4 Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms M. Retz und J. Lehmann Molekulare Prognosemarker – Spielzeug für die experimentelle Urologie oder Werkzeug für die klinische Urologie? In den letzten 10 Jahren ist die Anzahl der Publikationen über Prognosefaktoren des Harnblasenkarzinoms so explosiv angestiegen, dass eine Gesamtübersicht für den klinisch tätigen Urologen kaum möglich ist. Alleine für den Prognosemarker p53 wurden im letzten Jahr über 120 Publikationen zitiert. Zudem wurde die klinische Forschung in den letzten fünf Jahren mit neuen und komplexen Labortechniken konfrontiert. Entscheidend ist die Frage, wann und zu welchem Zweck wir Prognosefaktoren im klinischen Alltag brauchen. Therapieentscheidungen und Nachsorgepläne für Blasenkarzinompatienten richten sich hauptsächlich nach den klassischen histopathologischen Kriterien. Zwar bietet die konventionelle Histopathologie eine gute Risikoabschätzung in Bezug auf Rezidiv- und Prognoseverlauf des Harnblasenkarzinoms, jedoch ist das biologische Verhalten für jeden individuellen Blasentumor nur unzureichend charakterisiert. Im Idealfall braucht der Urologe ein einfaches, in der Klinik anwendbares Testverfahren, das neben der Histopathologie zusätzliche, unabhängige Informationen über die Aggressivität des individuellen Blasentumors bietet. Damit wäre eine maßgeschneiderte Therapie für jeden einzelnen Blasentumorpatienten möglich. Patienten mit einem oberflächlich wachsenden Harnblasentumor (pTa, pT1) haben trotz lokaler Therapiemaßnahmen mit transurethraler Blasentumorresektion (TUR-B) und ggf. adjuvanter, intravesikaler Immun- oder Chemotherapie eine hohe Rezidivrate von bis zu 70%. Davon entwickeln bis zu einem Drittel aller Rezidive eine Tumorprogression (Helpap et al. 2003; Quek et al. 2003). Die Suche nach neuen Prognosemarkern wäre bei oberflächlichen Blasentumoren wünschenswert, damit einerseits das Rezidivrisiko, andererseits die Gefahr der Tumorprogression sicher bestimmt werden kann. Als Konsequenz würde eine Subgruppe von Patienten eine zusätzliche, intravesikale Immun- oder Chemotherapie erhalten. Demgegenüber würde der Urologe einer Hochrisikogruppe mit einem »aggressiven« oberflächlichen Tumor eine frühzeitige radikale Zystektomie empfehlen. Ein weiteres klinisches Dilemma findet sich auch in der Patientengruppe mit einem muskelinvasiven Blasenkarzinom. Nach den vorliegenden Langzeiterfahrungen entwickeln bis zu 25% aller Patienten mit einem lokal begrenzten Blasentumor innerhalb von 3 Jahren nach radikaler Zystektomie eine systemische Tumorprogression (Stein et al. 2001). Auch in dieser Gruppe fehlen etablierte Prognosemarker, die das wahre biologische Tumorpotential einschätzen können. Dies würde dem Urologen in der weiteren Therapieentscheidung helfen, eine gesonderte Patientengruppe zu erkennen, die neben der radikalen Zystektomie eine adjuvante Chemotherapie benötigt. 28 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms Molekulare Prognosemarker sind nicht nur als Vorhersagewert für den individuellen Krankheitsverlauf wichtig, sondern sie können auch entscheidende Informationen bezüglich der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie bieten. Für das oberflächliche Blasenkarzinom wäre es wünschenswert, Therapieversager frühzeitig zu identifizieren, die trotz adjuvanter intravesikaler Immun- oder Chemotherapie ein Blasentumorrezidiv oder eine Tumorprogression entwickeln. Für Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinom wären Prognosemarker unerlässlich, die nach radikaler Zystektomie entscheidende Informationen zur Wirksamkeit einer systemischen Chemotherapie bieten können. Dabei muss zwischen einer primären und sekundären Resistenz gegenüber Zytostatika unterschieden werden. Eine effektive und gezielte Chemotherapie bei Tumorpatienten ist nur dann möglich, wenn man die Wirksamkeit für jede einzelne Zytostatikakomponente bereits vor der Behandlung erfassen kann. Im Gegensatz zu den bisher einheitlichen Chemotherapieprotokollen für alle Blasentumorpatienten, wäre eine individuell angepasste Zytostatikakombination möglich. Neben der primären Chemoresistenz findet sich im urologischen Alltag das Problem der erworbenen Resistenz unter einer laufenden Chemotherapie. Die Etablierung von molekularen Markern zur frühzeitigen Erkennung einer sekundären Chemoresistenz würde dem Urologen erlauben, eine gezielte Änderung des Chemotherapieprotokolls vorzunehmen. Die Entdeckung von neuen molekularen Markern beim Blasenkarzinom hat nicht nur ihren klinischen Stellenwert als Prognostikum, sondern mittlerweile werden sie auch als Targetmoleküle in der Tumortherapie verwendet. Es wurde bereits eine Reihe von neuen Medikamenten entwickelt, die sich derzeit in der klinischen Erprobung befinden, teilweise in Kombination mit klassischen Zytostatika. Das folgende Buchkapitel soll eine Übersicht über die Anwendung und den Einsatz von molekularen Blasentumormarkern in Bezug auf die jeweils klinisch urologische Fragestellung geben. Im ersten Abschnitt des Buchbeitrages wurde eine möglichst einfache und verständliche Darstellung der molekularen und genetischen Veränderungen beim Harnblasenkarzinom beschrieben. Im zweiten Abschnitt wurde der Schwerpunkt auf die klinische Anwendung von Prognosemarkern gelegt. Dabei wurde unterschieden zwischen Prognosemarkern für das oberflächliche und muskelinvasive Blasenkarzinom sowie Markern zur Bestimmung der medikamentösen Wirksamkeit. Ying und Yang zwischen Zellteilung und programmiertem Zelltod Die Zelle reguliert die Balance zwischen Zellproliferation, Zellarrest und programmiertem Zelltod (Apoptose). Als bestes Beispiel sei hier die Wundheilung zu nennen. Liegt eine Gewebedefekt vor, dann werden spezielle Gruppen von Genen, die Protoonkogene, in der Zelle aktiviert, die die Zellteilung und Gewebeneubildung fördern. Nach Abschluss der Wundheilung wird eine weitere Gruppe an Genen, die Tumorsuppressorgene hochreguliert, die den Zellzyklus und damit auch die Zellproliferation stoppen. Dadurch wird vermieden, dass sich überschießendes Gewebe im Wundbett nach Abschluss der Wundheilung bilden kann. Tumorsuppressorgene sind also wichtige Gegenspieler zu den Protoonkogenen. Stark beschädigte Zellen in der Wunde können durch Reparationsenzyme häufig nicht mehr in eine funktionsfähige Zelle überführt werden. Der Organismus besitzt eine eigenes Regulationssystem, um stark beschädigte Zellen zu eliminieren. Dieser programmierte Zelltod (Apoptose) wird durch eine gesonderte Gruppe von Apoptoseproteinen eingeleitet. Somit ist die Wundheilung ein Balanceakt zwischen proliferationsfördernden und hemmenden Mechanismen in der Zelle. Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt Bei der Tumorformation bedient sich die Zelle ähnlicher Mechanismen wie bei der Wundheilung. Im Gegensatz zur Wundheilung fehlt jedoch die Balance zwischen Stimulation und Inhibierung des Zellzyklus. Die Tumorbildung kann in drei Hauptabschnitte eingeteilt werden: A Triggerung der Karzinogenese durch Chromosomenalterationen B Unkontrollierte Zellprolifertion infolge des Verlusts der Balance von Zellzyklus und Apotose C Zellinvasion und Metastasierung. Karzinogenese des Harnblasentumors Die Karzinogenese des Harnblasentumors ist eine Kaskade, die zu frühen und späten Veränderungen in der Chromosomenstruktur führt. Bereits vor 10 Jahren wurde von Spruck und Knowles ein Modell zur Karzinogenese des Harnblasentumors vorgeschlagen. Es wurde zwei Hypothesen aufgestellt: 29 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt Zum einen erfolgt die Entwicklung des Harnblasentumor über zwei verschiedene Mutationswege. Zum anderen gibt es frühe und späte Mutationsereignisse (Knowles 1995; Spruck III et al. 1994). Im Gegensatz zum normalen Urothelgewebe findet sich in oberflächlichen Blasentumoren (pTa) ein Chromosomenverlust der Region 9p und 9q. Chromosomenverluste in diesen Regionen stellen frühe Ereignisse in der Karzinogenese des oberflächlichen Blasenkarzinoms dar. Erst spätere Chromosomenalterationen wie Verluste in der Region 3p, 8p, 11p, 13q und 17p führen zu invasiven Blasenkarzinomen. Der zweite, alternative Weg in der Karzinogenese wird durch eine frühe p53-Mutation auf Chromosom 17p charakterisiert. Daraus entwickelt sich ein Carcinoma in situ. Spätere Mutationsereignisse führen anschließend zu Chromosomenverluste in der Region 9p und 9q. Im fortgeschrittenen Blasentumorstadium zeigen sich dann weitere typische genetische Veränderungen wie Chromosomenverluste der Region 3p, 8p, 11p und 13q. Eine französische Arbeitsgruppe konnte kürzlich zeigen, dass Genmutationen von FGFR3 (»fibroblast growth factor receptor 3«) frühe Ereignisse in der Karzinogenese des Harnblasenkarzinoms darstellen und überwiegend in oberflächlichen Tumoren (pTa) nachzuweisen sind. Demgegenüber waren in invasiven Blasenkarzinomen nur selten FGFR3-Mutationenen erkennbar. FGFR3 befindet sich auf dem Chromosom 4p16.3. Es gehört zu den Tyrosinkinaserezeptoren und reguliert wichtige Signalwege im Bereich der Zellproliferation, Zelldifferenzierung, Migration und Angiogenese. Zusammenfassend unterstützt die französische Arbeitsgruppe die Hypothese von Knowles, dass die Karzinogenese über zwei verschiedene Mutationswege erfolgen muss (Bakkar et al. 2003). Das Modell zur Karzinogenese des Blasentumors von Knowles wird in ⊡ Abb. 4.1 in abgeänderter Version dargestellt. Unkontrollierte Zellproliferation – Verlust der Balance zwischen Zellzyklus und Apoptose Alterationen in der Chromosomenstruktur können zu Veränderungen in speziellen Genabschnitten führen, die letztlich für die Regulation der Signaltransduktion, Zellprolifertion, Zellarrest oder Apoptose verantwortlich sind. Onkogene werden aktiviert und fördern die ungebremste Zellteilung. Die entsprechenden Gegenspieler, die Tumorsuppressorgene werden im Zellzyklus ausgeschaltet und können ihre Funktion als Inhibitor der Zellproliferation nicht mehr erfüllen. Das Gleiche gilt für die Regulation der Apoptose. Einerseits wird die Aktivität proapoptotischer Proteine gehemmt, andererseits werden antiapoptotische Prozesse gefördert. Das führt zum vollständigen Ausfall des Zellzyklusregulationssystems mit der Folge, dass der gesamte Zellablauf auf kontinuierliche Zellteilung programmiert ist. In den folgenden Kapiteln werden die wichtigsten Mecha- Urothel LOH 9p + 9q Mutation p53 (17p) CIS Blasentumor Ta Blasentumor Muta tio n p LOH 3p 8p 11p 13q LOH 9p + 9q 53 LOH 3p 8p 11p 13q Invasives Blasenkarzinom 4 ⊡ Abb. 4.1. Karzigonese des Blasenkarzinoms 30 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms nismen der Zellregulation beschrieben, zudem werden in diesem Kontext Prognosemarker für das Blasenkarzinom aus aktuellen Studien vorgestellt. Der Zellzyklus – Zentralstation der Zelle (⊡ Abb. 4.2) 4 Zellteilung und Zellarrest werden über den Zellzyklus reguliert. Der Zellzyklus unterteilt sich in 4 Hauptabschnitte. In der S-Phase wird die DNA repliziert, dadurch wird das genomische Material verdoppelt. Die G2-Phase dient als Vorbereitung auf die M-Phase. In der M-Phase kommt es zur Chromosomensegregation mit anschließender Zellteilung. In der G1-Phase finden Zellwachstum und Reifung statt. Der Übergang von der einen Phase in die folgende Zellphase ist ein hochregulatives System. Bevor die Zelle in die nächste Phase eintreten kann, müssen spezielle Proteinkomplexe in der Zelle zum richtigen Zeitpunkt synthetisiert und aktiviert werden. Diese Proteinkomplexe heißen cyclinabhängige Kinasen (CdKs) und bestehen aus zwei Untereinheiten. Nur in Komplexbildung mit Cyclin ist die Kinase als Enzym aktiv. Durch Phosphorylierung oder Dephosphorylierung können die CdK-Komplexe bestimmte Proteine aktivieren oder inhibieren. CdKs bilden daher eine Schlüsselfunktion in der Zellzyklusregulation. Jeder Zellzyklusabschnitt wird durch gesonderte Cdks kontrolliert und sie funktionieren daher als wichtige »Checkpoints« im Zellzyklus. Der CdK4/Cyclin-D-Komplex wird ausschließlich in der frühen G1-Phase aktiviert und triggert dadurch die Synthese von CdK2/Cyclin E. Nur wenn CdK2/Cyclin E in der Zelle hochreguliert wird, ist es der Zelle erlaubt, von der G1- in die S-Phase überzutreten. Befindet sich die Zelle nun in der S-Phase, dann müssen neue CdK-Komplexe aktiviert werden. CdK2/Cyclin A bildet den nächsten Checkpoint und führt die Zelle in die G2-Phase. Der letzte wichtige Checkpoint ist der Übergang von der G2- in die M-Phase, der von der CdK1/Cyclin-BKinase kontrolliert wird. Spezielle Genmutationen können eine Überexpression von CdK-Komplexen hervorrufen. Eine kontinuierliche Hochregulation und Aktivierung der einzelnen Cdk-Komplexe würde daher zu einer ungehemmten Zellproliferation führen. Zahlreiche Studien haben daher verschiedene Proliferationsantigene als Prognosemarker für das oberflächliche und invasive Blasenkarzinom getestet. Zu den wichtigsten Proliferationsmarkern gehört das Antigen Ki-67. Andere Proliferationsmarker wie PCNA (»proliferating cell nuclear antigen«) und MCM (»minichromosomal maintenance proteins«) spielen nur eine unbedeutende Rolle für das Harnblasenkarzinom. Proliferationsmarker Ki-67 Ki-67 Antigen wird im Nukleus von proliferierenden Zellen von der G1- bis zur M-Phase exprimiert. Hingegen synthetisieren ruhende Zellen, die sich in der CdK1 p53 p21 p27 Cyclin B G2 p27 p21 p53 M CdK4 CdK2 Cyclin A p53 S p21 p27 Rb G1 p16 p27 p21 CdK2 Cyclin E ⊡ Abb. 4.2. Zellzyklus Cyclin D p53 31 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt G0-Phase befinden, kein Ki-67. Die Proteinexpression von Ki-67 wird in der Regel immunhistochemisch nachgewiesen, dabei werden im Allgemeinen monoklonale Antikörper wie Ki-67 oder MIB-1 verwendet. Der Antikörperklon Ki-67 (Ki steht für Kiel und weist auf das Institut für Pathologie der Kieler Universitätsklinik hin), funktionierte nur zuverlässig an Kryostatschnitten. Der Klon MIB-1 (»made in Borstel«) war der erste paraffingeeignete Antikörper, mit dem das Proliferationsantigen auch in der Routinehistologie dargestellt werden konnte. Oberflächliches Harnblasenkarzinom. In mehreren immunhistochemischen Studien korrelierte die Ki-67-Expression in oberflächlichen Blasentumoren mit einer hohen Rezidivrate im Langzeitverlauf. Dabei konnte Ki-67 in mehreren multivariaten Analyse als einen wichtigen, unabhängigen Prognosemarker zur Einschätzung des Rezidivrisikos beim oberflächlichen Blasentumor evaluiert werden (Popov et al. 1997; Oosterhuis et al. 2000; Wu et al. 2000; Gontero et al. 2000; Rodriguez-Alonso et al. 2002; Stavropoulos et al. 2002; Pich et al. 2002; Santos et al. 2003a; Santos et al. 2003b; Rodriguez et al. 2003; Kruger et al. 2003). Demgegenüber war Ki-67 in der multivariaten Analyse von zwei Studien der Arbeitsgruppen Pfister und Liukkonen kein unabhängiger Prognosefaktor (Pfister et al. 1999a; Liukkonen et al. 1999). Im Vergleich zu den zahlreichen Studien, die Ki-67 als Marker zur Abschätzung des Tumorrezidivs analysierten, gibt es nur limitierte Arbeiten, die Ki-67 auch als Progressionsmarker für das oberflächliche Harnblasenkarzinom untersuchten. Die bisher publizierten Studienergebnisse sind so extrem divergent, dass der klinische Einsatz von Ki-67 als Marker zur Risikoabschätzung für den Progressionsverlauf von oberflächlichen Blasentumoren derzeit nicht empfohlen werden kann (Liukkonen et al. 1999; Rodriguez-Alonso et al. 2002; Santos et al. 2003b). Demgegenüber überprüfte eine norwegische Arbeitsgruppe, ob die Kombination aus mehreren Proliferationsmarkern eine verbesserte Vorhersage in Bezug auf den