“Inwieweit ist die Dokumentation das geeignete Instrument? Und

Werbung
Gewalt und Männlichkeit
Erich Lehner
Alpen-Adria Universität Klagenfurt-Wien-Graz
IFF Wien, Abteilung für Palliative Care und
OrganisationsEthik
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Gewalt – ein politischer Begriff
(Godenzi)
ƒ Mercedes – Spot
ƒ Ohrfeige der Mutter/Vater
ƒ Raufereien in der Schule
ƒ sexuell übergriffiger dementer Mann
im Altenheim
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Gewalt – ein politischer Begriff
(Godenzi)
ƒ „Unter Gewalt/Aggression werden zumeist
gerichtete oder intentionale Verhaltensweisen
zusammengefasst, die andere schädigen
(destruktiv, aversiv sind), wobei die Zuschreibung
der Gewalt im Alltag vom Bezugssystem des
Beurteilers sowie situativen und normativen
Kriterien der Angemessenheit abhängt.“
(Schwind, Baumann 1990)
ƒ Gewalt
ƒ enger Gewaltbegriff – physische Gewalt
ƒ weiter Gewaltbegriff – psychische, soziale Gewalt
ƒ strukturelle Gewalt (Galtung) – „aktuelle somatische
und geistige Verwirklichung [von Menschen] geringer
ist als ihre potentielle Verwirklichung“
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Gewalt – ein politischer Begriff
(Godenzi)
ƒ Gewalt messen und bewerten
ƒ Familiengewaltforschung
ƒ Conflict Tactic Scale
ƒ Internationale Forschung zu Gewalt gegen
Frauen
ƒ Forschungen zu Kindesmisshandlung und –
vernachlässigung
ƒ Kriminalstatistik
ƒ Viktimisierungs- und
Gewaltprävalenzstudien
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Ist Gewalt männlich?
ƒ Nein,
ƒ weil der überragende Großteil von Männern nie
zu Gewalttätern werden,
ƒ und weil auch nicht nur ausschließlich Männer
gewalttätig sein können
ƒ Allerdings,
wenn Gewalt auftritt, dann gehäuft im
Kontext mit Männern, deren Lebenswelten
und Männlichkeitsmustern
ƒ Zusammenhang zwischen Männlichkeit und
Gewalt
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Becoming „Real Man“
(Messerschmidt 2000)
ƒ Sam
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Vater mächtig, Familie gehorchte
Vater hatte tiefe Beziehung zu Sam
In der Schule gehänselt
Vater: „fight back“
Baby sitting:
„I was in control because I was taking care
of kids and I had control over them.“
ƒ Kontrolle und Dominanz durch sexuelle
und körperliche Gewalt
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Gewalthandeln
ein Lernprozess
ƒ Aggression/Aversion ist kein
Triebgeschehen sondern ein
Motivationssystem
ƒ … auf tatsächliche oder vermeintliche
Bedrohung wird mit Ärger und Feindseligkeit
reagiert
ƒ … hoch komplexe Verknüpfungsmuster von
Frustrationen und deren aversiver
Bewältigung
ƒ Sowohl das, was ein Individuum als
frustrierend erlebt, als auch wie es dieses
frustrierende Erlebnis bewältigt, ist
gelernt.
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Gewalthandeln
ein Lernprozess
ƒ Gewalthandeln ist kein Reiz-ReaktionsSchema
ƒ Fragwürdig die Selbststilisierung von Tätern
als Triebwesen: „Es ist einfach mit mir
durchgegangen, ich kann es mir nicht
erklären“
ƒ Fragwürdig die Ausrede Alkohol
ƒ Gewalttätigkeit sind über die
Lebensspanne erlernte Muster
ƒ gesteuert
ƒ persönlichem Nutzen
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
„Subjektive Gewalt-Doktrin“
(Schmidtchen 1997)
ƒ Gewaltakzeptanz – Gewaltbereitschaft –
Gewalthandlung
ƒ „subjektive Gewalt-Doktrin“
ƒ ein kognitiv-geistiges Produkt, eine Art
persönlicher „Glaube, dass Gewalt für die
Selbstbehauptung nützlich und vertretbar sei.“
(Schmidtchen 1997)
ƒ Gewalthandeln geschieht dort,
wo eine Person das Gefühl hat,
dass sie diese Situation durch Gewalt mit
Gewinn für sich abschließen kann.
