Verschluckte Münzen im Magen

Werbung
M E D I Z I N
Oliver Muensterer1
Claus-Peter Wallner2
Verschluckte Münzen
im Magen
Wie gefährlich ist das Euro-Geld?
Zusammenfassung
Münzen sind die am häufigsten verschluckten
Fremdkörper bei Kindern. Mit der Einführung
des Euros für über 300 Millionen Menschen stellt
sich die Frage, ob im Magen retinierte EuroMünzen durch Korrosion eine Gefahr für den
Patienten darstellen können und frühzeitig
endoskopisch geborgen werden sollten. EuroMünzen wurden über sieben Tage in 0,15
molarer Salzsäure gelegt, am Anfang und Ende
des Versuches gewogen und täglich über den
Versuchszeitraum radiologisch und fotografisch dokumentiert. Veränderungen, wie sie
bei amerikanischen US-Cents beschrieben sind,
konnten bei Euro-Münzen nicht beobachtet
werden. Es bildeten sich keine scharfen Kanten,
und es gingen keine wesentlichen Mengen an
toxischen Metallverbindungen in Lösung. Falls
sich keine weiteren Komplikationen ergeben,
kann verschlucktes Euro-Kleingeld über sieben
Tage im Magen beobachtet werden, ehe eine
endoskopische Bergung angebracht ist.
Schlüsselwörter: Fremdkörperingestion, Euro,
Magensäure, Münzen, Röntgendiagnostik
Summary
Accidentaly Swallowed Coins: How Safe
is the New Euro Currency
Coins are the most frequently swallowed
foreign bodies in children. With the introduction of the Euro for over 300 million people,
the question arises whether swallowed Euro
coins undergo corrosive changes that may
represent a danger for the patient, mandating
early endoscopic retrieval. Euro coins were
submerged in postprandial concentrations of
hydrochloric acid for 7 days, weighed before
and after the experiment, and documented
daily on X-ray and photograph. Changes as
described previously for US cents were not
seen in Euro coins. No scalloped, sharp edges
developed and no significant quantities of
toxic metal compounds were formed. If no
other complications arise, Euro coins can be
observed in the stomach for 7 days before
endoscopic removal is warranted.
Key words: foreign body ingestion, Euro,
stomach acid, coins, diagnostic radiology
A 2106
M
ünzen machen bei pädiatrischen Patienten bis zu 80 Prozent der verschluckten Fremdkörper aus. Die überragende Mehrheit davon passiert problemlos den
Gastrointestinaltrakt. In Einzelfällen
kann es jedoch zu einer Retention in
einem Abschnitt des Verdauungstraktes kommen: Im Kindesalter bleiben
Münzen am häufigsten im Ösophagus
oder Magen hängen. Während Fremdkörper in der Speiseröhre so bald wie
möglich entfernt werden müssen, können Münzen im Magen im Allgemeinen beobachtet werden. Allerdings
zeigten O'Hara und Donnelly in einer
experimentellen Studie, dass nach
1982 geprägte amerikanische 1-CentMünzen durch Korrosion in der Magensäure innerhalb von wenigen Tagen scharfe Kanten entwickeln können und bis zu 8 Prozent ihres Gewichtes als toxisches Zinkchlorid herausgelöst wird (9). Nach Ansicht der Autoren sollten solche Münzen innerhalb
von ein bis zwei Tagen endoskopisch
entfernt werden.
Nach Einführung des Euro-Bargeldes Anfang des Jahres 2002 ergibt
sich die Frage, ob diese Münzen unter
Säureexposition ähnliche Veränderungen aufweisen oder gefahrlos im
Magen beobachtet werden dürfen.
Abbildung 1: Anordnung der Münzen am Beginn des Experiments
Abbildung 2: Röntgenbild der Münzen vor
HCl-Exposition (77 kV, 6,3 mAs, kein Raster,
Zusatzfilter 1 mm AL/0,1 mm Cu)
Material und Methodik
Nach Ausgabe der so genannten
„Starterkits“ in der Bundesrepublik
Deutschland wurden insgesamt 14 Euro-Münzen über sieben Tage 0,15 mo-
1 Kinderchirurgische Klinik im Dr. von Haunerschen
Kinderspital (Direktor: Prof. Dr. med. Ingolf Joppich) der
Universität München
2 Pädiatrische Radiologie im Dr. von Haunerschen Kinderspital (Leiter: Prof. Dr. med. Karl Schneider) der Universität München
Abbildung 3: Aufhellungszonen nach zwei Tagen an der 1-Cent-Münze
 Jg. 99
 Heft 31–32
 5. August 2002
Deutsches Ärzteblatt
M E D I Z I N
Abbildung 4: Veränderungen an den Kupfermünzen mit Stahlkern am sechsten Tag
larer Salzsäure (HCl) ausgesetzt (Abbildung 1), um die Einwirkung der
postprandialen Magensäure zu simulieren.
