Institut für Geometrie und Topologie Prof. Uwe Semmelmann Dr. Tillmann Jentsch Übungsblatt 6: Reguläre Flächen Für die Gruppenübungen am 5.6.2012 Aufgabe 1. Betrachten Sie die Abbildung f : R3 → R, f (x, y, z) := z 2 . Zeigen Sie: Die Menge S := f −1 ({0}) ist eine reguläre Fläche des R3 und der Gradient von f verschwindet identisch auf S. Lösung 1. Wir haben S = R2 und gradf = (0, 0, 2z)T , daher gradf |S ≡ 0. Aufgabe 2. Sei S2 := {(x, y, z) ∈ R3 |x2 + y 2 + z 2 = 1} die 2-dimensionale Sphäre. Zeigen Sie: Ist (U, F, V ) eine lokale Parametrisierung von S2 im Sinne der Vorlesung, so ist V ∩ S2 eine strikte Teilmenge von S2 . Existiert eine reguläre Fläche in R3 , für die welche die analoge Aussage falsch ist? Hinweis: S2 ist kompakt. Lösung 2. Angenommen, V ∩S2 = S2 . Also ist F : U → S2 ein Homöomorphismus. Daher wäre U kompakt. Also ist U offen und abgschlossen in R2 und nicht-leer, also U = R2 , aber R2 ist nicht kompakt. Für R2 ⊂ R3 ist die Aussage natürlich falsch. Aufgabe 3. (a) Zeigen Sie: Die Lösungsmenge der Gleichung x2 + y 2 − z 2 = 1 definiert eine reguläre Fläche S ⊂ R3 , ein 1-schaliges Hyperboloid. (b) Finden Sie eine globale Parametrisierung von S, d.h. eine surjektive differenzierbare Abbildung F : R2 → S so, dass die lineare Abbildung D(t,s) F Rang 2 hat in allen Punkten (t, s) ∈ R2 . (c) Wie kann man mit Hilfe von F lokale Parametrisierungen von S (im Sinne der Vorlesung) konstruieren? p 2 2 Hinweis: Zu b): substituieren Sie zunächst r := x + y . Lösung 3. Der Gradient von f (x, y, z) := x2 +y 2 −z 2 −1 ist 2(x, y, −z)T . Wir sehen, dass gradf (x, y, z) = 0 gdw. x = y = z = 0. Daher ist die Schnittmenge der Verschwindungsmenge von gradf und f die leere Menge. Also ist S regulär. Globale Parametrisierung: F (t, s) = (cosh(s) cos(t), cosh(s) sin(t), sinh(s))T (keine lokale Parametrisierung im Sinne der Vorlesung, da nicht injektiv). − cosh(s) sin(t) sinh(s) cos(t) J(t,s) F = cosh(s) cos(t) sinh(s) sin(t) 0 cosh(s) hat Rang 2, da cosh nullstellenfrei ist. Lokale Parametrisierungen entstehen durch Einschränkung von F auf offene Mengen der Form U = {(t, s) ∈ R2 |t0 < t < t0 + 2π}. Hier gilt nämlich F |U ist injektiv und man sieht leicht, dass F : U → F (U ) ein Homöomorphismus ist: falls (x, y, z) = F (t, s), so s = arcsinh(z) und t ist die Winkelkoordinate in gewöhnlichen Zylinderkordinaten bzgl. der z-Achse auf der offenen Menge V := {(r cos(t), r sin(t), z)|0 < r, t0 < t < t0 + 2π}. Daher ist t stetig auf V ∩ S. Da cosh(t) > 0, folgt die Stetigkeit von (s, t) in Abhängigkeit von (x, y, z) ∈ F (U ). Aufgabe 4. Zeigen Sie: (a) Die Abbildung F : R2 → R3 , (u, v) 7→ (v cos(u), v sin(u), a u) mit a 6= 0 parametrisiert eine reguläre Fläche S ⊂ R3 , eine Wendelfläche oder Helicoid. (b) Die Tangentialebene TF (u,v) S im Punkt F (u, v) enthält die Linie R(cos(u), sin(u), 0). Bei festgehaltenem u ist der Tangens des Winkels, den TF (u,v) S mit der z-Achse einschließt, proportional zu v. Hinweis: Zu a): beweisen Sie, dass (R2 , F, R3 ) eine lokale Parametrisierung im Sinne der Vorlesung definiert. Um