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MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT
Presseinformation
FP 2 / B 7 / 2006 (14)
8. Februar 2006
Neuartiges Krebsmedikament dank langfristiger
Grundlagenforschung
SUTENT®, ein neues Krebstherapeutikum der Firma Pfizer, beruht auf
Forschungsergebnissen aus dem Max-Planck-Institut für Biochemie
Zum ersten Mal wurde jetzt von der Food and Drug Administration (FDA)
in den USA ein Medikament zugelassen, das gleichzeitig für die Behandlung
von zwei Krebsarten - dem fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom sowie bei
gastrointestinalen Stromatumoren (GIST, eine seltene Form von Magen-/
Darmkrebs) nach Versagen oder Unverträglichkeit der Standardtherapie genehmigt wurde. SUTENT® beruht auf Forschungsarbeiten von MaxPlanck-Wissenschaftlern: Der Krebsforscher Professor Axel Ullrich,
Direktor am Max-Planck-Institut (MPI) für Biochemie in Martinsried,
konnte bereits zu Beginn der 1990er-Jahre mit seinen Kollegen nachweisen,
dass sich das Wachstum von experimentellen Tumoren verlangsamt und
Tumorgewebe schrumpft, wenn man das den Tumor umgebende
Blutgefäßsystem und damit seine Versorgung mit Nährstoffen und
Sauerstoff hemmt. Auf diesem Grundprinzip aufbauend entstand das jetzt
in Amerika neu zugelassene Therapeutikum SUTENT®, das auf dem
Wirkstoff Sunitinib beruht. Seine Markteinführung in Deutschland wird
noch in diesem Jahr erwartet.
Zellen können durch Wachstumsfaktoren, die an spezifische Rezeptoren an der
Zelloberfläche binden, dazu veranlasst werden, sich zu vermehren und bestimmte
Gewebe wie etwa Blutgefäße zu bilden. Eine ganz besondere Proteinklasse, die
Tyrosinkinasen, stehen dabei im Zentrum der Rezeptorforschung. Sie sorgen
dafür, dass das aufgenommene Signal über eine lange Signalkaskade in den
Zellkern weitergeleitet wird und dort die Zellteilung und Vermehrung der Zelle
in Gang setzt. Diese Signalkaskaden sind unbedingt notwendig, damit sich
während der Entwicklung von Organismen die verschiedenen Gewebe ausbilden,
wie Blutgefäße, Nervengewebe, Bindegewebe etc.
Bei Krebserkrankungen sind häufig diese Signalkaskaden in den Tumorzellen
gestört und deshalb Gegenstand der Krebsforschung. Gelingt es etwa, die
Rezeptoren auf der Zelloberfläche von Tumorzellen oder die Wachstumsfaktoren
zu blockieren, so können daraus zielgerichtete Therapeutika gegen
Krebserkrankungen entwickelt werden. Dem Martinsrieder Krebsforscher Axel
Ullrich war es bereits in den 1980er-Jahren gelungen, mit Kollegen aus den USA
und Israel die Struktur und Funktion eines Rezeptors für den Wachstumsfaktor
EGF (epidermal growth factor) aufzuklären. Seither stehen Tyrosinkinasen und
Max-Planck-Gesellschaft
zur Förderung
der Wissenschaften e.V.
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Öffentlichkeitsarbeit
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ISSN 0170-4656
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verschiedene Wachstumsfaktoren im Zentrum der Erforschung und Entwicklung von Tumortherapeutika.
Bereits vor mehr als zehn Jahren hatten Wissenschaftler um Axel Ullrich erkannt, dass man die
Krebsentwicklung auch hemmen könnte, in dem die Versorgung von Tumor-Zellen mit Sauerstoff und
Nährstoffen unterbrochen wird. Die Max-Planck-Wissenschaftler hatten nachgewiesen, dass kleine, nur
wenige Millimeter große Tumorgewebe den Wachstumsfaktor VEGF (vascular endothelial growth factor)
bilden, der bei bestimmten Zellen die Bildung von Blutgefäßen auslöst.