Evaluiert wurden je eine Münze zu
1 Cent, 2 Cent, 5 Cent, 1 Euro und 2
Euro, sowie je drei Münzen zu 10
Cent, 20 Cent und 50 Cent (Kupfer-Aluminium-Zinn-Zink-Legierung). Die
Münzen wurden vor Beginn des Experiments und nach sieben Tagen HClExposition zur Quantifizierung des
herausgelösten Metalls gewogen.
Eine mit den Geldstücken bestückte Petrischale wurde mit 50 ml HCl gefüllt und mit einem Plexiglasdeckel
verschlossen. Einmal täglich erfolgte
die Röntgenkontrolle der Münzen
(Abbildung 2), die Inspektion auf visuelle Veränderungen und die Erneuerung der Säure.
Röntgenbild bei orthogradem Strahlengang leicht zu identifizieren. Bei
großen geriffelten Münzen handelt es
sich um 50-Cent-Stücke, kleine geriffelte Münzen sind 10-Cent-Stücke.
Die 20-Cent-Münzen haben sieben
Einkerbungen am Rand. Die feine unterbrochene Riffelung des 2-EuroStücks ist dagegen im Röntgenbild
nicht erkennbar (Abbildung 1). Eine
Differenzierung der Doppelkontur
von äußerem und innerem Metall der
1- und 2-Euro-Stücke ist erst mit einer
härteren Röntgenstrahlung ab etwa 80
kV möglich.
Abbildung 5: Nach sieben Tagen deutliche
grünliche Verfärbung der Münzen. Die Kupferfarbe der 1- und 2-Cent-Münze ist im Bereich der radiologisch nachweisbaren tieferen Erosionen erhalten.
Diskussion
reich der tieferen Erosionen bei den
Kupfermünzen die ursprüngliche Farbe noch erhalten blieb (Abbildung 5).
Die Gewichtsabnahme lag zwischen
0,1 und 2,3 Prozent, wobei sich tendenziell die größte Veränderung bei den
Kupfer-Stahl-Münzen zeigte (Tabelle
2). Der durchschnittliche Gewichtsverlust belief sich auf etwa ein Prozent
des Ausgangsgewichtes.
Aufgrund der charakteristischen
Rändelung sind einige der Münzen im
Münzen sind die am häufigsten verschluckten Fremdkörper bei Kindern
und finden sich bei der ärztlichen Erstvorstellung meist im Magen des Patienten (10). Üblicherweise passiert die
Münze problemlos den Gastrointestinaltrakt und wird nach einigen Tagen mit dem Stuhl ausgeschieden. In
einigen Fällen jedoch kann das Geldstück den Pylorus nicht überwinden
und bleibt im Magen liegen.
Aus Kostengründen wurde in den
Vereinigten Staaten von Amerika ab
Ergebnisse
´
Nur Kupfermünzen mit Stahlkern wiesen im Beobachtungszeitraum radiologische Veränderungen auf. Bereits
am zweiten Tag der Säureexposition fanden sich im Röntgenbild Aufhellungen des 1-Cent-Stücks (Abbildung 3).
Diese Erosionen waren am dritten
Tag auch bei der 2-Cent-, ab dem fünften Tag schließlich bei der 5-CentMünze zu beobachten (Abbildung 4).
Weder die Münzen aus der Kupfer-Aluminium-Zink-Zinn-Verbindung (10-,
20-, 50-Cent) noch die bimetallfarbenen Münzen aus Kupfer-Nickel-Messing (1-,2-Euro) zeigten radiologisch
nachweisbare Korrosionsfolgen.