zu zeigen, dass F ein Homöomorphismus auf S ist, nutzen Sie aus, dass F −1 (K) kompakt ist für jede kompakte Teilmenge K ⊂ R3 . Lösung 4. Zu a): Wir zeigen zunächst, dass S in der Tat eine reguläre Fläche ist. Die Abbildung F ist offensichtlich injektiv und man sieht leicht, dass D(u,v) F immer Rang 2 hat. Es bleibt zu zeigen, dass F ein Homöomorphismus auf S ist, d.h. Bilder von offenen Mengen sind offen in S (bzgl. der Teilraumtopologie). Da F injektiv, ist dies gleichbedeutend damit, dass Bilder abgschlossener Mengen des R2 abgeschlossen in S sind. Sei also A ⊂ R2 abgeschlossen und an eine Folge in A mit pn := F (an ) → p ∈ S. Wir zeigen, dass p ∈ F (A): −1 (K) sicherlich es existiert eine kompakte Umgebung K von p in R3 mit pn ∈ K für alle n. Dann ist Fp abgeschlossen. Man sieht leicht, dass F −1 (K) auch beschränkt ist (gilt z.B. |z||K ≤ r0 und x2 + y 2 |K ≤ r1 , so |v| ≤ r1 und |u| ≤ 1/|a|r0 für alle (u, v) ∈ F −1 (K)). Also ist F −1 (K) eine kompakte Umgebung von a in R2 . Nach Übergang zu einer Teilfolge haben wir also an → a ∈ F −1 (K). Dann gilt a ∈ A, da A abgeschlossen, und pn → F (a), da F stetig. Es folgt F (a) = p ∈ F (A). Also ist S eine reguläre Fläche. Alternativ: Setze u := z/a und v := x/ cos(z/a) (falls cos(z/a) 6= 0) oder v := x/ sin(z/a) (falls sin(z/a) 6= 0). So erhält man für jeden Punkt von S eine Umgebung V ⊂ R3 und eine stetige Funktion (u, v) : V → R2 mit F (u(x, y, z), v(x, y, z)) = (x, y, z) auf V ∩ S. Hieraus folgt die Stetigkeit der Umkehrabbildung F −1 (da Stetigkeit eine lokale Eigenschaft ist). ∂ Zu b): Wegen ∂v F (u, v) = (cos(u), sin(u), 0) ist die Linie L := R(cos(u), sin(u), 0) in TF (u,v) S ent∂ F (u, v) = (−v sin(u), v cos(u), a) ∈ TF (u,v) S. Wir orientieren die Tangentialebene halten. Analog gilt ∂u E := TF (u,v) S so, dass d(u,v) F : R2 → E orientierungstreu ist. Der gesuchte Winkel θ erfüllt die Gleichung ∂ ∂ F (u, v), F (u, v), ez ) ∂u ∂v p √ ∂ ∂ Wegen det( ∂u F (u, v), ∂v F (u, v), ez ) = −v Also sin(θ) = −v/ v 2 + a2 = ∓/ 1 + (a/v)2 mit ∓ = −sign(v). Der gesuchte Winkel θ ∈ (−π/2, π/2) erfüllt tan(θ) = −v/a. sin(θ) = det( Interpretation des Vorzeichenwechsels von θ: für v < 0 ist die Einschränkung von π : (x, y, z) 7→ (x, y) auf TF (u,v) S orientierungserhaltend, sonst orientierungsumdrehend. Aufgabe 5. (a) Zeigen Sie: Eine Teilmenge S ⊂ R3 ist eine reguläre Fläche genau dann, wenn zu jedem Punkt p ∈ S eine Umgebung V von p in R3 und Funktionen f, g, h : V → R existieren so, dass G := (f, g, h) : V → R3 einen Diffeomorphismus auf eine offene Teilmenge von R3 definiert und S ∩ V = {q ∈ V |h(q) = 0}. Dann kann man f, g, h als der Fläche angepasste Koordinatenfunktionen bezeichnen. (b) Finden Sie für R2 ⊂ R3 explizit eine Umgebung V von (0, 0, 0) in R3 und angepasste Koordinatenfunktionen auf V wie in Teil a). Das Gleiche für die 2-dimensionale Sphäre S2 ⊂ R3 und den Punkt (1, 0, 0). Lösung 5. Zu (a): In der einen Richtung, wenn S eine reguläre Fläche ist, so existiert eine lokale Parametrisierung (U, F, V ) bei p. Nach Anwendung einer euklidischen