Im Tiermodell gelang dann Axel Ullrich mit seinen Kollegen Birgit Millauer und Werner Risau, der damals
Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Neurobiologie war und leider inzwischen selbst an Krebs
verstorben ist, der entscheidende Nachweis: Wird der für den Wachstumsfaktor VEGF spezifische Rezeptor
Flk-1/VEGFR2 ausgeschaltet, der nur in Endothelzellen vorhanden ist, die neue Blutgefäße bilden, so führt
das zur Hemmung der Bildung von Tumoren. Werden keine Blutgefäße um das Tumorgewebe gebildet bzw.
vorhandene blockiert, so wächst der Tumor nicht mehr weiter. Diese Entdeckung war der Beginn für die
Entwicklung so genannter Angiogenese-Hemmer (Angiogenese = Neubildung von Blutgefäßen).
1991 hatte Ullrich - gemeinsam mit der New York University - die Firma SUGEN Inc. in Kalifornien
gegründet, die erste Ausgründung eines Biotechnologie-Unternehmens aus der Max-Planck-Gesellschaft.
SUGEN Inc. entwickelte dann jene chemischen Substanzen, die den Rezeptor Flk-1/VEGFR2 auf
Endothelzellen blockieren. Da die SUGEN Inc. Ende der 1990er-Jahre von Pharmacia übernommen wurde
und diese ab 2003 an Pfizer überging, wurden die Wirkstoffentwicklungen bei Pfizer weiterverfolgt. Das
jetzt auf den Markt gebrachte SUTENT® (Wirkstoffname Sunitinib) ist ein multi-spezifischer
Tyrosinkinase-Hemmer, der nicht nur die Bildung von Blutgefäßen in Tumoren, sondern noch weitere
krankheitsrelevante Enzyme im Signalnetzwerk der Tumorzellen hemmt.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Sunitinib wurde in klinischen Studien untersucht, an denen
Patienten mit GIST beteiligt waren, bei denen nach Behandlung mit Imatinib eine Tumorprogression auftrat,
bzw. die Imatinib nicht vertrugen, sowie Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom, bei denen die
Behandlung mit Zytokinen fehlschlug. Bei Patienten mit GIST konnte gezeigt werden, dass die Zeit bis zum
erneuten Wachstum der Tumoren unter Behandlung mit Sunitinib vier Mal so lang war wie bei der Placebobehandelten Kontrollgruppe. Bei Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom demonstrierten die
Studien eine Reduktion der Tumorgröße. Bei 26 bis 37 Prozent der Patienten mit Nierenzellkarzinom
schrumpfte der Tumor um mehr als die Hälfte.
In Deutschland ist Sunitinib noch nicht zugelassen. Eine Zulassung und Markteinführung wird jedoch noch
in diesem Jahr erwartet. Sunitinib wird erst nach Diagnose der Krankheit verabreicht. Das breite Spektrum
der weiteren klinischen Studien zeigt, dass Sunitinib sehr vielfältig auf die Tumorzellen wirkt und zu den
so genannten neuen multi-spezifischen Substanzen (engl. multi-targeted drugs) gezählt werden kann.
Weitere klinische Prüfungen von Sunitinib laufen derzeit auch mit Patienten, die an fortgeschrittenen
Formen von Blasenkrebs, Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs (Cervixkarzinom), Dickdarmkrebs,
Speiseröhrenkrebs, Kopf- und Nacken-Tumoren, Leberkrebs, Lungenkrebs, Melanom, Eierstockkrebs,
Bauchspeicheldrüsenkrebs, Prostatakrebs und Hodenkrebs leiden. Die Studien befinden sich in
verschiedenen Phasen der klinischen Prüfung (Phase I bis III) und werden meist in Kombination mit anderen
Therapeutika durchgeführt.