Auch nach sieben Tagen in HCl waren alle Münzen makroskopisch intakt, es fanden sich keine scharfen
Kanten und keine durchgehenden
Erosionen. Die Korrosion führte bei
allen Münzen zu einer grünlich-grauen Verfärbung, wobei lediglich im Be-
Tabelle 1
´
Eigenschaften der Euro-Münzen
Münzwert
Durchmesser
(mm)
Dicke
(mm)
Gewicht
(g)
Metall
Rändelung
1 Cent
16,25
1,67
2,30
Kupfer-Stahl
glatt
2 Cent
18,75
1,67
3,06
Kupfer-Stahl
glatt
5 Cent
21,25
1,67
3,92
Kupfer-Stahl
glatt
10 Cent
19,75
1,94
4,10
Gold, KupferAlu-Zinn-Zink
geriffelt
20 Cent
22,25
2,14
5,74
Gold, Kupfer- glatt mit EinAlu-Zinn-Zink buchtungen
50 Cent
24,25
2,38
7,80
Gold, KupferAlu-Zinn-Zink
1 Euro
23,25
2,33
7,50
Nickel-Messing fein geriffelt
Kupfer-Nickel
2 Euro
25,75
2,20
8,50
Kupfer-Nickel
Nickel-Messing
geriffelt
gebrochen
geriffelt
* Deutsche Bundesbank: Zusammenstellung über die technischen Merkmale der Euro-Münzen.
http://www.bundesbank.de/de/presse/banknoten/euro/merkmale.htm
 Jg. 99
 Heft 31–32
 5. August 2002
Deutsches Ärzteblatt
A 2107
M E D I Z I N
´
Tabelle 2
´
´
Diagramm der Münzen und Gewichtsabnahme über den Versuchszeitraum
Münze
Tabelle 3
´
Redoxreihe der Metalle in
Euro-Münzen
Gewicht in g
(vor Experiment)
Gewicht in g
(nach Experiment)
Änderung
(Prozent)
2 Euro
8,49
8,43
–0,06 g (0,7)
1 Euro
7,42
7,35
–0,07 g (0,9)
Chrom (Cr/Cr )
–0,74 V
50 Cent A
7,79
7,66
–0,13 g (1,7)
Eisen (Fe/Fe2+)
–0,44 V
–0,09 g (1,2)
2+
–0,25 V
50 Cent B
7,75
7,66
Spannung gegen 2H–/H2
Element
Zink (Zn/Zn2+)
3+
Nickel (Ni/Ni )
2+
–0,76 V
50 Cent C
7,71
7,70
–0,01 g (0,1)
Zinn (Sn/Sn )
–0,136 V
20 Cent A
5,72
5,67
–0,05 g (0,9)
Kupfer (Cu/Cu2+)
+0,34 V
20 Cent B
5,71
5,63
–0,08 g (1,4)
Gold (Au/Au3+)
+1,33 V
20 Cent C
5,74
5,66
–0,08 g (1,4)
10 Cent A
4,11
4,08
–0,03 g (0,7)
10 Cent B
4,12
4,10
–0,02 g (0,5)
10 Cent C
4,10
4,08
–0,02 g (0,5)
5 Cent
3,95
3,86
–0,09 g (2,3)
2 Cent
3,06
3,01
–0,05 g (1,6)
1 Cent
2,25
2,22
–0,03 g (1,3)
1982 bei der Prägung der 1-CentMünzen statt einer Massivkupferlegierung (95 Prozent Kupfer) ein Zinkkern mit 98 Prozent Gewichtsanteil
und dünner Kupferschale verwendet
(4). Bei der Korrosion dieser Münzen
in der Magensäure kann es aufgrund
der Bildung von scharfkantigen Rändern und des Herauslösens von toxischem Zinkchlorid zu Komplikationen
wie einer Schleimhauterosion und einer Zinkchloridvergiftung kommen
(1, 5). Es wird daher empfohlen, solche
Münzen so bald wie möglich endoskopisch zu bergen (9).
Durch Einführung des Euro-Geldes
Anfang 2002 sind die neuen Münzen
Zahlungsmittel für über 300 Millionen
Menschen. Bekannt ist bereits, dass
die Euromünzen im Vergleich mit
DM, Pfennig und den US-Münzen bei
der Materialtestung deutlich härter
ausfallen (6). Von medizinischem Interesse ist, ob sich das neue Kleingeld
wie nach 1982 geprägte US-Cents verhalten und frühzeitig aus dem Magen
entfernt werden sollten, oder ob eine
Pyloruspassage in Ruhe abgewartet
werden kann.
A 2108
nach: http://www.peterlutz.ch/lernen/chemie/ave/elchem1.htm
Die spezifischen Eigenschaften,
Größen und Zusammensetzungen der
Euro-Münzen sind bei der Deutschen
Bundesbank abrufbar (Tabelle 1).
Trotz der unterschiedlichen Prägung
auf der Rückseite ist die Zusammensetzung europaweit gleich, sodass die
Ergebnisse dieser Studie auch auf das
restliche europäische Ausland übertragen werden können.