Bewegung können wir annehmen, dass p := 0 = (0, 0, 0) ∈ S und Tp S = R2 . OBdA gelte auch 0 = (0, 0) ∈ U und F (0) = 0. Wir definieren G : U × R → R3 , (s, t, h) 7→ F (t, s) + h e3 . Die Jakobimatrix von G in 0 = (0, 0, 0) ist ∂ ∂ ∂1 F1 ∂2 F1 0 J0 G = ∂ F2 ∂ F2 0 ∂1 0 ∂2 0 1 Da nach Voraussetzung die ersten beiden Spalten von J0 G linear unabhängig in R2 sind, hat J0 G vollen Rang. Nach lokalem Umkehrsatz existiert eine Umgebung U1 von 0 in U × R so, dass V1 := G(U1 ) ⊂ V offen und G : U1 → V1 ein Diffeomorphismus ist. Wir können durch Verkleinern von U1 annehmen, dass U1 von der Form U2 ×] − , [ mit U2 ⊂ U offen ist. Seien f (x, y, z) := t , g(x, y, z) := s und h(x, y, z) = h die Komponentenfunktionen der Umkehrfunktion G−1 : V1 → U1 . Es bleibt zu zeigen, dass S ∩ V1 durch die Gleichung h = 0 definiert ist: wir betrachten die Menge M := {q ∈ V1 |h(q) = 0}. Nach Konstruktion hat man M = F (U2 ). Weiterhin ist F (U2 ) offen in S ∩ V1 , da U2 ⊂ U offen und F : U → S ∩ V ein Homöomorphismus. Also können wir eine offene Teilmenge V2 ⊂ V1 finden so, dass F (U2 ) = S ∩ V2 . Daher S ∩ V2 = F (U2 ) = {q ∈ V2 |h(q) = 0}. Also ist V2 die gesuchte offene Umgebung von p und f |V2 , g|V2 , h|V2 sind die gesuchten Koordiantenfunktionen. In der anderen Richtung, nehmen wir an, dass die Funktionen f, g, h : V → R einen Diffeomorphismus auf eine offene Teilmenge U ⊂ R3 definieren so, dass S ∩ V = {q ∈ V |h(q) = 0}. Sei U1 := U ∩ R2 . Dann ist U1 offen in R2 . Setze F := G−1 : U1 → R3 . Dann hat Dx F Rang 2 in jedem x ∈ U1 . Weiterhin gilt S ∩ V = {q ∈ V |h(q) = 0} = F (U1 ). Als Einschränkung des Diffeomorphismus G−1 auf U1 ist F ein lokaler Homöomorphismus auf F (U1 ). Daher definiert (U1 , F, V ) eine lokale Parametrisierung von S bei p. Aufgabe 6. Zeigen Sie: Jede reguläre Fläche ist der Durchschnitt A ∩ U einer abgeschlossenen Teilmenge A ⊂ R3 mit einer offenen Teilmenge U ⊂ R3 . Hinweis: A = S̄. Verwenden Sie das Ergebnis aus Aufgabe 5 a). Lösung 6. Man wähle der Fläche angepasste Koordinatenumgebungen (Vi , (fi , gi , hi )) wie in Aufgabe 5 a) so, dass S = ∪i Vi ∩ S. Setze V := ∪i Vi . Behauptung: es gilt S = V ∩ S̄. die Inklusion ⊆ ist offensichtlich. Umgekehrt, falls p ∈ V ∩ S̄, so existiert i0 mit p ∈ Vi0 =: U . Weiterhin ist S̄ ∩ U der Abschluss von S ∩ U im topologischen Teilraum U : in der einen Richtung, weil S̄ abgeschlossen in R3 , so ist S̄ ∩ U auch abgeschlossen in U . Es bleibt zu zeigen, dass S̄ ∩ U die kleinste abgeschlossene Teilmenge von U ist, die S ∩ U enthält. Sei A in U abgeschlosssen, mit S ∩ U ⊂ A Nun ist B := A ∪ U c abgeschlossen in R3 . Weiterhin gilt S ⊂ B. Also S̄ ⊂ B, da S̄ die kleinste abgeschlossene Teilmenge von R3 ist, die S enthält. Daher S̄ ∩ U ⊂ A. Die Behauptung folgt. Also gehört p zum Abschluss von S ∩ U in U . Es folgt, dass h := hi0 |S∩U ≡ 0 und folglich h(p) = 0, weil eine in U gleichungsdefinierte Menge abgeschlossen in U ist. Daher p ∈ {q ∈ V |h(q) = 0} = S ∩ V . Insbesondere p ∈ S, was noch zu zeigen war. Schriftliche Aufgabe. Zur Abgabe am 5.6.2012 in Ihrer Übungsgruppe