Progressionsverlauf bieten kann. Neben dem schon bekannten Biomarker Ki-67 wurde zusätzlich der MAI- (»mitotic activity index«) und der MNA- (»mean area of the 10 largest nuclei«)Index bestimmt. Im Vergleich zu den klassisch histologischen Risikofaktoren, waren die Markerkombination MNA/Ki-67 oder MNA/MAI in der multivariaten Analyse die stärksten unabhängigen Prognosefaktoren (Bol et al. 2001). Invasives Harnblasenkarzinom. Im Gegensatz zum oberflächlichen Blasentumor gibt es nur eine begrenzte Anzahl an Arbeiten, die Ki-67 auch beim 4 invasiven Blasenkarzinom untersuchten. In zwei Studien korrelierte die Ki-67-Expression in invasiven Blasenkarzinomen mit einer höheren Rezidivund Tumorprogressionsrate. Zudem war Ki-67 in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie- und tumorspezifische Überlebensrate (Cohen et al. 1993; Popov et al. 1997). Tumorsupressorgene – die Bremse des Zellzyklus (s. ⊡ Abb. 4.2) CdK-Inhibitoren sind die Gegenregulatoren im Zellzyklus. Zu den wichtigsten CdK-Inhibitoren zählen die Proteine Rb (Retinoblastom), p21, p27, p16 und p53. Sie gehören auch zur Gruppe der Tumorsupressorgene, bremsen den Zellzyklus und damit die Zellteilung. Tumorsupressorgene können nur dann ihre Funktion als »Bremse« des Zellzyklus verlieren, wenn beide Allele inaktiviert werden. Typischerweise geht das erste Allel durch vollständigen Chromosomenverlust verloren (LOH, »loss of heterozygosity«). Das zweite Allel wird in der Regel durch Genmutation inaktiviert. Dieser Mechanismus wurde von Knudson erstmals 1971 als »Two-hit-Hypothese« beschrieben (Knudson Jr 1971). Zusammenfassend führt nur die Ausschaltung beider Allele zu einem vollständigen Funktionsverlust der Tumorsupressorgene. Als funktionslose Cdk-Inhibitoren können sie den Zellzyklus nicht mehr gegenregulieren, was zu einer ungebremsten Aktivität der CdK/CyclinKomplexe führt. Dadurch wird die Zellteilungsrate drastisch erhöht. Das Rb-Gen ist auf Chromosom 13q14 lokalisiert und kodiert ein nukleäres Phosphoprotein. In seiner aktiven, hypophosphorylierten Form inhibiert es gezielt nur den CDK2/Cyclin-Komplex und blockiert im Zellzyklus den Übergang von der G1- in die S-Phase. Das CDKN2/INK4A-Gen liegt auf Chromosom 9p21 und kodiert den CdK-Inhibitor p16. Es inhibiert spezifisch nur den CdK4/Cyclin-DKomplex und führt zum Zellarrest in der G1-Phase. Demgegenüber können p21 und p27 generell alle zuvor beschriebenen CdK-Komplexe im gesamten Zellzyklus in ihrer Aktivität blockieren. Uneingeschränkt gehört p53 zu den am meisten und intensivsten untersuchten Tumorsupressorgenen beim Harnblasenkarzinom (⊡ Abb. 4.3). Das Gen p53 wurde erstmals 1979 beschrieben, aber erst 1989 als ein Tumorsuppressorgen identifiziert (Smith et al. 2003). Das p53-Gen ist auf Chromosom 17p13.1 lokalisiert. Das Genprodukt ist ein nukleäres Phosphoglykoprotein mit einem Molekulargewicht von 53.000 kDa. P53 kontrolliert im Zellzyklus den 32 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms p53 DNA Schädigung Mdm2 P Thyrosin Kinase 4 p53 aktiv A ktivie p53 rung la ng P Mdm2 P A ktivie ru n g k u rz p53 Bindung an Promotor von PUMA Gen Bindung an Promotor von p21 Gen p53 p53 PUMA-Gen P21-Gen Transkription Transkription Translation Translation PUMA-Protein Aktivierung von Caspasen + ⊡ Abb. 4.3. Das Tumorsuppressorgen p53 P p21-Protein Inhibierung von CdK-Cyclin Caspasen CdK-Cyclin Apoptose Zellarrest Checkpoint von der G1- in die S-Phase. Im ungestörten, normalen Zellzyklus ist das inaktive p53 an das Protein Mdm2 gebunden. Kommt es zu einer DNASchädigung, dann wird das p53-Protein aktiviert. Es löst sich von der Mdm2-Bindung und wird durch eine Tyrosinkinase phosphoryliert. Die nun aktive p53-Form wandert in den Zellnukleus und bindet an die Promotorregion des p21-Gens. P53 wirkt als Transkriptionsfaktor und bewirkt durch die Promotorbindung eine Aktivierung des p21-Gens, das zur erhöhten Synthese des p21-Proteins führt. P21 bindet an CdK/Cyclin-Komplexe und blockiert dadurch die CdK/Cyclin-Aktivität im Zellzyklus. Dadurch wird der Zellzyklus in der G1-Phase gestoppt und der Übergang in die S-Phase inhibiert. Beschädigte oder alterierte DNA-Abschnitte können nun in der SPhase nicht mehr repliziert werden. Dafür haben Reparaturenzyme im Zellzyklusarrest die Möglichkeit, beschädigte DNA-Abschnitte zu reparieren. Eine sehr starke Zell- oder DNA-Schädigung führt zu einer verlängerten p53-Aktivierung und letztlich zur Bindung an ein zweites Gen, PUMA (»p53-upregulated modulator of apoptosis«). PUMA gehört zur Bcl-2 Familie und ist ein Proapoptosegen. Die 33 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt Aktivierung von PUMA durch p53 führt zu einer erhöhten Synthese des PUMA-Proteins, das eine Signalkaskade zur Einleitung der Apoptose triggert. Damit erfüllt p53 zwei wichtige Funktionen: Je nach Ausmaß der DNA-Schädigung induziert p53 entweder einen Zellzyklusarrest mit Aktivierung von Reparaturenzymen oder es leitet den programmierten Zelltod ein. Mutationen von p53 sind in vielen Tumorentitäten sehr häufig. Es handelt sich meistens um Punktmutationen. Alterierte p53-Proteine verlieren ihre Funktion als »Wächter der DNA und des Zellzyklus«, sodass Sicherheitsmechanismen wie Zellarrest und Einleitung der Apoptose ausgeschaltet werden mit der Folge einer ungehemmten Zellteilung. Tumorsuppressorgene p53, p21, p27 und Rb Oberflächliches Harnblasenkarzinom. ▬ Tumorsuppressorgen p53: Zahlreiche Studien untersuchten p53 als Prädiktor zur Bestimmung der Tumorprogression von oberflächlichen Blasentumoren. Der p53-Protein Wildtyp hat nur eine sehr kurze Halbwertszeit von weniger als 20 min und entzieht sich weitgehend dem p53-Nachweis in der Immunhistochemie. Hingegen findet sich eine verlängerte Halbwertszeit bei den p53-Mutanten, sodass die mutierte p53-Form in der Immunhistochemie als »positive« p53-Färbung erkennbar ist (Smith et al. 2003). Insgesamt wurden 12 größere Studien publiziert, die mit der multivariaten Analyse für p53 keine prognostische Signifikanz zeigen konnten (Thomas et al. 1994; Gardiner et al. 1994; Vatne et al. 1995; Tetu et al. 1996; Burkhard et al. 1997; Liukkonen et al. 1999; Leissner et al. 2001; Stavropoulos et al. 2002; Reiher et al. 2002; Gil et al. 2003; Shariat et al. 2003a; Masters et al. 2003). Demgegenüber wurde p53 in neun Studien als ein unabhängiger Prognosemarker bewertet (Sarkis et al. 1993; Sarkis et al. 1994; Serth et al. 1995; Casetta et al. 1997; Schmitz-Drager et al. 1997; Hermann et al. 1998; Grossman et al. 1998; Malmstrom et al. 1999; Rodriguez-Alonso et al. 2002). Trotz der zahlreichen und umfangreichen Studien gibt es nach wie vor keinen Konsens, ob p53 als ein Prognosemarker für das oberflächliche Blasenkarzinom im klinischen Alltag eingesetzt werden kann. ▬ Kombination von p53 und Rb: Eine Studie von Grossman untersuchte die Expression von zwei Tumorsupressorgenen p53 und Rb in pT1-Blasentumoren. Patienten mit normaler p53-Wildtyp-Expression und normaler Rb-Expression 4 hatten einen exzellenten Langzeitverlauf ohne Hinweis auf ein Tumorrezidiv. Demgegenüber war der Nachweis einer alterierten Expression von nur einem Marker oder beiden Marker mit einer deutlich schlechteren Prognose verbunden (Grossman et al. 1998). Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ Tumorsuppressorgen p53: Das gleiche Dilemma von p53 als Prognosemarker findet sich auch für das invasive Harnblasenkarzinom. In einer Metaanalyse wurden insgesamt 43 Studien von 1993 bis 1999 mit insgesamt 3764 Patienten ausgewertet. Die multivariate Analyse von Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom (pT2pT4) zeigte, dass p53 nur in 2 von 7 Studien einen unabhängigen Prognosemarker in Bezug auf die Tumorprogression darstellte. Auch bei Einschluss aller Tumorstadien (pTa-pT4) konnte nur in 3 von 14 Studien p53 als ein unabhängiger Prognostikator beurteilt werden (SchmitzDräger et al. 2000). Nach Einschätzung vieler Autoren basieren die ausgeprägten Differenzen in der p53-Analyse auf sehr unterschiedliche und nichtstandardisierte Studiendesigns (s. auch Seite 50). ▬ Tumorsuppressorgen Rb: Rb-Mutationen fanden sich überwiegend in muskelinvasiven und entdifferenzierten Blasentumoren (Ishikawa et al. 1991; Takahashi et al. 1991). In zwei Studien war die verminderte Rb-Expression in muskelinvasiven Blasenkarzinomen mit einer deutlich signifikant kürzeren tumorfreien Überlebenszeit assoziiert (Cordon-Cardo et al. 1992; Logothetis et al. 1992). ▬ Tumorsuppressorgen p27: In der univariaten Analyse war eine verminderte p27-Expression mit einer signifikant kürzeren Gesamtüberlebenszeit verbunden (Del Pizzo et al. 1999). Hingegen war nur die Kombination aus Ki-67 und p27 in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit (Korkolopoulou et al. 2000). ▬ Kombination der Tumorsuppressorgene p53 und p21: p21 ist ein CdK-Inhibitor und wird im klassischen Weg über p53 aktiviert. Eine p53-Mutation würde also auch zu einer verminderten Expression von p21 führen. Alternativ wurde nun in mehreren Studien auch ein p53-unabhängiger Weg beschrieben, sodass trotz vorliegender p53Mutation eine aktive p21-Expression vorliegen kann (Parker et al. 1995). Eine Reihe von Arbeiten empfahlen daher die Bestimmung beider Marker p21 und p53, um erweiterte Informatio- 34 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms nen zum individuellen biologischen Tumorverhalten zu erhalten. In einer immunhistochemischen Studie mit 242 Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Blasentumor wurde der p53und p21-Status gleichzeitig bestimmt. Patienten mit einer gleichzeitig bestehenden p53-Mutation und p21-negativen Expression hatten in Bezug auf die Tumorrezidivrate und Überlebensrate die schlechteste Prognose im Vergleich zu der Wildtyp-Form. Patienten mit der Kombination aus p53-Alteration und normaler p21-Expression hatten hingegen den gleichen prognostischen Krankheitsverlauf wie Patienten mit normaler p53-Wildtyp-Expression (Stein et al. 1998). Die Studie von Lipponen untersuchte ebenfalls die Expression von p53 und p21 in 186 Blasentumoren. In der univarianten Analyse war weder der alleinige Marker p21 noch die Kombination aus p21 und p53 ein unabhängiger Prognosemarker (Lipponen et al. 1998a). ▬ Kombination der Tumorsuppressorgene p53 und Rb: Eine kombinierte Analyse der zwei Marker p53 und Rb wurde von drei Studien vorgeschlagen, um eine verbesserte Vorhersage zum Krankheitsverlauf zu erhalten. Mutationen beider Marker waren mit einer signifikant schlechteren Prognose verbunden im Vergleich zu den Wildtyp Formen. Patienten mit nur einer Mutation stellten eine intermediäre Risikogruppe dar (Cote et al. 1998; Cordon-Cardo et al. 1997; Primdahl et al. 2000). Proto-Onkogene – der Motor des Zellzyklus In der normalen Zelle sind Protoonkogene hauptsächlich in der Zellteilung, Zellproliferation und Zelldifferenzierung involviert. Zu der Gruppe der Protoonkogene gehören Kinasen (Enzyme, die spezielle Proteine durch Phosphorylierung aktivieren), G-Proteine (Proteine, die das Nukleotid Guanosin Triphosphat binden), Transkriptionsfaktoren (Proteine, die an spezielle Genabschnitte binden und die Genexpression regulieren), Wachstumsfaktoren und deren Rezeptoren. Mutationen von Protoonkogenen können einerseits zu einer erhöhten Genamplifikation und folglich Überexpression ihrer Proteinprodukte führen. Andererseits können sie auch alterierte Proteinstrukturen bilden mit entsprechend veränderter Funktion in der Zellregulation. Protoonkogene mit alterierten Genabschnitten werden als Onkogene bezeichnet. Im Gegensatz zu den Tumorsuppressorgenen ist bei den Onkogenen nur ein dominantes Mutationsereignis erforderlich. Als vereinfachte Regel kann gelten, dass Onkogene eine Steigerung der Zellprolifertion, Neoangiogenese und Tumorzellinvasion induzieren. Die wichtigsten Onkogene für das Blasenkarzinom sind die EGF Rezeptor (EGFR) Familie, c-myc (Transkriptionsfaktor) und die Ras-Familie (G-Protein). EGF-Rezeptor (EGFR) Familie. EGFR sind Tyrosinkinaserezeptoren und bestehen aus vier Untereinheiten. Dazu gehören ErbB1 (EGFr/HER1), ErbB2 (HER2/neu), ErbB3 (HER3) und ErbB4 (HER4). EGFR besitzen eine extrazelluläre Domäne mit spezifischen Bindungsstellen für diverse Wachstumsfaktoren, einen transmembranen lipophilen Anteil und eine zytoplasmatische Domäne, die mit einer Tyrosinkinase gekoppelt ist. Wachstumsfaktoren wie z. B. EGF (»epidermal growth factor«) und TGF-alpha (»transforming growth factor-alpha«) binden als Liganden an den extrazelluären EGFRAnteil. Durch die Liganden-Rezeptor-Bindung wird eine Dimerisierung der EGF-Rezeptoren ausgelöst. Gleichzeitig aktivieren die zytoplasmatischen Tyrosinkinasen eine Autophosphorylierung des eigenen EGF-Rezeptors. Der nun phosphorylierte zytoplasmatische EGFR-Anteil bietet durch seine Konformationsänderung neue Bindungsmöglichkeiten für neue Proteinkomplexe wie z. B. Grb2-Sos. Durch die Bindung der phosphorylierten Tyrosinkinase mit spezifischen Proteinkomplexen werden nun mehrere Signalkaskaden getriggert. Bei der ersten Signalkaskade wird das Onkoprotein Ras aktiviert, das in Folge eine erneute Signalkette auslöst und letztlich eine Überexpression von Cdk4/Cyclin D im Zellzyklus bewirkt. Der aktivierte CdK4/Cyclin-DKomplex triggert den Übergang von der G1- in die S-Phase im Zellzyklus mit folgender DNA-Replikation und anschließender Zellteilung. Zusammenfassend wird also über die EGFR-Liganden-Bindung eine aufwendige Signalkaskade initiiert, die zu einer Überexpression von CdK4/Cyclin D führt. Dieser CdK/Cyclin-Komplex wirkt als Motor im Zellzyklus und erhöht die Zellteilungsrate. Bei der zweiten Signalkaskade werden Proangiogenesefaktoren synthetisiert und aktiviert. Dazu zählen VEGF (»vascular endothelial growth factor«), FGF (»fibroblast growth factor«) und IL-8 (Interleukin-8). Diese Faktoren induzieren neue Blutgefäße (Angiogenese) im Gewebe. Eine dritte Signalkaskade führt zu einer erhöhten Synthese von extrazellulären Matrixmetalloproteinasen (MMP). MMP ist ein Enzym, das die extrazelluäre Matrix im Bindegewebe sowie epitheliale Basalmembranen abbauen und zerstören kann. Eine schematische Darstellung über die Funktion der EGF-Rezeptoren zeigt ⊡ Abb. 4.4. 4 35 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt EGF Thyrosin Kinase Thyrosin Kinase EGF EGF Thyrosin Thyrosin Kinase Kinase Thyrosin Thyrosin Kinase Kinase P P P P Dimerisierung + Autophosphorylierung S S O tein o r EGFR P S P r OS ot e in SOS Proteinkomplex + + Ras VEGF bFGF IL-8 + Cdk4-Cyclin D Zellproliferation MMP-9 Zellinvasion Angiogenese ⊡ Abb. 4.4. Funktion der EGF-Rezeptoren Ras-Familie. Die Ras-Familie besteht aus 3 Gruppen, dazu gehören Ral, Rap und Ras. Weiterhin kann die Gruppe Ras in 5 verschiedene Proteine unterteilt werden, das sind H-Ras, K-Ras, M-Ras, N-Ras und R-Ras (Oxford u. Theodorescu 2003). Ras-Proteine sind G-Proteine und können an Guanosintriphosphat (GTP) binden. Ras-GTP-Bindungen sind energiereiche und aktivierte Formen. Sie erfüllen ihre Aufgaben nicht nur in der Zellzyklus- und Apoptosekontrolle, sondern sind auch wichtige Mediatoren im Prozess der Endo- und Exozytose. Aktivierte Ras-GTP-Bindungen können durch Dephosphorylierung in ihre inaktive Form als Ras-GDP (Guanosindiphosphat) übergehen. Genmutationen von Ras können zu einer Imbalance zwischen der aktivierten Ras-GTP- und inaktivierten Ras-GDP-Form führen. Ein Überangebot an aktivierten Ras-GTPBindungen fördert einerseits die Zellproliferation und hemmt andererseits die Apoptose. Erwähnenswert ist, dass H-ras erstmals 1984 in der Blasentumorzellinie T-24 entdeckt wurde (Feramisco et al. 1984). 