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Ursachen von Gewalt
ƒ Individuelle Faktoren
ƒ Soziale Faktoren
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Opfer der Gewalt
Ich-schwache Personen
pathologische Personen
in jüngster Zeit wieder Biologie
ƒ biographische Faktoren
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
Armut
Arbeitslosigkeit
fehlender Bildungsabschluss
Modernisierungsverlierer
gesellschaftliche Desintegration (Heitmeyer)
ƒ Zeigen frustrierende Ereignisse, erklären nicht,
warum mehrheitlich Männer darauf gewalttätig
reagieren
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
„Hegemoniale Männlichkeit“
(Connell)
ƒ Bild von Männlichkeit, das die größte
kulturelle Wertschätzung genießt
ƒ
ƒ
ƒ
ƒ
durchsetzungsfähig
ökonomisch potent
heterosexuell
weiß
ƒ Männlichkeit ein Muster der Dominanz
ƒ Fundamentale Unterordnung der Frauen
ƒ Untergeordnete, komplizenhafte, marginalisierte
Männlichkeiten
ƒ Hierarchie, Konkurrenz
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
„… in Verbindung mit dem
den Männern vorbehaltenen Raum,
in dem sich, unter Männern
die ernsten Spiele des Wettbewerbs
abspielen“
(Bourdieu 1997)
„Partner-Gegner“
(Bourdieu 1998)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Distinktions- und Dominanzlogik
männlicher Gewalt
(Meuser 2001)
ƒ homosoziale Gewalt
ƒ reziproke Gewalt:
ƒ Körperliche Unversehrtheit von Opfer und Täter bedroht
ƒ Spuren der Auseinadersetzung nicht Niederlage sondern
Zeichen von Männlichkeit und Anerkennung
ƒ Z.B. Duell, Hooligans
ƒ einseitige Gewalt
ƒ Z.B. Vergewaltigung im Gefängnis
ƒ Verletzungsmächtigkeit des männlichen Körpers in
dauerhafte Verletzungsoffenheit degradiert
ƒ Statusdegradierung durch Stigmatisierung als
homosexuell
ƒ Handlung des Täters stellt nicht seine heterosexuelle
Orientierung in Frage, sondern dient der Untermauerung
seiner Maskulinität
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Distinktions- und Dominanzlogik
männlicher Gewalt
(Meuser 2001)
ƒ Heterosoziale Gewalt
ƒ Verletzungsoffenheit von Frauen
ist (sozial-) strukturell an den Geschlechtsstatus
gebunden
ƒ Für Frauen Gewalt keine identitässtärkende Ressource,
sondern Degradierung
ƒ Männliche Gewalt
ƒ weniger „Normverletzung“
ƒ als eine „Normverlängerung“ (Carol Hagemann-White)
ƒ Gewalt ist ordnungs(re)produzierend (Meuser 2001)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Männliche und weibliche Gewalt
(Campell 1995)
„Ich glaube, dass Männer und Frauen sich in
ihrem Aggressionsverhalten deshalb
unterscheiden,
weil sie die Bedeutung von Aggression
unterschiedlich auffassen.
Frauen betrachten Aggression als zeitweiligen
Kontrollverlust,
verursacht von überwältigenden Druck und
gefolgt von Schuldgefühlen.
Männer sehen Aggression als Mittel,
Kontrolle über andere Menschen auszuüben,
wenn sie das Bedürfnis empfinden,
Macht und Selbstwertgefühl zu erlangen.“
(Campbell 1995)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Männliche Lebenswelten sind jene
Rahmenbedingungen,
die die Entwicklung
subjektiver Gewalt-Doktrinen fördern
(Lehner 2001)
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
„Zugewinn an Männlichkeit“
(Forster)
ƒ Burschen-/Männergruppe –
Konkurrenzgemeinschaft
ƒ Bleibende Herausforderung eines Mannes,
seinen Mann zu stellen
ƒ Kriminalität, Rassismus, Gewalt als
„Zugewinn an Männlichkeit“
ƒ „kein Opfer zu sein“ (Neuber 2009)
ƒ „Macht und Gewalt sind Gegensätze: wo die
eine absolut herrscht, ist die andere nicht
vorhanden. Gewalt tritt auf den Plan, wo
Macht in Gefahr ist; (...).“ (Arendt)
ƒ zumindest in „Gewaltsekunde“ mächtig
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Perspektiven der Veränderung
ƒ Gewalt als Gewalt benennen
ƒ Männlichkeiten kritisieren
ƒ Geschlechtergerechte Umverteilung der Macht von
Männer auf Frauen und der Pflegearbeit von Frauen
auf Männer durch politisch-strukturelle Maßnahmen
ƒ Norwegen: pflegende Väter tragen zur Minimierung
der Familienkonflikte bei
ƒ Buben, die „weiblich“ pflegerische Tätigkeiten
ausüben, zeigen weniger aggressives Verhalten
ƒ Kulturen mit geringer Geschlechtertrennung weniger
gewalttätig
ƒ Entwicklung einer sozial-bezogenen Männlichkeit
Fakultät für Interdisziplinäre
Forschung und Fortbildung
Herunterladen