinem Meter Entfernung nicht sieht.“
Noch Mitte der neunziger Jahre, als die malsichtigen zu machen.
Weil in der Sowjetunion Brillen Mangelerste klinische Studie über die neue Technik vorgestellt wurde, richteten übereifri- ware waren, boomte Fjodorows „radiale
ge Augenoperateure im Technikrausch Keratotomie“. Bald operierte er buchstäbmanches Unheil an: Um auch bei extrem lich am Fließband, immer mehr MedizinKurzsichtigen die zu starke Brechkraft zu touristen reisten aus dem Westen an. Selbst
reduzieren, raspelten sie viel zu viel Ge- Kreuzfahrtschiffe mit Operationsaal schickwebe weg. Die verbliebene dünne Horn- te der rührige Arzt durchs Mittelmeer.
R. WALLIS / SIPA PRESS
ne Lamelle Falten, mal wuchsen Zellen
von außen ins Hornhautzentrum ein, oder
das automatische Messer schnitt fehlerhaft.
In sieben Prozent aller Fälle musste Theo
Seiler, ehemals Chef der Universitätsaugenklinik Dresden, derartige Probleme
einräumen, als er in einer Studie LasikEingriffe zwischen 1995 und 1997 untersuchte.
Mittlerweile, nach der „rasanten Weiterentwicklung“, sei die Zahl auf unter ein
Prozent gesunken, berichtet Knorz in einer
jüngeren Untersuchung. Anfangs sei Lasik
„als Wunderwaffe“ zur Korrektur hoher
Fehlsichtigkeiten angepriesen worden.
„Nun wissen wir, wo die Grenzen liegen.“
Rund 30 Prozent der Anfragen weist
Knorz, 41, am Mannheimer Zentrum
zurück – wegen zu hohen Risikos. Ganz
nüchtern betrachtet er den Eingriff als
„Service“ und „Lifestyle-Operation“ – vergleichbar dem Straffen faltiger Haut. So
sehen es auch die Krankenkassen: Wer sich
die Augen auf Normalsicht lasern lässt,
muss selbst zahlen, derzeit zwischen 4000
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Augenchirurg Uthoff, Patientin Roth: „Lasik taugt
Als „Cowboys“ und „Hasardeure“ beschimpften in den USA die Ophthalmologen Fjodorows dortige Anhänger, die in
großer Zahl, trotz fehlender Studien, die
Methode anwandten. Erst Kontrolluntersuchungen nach vier und zehn Jahren zeigten, dass bis zu 50 Prozent der ehemals
kurzsichtigen Patienten nun unter einem
anderen Problem litten: Die Schwächung
der Hornhaut durch die Einkerbungen hatte die Brechung allmählich so verschoben,
dass sich Weitsichtigkeit einstellte.
Während US-Lasik-Spezialisten an renommierten Zentren eine strenge Qualitätskontrolle betreiben, praktizieren Allerweltsdoktoren in amerikanischen Einkaufszentren werbewirksam die „visuelle
Befreiung“: Umringt von Neugierigen,
werden Kurzsichtige im Handumdrehen
gleich auf beiden Augen gelasert, die Brille landet im Sammelcontainer – für Bedürftige in Entwicklungsländern. Den Patienten sieht der Ruckzuck-Chirurg meist
nie mehr wieder.
Über eine Million Amerikaner werden
sich in diesem Jahr die Augen nach dem
Lasik-Verfahren richten lassen. Die sonst
gestrenge Gesundheitsbehörde FDA hält
fünf Prozent Komplikationen bei der Methode für akzeptabel. Schon hat die New
Yorker Selbsthilfegruppe „Surgical eyes“
eine Website eingerichtet, auf der Unzufriedene und Opfer profitabler Schnellbehandlungen sich austauschen können.
Skeptisch war lange auch die Ärztin Andrea Roth, 35. Nach zwei Jahren Überlegung hat sie ihre unterschiedlich stark kurzsichtigen Augen jetzt in Kiel mit Lasik behandeln lassen. Auf Kontaktlinsen hatte ihre
Hornhaut mit Wucherungen von Äderchen
reagiert. Nun, wenige Tage nach dem Eingriff, sind ihre „Erwartungen übertroffen“.