20 Jahre nach Erstentdeckung von H-RasMutationen im Blasenkarzinom konnten auch in zahlreichen anderen Tumorentitäten Genmutationen von H-Ras, K-Ras und N-Ras nachgewiesen werden. Onkogene Ras, Myc, EGFr/HER1 und HER2/neu Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Nur vereinzel- te Studien mit kleiner Fallzahl haben verschiedene Onkogene als Prognosemarker für das oberflächliche Harnblasenkarzinom untersucht. Insgesamt spielen jedoch Onkogene beim oberflächlichen Harnblasenkarzinom eher eine untergeordnete Rolle. Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ Onkogen Ras: H-Ras-Mutationen sind häufig Punktmutationen im Bereich der Kodons 12 und 13 (Exon 1) und Kodon 61 (Exon2) (Bos 1989). H-Ras-Muationen fanden sich zwischen 3% und 84% aller Blasentumore (Knowles u. Williamson 1993; Saito et al. 1997; Cerutti et al. 1994; Burchill et al. 1994). Es wurden jedoch keine Korrelationen zwischen der H-ras-Mutation und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad gefunden (Knowles u. Williamson 1993; Leve- 36 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms sque et al. 1993). Zudem konnte bisher keine Studie eine prognostische Relevanz nachweisen (Bittard et al. 1996; Olderoy et al. 1998). Eine aktuelle Studie entdeckte eine neue H-ras-Punktmutation im Kodon 27 (Exon1), die überwiegend in muskelinvasiven und entdifferenzierten Blasentumoren nachzuweisen war. Allerdings liegen bisher keine Nachbeobachtungsdaten zum Krankheitsverlauf vor (Johne et al. 2003). In der Arbeit von Przybojewska wurde in über 80% aller Blasentumorproben neben der H-Ras-Mutation gleichzeitig auch eine N-Ras-Mutationen nachgewiesen. Allerdings ist die Funktion des N-Ras-Onkogens und deren Mutation beim Blasenkarzinom nahezu ungeklärt (Przybojewska et al. 2000). ▬ Onkogen c-Myc: Eine c-myc-Überexpression korrelierte mit dem Tumorstadiums und dem Differenzierungsgrad (Kotake et al. 1990). Jedoch hatte eine c-myc-Expression im Blasenkarzinom keine prognostische Relevanz in Bezug auf die Tumorprogressions- und Überlebensrate (Lipponen 1995; Ejarque et al. 1999; Kee et al. 2001). ▬ Onkogen EGFr/HER1: Im normalen Urothelgewebe findet sich eine EGFr/HER1-Expression ausschließlich in der Basalzellschicht. Hingegen exprimieren Blasenkarzinome EGFr/HER1 in ihrer gesamten Epithelschicht (Messing 1990). Eine Überexpression von EGFr/HER1 in Blasentumoren war signifikant mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad assoziiert (Neal et al. 1985; Sauter et al. 1994). In der Studie von Neal wurde zudem EGFr/HER1 als signifikanter Prognosemarker in Bezug auf die Tumorprogressions- und Gesamtüberlebensrate bewertet (Neal et al. 1990). Allerdings konnten aktuellere Studien EGFr/HER1 nicht als einen unabhängigen Prognosemarker bestätigen (Nguyen et al. 1994; Ravery et al. 1997; Sriplakich et al. 1999). EGFr/HER1 wurde weniger als ein Prognosemarker diskutiert, sondern vielmehr als ein neues Targetmolekül zur Therapie des metastasierten Blasenkarzinoms. Zu den interessantesten Medikamenten gehören sicherlich monoklonale Antikörper gegen die extrazelluläre Domäne von EGFr/HER1 (IMC-C225, CetuximabTM, Imclone/Merck) und Inhibitoren der intrazytoplasmatischen Tyrosinkinase von EGFr/HER1 (ZD 1839, IressaTM, AstraZeneca). (s. Kap. 11) ▬ Onkogen HER2/neu: Eine Reihe von immunhistochemischen Studien zeigten, dass die Über- expression von HER2/neu mit einer signifikant erhöhten Rezidiv- und Tumorprogressionsrate sowie mit einer verkürzten Gesamtüberlebensrate korrelierte (Miyamoto et al. 2000; Lipponen u. Eskelinen 1994; Moriyama et al. 1991; Sato et al. 1992; Gorgoulis et al. 1995). Demgegenüber konnte in zwei weiteren Studien HER2/neu nicht als unabhängiger Prognosemarker bestätigt werden (Mellon et al. 1996; Underwood et al. 1995). Eine weitere Studie untersuchte die HER2/neu-Expression sowohl im Primärtumor als auch in den korrespondierenden Lymphknotenmetastasen. Weder im Primärtumor noch in den regionären Lymphknotenmetastasen war die HER2/neu-Überexpression ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Überlebensrate (Jimenez et al. 2001). Zusammenfassend ist die Datenlage bisher unzureichend, um HER/neu als einen potentiellen Prognosemarker für das Blasenkarzinom zu empfehlen. Vergleichend zu EGFr/ HER1 wurde auch HER2/neu als ein neues Targetmolekül zur Behandlung des Harnblasenkarzinoms entdeckt. Es wurden monoklonale Antikörper entwickelt, die an die extrazelluläre Domäne des HER2/neu-Rezeptors binden. Zu den bekanntesten Medikamenten gehört hier Trastuzumab (HerceptinTM, Genentech). Ein neuer Hemmstoff der Rezeptortyrosinkinasen, GW572016 (GlaxoSmithKline), wurde kürzlich in einer einarmigen, multizentrischen Phase-IIStudie als Monotherapie in der Second-Line-Behandlung von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Blasenkarzinom getestet. Die Patientenrekrutierung konnte im August 2003 abgeschlossen werden. Entsprechende Auswertungen der Studie werden derzeit noch evaluiert. (s. Kap. 11) Apoptose – der programmierte Zelltod Die kontrollierte Zellproliferation im gesunden Organismus wird einerseits durch den Zellzyklus, andererseits durch die Apoptose, den programmierten Zelltod reguliert. Prinzipiell kann der programmierte Zelltod durch die Zelle selbst ausgelöst werden oder sie erfolgt durch externe Signale über FasLiganden. Für die Triggerung bzw. Inhibierung der Apoptose in der Zelle ist eine besondere Gruppe von Proteinen verantwortlich, die zu der Bcl-2-Familie gehören. Innerhalb der Bcl-2-Familie werden zwei Subklassen unterschieden: Proapotoseproteine wie z. B. Bax, Bad, Puma fördern die Apoptose. Antiapoptoseproteine, dazu gehören BcL-2, Bcl-xL, SUR- 37 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt VIVIN und LIVIN, inhibieren den programmierten Zelltod. Bei Aktivierung des programmierten Zelltods formieren Proapoptoseproteine Kanäle in die Mitochondrienmembran, sodass Cytochrom C aus den Mitochondrien in das Zellzytoplasma heraustreten kann. Cytochrom C aktiviert die Pro-Caspase 9 im Zytoplasma, das anschließend die CaspasenKaskade triggert und letztlich über deren Signalwege den programmierten Zelltod einleitet. Antiapoptoseproteine können den Austritt von Cytochrom C verhindern, indem sie Komplexe mit den Proapoptoseproteine an der Mitochondrienmembran bilden und dadurch die Kanäle verschließen. Bei der Tumorzelle findet sich eine Imbalance zwischen der Proapopstose- und Antiapoptoseproteinaktivität, sodass die Zelle letztlich auf Unsterblichkeit programmiert ist. Zusätzlich kann die Apoptose auch durch externe Signale ausgelöst werden. Zytotoxische T-Lymphozyten und natürliche Killerzellen synthetisieren spezielle transmembrane Proteine, die Fas-Liganden (FasL), die an spezifische Fas-Rezeptoren (Fas) einer Targetzelle binden können. Durch die FasLiganden/Rezeptor-Bindung an der Zellmembran wird im Zellzytoplasma die Pro-Caspase 8 aktiviert, die ebenfalls über die Caspasen-Kaskade den programmierten Zelltod initiiert (Ju et al. 1999). Ein Gruppe von membrangebundenen Fas-Liganden kann durch Proteasen an der extrazellulären Seite gespalten werden, sodass lösliche Fas-Liganden (sFasL) im Serum nachweisbar sind (Tanaka et al. 1996). In der Arbeit von Lee und Mitarbeiter fand sich in 28% aller untersuchten Blasenkarzinomproben eine Fas-Mutation. Die Autoren vermuten, dass eine Fas-Mutation möglicherweise auch mit dem Verlust der Apoptosefunktion einhergehen kann (Lee et al. 1999). Apoptosemarker Bax, Bcl-2, Bcl-xL, Fas, LIVIN und SURVIVIN Oberflächliches Harnblasenkarzinom. ▬ Bax, Bcl-2, Bcl-xL, Fas, LIVIN und SURVIVIN: Die alleinige Bestimmung des Antiapoptosemarkers BCL-2 konnte bei Patienten mit einem pT1-Blasentumor keinen Hinweis auf das Tumorprogressionsrisiko und der Überlebenswahrscheinlichkeit geben (Plastiras et al. 1999). Demgegenüber zeigte die Untersuchung an 30 Patienten mit einem pT1G3-Blasentumor, dass die Gruppe mit positiver Bcl-2-Immunreaktion eine signifikant kürzere tumorfreie Überlebenszeit hatte (Wolf et al. 2001). In der Studie von Gazzaniga wurde die Genexpression des Proa- 4 poptosemarkers Bax sowie eine Kombination aus den Antiapoptosemarkern Bcl-2, Bcl-xL, LIVIN und SURVIVIN in oberflächlichen Blasentumoren analysiert. In der Langzeitbeobachtung korrelierten die Antiapoptosemarker LIVIN, Bcl-xL und der Bcl-2/Bax-Index signifikant mit der Tumorrezidivrate (Gazzaniga et al. 2003). ▬ Proapoptosemarker Fas und FasL: Serumkonzentrationen an löslichen Fas-Liganden (sFasL) und löslichen Fas-Rezeptoren (sFas) waren in Blasentumorpatienten signifikant höher als in der gesunden Kontrollgruppe. Zudem korrelierten die erhöhten sFasL- und sFas-Serumkonzentrationen signifikant mit der rezidivfreien Überlebenszeit von Patienten mit einem oberflächlichen, papillären Blasentumor (Mizutani et al. 2001; Mizutani et al. 2002). Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ Antiapoptosemarker Bcl-2: Immunhistochemische Studien fanden keine Korrelation zwischen der Bcl-2-Expression und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad (Korkolopoulou et al. 2002; Shiina et al. 1996). Zusätzlich konnte in keiner Studie eine prognostische Relevanz von Bcl-2 in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate und tumorfreie Überlebenszeit von Blasentumorpatienten nachgewiesen werden (Korkolopoulou et al. 2002; Shiina et al. 1996; Asci et al. 2001). ▬ Proapoptosemarker Bax: Entsprechend den Bcl2-Daten, korrelierte die Bax-Expression nicht mit den histopathologischen Parametern. In einer multivariaten Analyse von drei verschiedenen immunhistochemischen Studien war die Überexpression von Bax hingegen mit einem signifikant günstigeren Krankheitsverlauf verbunden (Hussain et al. 2003; Korkolopoulou et al. 2002; Giannopoulou et al. 2002). ▬ Proapoptosemarker Fas und FasL: In der Studie von Mizutani wurden die Serumkonzentrationen von löslichen Fas-Rezeptoren (sFas) untersucht und mit der tumorspezifischen Fünfahresüberlebensrate verglichen. Blasentumorpatienten mit erhöhten sFas-Serumkonzentrationen hatten eine signifikant kürzere tumorspezifische Fünfjahresüberlebensrate im Vergleich zu der Gruppe mit niedrigen Serumwerten (Mizutani et al. 1998). Hingegen zeigte eine immunhistochemische Untersuchung, dass die Proteinexpression von Fas im Blasentumorgewebe keine prognostische Signifikanz in Bezug auf den Krankheitsverlauf besitzt (Giannopoulou et al. 2002). 38 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms Zellinvasion und Metastasierung (⊡ Abb. 4.5) 4 Der Begriff »Malignität« einer Tumorerkrankung besteht nicht in der lokalen Tumorausdehnung an sich, sondern in der Metastasierung, die letztlich zur lebenslimitierenden Situation führt. Dabei herrscht eine intensive Interaktion zwischen der Tumorzelle und ihrer Umgebung inklusive Fibroblasten, extrazellulärer Matrix, Endothelzellen und immunkompetenten Zellen. Der Prozess der Metastasierung ist eine Kaskade, bestehend aus einer Gefäßneubildung (Neoangiogenese) zur Sicherung der Sauerstoffversorgung im Tumor, einer verminderten Zelladhäsion im Gewebeverband mit folglich erhöhter Motilität von Tumorzellen, der Aktivierung proteolytischer Prozesse zur Steigerung der Tumorzellinvasion in das umgebende Bindegewe- be, der Tumorzelldisseminierung in das Lymphund Blutgefäßsystem und letztlich die zielgerichtete Metastasierung in periphere Organe durch das Chemokinsystem. Angiogenese Große Tumormassen müssen mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden, damit der Tumor in seiner gesamten Ausdehnung überleben und auch weiter wachsen kann. Die normale Diffusionsstrecke für Sauerstoff im Gewebe beträgt nur 2–3 mm (Folkman 1992). Daher wird im Tumor eine eigene Gerfäßversorgung (Neoangiogenese) aufgebaut. Die Neoangiogenese ist ein komplexes System, bestehend aus verschiedenen Proteinklassen. Zu dieser Gruppe gehören Wachstumsfaktoren, Zytokine und Chemokine. Dabei sind sie nicht nur Mediatoren für die Angiogenese, sondern erfüllen noch weitere Apoptose + - Tumorsuppressor Gene G2 M S G1 Pro-Apoptose: Bax, Bad, PUMA, Fas Anti-Apoptose: Bcl-2, Bcl-X L , SURVIN, LIVIN Onkogene Angiogenese Zellproliferation Zellinvasion Zelladhäsion TumorzellDisseminierung Proteolyse Metastasierung Lokalisation ⊡ Abb. 4.5. Zellinvasion und Metastasierung + COX2 VEGF, EGF, FGF, TGF-a, - TSP-1, TGF-b - E-Cadherin, Catenin, Integrin, ICAM, CD44 + MMP, uPA, Cathepsin, Laminin - + TIMP Chemokine: IL-8, CXCL12 39 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt zahlreiche Funktionen in der Regulation der Zellproliferation und Zellmotilität sowie der Apoptose. Wachstumsfaktoren lassen sich unterteilen in fördernde und inhibierende Mediatoren der Angiogenese. Zu der Gruppe der Proangiogenesefaktoren gehören VEGF (»vascular endothelial growth factor«), EGF (»epidermal growth factor«), FGF (»fibroblast growth factor«) und TGF-alpha (»transforming growth factor-alpha«). Inhibitoren der Angiogenese sind TSP-1 (Thrombospondin-1) und TGF-beta (»transforming growth factor-beta«). Im Tumor herrscht ein Ungleichgewicht zu Gunsten der Proangiogenesefaktoren. Zusätzlich werden in Tumorzellen Enzyme überexprimiert, die normalerweise nur in der Wundheilung oder bei Entzündungen hochreguliert werden. Zu dieser Gruppe gehört das Enzym Cycloxygenase-2 (COX-2), das in der Regel unter hypoxischen Bedingungen oder bei Zellschädigung verstärkt synthetisiert wird. COX-2 ist ein wichtiges Enzym in der Synthese von Prostaglandinen. Eine erhöhte COX-2-Enzymaktivität führt zu einer verstärkten Prostaglandinsynthese im Tumorgewebe. Zusätzlich fördert es die Angiogenese sowie Zellproliferation und inhibiert die Apoptose (Pruthi et al. 2003). Angiogenesemarker MVD (»microvessel density«) Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Bei der MVD(»microvessel density«-)Methode werden zunächst immunhistochemisch neugebildete Gefäßendothelien markiert, anschließend wird die Gefäßdichte im Tumor und seiner Umgebung mikroskopisch bestimmt (Offersen et al. 2003). Alle bisher publizierten Studien zeigten eine deutliche Korrelation zwischen dem Grad der MVD und dem Tumorstadium. Allerdings konnte der MVD-Faktor in zwei Studien nicht als unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf Tumorrezidivrate und Progression evaluiert werden (Korkolopoulou et al. 2001; Reiher et al. 2002). Vergleichend dazu wurde in einer größeren Studie von Goddard der MVD-Index an 170 oberflächlichen Blasentumoren bestimmt. Interessanterweise entwickelten hier nur Patienten mit einem hohen MVD-Index einen Progress zum muskelinvasiven Tumorstadium. In der multivariaten Analyse war der hohe MVD-Index ein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die tumorrezidivfreie Überlebenszeit (Goddard et al. 2003). Diese Ergebnisse wurden konnten ebenfalls von Ozer an pT1G3Blasentumoren bestätigt werden (Ozer et al. 1999). Invasives Harnblasenkarzinom. Die überwiegende Anzahl an Studien zeigten eine signifikante Korre- 4 lation zwischen einem hohen MVD-Index und der Tumorprogression (Dickinson et al. 1994; Philp et al. 1996; Jaeger et al. 1995; Inoue et al. 2000a). In der multivariaten Analyse wurde der MVD-Index zudem auch als unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorspezifische Überlebensrate und Gesamtüberlebenszeit beschrieben (Korkolopoulou et al. 2001; Chaudhary et al. 1999; Bochner et al. 1995). Demgegenüber zeigten zwei Studien von Hawke und Lianes, dass die Analyse der MVD keine prognostische Relevanz im Blasenkarzinom besitzt (Hawke et al. 1998; Lianes et al. 1998). Wachstumsfaktoren und Inhibitoren der Angiogenese VEGF, FGF, EGF, TGF-alpha und TGF-beta, TSP-1 Oberflächliches Harnblasenkarzinom. ▬ Vascular endothelial growth factor (VEGF): Immunhistochemische Arbeiten konnten keine Assoziation zwischen der VEGF-Proteinexpression in oberflächlichen Blasentumoren und der Tumorrezidivrate erkennen (Santos et al. 2003c; Chow et al. 1999). Hingegen zeigte eine hohe mRNA-Expression von VEGF in oberflächlichen Blasentumoren eine signifikante Korrelation mit der Tumorrezidivrate und Progressionsrate (Crew et al. 1997). Zusätzlich wurden in aktuellen Studien die VEGF-Konzentrationen in präoperativen Urinproben von Patienten mit einem oberflächlichen Blasentumor bestimmt. Hohe VEGF-Urinkonzentrationen waren dabei signifikant mit einer erhöhten Tumorrezidivrate verbunden (Jeon et al. 2001; Crew et al. 1999). ▬ Thrombospondin-1 (TSP-1): Während im normalen Urothelgewebe eine hohe TSP-1-Proteinexpression nachweisbar war, zeigte sich eine verminderte TSP-1-Expression im stark vaskularisierten Blasentumorgewebe (Campbell et al. 1998). In einer immunhistochemischen Studie an 220 oberflächlichen Blasentumoren korrelierte eine verminderte oder fehlende TSP-1-Expression signifikant mit einer kürzeren tumorprogressfreien Überlebensrate (Goddard et al. 2002). Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ Vascular endothelial growth factor (VEGF): Die überwiegende Anzahl an publizierten Studien untersuchte die VEGF-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten. Erhöhte VEGF-Serum-Konzentrationen korrelierten zwar mit dem Tumorstadium und Differenzierungsgrad, jedoch war VEGF in der multivariaten Analyse kein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die Überlebensrate (Edgren et al. 1999; 40 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms Bernardini et al. 2001). Zusammenfassend ist die Datenlage bisher unzureichend, um VEGF als einen potentiellen Prognosemarker für das Blasenkarzinom zu empfehlen. Hingegen wurde VEGF als Targetmolekül zu Behandlung von soliden Tumoren sehr intensiv in den letzten Jahren diskutiert. Die Idee, dass man durch Blockung von Proangiogenesefaktoren die Gefäßneubildung im Tumor stoppen und praktisch »austrocknen« kann, wurde bereits 1971 von Judah Folkman vorgeschlagen (Kerbel u. Folkman 2002). In den letzten Jahren wurden mehrere humane monoklonale Antikörper gegen VEGF (z. B. Bevacizumab, Avastin, Genentech, San Francisco) entwickelt. Die aktuellen Ergebnisse einer randomisierten Phase-II-Studie bei Patienten mit einem metastasierten Kolonkarzinom zeigten in der Kombination von Bevacizumab mit der Chemotherapie Fluorouracil und Leucovorin eine verbesserte mediane Überlebenszeit von 20,3 Monaten im Vergleich zu 16,6 Monaten mit der alleinigen Chemotherapie (Kabbinavar et al. 2003). Aufgrund der sehr ermutigenden Ergebnisse wurde von der FDA das Zulassungsverfahren für Avastin verkürzt. (s. Kap. 11). ▬ Fibroblast growth factor (FGF): FGF ist nicht nur ein potenter Proangiogenesefaktor, sondern auch ein wichtiger Mediator für die Tumorzellproliferation, Zellmotilität, Chemotaxis sowie Inhibitor der Apoptose. Bisher wurde überwiegend die basische Isoform von FGF (bFGF) in Blasentumoren am intensivsten untersucht (Cronauer et al. 2003). Hohe bFGF-Proteinexpressionen fanden sich überwiegend in entdifferenzierten und fortgeschrittenen Blasentumoren im Vergleich zu einer minimalen Expression im normalen Urothelgewebe und in oberflächlich, papillären Blasentumoren (O’Brien et al. 1997; Cordon-Cardo et al. 1990; Palcy et al. 1995). Zahlreiche Studien haben den prognostischen Wert von bFGF in Urinproben von Blasentumorpatienten getestet. Es fanden sich hohe bFGF-Konzentrationen in Urinproben von Blasentumorpatienten im Gegensatz zur gesunden Kontrollgruppe (Watanabe et al. 1991; Nguyen et al. 1993). Allerdings korrelierte die bFGF-Urinkonzentration nicht mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (O’Brien et al. 1995). Ebenso konnte auch die Messung von bFGF im Serum von Blasentumorpatienten keine prognostische Relevanz in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate zeigen (Edgren et al. 1999). Derzeit werden Inhibitoren von bFGF wie z. B. Thalidomid und Suramin in ▬ ▬ ▬ ▬ klinischen Phase-I/II-Studien bei Patienten mit Harnblasen- und Prostatakarzinomen getestet (Uchio et al. 2003; Walther et al. 1996). Epidermal growth factor (EGF): Quantitative Messungen der EGF-Genexpression im Blasenkarzinomgewebe zeigten keine Korrelation mit den Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad. Im Langzeitverlauf hatten weder die EGFGenexpression noch deren Proteinexpression eine prognostische Bedeutung für den Krankheitsverlauf (Thogersen et al. 2001; Ravery et al. 1997). Transforming growth factor-alpha (TGF-alpha): Während eine Studie von Ravery eine signifikante Korrelation zwischen der TGF-alpha-Proteinexpression im Blasenkarzinom und der tumorspezifischen Überlebensrate nachweisen konnte, hatte TGF-alpha in der Studie von Thogersen keine prognostische Bedeutung (Ravery et al. 1997; Thogersen et al. 1999). Transforming growth factor-beta (TGF-beta): TGF-beta hemmt die endotheliale Zellproliferation und ist damit ein Inhibitor der Angiogenese. Im Vergleich zum normalen Urothelgewebe konnte im Blasenkarzinom eine hohe TGF-betaProteinexpression nachgewiesen werden. Allerdings gab es keine enge Korrelation zwischen der TGF-beta-Expression und dem Tumorstadium sowie dem Differenzierungsgrad (Eder et al. 1997; Izadifar et al. 1999). In der Studie von Kim war die TGF-beta im Langzeitverlauf ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorprogressionsfreie Überlebenszeit (Kim et al. 2001). Ebenso zeigte auch die Bestimmung der TGF-beta-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten eine signifikante Korrelation mit der tumorrezidivfreien und tumorspezifischen Überlebenszeit (Shariat et al. 2001a). Thrombospondin-1 (TSP-1): Bisher untersuchte nur eine Studie von Grossfeld die TSP-1-Expression an 163 Zystektomiepräparaten. Patienten mit einer verminderten TSP-1-Expression zeigten eine signifikant erhöhte Tumorprogressionsrate und eine deutlich verkürzte Gesamtüberlebensrate. TSP-1 war in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker (Grossfeld et al. 1997). Angiogenesemarker COX-2 (Cyclooxygenase-2) Oberflächliches Harnblasenkarzinom. Aktuelle im- munhistochemische Studien haben eine COX-2Überexpression im Blasenkarzinom verglichen zum 41 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt normalen Urothelgewebe beschrieben. Dabei korrelierte die COX-2-Expression mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (Mohammed et al. 1999; Komhoff et al. 2000; Ristimaki et al. 2001). Im Langzeitverlauf konnte jedoch keine Korrelation zwischen der COX-2-Expression in oberflächlichen Blasentumoren und der Tumorrezidivrate nachgewiesen werden (Friedrich et al. 2003; Shariat et al. 2003b). Demgegenüber untersuchte die Arbeitsgruppe Kim ausschließlich eine Hochrisikogruppe mit pT1G3-Blasentumoren und konnte COX-2 als einen unabhängigen Prognosemarker in Bezug auf die Tumorrezidivrate evaluieren (Kim et al. 2002). COX-2-Enzyme sind nicht nur in der Neoangiogenese involviert, sondern fördern ebenso die Zellproliferation, Zellmotilität und Invasion, aber hemmen auch Mechanismen der Apoptose. Aufgrund ihrer Multifunktionalität in der Karzinogenese wurden neue COX-2-Inhibitoren in der Tumortherapie entwickelt. Am M. D. Anderson Cancer Center werden derzeit Hochrisikopatienten mit einem oberflächlichen Blasentumor nach TUR-B und BCG-Instillation mit dem COX-2-Inhibitor Celecoxib getestet. Die vom NCI geförderte Phase-II/IIIStudie untersucht dabei die Tumorrezidivrate im Langzeitverlauf (Pruthi et al. 2003). Invasives Harnblasenkarzinom. In zwei Studien war die COX-2-Überexpression im Blasenkarzinom mit einer kürzeren progressionsfreien- sowie tumorspezifischen Überlebensrate assoziiert. Allerdings konnte COX-2 im Vergleich zu den klassisch histopathologischen Kriterien nicht als unabhängiger Prognosefaktor für den Krankheitsverlauf evaluiert werden (Shirahama et al. 2001; Shariat et al. 2003c). Im Gegensatz zu den bisherigen Studien zeigte die Arbeit von Tiguert mit einer Serie von 172 invasiven Blasentumoren, dass die COX-2-Überexpression mit einer signifikant besseren Überlebensrate verbunden ist. Es wurde daraus gefolgert, dass COX-2 in weniger aggressiven Blasentumoren exprimiert wird (Tiguert et al. 2002). Zelladhäsion Im gesunden Organismus bilden verschiedene Zelladhäsionsproteine eine komplexe Einheit und gewährleisten dadurch den interzellulären Kontakt und die Zellpolarität im Gewebeverband. Zu den wichtigsten Zelladhäsionsmolekülen gehören die Cadherine, Catenine, Integrine, ICAM und CD44. In vielen Tumorentitäten wurde eine fehlende oder verminderte Expression von Zelladhäsionsproteinen beschrieben. Dadurch wird die Ablösung einzelner Tumorzellen aus ihrem Gewebeverband erleichtert. 4 Dies führt ebenso zur Steigerung der Zellmotilität und Migration. Das epitheliale Cadherin (E-Cadherin) ist ein transmembranes Glykoprotein und bildet mit ihrer extrazellulären Domäne ein wichtiges Adhäsionsmolekül, das den interzellulären Verband sichert (Gruss u. Herlyn 2001). Catenine sind Zelladhäsionsproteine und ein wichtiges Verbindungsglied zwischen den transmembranen E-Cadherinen und dem intrazellulären Zytoskelett. Es wurden drei Isoformen beschrieben: die alpha-, beta- und gamma-Catenine. Zusätzlich besitzen sie weitere Funktionen in Bereich der Signaltransduktion, Inhibierung der Apoptose sowie Förderung der Zellproliferation und Migration (Polakis 2001). Integrine sind transmembrane Rezeptoren und bestehen aus zwei Hauptdomänen, der alpha und beta Untereinheit. Extrazelluläre Matrixproteine wie Laminin, Kollagen und Fibronektin binden an spezifische Integrin-Rezeptoren. Dadurch wird die Adhäsion, Form und Struktur im Zellverband gewährleistet. Integrine erfüllen aber auch wichtige Aufgaben im Bereich der Zellmotilität und Angiogenese (Hynes 2002). CD44 ist ein transmembranes Glykoprotein und bildet Oberflächenrezeptoren im Urothelgewebe. Es wird zwischen dem Standart CD44 (CD44s) und seiner varianten Isoform (CD44v) unterschieden. Sie bilden wichtige Adhäsionsmoleküle im interzellulären Verband sowie in der Zell-Matrix-Interaktion. Zum anderen erfüllen sie auch wichtige Funktionen in der Lymphozytenaktivierung (Lesley et al. 1993; Haynes et al. 1989). Adhäsionsmarker E-Cadherin, Catenin, Integrin, ICAM und CD44 Oberflächliches Harnblasenkarzinom. ▬ E-Cadherin: In zahlreichen Studien war der Verlust oder die verminderte E-Cadherin-Expression mit dem Differenzierungsgrad und dem Ausmaß der Tumorinvasion verbunden (Otto et al. 1994; Fujisawa et al. 1996; Bindels et al. 2001; Sun u. Herrera 2002). Immunhistochemische Studien an pTa- und pT1-Blasentumoren zeigten, dass Patienten mit einer verminderterten E-Cadherin-Expression ein signifikant kürzeres rezidivfreies Intervall im Vergleich zu der Gruppe mit normaler E-Cadherin-Expression hatten. In der multivariaten Analyse war E-Cadherin jedoch kein alleiniger unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die tumorrezidivfreie Überlebenszeit (Lipponen u. Eskelinen 1995). 42 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms In der Studie von Shariat wurde die E-Cadherin-Expression ausschließlich an Blasengewebe mit einem Carcinoma in situ untersucht. Die veminderte E-Cadherin-Expression war in der multivariaten Analyse ein unabhängiger Prognosemarker (Shariat et al. 2001b). Zusätzlich wurde die E-Cadherin-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten gemessen. Hohe ECadherin-Konzentrationen waren mit einer kürzeren rezidivfreien Zeit assoziiert (Griffiths et al. 1996). ▬ CD44: Die bisher größte immunhistochemische Studie von Toma untersuchte die CD44v3–6Proteinexpression an 241 oberflächlichen Blasentumoren (pTa/pT1). Im Langzeitverlauf korrelierte der Verlust der CD44v3–6-Expression signifikant mit der verkürzten tumorrezidivfreien Überlebenszeit von Patienten mit einem pTaBlasentumor. Allerdings konnte die prognostische Relevanz von CD44v3–6 nicht bei Patienten mit einem pT1-Blasenkarzinom bestätigt werden (Toma et al. 1999). Demgegenüber analysierte eine zweite Studie die CD44s Expression in oberflächlichen Blasentumoren in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit. In der multivariaten Analyse war CD44s jedoch kein unabhängiger Prognosemarker (Stavropoulos et al. 2001). Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ E-Cadherin: Im Langzeitzverlauf war eine verminderte E-Cadherin-Expression im Harnblasentumor mit einer signifikant verkürzten progressionsfreien Zeit oder einer verkürzten tumorspezifischen Überlebenszeit verbunden (Bringuier et al. 1993; Shimazui et al. 1996; Syrigos et al. 1998; Byrne et al. 2001; Nakopoulou et al. 2000). Allerdings zeigte die Studie von Lipponen, dass E-Cadherin im Vergleich zu den klassischen histopathologischen Kriterien keine zusätzlichen Informationen liefert und daher keinen unabhängiger Prognosemarker darstellt (Lipponen u. Eskelinen 1995). Demgegenüber untersuchte eine aktuelle Studie die präoperative E-Cadherin-Konzentration im Serum von Blasentumorpatienten. Dabei korrelierten hohe E-Cadherin-Serumkonzentrationen signifikant mit dem histopathologischen Nachweis einer Lymphknotenmetastasierung und einer kürzeren progressionsfreien Überlebenszeit (Matsumoto et al. 2003). ▬ Catenin: Mehrere immunhistochemische Studien zeigten im Langzeitverlauf, dass eine verminderte oder fehlende Expression der verschiedenen Catenin-Isoformen mit einer kürzeren Gesamtüberlebensrate verbunden war. In der multivariaten Analyse war jedoch keine der Catenin-Isoformen ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die Überlebenszeit (Shimazui et al. 1996; Nakopoulou et al. 2000; Syrigos et al. 1998). ▬ Integrine: Die Rolle der Integrine beim Harnblasenkarzinom wurde bisher nur sporadisch untersucht. Die bisher größte Studie von Grossman untersuchte die Proteinexpression von alpha6/beta4-Integrin an 57 Blasentumorproben. In der Analyse wurden drei unterschiedliche Expressionsmuster jeweils mit fehlender, schwacher oder starker Immunreaktion evaluiert. Patienten mit schwacher alpha6/beta-Integrin-Expression zeigten im Gegensatz zu einer alterierten starken oder fehlenden Expression eine statistisch signifikant verbesserte Überlebensrate (Grossman et al. 2000). Mittlerweile wurden die Integrinrezeptoren als neue therapeutische Targetmoleküle entdeckt. In aktuellen Studien konnte mit der Behandlung von Integrinantagonisten die Angiogenese in soliden Tumoren inhibiert und folglich das Tumorwachstum reduziert werden (Kerr et al. 2002). ▬ Intercellular adhesion molecule-1 (ICAM-1): Immunhistochemische Studien fanden hohe ICAM1-Proteinexpressionen in invasiv wachsenden Blasenkarzinomen, während keine ICAM-1-Expression im normalen Urothelgewebe nachweisbar war (Tomita et al. 1993). Zusätzlich wurde auch lösliches ICAM-1 im Urin (uICAM-1) von Blasentumorpatienten und Kontrollpersonen gemessen. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe war die uICAM-1-Konzentration von Blasentumorpatienten signifikant erhöht. Allerdings konnte keine Korrelation zwischen der uICAM1-Konzentration und den histopathologischen Parametern sowie dem Krankheitsverlauf evaluiert werden (Chow et al. 1998). Eine weitere Studie untersuchte die ICAM-1-Serumkonzentration (sICAM-1) von 90 Blasentumorpatienten und 30 gesunden Probanden. Auch in dieser Studie war die sICAM-1-Konzentration von Blasentumorpatienten signifikant höher vergleichend zur Kontrollgruppe. Hohe sICAM-1-Konzentrationen fanden sich überwiegend in entdifferenzierten und großen Blasentumoren mit einem Durchmesser von mindestens 3 cm. Bisher wurden keine Studien publiziert, die auch die sICAM-1 Konzentration mit dem Krankheitsverlauf von Blasentumorpatienten überprüften (Ozer et al. 2003). 