Der Max-Planck-Forscher Axel Ullrich ist über die schnelle Zulassung des Medikaments hoch erfreut:
"Bereits im Vorfeld der Zulassung können durch das beschleunigte Verfahren der FDA bereits mehr als
1.700 Patienten mit dem neuen Präparat behandelt werden. Wir sind natürlich sehr froh darüber, dass unsere
Forschungsergebnisse so schnell zu einer Anwendung in der Krebstherapie geführt haben. Jährlich
erkranken in Deutschland 390.000 Menschen an Krebs. Jeder vierte Todesfall ist tumorbedingt. Durch die
Behandlung mit ganz spezifischen Präparaten, die zielgerichtet bestimmte Eigenschaften von Tumorzellen
angreifen, können Lebenserwartung und Lebensqualität von Patienten deutlich verbessert werden. Die
Therapie mit multispezifischen Wirkstoffen, die die Signalübertragungs-Ketten bei Tumorzellen hemmen,
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stellt einen neuen Meilenstein in der Krebstherapie dar, weil sie in vielfältiger Weise kritische KrebszellFunktionen angreifen und von den Patienten gut vertragen werden können."
Axel Ullrich konnte damit bereits zum zweiten Mal zur erfolgreichen Entwicklung eines
Krebstherapeutikums beitragen. Vor sieben Jahren wurde auf der Basis seiner Forschung das
Brustkrebstherapeutikum Herceptin® auf den Markt gebracht. Im Gegensatz zu SUTENT® greift
Herceptin® an der genetischen Veränderung der Zellen bestimmter Brust- und Eierstockkrebsformen an
und blockiert den Rezeptor Her2/neu auf diesen Zellen, die dadurch in ihrem Wachstum gestoppt werden
und zusätzlich für das Immunsystem leichter angreifbar werden.
Rund 60 Patente hat Axel Ullrich mittlerweile zusammen mit seinen Mitarbeitern angemeldet und zählt
damit nicht nur wissenschaftlich zu den erfolgreichsten Krebsforschern weltweit. Als Unternehmer hat er
vier Biotechnologie-Firmen gegründet, davon drei auf dem Campus in Martinsried. Seit 1988 leitet er die
Abteilung Molekularbiologie im Max-Planck-Institut für Biochemie. Im Jahr 2005 leitete er als Koordinator
den Aufbau des Singapur "Oncogenome Project" im Zentrum für Molekulare Medizin der "Agency for
Science, Technology and Research (A*STAR)" in Singapur.
Die Weiterentwicklung und Vermarktung von Ergebnissen aus der Grundlagenforschung der Max-PlanckGesellschaft wird von der Tochtergesellschaft Garching Innovation betreut, die auch die Patent-Verfahren
aller Max-Planck-Wissenschaftler koordiniert. Seit 1979 hat Garching Innovation GmbH (GI) etwa 2.443
Erfindungen betreut und 1.472 Verwertungsverträge abgeschlossen. Der Gesamterlös daraus beläuft sich
heute auf über 181 Millionen Euro. Die Hälfte davon stammt aus dem Ausland. Auch die Patente von Axel
Ullrich und seinen Kollegen werden durch Garching Innovation betreut. "Die Erfolgsgeschichte von
SUTENT® demonstriert auf eindrucksvolle Weise die Stärke der Garching Innovation, die beiden
Geschäftsfelder Auslizenzierungen und Firmengründungen zu verbinden", kommentiert Jörn Erselius,
Geschäftsführer von Garching Innovation GmbH.
[ED/AT]
Verwandte Links:
[1]
Garching-Innovation
[2]
Zulassung von SUTENT®
[3]
Klinische Studien von SUTENT®/SU11248 in den USA
[4]
Website des Pharma-Unternehmens Pfizer in Deutschland
Kontakt:
Prof. Dr. Axel Ullrich
Max-Planck-Institut für Biochemie, Martinsried
Tel.: 089 8578-2824
Fax: 089 8578-2943
E-mail: [email protected]
Matthias Stein-Gerlach, PhD
Garching Innovation GmbH, München
Tel.: 089 290919-0
Fax: 089 290919-99
E-mail: [email protected]
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