Sei S2 := {(x, y, z) ∈ R3 |x2 + y 2 + z 2 = 1} die zwei-dimensionale Sphäre, N := (0, 0, 1) (der Nordpol) und S := (0, 0, −1) (der Südpol). Betrachten Sie die stereographische Projektion vom Nordpol, PN : S2 \ {N } → R2 , welche einen von N verschiedenen Punkt p ∈ S2 auf den Schnittpunkt der Geraden durch p und N mit der Ebene R2 = {(x, y, z) ∈ R3 |z = 0} abbildet. Analog sei PS : S2 \ {S} → R2 definiert. Aufgabe 7. (a) Zeigen Sie: PN und PS sind wohldefiniert, glatt und bijektiv. Geben Sie die Umkehrabbildungen explizit an und zeigen Sie, dass auch diese differenzierbar sind. (b) Folgern Sie: Die Tripel (U := R2 , F := PN−1 , V := R3 \ {tN |t ≥ 0}) und (U := R2 , F := PS−1 , V := R3 \ {tS|t ≥ 0}) sind lokale Parametrisierungen von S 2 . Zusammen definieren sie Koordinatenumgebungen jedes Punktes von S2 . (c) Berechnen Sie die Parametertransformation PN ◦ PS−1 : R2 \ {0} → R2 \ {0}. Verifizieren Sie explizit, dass diese ein Diffeomorphismus ist. Lösung 7. Zu (a): Wir zeigen, dass PN wohldefiniert ist: Sei p ∈ S2 von N verschieden. Dann folgt z(p) < 1 für die z-Koordinate von p. Also liegt der Verbindungsvektor N − p nicht parallel zur Ebene z = 0. Daher hat die Gerade N + R(N − p) genau einen Schnitttpunkt mit z = 0. Ebenso ist PS wohldefiniert. Um zu zeigen, dass PN glatt ist, berechnen wir PN (x, y, z) in Koordinaten (x0 , y0 ) des R2 . Dabei können wir wegen der Rotationssymmetrie des Problems oBdA y = y0 = 0 annehmen. Eine einfache Überlegung zeigt, dass PN (x, 0, z) = (x/(1 − z), 0). Allgemein folgt PN (x, y, z) = (x/(1 − z), y/(1 − z)). Damit erhält man mit Rotationssymmetrie, dass PN die Einschränkung der glatten Abbildung P̃N : R3 \ {z = 1} → R2 , (x, y, z) 7→ (x/(1 − z), y/(1 − z)) ist. Daher ist PN glatt. Um zu sehen, dass PN bijektiv mit glatter Umkehrabbildung ist, geben wir diese explizit an: Gegeben seien (x0 , y0 ) ∈ R2 . Gesucht ist (x, y, z) ∈ R3 mit PN (x, y, z) = (x0 , y0 ) Wir können annehmen, dass y0 = 0. Dann folgt y = 0. Gesucht sind also x, z mit x2 + z 2 = 1 und x0 = x/(1 − z). Es folgt x20 = x2 /(1 − z)2 = (1 − z 2 )/(1 − z)2 = (1 + z)/(1 − z). Also z = (x20 − 1)/(1 + x20 ) und x = (1 − z)x0 = 2x0 /(1 + x20 ). Daraus folgt mit Rotationssymmetrie: PN ist bijektiv mit Umkehrabbildung F := FN : (x0 , y0 ) 7→ (2x0 /(1 + r02 ), 2y0 /(1 + r02 ), (r02 − 1)/(1 + r02 )) mit r02 := x20 + y02 . Diese ist glatt in R3 , also glatt in S2 , da S2 reguläre Untermannigfaltigkeit. Genauso für PS . Zu b): Offensichtlich gilt V ∩ S2 = S2 \ {N }. Es ist daher noch zu zeigen, dass FN ein Homöomorphismus auf S2 \ {N } ist und das Rang(Dp FN ) = 2: Da FN glatt, ist FN insbesondere stetig. Also sind PN und FN beide stetig. Betrachten wir FN : R2 → R3 \ {z = 1}, so gilt P̃N ◦ FN = Id, also hat Dp FN vollen Rang nach Kettenregel (alternativ kann man auch den Rang der Jakobimatrix von FN berechnen). Genauso für FS := PS−1 . Zu c): Hier sollte in beiden Richtungen die Inversion an der Einheitssphäre herauskommen, PS ◦ FN = PN ◦ FS : R2 \ {0} → R2 \ {0}, (x0 , y0 ) 7→ 1/r02 (x0 , y0 ) mit r02 := x20 + y02 .