43 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt CD44: Im Vergleich zum normalen Urothelgewebe und oberflächlichen Blasentumoren wurde eine deutlich verminderte CD44 s und CD44v Expression in entdifferenzierten und invasiven Blasenkarzinomen gefunden (Ross et al. 1996; Sugino et al. 1996; Hong et al. 1995). Eine hohe Expression der Variante CD44v6 in muskelinvasiven Blasentumoren war mit einem deutlich günstigeren Krankheitsverlauf verbunden. In der multivariaten Analyse war CD44v6 ein unabhängiger Prognosefaktor in Bezug auf die Gesamtüberlebensrate (Lipponen et al. 1998b). Eine aktuelle Studie untersuchte den CD44v8–10/CD44sIndex in präoperativen Spontanurinproben von Patienten mit einem muskelinvasiven Blasentumor. Hohe CD44v8–10/CD44s-Indexwerte im Urin von Patienten mit einem invasiven Blasenkarzinom waren signifikant mit einer verkürzten tumorrezidivfreien Überlebenszeit verbunden. Der CD44v8– 10/CD44s-Index in Spontanurinproben wurde daher als eine effektiver, nichtinvasiver Prognosemarker vorgeschlagen (Miyake et al. 2002). Proteolyse Epithelzellen bilden mit ihrer extrazellulären Umgebung eine dynamische Einheit und gewährleisten den kontinuierlichen, kontrollierten und lokalen Umbau im Gewebeverband. An den Umbauprozessen ist eine Reihe von verschiedenen proteolytischen Enzyme beteiligt, die in sechs Enzymklassen eingeteilt werden können: Matrixmetalloproteinasen (MMP), Serinproteasen inklusive Urokinase-Plasminogenaktivator (u-PA), Cathepsine, Heparansen, BMP1 Metalloproteinasen und ADAM (»a disintegrin and metalloprotease«). Sie degradieren epitheliale Basalmembranen und extrazelluläre Matrixproteine und bilden verschiedene Abbauprodukte wie Laminin, Kollagen und Fibronektin. Demgegenüber kann eine gesonderte Gruppe von Proteinen die proteolytische Enzymaktivität inhibieren und verhindert dadurch den unkontrollierten Gewebeabbau. Zu den inhibierenden Proteinen gehört unter anderem TIMP (»tissue inhibitor of metalloproteinases«). Im Tumorverband wird das Gleichgewicht zwischen der proteolytischen und inhibierenden Enzymaktivität zu Gunsten der abbauenden Enzyme verschoben. Tumorzellen sezernieren verschiedene Mediatoren wie Chemokine, Cytokine und EMMPRIN (»extracellular matrix metalloproteinase inducer«). Diese Mediatoren stimulieren Fibroblasten in der extrazellulären Matrix und induzieren dadurch die Sekretion von Metalloproteinasen in den Fibroblasten. Gleichzeitig wird die Synthese von inhibierenden Proteinen in stromalen Zellen blockiert, 4 sodass nun ein unkontrollierter Gewebeabbau erfolgen kann. Dadurch ist eine ungehinderte Migration und Invasion von Tumorzellen in das umgebende Gewebe und Gefäßsystem möglich (Egeblad u. Werb 2002). Proteolytische Enzyme und BasalmembranAbbauprodukte: MMP, TIMP, u-PA, Cathepsin und Laminin-P1 Oberflächliches Harnblasenkarzinom. ▬ Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Inhibitoren der Metalloproteinasen (TIMP): Eine Überexpression von MMP findet sich überwiegend in entdifferenzierten und muskelinvasiven Blasentumoren (Ozdemir et al. 1999; Bianco Jr et al. 1998; Sumi et al. 2003). Daher wurde MMP als Prognosemarker in oberflächlichen Blasentumoren nur in wenigen Studien untersucht. In der Studie von Hara war eine erhöhte Genexpression von MMP-9 signifikant mit einer kürzeren tumorrezidivfreien Überlebensrate verbunden. Hingegen hatte MMP-2 in der multivariaten Analyse keine prognostische Relevanz (Hara et al. 2001). In einer aktuellen Studie von Durkan wurden die Konzentrationen von MMP9 und deren Inhibitor TIMP-1 in präoperativen Urinproben von Blasentumorpatienten gemessen. Die Analyse zeigte, dass ein niedriger MMP9/TIMP-1-Index signifikant mit einer höheren Tumorrezidivrate assoziiert war (Durkan et al. 2003) Invasives Harnblasenkarzinom. ▬ Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Inhibitoren der Metalloproteinasen (TIMP): Mehrere immunhistochemische Studien konnten zwar eine erhöhte Expression von MMP2- und MMP9-Expression in entdifferenzierten und muskelinvasiven Blasentumoren nachweisen, allerdings konnten MMP-2 und MMP-9 nicht als unabhängige Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit evaluiert werden (Ozdemir et al. 1999; Bianco Jr et al. 1998; Grignon et al. 1996; Papathoma et al. 2000). Hingegen zeigten drei Studien, dass eine positive MMP2- bzw. MMP9-Expression signifikant mit einer kürzeren tumorspezifischen Überlebensrate verbunden war (Kanayama et al. 1998; Vasala et al. 2003; Durkan et al. 2003). Zusätzlich wurde in drei Studien die Expression von TIMP2 im Blasentumorgewebe getestet und mit der Überlebensrate verglichen. Übereinstimmend in allen Studien war eine erhöhte TIMP-2-Expression mit einem ungünstigeren Krankheitsver- 44 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms lauf verbunden. Jedoch konnte TIMP-2 in der multivariaten Analyse nicht als unabhängiger Prognosemarker evaluiert werden (Gakiopoulou et al. 2003; Kanayama et al. 1998; Grignon et al. 1996). Zusätzlich wurden in präoperativen Urinproben von Blasentumorpatienten die MMP-2 and MMP-9 Konzentrationen gemessen. Dabei korrelierten hohe MMP Konzentrationen mit dem Tumorstadium und dem Differenzierungsgrad (Gerhards et al. 2001). Im Langzeitverlauf war eine hohe MMP-9 Konzentration im Urin statistisch jedoch nicht mit einer erhöhten Rezidivoder Progressionsrate verbunden (Durkan et al. 2003). Weitere Studien untersuchten auch die präoperativen Serumkonzentrationen von MMP2 und MMP9. Erhöhte Serumkonzentrationen fanden sich insbesondere bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen oder lymphogen metastasierten Blasentumor (Guan et al. 2003; Gohji et al. 1998). Eine kombinierte Bestimmung von MMP-2 und deren Inhibitor TIMP-2 im Serum von Patienten mit einem fortgeschrittenen Blasenkarzinom zeigte, dass ein hoher MMP2/TIMP-2-Index mit einer deutlich verkürzten rezidivfreien Überlebenszeit verbunden war. In der multivariaten Analyse konnte der MMP-2/ TIMP-Index als ein unabhängiger Prognosefaktor bestätigt werden (Gohji et al. 1998). Obwohl derzeit keiner der Metalloproteinasen bzw. deren Inhibitoren als Prognosemarker in der Klinik empfohlen werden kann, gibt es jedoch eine Reihe von klinischen Studien, die Metalloproteinasen als Targetmoleküle in der Therapie von soliden Tumoren testen. In einer randomisierten Phase-III-Studie wurde der MMP-Inhibitor, BB2516 (British Biotech, Oxford), an Patienten mit einem fortgeschrittenen Magenkarzinom untersucht und zeigte eine statistisch signifikant verbesserte tumorspezifische Überlebenszeit im Vergleich zur Kontrollgruppe. Ein weiterer MMP-Inhibitor, AG3340, wird derzeit in einer Phase-III-Studie an Patienten mit einem hormonrefraktären Prostatakarzinom getestet (Hidalgo and Eckhardt 2001). ▬ Urokinase-Plasminogenaktivator (U-PA): Die Serinprotease u-PA führt über die Aktivierung von Plasmin zu einem proteolytischen Abbau der extrazellulären Matrix. Eine erhöhte Genexpression von u-PA war überwiegend in invasiven Blasenkarzinomen im Vergleich zu oberflächlichen Blasentumoren nachweisbar (Seddighzadeh et al. 2002). In der Studie von Hasui war eine hohe u-PA Proteinexpression im Blasentumorgewebe signifikant mit einer kürzeren Gesamtüberlebensrate verbunden (Hasui et al. 1992). Eine aktuelle Studie untersuchte die präoperative u-PA Serumkonzentration von Blasentumorpatienten. Hohe u-PA Serumkonzentration waren insbesondere bei lymphogen metastasierten Blasenkarzinompatienten nachweisbar. Zudem war u-PA ein signifikanter Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit (Shariat et al. 2003d) ▬ Cathepsin: Die bisher publizierten Studien untersuchten überwiegend die Proteinexpression von Catepsin D im Blasentumorgewebe. Zwar konnten mehrere Studien eine Korrelation zwischen der Cathepsin-D-Expression und dem Tumorstadium sowie Differenzierungsgrad zeigen, jedoch hatte Cathepsin in keiner multivariaten Analyse eine prognostische Relevanz in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit (Ioachim et al. 2002; Carrascosa et al. 2002; Iizumi et al. 1997; Dickinson et al. 1995). Eine neue Studie untersuchte auch die Proteinexpression von Cathepsin B im Blasenkarzinomgewebe. Dabei fanden sich überwiegend hohe Cathepsin-B Expressionen in invasiven Blasenkarzinomen. Allerdings liegen keine Daten in Bezug auf den Krankheitsverlauf vor (Eijan et al. 2003). ▬ Laminin-P1: Laminin, eine Hauptkomponente der Basalmembran, wird durch Proteinasen in seine Fragmente Laminin-P1 abgebaut. In der Studie von Mungan waren die Serum-LamininP1-Konzentrationen von Blasentumorpatienten deutlich höher im Vergleich zu gesunden Probanden. Zudem korrelierten erhöhte Serum-Laminin-P1-Werte mit dem Tumorstadium, Tumorgröße und Anzahl der Blasentumoren, aber nicht mit dem Differenzierungsgrad. In der Verlaufkontrolle konnte bei Patienten mit hohen Laminin-P1-Konzentrationen auch erhöhte Tumorrezidivrate nachgewiesen werden (Mungan et al. 1996). Tumorzelldisseminierung Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Harnblasenkarzinom entwickeln trotz radikaler Zystektomie in bis zu 50% eine systemische Progression in den ersten drei Jahren (Stein et al. 2001). Ursache dafür ist vermutlich eine zum Operationszeitpunkt bereits vorhandene, aber klinisch nicht nachweisbare lymphogene oder hämatogene Metastasierung, die durch lokale Therapiemaßnahmen nicht beein- 45 Das Blasenkarzinom – eine Wunde, die nicht heilt flusst werden kann (Gusterson 1992). Zirkulierende Tumorzellen werden durch das derzeit übliche Tumorstaging nicht erfasst. Die frühzeitige Detektion von disseminierten Tumorzellen im Blut, Knochenmark oder Lymphknoten von Blasentumorpatienten wäre damit ein wichtiger Prognosemarker für das Blasenkarzinom. Durch die Entwicklung der Immunzytologie steht zum Nachweis zirkulierender Tumorzellen im Blut oder Knochenmark eine sensitive, allerdings auch aufwendige Methode zur Verfügung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass Zytokeratine (CK) als integrierte Bestandteile des Zytoskeletts epithelialer Zellen stabil exprimierte Merkmale in Tumorzellen besitzen, die mit spezifischen monoklonalen Antikörpern in einzelnen Karzinomzellen eindeutig nachweisbar sind (Pantel et al. 1996). Die überwiegende Zahl der immunzytologischen Studien haben CK-18 als epithelialen Tumormarker bevorzugt, der in der Regel nicht in mesenchymalem Kompartimenten wie peripheres Blut, Knochenmark und Lymphknoten exprimiert wird. Obwohl verschiedene Arbeitsgruppen die prognostische Relevanz der immunzytologischen Nachweismethode durch prospektive Studien bestätigen konnten (Diel et al. 1996), wurden Zweifel an die Aussagekraft der Methode geäußert. Hauptkritikpunkt war die mangelnde Reproduzierbarkeit dieser angewandten Technik. Das würde auch die sehr unterschiedlichen Detektionsraten von 4–45% erklären, die für das Mammakarzinom publiziert worden sind (Osborne u. Rosen 1994). Daher ist eine Standardisierung dieser Methode unerlässlich, um eine genauere und reproduzierbare Bestimmung der residuellen Tumorzellzahl zu ermöglichen. In den letzten Jahren kamen zusätzlich molekulare Nachweisverfahren auf der Grundlage der Reversen Transkriptase-Polymerasekettenreaktion(RT-PCR-)Technik vermehrt zum Einsatz. Damit ist es möglich, spezielle DNA-Abschnitte von disseminierten Tumorzellen millionenfach zu kopieren, sodass auch geringste Mengen von Tumorzell-RNA für ihren Nachweis ausreichen (Schlimok et al. 1991). Vorraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Tumorzelle spezifische Veränderungen in ihrem Genom aufweist und sich dadurch von den umgebenden hämatopoetischen Zellen unterscheidet. Für das Harnblasenkarzinom wurden bevorzugt gewebsspezifische Marker wie CK-20, Muzin 7 (MUC7), Uroplakin II (UP II) und EGFR gewählt. Das Hauptproblem der RT-PCR-Technik liegt zurzeit in ihrer unzureichenden Spezifität, bedingt durch Amplifikation von Pseudogenen oder die illegitime Expression von 4 tumorassoziierter m-RNA in benignen Zellen (Krismann et al. 1995). Selbst wenn in absehbarer Zukunft perfekte Detektionstechniken mit sehr guter Spezifität und Sensitivität vorliegen sollten, darf nicht vergessen werden, dass eine Tumorzelldisseminierung nicht mit einer Metastasierung gleich zustellen ist. Nur eine Subgruppe von disseminierten Tumorzellen führt tatsächlich zu einer klinisch relevanten Metastasierung. Experimentelle In-vivo-Arbeiten zeigten, dass nur 0,02% aller zirkulierenden Tumorzellen im Gefäßsystem zu einer histologisch nachweisbaren Metastasierung führten (Chambers et al. 2002). Nach wie vor ist unklar, welche Bedingungen im mesenchymalen Gewebe wie Knochenmark und Lymphknoten vorliegen müssen, damit vereinzelte Tumorzellen proliferieren und Tumorkolonien ausbilden. Analysen an vereinzelten Tumorzellen zeigten, dass ein Großteil disseminierter Tumorzellen nicht proliferiert und als ruhende Tumorzellen (»tumor cell dormancy«) mit einer langen Latenzzeit ausharren (Pantel et al. 1993). Der folgende Abschnitt stellt die wichtigsten Arbeiten zum Nachweis von disseminierten Tumorzellen im venösen Blut, Knochenmark und Lymphknoten vor. Immunzytologische Technik zur Detektion von disseminierten Tumorzellen Zytokeratin-18- (CK-18-)Nachweis im Knochenmark. In der Studie von Hofmann wurden Knochenmarksproben von 128 Blasentumorpatienten und 28 Kontrollpersonen immunzytologisch auf CK-18 untersucht. Alle Kontrollpersonen hatten einen negativen CK-18-Knochenmarksbefund. Hingegen zeigte die Analyse eine signifikant hohe CK-18-positive Detektionsrate im Knochenmark von Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasenkarzinom sowie mit lymphogener Metastasierung. Im Langzeitverlauf hatten Patienten mit einem positiven CK-18-Nachweis eine signifikant erhöhte Tumorprogressionsrate im Vergleich zu der CK-18-negativen Gruppe (Hofmann et al. 2003). Zytokeratinnachweis in Lymphknoten. Zwei Studien von Yang und Leissner haben immunhistochemische Analysen mit verschiedenen Zytokeratinantikörpern an histologisch unauffälligen Lymphknoten von Blasentumorpatienten durchgeführt. Im Vergleich zur klassischen Histopathologie, konnten keine zusätzlichen zytokeratinpositiven Tumorzellen oder Mikrometastasen im Lymphknoten detektiert werden (Yang et al. 1999; Leissner et al. 2002). 