Im Gegensatz zum hauptsächlich
aus Zink bestehenden amerikanischen
1-Cent-Stück besitzen die kupferfarbenen 1-Cent-, 2-Cent- und 5-CentMünzen des Euro-Geldes einen Stahlkern mit Kupfermantel. Nur bei diesen
zeigten sich radiologisch nachweisbare Veränderungen. Die Säureexposition führt vorrangig bei den kleineren
Münzen zu punktuellen Erosionen des
Kernes, wobei durch den elektrogalvanischen Effekt an diesen Stellen das
edlere Kupfer geschont wurde und damit die ursprüngliche Farbe erhalten
blieb.
Im Zeitraum von einer Woche löste
sich aus den Kupfer-Alu-Zink-ZinnMünzen zwischen 0,01 und 0,13 g Metall. Da Zink in der Redoxreihe der
betreffenden Metalle (Tabelle 3) vornehmlich oxidiert wird, wird es den
größten Anteil des herausgelösten
Metalls ausmachen. Obwohl sich genaue pharmako-toxikologische Aussagen aufgrund der unbekannten Anteile
des herausgelösten Metalls und der unkonstanten Absorption nicht treffen
lassen, kann aus den Literaturangaben
extrapoliert werden, dass viele dieser
Münzen über eine Woche lang im Magen liegen müssen, um bei Mensch
oder Tier möglicherweise toxikologisch bedeutende Serumkonzentrationen für Zink zu erreichen (2, 8).
Im Falle der Kupfermünzen mit
Stahlkern wurden in diesem Experiment über sieben Tage maximal 90 mg
Eisen herausgelöst (13 mg/d), was bei
einem Säugling in der Größenordnung
der empfohlenen täglichen Substitutionsmenge von 2 mg/Kg Körpergewicht liegt (7). Gefährliche Mengen an
Eisen werden jedenfalls nicht freigesetzt.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass verschluckte Euromünzen problemlos
über eine Zeit von bis zu einer
Woche im Magen beobachtet werden
können, wenn sich keine anderen
Komplikationen ergeben. Im Gegensatz zu amerikanischen 1-Cent-Münzen bleiben die Kanten des neuen
Kleingeldes bei der Korrosion in der
Magensäure stumpf, und die Menge an
herausgelöstem Metall ist auch für
Kinder aus toxikologischer Sicht unbedenklich, falls wie üblich nur wenige
 Jg. 99
 Heft 31–32
 5. August 2002
Deutsches Ärzteblatt
M E D I Z I N
Münzen verschluckt werden. Auch aus
medizinischer Sicht gibt es also gute
Gründe für den Euro.
Wir möchten den RTAs des Dr. von Haunerschen Kinderspitals für das Röntgen der Münzen – auch über die
Feiertage – danken. Danke auch an Dr. Alfred Heger,
Kinderchirurgische Klinik, für die Anfertigung der Fotos.
Manuskript eingereicht: 21. 1. 2002, revidierte Fassung
angenommen: 6. 5. 2002
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2002; 99: A 2106–2110 [Heft 31–32]
Literatur
1. Bennett DR, Baird CJ, Chan KM, Crookes PF, Bremner CG, Gottlieb MM, Naritoku WY: Zinc toxicity following massive coin ingestion. Am J Forensic Med
Pathol 1997;18:148–153.
2. Broun ER, Greist A, Tricot G, Hoffman R: Excessive
zinc ingestion. A reversible cause of sideroblastic
anemia and bone marrow depression. JAMA 1990;
264: 1441–1443.
3. Deutsche Bundesbank: Zusammenstellung über die
technischen Merkmale der Euro-Münzen. http://www.
bundesbank.de/de/presse/banknoten/euro/merkmale.
htm
4. Federal Reserve Bank of Boston: Penny Points (Broschüre). Auflage 1997. Zu erhalten bei: Federal Reserve Bank of Boston, 600 Atlantic Avenue, Boston,
MA 02106. http://www.bos.frb.org.
5. Fernbach SK, Tucker GF: Coin ingestion: unusual appearance of the penny in a child. Radiology 1986;
158: 512.
6. Heeg T: Der Euro – härter als Mark und Pfennig. FAZ
30.12.2001,Seite 37.
7. Johns Hopkins: Harriet Lane Handbook, 15th ed.,
St. Louis: Mosby Inc. 2000, 472.
8. Murray S, Tell LA, Bush M: Zinc toxicosis in a celebes
ape (Macaca nigra) following ingestion of pennies.
J Zoo Wildl Med 1997; 28: 101–104.
9. O'Hara SM, Donnelly LF, Chuang E, Briner WH, Bisset GS: Gastric retention of zinc-based pennies: Radiographic appearance and hazards. Radiology
1999; 213: 113–117.