Unangenehm sei nur gewesen, dass beim
kurzen Unterdruck „der Augapfel in den
Griff genommen wurde“. Auf beiden Augen beträgt die Sehkraft nun 100 Prozent –
B. BEHNKE
nicht für jeden“
vor der Operation waren es ohne Sehhilfe
nur 10 Prozent. Anfangs haben die Augen
getränt, noch immer sind sie „ein bisschen
blendempfindlich“. Das wird aber „von Tag
zu Tag besser“. Andrea Roth genießt das
plastischere räumliche Sehen – „und dass
ich mit meinem Partner nicht mehr Brillenhakeln muss“.
Patient Dahl, zwei Tage später operiert,
hatte vorübergehend eine milchige Trü-
bung. Jetzt sitzt er schon wieder an seinem Schreibtisch und genießt die brillenfreie Fernsicht auf die Bäume vor dem
Fenster. Eine Lesebrille, die seine Altersweitsichtigkeit korrigiert, bleibt Dahl allerdings nicht erspart, weil diese Fehlsichtigkeit noch nicht operabel ist.
Die Lasik-Behandlung der angeborenen
Weitsichtigkeit hingegen, bei der die Hornhaut nicht abgeflacht, sondern „aufgesteilt“
werden muss, ist im Erprobungsstadium.
„Wir tasten uns ran“, sagt Wolfgang Behrens-Baumann von der Uniklinik Magdeburg. Aber es gebe schon „gute Ergebnisse“. Sich lasern zu lassen, sei „die beste
Entscheidung ihres Lebens“ gewesen, sagte ihm eine 49-Jährige ein Jahr nach dem
Eingriff. Die Brille mit den „Plus-fünf-Dioptrien-Aschenbechergläsern“ habe sie zur
Erinnerung aufbewahrt.
Rosenmontag das eine, Fastnachtsdienstag das andere stark kurzsichtige
Auge (minus acht Dioptrien) hat sich Nicole Vincon, 25, am Mannheimer Zentrum operieren lassen – im Rahmen einer neuen Studie, mit der Knorz die
Lasik-Methode noch effektiver machen
möchte: Eine vom Computer errechnete „maßgeschneiderte“ Abtragung soll
nicht nur den Brechungsfehler, sondern
zusätzlich alle normalen, individuellen
Unregelmäßigkeiten der Hornhaut ausgleichen.
„Das gibt’s ja net“, staunte die Kosmetikerin. Schon am zweiten Tag nach dem
Eingriff fuhr sie im Auto umher, um das
Schilderlesen ohne Brille zu genießen. Ihre
Sehstärke: 120 Prozent.
Das ist Josef Bille immer noch nicht genug. Der Heidelberger Physiker hat es sich
zum Ziel gesetzt, sämtliche Schwächen des
menschlichen Auges zu überwinden, das
von Natur aus ein unvollkommenes optisches Gerät ist. Um „perfektes Sehen für
jedermann“ mit einer Sehkraft von 200
Prozent zu erzielen, hat der Wissenschaftler ein neues Mess-System mit ultrakurzen
Laserstrahlen und einem Entzerrungsspiegel aus 100 000 haarfeinen Facetten kombiniert. Die so genannte Wellenfront-Messtechnik fertigt eine Sehschärfen-Landkarte des Auges an, die alle Abweichungen
vom Idealzustand wiedergibt.
Ohne Schnitt in die Hornhaut, so glaubt
Bille, könne ein infraroter Laser Dickeunterschiede im Innern der Hornhaut
durch Mikroverdampfungen ausgleichen.
Das Resultat sei eine ideale Abbildung auf
der Netzhaut, die das Menschen- zum Adlerauge machen werde.
Der kühne Traum des Theoretikers soll
jetzt in die klinische Erprobung gehen.
„Aber ist solch exzessive Sehschärfe wirklich wünschenswert?“, fragt sich Praktiker
Uthoff. „Zu gut muss nicht immer auch
gut sein.“
Renate Nimtz-Köster
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