46 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms RT-PCR-Technik zur Detektion von disseminierten Tumorzellen Epidermal-growth-factor-receptor- (EGFR-)Nachweis im peripheren Blut. Bisher wurde die EGFR-mRNA- Zytokeratin-20- (CK-20-)Nachweis im peripheren Blut und Knochenmark. Drei Studien untersuch- Expression im venösen Blut von Blasentumorpatienten und Kontrollgruppen nur in einer Studie untersucht (Gazzaniga et al. 2001). Alle gesunden Probanden und Patienten mit einer Zystitis hatten in ihren Blutproben einen negativen EGFR-Befund. Die EGFR-Expressionsrate in Blutproben von Blasentumorpatienten zeigte zwar keine enge Korrelation zum Tumorstadium und Differenzierungsgrad, jedoch konnte EGFR als ein wichtiger Prognosemarker in Bezug auf die progressionsfreie Überlebenszeit evaluiert werden. ten jeweils präoperativ die CK-20-Genexpression im peripheren Blut von Blasentumorpatienten und Kontrollprobanden (Fujii et al. 1999; Güdemann et al. 2000; Gazzaniga et al. 2001). In den Studie von Güdemann und Fujii hatten alle Kontrollpersonen einen negativen CK-20-Befund. Hingegen zeigten die Ergebnisse von Gazzanagia, dass in 4 von 30 venösen Blutproben gesunder Probanden und in 2 von 9 Proben von Patienten mit einer Zystitis eine positive CK-20-Expression nachweisbar war. In dieser Arbeit wurde jedoch keine Isolierung der mononukleären Blutzellen nach der Ficoll-Technik (Soeth et al. 1996) durchgeführt, was bekanntermaßen zu falsch-positiven CK-20-Befunden führt (Jung et al. 1999). In den Studien von Fujii und Güdemann korrelierte die CK-20-Nachweisrate im Blut mit dem Tumorstadium. Vergleichend dazu war in der Arbeit von Gazzanagia die CK-20-Expression weder mit dem Tumorstadium noch mit dem Lymphknotenstatus assoziiert. Des weiteren hatte CK-20 keine prognostische Relevanz im Krankheitsverlauf. Im Gegensatz zu der CK-20-Bestimmung im peripheren Blut, analysierte eine vierte Arbeitsgruppe die CK-20 Genexpression im Knochenmark. Der CK-20-Nachweis gelang in 35% aller untersuchten Knochenmarksproben von Blasentumorpatienten. Allerdings konnte keine enge Korrelation zwischen der CK-20-Detektionsrate und dem Tumorstadium und Differenzierungsgrad nachgewiesen werden (Retz et al. 2001). In der aktuellen Analyse war die tumorspezifische Überlebensrate nach 48 Monaten bei Patienten mit einem CK-20-positiven Knochenmarksbefund mit 38,4% im Vergleich zu der CK-20negativen Gruppe mit 64,6% (p=0,01) signifikant kürzer. In der multivariaten Analyse war CK-20 zusammen mit dem Lymphknotenstatus ein unabhängiger Prognosemarker in Bezug auf die tumorspezifische Überlebensrate (Retz et al. 2004a). Uroplakin-II- (UP II-)Nachweis im peripheren Blut. In allen Studien war die UP-II-Genexpression im venösen Blut von gesunden Probenden negativ. Demgegenüber lag die UP-II-Detektionsrate in venösen Blutproben von lymphogen metastasierten Blasentumorpatienten nur zwischen 12,5% und 40%. Zudem konnte in einer aktuellen Studie keine Korrelation zwischen der UP-II-Detektionsrate im Blut und der progressionsfreien Überlebensrate gefunden werden (Li et al. 1999; Lu et al. 2000; Gazzaniga et al. 2001). Muzin-7- (MUC7-)Nachweis im Lymphknotengewebe. In einer aktuellen Studie wurden insgesamt 166 Lymphknoten (LK) bei der radikalen Zystektomie von 25 Blasentumorpatienten und 20 LK von 10 Kontrollpatienten entnommen. Jeweils eine Hälfte des Lymphknotens wurde für die MUC7 RT-PCR und für die konventionelle Histologie verwendet. Alle Kontroll-LK waren MUC7-negativ und alle histologisch nachweisbaren Lymphknotenmetastasen waren MUC7-positiv. Von den 160 histopathologisch unauffälligen LK konnte in 46 LK (29%) von 17 Patienten eine MUC7-Genexpression nachgewiesen werden. Es konnte keine Korrelation zwischen der MUC7 Detektionsrate und dem Tumorstadium sowie Differenzierungsgrad gefunden werden. Im Langzeitverlauf muss evaluiert werden, ob MUC7 ein unabhängiger Prognosemarker für das Blasenkarzinom darstellt (Retz et al. 2004b). Zielgerichtete Metastasierung Die Lokalisation von Blasenkarzinommetastasen in periphere Organe wie Lymphknoten, Lunge, Leber und Knochen ist kein zufälliger Prozess in der Metastasierungskaskade, sondern eine zielgerichtete Steuerung durch das Chemokinsystem. Noch vor einigen Jahren galt die Hypothese, dass Tumorzellen in hämatogenen und lymphogenen System zirkulieren, sich im Kapillarsystem peripherer Organe als Tumorembolus mechanisch verankern und neue Kolonien bilden (Bogenrieder u. Herlyn 2003). Aktuelle Arbeiten konnten nun zeigen, dass die zielgerichtete Wanderung von Tumorzellen in periphere Organe durch das Chemokinsystem reguliert wird (Strieter 2001). Chemokine gehören zur Familie der Zytokine und haben eine Molekulargewicht von 8–10 kDa. Sie spielen im gesunden Körper eine entscheidende Rolle in der Immunabwehr und Entzündungsreaktion. Chemokine können als »Lockstoffe« spezielle Chemokinrezeptoren von immunkompetenten Zellen wie z. B. Lymphozyten aktivie- 47 Molekulare Prognosemarker ren und sie zu einem definierten Ort lokomotorisch anziehen. Tumorzellen bedienen sich der gleichen Botenstoffe für ihre zielgerichtete Wanderung in periphere Organe. Die eindruckvolle Arbeit von Müller zeigt, dass Mammakarzinomzellen spezielle Chemokinrezeptoren wie CXCR4 and CCR7 hochregulieren, die dagegen in der normalen Drüsenzelle fehlen. Die korrespondierenden Chemokinliganden, CXCL12 und CCL21, werden hauptsächlich in Lunge, Leber, Knochenmark und Lymphknoten in hohen Konzentrationen gebildet. Die Stimulation der Chemokinrezeptoren durch ihre zugehörigen Liganden führte zu einer deutlich erhöhten Migration und zielgerichteten Metastasierung von Mammakarzinomzellen in die entsprechenden chemokinreichen Organe (Muller et al. 2001). Bisher wurden nur wenige Arbeiten über Chemokine und deren Rezeptoren beim Blasenkarzinom publiziert. Jedoch sind die ersten Ergebnisse so ermutigend, dass Chemokine eine neue potentielle Rolle in der Prognose des Blasenkarzinoms darstellen könnten. Chemokin IL-8 Die Stimulation von Blasentumorzellen mit IL-8 führte zu einer erhöhten Kollagenase- und Matrixmetalloproteinase-Aktivität und folglich zu einer verstärkten Tumorzellinvasion. Zusätzlich fördert IL-8 die Neoangiogenese. Weiterhin konnten IL8-aktivierte Blasentumorzellen im Mausmodell im Gegensatz zur unstimulierten Kontrollgruppe eine spontane lymphogene Metastasierung hervorrufen (Inoue et al. 2000b). In der Studie von Sheryka wurden die IL-8-Konzentrationen im Urin von Blasentumorpatienten und Kontrollgruppen analysiert. Es fanden sich signifikant erhöhte IL-8-Urinkonzentrationen bei allen Blasenkarzinompatienten im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe. Erhöhte IL-8 Urinkonzentrationen korrelierten dabei mit dem steigendem Tumorstadium. Zusätzlich wurden IL-8-Urinkonzentrationen nach TUR-B und abgeschlossener intravesikaler Instillation von oberflächlichen Blasentumoren gemessen. Patienten mit weiterhin nachweisbar hohen IL-8-Konzentration hatten eine signifikant erhöhte Tumorrezidivrate (Sheryka et al. 2003). Chemokin CXCL12 In einer Screening-Untersuchung wurde die Genund Proteinexpression aller bekannten Chemokinrezeptoren in Blasenkarzinomen und in normalen Urothelzellen analysiert. Von den 18 bekannten Chemokinrezeptoren war ausschließlich CXCR4 im Blasenkarzinom deutlich überexprimiert, hin- 4 gegen waren normale Urothelzellen CXCR4 negativ. Weiterhin korrelierte die erhöhte Gen- und Proteinexpression im Blasenkarzinomgewebe mit dem steigendem Tumorstadium. Zudem führte die Stimulation von CXCR4-positiven Blasentumorzellen mit ihrem Chemokinliganden CXCL12 zu einer signifikanten Steigerung der Tumorzellmigration und Invasion in die extrazelluläre Matrix (Retz et al. 2004c). Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie Molekulare Prognosemarker wurden nicht nur zur besseren Einschätzung des Krankheitsverlaufes von oberflächlichen und muskelinvasiven Blasenkarzinomen evaluiert, sondern auch zur Bestimmung der Wirksamkeit einer medikamentösen Therapie. Dabei wird zwischen Prognosemarkern unterschieden, die eine Vorhersage zur Wirksamkeit einer intravesikalen Blaseninstillation beim oberflächlichen Blasentumor erlauben und Marker, die die Chemosensitivität von Zytostatika beim fortgeschrittenen Blasenkarzinom vorhersagen können. Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit von intravesikalen Blaseninstillationen beim oberflächlichen Blasentumor In der überwiegenden Anzahl der Studien wurden p53, Ki-67 und Zytokine in oberflächlichen Blasentumoren getestet, um eine bessere Vorhersage über die Tumorrezidiv- und Progressionsrate nach intravesikaler Instillation zu erhalten. Dabei ist zu unterscheiden, ob die Bestimmung von Prognosemarkern in Blasenbiopsaten vor oder nach Instillationstherapie erfolgte. Tumorsuppressorgen p53 Bestimmung von p53 in Harnblasenbiopsaten vor intravesikaler Instillationstherapie. Zahlreiche Studi- en haben die p53-Proteinexpression in Blasentumorgewebe jeweils vor der BCG-Behandlung getestet und mit der Tumorrezidiv- und Progressionsrate verglichen. Jedoch war p53 in der überwiegenden Anzahl der Arbeiten kein unabhängiger Prognosemarker zur Vorhersage über die Wirksamkeit einer intravesikalen BCG Behandlung (Lebret et al. 1998; Pages et al. 1998; Peyromaure et al. 2002; Zlotta et al. 1999; 48 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms Lacombe et al. 1996). Hingegen zeigten zwei Studien mit kleiner Fallzahl, dass die p53-Überexpression in oberflächlichen Blasentumorgewebe signifikant mit der Ansprechrate einer BCG-Behandlung korrelierte (Caliskan et al. 1997; Lee et al. 1997). Eine Studie von Pfister untersuchte die Genmutation von p53 in oberflächlichen, unbehandelten Blasentumorproben. In der univariaten Analyse war die p53-Genmutation signifikant mit der Tumorrezidivrate nach BCG-Therapie assoziiert. Eine multivariate Analyse wurde in dieser Arbeit jedoch nicht durchgeführt (Pfister et al. 1999b). Bestimmung von p53 in Harnblasenbiopsaten nach intravesikaler Instillationstherapie. Drei Studien untersuchten den p53-Status in Blasenbiopsaten nach abgeschlossener intravesikaler BCG-Behandlung. In den Studien von Ovesen und Ick korrelierte die alterierte p53-Expression in Blasenbiopsaten nach BCG-Behandlung mit der Tumorprogressionsrate (Ovesen et al. 1997; Ick et al. 1997). In der bisher größten Studie mit 98 Patienten konnte in der multivariaten Analyse gezeigt werden, dass die p53-Alteration einen unabhängigen und alleinigen Prognosemarker zur Bestimmung der Tumorprogressionsrate darstellte. Anhand der vorliegenden Daten wurde von den Autoren diskutiert, ob eine radikale Zystektomie bei der Patientengruppe mit bestehender p53-Alteration nach BCG-Therapie empfohlen werden sollte (Lacombe et al. 1996). wurde in der Studie von Kaempfer die IL-2-Genexpression in mononukleären Blutzellen gemessen. Eine hohe IL-2-Genexpression in mononukleären Blutzellen nach BCG-Therapie war mit einer niedrigen Tumorrezidivrate assoziiert. Zudem konnte IL-2 in der multivariaten Analyse als ein unabhängiger Prognosemarker bestätigt werden (Kaempfer et al. 1996). Interleukin-8 (IL-8). Neben IL-2 untersuchten auch zahlreiche Studien die IL-8-Konzentration in Urinproben nach BCG-Instillation. Allerdings fanden sich hier sehr gegensätzliche Studienergebnisse. Während drei Studien eine signifikante Korrelation zwischen einer hohen IL-8-Konzentration in Urinproben und einem günstigen Krankheitsverlauf mit niedriger Tumorrezidivrate nachweisen konnte (Thalmann et al. 1997, 2000; Kumar et al. 2002) war IL-8 in zwei Studien kein unabhängiger Prognosemarker (Sanchez-Carbayo et al. 2001; Rabinowitz et al. 1997). Proliferationsantigen Ki-67 Die Proteinexpression von Ki-67 in Blasenbiopsaten wurde mit dem Krankheitsverlauf von Patienten nach abgeschlossener BCG-Therapie analysiert. In der multivariaten Analyse konnte keine Studie Ki-67 als einen unabhängigen Prognosemarker zur Vorhersage der Tumorrezidiv- oder Progressionsrate evaluieren (Lebret et al. 2000; Zlotta et al. 1999). Zytokine IL-2 und IL-8 Antiapoptosemarker Survivin Intravesikale Behandlungen mit BCG lösen in der gesamten Blasenschleimhaut eine spezifische Immunreaktion aus. Unter anderem werden dabei eine Reihe von Zytokinen wie z. B. die Interleukine im Urothelgewebe exprimiert und sezerniert. Unter der Annahme, dass eine hohe Zytokinexpression ein Spiegelbild der immunologischen Reaktion in der Blasenschleimhaut darstellt, wurden insbesondere die Gruppe der Interleukine als Prognosemarker im Urin getestet. Interleukin-2 (IL-2). Alle bisher durchgeführten Studien konnte eine signifikante Korrelation zwischen einer hohen IL-2-Konzentration im Urin nach BCGBehandlung und einer niedrigen Tumorrezidivrate zeigen. Die Autoren schlussfolgerten, dass eine hohe IL-2-Konzentration im Urin mit einem günstigen Krankheitsverlauf verbunden ist. Allerdings wurden in allen Studien zum einen nur univariate Analysen durchgeführt, zum anderen wurden die Tumorprogressionsraten nicht bestimmt (Sanchez-Carbayo et al. 2001; de Reijke et al. 1999; Saint et al. 2002). Im Gegensatz zu den Il-2-Messungen in Urinproben, In einer aktuellen Studie von Hausladen wurde erstmals Survivin in Urinproben jeweils vor und nach Blaseninstillation mit Mitomycin oder BCG gemessen. Hohe Survivin-Urinkonzentrationen vor intravesikaler Therapie korrelierten im Langzeitverlauf mit einer hohen Tumorrezidivrate. Interessanterweise konnte bei Patienten mit kompletter Remission kein Survivin im Urin mehr gemessen werden. Demgegenüber hatten Patienten, die ein Tumorrezidiv entwickelten, erhöhte Survivin-Urinkonzentrationen (Hausladen et al. 2003). Molekulare Prognosemarker zur Bestimmung der Wirksamkeit von systemischen Chemotherapien beim fortgeschrittenen Blasenkarzinom Glutathion-Transferasen Glutathion-Transferasen sichern die Entgiftung von Umweltsubstanzen und Medikamenten im Organis- 49 Molekulare Prognosemarker mus. Durch ihre Enzymaktivität werden verschiedene Substanzen mit Glutathion konjugiert und im weiteren Stoffwechselprozess als Merkaptursäuren ausgeschieden. Über den gleichen Mechanismus werden auch Zytostatika wie z. B. Cisplatin, als Hauptkomponente in der Chemotherapie des Blasenkarzinoms, verstoffwechselt und entgiftet. Experimentelle Daten zeigten, dass eine gesteigerte Enzymaktivität von Glutathion-Transferasen zu einer erhöhten Konjugation von Glutathion mit Cisplatin führt und folglich eine verminderte zytostatische Wirksamkeit der Blasentumorzellen nachweisbar war (Kotoh et al. 1997; Pendyala et al. 1997). In einer klinischen Studie korrelierte die jeweilige Gewebekonzentration von Glutathion im Blasenkarzinom mit der Wirksamkeit einer Cisplatin-basierten Chemotherapie (Yang et al. 1997). Metallothioneine Metallothioneine sind Proteine mit einem sehr hohem Cystein-Gehalt und besitzen die Eigenschaft, Metalle und freie Radikale in der Zelle zu binden. Experimentelle Studien konnten zeigen, dass eine hohe Metallothionein-Gewebeexpression zu einer verstärkten Cisplatinresistenz führte (Kelley u. Rozencweig 1989; Kotoh et al. 1994; Satoh et al. 1994). In zwei klinischen Studien war die Überexpression von Metallothionein im Blasentumorgewebe mit einer deutlich schlechteren Wirksamkeit der Cisplatin-basierten Chemotherapie beim Blasenkarzinom assoziiert (Bahnson et al. 1994; Siu et al. 1998). 