10. Schunk JE, Corneli H, Bolte R: Pediatric coin ingestions. A prospective study of coin location and symptoms. Am J Dis Child 1989; 143: 546–548.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Oliver J. Muensterer
Kinderchirurgische Klinik der Universität München
Dr. von Haunersches Kinderspital
Lindwurmstraße 4
80337 München
E-Mail: [email protected]
A 2110
Referiert
Sulindac bei familiärer Adenomatosis coli
Das nichtsteroidale Antirheumatikum
Sulindac (in Deutschland nicht zugelassen) ist möglicherweise in der Lage, bei Patienten mit familiärer Adenomatosis coli (FAP) bei Zustand
nach Ileorektalanastomose verbleibende Polypen im Rektum zurückzubilden.
Die Autoren berichten über eine
Studie an zwölf Patienten im Alter von
durchschnittlich 37,1 Jahren, die 158
mg Sulindac pro Tag über 63,4 ± 31,3
Monate erhielten. Polypenzahl, Größe
und Histologie wurden ebenso wie unerwünschte Wirkungen alle vier Monate analysiert. Bei allen Patienten
kam es zu einer signifikanten Rückbildung der Polypenzahl nach 12 und 64
Monaten; auch ein Fortschreiten in
Richtung tubulovillöses oder villöses
Adenom konnte offensichtlich durch
Sulindac verhindert werden. Allerdings entwickelte ein Patient nach 35
Monaten ein Rektumkarzinom. Häufigste unerwünschte Wirkung waren
Schleimhauterosionen im Rektum bei
sechs Patienten.
Sulindac inhibiert die Prostaglandinsynthese über eine Hemmung von
Zyklooxygenase 1 und Zyklooxygenase 2. Ob andere nichtsteroidale Antirheumatika einen ähnlichen Effekt
erzielen, muss bezweifelt werden. w
Cruz-Correa M, Hylind L M, Romans K E et al.: Longterm treatment with sulindac in familial adenomatous
polyposis: a prospective cohort study. Gastroenterology 2002; 122: 641–645.
Marcia Cruz-Correa, M.D., Department of Medicine,
Division of Gastroenterology, The John Hopkins University School of Medicine, 1830 East Monument Street,
Room 420, Baltimore, Maryland 21205, USA, E-Mail:
[email protected]
Referiert
Sildenafil (Viagra) bei Motilitätsstörungen
der Speiseröhre
Sildenafil blockiert die Phosphodiesterase Typ 5, was zu einer Erschlaffung von glatten Muskelzellen in verschiedenen Organen führt.
Die Autoren untersuchten zunächst
bei sechs gesunden Freiwilligen die
Wirkung von 50 mg Sildenafil auf
den unteren Ösophagussphinkter und
die Druckamplitude im tubulären
Teil der Speiseröhre. Bei vier Probanden wurde eine Langzeit-Manometrie
über zwölf Stunden an zwei verschiedenen Tagen, einmal nach Gabe von
50 mg Sildenafil und einmal nach Placebomedikation durchgeführt. Während der Behandlung mit dem Phosphodiesterasehemmer kam es zu einer signifikanten Senkung des unteren Ösophagussphinterdrucks und der
Druckamplitude im distalen Speiseröhrenanteil. Dieser Hemmeffekt hielt für
mindestens acht Stunden an.
In einer offenen Studie wurden elf
Patienten mit hyperkontraktilen Mo-
tilitätsstörungen der Speiseröhre untersucht.
In neun von elf Fällen kam es zu einer Besserung der manometrischen
Parameter, aber nur bei vier Patienten
besserten sich die klinischen Symptome unter Sildenafil. Zwei dieser vier
Patienten klagten jedoch über unerwünschte Wirkungen und wollten die
Behandlung nicht fortsetzen. Inwieweit Sildenafil bei Patienten mit hypertonem unteren Ösophagussphinkter oder Nussknacker-Ösophagus therapeutisch eingesetzt werden kann,
muss aufgrund der beobachteten unerwünschten Wirkungen offen gelasw
sen werden.
Eherer AJ, Schwertz I, Hammer HF, et al.: Effect of sildenafil on oesophageal motor function in healthy subjects and patients with oesophageal motor disorders.
Gut 2002; 50: 758–764.
Dr. A. J. Eherer, Auenbruggerplatz 15, 8036 Graz, Österreich, E-Mail: [email protected]
 Jg. 99
 Heft 31–32
 5. August 2002
Deutsches Ärzteblatt
Herunterladen