4 gewebe von Blasentumorpatienten, die mit mehr als 6 Zyklen nach dem M-VAC-Schema behandelt wurden (Petrylak et al. 1994). Jedoch zeigte der PGlykoprotein-Status im Tumorgewebe bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasentumor und abgeschlossener Chemotherapie keine prognostische Signifikanz im Krankheitsverlauf (Siu et al. 1998). Cyclooxygenase-2 (COX-2) Eine aktuelle immunhistochemische Studie untersuchte die COX-2-Proteinexpression in Zystektomiepräparaten und korrelierte den COX-2-Status mit der Überlebensrate von 62 Blasentumorpatienten mit abgeschlossener Chemotherapie. Eine hohe COX-2-Expression im Blasentumor war mit einer signifikant kürzeren Gesamtüberlebensrate (p=0,01) der chemotherapierten Tumorpatienten verbunden (Wülfing et al. 2004). Tumorsuppressorgen p21 Nur vereinzelte klinische Studien haben den p21Status von Blasentumorpatienten mit deren Krankheitsverlauf nach Chemotherapie verglichen. Patienten mit einem lokal fortgeschrittenen Blasentumor und positiver p21-Expression hatten nach adjuvanter Chemotherapie nach dem M-VAC-Schema eine signifikant bessere mittlere Gesamtüberlebenszeit von 60 Monaten. Demgegenüber lag die mittlere Gesamtüberlebenszeit nur bei 21 Monaten in der p21-negativen Patientengruppe (p<0,005) (Jankevicius et al. 2002). Multi-Drug-Resistance-P-Glykoprotein Tumorsuppressorgen p53 Das MDR-P-Glykoprotein ist in der Zellmembran lokalisiert und funktioniert als Efluxpumpe, das toxische Substanzen aus der Zellen nach außen transportiert. Allerdings spielt das MDR-P-Glykoprotein keine entscheidende Rolle für die CisplatinResistenz (Pu et al. 1996). Demgegenüber finden sich Hinweise, dass eine erhöhte MDR-P-GlykoproteinExpression in Blasentumoren zu einer verstärkten Resistenz von Anthrazyklinen und Taxanen führen kann (Pu et al. 1996; Guo et al. 1997). In einer klinischen Studie wurde die P-Glykoprotein-Expression von Blasentumorbiopsaten jeweils vor und nach Chemotherapie nach dem M-VAC- (Methotrexat, Vinbalstin, Doxorubicin, Cisplatin) Protokoll verglichen. Die P-Glykoprotein-Expression war in Gewebeproben nach durchgeführter zytostatischer Behandlung signifikant höher im Vergleich zu den chemonaiven Biopsaten. Allerdings fand sich die höchste P-Glykoprotein-Expression in Metastasen- p53-Expression bei Patienten mit einem metastasiertem Blasenkarzinom. Mehrere Studien untersuchten den p53-Status bei Patienten mit einem metastasiertem Blasenkarzinom in Abhängigkeit von der Wirksamkeit einer durchgeführten systemischen Chemotherapie. Die klinischen Daten zeigten übereinstimmend, dass die Chemosensitivität und der Krankheitsverlauf unabhängig von der p53-Expression im Blasentumorgewbe waren (Sengelov et al. 1997; Siu et al. 1998; Kakehi et al. 1998). p53-Expression bei Patienten mit einem organbegrenzten Blasenkarzinom. In zwei Studien wurde der p53-Status von Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor bestimmt und mit der Wirksamkeit einer neoadjuvanten Cisplatin-basierten Chemotherapie verglichen. Patienten mit einer normalen p53-Expression hatten eine signifikant bessere Ansprechrate und tumorspezifische Überlebenszeit im Vergleich zu der Patientengruppe mit alterierter 50 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms p53-Expression (Sarkis et al. 1995; Kakehi et al. 1998; Koga et al. 2000). Hingegen zeigte eine Studie im adjuvanten Ansatz nach dem M-VAC-Schema, dass der p53-Status bei Patienten mit einem lokal fortgeschrittenem Blasentumor keine prognostische Signifikanz in Bezug auf die Gesamtüberlebenszeit besitzt (Jankevicius et al. 2002). Demgegenüber hatten Patienten mit alterierter p53-Expression und adjuvanter Chemotherapie nach dem CisCA- (Cisplatin, Cyclophosphamid, Adriamycin) Protokoll eine deutlich bessere Ansprechrate und einen günstigeren Prognoseverlauf im Vergleich zu der p53-negativen Gruppe (Cote et al. 1997). Basierend auf diesen Daten wurde die erste prospektiv, randomisierte Studie zur Evaluierung von p53 als Prognosemarker von der Southern California Universität, Baylor College of Medicine und der Chicago Universität initiiert. An der multizentrischen Phase-III- und NCI-gesponserten Studie nimmt zusätzlich die SWOG (Southwest Oncology Group) teil. In dieser Studie wird der p53-Status von Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor (pT1-pT2bpN0M0) nach radikaler Zystektomie bestimmt. Patienten mit normaler p53-Expression werden regulär ohne weitere adjuvante Behandlungen nachgesorgt. Dagegen werden Patienten mit alterierter p53-Expression entweder in den Chemotherapiearm oder im Kontrollarm randomisiert. Bei der ersten Patientengruppe wird nach radikaler Zystektomie eine adjuvante Chemotherapie mit 3 Zyklen nach dem M-VAC-Schema druchgeführt. Die zweite Studiengruppe wird als Kontrollarm ohne Adjuvanz nachbeobachtet. Es handelt sich hierbei um die erste klinische Studie beim Harnblasenkarzinom unter Einbezug eines molekularen Prognosemarkers. Diese Studie soll analysieren, ob Patienten mit einem organbegrenzten Blasentumor und gleichzeitig vorliegender p53-Mutation eine Hochrisikogruppe darstellen und von einer zusätzlichen Chemotherapie profitieren können. Obwohl die Initiierung dieser prospektiv, multizentrischen Studie sicherlich ein erster, richtungsweisender Meilenstein für die Zukunft darstellt, bleibt dennoch die Frage, ob das Studiendesign den aktuellen klinischen Anforderungen erfüllt. Ein Problem ist sicherlich, dass bisher sehr divergente Ergebnisse zu p53 als unabhängigem Prognosemarker vorliegen und viele Institutionen den direkten Übergang in eine klinische Therapieentscheidung scheuen. Zum anderen wurden zwischenzeitlich neue und besser verträgliche Zytostatikakombinationen mit Gemcitabin oder Taxol entwickelt, sodass für viele Kliniker die alte MVAC-Kombination nicht mehr attraktiv erscheint. Trotz der Kritikpunkte bleibt zu hoffen, dass eine schnelle Patientenrekrutierung mit einer kalkulierten Patientenzahl von 760 stattfinden wird. Jetzt geht es erst richtig los! Der Vergleich von Äpfel mit Birnen in der klinischen Forschung Uneingeschränkt ist p53 der bisher am intensivsten untersuchte Prognosemarker für das Harnblasenkarzinom. So ist es dennoch verwunderlich, dass trotz der umfangreichen Daten über p53, mit teilweise sehr großen Patientenfallzahlen, immer noch keine Aussage zur »klinischen Tauglichkeit« getroffen werden kann. Am Beispiel der p53-Studie von Masters, mit der bisher größten Fallzahl von 502 Patienten mit einem oberflächlichen Blasentumor, werden die Probleme im klinischen Studiendesign, in der Labormethodik und in der statistischen Auswertung deutlich (Masters et al. 2003). ▬ Einschlusskriterien: Die Patientenauswahl in Bezug auf das Tumorstadium ist in den einzelnen Studien sehr unterschiedlich. Eine Reihe von Studien untersuchte nur Patientengruppen mit ausschließlich pTa- (Casetta et al. 1997; Leissner et al. 2001), pTis- (Shariat et al. 2003a) oder pT1-Blasentumoren (Grossman et al. 1998; Hermann et al. 1998). Hingegen analysierten andere Studien die Gesamtgruppe aller oberflächlich wachsenden Blasentumoren mit Einbeziehung der Stadien von pTaG1 bis pT1G3 (Malmstrom et al. 1999; Masters et al. 2003). Es ist daher nicht erstaunlich, dass bei der Vermischung der Patientengruppen mit unterschiedlichen Tumorstadien auch große statistische Differenzen in Bezug auf die Tumorprogressionsrate entstehen. In der Studie von Masters erreichte die positive p53-Expression nur dann ein statistische Signifikanz in Bezug auf die Tumorprogression, wenn die Variable »Stadium pT1G3« ausgeschlossen wurde. Hingegen war in der multivariaten Analyse nicht p53, sondern das pT1G3-Stadium der stärkste Prognosefaktor. ▬ Therapie: Klinische Studien können nur dann miteinander verglichen werden, wenn auch die Therapie des oberflächlichen Blasentumors einheitlich durchgeführt wird. Fakt ist, dass die Behandlungsformen in den p53-Studien so divergent sind, dass eine vergleichende statistische Auswertung unzulässig ist. Je nach Studiendesign reichte das Therapiespektrum von 51 Jetzt geht es erst richtig los! der einmaligen TUR-B, über eine zweite TURNachresektion bis zu den unterschiedlichsten Blaseninstillationsprogrammen. ▬ Auswahl des Antikörpers (AK) für die p53-Immunohistochemie: In den p53-Studien wurden überwiegend vier unterschiedliche Antikörper verwendet, dazu gehören 1801, DO1, D07 und CM1. In der Studie von Masters wurden zwei Antikörper, 1801 und DO7, gleichzeitig getestet. Je nach Einsatz der Antikörper war das Risiko, einen Tumorprogress zu erleiden, in der »1801AK-Gruppe« 2,5fach erhöht, hingegen in der »D07-AK-Gruppe« nur 1,3fach. ▬ Definition der p53-Positivität: Bei der detaillierten Analyse aller p53-Studien wird deutlich, dass unterschiedliche Definitionen für einen »positiven« p53-Tumor vorliegen. Je nach Anteil der positiv gefärbten p53-Zellen im Verhältnis zum gesamten Tumorverband wird ein »Cut-offWert« festgelegt, der die einzelne Tumorprobe als p53-positiv oder -negativ definiert. Die Variationen reichen dabei von >0% (Casetta et al. 1997), 5% (Masters et al. 2003), 10% (Esrig et al. 1994) bis über 20% (Cordon-Cardo et al. 1997). Zusammenfassend liegen zwar umfangreiche Daten zu p53 vor, jedoch gleicht keine Studie im Design der anderen Studie. Es ist also nicht verwunderlich, dass der verzweifelte akademische Versuch, Äpfel mit Birnen zu vergleichen, leider nicht zum Erfolg führt. Der neu gegründete internationale Verbund »Bladder Tumor Marker Network« hat sich zum Ziel gesetzt, multizentrische, prospektive und standardisierte Studien zur Evaluierung neuer Prognosemarker zu initiieren. Die praktische Durchführung der Standardisierung von Labormethoden ist allerdings nicht zu unterschätzen. Der Verbund »International Bladder Cancer Network« hat eine eigene Qualitätsprüfung in fünf verschiedenen Institutionen zur Bestimmung der p53-Positivität in Blasentumoren durchgeführt. Alle Kliniken erhielten die gleichen 50 Präparate mit einem muskelinvasiven Blasentumor. Nach der »standardisierten p53-Immunfärbung« sollte der Anteil der p53-positiven Tumorzellen im Gewebe bestimmt werden. Zwar zeigten alle Labore eine hohe Konkordanz in der Bewertung von extrem hohen oder niedrigen p53-Anfärbungen, jedoch waren erhebliche Unterschiede in der Bewertung der Grauzone zu erkennen (McShane et al. 2000). Auch wenn derzeit noch anfängliche Schwierigkeiten in der multizentrischen Zusammenarbeit auftreten, sollten in Zukunft nur prospektiv, standardisierte Laborstudien gefördert und anerkannt wer- 4 den. Vergleichend zu den vom AUO (Arbeitskreis Urologische Onkologie) empfohlenen klinischen Studien, müssen auch die zukünftigen Laborstudien mit einem Gütesiegel für ihr Studiendesign und ihrer praktischer Durchführung ausgezeichnet werden. Mittlerweile werden in vielen Arbeitsgruppen Tissue Microarrays (TMA) verwendet, die eine verbesserte Standardisierung von immunhistologischen Studien gewährleisten. Bereits vor 18 Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe Battifora die Grundlage der Tissue Microarrays. Hier werden aus vielen verschiedenen Paraffinpräparaten Gewebeproben zylindrisch ausgestanzt und in einen gänzlich neuen Paraffinblock überführt (Battifora 1986). Mit diesem Verfahren können bis zu 2500 Gewebeproben von 0,6 mm Durchmesser auf einem Objekträger aufgebracht werden (Kocher et al. 2002). Im Vergleich zu der klassischen Immunhistologie, können mit der TMA große Fallzahlen in nur einem einzigen Arbeitsgang untersucht werden. Die TMA bietet somit identische Versuchsbedingungen für alle untersuchten Gewebeproben, sodass die Ergebnisse durch methodische Unregelmäßigkeiten unbeeinflusst bleiben. Weitere Vorteile der TMA finden sich in der zeit- und kostensparenden Analyse von großen Probenmengen. Allerdings diskutieren Kritiker der TMA aktuell, ob die aus Paraffinblöcken herausgestanzten Gewebezylinder von nur 0,6 mm Durchmesser die Charakteristika des Gesamttumors in vollem Umfang repräsentieren können. Bekannterweise präsentieren histologische Großflächenschnitte von Prostatakarzinomen oder Blasenkarzinomen ein sehr heterogenen Tumormaterial. Vergleichende immunhistochemische Studien haben die p53-Proteinexpression in Prostatakarzinomen mit der TMA-Technik und mit den korrespondierenden Großflächenschnitten untersucht. Dabei war die p53-Expression in der TMA-Technik deutlich abweichend von den konventionellen Großflächenschnitten (Merseburger et al. 2003). Auch wenn Optimierungen in der TMATechnologie weiterhin erforderlich sind, bietet sie bereits heute klare Vorteile gegenüber der klassischen Immunhistologie in Bezug auf methodische Standardisierung sowie zeit- und kostensparende Analytik. Nach HUGO kommt HUPO Wissenschaftler aus 17 Ländern haben 1988 den Verbund Human Genome Organisation (HUGO) gegründet und sich zum Ziel gesetzt, das gesamte menschliche Genom in 16 Jahren zu entschlüsseln. 52 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms Das wissenschaftliche Projekt, das umgerechnet drei Milliarden Euro kostete, wurde von vielen Beobachtern mit den Anstrengungen der ersten Mondlandung verglichen. Dank der Fortschritte in der Sequenziertechnik konnte bereits nach 11 Jahren, also fünf Jahre früher als erwartet, das gesamte menschliche Genom mit seinen drei Milliarden einzelnen Nukleotiden entschlüsselt werden. Zahlreiche Wissenschaftler waren letztlich doch sehr überrascht, dass die Anzahl der Gene in der hoch entwickelten Spezies Homo sapiens von den anfänglich geschätzten 100.000 Genen auf nur ca. 30.000 Genen zusammenschrumpfte. Immerhin 300 Gene mehr als die gewöhnliche Feldmaus. Mit dieser Erkenntnis mussten sich die Wissenschaftler zudem von ein weiteres Dogma lösen, das der »Ein-Gen-ein-Protein-Hypothese«. Mittlerweile wird angenommen, dass ein einzelnes Gen die Grundmatrize für nahezu 10 verschiedene Proteine enthält. Damit besitzt der Mensch rund 300.000 bis 400.000 verschiedene Proteine. Nach Abschluss der weltweit konzertierten Aktion »Human Genome Project« lautete das Fazit vieler Wissenschaftler: Jetzt geht es erst richtig los! Der Biochemiker Friedrich Lottspeich vom MaxPlanck-Institut für Biochemie in Martinsried hat den aktuellen Stand der Forschung sehr anschaulich erklärt: »Wenn wir die menschliche Zelle mit einer Großstadt vergleichen, ist die Genomsequenz nichts weiter als eine Liste der Einwohner. Wir wissen nichts darüber, was in der Stadt wirklich passiert, wo die Bürger wohnen, wer sich mit wem unterhält, wer welchen Beruf hat usw. Diese Akteure sind im Körper die mehr als eine Million unterschiedlichen Proteintypen, deren Herstellungsrezepte im Genom kodiert sind. In jeder Zelle sind zu jedem Zeitpunkt mehr als 50.000 Proteine aktiv.« Um die Struktur und Funktion aller Proteine (Proteom) im Menschen zu verstehen, haben Proteinforscher am 8. Februar 2001 einen neue internationalen Verbund, die Human Proteomic Organization (HUPO) gegründet. Ziel von HUPO ist die systematische und internationale Erforschung der Proteinsequenzen, Strukturen, Modifikationen, Zelllokalisation sowie Protein-Protein-Wechselwirkungen. Auch wenn inzwischen mit der heutigen Technologie Proteinsequenzen und Molekülstrukturen automatisiert bestimmt werden können, befindet sich die heutige Proteomanalytik noch im frühen »Embryonalstadium«. Nach wie vor fehlen standardisierte und messtechnisch sichere Verfahren, um komplexe Proteinwechselwirkungen und zeitliche Abläufe der einzelnen Proteininteraktionen in der Zelle zu bestimmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Gründungsstunde von HUPO unter dem Motto »Genes were easy« eröffnet wurde. Im November 2002 wurde der erste HUPOWeltkongress eröffnet. Wenn man bedenkt, welche überdimensionale Herausforderung HUPO darstellt, so war der Kongress in Versailles, Frankreich, ein durchaus angemessener Tagungsort. Auch wenn die Bedeutung des entschlüsselten Genoms nicht mehr mit der ersten Mondlandung vergleichbar ist, so bleibt doch letztlich ein guter Aspekt für die selbst ernannte Krone der Schöpfung, wie Friedrich Lottspeich abschließend kommentierte: »Dies lässt dem Menschen mehr Freiheit. Die Gefahr, dass das entschlüsselte Genom den Menschen ‚gläsern’ machen könnte, besteht nun auf absehbare Zeit nicht.« Neue Technologien zwischen Genom und Proteom In den letzten fünf Jahren wurde die klinische Forschung mit neuen, teilweise extravaganten und kostspieligen Labortechniken konfrontiert. Umso schwieriger ist es für den klinisch tätigen Urologen, noch den Überblick in der rasanten Entwicklung zu behalten. Während sich die früheren klassischen Studien noch auf einzelne molekulare Marker beschränkten, können heute mit den neuen Technologien riesige Datensätze von zahlreichen Markern in kurzer Zeit effizient bestimmt werden. Im Vergleich zu den früheren genetischen Untersuchungen, ermöglichen Microarrays (Genchips) die Analyse von bis zu 30.000 Genen in nur einem Versuchsdurchgang. Microarrays besitzen auf ihrer Oberfläche mehr als 500.000 verschiedene Sequenzabschnitte und repräsentieren wichtige tumorassoziierte Gene. Das ursprüngliche Prinzip der Microarrays besteht darin, dass im ersten Schritt die RNA aus einer Tumorprobe in ihre cDNA umgeschrieben wird. Anschließend wird die cDNA radioaktiv markiert und auf einem Genchip aufgetragen. Einzelne cDNA-Abschnitte können nun mit den passenden, komplementären Gensequenzen des Microarrays binden und hybridisieren. Bei der anschließenden Auswertung werden die radioaktiv markierten Punkte genau dem Genabschnitt auf der Microarray-Kartierung zugeordnet. Derzeit werden generell zwei Grundtypen unterschieden: Genomische DNA-Microarrays identifizieren chromosomale Alterationen im Tumorgewebe. Demgegenüber messen Genexpressions-Arrays die unterschiedlichen Expressionshöhen auf RNA-Ebene zwischen Tumorzelle und normaler Zelle (Guo 2003). Nach den bisherigen Erkenntnissen aus früheren Studien 53 Jetzt geht es erst richtig los! kann die Analyse von nur einzelnen Genen nicht die wahre biologische Eigenschaft eines individuellen Tumors wiederspiegeln. Die Microarray-Technik bietet nun die Möglichkeit, genetische Veränderungen von komplexen Regulationssystemen und zahlreichen Signalkaskaden zu erfassen. Auch wenn die Genchip-Technologie derzeit zum modernsten und höchsten Standard gehört, dürfen auch hier die potentiellen Fehlerquellen nicht vernachlässigt werden. Unregelmäßige Beschichtungen der Genchipoberflächen, fehlerhafte Auftragung von Gensequenzen und Staubkontaminationen können letztlich die Hybridisierungsvorgänge einzelner Gensequenzen einschränken. Umso verständlicher, dass von zahlreichen Kritikern der Genchiptechnologie die inkonsistente Reproduzierbarkeit bemängelt wird. Experten auf dem Gebiet der Microarray-Technik empfehlen daher eine mindestens dreimalige Wiederholung der Genchipanalyse (Piper et al. 2002; Lee et al. 2000). Eine weitere Limitierung findet sich in der RNAProbenaufarbeitung. Das hochsensitive MicroarraySystem bedarf im Idealfall reinsten RNA-Materials aus Tumorgewebe ohne Kontaminationen mit normalen oder entzündlich veränderten Zellen. In der Regel ist das Blasentumorgewebe jedoch sehr heterogen aufgebaut, sodass die klassische Isolierung von ausschließlich Tumorzellen nahezu unmöglich erscheint. Neue Standards fordern daher die Separation von Tumorzellen mit der Laser-Mikrodissektionstechnik. Allerdings ist die praktische Durchführung der Laser-Mikrodissektion bekanntermaßen sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Häufig ist zudem das separierte Tumormaterial zu gering, um eine ausreichende RNA-Menge für die Microarray-Technologie zu gewinnen (EmmertBuck et al. 1996). Schlussfolgernd sind Microarrays in der Routinediagnostik derzeit nicht geeignet. Die gewonnen Datenmassen lassen häufig mehr Fragen aufkommen, als dass sie uns Antworten liefern. Aktuelle Studien haben sich daher zum Ziel gesetzt, eine begrenzte Anzahl von Genen zu identifizieren, die eine exakte Aussage über das biologische Verhalten des individuellen Tumors erlauben. Eine dänische Arbeitsgruppe untersuchte 40 verschiedene Blasenkarzinomproben mit der Microarray-Technik und analysierte die Expression von über 7500 Genen. Bei der Auswertung konnten 1767 Gene im Blasentumor identifiziert werden, die im Vergleich zum normalen Urothelgewebe ein verändertes Expressionsprofil zeigten. Interessanterweise erlaubte eine weitere Datenanalyse die Eingrenzung der Anzahl auf nur 32 Gene, die eine exakte Vorhersage 4 zum Progressionsverlauf von oberflächlichen Blasentumoren ermöglichte (Dyrskjot et al. 2003). Eine amerikanische Arbeitsgruppe untersuchte mit der Microarray-Technik das Expressionsprofil von über 16.000 Genen in Primärkarzinomen verschiedener Tumorentitäten. In dieser Studie wurden Patienten mit einem Mamma-, Lungen- oder Prostatakarzinom sowie Patienten mit Lymphomen und Medulloblastomen eingeschlossen. Aus den großen Datenmassen konnte letztlich ein Cluster von 17 Genen im Primärtumor evaluiert werden, die im Langzeitverlauf mit einer späteren Metastasierung assoziiert war. Patienten mit Nachweis eines veränderten Genclusters im Primärtumor hatten eine signifikant kürzere Überlebenszeit im Vergleich zu der Gruppe ohne alterierte Genexpression. Interessanterweise war das Risikoprofil unabhängig von der Tumorentität (Ramaswamy et al. 2003). Entscheidend scheint also nicht das Sammeln von Datenmassen zu sein, sondern die Extraktion von Schlüsselgenen, die eine bessere Risikoabschätzung für jeden individuellen Tumorpatienten erlauben. In den letzten Jahren fokussierte die klinische Forschung insbesondere auf die Proteomanalyse. Für die Proteinanalytik wird verstärkt die 2-D-Gelelektrophorese (»two-dimensional polyacrylamide gel electrophoresis«, 2-D PAGE) in Kombination mit der Massenspektroskopie eingesetzt. Hierbei werden Proteine in der ersten Dimension nach ihrer Ladung und in der zwei Dimensionen nach ihrem Molekulargewicht gelelektrophoretisch aufgetrennt. Moderne Technologien erlauben es, bis zu 10.000 verschiedene Proteine durch die 2-D-Gelelektrophorese in einem Arbeitsgang aufzutrennen. Anschließend wird die exakte Molekülmasse der einzelnen Proteine mit Hilfe der MALDI-Massenspektroskopie bestimmt. Bei der MALDI (»matrix-assisted laser desorption/ ionization«) Methode wird die Proteinprobe für wenige Nanosekunden mit kurzwelligen Laserlicht bestrahlt. Durch die elektronische Anregungsenergie werden aus der Proteinprobe gasförmige Ionen im Hochvakuum erzeugt. Im Massenanalysator werden dann die Ionen nach ihrem Masse-/Ladungsquotienten (m/z) aufgetrennt. Ein Detektor liefert ein Massenspektrum, aus dem bestimmt werden kann, welche Ionen in welchen relativen Mengen erzeugt werden. Mit diesem Verfahren ist es inzwischen möglich, den Aufbau eines Proteins auch aus kleinsten Probenmengen voll automatisch zu bestimmen (Karas et al. 2000). Mittlerweile werden Genom- und Proteomanalysen kombiniert durchgeführt, um ein umfassenderes Bild auf der Transkriptions- und Transla- 54 4 Kapitel 4 · Molekulare Prognosemarker des Harnblasenkarzinoms tionsebene in der Tumorzelle zu gewinnen. Eine dänische Arbeitsgruppe untersuchte nicht nur die chromosomalen Veränderungen in Blasenkarzinomen, sondern auch die verschiedenen Expressionslevels auf RNA- und Proteinebene. Mit Hilfe von genomischen DNA-Microarrays, GenexpressionsArrays sowie der 2-D-Gelelektrophorese mit kombinierter Massenspektroskopie konnten in 11 Regionen chromosomale Alterationen nachgewiesen werden, die ebenfalls konkordante Veränderungen auf der RNA- und Proteinebene zeigten. Veränderte Gen- und Proteinexpressionen im Blasenkarzinom zeigten sich unter anderem für Cytokeratin 17 und 20 sowie Annexin II und IV (Orntoft et al. 2002). Mit der neuen multidimensionalen Analyse ist es nun gelungen, spezifische Gen- und Proteincluster zu identifizieren, die eindeutig oberflächlich, papilläre Blasentumore von einem Carcinoma in situ unterscheiden können. Weiterhin erlaubt die kombinierte Genom- und Proteomanalyse eine exaktere Einschätzung des Progressionsrisikos von muskelinvasiven Blasenkarzinomen (Sanchez-Carbayo et al. 2003). Die ersten kombinierten Analysen zeigen richtungsweisend, dass die zukünftige Forschung aufwendiger und komplizierter wird, denn ohne Genomic gäbe es kein Proteomic und umgekehrt. Medizinische Anwendungen stehen bereits im Mittelpunkt der Proteomforschung und werden vom Bundesforschungsministerium seit Ende 1999 mit über 40 Millionen Euro finanziert. Als die Bilder laufen lernten In der bisherigen medizinischen Forschung wurden überwiegend statische Analysen auf DNA- und Proteinebene in der Tumorzelle durchgeführt. Klassisches Beispiel hierfür ist die Immunhistologie, bei der durch Immunfärbungen in Formalin fixiertem und Paraffin eingebetteten Gewebe Proteinexpressionen verschiedener Zellmarker untersucht werden, die ggf. Rückschlüsse auf die Biologie der Tumorzelle ermöglichen sollen. Allerdings werden dabei die Charakteristika einer »lebenden Tumorzelle« vollständig außer Acht gelassen. Die konventionellen Techniken geben in der Regel keine Informationen, inwieweit Veränderungen auf DNA- oder Proteinebene auch mit einer alterierten Motilität, Migration oder Invasion von Tumorzellen korrelieren können. Die CVTL (»computerized video time lapse analysis«) gehört zu den ersten Techniken, die das Verhalten von lebenden Tumorzellen in der Zell- kulturflasche als Film dokumentieren kann. Ein spezielles CVTL-Mikroskop erlaubt die gleichzeitige Beobachtung von 50 verschiedenen Feldern in der Zellkulturflasche und dokumentiert alle 11 Sekunden Bilder von einzelnen Tumorzellen. Die autofokussierte Bilddokumentation von Tumorzellen kann dabei über eine Woche erfolgen. Die einzelnen Bilder werden computergestützt als Film verarbeitet und erlauben dadurch umfassende Analysen über Zellproliferation, Zellfusion, aberrante Mitosen und Apoptoseverhalten von einzelnen Tumorzellen. Arbeitsgruppen an der UCSF (University of California San Francisco) untersuchen derzeit mit der CVTLTechnik das dynamische Verhalten von Blasentumorzellen nach verschiedenen Bestrahlungsbehandlungen in Bezug auf Zellproliferation, Zellzyklusarrest und Apoptose (Leonhardt et al. 1998; Chu et al. 2002) Filmsequenzen über dynamische Zellveränderungen von Blasentumorzellen sind unter der Website http://www.ucsf.edu/cvtl/prev/gallery.html zu finden. Im Gegensatz zu der konventionellen CVTLTechnik im zweidimensionalen Zellkulturmodell wurden neue In-vitro-Techniken entwickelt, die auch die Motilität von Tumorzellen in einem dreidimensionalen Gitternetz beobachten können. Das Gitternetz besteht aus Fibroblasten und Kollagenen und ähnelt nahezu der extrazellulären Matrix (EZM) in vivo. Die deutsche Arbeitsgruppe von Peter Friedl konnte mit der dreidimensionalen In-vitro-Technik ganz neue und spannende Erkenntnisse über das Migrations- und Metastasierungsverhalten von Tumorzellen aufdecken (Friedl u. Wolf 2003). Noch vor kurzem galt die vereinfachte Vorstellung, dass im Prozess der Metastasierung sich einzelne Tumorzellen aus dem Karzinomverband lösen und sie mit Hilfe von EZM degradierenden Enzymen in die Lymph- und Blutsysteme eindringen. Mittlerweile lehren uns die neuen Filmsequenzen, dass neben den vereinzelten Tumorzellen auch ganze Zellkolonien als Verband metastasieren können. Typische Zellkolonien bilden zum Beispiel Melanome, Mammaund Prostatakarzinome. Zusätzlich konnten zwei grundsätzlich unterschiedliche Tumorzellformen identifiziert werden: Der »Mesenchymtyp« ähnelt mit seiner Spindelform eher einer Fibroblastenzelle. Für die Migration benötigt der Mesenchymtyp ein intaktes Zytoskelett inklusive der Aktine, Cadherine und Integrine. Die Zellinvasion in das umgebende Gewebe ist dabei nur mit Hilfe von proteolytischen Enzymen möglich. Zum Mesenchymtyp gehören Fibrosarkome und Glioblastome. Demgegenüber imponiert der Amöboidtyp durch seine rundliche 55 Literatur Zellform und kann durch seine flexible, hochelastische Formveränderungen durch das dreidimensionale Gitternetz »schlüpfen«. Der Amöboidtyp benötigt für die Migration also kein Aktinzytoskelett und keine Cadherine oder Integrine, ebenso keine proteolytischen Enzyme. Zum Amöboidtyp gehören Lymphome, verschiedene Leukämieformen, kleinzellige Lungen- und Prostatakarzinome. Die Tatsache, dass der Prozess der Metastasierung nicht nur von einem Tumorzelltyp bestimmt wird, eröffnete kürzlich die Diskussion, in wieweit zytostatische Behandlungen einen Einfluss auf die verschiedenen Metastasierungstypen haben. Neue pharmakologische Studien untersuchten das Metastasierungsverhalten von Melanomzellen, die in der Regel als einheitliche Zellkolonie in einem dreidimensionalen Matrix wandern (Hegerfeldt et al. 2002). Je nach Behandlung der Melanomzellen mit verschiedenen Inhibitoren waren die Melanomzellen in der Lage, ihre Zellform und Funktion wie ein Chamäleon zu verändern. Die pharmakologische Blockierung von Cadherinen führte zur Auflösung des Tumorzellkolonieverbandes und die einzelnen Melanomzellen übernahmen die Form und Funktion des Mesenchymtyps. Wurden zusätzlich die Integrine oder alle Proteasen blockiert, dann verwandelte sich die Melanomzelle vom Mesenchymtyp zum Amöboidtyp. Die amöboide Melanomzelle konnte trotz der zahlreichen pharmakologischen Therapien ungehindert weiter durch das Netzwerk wandern. Pharmakologische In-vitro-Studien werden in naher Zukunft das herkömmliche Zellkulturverfahren durch eine dynamische Videomikroskopie mit dreidimensionaler Bilddokumentation ersetzen. Beispielhafte Filmsequenzen sind unter der Website http://cancerres. aacrjournals.org/cgi/content/full/62/7/2125/DC1 zu finden. Neueste Entwicklungen in der MultiphotonMikroskopie erlauben nun auch direkte In-vivoFilmaufnahmen von Tumorzellen im Tiermodell. Damit ist es nun gelungen, die Migration, Invasion und Metastasierung von einzelnen Tumorzellen in lebenden Organismen zu beobachten. Erstaunlich ist vor allem die gemessene Migrationsgeschwindigkeit von Karzinomzellen im lebenden Tiermodell. Mit der Multiphoton-Mikroskopie erreichten Karzinomzellen eine Geschwindigkeit von 3 µm/min, dagegen war die Zellbeweglichkeit im artifiziellen dreidimensionalen Zellkulturmodell dreißigfach langsamer (Condeelis u. Segall 2003). Mit der neuen Technologie kann nicht nur die exakte Tumorzellmigration aus dem Primärtumor beobachtet werden, sondern es erlaubt auch den direkten Vergleich 4 zwischen dem Verhalten von nichtmetastasierten und metastasierten Tumorzellen. Am Beispiel des Mammakarzinoms konnte zwei Tumorzelltypen identifiziert werden. Der Amöboidtyp wandert unter dem Einfluss von Chemokinen (s. auch S. 46) zu den Blutgefäßen, formt dort polare Zellausstülpungen (Pseudopodien) und bindet direkt an die Gefäßwand. Durch ihre starke Formflexibilität können sie direkt durch die Gefäßwandspalten wandern und erreichen dadurch zügig die Blutzirkulation. Im Gegensatz dazu formen Karzinomzellen vom Mesenchymtyp keine Pseudopodien entlang der Gefäßwand und besitzen eine geringere Tendenz, in die Blutgefäße einzudringen. Erreichen dennoch Tumorzellen vom Mesenchymtyp die Blutzirkulation, so werden sie durch Scherkräfte in viele Zellfragmente zerstört. Amöboide Karzinomzellen haben dagegen eine stabile Zellform und unterliegen keiner Zellfragmentation (Wang et al. 2002). Mit der Entwicklung von neuen visualisierenden Techniken wie zum Beispiel der Multiphoton-Mikroskopie werden in naher Zukunft nicht nur revolutionäre neue Erkenntnisse in der biomedizinischen Grundlagenforschung zu erwarten sein, sondern sie werden auch in der pharmakologischen Forschung neue Therapieansätze anbieten können. Zusammenfassung Nach wie vor fehlt für das Harnblasenkarzinom im klinischen Alltag ein geeigneter molekularer Prognosemarker. Therapieentscheidungen und Nachsorgepläne richten sich weiterhin nach den klassischen histopathologischen Kriterien. Während das molekulare Zeitalter beim Prostatakarzinom bereits erreicht ist, bleibt abzuwarten, ob in naher Zukunft auch ein geeigneter »PSA-Marker« für das Blasenkarzinom etabliert werden kann. Literatur Asci R, Yildiz L, Sarikaya S, Buyukalpelli R, Yilmaz AF, Kandemir B (2001) p53 and bcl-2 overexpression as associated risk factors in patients 40 years old or less with transitional cell carcinoma of the bladder. 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